Östrogenfreie Pille
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Östrogenfreie Pille
FORTBILDUNG + KONGRESS HORMONELLE KONTRAZEPTION Östrogenfreie Pille: Blutungsverhalten und Therapie von Zusatzblutungen Hans-Joachim Ahrendt, Daniela Kose Östrogenfreie Pillen haben für viele Patientinnen Vorteile, doch können Zusatzblutungen die Akzeptanz erheblich vermindern. Eine Beobachtungsstudie macht deutlich, welches Blutungsverhalten zu erwarten ist; die Therapieempfehlungen der AG Hormone des BVF sollen helfen, das für die individuelle Patientin günstigste Vorgehen zu wählen. Die überwiegende Mehrzahl der hormonalen Kontrazeptiva sind Kombinationspräparate, die Ethinylestradiol (EE) in unterschiedlicher Dosierung sowie Gestagene mit unterschiedlicher sekretorischer Potenz und Partialwirkung enthalten. Die Dosierung der Gestagene entspricht meist der anderthalb- bis zweifachen ovulationshemmenden Wirkung. Um östrogenbedingte Nebenwirkungen zu vermeiden, wird die Östrogendosis zunehmend reduziert (von 50 µg EE auf 20 µg EE und weniger). Östrogenfreie Pillen und ihre Charakteristika Darüber hinaus kommen östrogenfreie Systeme unterschiedlicher Applikationsart (oral, subdermal, intrauterin, intramuskulär) zur Anwendung. Bei den reinen Gestagen-Pillen (Progestin-only-Pills = POP) muss die „typische Minipille“ mit 30 µg Levonorgestrel pro Tablette ohne Ovulationshemmung von der östrogenfreien Pille mit 75 µg Desogestrel und voller Ovulationshemmung unterschieden werden. Da die östrogenfreie Pille mit 75 µg Desogestrel nicht nur die peripheren Parameter wie Zervixschleim, Endometrium und Tube beeinflusst, sondern über eine zentrale Inhibition der Achse Hypothalamus-HypophyseOvar auch eine Hemmung der Ovulation bewirkt, ist eine hohe kontra- 134 FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 2 zeptive Sicherheit analog den Kombinationspräparaten gegeben. Östrogenfreie Pillen haben den Vorteil, nicht nur zyklusabhängige Beschwerden wie menstruelle Migräne, Dysmenorrhoe und prämenstruelles Syndrom zu vermeiden, sondern auch östrogenbedingte Nebenwirkungen in Form von Ödemen, Mastodynie u.a. zu bessern. Dies geht aber zu Lasten eines regelmäßigen Blutungsgeschehens, da die Anwendung aller östrogenfreien Systeme kontinuierlich ohne Pause erfolgt. Das individuelle Blutungsverhalten und individuelle Blutungsmuster sind bei den Gestagen-only-Systemen nicht vorhersehbar. Für die in der Praxis tätigen Gynäkologinnen und Gynäkologen ist es wichtig zu wissen, wie im Einzelfall derartige irreguläre Blutungen verlaufen und vor allem, wie sie behandelt werden können. Evidenzbasierte Studien liegen hierzu allerdings nicht vor, sodass hierbei Erfahrungswerte und Meinungen von Expertengruppen von Bedeutung sind. Dem soll auch die im Folgenden vorgestellte Beobachtungsstudie dienen. Material und Methode In dieser Studie wurden die individuellen Blutungsmuster von 31 Probandinnen analysiert, die innerhalb einer Präventionsstudie zur „Menstruellen Migräne“ (1) die östrogenfreie Pille mit 75 µg Desogestrel über sechs Monate (6 Blister, 168 Tage) einnahmen. Die Blutungen der Probandinnen wurden nach folgenden Gesichtspunkten bewertet: Blutungen je Referenzperiode, Blutungen pro Monat, individuelle Blutungsmuster über den Zeitverlauf von 168 Tagen. Entsprechend der Empfehlung der WHO erfolgte die Beurteilung der Blutungsmuster bei Gestagen-only-Systemen, bei denen in der Regel „28-Tage-Zyklen“ nicht erkennbar sind, in Referenzperioden von jeweils 90 Tagen (3, 4). Da im ersten Monat der Anwendung oraler Kontrazeptiva wegen des Beginns mit der Medikation am ersten Blutungstag verstärkt Zusatzblutungen auftreten, wurde zusätzlich eine „verschobene Referenzperiode“ (Tag 29 bis Tag 118) eingeführt (s. Abb. 1 auf S. 135). Diese verschobene Referenzperiode vernachlässigt also die ersten 28 Tage, die häufiger mit zusätzlichen Blutungen belastet sind. Da sich die vorliegende Studie über 168 Tage erstreckte, konnten sowohl die erste Referenzperiode und als auch die verschobene Referenzperiode analysiert werden. Alle statistischen Auswertungen erfolgten anhand nichtparametrischer Verfahren, da für die Daten keine Normalverteilung angenommen werden konnte. Ergebnisse Blutungsereignisse in der ersten Referenzperiode und der verschobenen Referenzperiode In der ersten Referenzperiode war eine Patientin (3,2%) amenorrhoisch, 12,9% hatten ein bis zwei und 45,2% drei bis fünf Blutungsereig- Einteilung der Blutungsereignisse nach Referenzperioden Referenzperiode 1 2 3 4 Einnahmedauer 1–90 28–118 (verschobene Referenzperiode) 91–180 181–270 271–360 Bewertung der Blutungsereignisse Amenorrhoe keine Blutung seltene B/S 1 oder 2 B/S-Episoden weniger häufige B/S 3 bis 5 B/S-Episoden häufige B/S 6 oder mehr B/S-Episoden verlängerte B/S B/S-Episoden >14 Tage B/S = Blutung/Spotting Abb. 1: Grundlagen für die Analyse der individuellen Blutungsmuster. In der verschobenen Referenzperiode, in der die ersten 28 Tage nicht mit beurteilt wurden, beobachtete man bereits fünf Patientinnen mit Amenorrhoen (16,1%). Hier hatten 12,9% ein bis zwei und 45,2% drei bis fünf Blutungsereignisse. Es gab keine Patientin mit sechs und mehr Blutungsereignissen, aber 25,8% der Frauen hatten Dauerblutungen von 14 und mehr Tagen (s. Abb. 2). Auch in der verschobenen Referenzperiode traten regelstarke Blutungen hochsignifikant (p<0,001) seltener auf als leichte Spottings. Blutungen je Monat Die Beurteilung nach durchschnittlicher Blutungsdauer in Tagen je Monat und nach der Blutungsstärke spiegelt das Blutungsverhalten jedoch deutlicher wider als die Einteilung nach Referenzperioden. schnittlich 8,7 Blutungstage auf und im sechsten Monat durchschnittlich 4,6 Blutungstage. Im ersten Monat bluteten 17 Patientinnen (54,8%) bis maximal sechs Tage. Von diesen hatte eine Patientin eine Amenorrhoe. In den Monaten 5 und 6 hatten sogar 25 (80,6%) bzw. 20 Patientinnen (64,5%) sechstägige und kürzere Blutungen, wobei bei 12 bzw. 13 Frauen Amenorrhoen auftraten. Nur noch zwei Frauen (6,5%) hatten Dauerblutungen von 14 Tagen und länger (s. Tab. 1 auf S. 136). Blutungsstärke Die meisten der aufgetretenen Blutungen waren Spottings. Sie traten etwa dreimal so häufig auf wie regelstarke Blutungen. Im ersten Anwen- 50 Nicht behandlungsbedürftige Blutungen Bei 21 (67,75%) der 31 Patientinnen traten nicht behandlungsbedürftige % 45,2 40 30 25,8 20 10 Blutungsdauer Mit zunehmender Einnahme der östrogenfreien Pille reduzierten sich die Blutungstage um etwa die Hälfte. Im ersten Einnahmemonat traten durch- Individuelle Blutungsmuster Für das beratende Gespräch mit der Patientin ist die Kenntnis der durchschnittlichen Zahl der Blutungstage nur bedingt hilfreich, da bei jeder einzelnen Patientin ein individuelles Blutungsmuster zu erwarten ist. Es ist also wichtig, solche individuellen Blutungsmuster zu kennen. Verschobene Referenzperiode – Blutungsereignisse Anteile nisse. 6,5% der Patientinnen hatten jedoch sechs und mehr Blutungsereignisse und 32,2% gar Dauerblutungen von 14 und mehr Tagen. Dabei traten hochsignifikant (p<0,001) häufiger leichte Spottings auf als regelstarke Zusatzblutungen. Im gleichen Zeitraum nahm die durchschnittliche Zahl der Tage mit regelstarken Blutungen von 3,3 Tagen auf 1,2 Tage ab (s. Abb. 3 auf S. 136). Der Anteil der Spottings an der Gesamtzahl der Blutungen blieb dabei mit drei Vierteln fast konstant. Die mittlere Blutungsintensität, in die sowohl Anzahl als auch Stärke der Blutungen eingingen, reduzierte sich somit unter der östrogenfreien Pille signifikant (p=0,008), was durch die hochsignifikante Reduktion der Blutungsmaxima (p<0,001) wie auch durch die Reduktion der Anzahl der Blutungen (p=0,008) bedingt wurde. Zudem zeigte sich, dass sich die Zahl der Spottings verringerte (p=0,051), während gleichzeitig die Anzahl der regelstarken Blutungen sogar hochsignifikant zurückging (p<0,001). FORTBILDUNG + KONGRESS dungsmonat waren 5,4 Tage mit Spottings zu beobachten und im sechsten Einnahmemonat 3,3 Tage. Definitionen 16,1 12,9 0 0 Amenorrhoe 1–2 B/S-Episoden 3–5 B/S-Episoden 6 und mehr B/S-Episoden verlängerte B/S Abb. 2: Blutungsereignisse in der verschobenen Referenzperiode. FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 2 135 Blutungsdauer der Patientinnen maximal 6 Tage bis 14 Tage länger als 14 Tage Zeitraum Monat 1 Monat 2 Monat 3 Monat 4 Monat 5 Monat 6 17 12 18 22 25 20 8 16 10 6 4 9 Blutungsstärke je Monat 10 Mittlere Anzahl der Tage mit Blutungsereignissen insgesamt, davon: Spottings regelstarke Blutungen 8 6 4 2 0 Monat 1 Monat 2 Monat 3 Monat 4 Medikationszeitraum Monat 5 Monat 6 Abb. 3: Die überwiegende Mehrzahl der Zusatzblutungen waren Spottings, nur wenige regelstarke Zusatzblutungen. Blutungsmuster auf, von denen in Abbildung 4 (S. 138) einige dargestellt sind. Therapiebedürftige Blutungen Bei 10 (32,25%) der 31 Patientinnen traten irreguläre und Dauerblutungen in einer Häufigkeit und Stärke auf, die der therapeutischen Intervention bedurften. Vier solcher Blutungsmuster sind in Abbildung 5 (S. 138) dargestellt. Diskussion der Ergebnisse Zusatzblutungen unter oralen Kontrazeptiva (OC) stellen für die meisten Patientinnen eine starke Belastung dar und sind compliancemindernd. Sie sind abhängig von der Östrogendosis, dem synthetischen Gestagen, aber auch von externen Faktoren wie Stress, der zusätzlichen Einnahme von Medikamenten, dem 136 6 3 3 3 2 2 Tab. 1: Mit zunehmender Einnahmedauer reduzierten sich die Blutungstage signifikant. Tage FORTBILDUNG + KONGRESS Durchschnittliche Blutungsdauer in Tagen je Monat FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 2 Rauchen und dem Körpergewicht (8, 16, 17). Insbesondere aber ist die Häufigkeit des Auftretens von Zusatzblutungen abhängig von der Höhe der Östrogendosis in den Kombinationspräparaten (8, 16). Je niedriger die Östrogendosis ist, desto größer ist die Zahl der Zusatzblutungen besonders in den ersten drei Einnahmemonaten. Sie reicht im ersten Anwendungsmonat von 24% bei Pillen mit 30 µg Ethinylestradiol (EE) (15) über 27% bei 20 µg EE (5, 13) bis zu 35% bei 15 µg EE (7). Bei östrogenfreien Präparaten sind ähnlich hohe Raten an Zusatzblutungen in den ersten Anwendungsmonaten zu erwarten (6, 16). Hier gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Art des synthetischen Gestagens und seiner Dosierung bezüglich seiner Potenz, das Endometrium zu supprimieren (2, 18, 19). Da die östrogenfreien Pillen kontinuierlich ohne Einnahmepause eingenommen werden, ist nicht vorhersehbar, welche Blutungsmuster auftreten werden. Zusatzblutungen stellen mit 25% den Hauptgrund für das Absetzen der östrogenfreien Pille dar (12). Für die in der Praxis tätigen Gynäkologen ist es bei der Ordination der östrogenfreien Pille mit 75 µg Desogestrel wichtig zu wissen, welche Blutungsmuster individuell zu erwarten und wie mögliche Zusatzblutungen behandelbar sind. In der vorliegenden Arbeit wurden die Blutungsmuster von 31 Patientinnen ausgewertet, die die östrogenfreie Pille mit 75 µg Desogestrel mit der Indikation „Menstruelle Migräne“ im Rahmen einer Beobachtungsstudie über sechs Monate (168 Tage) eingenommen haben (1). Zuerst erfolgte eine Beurteilung nach 90-Tage-Referenzperioden. In der ersten Referenzperiode traten bei 61,3% der Patientinnen bis zu fünf Blutungsereignisse auf, bei 38,7% sechs und mehr oder gar Dauerblutungen. In der verschobenen Referenzperiode, in der die ersten 28 Tage nicht mit berücksichtigt werden, waren bei 74,2% bis zu fünf Blutungsereignisse zu verzeichnen. Davon hatten 16,1% eine Amenorrhoe. Dauerblutungen von 14 und mehr Tagen hatten noch 25,8% der Patientinnen. Die Darstellung der Blutungsereignisse nach Referenzperioden ist für den Gynäkologen in der Praxis bei der Beratung der Patientin aber wenig hilfreich. Es ist hierbei nicht erkennbar, ob ein solches Blutungsereignis nur einen Tag oder aber mehrere Tage dauert, und gerade das ist ja wichtig für die Anwenderin. Deshalb ist eine Einteilung in Blutungstage pro Monat aussagekräftiger. FORTBILDUNG + KONGRESS Beispiele für nicht behandlungsbedürftige Blutungsmuster Patientin 4: 6 Blutungstage (entspricht 1 Tag/Zyklus) 0 28 56 84 112 Medikationszeit in Tagen 140 Patientin 15: 30 Blutungstage (entspricht 5 Tage/Zyklus) 168 Patientin 21: 19 Blutungstage (entspricht 3 Tage/Zyklus) 0 28 56 84 112 Medikationszeit in Tagen 140 28 56 84 112 Medikationszeit in Tagen 140 28 56 84 112 Medikationszeit in Tagen 140 168 Patientin 38: 23 Blutungstage (entspricht 4 Tage/Zyklus) 168 Patientin 43: 27 Blutungstage (entspricht 4 Tage/Zyklus) 0 0 0 28 56 84 112 Medikationszeit in Tagen 140 168 Patientin 46: 18 Blutungstage (entspricht 3 Tage/Zyklus) 168 0 28 56 84 112 Medikationszeit in Tagen 140 168 Tag mit regelstarker Blutung Tag mit Spottings Abb. 4: Die Mehrzahl der Patientinnen hatte nur zu Medikationsbeginn Blutungen, später kam es in vielen Fällen zur Amenorrhoe. Beispiele für therapiebedürftige Blutungsmuster Patientin 3: 67 Blutungstage (entspricht 11 Tage/Zyklus) 0 28 56 84 112 Medikationszeit in Tagen 140 Patientin 9: 64 Blutungstage (entspricht 10,5 Tage/Zyklus) 168 Patientin 14: 140 Blutungstage (entspricht 23 Tage/Zyklus) 0 28 56 84 112 Medikationszeit in Tagen 140 168 0 28 56 84 112 Medikationszeit in Tagen 140 168 Patientin 76: 97 Blutungstage (entspricht 16 Tage/Zyklus) 0 28 56 84 112 Medikationszeit in Tagen 140 168 Tag mit regelstarker Blutung Tag mit Spottings Abb. 5: Bei dem für die Patientinnen nicht tolerablen Blutungsmustern reichte das Spektrum von häufigen und starken Blutungen bis zu Dauerblutungen. Innerhalb der sechs Einnahmemonate reduzierte sich die Zahl der Blutungstage um durchschnittlich etwa die Hälfte, von 8,7 auf 4,6 Tage. Mit zunehmender Einnahmedauer ist mit einer Atrophie des Endometriums und damit auch mit Amenorrhoen zu rechnen (16). Allerdings ist die endometriale Response bei Gestagenpillen schwer vorhersehbar (12). 138 FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 2 In unserer Klientel bluteten im ersten Monat 17 Patientinnen (54,8%) bis nur maximal sechs Tage (eine Patientin: Amenorrhoe), im Monat 5 und 6 sogar 25 (80,6%) bzw. 20 Patientinnen (64,5%), wobei bei zwölf beziehungsweise 13 Frauen Amenorrhoen auftraten. Nur noch zwei Frauen (6,5%) hatten Dauerblutungen von 14 Tagen und länger. Drei Viertel dieser waren leichte Spottings, und dies sowohl im ersten als auch im sechsten Einnahmemonat. Die mittlere Blutungsintensität, in die sowohl Anzahl als auch Stärke der Blutungen eingehen, reduzierte sich unter der östrogenfreien Pille signifikant (p=0,008). Das heißt, es ist mit zunehmender Einnahmedauer nur mit wenigen und leichten Spottings oder gar Amenorrhoen zu rechnen. Zu diesem Entschluss kommt man insbesondere dann, wenn man die individuellen Blutungsmuster der einzelnen Anwenderinnen analysiert. Dabei ist zu erkennen, dass sich die Blutungsmuster über den Zeitverlauf von sechs Monaten (168 Tage) bei jeder einzelnen Patientin grundsätzlich unterscheiden. Keines dieser Bilder gleicht dem anderen. Eine Systematisierung der Blutungsverläufe ist kaum möglich. Dabei waren in unserer Studie die Blutungsmuster von 21 Patientinnen (67,75%) unauffällig und nicht behandlungsbedürftig. Es handelte sich meist nur um anfänglich auftretende Blutungen und später Amenorrhoen. Andere wiesen immer wiederkehrende leichte Spottings auf. 10 der 31 Patientinnen (32,25%) hatten dagegen nicht tolerable, behandlungsbedürftige Blutungen, die von häufigen und starken Blutungen bis zu Dauerblutungen reichten. Es ist also wichtig, solche individuellen Blutungsmuster zu kennen, um daraus einerseits Schlüsse für das eigene ärztliche Verhalten und andererseits therapeutische Optionen für die „Behandlung“ von irregulären, die Anwenderin belastenden Blutungen abzuleiten. Therapeutisches Vorgehen Für das therapeutische Vorgehen liegen keine validierten Daten vor. Es muss deshalb auf klinische Erfahrungen und Beobachtungsstudien zurückgegriffen werden. Dabei sollte zunächst gefragt werden: – Treten die Zusatzblutungen in den ersten drei Anwendungsmonaten oder später auf? – Stellt sich ein hoch aufgebautes Endometrium (mehr als 6 mm), Optionen für die Behandlung von Zusatzblutungen unter der östrogenfreien Pille (Erarbeitet von der AG Hormone des BVF* unter Leitung von Prof. Dr. H.-J. Ahrendt) irreguläre Blutungen innerhalb der ersten drei Monate bei niedrigem Endometrium (≤6 mm) Option 1 1 Tabl. Ethinylestradiol 25 µg über 21 Tage zusätzlich oder 50 µg E2-Pflaster über 4–7 Tage zusätzlich Option 2 desogestrelhaltiges Kombinationspräparat über 21 Tage an Stelle der östrogenfreien Pille Option 3 Tranexamsäure (Cyklokapron, Deutschland, Österreich) 3 mal 1 Tabl. zusätzlich über 5 Tage oder Mefenaminsäure 500 mg (Ponstan, Schweiz) 2 mal 1 Tabl. über 5 Tage zusätzlich bei hohem Endometrium (>6 mm) Option 1 1 Tabl. Norethisteronacetat 2,5–5 mg über 10 Tage zusätzlich Option 2 Absetzen der östrogenfreien Pille für 4 Tage irreguläre Blutungen nach mehr als dreimonatiger Einnahmezeit bei niedrigem Endometrium (≤ 6 mm) Option 1 1 Tabl. Ethinylestradiol 25 µg über 21 Tage zusätzlich oder 50 mg E2-Pflaster über 4 Tage zusätzlich Option 2 desogestrelhaltiges Kombinationspräparat an Stelle der östrogenfreien Pille Option 3 Doxycyclin 100 mg über 10 Tage Option 4 Tranexamsäure (Cyklokapron, Deutschland, Österreich) 3 mal 1 Tabl. zusätzlich über 5 Tage oder Mefenaminsäure 500 mg (Ponstan, Schweiz) 2 mal 1 Tab. über 5 Tage zusätzlich FORTBILDUNG + KONGRESS Für die Praxis bedeutet dies, nicht zu früh die Behandlung wegen zusätzlicher Blutungen abzubrechen, sondern über den dritten Einnahmemonat hinaus zu warten. Sollten sich dann immer noch Zusatzblutungen darstellen, ist es ratsam, mit einer gezielten Behandlung zu beginnen. bei hohem Endometrium (>6 mm) Option 1 1 Tab. Norethisteronacetat 2,5–5 mg über 10 Tage Option 2 1 Tab. Cerazette über 28 Tage zusätzlich Option 3 Absetzen der östrogenfreien Pille für 4 Tage * Mitglieder der AG Hormone: – Prof. Dr. med. Hans-Joachim Ahrendt, Magdeburg – Dr. med. Christian Albring, Hannover – Prof. Dr. med. Cosima Brucker, Nürnberg – PD Dr. med. Dolores Foth, Köln – Prof. Dr. med. Gunther Göretzlehner, Rostock – Prof. Dr. med. Peyman Hadji, Marburg – Dr. med. Werner Harlfinger, Mainz – Prof. Dr. med. Ulrich Karck, Stuttgart – Dr. med. Klaus König, Steinbach – Dr. med. Armin Malter, Merzig – Prof. Dr. med. Alfred O. Mueck, Tübingen – Prof. Dr. med. Alexander Teichmann, Aschaffenburg – Prof. Dr. med. Hans-Peter Zahradnick, Freiburg i. Br. unter weiterer Mitarbeit von: – Prof. Dr. med. Johannes Bitzer, Basel – Prof. Dr. med. Christian Ergarten, Wien – Dr. med. Hans-Uwe Feldmann, Essen – Dr. med. Silke Jensen-El Tobgui, Frankfurt/Main – Dr. med. Claudia Linemayr-Wagner, Wien – Dr. med. Rolf Maek, Essen – Dr. med. Gabriele Merki, Zürich – Dr. med. Klaus Peters, Hamburg – Prof. Dr. Dr. med. Thomas Rabe, Heidelberg – Dr. med. Katrin Schaudig, Hamburg – Prof. Dr. med. Karl-Werner Schweppe, Westerstede Tab. 2: Zusammenstellung der Therapieoptionen bei irregulären Blutungen. FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 2 139 FORTBILDUNG + KONGRESS ein niedriges oder gar atrophisches Endometrium dar? In den ersten drei Anwendungsmonaten ist vor allem mit einer hormonellen Dysregulation zu rechnen. Die kontinuierliche östrogenfreie Medikation bedingt eine Suppression der Ovarien sowie eine fehlende Proliferation und eine irreguläre Sekretion (9). Hier scheint eine hormonelle Therapie je nach Endometriumdicke wohl die beste Option. Später auftretende Blutungen sind wahrscheinlich auf Störungen des vaskulären Kompartiments des Endometriums zurückzuführen. Möglicherweise sind sie besonders bei atrophischem Endometrium durch eine Angiogenese-Störung bedingt (16). Diskutiert werden u.a. eine Unterdrückung der Entwicklung der endometrialen Spiralarterien durch Progesteron und eine dadurch veränderte Hämostase (10), eine verstärkte Venenbildung und Venenerweiterung im endometrialen Übergang (9, 12, 22) sowie eine Veränderung der Leukozyten im Sinne eines entzündlichen Prozesses (20, 23). Dies führt zunehmend zu einer mikrovaskulären Brüchigkeit und bedingt dadurch die irregulären Blutungen (9). In diesen Fällen von meist atrophischem Endometrium hat eine Behandlung mit den Fibrinolysehemmer Tranexamsäure (9) oder dem Prostaglandin-Synthese-Inhibitor Mefenaminsäure (11) in Studien sowie auch in der Praxis zu längeren blutungsfreien Zeiträumen geführt. Beide Substanzen können ein Anwachsen der vaskulären Stabilität bewirken. Da eine subklinische Endometritis (23) ebenso als Blutungsursache diskutiert wird, kann auch eine Behandlung mit Doxycyclin zum Erfolg führen. Da eine exakte Ursache für eine irreguläre Blutung unter der Langzeiteinnahme einer östrogenfreien Pille meist nicht ausgemacht werden kann, muss sich die individuelle Therapie auf diese durch einzelne Studien und klinische Erfahrungen gestützten Hypothesen und 140 FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 2 Erkenntnisse berufen. Dementsprechend vielfältig sind auch die therapeutischen Optionen, die in Tabelle 2 (S. 139) dargestellt sind. Literatur 1. Ahrendt HJ et al.: Präventive Wirkung hormoneller Kontrazeptiva (75µg Desogestrel vs. 150µg Desogestrel plus 30µg Ethinylöstradiol im Langzyklus) bei menstrueller Migräne. Frauenarzt 48 (2007) 1186–1192. 2. Bachmann G, Korner P: Bleeding patterns associated with oral contraceptive use: a review of the literature. Contraception 76 (2007) 182–189. 3. Belsey EM et al.: The analysis of vaginal bleeding patterns included by fertility regulation methods. Contraception 34 (1986) 253–260. 4. 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