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Begleitmaterial Hexenjagd Von Arthur Miller Fotos: Christian Brachwitz Premiere am 19. Oktober 2013 um 19.30 Uhr in den Kammerspielen Ab 15 Jahren Redaktion: Katrin Maiwald Inhalt 1. Einleitung (S. 3) 2. Bildergalerie Premierenklassenprojekt (S. 4) 3. Besetzung (S. 6) 4. Stückinhalt (S. 7) 5. Historischer Hintergrund (S. 8) 6. Autor (S. 9) 7. Zur Entstehung von Hexenjagd (S. 9) 8. Regieteam (S. 10) 9. Theaterpädagogik (S. 12) 10. Quellen (S. 17) 2 1. Einleitung Liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Interessierte, die Klasse 1c der BAKIP Lederergasse in Linz (geleitet von Ilse Wagner und Ursula Riederer) trat als Premierenklasse von Hexenjagd am Premierenabend im Foyer der Kammerspiele auf. Unter der Leitung der Chorerographin Vivienne Hoetger, des Regisseurs Ingo Putz und mir verwandelten sich die einundzwanzig Mädchen in ‚Double’ der jungen Schauspielerinnen. Sie zeigten eine Choreographie, in der sie entrückt, in enger Gemeinschaft und vom sehnsüchtigen Gefühl der Liebe ergriffen, neben, zwischen und unter dem wartenden Premierenpublikum sowie später in der Pause präsent waren. Die vier Burschen der Klasse setzten sich mit der Rolle des John Proctor auseinander und folgten in der Choreographie ihren eigenen Bewegungsgesetzen; stets aus einer die Mädchengruppe beobachtenden Position. Als Textgrundlage für die Sprechchöre der Mädchen wurde der Songtext von The Slow Drug von PJ Harvey verarbeitet. Die Anwesenheit der 14-jährigen Schülerinnen, die Gruppendynamik und Verbundenheit der realen Mädchengruppe und ihren ‚Entrückungszustand’ in der Pubertät, waren dem Regieteam wichtige Ausgangspunkte für die Inszenierung des 1953 geschriebenen Stückes Hexenjagd. Die Perspektive des jungen Mädchens Abigail und seiner Verbündeten steht somit auch in der Inszenierung im Vordergrund. Unter welchem Druck stehen die Mädchen in Hexenjagd und in welchem Maße sind sie in diesem Gesellschaftssystem ihrer Freiheit beraubt? Wie wird ihre Lust am Verliebtsein, an Körperlichkeit und sexuellem Erwachen von einem religiösfanatischem Gesellschaftssystem zerstört? Und wie machen sie sich eben diesen religiösen Fanatismus schließlich zu nutze, um selbst an Macht zu gelangen und ihre eigenen Interessen zu vertreten? Diese und viele weitere aktuelle Anknüpfungspunkte an das Stück bietet die Inszenierung. Weiters finden Sie in diesem Begleitmaterial unter dem Kapitel Theaterpädagogik Ideen zur Vor- und Nachbereitung des Theaterbesuches mit Ihrer Klasse sowie Hintergrundinformationen zum Produktionsteam und der Entstehungsgeschichte des Stückes. Nun wünsche ich Ihnen interessante Lektüre und eine spannende Vorstellung! Mit herzlichen Grüßen, Katrin Maiwald (Theaterpädagogin) 3 2. Bildergalerie Premierenklassenprojekt Performance der Premierenklasse bei der Generalprobe am 18. Oktober 2013 4 5 3. Besetzung HEXENJAGD Schauspiel in zwei Akten von Arthur Miller Deutsch von Hannelene Limpach und Dietrich Hilsdorf Eine Produktion von Schauspiel, u\hof: und 3. Jahrgang der Schauspielabteilung der Anton Bruckner Privatuniversität Premiere im Landestheater Linz am Samstag, 19. Oktober 2013 um 19.30 Uhr in den Kammerspielen, Promenade Leitungsteam INSZENIERUNG BÜHNE KOSTÜME CHOREOGRAFIE MUSIK MUSIKALISCHE EINSTUDIERUNG DRAMATURGIE THEATERPÄDAGOGIK Ingo Putz Stefan Brandtmayr Cornelia Kraske Vivienne Hötger Günther Gessert Nebojša Krulanović Franz Huber, Matthias Döpke Katrin Maiwald Besetzung ABIGAIL WILLIAMS MARY WARREN BETTY PARRIS MERCY LEWIS SUSANNA WALLCOTT TITUBA Sabrina Rupp Katharina Stehr Linn Sanders Patricia Windhab Alexandra Pernkopf Sophia Haider JOHN PROCTOR ELIZABETH PROCTOR Georg Bonn Bettina Buchholz RICHTER DANFORTH REVEREND JOHN HALE REVEREND SAMUEL PARRIS EZEKIEL CHEEVER ANN PUTNAM REBECCA NURSE Sven-Christian Habich Sebastian Hufschmidt Thomas Bammer Erich Josef Langwiesner Gunda Schanderer Eva-Maria Aichner THEREMINSPIELER Günther Gessert 6 4. Stückinhalt Eines Nachts entdeckt Pastor Parris seine Tochter Betty, seine Nichte Abigail und zehn bis zwölf andere Mädchen bei geheimen Ritualen. Schnell spricht sich in der Kleinstadt herum, dass es im Hause Parris nicht mit rechten Dingen zugeht. Aus Schamgefühlen und Angst vor Bestrafung flüchten sich die Mädchen in heftige Reaktionen: Ohnmacht, Essensverweigerung, Panikattacken. Als der auswärtige Hexenspezialist Pastor Hale erscheint, bricht allgemeine Hysterie aus. Das Geschehen wird als Teufelsanbetung verschrien und ein Gericht einberufen. Um sich zu schützen, simulieren die Mädchen Anfälle und behaupten, dass sie von anderen Gemeindemitgliedern verhext worden seien. Mit jeder Beschuldigung wächst die Macht der Mädchen, die bald wie Kämpferinnen gegen den Satan geehrt werden. Abigail versucht, diese Machtposition zu benutzen, um die Frau des Pflanzers John Proctor an den Galgen und sich selbst an die Seite Proctors zu bringen. Kaum jemand kann den von Aberglauben, Angst und Rache genährten Wahn in der Gemeinde durchschauen, als schließlich auch John Proctor angeklagt und zu einer Entscheidung gezwungen wird. Um sein eigenes Leben zu retten, müsste er andere beschuldigen und gegen Wahrheit und Gewissen bekunden, einen Pakt mit dem Teufel zu haben. 7 5. Historischer Hintergrund Während der Hexenprozesse neuenglischer Puritaner im Jahr 1692 wurden 20 Frauen und Männer wegen Hexerei verurteilt und hingerichtet. 55 Beschuldigte wurden unter Folter zu Falschaussagen gebracht, 150 Verdächtigte inhaftiert und weitere 200 Menschen der Hexerei beschuldigt. Für die meisten Verurteilten wurde 1711 eine Generalamnestie ausgesprochen. Erst 2001 wurde durch die Gouverneurin von Massachusetts eine Unschuldserklärung für die fünf letzten Frauen unterzeichnet. Der Erweckungsprediger Samuel Parris war 1689 zum ersten unabhängigen Leiter der streng puritanischen Gemeinde von Salem ernannt worden. Der Schwerpunkt seiner Predigten lag auf dem Kampf zwischen Gottes auserwähltem Volk und dem Satan. Im Winter 1692 begannen seine Tochter Betty Parris und seine Nichte Abigail Williams, sich auffällig zu verhalten, insbesondere seltsam zu sprechen, sich unter Dingen zu verstecken und auf dem Boden zu kriechen. Keiner der bestellten Ärzte konnte das Leiden der Mädchen medizinisch erklären. Der Arzt William Griggs vermutete nach eingehender Untersuchung und dem Ausschluss aller damals bekannten psychischen Störungen, dass sie vom Teufel besessen sein könnten. Abigail und Betty bestätigten dies, indem sie schilderten, wie sie durch unsichtbare Hände gequält würden. Parris griff diese Erklärung sofort auf und meinte, dass die Stadt von Satan besetzt worden sei. Ein Heer von kleinen Teufeln stehe bereit, in die neue Siedlung einzudringen. Betty berichtete, dass Satan versucht habe, sich ihr zu nähern. Da sie ihn abgewiesen habe, schicke er nun seine Handlanger, die Hexen. Bedrängt, die Namen der Personen zu nennen, von denen sie besessen und verhext seien, beschuldigten die Mädchen zunächst die drei Frauen Sarah Good, Sarah Osborne und Tituba. Sarah Good war eine stadtbekannte Bettlerin, Tochter eines französischen Gastwirts; ihr wurden häufige Selbstgespräche nachgesagt. Sarah Osborne war eine bettlägerige ältere Frau, die die Kinder ihres ersten Mannes um ihr Erbe gebracht haben sollte, indem sie es ihrem neuen Mann geschenkt hatte. Tituba war eine indianische oder schwarze Sklavin des Geistlichen Samuel Parris. Diese berichtete über Hexenversammlungen und behauptete, einige Namen im Buche Satans gesehen zu haben. Die unter der Bedrohung durch Indianer stehende Dorfgemeinschaft, die ohne formale Regierung war, glaubte den Anschuldigungen. Arthur Miller verwendete 1953 die historischen Hexenprozesse von Salem als Analogie auf die Kommunistenverfolgung der McCarthy-Ära. In einem Selbstkommentar zu seinem Drama Hexenjagd schrieb er: „Überall dort, wo die Ablehnung des politischen Gegners grausame Formen annimmt, wo man ihn misshandelt und austilgt, eben weil man in ihm nicht mehr den Menschen sehen kann, sondern etwas dämonisch Inspiriertes – überall dort wirkt auch in unserem Jahrhundert der alte Hexenwahn.“ 8 6. Autor Miller zählt zu den bedeutendsten gesellschaftskritischen Dramatikern des 20. Jahrhunderts. Häufig steht in seinem Werk die ethische Verpflichtung des Einzelnen in Opposition zu dem sogenannten American Way of Life. Gleichzeitig stand beruflicher Erfolg aber auch im Mittelpunkt seines eigenen Lebens. Der Laufbursche eines AutoersatzteilLagers in Millers Memory oftwoMondays, der von zwei Dollar die Woche lebt und die restlichen 13 Dollar seines Lohnes für das Studium zurücklegt, ist ein autobiographisches Selbstportrait.Miller wurde 1915 in New York geboren. Seine Familie war vor dem Ersten Weltkrieg aus Österreich eingewandert. Mit 19 Jahren hatte er genug Geld gespart, um in Michigan am Theater-College studieren zu können. Später lernte er in New York im „Dramatic Workshop“ des emigrierten deutschen Regisseurs Erwin Piscator. Der Tod eines Handlungsreisenden, uraufgeführt 1949 in New York, machte ihn weltberühmt.Im Juli 1957 wurde er wegen „Missachtung des Kongresses“ zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er sich vor dem „Kongressausschuss für unamerikanische Umtriebe“ geweigert hatte, Angaben über frühere Bekannte zu machen, die kommunistischer Sympathien verdächtigt wurden.In zweiter Ehe war Miller von 1956 bis 1960 mit Marilyn Monroe verheiratet. In seinem Schauspiel Nach dem Sündenfall zeichnete er später kaum verhüllt sein Leben mit ihr nach. Sein Alter Ego trennt sich in dem Stück von „Maggie“, weil er nicht Komplize ihres Selbstzerstörungsdrangs werden will. Auch seinen autobiographisch gefärbten Intimitäten gewinnt Miller jedoch eine auf die Gesellschaft bezogene Lebenslehre ab – getreu seiner Forderung: „In der Tragödie muss es die Möglichkeit des Sieges geben.“ 7. Zur Entstehung von Hexenjagd Arthur Miller Mich bewegte nicht nur der Aufstieg des „McCarthyismus“, sondern etwas anderes, das mir noch unheimlicher und rätselhafter erschien. Es handelte sich um die Tatsache, dass eine politisch zielgerichtete und geschickte Kampagne der äußersten Rechten nicht nur in der Lage war, eine panische Angst zu schüren, sondern darüber hinaus eine neue, subjektiv erfahrbare Wirklichkeit schaffen konnte, die eine wahrhaft mystische Aura besaß und einen beinahe religiösen Widerhall nach sich zog. Mich versetzte es in Erstaunen, dass eine so kleine und unbedeutende Sache, die von so eindeutig lachhaften Menschen vorangetrieben wurde, in der Lage sein sollte, das Denken zum Erliegen zu bringen, und, was noch schlimmer war, die Köpfe der 9 Menschen mit betörenden Wolken „unerklärlicher“ Gefühle einzulullen. Man hatte den Eindruck, als sei das ganze Land neugeboren worden, ohne das geringste Erinnerungsvermögen an bestimmte, elementare Formen des Anstands, von denen sich nur ein oder zwei Jahre zuvor niemand hätte vorstellen können, dass sie sich eines Tages wandeln oder in Vergessenheit geraten konnten. Voller Erstaunen musste ich miterleben, wie Menschen ohne ein Kopfnicken an mir vorübergingen, die ich seit Jahren recht gut kannte; und das Erstaunen erwuchs wiederum aus meiner Erkenntnis, von der ich mich nicht abbringen ließ, dass die Angst dieser Menschen vorsätzlich geplant und bewusst geschürt worden war, sie allerdings außer dieser Angst nichts anderes mehr wahrnahmen. Mich verwunderte es, dass ein so intimes und persönliches Gefühl offensichtlich von außen hatte erzeugt werden können. Und auf dieser Verwunderung beruht jedes einzelne Wort in Hexenjagd. 8. Regieteam Ingo Putz (Regie) Ingo Putz, in Fulda geboren, studierte zunächst Psychologie, Landschaftsökologie und Biologie sowie Lehramt Musik/Biologie in Oldenburg. Parallel zu seinem Studium engagierte er sich in der freien Theaterszene Oldenburgs sowie am Oldenburgischen Staatstheater als Musiker und Musikalischer Leiter. Von 2004 bis 2007 war er als Regieassistent am Oldenburgischen Staatstheater engagiert. Seit 2007 ist Ingo Putz freischaffender Regisseur. Seitdem inszeniert er an zahlreichen deutschsprachigen Theatern u. a. am Oldenburgischen Staatstheater (Der Hässliche von Marius von Mayenburg und King A von Inèz Derksen), am Theater Pforzheim (u. a. Frühlings Erwachen), an der Landesbühne Nord (Uraufführung des Erfolgmusicals METANorddeich von Peter Schanz) und am Staatstheater Cottbus (Dantons Tod von Georg Büchner). Arbeiten am Landestheater Linz: Wir alle für immer zusammen, Woyzeck, Außer Kontrolle und die Uraufführung des preisgekrönten Stückes Alpenvorland von Thomas Arzt. Stefan Brandtmayr (Bühne) Stefan Brandtmayr wurde 1959 in Wels geboren. 1984 machte er sein Diplom an der Kunstuniversität Linz bei Helmuth Gsöllpointner. Im Jahre 1996 gründete er das sit_designbureaus in Linz für Interieur- und Grafikdesign. Seit 2001 arbeitet Stefan Brandtmayr regelmäßig als Bühnenbildner, z. B am Staatstheater Nürnberg, am Staatstheater Oldenburg, am Schauspielhaus Bochum, am Theater Phönix Linz, am Nationaltheater in Weimar, am Volkstheater Wien und am Schauspielhaus Graz. 2005 erhielt hunt oder der totale Februar/Theater im Hausruck (Regie: Georg Schmiedleitner, Bühnenbild: Stefan Brandtmayr) den Nestroy-Preis für das „Beste Stück“ und die „Beste regionale Produktion“ und den Bühnenkunstpreis des Landes Oberösterreich. 2004 erhielt Stefan Brandtmayr den Kunstwürdigungspreis der Stadt Linz für Design. An der Kunstuniversität Linz hat Stefan Brandtmayr einen Lehrauftrag für „Stagedesign“. Am Landestheater Linz entwarf er die Bühnenbilder für Liliom (2002) und Der Kirschgarten (2003), Woyzeck (2010), La Bohème (2011), Außer Kontrolle (2011), Rigoletto (2012) und Alpenvorland (2013). 10 Cornelia Kraske (Kostüme) Cornelia Kraske wurde 1969 in Cottbus geboren und war nach ihrem ModedesignStudium in Berlin als Designerin für ein Berliner Unternehmen tätig. Ihre ersten Theatererfahrungen sammelte sie an der Berliner Volksbühne und als Kostümbildnerin für freie Berliner Theatergruppen. Es folgte eine Kostümassistenz am Nürnberger Staatstheater von 1998 bis 2002. Seither ist sie freischaffend tätig, unter anderem an Theatern in Oldenburg, Heilbronn, Erlangen, Wien, Linz, Salzburg, Karlsruhe und Graz. Seit 2001 arbeitet Cornelia Kraske regelmäßig als Kostümbildnerin mit Georg Schmiedleitner und Petra-Luisa Meyer. 2005 erhielt hunt oder der totale Februar/Theater im Hausruck (Regie: Georg Schmiedleitner, Kostüme: Cornelia Kraske) den Nestroy-Preis für das „Beste Stück“ und die „Beste regionale Produktion“ und den Bühnenkunstpreis des Landes Oberösterreich. Am Landestheater Linz entwarf sie die Kostüme für Liliom (2002), Der Kirschgarten (2003) und im Vorjahr Woyzeck (2010), La Bohème (2011), Außer Kontrolle (2011), Rigoletto (2012), Die kleine Hexe (2012) und Alpenvorland (2013). Vivienne Hötger (Choreografie) Vivienne Hötger, geboren in Mülheim an der Ruhr, studierte Tanz in Tilburg, Holland, und war dann über zehn Jahre in unterschiedlichen Engagements und Ländern als Tänzerin tätig. Sie arbeitete unter anderem in der freien Szene in Amsterdam und Köln sowie zuletzt als festes Ensemblemitglied am Oldenburgischen Staatstheater. Sie arbeitete mit Choreografen wie Jan Pusch (D), Rami Beer (IS), Tero Saarinen (F), Arko Renz (B), Ann van den Broek (NL), Guy Weizman und Roni Haver (IS) und tourte national und international. Als Choreografin arbeitet Sie gerne spartenübergreifend und erstellte erste Arbeiten in Kooperation mit bildenden Künstlern und Musikern, diese waren unter anderem bei den Duisburger Akzenten und dem TanzBremen Festival bei den jungen Choreografen zu sehen. Hexenjagd ist ihre erste Arbeit für das Landestheater Linz. 11 9. Theaterpädagogik In diesem Kapitel finden Sie Ideen und Vorschläge zur Vor- und Nachbereitung des Vorstellungsbesuches von Hexenjagd mit Ihrer Klasse. Alle Übungen können an Ihre individuellen zeitlichen und inhaltlichen Rahmenbedingungen angepasst werden. Weiters stehe ich für Einführungsworkshops, Nachbereitungen und die Moderation von Nachgesprächen mit den SchauspielerInnen gerne auch selbst zur Verfügung. Vorbereitung Hexenjagd – damals und heute? - Sammeln Sie Assoziationen zum Titel Hexenjagd in der Klasse. Was für eine Geschichte stellen sich die SchülerInnen vor, wenn sie diesen Titel hören? - Erzählen Sie den SchülerInnen von Inhalt (S. 7), historischen Bezügen(S. 8) und dem Entstehungskontext (S. 9) des Stückes. Diskutieren sie im Anschluss an diese Informationen: Was könnte an Hexenjagd auch heute noch aktuell sein? Wo begegnen die SchülerInnen religiösem Fanatismus? Wie hängen für die SchülerInnen Macht und Glaube zusammen? - Abigail und ihre Freundinnen sind als unverheiratete Mädchen in der patriarchalen Gesellschaftsordnung unterdrückt und haben weniger Rechte. Diskutieren Sie mit Ihren SchülerInnen: Welche Personengruppen sind in unserer Gesellschaft marginalisiert? Was könnten diese Gruppen tun, um an Macht zu gelangen? Welche Gruppen bedienen sich religiösem Fundamentalismus um an Macht zu gelangen? Warum tun sie das? Wie erfahren Frauen auch heute noch in unserer Gesellschaft Unterdrückung? Abigail und die große Liebe - Abigail hat sich mit ganzem Herzen in John Proctor verliebt, der sie, nachdem seine Affäre aufflog, aus dem Dienst bei sich und seiner Frau entließ. Abigails einzige Chance, ihre Liebe mit John zu leben wäre ihn nach dem Tod seiner Frau zu heiraten. Nachfolgende Szene beschreibt eine Begegnung von Abigail und John zu Beginn des Stückes. Teilen Sie die Klasse in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe bekommt nur die Regieanweisungen (in Klammern, kursiv) zu lesen und entwickelt jeweils zu zweit eine Begegnung von John und Abby, die andere Hälfte der Klasse setzt jeweils zu zweit den Text, jedoch ohne die Regieanweisungen zu kennen, in Szene. Die Teams präsentieren hintereinander ihre kleinen Szenen. Besprechen Sie nun, welche Versionen entstanden sind und vergleichen Sie, wie jeweils das Verhältnis der beiden ProtagonistInnen gezeigt wurde. Abschließend kann diskutiert werden: In welchem Widerspruch stehen Regieanweisung und Text? Was möchte der Autor mit diesem Widerspruch über das Verhältnis von John Proctor zu Abigail Williams vielleicht ausdrücken? 12 PROCTOR Betty kann also fliegen, oder? ABIGAIL Oh, John. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass sie fliegt! PROCTOR In der Stadt redet man von Hexerei. ABIGAIL Quatsch. Wir haben gestern Abend im Wald getanzt, und mein Onkel hat uns überrascht. Und da ist sie zu Tode erschrocken. Das ist alles. PROCTOR Bei Mondschein getanzt. Pass auf, dass sie dich nicht einsperren, bevor du zwanzig bist. Er grinst und geht zur Tür. Abigail versperrt ihm den Weg. ABIGAIL Sag mir ein Wort, John. Ein liebes Wort. PROCTOR Nein, nein, Abby. Deswegen bin ich nicht gekommen. ABIGAIL Du fährst nicht fünf Meilen, nur um dieses alberne Ding fliegen zu sehen? Ich kenne dich besser. PROCTOR Ich bin hier, um zu sehen, was dein Onkel wieder für ein neues Unheil anrichtet. ABIGAIL John. Ich warte jede Nacht auf dich. PROCTOR Abby. Ich habe dir nie entsprechende Hoffnungen gemacht. ABIGAIL Ich weiß, wie du mich hinter’m Haus gepackt hast und wie ein Hengst geschwitzt hast, wenn ich dir zu nah kam. Ich habe dein Gesicht gesehen, als sie mich hinauswarf, und da hast du mich geliebt, und du liebst mich auch jetzt. PROCTOR Es ist ungeheuerlich, was du da sagst... ABIGAIL Kann sein. Aber ich habe dich beobachtet, seit deine Frau mich aus dem Haus fortgejagt hat. Ich habe dich nachts gesehen. PROCTOR Ich bin die letzten sieben Monate kaum einen Schritt vom Hof gegangen. ABIGAIL Willst du mir erzählen, dass du niemals zu meinem Fenster hinaufgeschaut hast? PROCTOR Vielleicht... hab ich’s. ABIGAIL Ich kenne dich, John, ich kenne dich. (Sie weint.) Ich kann vor Träumen nachts nicht schlafen. Proctor nimmt ihre Hand. PROCTOR Kind... ABIGAIL Ich bin kein Kind. Aus dem Off der leise Gesang von drei oder vier Personen, ein Psalm oder ein Choral. PROCTOR Abby, ich denke manchmal an dich. Aber eher will ich mir die Hand abhacken, als dass ich je wieder nach dir greife. Vergiss alles. (Er nimmt sie bei den Armen.) Wir haben uns nie berührt, Abby. Abigail legt ihre Hände auf seine Schultern. 13 ABIGAIL Doch. Wir haben. PROCTOR (schiebt sie weg) Nein. Haben wir nicht. ABIGAILOh, es wundert mich, dass so ein starker Mann sich von so einer kränklichen Frau... PROCTOR (kalt) Kein Wort über Elizabeth. ABIGAIL Sie schwärzt mich an in der Stadt. Sie erzählt Lügen über mich. Sie ist eine gefühllose, wehleidige Frau, und du kuschst vor ihr, lässt dich an der Leine führen, wie... PROCTOR Willst du die Peitsche? Was willst du? ABIGAIL (außer sich, bricht in Tränen aus) Ich will John Proctor. –Du hast mich geliebt, und wie sündig es auch ist, du liebst mich immer noch. 14 - Abigail würde den Tod von John’s Ehefrau Elizabeth in Kauf nehmen, um mit John gemeinsam leben zu können. Bitten Sie ihre SchülerInnen zu notieren, über welche Grenzen diese für Ihre große Liebe gehen würden. Immer fünf Jugendliche werten anschließend ihre Ergebnisse gemeinsam aus und versammeln diese zu einem Text, der mit den Worten beginnt: Wir würden für unsere große Liebe … Die Gruppen entwickeln nun Szenen, in denen sie eine Schwursituation in einer Gruppe, Clique, Gemeinschaft zeigen. Ein oder mehrere Mitglieder schwören auf den gemeinsam geschriebenen Text, vielleicht um in die Gruppe aufgenommen zu werden. Die so entstandenen Szenen werden in der Klasse präsentiert und diskutiert. - Bitten Sie Ihre SchülerInnen, die Texte von Liebesliedern mitzubringen, denen sie sich besonders verbunden fühlen, die ihren Empfindungen am ehesten Ausdruck verleihen. Immer in 5er-6er Gruppen tragen sich die SchülerInnen diese Texte nun gegenseitig vor und besprechen die jeweiligen Inhalte. Nun versuchen sie sich auf einen Text zu einigen bzw. aus verschiedenen Zitaten aus den Liedern einen neuen Text zusammenzusetzen. Die so entstandenen Texte werden im Plenum vorgelesen und besprochen, eventuell noch weiterentwickelt. In einem zweiten Arbeitsschritt besprechen Sie in der Klasse, was ein Sprechchor ist und welche Formen des einzelnen, gemeinsamen, versetzten Sprechens, der Lautstärkenvariationen und Wiederholungen, Betonungen es gibt. Anschließend tauschen die Gruppen ihre Texte untereinander aus und erfinden jeweils eine Weise, diesen Text als Sprechchor vorzutragen. Die Präsentation der „Liebeschöre“ beendet diese szenische Vorbereitung. Nachbereitung Nachgespräch Folgende Fragestellungen können für ein Gespräch nach dem Vorstellungsbesuch in der Klasse Impulse geben: - Was ist euch von dem Theaterbesuch in Erinnerung geblieben? - Welche Fragen zum Gesehenen habt ihr? Gibt es Verständnisfragen? - Wie würdet ihr das Bühnenbild beschreiben? An was erinnert es euch? Fandet ihr es passend zum Stück? Warum, warum nicht? - Wie würdet ihr die Kostüme beschreiben? Weshalb könnten diese in schwarz-weiß gehaltenen Kostüme gewählt worden sein? Warum trägt Elizabeth am Ende der Aufführung wohl ein rotes Kleid? - Konntet ihr den Thereminspieler sehen? Wer kannte das Instrument bereits? Weshalb wurde vielleicht gerade dieses Instrument für Hexenjagd gewählt? Wie wurde Musik in der Inszenierung eingesetzt? Wie hat sie gewirkt? - Welche Art von Licht wurde in dieser Inszenierung eingesetzt? Wie hat es in den einzelnen Szenen auf euch gewirkt? - Wie wurde in diesem Stück Choreografie eingesetzt? Wie haben euch die Choreografien gefallen? Was haben sie euch erzählt? - Welche Figur hat euch am besten gefallen? Warum? Wie würdet ihr sie charakterisieren? 15 - Welche Figur mochtet ihr nicht? Warum? Wie würdet ihr sie charakterisieren? - In welche Konflikte geraten John, Abigail, Mary und Elizabeth im Laufe des Stückes? Was wäre passiert, wenn sie sich in manchen Situationen anders verhalten hätten? Hättet ihr einen Rat für sie gehabt? - Wie würdet ihr das Ende der Aufführung beschreiben? Hat es euch gefallen oder weniger? Weshalb? - Würdet ihr diese Inszenierung weiterempfehlen? Warum? Warum nicht? Briefe aus der Zukunft Besprechen Sie mit Ihren SchülerInnen das Ende der Aufführung. Was ist mit den Figuren passiert? Welchen Gewissenskonflikt hat John Proctor? Hat Abigail ihre Ziele erreicht? Welche Fragen bleiben offen? Bitten Sie nun Ihre SchülerInnen, aus eine der Perspektiven einen Brief zu formulieren. - John Proctor schreibt ein paar Stunden vor seinem Tod einen Brief an Abigail. - Abigail ist aus Salem geflüchtet. Sie schreibt John Proctor einen Abschiedsbrief. - Mary Warren schreibt an eine sehr gute Freundin, die in einer anderen Stadt lebt, einen Brief über die vergangenen Geschehnisse und ihre jetzige Situation. Die SchülerInnen tragen ihre Briefe anschließend vor und besprechen Unterschiede und Gemeinsamkeiten. 16 10. Quellen Arthur Miller, Stücke 1, mit einer Einleitung des Autors, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M 2009 Arthur Miller, Zeitkurven, Ein Leben, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M 2005 Thomas Meyer, Fundamentalismus, Aufstand gegen die Moderne, Rowohlt Verlag, Reinbek/Hamburg 1989 Bernhard Reitz (Hg), Arthur Miller, The Crucible, Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 1984 17