Bericht über Rio San Juan: WERDEN 94

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Bericht über Rio San Juan: WERDEN 94
Zum nachhaltigen Nutzen der Gesellschaft.
- nur ein Bericht über Río San Juan?
von Heinz Marx, Gerd Schlag1 / September 1993
(aus: WERDEN - Jahrbuch der dt.Gewerkschaften. S.234ff. Hrsg. DGB, Köln 1993)
Manchem erscheint es als geradezu vermessen, angesichts der sozialen, ökonomischen und
ökologischen Verhältnisse in Entwicklungsländern über nachhaltige Entwicklung nachzudenken.
Die einzige Regelmäßigkeit ihrer ländlichen Regionen scheint darin zu bestehen, immer nur kurze Epochen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwungs zu erleben, um dann umso
schneller wieder in Vergessenheit zu geraten, mit noch größerer Armut und Rückständigkeit,
länger anwährender Verelendung und Entwicklung der Unterentwicklung - ´Hundert Jahre Einsamkeit´ halt. Und doch gibt es immer wieder Menschen, die nicht glauben, daß diese Verhältnisse so bleiben müssen, wie sie sind. Das sie seit der Erkenntnis über die ´Grenzen des
Wachstums´ mehrheitlich eher aus Angst vor Umweltkatastrophen denn aus Empörung über
menschenunwürdige Zustände handeln, tut dem keinen Abbruch: Es kommt drauf an, was sie
ändern.
Von der Entwicklung der Unterentwicklung
"Die Politik der Technokraten, deren Ziel angeblich in der gesamtwirtschaftlichen 'Integration',
deren Methode aber genauso in der Ausklammerung und Umgehung der sozialen, politischen
und ökonomischen Ungerechtigkeiten besteht, wird selbst mit Hilfe fortgesetzter und womöglich
zunehmender Unterdrückung... nicht verhindern können, daß sich die Frage der Gerechtigkeit
eines Tages ihren Platz im politischen Rampenlicht wieder zurückerobern wird. Das letzte Wort
werden die Reformer haben..."2
war das Resumé aus der US-gesteuerten, ´Allianz für den Fortschritt´ titulierten "Landreform" mit
Agrarexportausrichtung in Lateinamerika 1961-1970. Der großspurige Reflex auf die cubanische
Revolution 1959 ist an Zynismus und Gewalttätigkeit kaum zu überbieten - er endete kläglich in
einer Zementierung der Großgrundbesitzstrukturen und dies absichernden Militärdiktaturen.
Das zu dieser Zeit in der nicaraguanischen Region Río San Juan angewandte Muster der Umwandlung von Regenwald in Viehzuchtgebiete, der Zerstörung von Natur und Gesellschaft ist
hinlänglich bekannt - wenn auch nicht mehr erklärtes Ziel der ´Entwicklungshilfe´ der Industrieländer:
Ab den 50er Jahren wurde, insbesondere im westlichen Teil Río San Juans von in- und ausländischen Firmen, Flächeneinschlag und Raubbau im Regenwald betrieben. Während der ´Allianz´ wurde in Somozas Nicaragua 1963 das Programm ´Besiedelung der Agrargrenze´ als
Waldrodung (also einer Neuerschließung von Flächen anstelle der Vergabe ungenutzten Großgrundbesitzes) im Westteil der Region Río San Juan durchgeführt - zur Abschiebung der aus
den nordwestlichen Regionen Léon und Chinandega verdrängten Kleinbauern. Die dortige
´Landreform´ bestand nicht etwa in Nutzungsintensivierung der fruchtbaren vulkanischen Böden,
1
Heinz Marx, Möbel- und Modellschreiner, Sägewerksberater, lebt seit 1984 in Nicaragua, Projektleiter im Sägewerk San Miguelito von ´84-86, später Leiter der nationalen Sägenschärferschule
Gerd Schlag, Maschinenschlosser, Dipl.Raumplaner mit Schwerpunkt Entwicklungsländer, Projektmitarbeiter von
´84-87, Diplomarbeit ´Regionalplanungshandbuch Rio San Juan´. Uni Dortmund 1990.
2
FEDER, Ernest: Agrarstruktur und Unterentwicklung in Lateinamerika. Frankfurt/M 1971,S.307. Eine sehr detaillierte Beschreibung der Ursachen und Praktiken der´Allianz...´
sondern in der bloßen Umstellung auf exportorientierte, monokulturelle Plantagenwirtschaft
(Baumwolle etc.) und einer extremen Grundbesitzkonzentration.
Den Campesinos "bot sich die 'Gelegenheit', sich kurzerhand in einen Kleinerzeuger im Süden
verwandeln zu lassen. Mit dieser Hoffnung emigrierten Tausende nach Río San Juan. Isoliert im
Herzen der 'Agrargrenze' (die durch Kahlschlag degradierte Zone zwischen Viehzucht und unerschlossenen Waldgebieten, Anm. d.Ü.), unsicher auf den neuen Böden, ständig im Kampf mit
der Landreformbehörde um die versprochenen Kredite, sahen sich die Campesinos festgefahren
in einer Spirale aus Schuldverschreibungen zur Produktionsabsicherung, für deren Bezahlung
sie ihr Land abtreten"3, oder als Saisonarbeiter4 z.B. in ihren nordwestlichen Herkunftsorten
arbeiten mußten.
Die Methode der Brandrodung als Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel führte innerhalb
weniger Jahre zu einer Degradierung des Ökosystems und regionalen Klimaveränderungen im
Westteil Río San Juans5. Die stark rückläufigen Ernteerträge zwangen zum Flächenwechsel,
die nachrückenden, mit Besitztiteln und Macht ausgestatteten Viehzüchter und Großgrundbesitzer drückten die Kleinbauern zur Wanderung in Richtung Urwald: eine sich ständig fortbewegende Umwandlungswalze. Dem Großteil der Lokalbevölkerung ermöglicht sie nur ein in jeglicher Beziehung prekäres Leben am Rande des Existenzniveaus.
Jegliche positive Entwicklung ist aufgrund der drastischen gesellschaftlichen Polarisierung unmöglich - und zukünftig stark infrage gestellt aufgrund der großräumig degradierten Ökosysteme. In Río San Juan waren 1979 rd.80% der erfaßten Agrarflächen in Großgrundbesitz, der Analphabetismus betrug 97%, allgemein herrschten katastrophale Hygiene- und Gesundheitszustände, die Infrastruktur unvollständig und desolat, der Südteil nicht über Land und selten über
Wasser erreichbar - eine von der Weltgeschichte ´vergessene Region´.
Gebremst werden können derlei Verelendungsspiralen nur durch eine umfassende Bodenreform
mit komplexer Umstellung auf nachhaltige Nutzungsmethoden der Land- und Forstwirtschaft,
flächendeckende Sicherstellung der menschlicher Grundbedürfnisse Wohnung, Ernährung,
Bildung, Gesundheit und Partizipation an den Erträgen der Gesellschaft und Wirtschaft.
So ähnlich sah dementsprechend das Programm der Sandinisten aus, mit dem 1979 in einem
allgemeinen Volksaufstand die Somoza-Diktatur gestürzt wurde.
Nachhaltige Entwicklung durch erhaltende Nutzung der natürlichen Ressourcen
Als unabdingbare Grundlage der angestrebten nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung wurde - von der sandinistischen Regierung - die Durchsetzung nachhaltiger Nutzungsformen der
natürlichen Ressourcen und eine darauf basierende Weiterverarbeitung erachtet.
Erst kommt das Fressen...
Da es nach dem Aufstand 1979 ums pure Überleben ging, konnte die angestrebte ´qualitative
Agrarreform´6 nur sukzessive durchgeführt werden: Zunächst stand die aufgrund der Bodenzugangssperre des Großgrundbesitzes schon traditionelle lateinamerikanische Forderung nach
´Land und Freiheit´7, also Landvergabe ungenutzten Bodens und Kredite im Vordergrund.
3
Regierungsvertretung Río San Juan.: Tierra de Frontera. San Carlos ,RSJ/NIC 1987, S.36 (Übersetz,G.Schlag)
4
FEDER beschrieb die permante und überregionale saisonale Arbeitssuche in Lateinamerika als "die größte, traurigste und zugleich am wenigsten bekannte Völkerwanderung aller Zeiten"
5
s.hierzu THIELEN/SCHWIEBERT, Einst Tropen-Urwald, jetzt bald Wüste? Nicaraguas Ökologie vor dem Desaster. in EICH/GERMUND: Vulkan der Träume. 1986 S.117ff
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so der sandinistische Minister für Agrarreform Jaime WHEELOCK
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Die Parole der mexikanischen Revolution
Tropico Verde - 2
Schon bald kamen Qualifizierung und technische Beratung zur schonenden Nutzungsintensivierung, Anpassung der Methoden, Anbau- und Zuchtarten sowie Umzüchtungen an die Standortbedingungen, Infrastruktur und Vermarktungsunterstützung auf der Tagesordnung. Ab Mitte
der 80er wurde darüber hinaus großräumliche Bewässerungssysteme und insbesondere ein
überregionaler Nutzungstausch auf den fruchtbaren Vulkanböden ins Auge gefaßt8 von exportorientierten Monokulturen zu Permanentkulturen - die Rücksiedelung der Landwirtschaft auf dafür geeignete Flächen war zugleich auch eine Rücknahme der eingangs beschriebenen, historisch recht gewalttätig zustande gekommenen nationalen Nutzungsstruktur.
... dann die Moral!
"Diese Erde gehört allen. Manche sind schon gestorben, andere leben noch, aber die Mehrheit
ist noch nicht geboren..." (nicarag.Gedicht)
Seitens der sandinistischen Regierung wurde die besondere Bedeutung der Wälder für die zukünftige Entwicklung begriffen. Die Umweltbehörde IRENA und der Forstdienst begannen sofort
mit der Erfassung der Wälder, Ausweisung von Schutzgebieten und geschützten Arten,
Durchführung von großangelegten Wiederaufforstungen.
Wenn der Spielraum staatlichen Handelns enger wird für entwicklungs- und umweltpolitische
Ziele, zeigt sich die unabdingbare Rolle von NGOs. Dies gilt allgemein und insbesondere, wenn
eine andere Logik aufgezwungen wird durch das Erbe der Vergangenheit, permanenten Devisenmangels und Außenverschuldung, Wirtschaftsboykott und unerklärten Krieg...
Der nicaraguanische Biologen- und Ökologenverband ABEN (heute FUNCOD) führte 1987 eine
erfolgreiche Kampagne gegen eine staatlicherseits vergebene Waldnutzungskonzession durch,
die -entgegen dem geltendem Recht- einen Flächeneinschlag im bis dahin erhaltenen südöstlichen Regenwaldgebiet erlaubte. Es handelt sich um den größten und biologisch reichhaltigsten
Naturraum in Mittelamerika - der biologischen Brücke zwischen den Amerikas. Die überregionale ökologische Bedeutung wurde schon 1974, jedoch folgenlos auf einem mittelamerikanischen Wissenschaftskongreß hervorgehoben. Für landwirtschaftliche Produktion oder
Flächeneinschlag sind die Böden der atlantischen Zone ökologisch völlig ungeeignet, sie führt
zur Waldzerstörung und auch überregionalen Schädigung der Wasser- und Bodenressourcen.
Ab 1987 wurde zur Erhaltung des Regenwaldes im Wassereinzugsgebiet des Río San Juan
(Staatsgrenze) von Nicaragua und Costa Rica das großräumige ´Internationale Naturschutzgebiet für den Frieden´ SI-A-PAZ9 entwickelt. Große Teile der Atlantik- und zentralen Bergregion wurden als ausschließliches Naturschutzgebiet festgelegt, die verbleibenden Nutzungsgebiete reserviert für Permanentkulturen tropischen Charakters oder Typologie sowie für die
Produktion hochwertiger Hölzer.
Das Beispiel ´Nicaragua muß überleben´
Gewerkschaftlich organisierte Arbeiter in Europa haben schon in ihrer frühen Geschichte erkannt, daß eine Entwicklungshilfe in Form von Armuts- und Elendshilfe nur eben eine mildtätige
Form der besseren Ausstattung von Ausbeutung und Unterdrückung sind. In Brechts Stück über
"Die heilige Johanna der Schlachthöfe" kommt diese Doppeldeutigkeit zum Ausdruck: Edel und
gut wird die Suppe an die ausgesperrten Streikenden verteilt, ohne den Schlachthofcharakter
der Kriege und Wirtschaftskrisen zu ändern. Jede wirkliche (Selbstentwicklungs) Hilfe muß zielgerichtete Solidarität sein, in der Absicht, die Ursachen von Not und Elend abzuschaffen - und
damit auch die weitere Notwendigkeit der Hilfestellung.
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s.a. WHEELOCK, Jaime: Die sandinistische Landreform. Frankfurt/M 1986 (span.: Managua 1984). sowie
Sandinistas. B.Arce, H.Ortega, J.Wheelock. Managua 1986 / Frankfurt/M 1987
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Sistema Internacional de Areas Protegidas para la Paz
Tropico Verde - 3
Ein Sägewerk für San Miguelito
Ab 1983 initiierten Gewerkschafter gemeinsam mit der Gesundheitshilfsorganisation medico international ein Sägewerksprojekt in San Miguelito im Westen der ´vergessenen Region´ Río San
Juan, die aufgrund der o.a. drastischen Probleme zur Sonderentwicklungszone wurde.
Das ab Ende ´84 produzierende Sägewerk entwickelte sich mit der Zeit zu einem umfangreichen
Forst- und Holzwirtschaftsbetrieb mit recht komplexen Funktionen für die Regionalentwicklung.
Rein technisch betrachtet bestand es aus Einschlag- und Wiederaufforstungsabteilung, Sägewerk, Ausbildungs- und Bauschreinerei, Schlosserei und Transportabteilung mit bis zu 140 direkt Beschäftigten. Sowohl die Produktpalette als auch Preisgestaltung orientierten sich weitgehend am regionalen Bedarf, die Gewinne und Steuern wurden großteils zum Aufbau der grundbedürfnisorientierten Reformprojekte10 verwandt. Insbesondere aufgrund der nun vorhandenen
lokalen Materialbeschaffungs- und Transportmöglichkeit konnten sie -wie die lokalen Klein(st)betriebe - oft überhaupt erst vom Plan in die Wirklichkeit umgesetzt werden, wie z.B. der Bau
von Krankenhaus und Gesundheitsstationen, Bildungseinrichtungen und Wohnungen samt
zugehörigem Mobiliar.
Daneben wurden unterschiedlichste Dinge ermöglicht, die ´normalerweise´ kaum vorstellbar
sind: Um die destruktive Brennholzbeschaffung in und um San Miguelito zu vermeiden, wurde
z.B. zwischen den Einwohnern und der Holzfabrik vereinbart, daß das Abfallholz umsonst abgegeben wird als Brennholz - oder eben als Bauholz für die Allerärmsten des Dorfes. Sie ist nicht
nur ökologisch destruktiv: Einerseits führt die Veränderung des Kleinklimas zu häufigen Atemwegserkrankungen aufgrund der fehlenden Staubfilterfunktion, andererseits schließt der hohe
Zeitbedarf häufig zum Ausschluß von Kindern und Frauen ärmerer Schichten aus dem Bildungssystem. (Mit einem holzvergaserbetriebenen Generator wäre sogar eine autarke Stromversorgung der Holzfabrik und San Miguelitos im tageszeitlichen Wechsel möglich).
Die insgesamt infolge der Produktion und Produkte geschaffenen bzw. abgesicherten lokalen
Einkommensmöglichkeiten in der Folgebeschäftigung einerseits sowie dem sog. "Informellen
Sektor" andererseits lagen demzufolge um ein Mehrfaches höher.
Sozioökonomisch stellte die Holzfabrik den Kern einer die eigenen Ressourcen verarbeitenden
lokalen Wirtschaft dar, die sich selbst -und den ´Luxus´ umweltschonenden Verhaltens- auf
Dauer selbst tragen will und kann. Dies ist aber nur möglich, wenn die Beteiligung der jeweiligen
Lokalbevölkerung nicht nur methodisches Mittel, sondern zugleich auch politisches Ziel ist.
Das galt natürlich auch für die
Nachhaltige Forstwirtschaft in Río San Juan...
Sowohl die räumliche Festlegung der Schutz- und Nutzungszonen, die technische Walderschließung und Wegeanlage, Arten- und Exemplarauswahl, Einschlag und Wiederaufforstung
wurden von der Umweltbehörde IRENA festgelegt und kontrolliert. Nicht erst seit SI-A-PAZ orientierte man sich an der Erhaltung der natürlichen Regenerationskraft des Waldes. Die relativ
kleinen Nutzungsinseln für Selektiveinschlag lagen weit auseinander, die zur Verminderung der
Erosionsgefährdung an der Topographie ausgerichteten Wege mußten später wieder verschlossen werden. Die Konzession selbst wurde nicht in inflationsgefährdetem und insbesondere transportfähigem Geld, sondern in lokal wiederaufzuforstender Fläche ´bezahlt´ - nicht nur ein
ökologisches, sondern auch ein lokaleinkommenschaffendes Prinzip. In konsequenter Anwendung des Verursacherprinzips mußte zudem der kontrollierende Umweltschützer vom Sägewerk
bezahlt werden.
10 Wohnung, Ernährung, Bildung, Gesundheit, Partizipation
Tropico Verde - 4
... und dauerhafte Entwicklung in einem Land?
Die umfassenden sandinistischen Agrar-, Gesundheits- und Bildungsreformen im Kontext einer
umfassenden regionalen Nutzungs- und Entwicklungsplanung stellten die notwendigen Rahmenbedingungen für eine dergestaltes Projekt dar. (So fanden z.B. kaum wilde Brandrodungen
statt, da die ´üblichen´ armutsbedingten ökonomisch-ökologischen Verelendungskreisläufe verhindert wurden).
Eine breite gesellschaftliche Massenbewegung vermag durch eine umfassende Agrar-, Bildungs- und Gesundheitsreform einen ´großen Sprung nach vorn´ zu bewirken - ob er dauerhaft
gelingt, hängt von mehr als vom gutem Willen ab. Eine soziale Revolution im Sinne einer Hinwendung zu sozialstaatlich-demokratischen sowie ökonomisch-ökologisch sicheren Verhältnissen übernimmt ja zunächst nur die fatalen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen
Rahmenbedingungen der Unterentwicklung sowie der Rolle auf dem Weltmarkt, auch wenn sie
beseitigt werden sollen. Mögen auch die schlimmsten Folgen, wie Hunger, Seuchen, Analphabetismus, Würdelosigkeit und Verelendung mit einiger Anstrengung in wenigen Jahren
verschwinden - die Veränderung der Produktionsverhältnisse, des Verarbeitungsgrades samt
dazu notwendiger Qualifizierung als grundlegenden Voraussetzungen eines allgemein höheren
Lebensstandards, einer dauerhaften Gesellschaftsentwicklung dauern eher Jahrzehnte...
Die Entwicklung der Unterentwicklung II.Teil
Das trotz traditioneller Abhängigkeit und Krieg erfolgreiche sandinistische ´Modell Nicaragua´
wurde seitens der US-Regierung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln (außer dem der
Invasion) behindert, bekämpft und schließlich beseitigt. Für eine auf Hegemonie und billigem
Ressourcennachschub basierende Staats- und Wirtschaftsdoktrin, die simple Gewerkschaftsorganisation schon der kommunistischen Verschwörung verdächtigt, muß jede selbstbestimmte
Gesellschaftsentwicklung in einem anderen Land eine existenzielle Bedrohung sein. In Nicaragua wurde die Möglichkeit der weiteren selbstbestimmten Entwicklung verbaut um global den
Nachweis der Machbarkeit einer selbstbestimmten und selbsttragenden nachhaltigen Entwicklung zu verhindern.
Wo kein Fressen...
Seit 1990 sind die Rahmenbedingungen stark verändert: Der Großteil der Reformprojekte brach
zusammen, die Situation läßt sich seitdem nur als politisch und wirtschaftlich desolat und
manchmal als am Rande eines erneuten Bürgerkrieges beschreiben.
Auch an der Holzfabrik in San Miguelito gingen dies nicht vorbei. Das Sägewerk wurde nach der
Abwahl der FSLN wegen Dekapitalisierung 1991 stillgelegt, die Schreinerei als lokale Genossenschaft weitergeführt. Wegen des großen Handlungsdrucks und Finanzierungsbedarfs
wurden weder die oben erwähnte Übernahme volkswirtschaftlich nützlicher Arbeiten durch die
Holzfabrik betriebswirtschaftlich abgerechnet noch sonstige Rücklagen gebildet. Aufgrund der
Einbindung in die Reformprojekte spielte das allerdings auch keine allzu große Rolle. Man
könnte den Konkurs auch als Folge des zu abrupten Wechsels in eine sog. freie Marktwirtschaft
beschreiben, wenn es innerhalb der offen zutagetretenden Wirtschaftskrise eine zahlungsfähige
Nachfrage oder zumindest staatliche Überbrückungskredite gegeben hätte...
Das der Kommune San Miguelito überschriebene Sägewerk wurde Ende ´92 mit ausländischer
Beteiligung in zunächst stark verkleinerter Form wieder eröffnet - und 1993 der Belegschaft
überschrieben, die den Gesamtbetrieb nun als Genossenschaft mit ausländischer Beteiligung
wieder aufnimmt. Die zukünftige Entwicklung wird jedoch stark abhängig sein von lokal nicht zu
beeinflussenden Faktoren (Anschubfinanzierung, Vermarktungsmöglichkeit etc.)
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... da auch keine Moral?
oder: Was wurde aus SI-A-PAZ?
Die sozialpolitischen Umwandlungen in Nicaragua seit 1990 haben den Waldrückgang in Río
San Juan wieder beschleunigt. Durch starke Bevölkerungszuwanderung und fehlende Unterstützung wuchs der Nutzungsdruck auf den Wald. Brandrodung ist wieder als Mittel zur Bodenaufbereitung verwandt, da den -insbesondere aus anderen, trockenen Ökosystemen des Pazifikraumes einwandernden- Kleinbauern keine andere Möglichkeit bleibt. Die Wald-zu-Wüste-Umwandlungswalze in der eingangs erwähnten ´Allianz´ wurde wieder in Bewegung gesetzt.
Die Naturschutzgebiete werden meistens nur noch auf dem Papier geschützt - von der Entwicklung einer nachhaltigen Forstwirtschaft ist man wieder weit entfernt. Trotz der Bemühungen der
im SI-A-PAZ beteiligten staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen ist der Wald für die Bevölkerung des Río San Juan immer noch relativ wertlos.
Die Ursachen liegen bei folgenden Faktoren
Der Wald gehört dem Staat und nicht der regionalen Bevölkerung. Da sie an seinen Erträgen
weder direkt noch indirekt teilhaben, ist er praktisch wertlos für sie. Zur Einkommens- bzw.
Überlebenssicherung wird er in der Folge anders, also landwirtschaftlich genutzt.
Rd.60% des Energiebedarfs Nicaraguas werden über Brennholz gedeckt ohne entsprechende
Aufforstungen oder Brennholzplantagen. Das nur kurzfristiges Interesse der nationalen und
internationalen Holzhändler an schneller Rendite (tropisches Edelholz als Schnittholzexport)
verursachen Waldvernichtung. Beides führt zu völlig unkontrolliertem (il)legalem Einschlag.
Die staatlichen Institutionen sind relativ schwach, darüber hinaus gibt es Unregelmäßigkeiten
bei der Regulierung der Waldnutzung, wie z.B. bei der Vergabe von Einschlagkonzessionen. Die
Umwelterziehungsprojekten der Bevölkerung leiden unter schwacher Koordinierung und zu geringer Finanzausstattung.
Die noch sehr junge und unerfahrene universitäre Forstausbildung ist nicht auf die Handhabung
von nachhaltiger Nutzung des Tropenwaldes ausgerichtet. Zudem gibt es zuwenig konkrete Forschung vor Ort und am Detail: Rentabilitätsstudien über nachhaltige Bewirtschaftung von Naturwäldern, Wiederaufforstung, orientierte Verarbeitung etc.
Die Bauernbevölkerung erhält derzeit nichtmals Kredite für Subsistenzwirtschaft - und wenn
doch, dann losgelöst von den jeweiligen Bodeneigenschaften und ökologischen Bedingungen.
Für die Holzindustrie und ihre -produkte werden national keine Kredite vergeben. Wiederum
werden Agraroligarchie und Konzerne sowie traditionell monokulturelle Agrarprodukte wie
Fleisch, Bananen etc. bevorzugt, die die Flächenrodung der Wälder voraussetzen.
Durch den Marktzusammenbruch ist die nationale Holzindustrieproduktion stark abgesunken
und hat infolgedessen wenig Interesse an angepaßter Technologie. Die nur gering entwickelte
und mit veralteter Technik arbeitende Holzwirtschaft sieht sich bei dem Versuch der internationalen Produktvermarktung Boykottbestrebungen ausgesetzt, die die nationalen und regionalen
Bedingungen und Boykottfolgen völlig unberücksichtigt lassen...
Mit dem Wert des Holzes würde sich aber der Wert des Waldes und seine Erhaltungsmöglichkeiten gleichermaßen drastisch erhöhen.
Dringend notwendig ist deshalb
Unterstützung der staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen im Forst- und Umweltmanagement zur erhaltenden Waldnutzung samt Umwelterziehung
Unterstützung bei der Entwicklung einer nachhaltigen Forstwirtschaft als puffernden
Schutzgürtel zwischen Agrarwirtschaft und Naturschutzgebieten.
Forschung im Bereich von Forstökonomie und Waldbau sowie Einrichtung von Versuchsprojekten.
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Erschwingliche Kredite für die Forst- und Plantagenwirtschaft, Tropenwaldnutzung und
Reservatsplanung.
Vollständige Modernisierung der Holzindustrie, um die vielfältigen Holzarten überhaupt
und sinnvoll verarbeiten zu können. (z.Zt. werden nur 2-4 Edelholzarten verarbeitet).
Umfassende Qualifizierungsmaßnahmen im Forst- und Holzverarbeitungssektor zur Verminderung der Einschlagschäden, Erhöhung der Holzausbeute, der Verarbeitungsqualität
und Haltbarkeit.
Marktzugang für Tropenholzprodukte zur Kostendeckung der Planung und Kontrolle einer
nachhaltigen Forstwirtschaft, angepaßter Technologie in der Forst- und Holzwirtschaft,
Arbeitsplatzschaffung mit gerechten Löhnen, etc.pp.
Waldvernichtung und Elend in der Dritten Welt
Die globale Regenwaldvernichtung, Verringerung der Artenvielfalt und Klimaaufheizung - aber
eben auch die ´Entwicklung der Unterentwicklung´ in der 3.Welt werden hauptsächlich durch die
Industrieländer verursacht. Fraglich ist jedoch, ob, wie und von wem eine positivere Entwicklung
durchsetzbar ist?
Der Boykott von Tropenholz zielte eigentlich auf die Verhinderung der weitergehenden Vernichtung der Regenwälder - zieht aber vermutlich den Zusammenbruch der Forst- und Holzwirtschaft
in der gesamten 3.Welt nach sich.11 Er trifft alle tropischen Länder - völlig unabhängig davon,
ob nun nachhaltige Forstwirtschaft, Raubbau oder schlichtes Abbrennen zur Schaffung von
Viehzuchtgebieten betrieben wird.
Der etwas zweifelhafte Erfolg der Boykottkampagne besteht in stark rückläufigen Tropenholzexporten in die Industrieländer, der durch einen enorm gestiegenen Holzhandel zwischen den Entwicklungsländern überkompensiert wurde - werden mußte, um den Preisverfall auch dieses
3.Weltprodukts in den Industrieländern sowie die in Entwicklungsländern geringeren Preise auszugleichen. Sowohl der Nutzholz- (+17%) als auch der Brennholzeinschlag (+27%)12 sind von
1980 bis ´90 stark angestiegen. Die prognostizierte Verdopplung bis Verdreifachung des Eigenbedarfs an Brenn- und Bauholz13 bis 2010 wird im Einklang mit der Entwertung ihrer -nachhaltig
und im Kontext mit anderen Nutzungen zu bewirtschaftenden- Ressourcen sowie der eingetretenen Produktsubstitution wird sowohl den Zwang als auch die Geschwindigkeit zur Umwandlung
des Regenwaldes zu Viehzucht, Landwirtschaft und anderen, nicht boykottierten (Export)
Zwecken verschärfen.
Der Boykott wird wohl kaum zu dem erhofften schonenden Umgang mit den nun wertlos gewordenen Wäldern, sondern eher kontraproduktiv zu neuen armutsbedingten, großräumigen Brandrodungen in den Regenwäldern führen.
Eine von den Ländern der 3.Welt selbstbestimmte und eigenverantwortlich erhaltende Nutzung
ihrer regenerierbaren Ressourcen wird damit von vornherein ausgeschlossen.
Die indianische Weissagung, daß "erst wenn der letzte Baum gefällt ist, ihr merken werdet, daß
man Geld nicht fressen kann" richtet sich immer noch an die weit über ihre Umwelt-Verhältnisse
lebenden Industriegesellschaften - sie kann keinesfalls unsere einzige Antwort an die ´Verdammten dieser Erde´ sein.
11 IfW-Institut für Weltwirtschaft Kiel (im Auftrag von Greenpeace, Hamburg): Abholzung der tropischen Regenwälder
- Ökonomische Ursachen und Auswirkungen auf die Entwicklung. Kiel 1992
12 FAO Forest Ressources Assessment 1990
13 FAO The Year 2010.
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Konsens besteht in der Notwendigkeit der Erhaltung der ökologischen Lebensgrundlagen, der
Sicherstellung einer Welt ohne Hunger und Unterdrückung.
Dissens besteht allerdings darin, ob bei der Durchsetzung umweltpolitischer Ziele entwicklungspolitische Ursachen und Ziele ausgeklammert werden dürfen.
Umweltkampagnen sind sehr wichtig zur Bewußtseinsbildung und als politischer Hebel - ohne
Berücksichtigung der entwicklungspolitischen Probleme und lokalen Besonderheiten wirken sie
nurmehr als eine Art eurozentristischer Endzeitstimmungsbombe für die zwar wahllos, aber
eben insgesamt betroffene 3.Welt.
Aber auch daran läßt sich ja was ändern...
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SI-A-PAZ - ein Schutz- und Nutzkonzept in Nicaragua
von Jaime Guillén14, Gerd Schlag / Oktober 1993
Die Waldfläche Nicaraguas nimmt - insbesondere in den letzten Jahrzehnten - rapide ab. Die
z.Zt. der "Entdeckung" 1502 vorhandene fast vollständige Bewaldung wurde bis 1961 auf 64.000
km² (54% der 118.500 km² Landfläche) dezimiert. Insbesondere die Umstellung auf exportorientierte Baumwollmonokultur und Viehzucht seit den 50er Jahren führte zur fast vollständigen
Zerstörung der trockenen Ökosysteme in der westlichen Pazifikzone. Die ansässigen Kleinbauern wurden vom Großgrundbesitz verdrängt, der Druck zur landwirtschaftlichen Nutzung der
Regenwälder im Südosten stieg - und wurde in den 60er Jahren sogar zum erklärten
Entwicklungsziel...
1984 bestand nur noch ein Rest von 31.000 km² Wald (26%) mit weiterhin rückläufiger Tendenz.
Die sandinistische Agrarreform und der Bürgerkrieg in den 80er Jahren haben das Entwaldungstempo zeitweise verlangsamt, inzwischen nehmen die Waldverluste durch Brandrodungen wieder zu. Die derzeitige Vernichtungsrate beträgt 1.200 km² jährlich. Zudem zerstörte ein Hurrican
1988 allein fast 5.600 km² Wald - eine Fläche, die größer ist als das Saarland.
Mittlerweile sind rd. 15.000 km² Wald (13%) unter Naturschutz gestellt - der Großteil davon in 2
großflächigen Gebieten im Nord- und Südosten (Bosawás und SI-A-PAZ). Das Gebiet im Nordosten umfaßt insbesondere feuchte, trockene und montane Waldformationen, das im Südosten
immergrüne, regengrüne und montane Feuchtwälder.
Vorgestellt werden soll hier nun das SI-A-PAZ Internationale Naturschutzsystem für den Frieden im Südosten: Das 1987 aufgrund einer NGO-Aktion (ABEN bzw.FUNCOD) gegen Flächeneinschlag im Regenwald zustandegekommene, und seit 1990 bilaterale Schutzgebietskonzept
überspannt den Süden der Autonomen Atlantikregion, die gesamte Region Río San Juan (RSJ)
und einen kleinen Teil im Nordosten Costa Ricas.
Bei SI-A-PAZ handelt es sich um erheblich mehr als nur ein schlichtes Verbot von Regenwaldzerstörung mittels Flächenausweisung auf Landeskarten: Das umfassende räumlich-inhaltliche
Regionalentwicklungskonzept zielt auf den Schutz der Ressourcen mittels ihrer nachhaltigen
Nutzung: Eine tragfähige, ökologisch angepaßte sozio-ökonomische Entwicklung und Absicherung der Primärwald-, Puffer- und Siedlungszone bedingen sich hier gegenseitig.
Das SI-A-PAZ-Gebiet (12.700 km²) umfaßt drei insbesondere in RSJ liegende Zonen:
•
Die Schutzgebiete (3.000 km²) an der Atlantikküste, am Río San Juan und Nicaragua-See.
Der Kernbereich besteht aus den Wildrefugien Delta del Río San Juan und Barra del Colorado und Nationalpark Tortuguero (in Costa Rica) und dem großen biologischen Reservat
Indio-Maíz, dem Kulturdenkmal El Castillo (1675 erbaute Spanierfestung) inkl. eines 2 km
breiten, unveräußerlichen (Grenz)Flußuferstreifens, sowie dem Wildschutzgebiet Los Guatusos und dem Nationaldenkmal Archipel Solentiname am Südufer des Nicaragua-Sees. Die
Refugien sind, abgesehen von vereinzelter dünner Besiedelung an den Randbereichen bisher faktisch unberührt (die Flußindianer wurden schon von den spanischen Eroberern liquidiert).
14 Jaime Guillén, Dipl.Forstwirt, Techn.Direktor von FUNCOD Nicaraguanische Stiftung für Umweltschutz und
Entwicklung (Fundación nicaragüense para la Conservación y el Desarollo / Friends of Earth International).
Sub.Dir.Umweltbehörde in Rio San Juan ´87-´89. , SI-A-PAZ-Kommission .RSJ 88-89.
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•
•
Die Lebens- und Entwicklungszonen (7.900 km²) im Westen entlang des Nicaragua-Sees
(San Carlos bis El Almendro), im Süden Nueva Guineas und südlich von Bluefields (Autonome Atlantikzone Süd RAAS) mit sog. Dorfzentrenstruktur und "angesiedelter Landwirtschaft" (Reisanbau, Viehzucht und Kleinbauern). Der Boden ist großteils rechtlich abgesichert, jedoch aufgrund der vorwiegenden Nutzungsausrichtungen und -formen nicht vor Degradierung geschützt.
Primärwald ist hier nicht mehr vorhanden, die nicht geschlossenen Sekundärwaldstücke
sind wesentlich auf ungenutzten Landwirtschaftsflächen entstanden.
Eine dazwischen liegende Agro-Forstwirtschafts- oder Pufferzone (1.800 km²) mit vereinzelten Primärwaldstücken und großteils geschlossenem Sekundärwald, der seit den 40er
Jahren mehrfach in Selektiveinschlagkonzessionen genutzt wurde. Die sich nach Osten in
Richtung Primärwald vorschiebende Agrar- bzw. Besiedelungsgrenze wird gebildet durch
kleinbäuerliche Subsistenz-(Brandrodungs)Landwirtschaft innerhalb von Comarcas (Weilern). Da das Gebiet einerseits ökologisch mit dem Schutzgebiet und andererseits sozioökonomisch mit dem Siedlungsgebiet verbunden ist, kann das weitere Vorrücken nur durch
umfassende Umstellung auf nachhaltige Agroforstwirtschaft und eine stärkere Einbindung in
die Siedlungsgebiete (Vermarktung, Verarbeitung) verhindert werden. Im südlichen Teil befindet sich dementsprechend eine "Versuchszone für standortgerechte Ressourcennutzung". Hier sollen insbesondere den Kleinbauern Praxisbeispiele gegeben werden für die
notwendige Nutzungsintensivierung via Diversifizierung von angepaßter Permanentkultivierung, Tierhaltung und Forstwirtschaft inkl. der Nutzung von Nichtholzprodukten des Waldes.
Ob aber die weitere Regionalentwicklung nachhaltig oder ökologisch und sozial destruktiv sein
wird, wird davon abhängen,
a) daß eine, die vorherrschende Brandrodungswirtschaft und Wanderungsbewegung ver- bzw.
behindernde Agroforstwirtschaft in der Pufferzone durchgesetzt wird (wie das landbautechnisch geht, wird u. a. in der "Versuchszone" demonstriert), und
Tropico Verde - 10
b) daß das Siedlungsgebiet selbst sich umfassend auf eine wertschöpfende Verarbeitung der
Produkte nachhaltiger Ressourcennutzung umstellt, und Einkommensmöglichkeiten
(Vermarktung/Verarbeitung) sowie soziale Zugewinne für die Bevölkerung aus Zonen anzubieten hat.
Voraussetzung einer nachhaltig tragfähigen Entwicklung ist eine diversifizierte und verflochtene
lokale Ökonomie, die auf der nachhaltigen Nutzung der regionalen Ressourcen basiert. Dementsprechend sollen alle vorhandenen Ressourcen der Siedlungs- und Pufferzone (Fische, Tiere,
Holz- und Nichtholzprodukte des Waldes, Landwirtschaft) nachhaltig genutzt und regional verarbeitet werden.
Bei der Einleitung einer derartigen Entwicklung kommt der Entwicklung einer- aus nachhaltiger
Forstwirtschaft und lokaler Weiterverarbeitung bestehenden - Holzwirtschaft eine Schlüsselrolle zu. Im Unterschied zur brandrodend-subsistenziellen oder monokulturell-exportorientierten
Landwirtschaft richtet sich die Forstwirtschaft nicht auf eine Beseitigung, sondern die Nutzung
des Waldes.
Insbesondere durch die aus lokaler Verarbeitung und Wertschöpfung entstehenden Möglichkeiten stellt sie geradezu eine ideale, sich gegenseitig absichernde Verbindung zwischen Siedlungs- und Pufferzone dar:
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groß- und kleinräumige Absicherung der Schutz- und puffernden Forstgebiete durch ökologische Aufwertung, also Wiederaufforstung degradierter Flächen in Siedlungs- und Pufferzone
(z.B. als Konzessionsbedingung), Verringerung der Agrarflächen aufgrund der entstehenden
Einkommensmöglichkeiten für die - ihre wertvollen Bäume nicht brandrodenden - Agroforstwirte, sowie stadtumfeld- wie umweltschonende Brennholz(plantagen)wirtschaft
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Schaffung (in)direkter Einkommen und Hebung der regionalen Kaufkraft, Ausbildungsangebot, Angebot an Bauholz, Möbeln, Gebrauchsgegenständen: Die "übliche" Sprunghaftigkeit
der ökonomischen Entwicklung kann aufgrund lokaler Wertschöpfung inkl. der Möglichkeiten
zur Schaffung vieler kleiner ökonomischer Kreisläufe abgemindert werden, zudem kann sie
entsprechend den Möglichkeiten und Notwendigkeiten sukzessive aufgebaut werden,
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Schaffung von kommunalen Steuern und infrastrukturellen Nebenleistungen, die anders
nicht finanzierbar sind, wie z.B. Wegebau und -wartung, Transport zwischen Entwicklungs(Markt) und Pufferzone: Menschen ("Quasi-ÖPNV"), Gebrauchsgütern, Setzlingen und
Samen, Landwirtschafts- und Nichtholzprodukte.
Das Ziel von SI-A-PAZ ist die Entwicklung einer regionalen Ökonomie auf Basis und zum Schutz
der vorhandenen Naturressourcen. Diese kann aber keinesfalls als autark betrachtet werden, da
sie sowohl national wie international ökonomisch vielfältig verflochten ist, und allein schon der
Primärwaldschutz eine große global-ökologische Bedeutung hat. Sowohl der Export von Produkten mit hoher Wertschöpfung als auch externes Startkapital als Hilfe zur Selbsthilfe sind für den
Erfolg des Projektes unverzichtbar.
Tropico Verde - 11