PW 2-9 Die vielen Gesichter des Kallmann

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PW 2-9 Die vielen Gesichter des Kallmann
PW 2-9
Die vielen Gesichter des Kallmann-Syndroms
Schlegel W. (1), Raimann A. (1), Brandau S. (2), Laccone F. (2, 3), Riedl S. (1,4)
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Medizinischen Universität Wien (1), Institut für
Medizinische Genetik der Universität Wien (2), Universitätsklinik für Pathologie der Medizinischen
Universität Wien (3), St. Anna Kinderspital Wien (4)
Einleitung:
Das Kallmannsyndrom ist eine entwicklungsbiologische Erkrankung, die durch hypogonadotropen
Hypogonadismus und Ansomie/Hyposmie charakterisiert ist. Von genetischer Seite sind diese
Entwicklungsstörungen vielfältig und erst zu etwa 30 % aufgeklärt. Derzeit werden Mutationen in
insgesamt 9 Genen (KAL1, NELF, CHD7, HS6ST1, FGF8, FGFR1, PROK2, PROKR2, SEMA3A) mit
dem Auftreten des Kallmannsyndroms in Verbindung gebracht. Die Aufklärung der genetischen
Ursache ist oft zeit- und kostenaufwändig.
Methodik: Bei Patienten mit Verdacht auf Kallmannsyndrom wird eine sorgfältige Erhebung der
Familienanamnese, eine körperliche Untersuchung, ein Riechtest, bildgebende Verfahren und die
Erhebung assoziierter Erkrankungen (Nierenfehlbildungen, Balkenmangel, Ichthyosen, dentale
Agenesien, Synkinesien, Skelettfehlbildungen,….) durchgeführt. Um rasch und kosteneffektiv die
molekulare Ursache der Erkrankung zu identifizieren, wird anhand der Begleitsymptome die
sequentielle Analyse (MLPA, FiSH, Sequenzierung) der in Frage kommenden Gene gemäß eines
Stufenplans durchgeführt.
Ergebnisse: Patient 1 (9 Jahre) präsentierte sich mit Agenesie des Bulbus olfactorius, Mikropenis,
Maldeszensus testes, konsekutiver Hodennekrose trotz Orchidopexie ins Skrotum und familiär
aufgetretener Agenesie aller ersten Prämolaren. Anhand dieses Begleitsymtoms wurde der
FGF8/FGFR1 Pathway als mögliche Ursache priorisiert. Wir identifizierten molekularbiologisch eine
bislang in der Literatur nicht beschriebene „Loss-of function Mutation“ im Bereich der
Tyrosinkinasedomäne des FGF1 Rezeptors. Aufgrund der Mutation kommt es zum Ausbleiben der
Dimerisierung des Rezeptors und der Tyrosinkinase - Signaltranduktion und konsekutiv zu den oben
beschriebenen Symptomen.
Patient 2 (14 Jahre) wies hypogonadotropen Hypogonadismus, eine klinisch bislang nicht näher
charakterisierte Ichthyose und einer Agenesie des maxillären Incisors rechts auf. In diesem Fall war
es nahe liegend eine Deletion der Xp22 Region anzunehmen, die das XLI- und das KAL1Gen
inkludiert (und damit sowohl die Ichthyose als auch den hypogonadotropen Hypogonadismus hätte
erklären können). Da sich diese Region als unauffällig erwies, wurde nun eine Abklärung des FGFPathways veranlasst.
Schlussfolgerungen:
Entwicklungsbiologische Störungen im Bereich der Wanderungswege der GnRH Neuronen führen zu
Kallmann Syndrom mit hypogonadotropem Hypogonadismus, ausbleibender Pubertät,
eingeschränkter Fertilität/Fertilitätsproblemen/Infertilität und häufig Anosmie/Hyposmie. Nichtendokrinologische Symptome wie Synkinesien, Balkenmangel, Nierenfehlbildungen, KieferGaumenspalten oder dentale Agenesien geben Hinweise auf den möglichen zugunde liegenden
Gendefekt. Ein früher genetischer Nachweis ist wesentlich für das adäquate, zeitgerechte
Management der Pubertätsinduktion, die Indikation zusätzlicher Therapien und die Prognose
bezüglich Fertilität, die gegebenenfalls einer spezifischen hormonellen Behandlung zugeführt werden
kann.