Kanada-Radtour 2014 von Rena Klingelhöfer
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Kanada-Radtour 2014 von Rena Klingelhöfer
Kanada 2014: Mit dem Fahrrad von Vancouver nach Calgary – Rena Klingelhöfer „Kanada? Allein?? Mit dem Fahrrad???“ Je nach Gegenüber variierte der Ton dieser Ausrufe, die Bandbreite reichte von erstaunt über ungläubig bis hin zu fast mitleidig. Dabei war mir selbst ein wenig mulmig zumute. Aber Kanada war schon lange ein Traumziel. Und das Fahrrad ist nun mal mein liebstes Verkehrsmittel im Urlaub und auch sonst. Also: Kanadas Westen mit dem Rad. Kanada-Reiseführer gibt es viele, aber nur wenig Informatives für Radfahrer. Mein „USA/Canada bike Buch“ ist aus dem Jahr 1995 und damit schon fast 20 Jahre alt. Es fand sich auch noch ein Buch „Kanada: Rocky Mountains Radtouren“, von 1998 zwar und damit ebenfalls veraltet, aber immer noch nützlich. Dafür ist das Internet ja eine unerschöpfliche Informationsquelle: es gibt doch einige Berichte von Kanada-Radtouren und im Fernradlerforum (rad-forum.de) wurden meine Fragen zur Versorgungslage und Campgrounddichte beantwortet. Letztlich entschied ich mich von Vancouver in Richtung Osten nach Calgary zu fahren: eine gute Chance für Rückenwind, der Icefields Parkway und die Rocky Mountains als landschaftlicher Höhepunkt im letzten Drittel der Tour. 6 Wochen im August/September, nach den großen Touristen(und Mücken)schwärmen, aber vor dem kalten Herbstwetter. Übernachtung in Campgrounds, Hostels / Motels oder bei Gastgebern aus dem Netzwerk von SERVAS oder Warmshowers (das internationale Gegenstück der ADFC-Dachgeber). Soweit der Plan. Im Frühjahr hatte ich mir ein knallgrünes Reiserad gekauft und diesen „Frosch“ mit ein paar Schnuppertouren eingefahren. Am 11. August war es dann soweit: per Direktflug von Frankfurt nach Vancouver. Der Frosch reiste gut in Folie verpackt mit. Blick aus dem Flugzeug auf den Lake Maligne Vancouver Downtown Beim Flug über die Rocky Mountains wurde mir dann doch nochmal etwas mulmig: die Berge sahen ziemlich eindrucksvoll aus. Wie Reißzähne reckt sich Reihe um Reihe von eindrucksvollen Berggipfeln in den Himmel. Und da wollte ich durch?? Nach 9 Stunden Flug empfing mich Seite 1 von 11 zuletzt gespeichert: 09.04.2015 Kanada 2014: Mit dem Fahrrad von Vancouver nach Calgary – Rena Klingelhöfer Vancouver mit Sonnenschein und milder Meeresluft. Zu meinen ersten Warmshowers-Hosts musste ich 10km durch die Stadt radeln. Glücklicherweise ist die Orientierung in kanadischen Städten sehr einfach, da die Straßen im Schachbrettmuster angelegt und schlicht durchnummeriert sind. Am nächsten Tag erkundete ich erst einmal Vancouver. Durch ausgedehnte Einzelhaussiedlungen fand ich den Weg zur City mit ihren Wolkenkratzern. Radwege in unserem Sinn sind rar, aber es gibt besonders ausgewiesene Radstrecken auf ruhigen Straßen, mit besonders fahrradfreundlichen Ampelregelungen und vom Rad aus gut erreichbaren Schaltern. Vancouver ist eine erstaunlich grüne Stadt, sogar in der City gab es immer wieder Grundstücke mit gemeinschaftlich genutzten Gemüsegärten. Entlang der Straßen breite Grünstreifen (auch oft mit Gemüsebeeten!), die allerdings nach einem ungewöhnlich regenarmen Sommer meist vertrocknet und gelb wirkten. Fahrradfreundliche Ampel Hafen und City von Vancouver Meine Gastgeber luden mich zu einem dreitägigen Radausflug mit Freunden nach Galiano Island ein. Im strömenden Regen fuhren wir per Auto und Fähre zur Insel und dort zu einer kleinen Cabin (Holzhaus), wunderschön direkt über dem Steilufer gelegen. Am nächsten Tag hatte sich das Wetter wieder beruhigt, bei Sonnenschein erkundeten wir die kleine Insel, radelten über fast zugewachsene Wege zu abgelegenen Stränden, wanderten zum höchstgelegenen Aussichtspunkt der Insel (immerhin 328m über dem Meer). Leider stürzte ich an einem der Seite 2 von 11 zuletzt gespeichert: 09.04.2015 Kanada 2014: Mit dem Fahrrad von Vancouver nach Calgary – Rena Klingelhöfer felsigen Strände und sah dann mit einem geschwollenen Knie schon alle Radfahrträume schwinden und mich auf dem Weg zum Autovermieter. Aber nach einem Tag Ruhe und reichlich Eispackungen war ich am 17. August bereit, mich per Rad ins kanadische Abenteuer zu stürzen. Die erste Etappe führte über gut 80km auf dem Sea-to-sky-Highway nach Squamish. Die Straße folgt der Küstenlinie und bietet wunderschöne Blicke auf den Meeresarm und die Inseln, ist aber durch das ständige Auf und Ab recht anstrengend. Meine nächsten Warmshowers-Gastgeber hatten mich vorgewarnt, dass auf der Strecke nur an zwei Stellen Trinkwasser und etwas Essbares zu bekommen sei. So schnell ist man in Kanada am Rand der Zivilisation! Am nächsten Tag begleitete meine Gastgeberin mich per Rad auf den ersten Kilometern in Richtung Whistler. So ganz nebenbei wies sie auf einen rötlichbraunen körnigen Fladen am Straßenrand: Bärenkot – und das noch im Ort! Direkt nach dem Verlassen des Ortes die ersten „CAUTION BEARS“ und „DONT FEED THE BEARS“-Schilder. Sea-to-sky- Highway Nairn Falls Auf den 65 km zwischen Sqamish und Whistler gibt es am Highway 99 keine Versorgungsmöglichkeiten, kein Haus, keine Tankstelle, nur starken Autoverkehr auf einer vierspurigen Straße (allerdings mit großzügigen Seitenstreifen), ein paar Rennradler und reichlich Steigungen. Whistler selbst ist eine kleine Stadt voll von Restaurants, Cafés und all den Läden, die ein Tourismusort des gehobenen Preisniveaus halt so zu brauchen scheint. Auch Radfahrer waren hier zahlreich vertreten, diese aber meist mit lehmverschmierten vollgefederten Mountainbikes, Kleidung im coolsten BikerStyle, Vollvisier-Helm mit Action-Kamera. Der schwer bepackte Frosch fiel völlig aus dem Rahmen. Kurz vor meinem nächsten Etappenort Pemberton besuchte ich noch die spektakulären Wasserfälle der Nairn Falls. Dort traf ich ein holländisches Radlerpaar, die schon seit Monaten in Alaska und Kanada unterwegs waren. Piet hatte eine etwas skurrile Angewohnheit: wenn er „Roadkill“ fand, das frisch genug schien, nahm er es mit und bereitete sich daraus ein Essen. Auch an diesem Abend briet er sich einen kleinen Happen (Eichhörnchen?) auf dem Campingkocher und bot mir sogar ein Stück zum Probieren an. Ich verzichtete dann aber doch lieber… Er empfahl mir für den nächsten Tag auch einen Campground am Cayoosh Creek: dieser sei besonders schön gelegen und außerdem Seite 3 von 11 zuletzt gespeichert: 09.04.2015 Kanada 2014: Mit dem Fahrrad von Vancouver nach Calgary – Rena Klingelhöfer hätten sie zwei Stunden lang eine Schwarzbärenmutter mit Jungen auf dem anderen Ufer beobachten können. Ob das die Art „Fernsehen“ war, die ich brauchte? Der nächste Tag brachte mit der Duffey Lake Road von Pemberton nach Lillooet die „Königsetappe“ der Tour: 100 einsame Kilometer und 1250 Höhenmeter über den Cayoosh Pass. Für mein noch immer angemacktes Knie der Belastungstest: Nach 20 flachen Kilometern durch saftig grünes Farmland müssen auf den ersten 4 Kilometern der Bergstrecke schon 400 Höhenmeter in einer bis 15% steilen Steigung überwunden werden, danach wird es ein wenig leichter. Und das bei strahlendem Sonnenschein um die 30°C und ohne Versorgungsmöglichkeiten zwischendurch. Auch hier waren wieder einige Rennradler unterwegs. Einer warf mir beim Überholen mit Blick auf meine schweren Radtaschen noch schnell ein „I feel less bad now!!“ („Ich fühle mich jetzt weniger schlecht!“) zu. Abends baute ich zum ersten Mal in Kanada mein neues Zelt auf. In dem kleinen, kostenlosen Campingplatz am Fluss gab es Pit Toilets (Trockentoiletten) und Picnic Tables, aber weder Trinkwasser noch die sonst verbreiteten bärensicheren Müllcontainer. Ich fuhr trotzdem nicht zum nur 40 km entfernten Lillooet weiter, denn mein fast neuer Ledersattel machte sich peinlich bemerkbar: ich konnte einfach nicht mehr sitzen. Der erste Campground … am Cayoosh-Creek Meine Camping-Nachbarn Dave und Deborah brachten meine Proviant-Tasche bärensicher in ihrem Auto unter, erklärten mir den Umgang mit Bärenspray und versuchten meine angesichts dieser ersten Nacht im Bärenland leicht flatternden Nerven zu beruhigen. Die Bären seien nicht an uns Menschen interessiert meinte Dave: Solange wir sie in Ruhe lassen, lassen sie uns auch in Ruhe. Etwas Ähnliches hatte bislang fast jeder Kanadier geäußert. Aber dann holten die meisten nochmal Luft und erzählten irgendeine haarsträubende Bären-Geschichte, eine, die natürlich gut ausgegangen war - gerade nochmal. Der einsetzende Regen und meine Müdigkeit nach der langen Steigung verhinderten ausführlichere Gespräche, ich kaute draußen schnell den Rest meines Sandwichs (keine Lebensmittel im Zelt, auch keine Krümel!), verzog mich ins Zelt und schlief tatsächlich gut, wenn auch nicht lang: eine Isomatte ist eben kein Himmelbett. Frühmorgens wanderte ich wenig am Flüsschen entlang. Ich fand eine kleine Brücke, die im Dachfirst eine kunstvoll geschwungene Inschrift trug: „Es Brueggli fuers Schatzeli“. Wer hatte sich da wohl verewigt? Seite 4 von 11 zuletzt gespeichert: 09.04.2015 Kanada 2014: Mit dem Fahrrad von Vancouver nach Calgary – Rena Klingelhöfer Bärenland! Bären-Baby im Baum In Lillooet angekommen fühlte ich mich in eine andere Welt versetzt: nach den üppigen Wäldern der Küstenberge war ich nun im trockenen Tal des Fraser River angekommen. Gelbbraune, steppenartige Landschaft im Regenschatten der Küstenberge, lichte Wälder nur in größerer Höhe auf den Bergkuppen, die einzigen sattgrünen Flächen waren bewässertes Farmland. In dieser offenen Gegend erwartete ich eigentlich keine Bären. Aber einige Haufen Bärenkot an der Straße belehrten mich eines Besseren. Ab Lillooet folgte ich zunächst dem Fraser River und bog nach einigen hügeligen Kilometern ostwärts in das hochgelegene und damit wieder etwas grünere Tal des Marble Canyon ab. Und dann, nur wenige Kilometer vor dem angestrebten Tagesziel: mein erster Bär. Ein Schwarzbär-Baby hockte kaum 25m von der Fahrbahn entfernt in einem Baum. Ich hielt an und schaute mich zunächst hektisch um: wo ein Bären-Baby da ist die Mutter nicht weit. Und die hat meist etwas dagegen, wenn Menschen sich zu sehr für ihren Nachwuchs interessieren. Ich schoss blitzschnell zwei Bilder und strampelte dann schnell weiter. Ein Busch nahe der Straße wackelte so verdächtig als bewege sich etwas Großes darin... Glücklicherweise waren es noch 6 km bis zum Campingplatz, für mein Gefühl ein sicherer Abstand. Ich fand einen schönen Platz für mein Zelt direkt am Ufer des Crown Lake. Leider konnte ich meine Provianttasche nicht „vorschriftsmäßig“ in einen Baum hängen: Bei jedem Versuch die schwere Last hochzuziehen bog sich der Ast in Richtung Boden, aber die Tasche verharrte ungerührt auf der Erde. Schließlich erbarmte sich mein Campnachbar und erlaubte mir die Tasche in seinem Auto unterzustellen. Einen bärensicheren Food-Container, wie ich ihn aus USamerikanischen Parks kannte, hatte ich in ganz Kanada noch nicht gesehen. Ein erfrischendes Bad im kühlen See spülte den Dreck von drei Radtagen runter, denn der Campground war wieder sehr basic: keine Duschen und die nun schon gut bekannten Pit Toilets. Immerhin gab es Trinkwasser. Am nächsten Morgen erklomm ich die erste Steigung des Tages, als mich bereits nach wenigen hundert Metern eine Bewegung im lichten Wald aufmerksam machte: ein großer Schwarzbär trottete einen Schotterweg entlang. Der Bär war ca. 100m entfernt und schien mich nicht zu bemerken. Er graste ruhig und entfernte sich dann gemächlich. Wenige Kilometer weiter hatte es sich ein weiterer Schwarzbär in der Nähe der Straße bequem gemacht. Er lag im Schatten des lichten Waldes und schien sich nicht im Geringsten an dem durch ihn verursachten Verkehrsstau und den klickenden Fotoapparaten bzw. Handys zu stören. Seite 5 von 11 zuletzt gespeichert: 09.04.2015 Kanada 2014: Mit dem Fahrrad von Vancouver nach Calgary – Rena Klingelhöfer Auf den nächsten Kilometern wurde die Landschaft nun endgültig zur Halbwüste, Sagebrush (Wüstensalbei) war die vorherrschende Vegetation. Auf dem Juniper Beach Campground am Thompson River fand ich trotzdem zum ersten Mal einen saftig grünen Rasenplatz für mein Zelt. Es war auch der erste Platz mit Duschen – sogar mit warmem Wasser! Nächtlicher Bärenbesuch im Campground wäre wirklich unwahrscheinlich, wie mir der Manager versicherte. Und die Klapperschlangen kämen nicht in den Platz. Klapperschlangen?! Für unruhigen Schlaf sorgten hingegen zwei Bahnlinien: fast stündlich ratterten und quietschten endlos lange Güterzüge durchs Tal, vor dem Bahnübergang des Campgrounds wurde vorschriftsmäßig die Signalhupe angeworfen. Immer in hörbarer Nähe: die Eisenbahn Nach einem weiteren Tag durch Halbwüste bog ich bei Kamloops (mit 80.000 Einwohnern die größte Stadt unterwegs) in das grüne Tal des North Thompson Rivers ab. Kurz vor Clearwater erwischte mich ein schweres Gewitter, heftige Windböen schoben mich über die Straße. Sobald wie möglich suchte ich Schutz unter der ersten Garage, die ich finden konnte. Die Hausbesitzerin schaute zunächst etwas misstrauisch, brachte mir dann aber einen Stuhl, ein Glas Wasser, einen Teller Pasta und etwas Obst. Kanadier sind einfach ausnehmend gastfreundlich und hilfsbereit – besonders einer tropfnassen Radlerin gegenüber. In Clearwater fand ich ein Zimmer in einem kleinen privaten Hostel und beschloss ein paar Nächte zu bleiben: nach fast zwei Wochen unterwegs konnte ich eine Pause gebrauchen. Eine gute Idee, denn am nächsten Tag fand in der Nähe die „First Fish-Ceremonie“ der First Nations vom Stamm der Simpwc statt. Der spätsommerliche Lachszug wird mit traditionellen Gesängen und Trommeln begrüßt – einige Lachse gleich im Erdofen gebacken und das Festmahl mit den Besuchern geteilt. Die berühmten Wasserfälle des Wells Gray Provincial Parks verlockten mich zu einem Abstecher von der Hauptroute. Auf dem Weg in den Park luden mich Trina und Sandy von der Straße weg zur Übernachtung ein. Ihr Gästehaus war früher (Ferien)Wohnhaus und das älteste Gebäude auf dem großen Grundstück, eine winzige Cabin im Wald, ausgestattet mit Küchenbereich, eisernem Holzofen, Sitzecke und Schlafstelle. Genau so stellt man sich ein kanadisches Ferienhaus vor. Seite 6 von 11 zuletzt gespeichert: 09.04.2015 Kanada 2014: Mit dem Fahrrad von Vancouver nach Calgary – Rena Klingelhöfer Helmcken Falls im Wells Gray Park Auf dem Weg in die Rockies – wenn keine Enten im Weg stehen… Danach machte ich mich an eine der einsamsten Strecken der ganzen Tour: zwischen Clearwater und Jasper in den Rocky Mountains liegen 320 km, aber nur drei kleine Siedlungen. Und diese dicht bewaldete und regenreiche Gegend sollte angeblich auch noch mit der höchsten Bärendichte der ganzen Tour aufwarten! Hier leben auch Grizzlies. Aber kein Bär ließ sich blicken, weder schwarz noch braun. Bei Blue River kam mir ein Reiseradler auf einem fast gleichen Reiserad entgegen: Wolfgang war auf dem Weg von Calgary nach Vancouver (Warum nur waren alle Tourenradler in Gegenrichtung unterwegs? War da was falsch gelaufen bei meiner Routenplanung? Und warum hatte fast jeder weniger Gepäck als ich?). Er habe schon von mir gehört, meinte er. Wie das? Des Rätsels Lösung: in Valemount hatte er zufällig meinen nächsten Warmshowers-Gastgeber getroffen. Auch die geographische Lage meines Wohnortes musste ich Wolfgang nicht erläutern: er stammt aus Bad Laasphe. Mal wieder ein Beweis für den alten Spruch „Die Welt ist klein“! Das Wetter blieb erst mal unbeständig, immer wieder Regen so dass ich nur kurze Tagesstrecken fuhr und auch mal in Motels bzw. Cabins übernachtete. Zum Trost gab es einen wunderschönen Blick auf den Mt. Robson, mit 3954m der höchste Berg der kanadischen Rocky Mountains. Über fast 10km führt der Highway direkt auf die Südwestflanke zu, so dass man genug Zeit hat, die Sicht zu genießen. Für einen Moment war sogar der Gipfel fast wolkenfrei, was selten vorkommt. In Jasper im gleichnamigen Nationalpark beginnt die berühmteste Panoramastraße der kanadischen Rockies: der 230km lange Icefields Parkway. Er führt über zwei Pässe durch zwei Nationalparks Seite 7 von 11 zuletzt gespeichert: 09.04.2015 Kanada 2014: Mit dem Fahrrad von Vancouver nach Calgary – Rena Klingelhöfer (Jasper und Banff) und an den Columbia Icefields vorbei zum Endpunkt Lake Louise. Es gibt am Weg ein paar Campingplätze, wenige Lodges und Wilderness-Hostels, aber nur einen einzigen Laden. Aufgrund der schon sehr kalten Nachttemperaturen wollte ich in den Hostels übernachten, konnte aber kurzfristig nicht mehr buchen (kein Telefonanschluss, Online-Buchung mind. 2 Tage im Voraus!) und musste auf gut Glück fahren. Zunächst wollte ich aber unbedingt noch einen Abstecher zum Lake Maligne machen. Der abgelegene See (in einem Seitental 50 km von Jasper) ist touristisch bestens erschlossen: Schnellbote bringen Besucher in ca. 40 Minuten zu einem Aussichtspunkt, nach einer Fotopause von genau 10 Minuten geht’s schon wieder zurück. Das Bild der Halbinsel Sprit Island, die vor einem spektakulären Bergpanorama malerisch in den türkisblauen See ragt, ist eines der meistfotografierten Motive im Jasper Nationalpark. Spirit Island im Lake Maligne Das Wetter war in den letzten Tagen perfekt gewesen, strahlender Sonnenschein mit mehr als 25°C tagsüber bei allerdings eisigen Nachttemperaturen. Ein Wetterumschwung zu Regen und vielleicht Schnee war für zwei Tage später angesagt. Also los! Auch wenn der Icefields Parkway als stark frequentierte Touristenstrecke beschrieben wird, so ist das Verkehrsaufkommen doch nicht mit dem einer deutschen Straße zu vergleichen (zumindest in der Nebensaison Anfang September). Es gibt auch meistens Seitenstreifen, auf denen es sich ungestört radeln lässt. Nur die ständigen Querrillen sind für Radfahrer nervtötend, ich versuchte mich auf dem nur ca. 25cm breiten glatten Asphaltstreifen einer Leitungstrasse zu halten. Da wird die spektakuläre Landschaft schon mal zur Nebensache… Schon in dem Buch „Kanada: Rocky Mountains Radtouren“ war die Straße übrigens genauso beschrieben, es hat sich also seit 16 Jahren an diesem Zustand nichts Wesentliches geändert. Auf dem Icefields Parkway waren relativ viele Fahrradfahrer unterwegs: ich traf eine kanadische Gruppe mit Begleitfahrzeug, sowie ein Rob und Diana, mit leichtem Gepäck auf einer einwöchigen Tour unterwegs von Hinton nach Lake Louise. Auf dem Weg vom Beauty Creek Hostel zum Sunwapta Pass begegnete ich dann noch Dean und Dang, ein kanadisches Paar auf Ferntour von Anchorage (Alaska) nach Südamerika. Kurz vor der Passhöhe öffnet sich das Tal und gibt den Blick frei auf das eindrucksvolle Columbia Icefield. Auch die Temperaturen ließen die Nähe der großen Eismassen spüren und sanken merklich. Ich verzichtete auf die Möglichkeit, mit Spezialbussen bis auf das Gletscherfeld zu fahren und ging lieber ins gemütlich warme Icefields Center zum Mittagessen. Seite 8 von 11 zuletzt gespeichert: 09.04.2015 Kanada 2014: Mit dem Fahrrad von Vancouver nach Calgary – Rena Klingelhöfer Auf dem Weg zum Columbia Icefield Winterzauber – im September Als ich das Center verließ, fing es heftig an zu regnen und hörte in den Stunden auf dem Weg zum nächsten Hostel nicht auf. Die Aussichtspunkte an der Straße boten nur den Blick zur nächsten regenschweren Wolke. Das Rampart Creek Hostel ist – wie die meisten anderen Wilderness Hostels - sehr einfach ausgestattet: Outhouses (Außentoiletten) mit Plumpsklos, Trinkwasser aus Kanistern, immerhin elektrisches Licht aus Sonnenkollektoren. Aber in dem kleinen Saunahaus konnte ich auf dem Holzofen Wasser aufheizen und eine warme „Löffeldusche“ nehmen. Ein unerwarteter und deshalb umso erfreulicherer Luxus nach der kalten Regenfahrt! Der nächste Morgen fing nasskalt mit Schneeregen an und wurde nicht besser: auf dem Weg zum Bow Pass schneite es so stark, dass ich umkehrte und mir in Saskatchewan River Crossing (dem einzigen Motel / Restaurant im Umkreis) mit Dean und Dang ein Zimmer teilte. Das Schneetreiben sah aus einem gut geheizten Zimmer doch gleich weniger unfreundlich aus. Den Aufstieg zum Bow Pass am nächsten Tag gingen wir dann als Gruppe an: Auch Rob und Diana, die ich schon in Jasper getroffen hatte, waren unterwegs. Zu fünft fuhren wir durch die verschneite Bergwelt. Aber es war immerhin trocken, windstill und 49°C „warm“. Vom Bow Pass führt eine kurze Stichstraße zum höchsten Punkt der Tour: auf ca. 2.100 m über dem Meer liegt der Aussichtspunkt zum Peyto Lake, manchmal als der „blaueste See der Rockies“ bezeichnet. Einer der zahlreichen Touristen am Aussichtspunkt hatte sich einen eher ungewöhnlichen Sommerspaß gegönnt und zwei kleine Schneemänner auf den Zaun gesetzt, das beliebteste Foto-Objekt des Tages! Für die Passabfahrt bei gerade mal 4°C mussten wir uns so winddicht wie möglich einpacken, jeder Luftzug stach wie Eisnadeln. In der folgenden Nacht Seite 9 von 11 zuletzt gespeichert: 09.04.2015 Kanada 2014: Mit dem Fahrrad von Vancouver nach Calgary – Rena Klingelhöfer schneite es nochmals ca. 5cm, aber glücklicherweise waren wir ja im Moose Creek Hostel warm und gemütlich untergekommen. Der Weg nach Lake Louise hinab war am nächsten Tag nicht weit – aber leider bei tiefhängenden Wolken wieder ohne Aussicht auf die Bergketten. Morraine Lake Pilot Pond im Bow River Valley In Lake Louise dann gönnte ich mir ein paar Tage Auszeit mit kurzen Ausflügen zum Morraine Lake sowie zum Yoho Nationalpark auf der anderen Seite des Rocky Mountain Hauptkamms. Von meinen Mitradlern musste ich mich zunächst verabschieden und fuhr wieder alleine weiter nach Banff. Im breiten Tal des Bow River jagt eine Aussicht der Superlative die nächste, aber erfreulicherweise diesmal bei klarer Sicht, Sonnenschein und angenehmen (Tages-)Temperaturen. Auf dem Radweg (ja, hier gibt’s tatsächlich mal einen ausgewiesenen Radweg!) von Banff nach Canmore lud mich eine Kanadiern quasi im Vorbeifahren in ihr Haus nach Canmore ein. Im Ort traf ich dann auch wieder auf Dean und Dang, die eine Pause von ihrer langen Reise einlegen wollten. Auf dem letzten Radeltag in Kanada verließ ich kurz hinter Canmore die Rockies und folgte dem meist vierspurig ausgebauten Hwy 1 durch die wellige Prärielandschaft in Richtung Calgary. Leider erwischten mich hier die einzigen Platten der Tour – und das gleich zweimal! Durch die Prärie In Calgary war ich zu Gast bei einer Kanadierin, die ich als Mitglied der Radgruppe auf dem Icefields Parkway getroffen hatte. Die moderne 1,3-Millionenstadt pflegt heute immer noch die Erinnerung an Rinderzucht, Pferde und Prärie-Cowboys: in Citynähe befindet sich das riesige Gelände der jährlichen „Calgary Stampede“, der größten Rodeoshow der Welt. Für Radfahrer gibt Seite 10 von 11 zuletzt gespeichert: 09.04.2015 Kanada 2014: Mit dem Fahrrad von Vancouver nach Calgary – Rena Klingelhöfer es ein recht gutes Radroutennetz, das allerdings gerade nicht überall gut befahrbar war: der frühe Wintereinbruch der vorherigen Woche hatte der Stadt 20cm Schnee gebracht; zahlreiche Bäume waren unter dieser Last zusammengebrochen und mussten noch weggeräumt werden. Calgary Am Abreisetag brachte meine Gastgeberin mich mit dem Auto zum Flughafen; ein letzter Blick aus dem Flugzeug auf die Kette der Rocky-Mountains-Gipfel am Horizont und dann hob das Flugzeug ab in Richtung Deutschland. Hinter mir 6 ereignisreiche Wochen mit rund 2000 Radkilometern. Aber leider hatte ich ja einen Teil des Icefields Parkway nur wolkenverhangen kennengelernt und Grizzly oder Elch hatten sich auch nicht blicken lassen. Vielleicht muss ich nochmal hin… Seite 11 von 11 zuletzt gespeichert: 09.04.2015