Gülzower Fachgespräche

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Gülzower Fachgespräche
Band 33
Gülzower Fachgespräche
nachwachsende-rohstoffe.de
Gülzower Fachgespräche
Band 33
Hydrothermale Carbonisierung
Herausgeber
Gefördert durch das Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Gedruckt auf Papier aus Durchforstungsholz
mit Farben auf Leinölbasis
FNR-Bestellnummer: 366
ISBN: 978-3-9803927-6-1
Hydrothermale Carbonisierung
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR)
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Fax: 0 38 43 /69 30 - 1 02
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Internet: www.fnr.de
Gülzower Fachgespräche, Band 33
Hydrothermale Carbonisierung
11./12. Februar 2009, Berlin
2./3. September 2009, Karlsruhe
Herausgegeben von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR),
Hofplatz 1, 18276 Gülzow mit Förderung des Bundesministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)
FNR 2010
Herausgeber
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
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Alle Rechte vorbehalten.
FNR-Bestellnummer: 366
ISBN: 978-3-9803927-6-1
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Andreas Schütte
Fachgespräch: Hydrothermale Carbonisierung
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen
und Wettbewerbsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
Bodo Wolf
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe
zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
G. Engelmann, Hans-Peter Fink
Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung –
Ziele und Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Christiane Grimm
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung
von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Till Belusa, Axel Funke, Frank Behrendt, Felix Ziegler
Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung –
Gemeinsamkeiten und Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Andrea Kruse
Hydrothermale CarbonisierungAnalyse und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . 64
Klaus-Dieter Vorlop, Frank Schuchardt, Ulf Prüße
3
Inhaltsverzeichnis
Fachgespräch: Hydrothermale Verfahren
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung
von Zuckern und Ligninprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Irina Smirnova, Thomas Ingram
Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des
Forschungszentrums Karlsruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Nikolaos Boukis, Ulrich Galla, A. Hammerschmidt, Eckhard Dinjus
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose
zu Synthesebausteinen/Plattformchemikalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
Hirth, Thomas, Gerd Unkelbach, Rainer Schweppe
Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht . . . . . . 107
Andrea Kruse
Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie . . . . . . . . . 112
Andrea Soler, Herbert Vogel
Hydrothermale katalytische Vergasung
von Biomasse – eine Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
Frédéric Vogel
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Andreas Schütte
4
Vorwort
Vorwort
Andreas Schütte
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
Biomasse bzw. nachwachsende Rohstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft haben sich in der letzten Dekade vom Nischenprodukt zur
umkämpften weil begrenzt verfügbaren Ressource gewandelt. Die umfassende und hoch effiziente Nutzung der Ressource Biomasse hat damit
ebenfalls im Rahmen der Förderung aus dem Programm Nachwachsende
Rohstoffe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMELV) an Bedeutung gewonnen. Eine praktische
Ausprägung dieser zukunftsweisenden Schwerpunktsetzung ist die
verstärkte Förderung von Projekten zur Kaskadennutzung von nachwachsenden Rohstoffen oder zur gleichzeitigen Erzeugung von stofflich und
energetischen nutzbaren Produkten („Bioraffinerie“).
Dabei gilt es, auch neue Lösungswege und Konversionsrouten zu
betrachten und in hinreichender Art und Weise zu evaluieren. In diesem
Zusammenhang befasst sich der vorliegende Band der Gülzower Fachgespräche mit dem Thema hydrothermale Verfahren. Unter hydrothermalen
Verfahren sollen hier Prozesse verstanden werden, die Wasser bei erhöhten Drücken und Temperaturen als Reaktionsmedium und (ab einem
bestimmten Bereich der Zustandsgrößen) auch als Reaktionspartner
nutzen. Dabei werden die einzigartigen Eigenschaften von Wasser intelligent in die Verfahrensführung einbezogen, was z. B. einzigartige Reaktionsbedingungen oder einfache Trennverfahren möglich macht. Zudem
stellt auch Wasser eine natürliche Ressource, die in Deutschland vielfach
in großer Menge zugänglich ist, dar.
Hydrothermale Verfahren werden zwar seit geraumer Zeit für die
Konversion von Biomasse, sei es für die stoffliche, sei es für die energetische Nutzung verfolgt, in den Blick der Öffentlichkeit wurden die hydrothermalen Verfahren durch die Aktivitäten von Herrn Prof. Dr. Antionietti zur hydrothermalen Carbonisierung (HTC) seit dem Jahre 2006 gerückt.
Aber der Bereich der hydrothermalen Verfahren zur Biomassekonversion
5
Vorwort
ist chemisch und verfahrenstechnisch so facettenreich wie die bei solchen
Verfahren gewinnbaren Produkte. Die HTC stellt nur einen interessanten
neuen Konversionsweg dar, auch Verfahren, bei denen das Reaktionsmedium Wasser selbst zum Reaktionspartner wird, wie dies z.B. in der hydrothermalen Vergasung der Fall ist oder die die spezifischen Eigenschaften
von Wasser unter erhöhten Drücken und Temperaturen zur intelligenten
Reaktionsführung chemisch-technischer Synthese nutzen, stellen erfolgversprechenden Ansätze für neue, effiziente Weg der Nutzung land- und
forstwirtschaftliche Rohstoffe dar.
Grund genug für die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
(FNR), mit Experten hydrothermale Verfahren in zwei Fachgesprächen,
die am 11. und 12. Februar in Berlin und am 2. und 3. September 2009 beim
Karlsruher Institut für Technologie, Campus Nord, durchgeführt wurden,
zu diskutieren und zukünftige Entwicklungen abzuschätzen.
Während im Fachgespräch des Februars 2009 der Schwerpunkt bei den
HTC-Verfahren und der Verwendung ihrer Produkte lag, befasst sich das
zweite Fachgespräch des Septembers 2009 allgemeiner mit hydrothermalen Verfahren. Hier nimmt auch die Reaktionsführung in wässrigen Medien
unter erhöhten Drücken und Temperaturen sowie die stofflichen Nutzung
der Produkte einen breiteren Raum ein. Damit ergänzen sich die Fachgespräche in zutreffender Weise.
Die in diesem Band der Reihe „Gülzower Fachgespräche“ enthaltenen
Beiträge stellen die Ergebnisse dieser Fachgespräche des Jahres 2009 dar.
Neben den von den Referenten zur Verfügung gestellten Beiträgen, die
leider aufgrund vielerlei Umstände nicht vollständig vorliegen, wird auch
eine Zusammenfassung der Diskussionen gegeben.
Für die FNR gaben die Fachgespräche wichtige Impulse und Hinweise für die weitere Arbeiten und zukünftige Förderaktivitäten. Ich hoffe,
dass diese Beiträge den Leserinnen und Lesern ebenso nützlich sein mögen.
Anschrift der Autors:
Dr.-Ing. Andreas Schütte
Geschäftsführer
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
Hofplatz 1, 18276 Gülzow
E-Mail: info@fnr.de
6
Beiträge der Veranstaltung
Hydrothermale Carbonisierung
11./12. Februar 2009
im Haus der deutschen Landwirtschaft
und Ernährung, Berlin
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
Hydrothermale Carbonisierung –
Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
[1]
Bodo Wolf
bw energiesysteme GmbH
1
Historie
Die Entdeckung und Nutzung brennbarer Steine, Flüssigkeiten und Gase
aus der Erde warf die Frage nach deren Entstehung auf.
Die Vermutung, dass die gefundenen brennbaren einen anderen
Bildungsprozess durchlaufen haben, als die nicht brennbaren Stoffe, ist
nach Bergius etwas älter als 450 Jahre und sie wird Valerius Cordus und
Balthasar Klein zugeschrieben.
Erst Anfang des 20. Jahrhunderts führten die wissenschaftlichen Arbeiten von Potonie zu der gesicherten Erkenntnis, dass Kohle, Erdöl und Gas,
damals von ihm zusammenfassend als Kaustobolithe bezeichnet, organischen Ursprungs sein müssen.
Als Ausgangsprodukte wurden Land- und Sumpfpflanzen für die
Kohle und für Erdöl fett- und proteinhaltige Faulschlämme angenommen.
Für den Umwandlungsprozess wurde der Begriff „Inkohlung“ geprägt.
Darunter wurde die Zerrsetzung der in den Pflanzen enthaltenen organischen Stoffe über eine lange Zeit, in der Natur bis zu mehr als 100 Millionen Jahre, verstanden.
Es wurde erkannt, dass die „Inkohlung“
■ im Gegensatz zur Verrottung, die im Beisein von Sauerstoff unter
Umgebungsdruck und Umgebungstemperatur abläuft, unter Luftabschluss ablaufen muss, wofür Moore und Sümpfe beste Voraussetzungen bieten,
■ Kohlenstoff durch den primären Abbau von Sauerstoff- und Wasserstoff anreichert,
8
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
■ der Inkohlungsgrad eine Funktion von Zeit, Druck und Temperatur
ist.
Darauf aufbauend arbeitet Bergius an der Herstellung künstlicher Kohle
und er stellte erst einmal fest, dass im Gegensatz zum natürlichen Inkohlungsprozess der Faktor Zeit praktisch nicht zur Verfügung stand.
Aus der Notwendigkeit die Reaktionszeit drastisch zu verkürzen, im
Labor standen nicht Millionen oder Tausend Jahre, sondern nur Tage und
Stunden zur Verfügung, resultierte die Erkenntnis, dass das durch
Erhöhung der Temperatur auf ein begrenztes Niveau möglich ist. Die
Temperaturgrenze für die Herstellung von künstlicher Kohle wurde gesetzt
durch den Beginn der Verkokung, also der Schwelung.
Des Weiteren erkannte Bergius, dass die Herstellung eines stabilen
Produktes einen isothermen Prozess erfordert, was durch die Beschaffenheit der organischen Substanzen und der Exothermie des Zerfallsprozess
nicht einfach zu erreichen ist.
Zwischen 1900 und 1910 wurden deshalb mehrere Experimente, bei
denen Holz gemeinsam mit Wasser über mehrere Stunden in einem
geschlossenen Gefäß auf Temperaturen von 245 bis 290 °C erhitzt wurden,
im Nachgang zu de Latour, nochmals von Stein durchgeführt. Diese im
Beisein von Wasser und die von Klason u. a. zur Verkokung von Holz in
einer Retorte unter 290 °C durchgeführten Versuche, so berichtet Bergius,
führten zu einer Kohle, die gegenüber natürlicher Kohle einen niedrigeren Wasserstoffgehalt aufwiesen und nach seiner Auffassung den natürlichen Inkohlungsprozess nicht ausreichend nahe kamen.
Bergius zog daraus die Schlussfolgerung organische Stoffe, die ein
großes Bindungsvermögen für Wasser haben, wie Torf, Holz oder Zellulose, in einem geschlossenen Gefäß im Wasserbad unter Druck zu erhitzen.
Das Wasserbad war in der Lage die Rektionswärme der Zersetzung aufzunehmen und abzuleiten, so dass ein isothermener Prozessablauf möglich
wurde. Es entstanden mit natürlichen Braun- und Steinkohlen chemisch
vergleichbare Produkte, deren Zusammensetzungen von der Versuchsdauer und der Wassertemperatur und damit vom Siededruck des Wassers
abhingen.
Bergius erkannte also aus den Versuchen, dass die natürliche Kohlebildung nachvollzogen werden kann, indem Biomasse in Druckwasser, bei
Temperaturen unter der Schweltemperatur, in künstliche Kohle durch
Dehydratisierung, also Abspaltung des Wassers, umgewandelt wird. Seine
9
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
Versuche zeigten auch, dass mit steigender Temperatur neben Wasser auch
Kohlendioxid und Methan aus der Biomasse abgespalten wird und dass
ein Teil der Asche aus der Biomasse in das Wasser überging.
Der heute aktuelle Begriff „Hydrothermale Carbonisierung“ beschreibt
also treffend die von Bergius angewandte und 1913 veröffentliche Methode zur Abspaltung von Wasser aus den verschiedensten Biomassen.
Neuere Ansätze zur Verbesserung des Prozessablaufes durch katalytische Zusätze, wie sie am Max-Planck-Institut in Potsdam verfolgt werden,
müssen sich an den von Bergius veröffentlichten Ergebnissen messen und
signifikante verfahrenstechnische Vorteile nachweisen, die technologisch
vorteilhaft umgesetzt werden können. Sie werden dann Erfolg haben,
wenn es mit Hilfe der Katalysatoren gelingt, die Aktivierungsenergie zu
senken.
Nach Bergius war die Erhöhung des Inkohlungsgrades von Torf und
Braunkohle Gegenstand vielfältiger Versuche an den deutschen Kohleinstituten. Dazu tangierend wurden auch andere Versuche zur Reduzierung
des Sauerstoffgehaltes der Brennstoffe durch Trocknung durchgeführt. Zu
nennen wäre hier vor allem die Fleissner-Trocknung von Braunkohleknorpel, die eine Absenkung des Wassergehaltes bis 30 Masseprozent erreichte und die vom IfE in Leipzig Mitte der 80iger Jahre entwickelte Dampfwirbelschichttrocknung, die eine Absenkung des Wassergehaltes bei
Wirbelbetttemperaturen unter 130 °C auf unter 10 % ohne Abspaltung von
CO2 und Methan ermöglichte. Die Fluidisierung von Braunkohle mit
Dampf in der indirekt beheizten Wirbelschicht vermied die Bildung von
Brüden. Der anfallende Sattdampf konnte gereinigt werden und ermöglichte die Rückgewinnung der Trocknungswärme mit gegenüber Brüden
deutlich höherer Energiedichte. Mit der Dampfwirbelschichttrocknung ist
es möglich den Brennstoffwärmebedarf von Braunkohlefeuerung um 20 %
und den Kohlendioxidausstoß in gleicher Größenordnung zu reduzieren.
Industrieanlagen dieser Art wurden bei der Rheinbraun AG und bei der
State Electricity Commission of Victoria in Australien errichtet.
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war überschattet von den beiden
Weltkriegen, Elend, Hunger, einer zerstörten Industrie und einer Landwirtschaft, die gegenüber heute eine niedrige Produktivität hatte und sich auf
die Sicherung der Ernährung konzentrieren musste. Die industrielle
Nutzung der Umwandlung von Biomasse in Kohle war deshalb, im Gegensatz zur der Zeit, als die Metallurgie auf Holzkohle angewiesen war, nicht
aktuell. Das bisschen, was man an energetisch nutzbarer Biomasse hatte
10
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
wurde hauptsächlich zum Zwecke des Heizens und Kochens in Öfen
verbrannt.
Aber, insbesondere die Literatur, die im Rahmen der in den „Freiberger Forschungsheften“ veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten zur
Kohleforschung ausgewertet wurde, zeigt, dass die Forschungen über
Kohle und deren Veredelungen immer wieder auf die chemische Umwandlung der Biomassebestandteile zurück kommt. Aufmerksamkeit wurde
besonders der selektiven Umwandlung der Biomassebestandteile, wie der
Huminsäuren, Cellulose und des Lignin sowie der Abspaltung von Kohlendioxid und Methan gewidmet.
Es ist nicht zufällig, dass die wissenschaftlichen Arbeiten zur Erzeugung von künstlicher Kohle aus Kohlehydraten (Biomasse) und deren
Zersetzung in Kohlenstoff in Form von Koks sowie in Kohlenwasserstoffkondensate (Teer) und Gas (Leucht- und Stadtgas) vorrangig von Instituten, die sich mit Kohleveredelung beschäftigten, geleistet wurden. Seit
der Erkenntnis, dass durch Erhitzen von Kohle unter Luftabschluss (Schwelung, heute Pyrolyse, oder Entgasung) oder durch partielle Oxidation
(Vergasung) Kohlenwertstoffe für die Metallurgie, die Energieversorgung
und die chemische Industrie gewonnen werden können, hat sich ein
leistungsfähiger Wissenschaftszweig und die Grundstoffindustrie so entwickelt, dass sie die wirtschaftlich-industrielle Entwicklung der ersten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts geprägt hat, bevor der Siegeszug von Erdöl und
Erdgas sowie Kernenergie die Dominanz der Kohle gebrochen hat.
Das 20. Jahrhundert ist das Jahrhundert der fossilen Brennstoffe und
der Kernenergie und damit das Jahrhundert der größten von Menschen
verursachten Umweltschäden und des von Menschen verursachten Klimawandels.
Praktisch im Schatten dieser industriellen Entwicklung und von der
Öffentlichkeit wenig beachtet, hat sich aber auch das Leistungsvermögen der Land- und Forstwirtschaft stark entwickelt und es wuchs in den
letzten 20 Jahren die Erkenntnis über die Notwendigkeit, dass die Zivilisation, durch den Aufbau einer solaren Stoff- und Energiewirtschaft, auf
eine neue umweltfreundliche und klimaneutrale Basis gestellt werden muss
und das Zeitalter der fossilen und atomaren Brennstoffe zu beenden ist.
Die Bereitstellung von reproduziertem Kohlenstoff, durch Photosynthese oder chemische Reduktion aus Kohlendioxid hergestellt, wird in
dieser Phase der gesellschaftlichen Entwicklung eine Schlüsseltechnologie
hervorbringen, die Basis der solaren Stoffwirtschaft sein wird und die
11
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
vergessenen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Umwandlung von
Biomasse in Kohle werden dabei eine große Rolle spielen. Es ist aktuell
notwendig für die diesbezüglich vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse Technologien zu entwickeln und diese in die industrielle Nutzung
zu überführen.
2
Grundlagen
Diese neuen Technologien müssen gegenüber der Vielzahl von technischen
Lösungen und Vorschlägen zur Veredelung von Biomasse durch Schwelung, Vergasung und Verbrennung, wobei unter Veredelung hier die
Ertüchtigung der Biomasse für eine nachfolgende energetische oder stoffliche Nutzung verstanden werden soll, wettbewerbsfähig sein.
Die Rolle der nachwachsenden Rohstoffe, deren Verwertung und
Veredelung sollten mit der Herausarbeitung einer zum Ziel führenden
Strategie neu bewertet werden.
Dafür ist es als Erstes erforderlich absolute Klarheit über die Bedeutung der Biomasse für die Herausbildung und Erhaltung des für das
hochentwickelte Leben ermöglichende Klima auf der Erde zu schaffen.
Das ist möglich, indem die Stoff- und Energiewirtschaft aus dem Bilanzkreis Erde gelöst und in den Bilanzkreis Sonne-Erde-Weltraum gestellt und
die Erde als der primärer Energieumwandler betrachtet wird (Abbildung 1).
Der Bilanzkreis der heutigen Energiewirtschaft
ist die Erde und dementsprechend Kohle, Öl und
Gas Primärenergie. Die Verbrennung wird als
irreversibel betrachtet. In 50 Jahren kann dieser
Bilanzkreis nur noch 1/3 des Bedarfs decken.
Der Bilanzkreis für die neue Energiewirtschaft
ist Sonne/Weltraum, in dem die Erde der
Energieumwandler ist, der Energie von der
Sonne bekommt und diese an den Weltraum
abgibt.
Zu- und Abstrahlung von Energie steht somit in
Wechselbeziehung mit der Materie der Erde.
Abb. 1: Der Energieumwandler „Erde“ im Bilanzkreislauf „Sonne/Weltraum“
12
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
Die Erde wandelt die zugestrahlte Sonnenenergie physikalisch und
chemisch um und strahlt, da Energie nicht verloren gehen kann und auf
der Erde der Satz von der Erhaltung der Materie noch gilt, die exergetisch
abgewertete Energie in kurzen Zyklen wieder vollständig an den Weltraum
ab. Eine Ausnahme bilden die durch Phasenänderung entstandenen Eis-,
Schnee- und Biomassepotenziale (Abbildung 2), d.h., im Zuge des Energietransfers von der Sonne in den Weltraum wird auf der Erde Materie
umgewandelt und Energie gespeichert.
Es ist wahrscheinlich, dass die Herausbildung des Kältepotentials
der Erde im direkten Zusammenhang mit dem Aufbau des
Biomassepotentials steht.
Beide Potentiale sind Klimaregulatoren. Die Existenz und Kapazität der Potentiale sind wesentliche Faktoren der Klimastabilität
Abb. 2: Kälte- und Biomassepotential der Erde
Die Materie der Erde ist charakterisiert durch das Periodensystem der
Elemente (Abbildung 3) und es zeigt sich, dass die natürliche Stoffumwandlung Kohlendioxid und Wasser, d. h. die Elemente Kohlenstoff,
Wasserstoff und Sauerstoff, bevorzugt einbezieht.
Setzt man voraus, dass, bis auf gelegentliche Störungen aus dem
Weltraum und dem Erdinneren, der Energieaustausch zwischen Sonne,
Erde und Weltraum sich vor Beginn des Aufbaues des Biomassepotentials
im Gleichgewicht befand, dann erhebt sich die Frage, wo die Energie für
den endothermen Prozess der Photosynthese herkam. Wird die Energiezuführung von der Sonne als konstant gesetzt, dann ist die in der Biomasse gebundene Energie auf der Erde weniger in Wärme umgesetzt worden.
Es liegt deshalb nahe anzunehmen, dass die Herausbildung des Kältepotenzials der Erde im direkten Zusammenhang mit dem Aufbau des Biomassepotentials steht.
Wird weiterhin unterstellt, dass der Aufbau des molekularen Sauerstoffpotenzials im Zusammenhang mit der Bildung des Biomassepotenti-
13
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
1
1
1
18
2
H
2
3
2
11
3
Li 4
Lithium
6,941
2/1
Na 12
Elementname
rel. Atommasse
Elektronenkonfiguration
Mg
K 20
4
Kalium
39,098
2/8/8/1
5
Rubidium
85,458
2/8/18/8/1
37
55
6
Rb 38
Cs 56
Sr 39
Ba La-Lu
Zr 41
104
Ra Ac-Lr
Rf 105
Rutherford.
(261)
2/8/18/32/
32/10/2
Radium
226,03
2/8/18/32/
18/8/2
B 6
Bor
10,81
2/3
Feste Elemente
Gasförmige Elemente
57
La 58
Lanthan
138,91
2/8/18/18/
9/2
89
Ac 90
Actinium
(227)
2/8/18/32/
18/9/2
Ce 59
Cer
140,12
2/8/18/19/
9/2
Th 91
Thorium
232,04
2/8/18/32/
18/10/2
Re 76
Rhenium
186,21
2/8/18/32/
13/2
Sg 107
Gasförmige Elemente
Nd 61
Neodym
144,24
2/8/18/22/
8/2
Pa 92
13
Np 94
Neptunium
237,05
2/8/18/32/
22/9/2
Al 14
Eu 64
Pu 95
O 9
Sauerstoff
15,999
2/6
F 10
Fluor
18,988
2/7
Ne
Neon
20,179
2/8
Am 96
Americium
(243,10)
2/8/18/32/
25/8/2
Cd 49
Cadmium
112,41
2/8/18/18/2
Au 80
Schwefel
32,06
2/8/6
Cl 18
Chlor
35,453
2/8/7
Ar
Argon
39,948
2/8/8
In 50
Indium
114,82
2/8/18/18/3
Hg 81
Ge 33
Germanium
72,59
2/8/18/4
Tl 82
Quecksilber Thallium
204,37
200,59
2/8/18/32/
2/8/18/32/
18/3
18/2
Sn 51
Zinn
118,69
2/8/18/18/4
Sb 52
I 54
Iod
126,90
2/8/18/18/7
Po 85
Polonium
208,98
2/8/18/32/
18/6
Kr
Krypton
83,80
2/8/18/8
Te 53
Tellur
127,60
2/8/18/18/6
Bi 84
Bismut
208,98
2/8/18/32/
18/5
Br 36
Brom
79,904
2/8/18/7
Selen
78,966
2/8/18/6
Antimon
121,75
2/8/18/8/5
Pb 83
Blei
207,19
2/8/18/32/
18/4
Se 35
As 34
Arsen
74,922
2/8/18/5
At 86
Astat
(210)
2/8/18/32/
18/7
Xe
Xenon
131,30
2/8/18/18/8
Rn
Radon
(222)
2/8/18/32
18/8
Rg
Tb 66
Terbium
158,93
2/8/18/27/
8/2
Cm 97
Curium
(247,10)
2/8/18/32/
25/9/2
S 17
P 16
Phosphor
30,974
2/8/5
Röntgenium
(272)
2/8/18/32/
32/18/1
Gd 65
Gadolinium
157,25
2/8/18/25/
9/2
Ag 48
Gold
196,97
2/8/18/32/
18/1
Ds 111
Darmstadt.
(269)
2/8/18/32/
32/17/1
Si 15
Silicium
28,086
2/8/4
Ga 32
Gallium
69,735
2/8/18/3
Zink
65,38
2/8/18/2
Silber
107,87
2/8/18/18/1
Pt 79
Platin
195,09
2/8/18/32/
17/1
Mt 110
Europium
151,96
2/8/18/25/
8/2
Pd 47
Zn 31
Cu 30
Kupfer
63,546
2/8/18/1
Palladium
106,4
2/8/18/18
Ir 78
Meitnerium
(266)
2/8/18/32/
32/15/2
Sm 63
Plutonium
(244,10)
2/8/18/32/
24/8/2
Rh 46
Iridium
192,22
2/8/18/32/
15/2
Hs 109
17
16
N 8
Stickstoff
14,007
2/5
12
11
Ni 29
Nickel
58,71
2/8/16/2
Rhodium
102,91
2/8/18/16/1
Os 77
Promethium Samarium
150,35
146,90
2/8/18/24/
2/8/18/23/
8/2
8/2
U 93
Protaktinium Uran
238,03
231,04
2/8/18/32/
2/8/18/32/
21/9/2
20/9/2
Ru 45
Hassium
(265)
2/8/18/32/
32/14/2
Pm 62
10
Co 28
Cobalt
58,933
2/8/15/2
Osmium
190,2
2/8/18/32/
14/2
Bh 108
Seaborgium Bohrium
(263)
(262)
2/8/18/32/
2/8/18/32/
32/12/2
32/13/2
Pr 60
Praseodym
140,91
2/8/18/21/
8/2
Tc 44
15
C 7
Kohlenstoff
12,011
2/4
Gasförmige Elemente
9
Fe 27
Eisen
55,847
2/8/14/2
Technetium Ruthenium
98,91
101,07
2/8/18/13/2 2/8/18/15/1
W 75
Wolfram
183,85
2/8/18/32/
12/2
Db 106
Dubnium
(262)
2/8/18/32/
32/11/2
Mo 43
Molybdän
95,94
2/8/18/13/1
Ta 74
Tantal
180,95
2/8/18/32/
11/2
8
Mn 26
Mangan
54,938
2/8/13/2
Chrom
51,996
2/8/13/1
Nb 42
Niob
92,906
2/8/18/12/1
Hf 73
Hafnium
178,49
2/8/18/32/
10/2
7
Cr 25
V 24
Vanadium
50,942
2/8/11/2
Zirconium
91,22
2/8/18/10/2
72
6
5
Ti 23
Titan
47,90
2/8/10/2
Y 40
Yttrium
88,906
2/8/18/9/2
Barium
137,33
2/8/18/18/
8/2
Fr 88
Francium
(223)
2/8/18/32/
18/8/1
4
Sc 22
Scandium
44,956
2/8/9/2
Strontium
87,62
2/8/18/8/2
14
5
Fe
O
Hg
Tc
H
Wasserstoff
1,0079
1
Aluminium
26,982
Ca 21
Calcium
40,08
2/8/8/2
Cäsium
132,91
2/8/18/18/
8/1
87
7
1
Magnesium
24,305
2/8/2
3
19
13
Elementsymbol
Ordnungszahl
Be
Beryllium
9,0122
2/2
Natrium
22,99
2/8/1
He
Helium
4,0026
2
Wasserstoff
1,0079
1
Bk 98
Berkelium
(247,10)
2/8/18/32/
25/10/2
Dy 67
Ho 68
Dysprosium Holmium
162,50
164,93
2/8/18/28/
2/8/18/29/
8/2
8/2
Cf 99
Californium
(251,10)
2/8/18/32/
28/8/2
Er 69
Erbium
167,26
2/8/18/30/
8/2
Tm 70
Thulium
168,93
2/8/18/31/
8/2
Yb 71
Ytterbium
173,04
2/8/18/32/
8/2
Es 100 Fm 101 Md 102 No 103
Einsteinium
(254,10)
2/8/18/32/
29/8/2
Fermium
(257,10)
2/8/18/32/
30/8/2
Mendelev.
(258)
2/8/18/32/
31/8/2
Nobelium
(259)
2/8/18/32/
32/8/2
Lu
Lutetium
174,97
2/8/18/32/
9/2
Lr
Lawrencium
(260)
2/8/18/32/
32/9/2
Abb. 3: Das Periodensystem der Elemente
al steht, dann lässt sich ausrechnen wie groß das Biomassepotential der
Erde ist, welche Energie es bindet und wie groß das Kältepotenzial der
Erde sein kann. Wir haben allen Grund anzunehmen, dass die Biomasseund Kältepotenziale die wichtigsten Stellgrößen des Klimas auf der Erde
sind und das der Abbau des Biomassepotentials und der Derivate Kohle,
Öl und Gas automatisch die Reduzierung des Kältepotenzial zur Folge hat,
gleichgültig vom Mechanismus über den das erfolgt.
Bei allen technologischen Vorschlägen zur Biomassenutzung ist zu
bedenken, dass somit der Erhalt das Biomassepotenzial und damit des
Kältepotenzials, das Heiligste der Welt ist und das eine Biomassenutzung
zu Lasten des Biomassebestandes genau so klimaschädlich ist, wie die
Verbrennung fossiler Brennstoffe. Beides reduziert das Kältepotenzial der
Erde und führt durch die Anreicherung von Kohlendioxid in der
Atmosphäre und die Umwandlung von Reflexions- in Wärmeabsorptionsflächen zur exponentialen Anhebung der Umgebungstemperatur.
Deshalb darf die Biomassenutzung nur zu Lasten der Verrottung gehen
(Abbildung 4) und es dürfen nur solche Technologien angewendet werden,
die Nährstoffe zur Wiederverwendung frei geben. Um das zu erreichen
scheint es erforderlich die Biomassenutzung international zu kontigentieren, so wie Kohlendioxid zertifiziert wird.
14
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
Der Kohlenstoff-Kreisprozess ist tatsächlich ein Kreisprozess der Elemente Kohlenstoff-Wasserstoff-Sauerstoff mit den
Prozessstufen Photosynthese und Verrottung und den Zwischenprodukten Kohlendioxid, Wasser und Biomasse.
Das Kohlendioxid liefert den Kohlenstoff, das Wasser den Wasserstoff. Die dafür erforderlichen Prozessstufen Abtrennung von Sauerstoff durch Wasserelektrolyse, Reduktion von Kohlendioxid zu Kohlenmonoxid durch Wasserstoff und
Umwandlung eines Kohlenmonoxid-/Wasserstoffgemisches in Kohlenwasserstoffe stehen im industriellen Maßstab zur
Verfügung.
Die Verwendung von Biomasse führt zur 2. Generation, die Verwendung von CO2 und Wasser führt zur 3. Generation
der erneuerbaren synthetischen Kraftstoffe.
Abb. 4: Das natürliche thermodynamische System Kohlenstoff-Wasserstoff-Sauerstoff
Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde im Zusammenhang mit einer wissenschaftlichen Auswertung von Versuchen zur
Erzeugung von Wasserstoff erkannt, dass die möglichen Stoffumwandlungen auf Basis der Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff unter
Ein- und Auskopplung von Energie als thermodynamisches System
betrachtet und berechnet werden kann (Abbildung 5). Damit wurden die
in der Metallurgie begonnenen Systembetrachtungen erweitert und zum
Basismodell der chemischen Verfahrentechnik entwickelt.
15
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
Die Wechselbeziehung zwischen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff in Abhängigkeit von Druck und
Temperatur wurden als thermodynamisches System
berechnet, und damit bewiesen, dass die Verbrennungsprodukte CO2 und Wasser durch Einkopplung
von Energie wieder in chemische Energieträger
umgewandelt werden können.
Abb. 5: Brennstoffe im thermodynamischen Systeme C-H-O
Im Ergebnis dieser Arbeit wurde erkannt, dass die Verbrennung kein
irreversibler Prozess ist und dass es möglich ist erneuerbare synthetische
Kraftstoffe aus den Zwischenprodukten des Kohlenstoffkreisprozesses
Kohlendioxid und Wasser oder Biomasse herzustellen.
Mit Hilfe des im Bild 5 gezeigten thermodynamischen Systems lässt
sich die Umwandlung von Kohlendioxid und Wasser in Biomasse als
Kohlehydrat und die Inkohlung von Biomasse durch Dehydratisierung zu
Torf, Braunkohle und Steinkohle bis Anthrazit nachvollziehen und berechnen. Die experimentellen Ergebnisse von Bergius können damit rechnerisch reproduziert werden und es ist damit auch möglich die zweckmäßigste Technologie für die Umwandlung von Biomasse in Kohle zu finden.
3
Wettbewerbsfähigkeit
Um 1990 wurden mehrere Technologien zur Carbonisierung für die
Verwertung von organische Abfällen entwickelt, bei denen die Einsatzstoffe durch Pyrolyse, also durch Erhitzen unter Luftabschluss, in ihre festen,
flüssigen und gasförmigen Bestandteile so zerlegt wurden, was eine
nachfolgende Verbrennung oder Vergasung gegenüber der Müllverbrennung besser ermöglichen sollte. Zu nennen wären insbesondere das
16
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
Siemens Schwel-Brenn-Verfahren, das Thermoselekt-Verfahren und das
Nöll-Konversionsverfahren. Die Schwachstelle aller dieser Verfahren war
die Pyrolyse mit ihrer indirekten Wärmezuführung.
Mit dem Carbo-V-Verfahren der CHOREN Industries GmbH wurde
deshalb erstmalig ein Verfahren entwickelt das die Stoffumwandlung durch
Vergasung 3-stufig gestaltete.
Kombiniert wurden
■ Die Zerlegung der Einsatzstoffe in Koks und teerhaltiges Gas, bei
der die erforderliche Prozesswärme in der Einsatzstoffschüttung
selbst durch partielle Oxidation mit Sauerstoff bei Temperaturen
zwischen 350 bis 500 °C bereitgestellt wurde, mit
■ einer partiellen Oxidation des teerhaltigen Schwelgases und des
rückgeführten Restkokses aus der nachfolgenden Stufe zu Brenngas
oder Rohsynthesegas oberhalb der Ascheschmelztemperatur des
Restkokses und
■ die Rückumwandlung von Hochtemperaturwärme des Rohgases
durch chemisches Quenchen mit Koks aus der ersten Prozessstufe.
Nach mehrjähriger Erprobung des Verfahrens und der Komponenten
in einer Versuchanlage mit einer Brennstoffwärmeleistung von 1 MW
(Abbildung 6) wurde eine nach den Maßstäben der Mineralölindustrie
kleine industrielle Anlage von CHOREN in Freiberg gebaut, die sich nach
mehrfacher Verzögerung nun in der Vorbereitung der Inbetriebnahme
befindet (Abbildung 7).
Beim Forschungszentrum Karlsruhe befindet sich das Bioliq-Verfahren
für die Erzeugung einer Schwelteer/Koks-Slurry aus Biomasse in Erprobung, bei dem die für die thermische Zersetzung der Biomasse erforderliche Energie durch einen keramischen Wärmeträger eingetragen wird. Es
ist vorgesehen, die Slurry als Einsatzstoff für die Erzeugung von Synthesegas für die BtL-Produktion in Druckreaktoren der Kohlevergasung zu
verwenden.
Wenn es gelingt industrielle Technologien für die Umsetzung der
Hydrothermalen Carbonisierung zu entwickeln, dann steht der stofflichen
sowie der chemischen und energetischen Nutzung der Biomasse ein
Einsatzstoff zur Verfügung, der gegenüber dem Stand der Technik vorteilhaft ist. Die Hydrothermale Carbonisierung als Verfahren zur Konditionierung von Biomasse hat das Potenzial zur Sicherung einer besseren
17
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
Umwandlung von Biomasse in
Kraftstoff bei CHOREN.
Die Erzeugung der ersten erneuerbaren synthetischen Kraftstoffe
erfolgte von 2003-2005.
Einsatzstoff war Biomasse aller Art.
Hergestellt wurden ca. 25.000 Liter
Sundiesel, die von DaimlerChrysler
und Volkswagen erprobt wurden.
Abb. 6: Alpha-Anlage der CHOREN Industries zur Herstellung von Ethanol und
Sunfuel
Abb. 7: Beta-Anlage der CHOREN – Überleitung der F&E Ergebnisse in die
industrielle Nutzung
18
Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit
Ausnutzung der Biomasse und zur Reduzierung des technischen Aufwandes bei der Stoffumwandlung, insbesondere bei der Synthesegas- und BtLProduktion. Ein von CHOREN erstellter Verfahrensvergleich bestätigt diese
Einschätzung (Tabelle 1).
Tab. 1: Verfahrensvergleich
Chemical efficiency [%]
Technology
A Carbo-V®
Pressure
Relation
O demand CO + H
Gasifica- 2
factor
2
Thermical
[t per
[m³ per
tion
BTL+
Gasifit
]
biomass, dry
tbiomass, dry] production
total
[bar]
chemical cation
precond
96.4
81.7
78.7
5
0.467
1,152
1
B
Pyrolysis +
Gasification
64.3
81.5
52.3
40
0.470
755
0.65
C
Torrefaction +
Gasification
91.1
76.9
70.1
40
0.499
1,014
0.88
D
Hydrotherm.
Carbonizisation
~ 100
79.5
79.5
40
0.442
1,132
0.98
Literatur
[1]
Dr.-Ing. Bodo Wolf, bw-energiesysteme GmbH, Beitrag zum Fachgespräch „Hydrothermale Carbonisierung – Stand der Entwicklung“, am 11./12.2009 in Berlin
Anschrift des Autors:
Dr.-Ing. Bodo Wolf
bw energiesysteme GmbH
Villa Montana, Schillerstr. 2b, 01326 Dresden
E-Mail: kontakt@bw-energiesysteme.de
19
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
Hydrothermale Karbonisierung als
Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
G. Engelmann, Hans-Peter Fink
Fraunhofer – Institut für Angewandte Polymerforschung
1
Einleitung
Die hydrothermale Karbonisierung (HTC) stellt den in der Natur über
Jahrmillionen ablaufenden Prozess der Umwandlung von Biomasse in
Kohle nach, wobei die Reaktionszeit in Abhängigkeit verschiedener
Prozessparameter wie Druck, Temperatur und Katalysator im Bereich
weniger Stunden liegt [1]. Er wurde ursprünglich genutzt, um die Entstehung von Kohle in der Natur experimentell nachvollziehen zu können [2].
In der neueren Literatur liegt der Fokus auf der Entwicklung von Kohlenstoff-basierten Produkten mit unterschiedlichen Morphologien und Aspektverhältnissen, wobei die gewonnenen Partikel mikro- oder nano-skalig
dimensioniert sind. Neben sphärisch strukturierten Partikeln [3][4] werden
auch anisotrope Teilchen beschrieben [5]. Sie können entweder vollständig
aus Kohlenstoff bestehen oder lassen sich in Form von Hybriden präparieren wobei anorganische Substrate wie beispielsweise SiO2 [6] oder Silber [7]
als Träger geometrischer und struktureller Informationen in den Herstellungsprozess integriert werden. Auch über das Ausstatten Kohlenstoffbasierter Produkte mit Porosität wird berichtet [8], ebenso wie über die
Aktivierung von Partikeloberflächen mit verbleibenden funktionellen
Gruppen der ursprünglich in den Prozess eingespeisten Substrate [9].
Kohlenstoff-basierte Produkte lassen sich ganz allgemein entsprechend
ihrer energetischen und stofflichen Verwendung klassifizieren. Für Applikationen in Bereichen hoher Wertschöpfung sind jedoch spezielle Anforderungen an die Struktur und Reinheit der Produkte zu stellen. Carbonfasern sind ein sehr gutes Beispiel zur Verdeutlichung dieser Forderung. Das
zunehmende Interesse an C-Fasern hängt besonders in jüngster Vergan-
20
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
genheit mit der Entwicklung der Erdöl- und Kraftstoffpreise zusammen.
Hierbei haben Leichtbautechnologien [10] weiter an Bedeutung gewonnen,
mit Schwerpunkten in der zivilen Luftfahrt sowie der Automobil- und
Transportindustrie. Leichtbaukonzepte lassen sich in hervorragender Weise
durch die Verwendung von Carbonfasern in Kompositmaterialien umsetzen. Dabei ist in erster Linie auf die geringere Dichte von C-Fasern
(ρ= ~1,8 g/cm3) im Vergleich zu anderen häufig verwendeten Verstärkungskomponenten wie beispielsweise Glasfasern (ρ= ~2,5 g/cm3) zu
verweisen. In den letzten 10 Jahren hat etwa eine Verdopplung des C-Faser
Marktes stattgefunden [11], allein für das Jahr 2006/07 ließ sich eine Steigerungsrate von ca. 20 % feststellen [12]. Neben ausgezeichneten mechanischen Kennwerten rundet auch elektrische Leitfähigkeit [13] das Leistungspotenzial von C-Fasern ab. Das Eigenschaftsprofil hinsichtlich mechanischer Belastungen von Kohlenstofffasern lässt sich in erster Linie durch
deren Festigkeit und Steifigkeit klassifizieren (s. Abb. 1, [14][15]).
Abb. 1: Klassifizierung von Kohlenstofffasern entsprechend ihrer mechanischen
Kennwerte [14][15].
Hinsichtlich der Eigenschaften können prinzipiell zwei Gruppen unterschieden werden: C-Fasern mit höheren Zugfestigkeitswerten weisen geringere Zugmoduli auf; im Gegensatz dazu bedingt hohe Steifigkeit eine
Reduzierung in der Zugbelastbarkeit. Es gibt allerdings auch Faserentwicklungen mit einer Kombination von relativ hohen Festigkeiten und hohen
21
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
E-Moduli. Die Eigenschaften der C-Fasern werden zum einen durch die
verwendeten Precursoren bestimmt, zum anderen kann bei vorgegebenem
Precursor-Faden auch durch den Herstellungsprozess Einfluss auf die
C-Faser Charakteristik genommen werden. Die heute großtechnisch produzierten C-Fasern beruhen in der Regel auf Precursoren aus Polyacrylnitril
(PAN)-Copolymeren, daneben spielen Cellulose- und Pechbasierten Precursormaterialien eine gewisse Rolle. Auch über die Verwendung von
Lignin wird in der Literatur berichtet [16], wobei industrielle Umsetzungen
bisher nicht bekannt sind. Im Hinblick auf die hydrothermale Karbonisierung stellt sich die Frage, ob auf diesem Weg neue Substratangebote und
C-Faserentwicklungen zu erwarten sind.
2
Herstellung von Kohlenstofffasern
2.1
Polyacrylnitril (PAN)
Aus der Gruppe der synthetischen Polymere spielt Polyacrylnitril für die
Herstellung von C-Fasern die bedeutendste Rolle. PAN wird aus dem
Monomer Acrylnitril, welches technisch hauptsächlich durch das SohioVerfahren [17] petrochemisch zugänglich ist, durch radikalisch initiierte
Polymerisation gewonnen. Zur Optimierung der Precursoreigenschaften
für die thermischen Prozessstufen finden Itaconsäure und Methylacrylat
in geringen Mengen als Comonomere Anwendung. Das PAN-Copolymer
ist nicht schmelzbar und wird aufgrund seiner Löslichkeit in amidischen
Lösungsmitteln durch Lösungsspinnen zu Fasern verarbeitet. Abbildung
2 verdeutlicht in einfacher Weise die einzelnen Schritte zur Herstellung
Spinnen
Precursor
Faser
Ausgangsmaterial
Cellulose
PAN
Pech
Lignin
Lsg. oder dry-jet-wet
aus Lösung (Lsg.)
Schmelzspinnen
Schmelzspinnen
Filamentgarn
pelfaser
Stabilisierung
(2 ... 5 Stufen)
150 °C ... 350 °C
nicht schmelzbar
nicht brennbar
Karbonisierung,
Graphitisierung
(2 Stufen)
1000 °C ... 1700 °C /
(1500 °C ... 2500 °C)
fertige
Faser
Modul /
Festigkeit/Dehnung
HM, HS,
IM, HMS Typen
chemische & physikalische Strukturänderungen
Abb. 2: Allgemeines Schema zur Herstellung von Kohlenstofffasern
22
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
von Kohlenstofffasern, sie sind entsprechend den jeweils verwendeten
Substrat- und Precursoreigenschaften optimiert.
Der Spinnprozess hat die Aufgabe, die Substrate zu fadenförmigen
Precursoren zu verformen. PAN und Cellulose werden dabei aus der
Lösung versponnen, weil diese Polymere nicht ohne weiteres thermoplastisch verarbeitet werden können. Im Gegensatz dazu eignen sich Pech und
auch spezielle Lignine für das Schmelzspinnen. Vorteile des Schmelzspinnens sind die bessere Ökonomie des Spinnprozesses, wobei auch auf die
Entfernung und Aufarbeitung des Lösungsmittels verzichtet werden kann.
Generell gilt, dass Precursoren mit höchster Reinheit zu Kohlenstofffasern
mit geringerer Störstellendichte und höherem Eigenschaftspotential führen.
Im nächsten Prozessschritt werden die Precursoren einer thermischen Stabilisierung in Gegenwart von Sauerstoff unterworfen; in Abhängigkeit der
verwendeten Substrate läuft dieser Prozess im Temperaturbereich zwischen
150 °C – 350 °C in der Regel in mehreren Stufen ab. Ziel dieser Stabilisierungsstufen ist es, einen nicht mehr schmelz- und brennbaren Precursor
zu gewinnen. Erst dann können Karbonisierung und Graphitisierung im
nächsten Schritt erfolgreich durchgeführt werden. Die Fadengeometrie
bleibt bei Verringerung der Durchmesser erhalten. In Abhängigkeit vom
angestrebten Eigenschaftsprofil der C-Faser werden unterschiedliche
Temperaturen im Bereich von 1000°C bis 3000°C zur Anwendung gebracht.
Mittels spezieller Temperatur-Zeit-Regime gelingt es, das Strukturmuster
des ursprünglichen Substrates endgültig zu lösen und die Ausbildung der
Zielstruktur zu unterstützen. Diese Stoffwandlungsprozesse bedingen
gleichzeitig Änderungen der Precursor-Massebilanzen, wobei das Eliminieren niedermolekularer Verbindungen forciert und der Reinheitsgrad
der C-Fasern verbessert wird. Längere Reaktionszeiten erlauben hoch
geordnete Strukturen in den C-Fasern mit besseren Eigenschaften, die
aufgrund höherer Kosten speziellen Applikationen vorbehalten bleiben.
Für die Entwicklung von Carbonfasern, ihre Qualitätssicherung und
die Gewährung der Prozesssicherheit, sind analytische Verfahren zur
Materialcharakterisierung unabdingbar. Dazu zählen neben Standardverfahren zur Untersuchung mechanischer Kennwerte auch speziellere Methoden, um die Strukturwandlung während der Produktbildung detailliert
erfassen und beschreiben zu können. Als besonders geeignet erweisen sich
FT-IR- und 13C-CP/MAS-NMR-Spektroskopie, Röntgenbeugungsmethoden sowie die Elektronenmikroskopie [18][19]. Abbildung 3 verdeutlicht stellvertretend die Strukturwandlung während der thermischen Stabilisierungs-
23
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
Abb. 3: 13C-CP/MAS-NMRSpektroskopie an einem PANPrecursor: (a) vor der thermischen Stabilisierung, (b) nach der
Stabilisierung
phase an einem PAN-Precursor, registriert mittels 13C-CP/MAS-NMRSpektroskopie [20].
Sowohl qualitative als auch quantitative Informationen aus den sich
ändernden Signalmustern und Peakintensitäten der Spektren erlauben
letztendlich die Entwicklung von Modellen zur Beschreibung solcher Strukturwandlungsprozesse. Die strukturellen Änderungen des PAN-Precursors während der Stabilisierung können vereinfacht auf folgende Mechanismen zurückgeführt werden (s. Abb. 4)
Der Übergang vom flexiblen, linearkettigen PAN zum versteiften Leiterkettenpolymer durch Zyklisierungsreaktionen der Nitrilgruppen initiiert
den Strukturwandlungsprozess. Die Gegenwart von Sauerstoff ermöglicht
zusätzlich Oxidationsreaktionen, die durch Eliminierung von Wasserstoff
Doppelbindungen in die Precursorstrukturen hineintragen. Außerdem
findet Anlagerung von Sauerstoff an das Kohlenstoffgerüst des PAN- und
Leiterkettenpolymers statt, mit Konsequenzen für den Karbonisierungsprozess. Während dieser Prozessstufe und der Graphitisierung erfolgt der
Aufbau der wabenförmigen Graphitstruktur, insbesondere durch Eliminierung von Stickstoff und Cyanwasserstoff (s. Abb. 4, Karbonisierung).
24
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
Stabilisierung
Karbonisierung
Zyklisierung
+ HCN
Dehydrogenierung
O2
+ N2
Oxidation
O2
Abb. 4: Mechanismen bei der Strukturwandlung des PAN-Precursors zur C-Faser;
(a) – Stabilisierung, (b) – Karbonisierung, Graphitisierung (aus [21])
Die experimentellen Details sind in Ergänzung dazu durch eine weitere
strukturchemische Artenvielfalt gekennzeichnet, wobei sich Sauerstoff
neben der exocyclischen Bindungsweise auch in Form von Ringinsertionen nachweisen lässt. Der Produktionsprozess von C-Fasern ist deshalb
sehr komplex und erfordern zur Gewährleistung von Reproduzierbarkeit
ein hohes Maß an Genauigkeit.
Neben der Reinheit der Substrate bestehen auch durch die Herstellungsprozesse der Fasern Möglichkeiten, Störstellen zu generieren (s. Abb. 5).
Lochbildung gilt besonders dann als bevorzugt, wenn Restspuren von
Lösungsmitteln im Precursor enthalten sind.
Abb. 5: Lochbildung als typische Art der Störstellen in C-Fasern
25
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
2.2
Cellulose
Cellulose als bio-basiertes Ausgangsmaterial stand am Anfang der C-Faserentwicklung. Die dafür erforderlichen Cellulosefasern können durch
verschiedene Technologien produziert werden, wie in Abbildung 6 vereinfacht dargestellt wird (siehe z. B. [22][23]).
Zellstoff
H
H
OH
O
H
HO
H
H
HO
OH
H
H
O
OH
H
H
pH > 7
O
H
O
OH
n
+
H
Derivatisieren
O
O
H
H
O
H
H
O
O
H
O
H
O
O
H
O
H
O
H
Cellulose direkt
lösen
Lösen der Cellulosederivative
-
Spinnen
Spinnen &
Regeneration
Regeneration
regenerierte
Cellulose-Fasern
Viscose-Technologie
Carbamat-Technologie
H
6
4
HO
5
H
H
OH
H
3
H
2
O
OH
HO
1
H
O
H
3
H
5
4
H
6
2
OH
H
O
OH
1
O
regenerierte
Cellulose-Fasern
Lyocell (NMMO)-Technologie
NaOH-Technologie
Abb. 6: Verschiedene Technologien zur Herstellung von Cellulosefasern
Man unterscheidet hier die so genannten Derivatverfahren (Viskose,
Carbamat) und die Direktlöseverfahren (Lyocell, NaOH). Großtechnisch
dominiert heute nach wie vor das Viskoseverfahren, wobei nach unterschiedlichen Technologievarianten textile Stapelfasern sowie textile und
technische Filamentgarne (Rayon-Reifencord) hergestellt werden. Als einziges Alternativverfahren wurde bisher das Lyocellverfahren (Tencel-Fasern)
großtechnisch umgesetzt Die Cellulosefasern weisen aufgrund verfahrensspezifischer Differenzen Unterschiede auf, die sich beispielsweise anhand
ihrer Querschnitte verdeutlichen lassen (Abb. 7).
Während die Fasern der Lyocell- und Carbacell-Verfahren über einheitlich geformte Querschnittsflächen verfügen, weisen Viscosefasern im
Randbereich deutliche Lappenbildung auf. Zusätzlich sind Kern/SchaleStrukturen zu erkennen, die eine Dominanz diffusionskontrollierter Prozesse beim Regenerieren der Fasern erkennen lassen. Carbonfasern aus
Cellulose waren die ersten am Markt verfügbaren Produkte, sie wurden
in den 1970er Jahren größtenteils durch PAN-basierte Fasern substituiert.
26
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
Abb. 7: Querschnittsflächen von Cellulosefasern, hergestellt entsprechend der
Viskose-, Lyocell- und CarbaCell-Technologie (aus [22][23])
Ungeachtet dessen verfügen sie über eine ausgesprochen geringe thermische Leitfähigkeit, was ihnen nach wie vor spezielle Marktsegmente wie
beispielsweise Applikationen in der Luft- und Raumfahrt sichert.
2.3
Pech
Pech ist das dritte Ausgangsmaterial, das heute zur Herstellung von
Carbonfasern Anwendung findet. Im Gegensatz zu PAN und Cellulose
handelt es sich hierbei um ein Gemisch verschiedenster Komponenten
unterschiedlichster Substanzklassen. Pech wird bei der Asphalt- und Kohleteerproduktion gewonnen oder auch aus PVC hergestellt. Ein wesentliches
Qualitätsmerkmal für Pech ist der Gehalt an Mesophasenbildnern. Diese
Komponenten, deren prinzipielles Strukturmerkmal in Abbildung 8
wiedergegeben wird [21], erlauben die Ausbildung von Vorzugsrichtungen
(Orientierungen) während des Spinnprozesses, des Verstreckens oder der
H 3C
H2
C
H2
C
H 2C
CH2
H3C
CH3
CH3
CH3
Abb. 8: Charakteristische Strukturmerkmale von Mesophasenbildnern in Pech [21]
27
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
Karbonisierung/Graphitisierung. Dadurch sind Verbesserungen in den
mechanischen Kennwerten Pech-basierter C-Fasern zu erwarten.
Bei den Mesophasenbildnern handelt es sich beispielsweise um steife,
aromatische Ringsysteme, die durch kurze, flexible, aliphatische Kettensegmente verknüpft sind. Durch die Thermoplastizität von Pech findet
Schmelzespinnen zur Precursorherstellung Anwendung. Da die Eigenschaften von Pech aufgrund seiner variierenden Zusammensetzung differieren, können durch Entfernen niedermolekularer, flüchtiger Komponenten oder das Zumischen geeigneter Chemikalien die Ansprüche seitens der
Spinn- und Karbonisierungsstufen erfüllt werden. Tabelle 1 ermöglicht
einen Vergleich zwischen Carbonfasern, hergestellt aus unterschiedlichen
Substraten, auf der Grundlage ihrer Steifigkeitswerte [21]. Es wird klar, dass
Mesophasenbildner für die aus Pech hergestellten Carbonfasern von hoher
Bedeutung sind.
Tab. 1: Moduli [GPa] verschiedener Karbonfasern, präpariert aus unterschiedlichen Substraten.[21]
Precursor
E-Modul [GPa]
Rayon (Cellulose)
390
PAN
230 – 650
Pech
LT
41
HAT
41
Mesophasen Pech
LT
340
HAT
690
Graphit (Einkristall)
1000
2.4
Lignin
Lignin, ein Holzbestandteil, wird ebenfalls auf die Verwendbarkeit zur
Herstellung von Karbonfasern untersucht. Im Gegensatz zu Cellulose
handelt es sich hierbei um ein Copolymer, aufgebaut aus den Monomeren
Sinapyl-, Coniferyl- und p-Cumarylalkohol. Die Eigenschaften der Lignine werden im Wesentlichen durch die Mischungsverhältnisse der Monome-
28
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
ren und deren Verknüpfungsmuster geprägt. Abbildung 9 verdeutlicht
einen vereinfachten Ausschnitt aus einer möglichen Ligninstruktur.
HO
OH
CH
CH
H3CO
O
H3CO
HC
CH
CH2OH
OH
CH
CH
CH2OH
CH2OH
CH
CHOH
OH
CHO
H3CO
O
CH
CH2OH
CHOH
H3CO
O
CH
OH
CH2
HOH2C
H3CO
HOHC
OCH3
H3CO
O
O
HOH2C
HO H C
CH
H3CO
CH
HO
OCH3
2
O
CH2OH
CH
CHOH
O
CH CH2OH
HO CH
H3CO
CH O
HOH2C
H3CO
O
HOHC CH
CH2OH
H3CO
CH
OH
CHOH
OHC
O
OH
OCH3
O
O
H3CO
O
O
OCH3
C CH
CH2OH
Abb. 9: Ausschnitt aus einer vereinfachten Ligninstruktur
OH OH OCH
3
Lignin fällt bei der Zellstoffgewinnung in größeren Mengen als Kuppelprodukt in Form von Schwarzlauge an, die größtenteils thermisch verwertet wird. Für Überschüsse besteht seitens der Zellstoffproduzenten auch
Interesse an einer stofflichen Nutzung von Lignin, das setzt aber im Vorfeld
die Isolierung aus der Schwarzlauge voraus. Die Struktur und damit das
Eigenschaftsprofil von Lignin variieren von Holzsorte zu Holzsorte, aber
auch innerhalb eines speziellen Pflanzentyps teilweise stark. Die gebräuchlichsten Herstellungsverfahren für Lignin sind: Kraft-Verfahren (Sulfat),
Sulfit-Verfahren, Soda-Anthrachinon-Verfahren, GRANIT-Verfahren,
AlcellTM-Verfahren, Organosolv –Verfahren. In der Literatur wird die
Verarbeitung von Lignin in Polymerblends zur Herstellung von C-Fasern
berichtet, Tabelle 2 fasst die Bereiche mechanischer Kennwerte zusammen
[16]
.
Tab. 2: Bereiche ausgewählter mechanischer Kenndaten von C-Fasern aus Lignin
und Lignin/PEO-Blends.[16]
mittlere Durchmesser [m]
Zugfestigkeit [MPa]
E-Modul [GPa]
25 – 55
200 – 600
25 – 70
Verglichen mit den Daten aus Tabelle 1 wäre eine Ähnlichkeit zu Pechbasierten C-Fasern erkennbar.
29
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
3
Potenzielle Produkte der HTC zur
Herstellung von C-Fasern
Grundsätzlich muss von einer Vielfalt möglicher Zusammensetzungen von
Biomasse zur Beschickung von HTC-Reaktoren ausgegangen werden. So
lassen sich neben verschiedensten Abfallprodukten auch hochwertige
isolierte Substanzen wie beispielsweise Glucose nutzen, wobei sehr
wahrscheinlich Auswirkungen der Art des Ausgangsmaterials auf die
gebildeten HTC- Produkte zu berücksichtigen sind. Da bisher nicht klar
ist, in welcher Weise die Zusammensetzung des Ausgangsmaterials
Einfluss auf die Eigenschaften der HTC-Produkte nimmt, gibt es hierzu
offensichtlich noch Forschungsbedarf.
Endprodukte der HTC zeichnen sich generell durch einen hohen Karbonisierungsgrad aus. Die Bildung von Kohlenstoff ist bereits sehr weit fortgeschritten, ohne dass zuvor die erforderliche Formgebung im Sinne der
Faserbildung stattgefunden hat. Dadurch wird zunächst einmal die
inhärente Logik des technologischen Ablaufs zur Faserherstellung nicht
gewahrt. Wege zur nachträglichen Präparation von Faser-Precursoren aus
solchen unschmelzbaren und nichtlöslichen HTC-Produkten sind bisher
nicht bekannt, entsprechende Lösungswege (zur Verformung von HTCProdukten) sind z. Z. nicht ersichtlich. Sollte die Verformung der HTCProdukte über Zusatzstoffe zu erreichen sein, muss bedacht werden, dass
dann die Prozesskette einer Carbonfaserherstellung erneut zu durchlaufen ist mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die Gesamtprozessökonomie.
Ein interessanter Ansatz könnte sich ergeben, wenn über Zwischenstufen der HTC Produkte mit erdölähnlicher oder pechähnlicher Konsistenz
darstellbar wären. Eine wesentliche Zielstellung ist, dass derartige Produkte aus Lösung oder Schmelze verspinnbar sind. Ähnlich wie bei Pech- oder
Lignin-haltigen Fasern könnten auch hier orientierungsfördernde CoKomponenten (z. B. Polymere, Mesophasenbildner) einbezogen werden,
um tatsächlich Faserstrukturen mit uniaxialer Vorzugsorientierung zu
erzeugen.
Sollte die Faserbildung bei derartigen HTC-Zwischenprodukten
möglich sein, wäre zu prüfen, inwieweit eine Carbonisierung in Faserform
über geeignete Stabilisierungs- und Carbonisierungsprozesse realisierbar ist. In diesem Zusammenhang sind systematische Untersuchungen zur
Aufklärung von Prozess-Struktur-Eigenschafts-Beziehungen durchzufüh-
30
Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern?
ren, die insbesondere auch der Auswahl und Optimierung von Biomasse
für diesen Anwendungszweck dienen.
Wie einleitend aufgezeigt stehen derzeit nanoskalige Endprodukte der
HTC mit unterschiedlichen Morphologien, Zusammensetzungen, Aspektverhältnissen und Oberflächenstrukturen im Mittelpunkt des Interesses.
Diese Ansätze sind für Füll- und Verstärkungskomponenten von Bedeutung, die zur Herstellung heterogenphasiger Materialsysteme Anwendung
finden sollen. In Anlehnung an die aktuellen Trends im Bereich polymerbasierte Materialentwicklung, die wesentlich durch Carbon Nanotubes
(CNT) mitgetragen werden, erscheinen nanoskalige HTC-Produkte mit
großen Aspektverhältnissen als eine interessante Alternative. Deren
Leistungsvermögen wird in erster Linie von ihren mechanischen Kennwerten getragen und ist gegenüber herkömmlichen Konkurrenzmaterialien
zu testen. Ein Vorteil könnte die in-situ Funktionalisierung von Partikeloberflächen sein, die durch den Verbleib eines geringen Anteils funktioneller Gruppen aus der eingespeisten Biomasse vorstellbar ist. Dadurch
wäre die Partikel-Matrix-Haftung in Compositmaterialien, insbesondere in
Kombination mit Haftvermittlern, zu verbessern, mit positiven Konsequenzen für die Compositeigenschaften und deren Anwendungen. Auch bei
diesem Vorschlag ist zu prüfen, welchen Einfluss die Zusammensetzung
und Morphologie der eingesetzten Biomasse auf die Endprodukte hat.
4
[1]
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cellulose materials from NMMO-solutions“; Progress in Polymer Science 26 (2001)
1473 – 1524
Anschrift der Autoren:
G. Engelmann, Dr. Hans-Peter Fink
Fraunhofer – Institut für Angewandte Polymerforschung
Geiselbergstr. 69, 14476 Potsdam-Golm
E-Mail: fink@iap.fhg.de
32
Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand
Fördervorhaben der DBU zur
Hydrothermalen Karbonisierung –
Ziele und Stand
Christiane Grimm
Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
1
Einführung
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) wurde 1990 als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts gegründet. Aus den Erträgen des
Stiftungskapitals werden Projekte zum innovativen Umweltschutz gefördert.
Auftrag der DBU ist es, Vorhaben zum Schutz der Umwelt unter besonderer Berücksichtigung der mittelständischen Wirtschaft zu fördern. Sie
soll dabei in der Regel außerhalb der staatlichen Programme tätig werden,
kann diese allerdings ergänzen. Eine weitere Aufgabe ist die Vergabe des
Deutschen Umweltpreises.
Allgemeine Voraussetzung für eine Förderung sind die Kriterien:
■ Innovation – Vorhaben müssen sich klar vom Stand der Technik
abgrenzen;
■ Modellcharakter – die Innovation soll für eine breite Anwendung
interessant sein und sich unter marktwirtschaftlichen Konditionen
zeitnah umsetzen lassen;
■ Umweltentlastung – mit der Innovation sollen neue, ergänzende
Umweltentlastungspotenziale erschlossen werden.
Vor diesem Hintergrund wurde vom Kuratorium der DBU im Juni 2007
die Förderung von mehreren Vorhaben zur Weiterentwicklung und
Optimierung der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC) beschlossen.
33
Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand
Zur Hydrothermalen Carbonisierung:
Angesichts der ehrgeizigen politischen Ziele zum Einsatz erneuerbarer
Energien in der Ener-gieerzeugung kommt der Biomasse künftig eine
besondere Bedeutung zu. Um auch für pflanzliche Reststoffe und Abfälle effiziente Verfahren zur Nutzung zu erschließen, wird derzeit die Einsetzbarkeit der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC)untersucht. Dieses
Verfah-ren wurde vor ein paar Jahren am Potsdamer Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung von Prof. Dr. Markus Antonietti wieder entdeckt und weiter entwickelt. Es wird derzeit von mehreren
Arbeitsgruppen im In- und Ausland weiter verfolgt.
Die Hydrothermale Carbonisierung, welche schon 1913 von dem
Chemiker und Nobelpreisträger Friedrich Bergius hinsichtlich der elementaren Prozesse beschrieben wurde, jedoch lange in Vergessenheit geriet,
könnte sowohl eine einfache Lösung zum Umgang mit dem CO2-Problem
darstellen als auch einen neuen Weg zur Energiegewinnung aus Biomasse er-möglichen. In heutiger Zeit soll dieses Verfahren mit den damals
beschriebenen Prozessen mit aktuellen Erkenntnissen, moderner Instrumenten- und Anlagentechnik für eine exakte Prozesssteuerung sowie dem
gezielten Einsatz von Katalysatoren besser kontrolliert werden können.
Die HTC ist ein chemisches Verfahren zur einfachen und hoch effizienten Herstellung von Braunkohle, Synthesegas, flüssigen Erdölvorstufen
und Humus aus Biomasse unter Freisetzung von Energie. Der Prozess ahmt
die in der Natur in Millionen von Jahren ablaufende Braunkohleentstehung innerhalb weniger Stunden technisch nach. Der HTC liegt (vereinfacht) folgender chemischer Prozess zugrunde, der exotherm verläuft:
HTC
➔
C6H12O6
Kohlenhydrat
6C
+
Kohlenstoff
6 H2O
Wasser
Zur Ingangsetzung der Reaktion müssen allerdings zunächst Aktivierungsenergie (Druck, Temperatur) sowie Katalysatoren aufgewendet
werden. Die Reaktion läuft dann innerhalb weniger Stunden (6–12
Stunden) ab, wobei der Grad der Dehydratisierung des Kohlenhydrats von
der Reaktionsdauer abhängt. Bei der HTC entsteht eine wässrige schwarze Flüssigkeit mit feinstverteilten kugelförmigen porösen Kohlepartikeln
(Kolloiden). Ein Großteil des Kohlenstoffs, der in dem Pflanzenmaterial
gebunden war, liegt nun in Form dieser Partikel vor. Als Produkte können
34
Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand
aus der HTC, je nach Reaktionsdauer und -bedingungen, Torf bzw. Humus
(Landwirtschaft, Gartenbau) und Kohle zur energetischen Nutzung gewonnen werden. Im Hinblick auf eine CO2-Senke lässt sich der aus der Biomasse vorliegende Kohlenstoff auch dauerhaft ablagern.
2
Fördermaßnahmen der DBU zur Hydrothermalen Carbonisierung
Mit dem Ziel der Erschließung neuer Verwertungsmöglichkeiten für Bioabfälle und Reststoffe unterstützt die DBU derzeit zur Weiterentwicklung der
HTC drei Fördervorhaben und ein Promotionsstipendium mit einer
Gesamtfördersumme von rund 1 Mio. €.
Die Ziele der DBU-Förderprojekte lassen sich wie folgt zusammenfassen:
■ Optimierung des Reaktionsprozesses und exakte Prozesssteuerung,
Katalysatoreneinsatz,
■ (abwassertechnische) Behandlung der wässrigen Phase, aus der das
Produkt abgetrennt wird,
■ Scale-up,
■ Produktverwertung,
■ Zusammenarbeit und fachlicher Austausch zwischen den Vorhaben.
Geförderte Projekte:
■ AZ 25604 „Energiegewinnung aus organischen Siedlungsabfällen
durch Hydrothermale Carbonisierung“:
Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Höxter, FB Technischer Umweltschutz, Fachgebiet Abfallwirtschaft und Deponietechnik, in Zusammenarbeit mit dem dortigen Fachgebiet Wassertechnologie, Dr.-Ing.
H.-J. Lehmann, Berlin, und dem Max-Planck-Institut für Kolloidund Grenzflächenforschung, Potsdam.
■ AZ 25656 „Modellhaftes Zeigen der energetischen Verwertung von
organischen Rest- und Abfallstoffen mit dem Verfahren der Hydrothermalen Carbonisierung (Hydro-Carb)“:
Willi Schlitt GmbH & Co. KG, Kirtorf/Hessen in Zusammenarbeit
mit der Rößner Maschinenbau GmbH, Alsfeld/Hessen, sowie der
35
Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand
Fachhochschule Gießen-Friedberg, Fachbereich Maschinenbau,
Mikrotechnik, Energie- und Wärmetechnik.
■ AZ 25738 „Umweltentlastung durch Hydrothermale Carbonisierung:
Brennstoff aus Biomasse“:
Bewilligungsempfänger: Antaco GmbH, Grasbrunn/Bayern.
3
Zielsetzung und Ergebnisse aus laufenden
DBU-Förderprojekten
Fördervorhaben AZ 25604 der Hochschule Ostwestfalen-Lippe:
Ziel ist, mit Blick auf die Effizienzsteigerungen beim Einsatz von erneuerbaren Energien, die Anwendbarkeit der HTC auf getrennt gesammelte
Bioabfälle (alternativ zur bisherigen Kompostierung und Vergärung) zu
betrachten mittels abfallwirtschaftlicher Untersuchungen sowie Klärung
verschiedener verfahrens- und abwassertechnischer Fragestellungen, um
die Voraus-setzungen für eine Umsetzung in den technischen Maßstab zu
schaffen. Das Vorhaben gliedert sich in drei Versuchsphasen:
■ Erprobung der Hydrothermalen Carbonisierung
■ Optimierung der Versuchsbedingungen
■ Gezielte Untersuchung organischer Siedlungsabfälle.
Der im Labor des Fachgebiets Abfallwirtschaft und Deponietechnik
vorhandene Autoklav (25 l), wurde umgerüstet und mit einer rechnergeQuelle: Ramke Hochschule Ostwestfalen-Lippe
Abb. 1: Getrockneter
HTC-Output aus dem
Standard I (Rübenschnitzel + Maissilage)
36
Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand
stützten SPS ausgestattet. Seit Projektbeginn wurden über 80 Versuche
durchgeführt und die entstandenen Produkte analysiert. Die Versuche
wurden als Batch-Versuche (Chargenbetrieb) durchgeführt. Bei allen HTCVersuchen wurden die physikalischen Parameter Temperatur, Druck und
Energieeintrag kontinuierlich aufgezeichnet. Nach der Carbonisierung
wird das Material entwässert.
Es wurden regelmäßig Analysen zur Zusammensetzung und zum
Gasbildungspotenzial des Inputs vorgenommen wie auch zur Zusammensetzung der Biokohle. Weiterhin wurden Untersuchungen der wässrigen
Phase und der Gasphase durchgeführt.
Im Rahmen des Vorhabens werden folgende Input-Materialien untersucht:
■ Standardsubstrate: - Maissilage + Rübenschnitzel (Standard I)
- Gärrest + Stroh + Rübenschnitzel (Standard II)
■ Monosubstrate: Zucker, Stärke
■ Siedlungsabfälle: Frischkompost, Bioabfall (grüne Tonne),
Grünschnitt (Rasen- und Strauchschnitt)
■ Landwirtschaftliche Rückstände: Stroh
■ Sonstige, wie Gärreste aus Biogasanlagen, Klärschlamm.
Abbildung 2 zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem
Kohlenstoffgehalt und dem Brennwert. Die ausgewerteten „Biokohlen“
(Output) können hinsichtlich C-Gehalt und Brennwert durchaus als braunkohleartig bezeichnet werden.
Tab.1: Tendenzielle Verteilung der Kohlenstofffraktion in die HTC-Produktphasen
Substrat
C – feste Phase
%
C – flüssige Phase
%
C – Gasphase
%
Zucker
84,6
11,8
3,6
Standard I
84,0
10,2
5,5
Stroh
81,3
14,9
3,9
Klärschlamm
83,2
11,4
5,4
Bioabfall
81,8
11,8
6,4
Quelle: Ramke, Hochschule Ostwestfalen-Lippe
37
Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand
Kohlenstoff / Brennwert - Korrelation
40000
35000
2
R = 0,9818
2
R = 0,9984
Brennwert (Ho) [kJ / kg TS]
30000
25000
20000
15000
10000
5000
Fichtenholz (mit Rinde) [FNR, 2007]
Buchenholz (mit Rinde) [FNR, 2007]
Weizenstroh [FNR, 2007]
Steinkohle [FNR, 2007]
Braunkohle [FNR, 2007]
Braunkohle-Brennstaub (Lausitz) [LAUBAG]
27.06.2008 Bioabfall
Bioabfall Input
19.06.2008 Rasenschnitt
Rasenschnitt Input
12.06.2008 Stroh
Stroh Input
08.05.2008 Standard I
Standard I Input
30.06.2008 Standard II
Standard II Input
Linear (Brennstoff)
Linear ("Biokohle")
0
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Kohlenstoffgehalt [%]
Abb. 2: Beispiel eines Kohlenstoff-Brennwert-Diagramms (Ramke, Hochschule
Ostwestfalen-Lippe)
Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse
■ Die Carbonisierungen waren mit den meisten Materialien erfolgreich. Der Vergleich der Elementgehalte (CHNO) der Input- und der
Output-Materialien gibt klare Hinweise auf das Ausmaß der erfolgten Carbonisierung.
■ Nach bisherigen Ergebnissen wird der Großteil (ca. 80 %) des bei der
HTC eingesetzten Kohlenstoffs in Form von Braunkohlepartikeln im
festen Reaktionsprodukt eingebettet. Je nach Reaktionsbedingungen
verbleiben ca. 15 % in der flüssigen Phase und ein geringer Rest
(ca. 5 %) in der Gasphase (s. Tab. 1).
■ Die erzeugten Materialien („Biokohlen“) sind in den meisten Fällen
hinsichtlich ihrer Hauptbestandteile und der Brennwerte als braunkohleartig zu bezeichnen
■ Die flüssige Phase hat nach der Carbonisierung hohe TOC- und
CSB-Gehalte, die in der Regel deutlich über 10.000 mg TOC/l und
15.000 mg O2/l für den CSB liegen.
■ Die flüssige Phase besitzt als Reaktionsprodukt u. a. einen nicht
unerheblichen Anteil an organischen Säuren und ist nach bisheri-
38
Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand
gem Erkenntnissen anaerob umsetzbar (energetische Verwertung
der flüssigen Phase in Form von Methan).
■ Das freigesetzte Reaktions-Gasvolumen liegt in einer Größenordnung von ca. 50 l/kg TS und besteht dominierend aus Kohlendioxid.
■ Der energetische Vorteil der HTC besteht in der Exothermie einiger
der ablaufenden Reaktionen. Bisherige Auswertungen zeigen, dass
bei den Standardsubstraten ca. 5 MJ/kg TS des eingesetzten Materials als Energie während des Prozesses freigesetzt werden.
■ Die erwartete verbesserte Entwässerbarkeit von carbonisiertem
Material gegenüber nicht behandelten wässrigen organischen Abfällen (z. B. Klärschlamm) wurde bestätigt.
Fördervorhaben AZ 25656 der Willi Schlitt GmbH & Co. KG:
Zielsetzung dieses Vorhabens ist die Optimierung des HTC-Prozesses mit
dem Ziel der großtechnischen Anwendung . Ausgangspunkt sind erfolgreiche Untersuchungen im Labormaßstab. Die wichtigsten Projektinhalte
sind:
■ Verfahrenstechnische Untersuchungen im Labor- und Technikumsmaßstab
■ Ermittlung der Verfahrensparameter für einen Versuchsreaktor im
diskontinuierlichen Durchlaufbetrieb
■ Entwicklung einer Aufbereitungs- und Befüllungstechnik für die
Biomasse
■ Konstruktion und Fertigung des neuen Versuchsreaktors (3,5 m3) –
bereits abgeschlossen
■ Untersuchungen zur Nachbehandlung der Endprodukte (Biokohle)
■ Untersuchungen zu den energetischen und chemischen Eigenschaften von HTC-Produkten
■ Untersuchungen zum Abwasserrecycling.
Bisher wurden zahlreiche Versuchsreihen zum Brenn- und Heizwert
von HTC-Kohle aus Reststoffen der Land- und Forstwirtschaft, Landschaftspflege, wie z.B. Rindenmulch, Stroh-pellets, Gärreste, Laub, Zuckerrübenschnitzel etc. durchgeführt (Abb. 3). Alle verwendeten Einsatzstoffe
zeigten einen starken Einfluss auf den Heiz- und Brennwert der jeweiligen Koh-le. Der Kohlenstoffgehalt lag bei fast allen untersuchten Materialien im Bereich von Braunkohle. Die Resultate lassen die Erwartung zu,
dass sich mit Reststoffen aus der Land- und Forstwirtschaft sowie der
39
Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand
Landschaftspflege eine saisonunabhängige Auslastung einer HTC-Anlage
gewährleisten lässt. Ein weiterer Projektschwerpunkt ist die Verwertung
des anfallenden Abwassers. Hierzu wurden Versuche zur mehrmaligen
Verwendung des Prozesswassers durchgeführt. Das Prozesswasser konnte
bei gleich bleibenden Brenn- und nur leicht steigendem Aschewert des
Endprodukts über 20 Zyklen verwendet werden. Im weiteren Projektverlauf stehen noch energetische Betrachtungen zum Versuchsreaktor an sowie
eine Optimierung des Reaktors und des Prozessablaufes als auch die
Planung eines großtechnischen Reaktors wie auch Betrachtungen zur
Wirtschaftlichkeit.
Fördervorhaben AZ 25738 der Antaco GmbH:
Zielsetzung des Vorhabens ist die Planung, Errichtung und der Bau einer
Pilotanlage (5.000 t/a) mit besonderer Berücksichtigung des Feststoffhandlings. Vorgesehen sind zudem Analysen der festen und flüssigen Phase
sowie Testung verschiedener Verfahren der Abwasserrei-nigung. Hinzu
kommen eine ökologische und ökonomische Bewertung. Es liegen noch
keine Ergebnisse vor.
Abb. 3: Heiz- und Brennwerte der Pflanzenkohle aus verschiedenen Ausgangsstoffen, 175 °C, 12 h Verweilzeit (Richarts, FH Gießen-Friedberg)
40
Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand
4
Fazit
Bisher vorliegende Ergebnisse aus den Fördervorhaben zur Einsetzbarkeit
unterschiedlicher Biomassen und zur Optimierung der Prozessführung
sind vielversprechend und Ausgangs-punkt für weitere Projektplanungen.
Es hat sich gezeigt, dass weitere verfahrenstechnische Verbesserungen für
eine großtechnische Nutzung der HTC notwendig sind. Bezüglich der
einsetzbaren und verfügbaren Biomassen hat sich sowohl bei den Bioabfällen als auch bei den Reststoffen ein breites Einsatzspektrum herausgestellt. Insbesondere ergeben sich Perspekti-ven für bisher nicht optimal
energetisch verwertbare Biomassen und zur Verwertung von Bio-abfällen
alternativ zur Kompostierung. Konkrete Überlegungen auf Basis von
Vorversuchen gehen dahin, den Einsatz von HTC-Produkten als Bodenverbesserer und zur C-Sequestrierung auf landwirtschaftlichen Flächen zu
prüfen. Entsprechende Forschungsvorhaben befinden sich bereits in
Planung.
Aus Sicht der DBU kann die Biomassenutzung über die Hydrothermale Carbonisierung dazu beitragen, künftig ein erweitertes Biomassespektrum energetisch und stofflich zu nutzen bei gleichzeitiger C-Sequestrierung. Die HTC ist in dieser Hinsicht von weltweiter Bedeutung. Aus
diesem Verfahren können insbesondere bei umfangreicher Anwendung
maßgebliche Bei-träge zum Klima- und Ressourcenschutz erwachsen. Es
hat sich gezeigt, dass die Hydrother-male Carbonisierung ein zukunftsträchtiges Betätigungsfeld für mittelständische Unterneh-men, der Hauptzielgruppe der DBU, sowohl im Anlagenbau als auch im –Betrieb darstellt.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt wird auf der Basis von Ergebnissen
aus den aktuellen Fördervorhaben die weitere Entwicklung der HTC zur
Praxis- und Marktreife mit Augenmaß unterstützen.
Anschrift der Autorin:
Dipl.-Ing. agr. Christiane Grimm
Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
An der Bornau 2, 49090 Osnabrück
E-Mail: c.grimm@dbu.de
41
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
Hydrothermale Karbonisierung und
energetische Nutzung von BiomasseMöglichkeiten und Grenzen
Till Belusa, Axel Funke, Frank Behrendt, Felix Ziegler
Technische Universität Berlin
Biomassenutzung – Einordnung des HTC-Verfahrens
Die hydrothermale Karbonisierung ist ein thermochemisches Wandlungsverfahren im wässrigen Medium. Sie unterscheidet sich von ähnlichen
Verfahren, wie der Hydrothermalen Vergasung (HTV) und der katalytischen Druckhydrierung bzw. Direktverflüssigung (HTU: hydrothermal
upgrading; HTO: hydrothermal optimisation) entscheidend dadurch, dass
sie keinen flüssigen oder gasförmigen Energieträger erzeugt, sondern einen
Festbrennstoff. Die Prozessbedingungen sind allerdings um einiges milder
(ca. 200 °C und 30 bar) als bei den anderen angesprochenen Verfahren.
Die hydrothermale Karbonisierung steht damit den bisherigen Zielen
der Kohle- bzw. Biomasseforschung entgegen, die die Veredelung von
Festbrennstoffen zu flüssigen oder gasförmigen Energieträgern beinhalten, da diese einfacher und mit höheren Wirkungsgraden zu nutzen sind.
Als Einsatzstoffe für diese Verfahren sind Biomassen mit einem hohen
Wasseranteil besonders geeignet. Da die erwähnten Verfahren alle feuchte Biomasse einsetzen, stehen sie in unmittelbarer Nutzungskonkurrenz
um das verfügbare Potenzial. Da die Biomasse teilweise auch zur fermentativen Erzeugung von Biogas eingesetzt werden kann, verringert sich das
Potenzial noch weiter. Auch ist eine Verwertung mancher Substrate als
Viehfutter üblich, das bei einer energetischen Nutzung der Reststoffe aus
anderen Quellen ersetzt werden müsste. Belastbare Untersuchungen der
jeweiligen Prozessketten müssen zukünftig zeigen, welches der Verfahren
in welchem Anwendungsbereich Vorteile aufweist.
42
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
Kohleforschung – Geschichte der HTC
Reaktionsbedingungen, die mit denen der HTC vergleichbar sind, werden
seit den systematischen Untersuchungen von Bergius 1913 im Bereich der
Kohleforschung verwendet. Dabei stand vor allem die Ergründung des
natürlichen Inkohlungsvorganges sowie die Beschreibung der detaillierten biologischen und chemischen Reaktionen im Vordergrund. Der Verlauf
der natürlichen Kohleentwicklung ist in Abbildung 1 dargestellt. Ziel war
eine Simulation der natürlichen Vorgänge durch Laborversuche in einem
Zeitrahmen, der für Forschungszwecke geeignet ist. Es wurde bald erkannt,
dass eine einfache, offene Pyrolyse hier nur unbefriedigende Ergebnisse
erzielt. Die Versuchsreihen von Bergius erschienen wesentlich viel versprechender, da sie zumindest in der Elementarzusammensetzung und dem
äußeren Erscheinen nach ein braunkohleähnliches Produkt hervorbrachten. Der Gedanke, dass hydrothermale Bedingungen den natürlichen
Inkohlungsvorgang reproduzieren können, wurde zunächst von Berl intensiv weiterverfolgt und später von zahlreichen weiteren Forschungsgruppen angewandt. Bis heute zählt die hydrothermale Karbonisierung neben
Abb. 1: Inkohlungsdiagramm
43
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
der sogenannten ‚confined pyrolysis‘ als ein geeignetes Verfahren zur
Simulierung des natürlichen Inkohlungsprozesses und findet entsprechend
Anwendung.
Seit dem Jahr 2006, als Markus Antonietti [1] das Verfahren für die
Herstellung eines kohleähnlichen Produkts aus Biomasse vorschlug, gerät
es in den Fokus einer möglichen Anwendung zur stofflichen und/oder
energetischen Verwertung von Biomasse-Reststoffen. Dazu liefern die
zahlreichen Versuche aus der Grundlagenforschung bereits nützliche
Hinweise für die Anwendung und Machbarkeit der hydrothermalen
Karbonisierung. Das vorliegende, umfangreiche Datenmaterial zur Verkohlung von Cellulose, die einen großen Anteil der frischen Biomasse
ausmacht, erleichtert eine Bewertung der Machbarkeit einer praktischen
Anwendung der HTC. Darüber hinaus existieren bereits – sehr grobe –
Abschätzungen zur Reaktionskinetik von Bergius [2] sowie ein Modell
zur Inkohlung – genauer gesagt der hydrothermalen Behandlung – von
Pflanzenmaterial von Ruyter [3].
Zusammenfassung Literaturrecherche zur HTC
Produkt HTC-Kohle
Aus den gefundenen Literaturstellen wurde eine Datenbank angelegt, in
der Informationen zu Prozessparametern, Edukt- und Produktzusammensetzung, Ausbeute, Gasmenge und -zusammensetzung sowie den eingesetzten Katalysatoren hinterlegt wurden. Für die Darstellung in Abbildung
2 konnten knapp 300 vollständige Datensätze genutzt werden, die aus
themenrelevanten Veröffentlichungen recherchiert wurden.
Die in der Abbildung 2 enthaltenen Datensätze stammen von unterschiedlichsten Edukten wie Cellulose, Lignin, Holz, Braunkohle, Moos,
Harzen und Wachsen. Außerdem wurde das Kohleband für Vitrinite nach
van Krevelen einem weiteren Entwicklungsband von Typ III Kerogenen
nach Hunt gegenübergestellt [4][5]. Des Weiteren sind die Edukte Lignin
und Cellulose in der Abbildung eingezeichnet.
Zunächst ist ersichtlich, dass durch die Versuche im Labor die grobe
Tendenz der natürlichen Kohleentwicklung zwar simuliert werden kann,
aber im Bereich der Braunkohle die Kurve des Kohlebands der Vitrinite
nach van Krevelen „verpasst“ wird. Eine Ausnahme bilden hier nahelie-
44
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
Abb. 2: Darstellung von Experimenten zur hydrothermalen Karbonisierung
genderweise karbonisierte Braunkohlen. HTC-Kohle hat somit tendenziell
einen höheren Sauerstoffgehalt als natürliche Kohlen, was einen niedrigeren Brennwert zur Folge hat. Die Datenpunkte, die deutlich oberhalb des
Kohlebandes nach Hunt liegen, stammen von Biomasse mit entsprechend
hohem Wasserstoffgehalt wie z. B. Harzen und Wachsen. Basische Reaktionsbedingungen führen prinzipiell ebenfalls zu Produkten mit höheren
Wasserstoffanteilen, die zunehmend im Bereich des Bitumens liegen. Es
hat sich in unterschiedlichen Studien herausgestellt, dass saure Reaktionsbedingungen, Salze und Eisenoxyd die Inkohlung generell positiv beeinflussen.
Ein Vergleich der in den Experimenten hergestellten HTC-Kohlen zeigt,
dass die Reaktionstemperatur einen deutlich höheren Einfluss auf das
Produkt hat als die Verweildauer. Diese Einflüsse sind jedoch noch nicht
abschließend geklärt und es ist unklar, inwieweit Temperatur und Zeit
überhaupt austauschbare Parameter darstellen. Sowohl für Cellulose als
auch für Lignin (und somit für Holz als Mischung beider Substanzen)
lassen sich bei den entsprechenden Reaktionstemperaturen und den
üblicherweise angewandten Verweildauern (< 72 h) die in Tabelle 1 dargestellten Kohlenstoffgehalte erreichen. Überkritische Parameter (über 374°C)
45
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
führen zu keiner wesentlichen Erhöhung des Kohlenstoffgehalts. Sämtliche Daten in dieser Tabelle stammen aus Versuchen, die mit reinem Wasser,
also ohne den Einsatz von Katalysatoren, durchgeführt wurden.
Grundlegend kann als Ergebnis der Literaturrecherche bestätigt werden,
dass durch die hydrothermale Behandlung von Biomasse und jungen
Kohlen durch Dehydratisierung und Decarboxylierung ein Produkt (ca.
30MJ/kgwaf) entsteht, das in seiner elementaren Zusammensetzung Braunkohle ähnelt und sogar die Qualität einer Steinkohle von niedrigem Rang
erreichen kann.
Temperatur
[°C]
C-Gehalt
[Gew.-%]
bis 200
bis 70
bis 300
bis 80
bis 350
bis 85
Tabelle 1: Resultierender C-Gehalt
der HTC-Kohle bei unterschiedlichen
Prozesstemperaturen (Ergebnisse aus
der Literaturrecherche)
Sonstige Reaktionsprodukte der HTC
Für eine etwas übersichtlichere Darstellung wurden in Abbildung 3 einige
beispielhafte Entwicklungslinien für Cellulose und Lignin als wesentliche
Bestandteile der Biomasse dargestellt. Die dargestellten Versuche folgen
auf den ersten Blick trotz der unterschiedlichen Edukte einer erstaunlich
ähnlichen Tendenz, wenn man von einigen Ausreißern absieht.
Unter der Annahme, dass eine reine Decarboxylierung und Dehydratisierung vorliegt, lassen sich über die Steigung der Trendlinien die Mengen
des während des Prozesses entstandenen Wassers und Kohlendioxids
berechnen. Je gebildetem Mol Kohlendioxid entstehen so je nach gewählten Reaktionsbedingungen zwischen 3 – 6 Mol Wasser. Zusätzlich wirkt
sich auch die Verweildauer auf dieses Verhältnis aus, was aber aufgrund
fehlender systematischer Untersuchungen noch nicht genau beschrieben
werden kann. Dies steht im Widerspruch zu dem von Ruyter bereits
beschriebenen, konstanten Verhältnis dieser beiden Produkte zueinander,
solange unterkritische Bedingungen eingehalten werden [3]. Es kann jedoch
festgehalten werden, dass während der hydrothermalen Karbonisierung
von Biomasse deutlich mehr Wasser entsteht als Kohlendioxid. Unterhalb
46
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
Abb. 3: Ausgesuchte Versuchsreihen der hydrothermalen Karbonisierung bei
konstanter Temperatur und unterschiedlichen Verweilzeiten (ohne Katalysatoren)
von 200 °C lässt sich eine Dehydratisierung relativ isoliert hervorrufen [2][6].
Inwieweit das Verhältnis von Decarboxylierung zu Dehydratisierung
gezielt über die Prozessparameter gesteuert werden kann und die Qualität der HTC-Kohle dadurch beeinflusst wird ist noch nicht systematisch
erforscht worden. Neben der HTC-Kohle, CO2 und H2O entstehen darüber
hinaus während des Prozesses im Wasser gelöste organische Produkte,
welche hauptsächlich aus organischen Säuren bestehen. Eine Eintrübung
des Produktwassers und Ablagerungen an den Gefäßwänden wurden
mehrfach berichtet [7][8] und auch in eigenen Versuchen beobachtet. Es
erscheint offensichtlich, dass sich signifikante Mengen der Biomasse als
Zwischenprodukt im Wasser lösen und im weiteren Verlauf der Reaktion
oder während einer späteren Lagerung des Produktwassers polymerisieren/kondensieren [9]. Die recherchierten Daten zeigen, dass dieser Anteil
zwischen 10 – 30 % der eingesetzten Biomasse ausmachen kann und somit
einen zu berücksichtigenden Kohlenstoff- und Energieverlust darstellt.
Im entstehenden Gas sind außer CO2 geringe Anteile von CO, CnHm,
Methan und Wasserstoff zu finden, deren Anteil am gesamten Gasvolumen aber meist unter 5% liegt.
47
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
Energetische Betrachtung der HTC
Um die bei der hydrothermalen Karbonisierung freiwerdende Wärmemenge bestimmen zu können, wurde an der TU Berlin die dynamische Differenzkalometrie verwendet. Die DSC (differential scanning calorimetry) ist
ein Verfahren zur Messung der aufgenommenen (oder abgegebenen)
Wärmemenge einer Probe bei z. B. isothermen Reaktionsbedingungen.
Erschwert wird die Messung durch die langsam ablaufende Reaktion
der hydrothermalen Karbonisierung, die keinen eindeutig definierten
Endpunkt (=Produkt) besitzt. Somit ist es bei einigen Proben schwierig
festzustellen, ob die Reaktion nach der gewählten Dauer bereits beendet
ist. Wäre dies nicht der Fall, würde zum einen das Abziehen der Vergleichsprobe mit einem zusätzlichen Fehler belegt und zum anderen die Ermittlung der abschließenden Baseline (die frei werdende Wärmemenge
entspricht der Fläche zwischen der Messkurve und dieser ermittelten
Baseline) ungenau. Durch diese Einflussquellen werden leicht Fehler in
einer Größenordnung von 20 – 30 % erzeugt.
An einer Verbesserung der Auswertung der Daten und der abschließenden Beurteilung der Messungenauigkeit wird noch gearbeitet. Dennoch
lieferte die Größenordnung der gemessenen Wärmemenge bereits interessante Erkenntnisse, die in Tabelle 2 aufgeführt sind.
Tabelle 2: Ergebnisse der kalorimetrischen Messungen mittels DSC (Katalysator:
verdünnte Zitronensäure)
Temp.
[°C]
ΔHrkt
[J/g]
Qmax
[W/g]
tQmax
[min]
Cellulose
230
680
0,05
100
Cellulose
240
780
0,17
30
Glucose
200
760
0,07
70
Glucose
200
810
0,08
40
Fructose
200
880
0,5
3
Edukt
Die Größenordnung der freigewordenen Wärme von ca. 700 – 900 J/g
entspricht in etwa 5 % der Standardverbrennungsenthalpie des jeweiligen
Edukts. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu den veröffentlichten Werten
von bis zu 30 % [6]. Trotz der angesprochenen Ungenauigkeiten bei der
48
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
Ermittlung der Baseline erscheint ein Fehler von 600 % als ausgeschlossen.
Da das gleiche Edukt bei ähnlichen Versuchsbedingungen verwendet
wurde, stellt sich die Frage nach dem Grund dieser Diskrepanz.
Um die Konsistenz der gemessenen Werte zu überprüfen, wurde ermittelt, welche maximale Wärmemenge theoretisch frei werden könnte.
Dies geschah anhand der vorgeschlagenen Reaktionsgleichung [6] durch
Vergleich der Standardverbrennungsenthalpien von Biomasse und der
entstandenen Kohle:
C6H12O6 ➔ C6H4O2 + 4 H2O
Die Verwendung von Standardverbrennungsenthalpien an Stelle der
eigentlich erforderlichen Standardbildungsenthalpien ist für die hydrothermale Karbonisierung nur unter der Annahme zulässig, dass eine reine
Decaboxylierung und Dehydratisierung der Biomasse stattfindet und
sämtliche Biomasse inkohlt. Dies ist in der Realität auf Grund der im
Wasser gelösten organischen Produkte und der geringen Mengen von
Methan und Wasserstoff nicht der Fall. Da diese einen etwas höheren
Sauerstoffgehalt als HTC-Kohle aufweisen [10] und somit gewissermaßen
ein Zwischenprodukt zur HTC-Kohle darstellen, wird die ermittelte Wärme
als zu hoch eingeschätzt, was die Ermittlung einer maximal möglichen
Wärmemenge aber nicht einschränkt. Der dadurch entstehende Fehler ist
vermutlich ohnehin gering, da die gelösten Produkte in Summe eine ähnliche Zusammensetzung wie die HTC-Kohle haben. Die Ergebnisse dieser
Betrachtung sind in Tabelle 3 dargestellt.
Die Standardverbrennungsenthalpie von Glucose wurde Werten des
National Institute of Standards and Technology für D-Glucose entnommen. Für die HTC-Kohle wurde eine semi-empirische Formel in der für
Kohle üblichen DuLong-Form [12] verwendet; der zu erwartende Fehler
liegt hierfür unter 5 %, da HTC-Kohle eine ähnliche chemische Struktur
wie natürliche Kohle erreichen kann [13]. Auch diese Abschätzung wird
tendenziell die entstehende Wärmemenge überschätzen, wodurch die
Ermittlung der maximal möglichen Wärmemenge aber nicht eingeschränkt
wird, Die Standardverbrennungsenthalpie der Cellulose wurde aus einer
empirischen Formel für Biomasse berechnet, die einen Fehler von unter
2 % angibt [14].
Durch diese Berechnungen liegen die maximal zu erwartenden Wärmemengen in einer Größenordnung von 10 % der Standardverbrennungs-
49
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
Tab. 3: Berechnungen der theoretischen Reaktionswärme für die hypothetische
Reaktionsgleichung nach [6] und experimentelle Ergebnisse der Inkohlung von
Cellullose nach [11]
Glucose
HHV [kJ/g]
Masse [g]
➔
Kohle
+
H 20
+
CO2
1C6H10O6
1C6H4O2
4H2O
0CO2
15,7
23,8
0
0
1
0,6
0,4
0
ΔH= -1,5 kJ/gdaf
Cellulose ➔
1C6H10O5
HHV [kJ/g]
Masse [g]
Kohle
0,53C10H6,7O0,7
+
H 20
3,2H2O
+
CO2
0,7CO2
17,6
34,9
0
0
1
0,45
0,36
0,19
ΔH= -2,2 kJ/gdaf
enthalpie der eingesetzten Biomasse. Die physikalische Konsistenz der
eigenen theoretischen und gemessenen Werte erscheint unter den getroffenen Annahmen und den aufgeführten Fehlerquellen als schlüssig.
Auf die Energiebilanz der HTC hat dies einen wesentlichen Einfluss.
Zum einen ist zu erwarten, dass der Energiegehalt der HTC-Kohle etwas
höher ist als in den bisherigen Veröffentlichungen [1][6] beschrieben, da nicht
soviel Energie während des Prozesses in Reaktionswärme umgesetzt wird.
Dadurch wird deutlich, dass die Umwandlung von Biomasse zu Kohle mit
Hilfe der hydrothermalen Karbonisierung sehr effizient realisiert werden
kann. Zum anderen wird dadurch die Realisierung eines energetisch autarken, kontinuierlichen Prozesses erschwert, da weniger frei werdende
Wärme zur Verfügung steht. Die Auskopplung von überschüssiger Wärme
für andere Anwendungen erscheint vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse als nicht machbar. Das Reaktionsverhältnis von Biomasse zu Wasser
spielt eine entscheidende Rolle in der Energiebilanz, da für die Erwärmung
der Wasseranteile viel Energie erforderlich ist. Das entstehende Produkt
hingegen liegt nicht trocken vor, sondern in einer Dispersion mit Wasser.
Dementsprechend ist für einen Transport und/oder eine energetische
Verwertung eine Aufbereitung in Form von Filtration und Trocknung erforderlich, die ebenfalls Energie benötigt.
Zusätzliche energetische Verluste werden durch die gelösten organischen Substanzen im Produktwasser verursacht, da sie in der vorliegen-
50
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
den Form energetisch nicht genutzt werden können. In geringem Maße
wird die Energiebilanz auch durch den gebildeten Wasserstoff und das
Methan beeinflusst.
Anwendung des HTC-Produkts
Für eine energetische Verwertung der HTC-Kohle kommt zunächst die
Mitverbrennung in einem Kohlekraftwerk in Betracht. Denkbar wäre die
Nutzung in einem Braunkohlekraftwerk, da Braunkohle einen ähnlich
hohen Wasseranteil wie die HTC-Kohle aufweist und dementsprechend
ebenfalls ein Trocknungsverfahren (z.B. mechanisch-thermische Ent-wässerung) durchlaufen muss. Allerdings ist festzuhalten, dass das Ziel einen
hohen energetischen Gesamtwirkungsgrad zu erreichen bei einem elektrischen Wirkungsgrad von ca. 40 Prozent und einer Abführung der Wärme
in die Umwelt verfehlt wird. Bei kleinen, dezentralen Anlagen erhöhen
sich durch die notwendige Aufbereitung die spezifischen Investitionskosten pro kW.
Über sonstige energetische Verwertungsmöglichkeiten wie der Nutzung
in einer Kohlenstoff-Brennstoffzelle sind noch keine belastbaren Aussagen
zu treffen.
Als stoffliche Nutzung ist die Kohlenstoffanreicherung von Böden eine
viel versprechende Alternative [6]. Indianerstämme Amazoniens stellten
schon vor Jahrtausenden in ihren Siedlungsgebieten aus Holzkohle Terra
preta (portugiesisch für „schwarze Erde“) her, die die Fruchtbarkeit der an
sich nährstoffarmen Böden entscheidend erhöhte. Terra preta besteht allerdings nicht nur aus Holzkohle, sondern auch anderen Bestandteilen wie
Kompost, Muschelkalk und Tonscherben. Aktuelle Studien belegen, dass
die Stabilität von Holzkohle im Boden im Mittel 2000 Jahre beträgt [15].
Allerdings wurde noch nicht untersucht, ob sich HTC-Kohle in Böden
ähnlich verhält wie Holzkohle. Für diese Anwendung ist die hohe Kohlenstoffeffizienz der hydrothermalen Karbonisierung von Vorteil und der
Feuchtig-keitsgehalt des Produkts würde keine negative Rolle in der weiteren Verwertung spielen. Durch die Anreicherung im Boden besteht die
Möglichkeit Kohlenstoff effektiv aus dem CO2-Kreislauf auszukoppeln.
Das Risiko der Freisetzung von CO2 erscheint gegenüber anderen Senken
vernachlässigbar. So können Emissionen z. B. durch Waldbrände oder der
Wiederbewirtschaftung landwirtschaftlicher Stilllegungsflächen freigesetzt
51
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
werden. Die Risiken der Speicherung von Kohlendioxid in geologischen
Strukturen sind ebenfalls noch nicht geklärt (CCS: carbon capture and
storage). Das Potenzial der CO2-Sequestrierung durch die Anreicherung
in Böden übersteigt die jährlichen Emissionen der heute genutzten fossilen Energieträger und könnte somit substanziell zu einem aktiven Angehen
des CO2-Problems beitragen [16]. Die Fruchtbarkeit von sorptionsschwachen und nährstoffarmen Böden kann durch den Eintrag von Kohlenstoff
deutlich erhöht werden, allerdings besteht hier noch erheblicher
Forschungsbedarf im Bereich der Pedologie. Die potenzielle Verbesserung
der Bodengüte lässt auf eine langfristige Steigerung des Biomasseertrags
bei einer gleichzeitigen Verbesserung der Ökobilanz von landwirtschaftlichen Produkten hoffen, da aufgrund der dann verbesserten Nährstoffverfügbarkeit eine Verminderung des Düngebedarfs erreicht werden kann.
Die Einbringung von einer Tonne Kohlenstoff in den Boden „spart“ die
Emission von 3,7 t Kohlendioxid, die bei einer Verbrennung freigesetzt
werden würden. Der Deckungsbeitrag für das HTC-Produkt könnte sich
aus dem Erlös aus dem Verkauf des Produktes und aus einer Gutschrift
von CO2-Zertifikaten zusammensetzen (Spotmarktpreis Carbix am
06.02.2009: 10,11 €/tCO2). Hierfür bestehen jedoch noch keine politischen
Rahmenbedingungen. Es ist davon auszugehen, dass die Zertifikatspreise in der kommenden Handelsperiode steigen werden, was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dieser Verwertungsoption weiter verbessern
wird.
Über die stoffliche Anwendungsmöglichkeit der bei der hydrothermalen Karbonisierung entstehenden Kohlenstoffe als Rohstoff der chemischen
Industrie kann keine belastbare Aussage getroffen werden.
Ausblick
Um die potenzielle, praktische Bedeutung der hydrothermalen Karbonisierung fundiert bewerten zu können, ist in Zukunft noch viel Grundlagenforschung zu leisten. So existiert heute weder ein technisch verwertbares Reaktionsmodell, noch wurden die Einflüsse der relevanten
Prozessparameter abschließend geklärt. Die Erstellung von verlässlichen
Massen- und Energiebilanzen für unterschiedliche Prozessketten der hydrothermalen Karbonisierung ist für die Bestimmung der ökologischen und
ökonomischen Vorteilhaftigkeit des Verfahrens dringend erforderlich. Für
52
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
eine energetische Verwertung ist die Prozessführung zu optimieren, um
Verluste durch im Wasser gelöste organische Verbindungen und die
Bildung von Gasen zu vermindern.
Für die stoffliche Anwendung einer Anreicherung von Böden mit HTCKohle sind ebenfalls noch umfangreiche Forschungsarbeiten zu leisten. So
sind beispielsweise die Stabilität von HTC-Kohle im Boden, die Auswirkungen auf Mikroorganismen und die Bindung von Pflanzennährstoffen
zu untersuchen. Bevor die Langzeitwirkungen der Einbringung in verschiedene Böden bei unterschiedlichen klimatischen Bedingungen nicht geklärt
sind, erscheint es nicht als sinnvoll, politische Rahmenbedingungen für
die Förderung dieser CO2-Sequestrierung zu schaffen.
Quellen
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
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53
Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen
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Anschrift des Autors:
Till Belusa, Axel Funke, Prof. Dr. Frank Behrendt, Felix Ziegler
Technische Universität Berlin
Marchstr, 18, 10587 Berlin
E-Mail: Frank.Behrendt@tu-berlin.de
54
Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Hydrothermale Vergasung und
hydrothermale Carbonisierung –
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Andrea Kruse
Institut für Technische Chemie
Einführung
Die hydrothermale Vergasung und die hydrothermale Carbonisierung sind
beides Umwandlungen von Biomasse oder Biomasse-Modellverbindungen in überhitztem Wasser unter erhöhtem Druck. Allerdings sind die
Reaktionsbedingungen, hier vor allem Druck und Temperatur deutlich
verschieden. Der wichtigste Unterschied ist das jeweilig gewünschte
Hauptprodukt der Biomasse-Umwandlung: Bei der hydrothermalen
Carbonsierung ist es ein Feststoff, eine Art Kohle oder Koks. Bei der hydrothermalen Vergasung sind Gase als Produkte erwünscht, wobei je nach
Reaktionsbedingungen unterschiedliche Anteile von Methan oder Wasserstoff zusammen mit Kohlendioxid, entstehen.
Eine wesentliche Motivation für beide Verfahren ist die Verminderung
der Kohlendioxid-Emissionen durch fossile Brennstoffe. Biomasse, die sonst
verrotten würde, wird entweder carbonisiert oder vergast. Beim Verrotten
wird in etwa dieselbe Menge Kohlendioxid frei, wie die Pflanze beim
Wachstum aufgenommen hat und mithilfe des Sonnenlichts im Wesentlichen zum Aufbau von Kohlehydraten (und Lignin) verbraucht wurde. Die
Grundidee bei der hydrothermalen Vergasung ist, die energetische
Nutzung von Biomasse in diesen natürlichen Kohlendioxid-Kreislaufes zu
integrieren: Die Biomasse wird, statt zu verrotten, zu brennbaren Gasen
umgewandelt. Diese brennbaren Gase werden zur Energieerzeugung
genutzt und damit fossile Energiequellen geschont und weniger fossiler
Kohlenstoff in Kohlendioxid umwandelt. Im Gegensatz zur Nutzung von
fossilen Energieträgern sind bei der Biomasse-Nutzung Bildungsgeschwindigkeit und die Geschwindigkeit ihres Verbrauches in der gleichen Größen-
55
Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
ordnung und es kommt nicht zu einer Erhöhung des CO2-Gehaltes in der
Atmosphäre. Die Biomasse-Nutzung ist dieser Hinsicht „CO2-neutral“.
Ähnliches gilt für die hydrothermale Carbonisierung mit anschließender energetischer Nutzung des Kokses, z. B. in Kohlekraftwerken. Bei der
Verwendung von hydrothermal erzeugtem Koks als Bodenhilfsstoff werden
nicht fossile Kohlenstoffquellen ersetzt sondern die Verrottung verhindert
und der Kohlenstoff dem Kohlendioxid-Zyklus entzogen. Es muss hier
betont werden, dass im Gegensatz zu den unterschiedlichen KohlendioxidSequestrierungs-Verfahren [1] hier Kohlenstoff und nicht Kohlendioxid dem
Kohlendioxid-Kreislauf entzogen wird. Dies bedeutet, dass auch ein Teil
der von der Pflanze gespeicherten Sonnenenergie in chemischer Form in
den Boden verbracht wird. Dies steht im Gegensatz zu dem Ansatz bei der
energetischen Nutzung von Biomasse, bei dem ein möglichst großer Teil
der gespeicherten Sonnenenergie nutzbar gemacht wird.
Hydrothermale Verfahren
Unter hydrothermalen Verfahren werden Umsetzungen verstanden, die in
Wasser unter erhöhter Temperatur und erhöhtem Druck durchgeführt
werden. Außer der hydrothermalen Vergasung und der hydrothermalen
Carbonisierung gibt es eine Reihe weiterer Verfahren, wie die Abbildung 11
zeigt.
Bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen und Drücken finden sich
Vorbehandlungsmethoden, die durch den Aufschluss der Biomasse z. B.
die Fermentierung erleichtern [2]. Bei Temperaturen von typischerweise
180–200 °C wird Biomasse zu Kohle/Koks umgewandelt [3][4], allerdings
finden sich auch hydrothermale Carbonisierungen, die bei höheren Temperaturen durchgeführt wurden [5]. Das „Aqueous Phase Reforming“ ist eine
Methode um aus wasserstoffreichen Substanzen, die aus Biomasse hergestellt werden können, Wasserstoff zu erzeugen (z. B. Glyzerin bei 260 °C in
Anwesenheit eines Edelmetall-Katalysators [6]). Bei ca. 300 – 350 °C ist das
typische Temperaturfenster für die hydrothermale Verflüssigung, auch
„Hydrothermal Up-grading“ genannt [7]. Kurz unterhalb bzw. oberhalb
der kritischen Temperatur von reinem Wasser ist der Bereich der edelmetall-katalysierten Biomasse-Vergasung mit dem Ziel, Methan als Brenngas
1
Die Darstellung ist stark vereinfacht. Außerdem ist nicht nur Druck und Temperatur sondern auch
die Verweilzeit für das gebildete Produkt entscheidend.
56
Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
herzustellen [8]. Die Herstellung von Wasserstoff ohne Zusatz von Katalysatoren erfordert aus thermodynamischen Gründen Temperaturen von
600 °C oder darüber, bei typischerweise um die 30 MPa. Da dieses Verfahren bei Temperaturen und Drücken oberhalb des kritischen Punktes des
Wassers (Tc = 374 °C, pc = 22 MPa) abläuft, wird es auch „Supercritical
Water Gasification“ (SCWG) genannt [9][10].
35
30
H2
CH4
Supercritical Water
Gasification
p / MPa
25
Catalysed near-critical gasification
Critical
Point
20
Hydrothermal Liquefaction /
Hydrothermal Upgrading
15
"Oil"
10
5
0
Hydrothermal conversion
to platform chemicals
Chemicals
Aqeous Phase Reforming
H2
Pretreatment
100
200
Hydrothermal Carbonization
C
300
400
500
600
700
ϑ / °C
Abb. 1: Hydrothermale Verfahren zur Umwandlung von Biomasse und die Dampfdruckkurve von Wasser (stark vereinfachte Darstellung, Daten für die Dampfdruckkurve aus [11]).
Im Vergleich zu „trockenen“ thermochemischen Verfahren zur
Umwandlung von Biomasse fallen die relativ niedrigen Temperaturen auf.
Grund hierfür ist die fördernde Wirkung von Wasser als Reaktionsmedium und Reaktionspartner. Damit das Wasser nicht verdampft, sind erhöhte Drücke im Vergleich zu den erwähnten „trockenen“ Verfahren notwendig.
Die hydrothermale Vergasung von Biomasse
Wie in Abbildung 1 zu sehen, kann die hydrothermale Vergasung von
Biomasse zu Wasserstoff oder Methan als Wunschprodukt führen. Im
Forschungszentrum Karlsruhe wird seit einigen Jahren an der Entwicklung eines Verfahrens zur hydrothermalen Vergasung von Biomasse zu
57
Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
einem wasserstoffreichen Brenngas und Kohlendioxid gearbeitet. Hierzu
werden Laboranlagen sowie eine größere Versuchsanlage mit einem Durchsatz von 100 kg/h (Abbildung 2) genutzt. Diese Anlage kann reale Biomassen umsetzen und besitzt scale-up-fähige Komponenten wie geeignete Pumpen, einen Wärmetauscher und eine Kohlendioxid-Abtrennung
[12][13][14]. Auf diese Weise konnten auch verfahrenstechnische Fragestellungen bearbeitet werden [9].
Stoffeintrag
Reaktion
Produkttrennung
Abb. 2: Schema der Anlage zur hydrothermalen Wasserstoff-Erzeugung im
Forschungszentrum Karlsruhe mit einem Durchsatz von 100 kg/h.
Der Grund für die relativ große Wasserstoffausbeute ist, dass Wasser
durch die Biomasse gespaltet wird (Gleichung 1). Allerdings entstehen
unter praxisrelevanten Bedingungen auch erhebliche Mengen Methan.
C6H12O6 + 6 H2O ➔ 6 CO2 + 12 H2
(Gleichung 1)
Die Vorteile der hydrothermalen Vergasung im Vergleich zu einer
„trockenen Vergasung“ sind [9][10]:
■ Keine Trocknung von nasser Biomasse notwendig, was normalerweise ein energieaufwendiger Prozess ist.
■ Sehr niedriger Gehalt von Teer und unter optimalen Bedingungen
keine Koks-Bildung.
58
Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
■ Hohe Wasserstoff-Ausbeute bei niedrigem CO-Gehalt, weil gebildetes CO mit dem Wasser zu Wasserstoff reagiert.
■ Wasserstoff ist unter Druck gewinnbar; eine Kompression zur
Speicherung und Transport ist nicht notwendig.
■ Einfache Kohlendioxid-Abtrennung unter Druck, da sich bei
Raumtemperatur Kohlendioxid, im Gegensatz zu den Brenngasen
Wasserstoff und Methan, sehr gut in Wasser löst.
■ Hohe Raum-Zeit-Ausbeute, da nur wenige Minuten Reaktionszeit
notwendig sind.
■ Anorganische Bestandteile sind nicht flüchtig, was, je nach Gasnutzung, eine aufwendige Gasreinigung unnötig macht. Zudem besteht
prinzipiell die Möglichkeit einer Rückführung der Nährstoffe aus
dem Restwasser.
Gemeinsamkeiten von hydrothermaler Vergasung und hydrothermaler Carbonisierung
Für die hydrothermale Vergasung der Biomasse bei 600 °C muss die
Biomasse zunächst unter Druck auf diese Temperatur erhitzt werden. Dabei
werden die Temperaturbereiche von hydrothermaler Carbonisierung und
hydrothermaler Verflüssigung durchlaufen. Ist durch hydrothermale
Carbonisierung erst einmal Kohle/Koks gebildet worden, wird diese auch
bei 600 °C nicht mehr zu Gasen abgebaut. Die hydrothermale Carbonisierung ist demnach eine unerwünschte Nebenreaktion der hydrothermalen Vergasung.
Sowohl bei der hydrothermalen Carbonisierung als auch bei der hydrothermalen Vergasung wird die Cellulose der Biomasse ganz oder teilweise in Glucose gespalten (Abbildung 3). Diese steht im Gleichgewicht zu
Fructose. Durch Wasserabspaltung entsteht daraus Hydroxymethylfurfural. Dieses Hydroxymethylfurfural kann sehr leicht polymerisieren (Abbildung 3). Diese Polymerisation kann entweder zur Bildung kleiner Kügelchen führen oder zu einer Versiegelung der Oberfläche der noch nicht
umgesetzten Biomasse führen. Im letztgenannten Fall hat die hydrothermal gebildete „Kohle“ noch die Form der Biomasse, z. B. die eines Blattes,
besitzt aber eine größere Oberfläche, weil Teile der Biomasse herausgelöst
wurden. Hierbei handelt es sich allerdings um die beiden Extremfälle, in
der Regel wird eine Mischung aus beiden Typen gefunden werden.
Beide Fälle sind bei der hydrothermalen Vergasung unerwünscht [15].
Besonders gravierend ist es, wenn die nicht umgesetzte Biomasse durch
59
Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Cellulose
Glucose 䋭 Fructose
Kurzkettige
Zwischenprodukte
O
Gase:
H2, CO2, CH4, CO
Furfurale
Phenole
Koks/Kohle
Abb. 3: Vereinfachtes Reaktionsschema der hydrothermalen Vergasung [10].
Polymerisation versiegelt wird. Denn dann wird auch der Teil der Biomasse, der „eingeschlossen“ wurde, nicht weiter umgesetzt [15].
Um die Bildung von Furfuralen, hier vor allem Hydroxymethylfurfural, bei der hydrothermalen Vergasung zu verhindern, wurde folgende
Strategien eingesetzt:
1. Alkalisalze vermindern die Furfuralkonzentrationen, bei Biomasse
mit geringem Salzgehalt sollten Alkalisalze zugesetzt werden.
2. Schnelles Aufheizen, besonders oberhalb 300 °C, fördert Spaltungsreaktionen und vermindert dadurch die Polymerisation der Furfurale.
3. Durch geeignete Reaktorkonzepte lassen sich Polymerisationen
vermindern. Allgemein lassen sich durch die Nutzung von kontinuierlichen Rührkesseln, also von Reaktoren mit hoher Rückvermischung Reaktionen höherer Ordnung, wie Polymerisationen, unterdrücken. Durch die Vermischung von frisch in den Reaktor einfließender Biomasse mit Zwischenprodukten und Endprodukten der
Reaktion wird die Konzentration der Zwischenprodukte, wie die des
Hydroxymethylfurfurals, vermindert. Dadurch verringert sich die
60
Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei gleiche Moleküle treffen, um
miteinander mittels Polymerisation zu reagieren. Im Falle der hydrothermalen Vergasung wird dieser Effekt durch den gebildeten
Wasserstoff verstärkt. Wasserstoff ist ein spätes Produkt der hydrothermalen Vergasung. Durch die Rückvermischung kann er mit
frühen Zwischenprodukten reagieren und so die Polymerisationsfähigkeit der Zwischenprodukte vermindern [16][17].
Zu 1.: Untersuchungen mit Glucose im Rohrreaktor zeigen, dass die
gefundene Menge Furfurale in Anwesenheit von Alkalisalzen zurückgeht
(Abbildung 4, [18][19]). Entsprechend nimmt die Gasausbeute zu. Glucose
dient hier als salzfreie Modellsubstanz für Biomasse. Die meisten „nassen“
Biomassen haben bereits einen hohen Salzgehalt. Untersuchungen von
Biomasse im Vergleich mit einer Mischung von Glucose und Alkalisalzen zeigen unter vergleichbaren Versuchsbedingungen in etwa die gleiche
Gasausbeute und Gaszusammensetzung. Die Salze in der Biomasse haben
demnach dieselbe Wirkung wie zu Glucose zugesetzte Alkalisalze [20].
Mit KHCO3
Ohne
ohne
KHCO3
HOCH
350
Konzentration [mg/l]
O
2
300
250
CHO
HMF
200
O
CHO
150
FU
100
50
0
H3C
HMF
FU
Furfurale
O
CHO
MF
MF
Abb. 4: Einfluss des Zusatzes von KHCO3 auf die Ausbeute von Furfuralen
(Hydroxymethylfurfural (HMF), Furfural (FU) und Methylfurfural (MF)) bei
der hydrothermalen Umsetzung von Glucose (1,5 % (g/g) Glucose, 0,2 % (g/g)
KHCO3 Rohrreaktor, 400 °C, 25 MPa, 16 s Reaktionszeit)[18][19].
61
Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Zu 2.: Bei höheren Temperaturen werden Furfurale zu Gasen abgebaut.
Bei niedrigeren Temperaturen ist die Polymerisation vergleichsweise
niedrig. Es gilt daher die Biomasse möglichst schnell auf überkritische
Temperaturen zu erhitzen, bei denen die radikalische Gasbildung dominiert
[10][21].
Zu 3.: Vergleichende Untersuchungen in Rohrreaktoren ohne Rückvermischung und in kontinuierlichen Rührkesseln mit starker Rückvermischung führten zu einem überraschenden Ergebnis: Im Rohrreaktor nimmt
die relative Gasausbeute, d. h. die gebildete Menge Gas relativ zur eingesetzten Menge Biomasse oder Biomasse-Modellsubstanz, mit steigender
Anfangskonzentration ab [22], im kont. Rührkessel zu [23]. Dies deutet darauf
hin, dass zwei Reaktionspfade unterschiedlicher Reaktionsordnung, hier
Gasbildung und Polymerisation, miteinander konkurrieren. Im Rohrreaktor wird die unerwünschte Polymerisation bei Erhöhung der Anfangskonzentration stärker beschleunigt als die gewünschte Gasbildung, daher
nimmt die relative Gasbildung ab. Im kontinuierlichen Rührkessel wird
die Polymerisation unterdrückt und die relative Gasbildungsgeschwindigkeit nimmt mit steigender Konzentration bzw. Trockenmasse der eingesetzten Biomasse sogar zu [16][17].
Schlussfolgerung
Bei der hydrothermalen Vergasung und der hydrothermalen Carbonisierung sind die ersten Reaktionsschritte identisch. Es kommt zu einer
vollständigen bzw. teilweisen Auflösung der Biomasse und der Bildung
von Furfuralen. Diese Furfurale können sehr leicht polymerisieren, eine
Reaktion, die bei der hydrothermalen Vergasung unerwünscht ist, da sie
die Gasausbeute vermindert. Bei der hydrothermalen Carbonisierung ist
dies die Reaktion, die schließlich zur Bildung des gewünschten Produktes
führt. Da die Bildung von Polymerisaten bei der hydrothermalen Vergasung unerwünscht ist, wurden Methoden entwickelt, um die Bildung der
Furfurale bzw. deren Polymerisation zu verhindern. Es ist anzunehmen,
dass dieselben reaktionstechnischen Ansätze auch fördernd bzw. hemmend
auf die hydrothermale Carbonisierung wirken, und entsprechend eingesetzt werden können.
62
Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Literatur
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P. D'Jesus, C. Artiel, N. Boukis, B. Kraushaar-Czarnetzki, E. Dinjus, Ind. Eng. Chem.
Res. 2005, 44 (24), 9071 – 9077.
A. Kruse, Henningsen T., Pfeiffer J., A. Sinag, Ind. Eng. Chem. Res 2003, 42 (16),
3711 – 3717.
Anschrift der Autorin:
Dr. Andrea Kruse
Institut für Technische Chemie, Chemisch-Physikalische Verfahren
Forschungszentrum Karlsruhe
Hermann-von-Helmholtz-Platz 1, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen
E-Mail: andrea.kruse@itc-cpv.fzk.de
63
Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick
Hydrothermale Carbonisierung
Analyse und Ausblick
Klaus-Dieter Vorlop, Frank Schuchardt, Ulf Prüße
Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI)
Hydrothermale Carbonisierung (HTC)
FNR-Fachgespräch, Berlin, 11./12.02.2009
Hydrothermale Carbonisierung
Analyse und Ausblick
Klaus-Dieter Vorlop, Frank Schuchardt und Ulf Prüße
Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI)
Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig
klaus.vorlop@vti.bund.de
64
Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick
HTC - Historie
Wissenschaftlich-Technische Untersuchungen (Auszug)
1913
Bergius: Versuche zur Inkohlung von Biomasse bei erhöhtem Druck und
erhöhter Temperatur (Nachbildung natürlicher Kohleentstehung)
1920/30er
Berl & Schmidt / Fischer / u.a.: Weitere systematische Untersuchungen
zur Kohleentstehung aus Cellulose und Lignin
1960er
Schumacher, Huntjens, van Krevelen: Bestätigung früherer Ergebnisse
von Bergius und Berl & Schmidt
ab ~1995
Fa. EnerTech (USA) teils zusammen mit Mitsubishi (Japan):
Behandlung von Abfallbiomassen (insb. Klärschlamm) zur Entgiftung &
Hygienisierung sowie zur Gewinnung von Kohle als Energieträger
2001/2004
Wang et al. / Sun & Li: Kohlenstoff-Nanobeads durch hydrothermale
Carbonisierung
2004
Yu, Cui, Li, Li, Yu, Antonietti, Cölfen: Hydrothermale Me.-kat. Carbonisierung
2006
Antonietti: „Zauberkohle aus dem Dampfkochtopf“
HTC – Wiss./Techn. Grundlagen
Übersicht
Abgas
CO2
CH4, H2, H2S
sonstiges?
feuchte
Biomasse
T, p, Kat
Kohle
Abwasser
Quellen: Antonietti, Ramke, Richarts
65
Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick
HTC – Wiss./Techn. Grundlagen
Reaktion und Produkte
stark vereinfachte Reaktionsgleichung
C6H12O6
C6H2O + 5 H2O
'H = - 1105 KJ/mol
Wie viel davon ist nutzbar?
typische Bedingungen:
wässrige Suspension
ื 20 Gew.-% Biomasse
T = 180 – 250 °C
p = 15 – 30 bar
t = 4 – 24 h
Kat: Säure, Alkali, Fe3+
Kohlenstoffbilanz:
gasf.: 5 – 6 %
feuchte
100 %
Biomasse
Quellen: Antonietti, Ramke, Richarts
fest: 70 – 85 %
fl.: 10 – 25 %
HTC – Wiss./Techn. Grundlagen
Produktphasen
Abgas
> 90 % CO2, < 5 % CH4, Spuren anderer Gase
Bewertung
unkritisch
Feststoff (Kohle)
unterschiedliche Strukturen (Kugeln, Fasern, Schwämme …)
adsorbierte Problemstoffe?
je nach
Verwendung
Abwasser
• sehr große Volumina (ca. 10 t / t umgewandelte Biomasse)
• extrem hoher CSB (bis 70.000 mg/L) und BSB (bis 40.000 mg/L)
biologischische Abbaubarkeit < 90 %
• C-haltige Inhaltsstoffe nicht vollständig bekannt
•
•
66
org. Säuren, Humine, … / Problemstoffe?
Salze: Ammonium, Alkali, Erdalkali, Chlorid, Phosphat, Sulfat …
Ist ein Recycling möglich? Æ höhere C-Effizienz, Aufsalzung
Schwermetallakkumulation?
äußerst
kritisch
Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick
Biomassekonversion zu Energie/Kraftstoff
Übersicht über thermochemische Verfahren
Reaktion
Prozess
Anforderungen /
Bedingungen
Primärprodukt
Endprodukt
Vergasung
verschiedene (z.B.
ARGE, Carbo-V)
trockene
Biomasse
Synthesegas
FT-Diesel,
MeOH
VERENA
feuchte Biomasse
sc-Wasser
H2-reiches Gas,
bis zu > 70 % H2
Wasserstoff
Shell-HTU
feuchte Biomasse
bis zu Hausmüll
sc-Wasser
Roh-Bioöl mit
wenig Sauerstoff
Benzin,
Diesel
Hydrierung
Bergius-Pier
Kohle (Biomasse?)
org. Lösungsm.
Pyrolyse
verschiedene
trockene
Biomasse
Inkohlung
HTC, SlurryCarb
Kerosin, Benzin, Diesel
Roh-Bioöl mit viel
Sauerstoff
feuchte Biomasse
Benzin,
Diesel
Kohle
sc-Wasser = überkritisches Wasser
Biomassekonversion zu Energie/Kraftstoff
Thermochemische Verfahren nach T und p
T, °C
Vergasung
1000
800
VERENA
600
Pyrolyse
HTU
400
Bergius-Pier
SlurryCarb
200
HTC
0
0
50
100
150
200
250
300
p, bar
67
Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick
SlurryCarbTM-Prozess – EnerTech (USA)
Verfahrensübersicht
Quelle:
Charakteristika:
ƒ feuchter org. Abfall (z.B. Hausmüll, Klärschlamm)
ƒ Feststoffgehalte 15 – 30 %
ƒ T = 220 – 370 °C, Druck, t < 1 h
http://enertech.com
US 5685153 (1995)
US 2006/0096163 A1 (2006)
ƒ Katalysator: Alkalien
ƒ Biomasse Æ Kohle + CO2, Entwässerung
ƒ Hygienisierung & Schadstoffabbau
Massenbilanz
(vereinfacht)
SlurryCarbTM-Prozess – EnerTech (USA)
Anlagen
Ube City, Japan
20 t/d Hausmüll
lief 1997 - 2000
Quelle:
68
Atlanta, Giorgia, USA
Kapazität: 1,3 t/d
Prozessentwicklung
http://enertech.com
Rialto, Californien, USA
900 t/d Biomasse
Okt. 2008 angefahren
Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick
HTC – Potenzielle Rohstoffe
Begriffsbestimmungen
Theoretisches Potenzial
Die grundsätzlich angebotene, maximal verfügbare Biomasse
Technisch-ökologisches Potenzial
Teilmenge des theoretischen Potenzials, das unter ökologischen und technischen
Restriktionen tatsächlich nutzbar ist unter
- Wahrung geschlossener Nährstoffkreisläufe und
- Schutz von Lebensräumen und Nachwuchsrate
HTC-Potenzial
Technisch-ökologisches Potenzial abzüglich
ƒ trockene Biomasse zur Energieerzeugung (Hi >11.000 kJ/kg) wie z.B. Stroh und Holz
ƒ Gülle und Festmist (hohe NH3- und Wassergehalte und hohes Puffervermögen
Æ hohe Transportkosten, hoher technischer Aufwand für Ammoniakbindung)
ƒ Reststoff-Biomasse, die verfüttert wird (z.B. Zuckerrübenschnitzel)
HTC – Potenzielle Rohstoffe
Herkunft und Mengen
40
36
Kommunen
Biotoppflege
Lebensmittelind.
30
Masse C [Mio. t]
Forstwirtschaft
Landwirtschaft
18
20
10
3,8
theoretisches
Potenzial
technisch/ökologisches
Potenzial
HTC-Potenzial
Zahlenangaben nach Knappe (2007), SRU (2007), eigene Berechnungen
69
Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick
HTC – Potenzielle Rohstoffe
Herkunft, Mengen und Art
40
36
Kommunen
Biotoppflege
Lebensmittelind.
30
Masse C [Mio. t]
Forstwirtschaft
Landwirtschaft
18
20
Biomüll, Klärschlamm
Heu, Holz
10
3,8
theoretisches
Potenzial
technisch/ökologisches
Potenzial
Biertreber, Melasse, Kartoffelschlempe, Apfeltester
HTC-Potenzial
Kartoffel- und Rübenkraut
HTC – Potenzielle Rohstoffe
Verfügbarkeit
4
Masse C [Mio. t]
Biobabfall: mittelfristig gering,
hohe Investitionen sind noch
nicht abgeschrieben
3
Kommunen
1,55
2
Biotoppflege
0,48
kurzfristig verfügbar; Wirtschaftlichkeit?
Lebensmittelindustrie
0,76
Melasse (0,36 Mio.t) mittelfristig nicht
verfügbar; Rest sehr wasserreich;
Wirtschaftlichkeit?
Landwirtschaft
0,99
Kartoffel- und Rübenkraut:
kurzfristig verfügbar; aber hohe Kosten
für Sammlung und Transport
1
-
70
Klärschlamm: ?; für die Kommunen
eine Frage der Wirtschaftlichkeit;
Trocknung oder HTC und Verbrennung
Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick
HTC – Potentielle Produkte
und derzeit diskutierte Anwendungsfelder
Abgas
keine Verwendung
Feststoff (Kohle)
energetisch:
Vergasung zu Synthesegas
Brennstoff z.B. in Kraftwerken
Stahl-, Zementherstellung …
stofflich:
Straßenbeläge
Adsorbermaterialien (vgl. A-Kohle)
Bodenverbesserung (Terra Preta)
Spezialanwendungen (Farbe, Autoreifen etc.) …
CO2-Sequestrierung
Abwasser
viel gelöster Kohlenstoff, mineralstoffreich? Æ Dünger
HTC – Gesetzliche Rahmenbedingungen
Was in Deutschland zu beachten ist…
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Technische Anleitung Siedlungsabfall
ƒ Für Reststoffbiomasse (=Abfall) für HTC-Anlagen gilt KrW-/ AbfG
ƒ Abfall (HTC-Kohle oder Humus) ist zu verwerten KrW-/ AbfG § 6 (stofflich
oder thermisch; Hi >11.000 kJ/kg), Deponierung nicht zulässig (TASI 4.2.1)
Bioabfall und Klärschlamm in der Landwirtschaft
ƒ Für HTC-Humus/Kohle gilt BioAbfV (§ 1, Abs.1) bzw. AbfKlärV (§ 2, Abs.2)
ƒ Grenzwerte für Schwermetalle müssen eingehalten werden: BioAbfV (§ 4,
Abs.3) bzw. AbfKlärV (§ 4, Abs.12)
ƒ Aufbringungsmengen sind beschränkt:
- BioAbfV (§ 6, Abs.1) max. 20 t TM/(ha*3a)
- AbfKlärV (§ 6, Abs.6) max. 10 t TM/(ha*3a)
= 1 kg/m² oder (bei 0,5 t/m³)
eine Schicht von 2 mm
Bei der Rekultivierung können die Aufwandmengen bei 20 bis 60 t/ha liegen.
71
Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick
HTC – Aktivitäten in Deutschland
Forschung und Entwicklung
Akademische Forschung
Technische Entwicklung
MPI Golm / Antonietti
FH Höxter / Ramke & Fettig
FH Gießen / Richarts
TH Karlsruhe / Bockhorn
FH Trier / Bottlinger
Uni Oldenburg / Peinke
FhG-IVV / Eisner
TU Berlin / Ziegler
…
Carbon Solutions GmbH
SunCoal Industries GmbH
TerraNova Energy
Loritus GmbH
Grenol GmbH
HydroCarb GmbH
Antaco GmbH
Willi Schlitt GmbH & Co KG
EnBW Energie B.-W. AG
RWE Power
…
HTC – Ausblick
Potenzieller Forschungsbedarf
Gesamtprozess:
 Energie- und Ökobilanzen
Feststoff (Kohle):
 Bodenverbesserung?
 adsorbierte Substanzen (Schadstoffe?)
 Langzeitwirkung im Boden
 Feintuning der Materialeigenschaften für Spezialanwendungen
Abwasser:
 Recyclingmöglichkeit
 Salzfrachten, Schwermetallakkumulation
 Identifizierung möglicher schädlicher org. Inhaltsstoffe
 Weiterbehandlung (Kläranlage, chem. Verfahren: WAO, AOP…)
72
Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick
HTC – Ausblick
Sinnvolle Anwendungsfelder
HTC in Deutschland gegebenenfalls sinnvoll für
Problemstoffe (Klärschlamm, Krankenhausabfälle, Schlachthofabfälle,
Tierkörperverwertungsabfälle etc.) Æ Hygienisierung, Schadstoffabbau
feuchte Abfallbiomasse
wasserhaltige Rücknahmefette
…
HTC international zusätzlich gegebenenfalls sinnvoll für
Regionen mit Biomasse- und Reststoffüberschuss Æ CO2-Zertifikatehandel
Anschrift der Autoren:
Klaus-Dieter Vorlop, Frank Schuchardt, Ulf Prüße
Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI)
Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig
E-Mail: klaus.vorlop@vti.bund.de
73
Beiträge der Veranstaltung
Hydrothermale Verfahren
2./3. September 2009
Karlsruher Institut für Technologie,
Campus Nord
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
Irina Smirnova, Thomas Ingram
Technische Universität Hamburg-Harburg
Aktivitäten des Instituts für Thermische Verfahrenstechnik, TUHH
im Bereich Biomassevorbehandlung
Forschung unter der Leitung von Prof. Brunner: bis 04.2008
• Hydrothermale Vorbehandlung von Lignocellulose:
• Sequentielle Hydrolyse zur Isolierung von C6/C5 Zucker
(thermodynamische und kinetische Untersuchungen)
• Einfluss von CO2 auf die Hydrolyse
• Enzymatischer Abbau von Lignocellulose
• Ligningewinnung und Abbau durch Hydrolyse und Oxidation
Aktuelle Arbeiten:
• Kombination der Prozesse zur Gewinnung von Zuckern, Proteinen und Lignin
• Isolierung und Verwertung von Ligninprodukten
• Enzymatische Behandlung bei hohen Temperaturen und Drücken
• HTC Verfahren (verschiedene Biomassen)
• Energetische Betrachtung von Gesamtprozessen
75
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
1. Übersicht: Umwandlung von Biomasse
2. Kombinierte Thermisch-Enzymatische Hydrolyse
Thermische Hydrolyse
Enzymatische Hydrolyse
3. Vergleich der Vorbehandlungsverfahren
4. Wirtschaftlichkeitsanalyse
5. Zusammenfassung und Ausblick
Übersicht
Verbundwerkstoff
Lignocellulose
Roggenstroh
Analyse: Bundesforschungsanstalt für
Forst- und Holzwirtschaft, Hamburg 2006
www.ceres.net (2007)
Einleitung
76
4
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
Umwandlung: Übersicht
Kombinierte Enzymatische Verfahren:
Verfahren mit anorganischen
Additiven (50 – 210°C)
Thermische Verfahren:
(170 -230°C)
Verfahren mit organischen
Lösemitteln: (120- 200°C)
Verdünnte Säuren (150- 190°C)
- Vor allem Schwefelsäure
- Bewährte Technik
- Hohe Xylose Ausbeuten
- Korrosion und Gips als Nebenprodukt
Alkalische Verfahren (50- 200°C)
- Vor allem NaOH und Amoniak
- Delignifizierungsprozess
- Geeignet für Einjahrespflanzen
- Kostenaufwendig
Vorbehandlungsverfahren
77
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
Kombinierte Enzymatische Verfahren:
Verfahren mit anorganischen
Additiven (50 – 210°C)
Thermische Verfahren:
(170 -230°C)
Verfahren mit organischen
Lösemitteln: (120- 200°C)
Steam Explosion
- Geringe Xyloseausbeuten
- Geringer Wasserbedarf
- Autohydrolyse oder
Zusatz von Säure
Thermische Hydrolyse
(Hydrothermolyse)
- Hoher Wasserbedarf
- hohe Xyloseausbeuten
- geeignet für Einjahrespflanzen
Vorbehandlungsverfahren
Kombinierte Enzymatische Verfahren:
Verfahren mit anorganischen
Additiven (50 – 210°C)
Thermische Verfahren:
(170 -230°C)
Verfahren mit organischen
Lösemitteln: (120- 200°C)
Lösemittel
Methanol, Ethanol oder Aceton
- Delignifizierungsprozess
- Teilweises Lösen der Hemicellulose
- Teure Chemikalien
- Relativ komplexe Prozessführung
Vorbehandlungsverfahren
78
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
Ethanol
[t/Jahr]
SEKABEnzymatisch
Verfahren
100
Verdünnte Säure
Produkte
Ethanol aus Xylose
und Glucose
Inbicon
200
Steam explosion
Ethanol + Futtermittel
Lignol
80
Organosolv
Lignin und Ethanol
Iogen
300
Steam Explosion (sauer) Ethanol
NREL
100
Verdünnte Säure
Biogasol
12
Nasse Oxidation
Ethanol
Ethanol aus Glucose
und Xylose
Vorbehandlungsverfahren
Entwicklungstand
VersuchsDemonstrationsLabormaßstab
anlage
anlage
Säure
Scholler Verfahren
Kommerzieller
Einsatz
In Deutschland bis 1959
Bergiusverfahren
TVA-Madisaon
Verfahren
Bis 1949
Enzymatisch
SEKAB-Säure
SEKABEnzymatisch
Inbicon/ Dong E.
Lignol
Iogen
NREL
AFEX
Vergleich-Vorbehandlungsverfahren
79
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
Thermisch-Enzymatische
Hydrolyse
- Fraktionierung der Biomasse
mit reinem Wasser
- Fraktion I: Feststoffrückstand
- Fraktion II: gelöste Hemicellulose
- Kein Zusatz von Chemikalien
- Umsetzung in verschiedenen
Reaktorkonzepten
- Einflussgrößen:
Temperatur und Reaktionszeit
Xylitol
Thermisch-Enzymatische Hydrolyse
80
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
Festbett- Reaktor
• Vorteile: Hoher Feststoff/ Wasser Gehalt, kurze Verweilzeiten
• Nachteile: Semikontinuierlich, Temperatur- und Konzentrationsgradient
Thermische Hydrolyse
Aufschluss von Roggenstroh im Festbettreaktor
p = 100 bar
V = 1000 ml
t = 120 min
·
V = 61ml/min
Anteile des
Feststoffrückstandes nach
T=280°C bezogen auf das
Ausgangsprodukt:
Kohlenstoff: 17,23%;
Kohlenhydrate: 0%,
Lignin 47,6%
• Bei 200 °C Trennung von Glukose und Xylose
Thermische Hydrolyse
81
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
T = 200°C
Biomasse
100 µm
Thermische
Hydrolyse
100 µm
pH = 4
T = 50°C
Enzymatische
Hydrolyse
100 µm
Thermisch-Enzymatische Hydrolyse
82
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
60
60
40
20
xylose
80
proteins
80
Intensity [mV]
Intensity [mV]
Enzymatische Hydrolyse der gelösten Hemicellulose
Aspergillus brasiliensis T = 75˚C; pH = 4,0; Umsatz 96% (w/w)
40
20
0
0
0
5
10 15
20
25
30
35
40
0
Retention time [min]
1.) Hemicellulose (Fraktion I) nach der
thermischen Hydrolyse bei 200°C
5
10 15
20
25
30
35
40
Retention time [min]
2.) Hemicellulose (Fraktion II) nach der
thermischen und enzymatischen Hydrolyse
Gelöste Hemicellulose kann nahezu völlig in Xylose
umgewandelt werden, pH-Einstellung nicht nötig
Enzymatische Hydrolyse
Ligninprodukte aus verschiedenen Vorbehandlungsverfahren
Vorbehandlung
Name des
Ligninproduktes
Reagens
T [°C]
Aufschlussdauer [h]
Hydrothermaler
Aufschluss
(LHW 200°C)1
•Enzymlignin (aus dem
Feststoffrückstand)
•Hydrolysatlignin (aus
der Flüssigphase)
H2O
200
1
Hydrothermaler
Aufschluss (LHW
270°C)1
LHW 270°C Lignin
H2O
270
2
OrganosolvAufschluss2
Organosolvlignin
65% Ethanol
0,15% H2SO4
195
0,75
Soda- Aufschluss3
Sodalignin
2% NaOH
121
1,5
Sulfit- Aufschluss4
pH 3,5
Sulfitlignin
5% H2SO3
Mg(OH)2
160
6
1: Ingram et al. 2008
2: Pan et al. 2006
3: Silverstein et al. 2007
4: Pelzer et al. 1989
Vergleich der Vorbehandlungsverfahren
83
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
Enzymatische Hydrolyse des Feststoffrückstandes
t = 48 h, T = 50°C, pH = 5, c0 = 1%
Thermische Vorbehandlung (LHW) ermöglicht hohe Glucose
Ausbeuten bei relativ geringen Enzymbeladungen
Vergleich der Vorbehandlungsverfahren
Ligninprodukte aus verschiedenen Vorbehandlungsverfahren
Ligninprodukt
Farbe
Klasonligninanteil [%]
Aliph.
Hydroxylgruppen
[-/C9]
Phenol.
Hydroxylgruppen
[-/C9]
Löslich
-keit in
DMSO
[%]
MW
[g/mol]
Sulfitlignin
Gelb
31 ± 2
-
-
-
-
Enzymlignin
Hellbraun
74 ± 4
-
-
69 ± 2
4613
Hydrolysatlignin
Hellbraun
84 ± 4
0,52
0,04
86 ± 3
3356
LHW 270°C
Lignin
Schwarz
95 ± 5
-
-
13 ± 1
-
Sodalignin
Braun
91 ± 5
0,64
0,03
82 ± 3
7994
Organosolvlignin
Braun
82 ± 4
-
-
84 ± 3
7324
Alcell
Organosolvlignin
Schwarz
97 ± 5
0,23
0,04
100 ± 3
2764
Vergleich der Vorbehandlungsverfahren
84
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
• Optimale apparative Umsetzung der thermischen Hydrolyse im
Festbettreaktor
• Die thermisch-enzymatische Hydrolyse ist ein selektives Verfahren
zur Vorbehandlung von Lignocellulose.
• Sowohl hohe Glucose als auch Xylose Ausbeuten sind möglich
• Das Vorbehandlungsverfahren beeinflusst das Ligninprodukt stark.
• Optimierte Prozessführung zur Nutzung der Ligninprodukte
Zusammenfassung I
Wirtschaftlichkeitsanalyse der Umwandlung von
Roggenstroh in Ethanol :
•
•
•
•
•
Nutzung des Celluloseanteils
Kapazität 120 t/Tag
Preis: Roggenstroh: 87 €/t1, Enzyme: 0,035 €/L Ethanol2
Amortisationszeit: 5 Jahre
Energetische Nutzung des Ligninanteils
Preis für Ethanol:
ca. 1,30 €/L
In Zusammenarbeit mit dem
DIPIC – University of Padova,
Prof. Alberto Bertucco
1: Leible et al. 2007
2: Aden et al. 2002
Energie Bilanz: Ethanol aus Lignocellulose
Wirtschaftlichkeitsanalyse
85
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
Wirtschaftlichkeitsanalyse der Umwandlung von
Roggenstroh in Ethanol und Xylitol:
•
•
•
•
Kapazität der Anlage: 120 t/Tag (Ausdehnung des Erntegebiets < 80 km)
Preis: Roggenstroh: 87 €/t1, Enzyme: 0,035 €/L Ethanol2
Amortisationszeit: 5 Jahre
Energetische Nutzung des Ligninanteils (deckt 85% der Energiebedarfs)
Vorgabe: Ethanol: 0,56 €/L
Xylitol: 5,18 €/kg
Maximale Enzymkosten für die Umwandlungen der gelösten
Hemicellulose in Xylose: 0,50 €/kg Xylitol
In Zusammenarbeit mit dem DIPIC – University of Padova, Prof. Alberto Bertucco
1: Leible et al. 2007
2: Aden et al. 2002
Wirtschaftlichkeitsanalyse
• Wirtschaftliche Umsetzung nur möglich unter Berücksichtigung
aller Prozessströme
• Wirtschaftlichkeit hängt stark von Enzympreisen ab
•
Enzymmenge pro kg Biomasse?
• Hier nur die energetische Nutzung des Lignins betrachtet:
stoffliche Nutzung?
• Optimierung des Gesamtprozesses notwendig
Zusammenfassung II
86
Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten
•
Koordinierte Untersuchungen zum Vergleich verschiedener Biomassen und
Vorbehandlungsverfahren: Standardsubstanzen?
•
Integrierte Umsetzung einer Pilotanlage
•
Thermische- Katalytische Umsetzung der gewonnenen Xylane
•
Kostensenkung der enzymatischen Hydrolyse/ Enzymrecycling
•
Verwertungskonzepte verschiedener Ligninprodukte
An der TUHH…
•
Optimierte Prozessführung zur gleichzeitigen Gewinnung reiner
Ligninprodukte und Zucker für verschiedene Anwendungen
•
Druck als Prozessgröße: Einfluss auf enzymatische Prozesse
•
Verwendung von Lignin zur Gewinnung hochporöser Polymerstrukturen
•
Ligninabbau: Verfahrenstechnische Umsetzung,
Abtrennung einzelner Fraktionen
Ausblick
Anschrift der Autoren:
Prof. Dr. Irina Smirnova, Thomas Ingram
Technische Universität Hamburg-Harburg, Institut für Thermische
Verfahrenstechnik
Eißendorfer Str. 38, 21073 Hamburg
E-Mail: irina.smirnova@tu-harburg.de
87
Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe
Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten
des Forschungszentrums Karlsruhe
Nikolaos Boukis, Ulrich Galla, A. Hammerschmidt, Eckhard Dinjus
Forschungszentrum Karlsruhe
Einführung
Das Forschungszentrum Karlsruhe beteiligt sich an den weltweiten Aktivitäten zur Entwicklung der Technologie der Vergasung nasser Restbiomassen unter hydrothermalen Bedingungen und zur Verflüssigung feststoffhaltiger Restbimassen mit hohem Wassergehalt unter den Bedingungen
des nahkritischen Wassers. Beide Verfahren haben das Ziel der energetischen Nutzung von Restbiomassen. Aufgrund der Heterogenität dieser
Stoffströme wird erwartet, dass eine chemisch-stoffliche Nutzung – über
andere Prozesse – aufgrund der Vielzahl der in den Restbiomassen enthaltenen Störstoffe zu aufwendig sein würde.
Der Vergasungsprozess wird bei Temperaturen höher als 600 °C durchgeführt, für die Verflüssigung werden Temperaturen von 300 bis 450 °C
benötigt. Der Druck in beiden Verfahren liegt im Bereich 220 bis 300 bar.
Das Produkt der Verflüssigung ist ein ölartiges Gemisch organischer
Substanzen mit hohem Brennwert.
Der Hauptbestandteil des Produktgases, aus dem Vergasungsprozess,
ist Wasserstoff, Methan und kleinere Kohlenwasserstoffe sind Nebenprodukte. Das Kohlendioxid kann prozessintegriert abgetrennt werden.
Edukte
Folgende Tabelle zeigt einige der interessantesten Biomassen für die Hydrothermale Prozesse.
88
Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe
Restbiomassen
Energiepflanzen
Landwirtschaft
(Grünschnitt, Gewächshausabfälle, Gülle)
Getränkeindustrie
(Traubentrester, Biertreber)
Lebensmittelindustrie
Maissilage (abgeschlossen)
Algen
Industrielle Klärschlamme
(Pharma, Chemie, Papier)
Schlempe (Bio-Ethanol)
Gärschlamm (Biogas)
Prozessschema
Der Prozess der hydrothermalen Vergasung ist ein einstufiger Prozess.
Abbildung 1 verdeutlicht das Prozessschema.
Abb. 1 Prozessschema
Als besonderes Merkmahl des Prozesses ist die prozessintegrierte
Abtrennung von anorganischen Salzen im Temperaturbereich von rund
400 °C nach dem Wärmetauscher und vor dem Vorwärmer der Anlage.
89
Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe
Eine weiter entwickelte Prozesskonfiguration sieht die Einspeisung der
Biomasse bei unterkritischer Temperatur in den Reaktorraum und Vermischung dort mit einem überhitzten Stoffstrom aus reinem Wasser bei
hohem Druck (s. Abb. 2). Hier werden anorganische Salze über einen
Sumpfabzug aus unterem Teil des Reaktors ausgeschleust. Diese Prozessmodifikation ist besonders vorteilhaft bei hohen Biomessekonzentrationen
mit Salzfracht. Hohe Wasserstoffkonzentrationen im Produktgas und stabiler Betrieb zeichnen diesen Prozess aus.
Abb. 2:
Prozessschema mit
Biomasse
Einspeisung
in den
Reaktor bei
unterkritischen
Temperaturen.
Laborversuche
Bei hohen Reaktionstemperaturen lassen sich viele Biomassen innerhalb
kurzer Verweilzeiten nahezu vollständig vergasen. Typische Versuchsbedingungen und Ergebnisse aus der Vergasung frischer Biomasse sind:
Eduktkonzentration 9 Gew. % TS, Reaktionstemperatur 680 °C, Druck
280 bar, Verweilzeit 1,3 min. Unter diesen Bedingungen wird ein Kohlenstoff-Vergasungsumsatz von 96 % erreicht. Die Gaszusammensetzung wird
in der Abb. 3 dargestellt.
90
Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe
Abb. 3: Gaszusammensetzung, nach Abzug des
Komponenten CO2, bei dem
Versuch mit frischer Biomasse
bei 680 °C.
Versuche in der Versuchsanlage zur energetischen
Nutzung agrarwirtschaftlicher Stoffe (VERENA).
Das Prozessschema mit der Biomasse Einspeisung bei unterkritischen
Temperaturen wurde in der Pilot-Anlage VERENA mit folgenden Versuchsparametern realisiert:
Biomassekonzentration 9,6 Gew. % TS mit einem Durchfluss von
20 kg/h, Durchfluss des Wasserstroms 80 kg/h, Reaktionstemperatur
510 °C, Druck 280 bar, es ergibt sich eine mittlere Verweilzeit von 1,7 min.
Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden:
Der C-Vergasungsumsatz war mit 62 % recht hoch (im Relation zur Reaktionstemperatur). Der Betrieb verlief über 12 Stunden störungsfrei. Die
gemessene Gaskonzentration ist in der Abb. 4 zu sehen.
Abb. 4: Gaszusammensetzung, nach Abzug des
Komponenten CO2, bei dem
Versuch mit frischer Biomasse
bei 500 °C, Einspeisung der
Biomasse bei unterkritischer
Temperatur in den Reaktor.
91
Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe
Vorteile der hydrothermalen Vergasung
Die Wasserstoff- und Methangewinnung aus nassen Biomassen über den
Prozess der Vergasung in überkritischem Wasser ist möglich und weist
folgende Vorteile auf:
■ hohe Wasserstoffausbeute, Hochdruckspeicherung leicht realisierbar
■ guter thermischer Wirkungsgrad bei wasserreichen Edukten (etwa
80 %)
■ hoher Kohlenstoffvergasungsumsatz (>90 %)
■ integrierte einfache CO2- Abtrennung (Abreicherungsfaktor >100)
■ sauberes Produktgas direkte Nutzung in Otto – Motoren möglich
■ sehr geringe elektrische Kompressionsarbeit (ca. 2 kW für 100 kg/h)
■ hohe Raum- Zeit- Ausbeute
Die Produktgasnutzung kann über folgende Wege erfolgen:
■ Ohne elektrische Kompressionsarbeit zum Tanken von Fahrzeugen
(200 bar)
■ In Druckflaschen (200 bar) allgemein
■ Nach Entspannung zur Elektrizitätserzeugung
■ Nach Abtrennung des Wasserstoffs oder Reforming der kleinen
Kohlenwasserstoffe in Brennstoffzellen.
Direkte Erzeugung eines brennbaren ölartigen
Produkts aus nassen Restbiomassen
Das primäre Ziel dieser Arbeit ist, die Erzeugung flüssiger Biokraftstoffe
aus nassen Abfallbiomassen oder organischen Industriereststoffen in einem
Produktionsschritt unter hydrothermalen Bedingungen (Hydrothermal
Liquefaction, HTL). Ein Großteil der verfügbaren Biomasse ist wegen sehr
hohen Wasseranteil (>70 %) nicht geeignet zur Herstellung von ölartigen
Substanzen nach konventionellen Verfahren, wie zum Beispiel Pyrolyse.
Ein besser geeignetes Verfahren zur Erzeugung von ölartigen Substanzen
ist CatLiq. Dieses Verfahren wird in Zusammenarbeit mit der Industrie
entwickelt. Bei diesem Prozess wird ZrO2 als heterogener und Kaliumcarbonat als homogener Katalysator verwendet. Des Weiteren sind Temperaturen im Bereich 374 °C bis 300 °C und Drücke über 22,5 MPa erforderlich,
s. Abb. 5.
92
Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe
Abb. 5: Schematische Darstellung des katalytischen Verfahrens.
Das Primärprodukt besteht aus einer wässrigen und einer organischen
Phase (s. Abbildung 6)
Abb. 6: Kohlenstoff-, Massenverteilung und Zusammensetzung der primären
organischen Phase
Nach der Entwässerung der organischen Phase wird ein ölartiges
Gemisch organischer Substanzen mit einem hohen Brennwert (34 MJ/kg)
produziert.
93
Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe
Eine neue Variante eines HTL Prozesses wird zur Zeit im FZK entwickelt. Über die Einspeisung von hydrothermal erzeugtem H2 soll das H/C
Verhältnis des Produktöls verbessert werden und gleichzeitig die Schwefelkonzentration gemindert werden.
Das Produkt kann:
■ zusammen mit dem Pyrolyse Slurry vergast werden
■ bei entsprechender Qualität mit Diesel vermischt werden
Abbildung 7: HTL Variante mit zusätzlicher Einspeisung von hydrothermal
erzeugtem Wasserstoff bei hohen Temperaturen.
Ausblick
■ Optimierung des prozessintegrierten Salzabtrennung
■ Verbesserung des Wärmeaustausches bei Schlämmen (Fouling,
Salzabtrennung)
■ Identifikation von korrosionsbeständigen Reaktormaterialien und
Bestimmung der Einsatzgrenzen
■ Neue Wärmetauscher – Konstruktion, Einbau, Tests
■ Weitere Zusammenarbeit mit der Industrie, um die Anwendbarkeit
des Vergasungsverfahrens zu sichern
■ Optimierung des hydrothermalen Verflüssigungsprozesses hinsichtlich Ausbeute und Produktqualität
■ Scale-up der Anlage VERENA um den Faktor 10 – 20.
94
Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe
Danksagung
Die Autoren möchten sich beim BMBF für die Finanzierung der Anlage
VERENA (bmb+f Förderkennzeichen 0330267) bedanken. Den beteiligten
Mitarbeitern des Instituts gilt unser besonderer Dank.
Weiterführende Literatur
■
■
■
■
■
■
■
■
■
■
■
V. Diem, N. Boukis, E. Hauer, E. Dinjus. Chem. Eng. Trans., Vol. 4, 99–104, (2004)
N. Boukis, V. Diem, U. Galla, E. Dinjus. Com. Sci. Tech., 178: 467–485, (2006)
N. Boukis, U. Galla, V. Diem, P. D’Jesus, E. Dinjus. DGMK-Fachbereichstagung: Velen
VI, 289–296, (2004)
N. Boukis, U. Galla, P. D’Jesus, H. Müller, E. Dinjus, Energetische Nutzung von
Biomassen – Velen VII, 24./26.April 2006 in Velen/Westf., 91–98, (2006)
U. Galla, N. Boukis. Gebrauchsmuster DPMA 202 20 307.7, (2003)
Wenig, B. Bioenergie, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, (2005)
S.B. Iversen, Larsen, V. Lüthje, K. Felsvang, P.R. Nielsen, U. Galla, and N. Boukis,
14th European Conference on Biomass for Energy, Industrie and Climate protection,
17–21 October 2005, Palais des Congrès, Paris, France, Proceedings page 1450
N. Boukis, A. Hammerschmidt, E. Hauer, U. Galla, B. Hitzmann, T. Larsen Production of liquid biofuels by Microrefinery hydrothermal treatment 17th European Biomass
Conference & Exhibition. 29 June–3 July 2009, CCH Hamburg, Germany
M. Watanabe, F. Bayer, A. Kruse, Carbohydrate Research 341: 2891–2900, (2006)
A. Kruse, Biofuels, Bioprod. Bioref. 2:415–437, (2008)
A. Kruse, The Journal of Supercritical Fluids 47: 391–399, (2009)
Anschrift der Autoren:
Dr. Nikolaos Boukis, Ulrich Galla, A. Hammerschmidt, Prof. Dr. Eckhard Dinjus
Forschungszentrum Karlsruhe, Institut für Technische Chemie
Postfach 3640, 76021 Karlsruhe
E-Mail: nikolaos.boukis@itc-cpv.fzk.de
95
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Synthesebausteinen/Plattformchemikalien
Hirth, Thomas
Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik (IGVT)
Gerd Unkelbach, Rainer Schweppe.
Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT)
1
Einleitung
Nachwachsende Rohstoffe haben eine lange Tradition in der chemischen
Industrie, sind aber im Industriezeitalter durch den Einsatz von Kohle,
Erdöl und Erdgas beinahe in Vergessenheit geraten. Ressourcenverknappung, Treibhauseffekt, Bevölkerungswachstum und das Streben nach
nachhaltiger Entwicklung haben das Interesse an nachwachsenden Rohstoffen für die energetische und stoffliche Nutzung in Industrie und Forschung
jedoch wieder neu geweckt.
Bis 1950 war Kohle der Basisrohstoff für die Herstellung chemischer
Produkte. Heute beruht die chemische Produktion im Wesentlichen auf
Erdöl und Erdgas, aus denen Grundstoffe wie Ethylen, Propylen, Kohlenstoffmonoxid oder Wasserstoff hergestellt werden. Aus diesen lassen sich
über kontrollierte chemische Reaktionen komplexe Zwischenprodukte
(Plattformchemikalien) aufbauen, die wiederum wegen der vielfältigen
Kombinationsmöglichkeiten zu einer Vielzahl von Folge- und Endprodukten umgesetzt werden können. Ein Wechsel von einer fossilen zu einer
erneuerbaren Rohstoffbasis bedeutet deshalb zwangsläufig einen Wechsel
von Öl und Gas zu den nachwachsenden Rohstoffen Lignocellulose,
Kohlenhydraten und pflanzliche Öle. Diese Biomasse stellt die einzige alternative Kohlenstoffquelle für die Erzeugung chemischer Produkte dar, im
Gegensatz zur Energieerzeugung, die nicht unbedingt auf kohlenstoffhaltige Rohstoffe angewiesen ist.
96
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien
Bei der Umstellung von der Rohstoffbasis Kohle auf Erdöl und Erdgas
im letzten Jahrhundert mussten zahlreiche neue Prozesse entwickelt
werden, da damit ein Wechsel von der Acetylenchemie zur Ethylenchemie
einherging. In diesem Zusammenhang stellt sich deshalb zwangsläufig die
Frage, was beim Übergang auf nachwachsende Rohstoffe an neuen Verfahren erforderlich sein wird.
Für die Umstellung auf nachwachsende Rohstoffe sind neue Ansätze
in Forschung, Entwicklung und Produktion erforderlich. In diesem Zusammenhang bietet der Rohstoff Lignocellulose ein besonders großes Potential. Die drei Hauptbestandteile der Lignocellulose, Cellulose, Hemicellulose und Lignin, bieten interessante Möglichkeiten für die Herstellung von
chemischen Produkten wie Tenside, Klebstoffe, Lösungsmittel oder
Polymere. Hierfür sind allerdings neue biotechnologische und chemische
Synthesestrategien und Herstellungsprozesse erforderlich, die es erlauben,
chemische Produkte öko-effizient herzustellen.
Ein wesentliches Element in einer solchen Prozesskette ist eine erfolgreiche Auftrennung der Rohstoffe in ihre einzelnen Komponenten und
deren Umwandlung zu Chemierohstoffen durch eine Kombination von
physikalischen, biotechnologischen und chemischen Prozessen. In Analogie zu einer Erdölraffinerie erfolgt diese Auftrennung in einer Bioraffinerie. Im Anschluss an die Komponententrennung erfolgt dann die Herstellung sog. Plattformchemikalien wie beispielsweise Ethanol, 5-HMF, Sorbitol, Lävulinsäure oder Milchsäure durch chemische und/oder biotechnologische Prozesse. Die Herstellung der Plattformchemikalien nimmt
nach diesem Konzept eine der thermischen Spaltung im Cracker vergleichbare Stellung ein, die der Herstellung von Zwischenprodukten wie Ethylen,
Propylen, Buten oder BTX-Aromaten dient.
Aus den Plattformchemikalien lassen sich dann Monomere wie Ethylen,
2,5-Furandicarbonsäure, Milchsäure oder Acrylsäure herstellen. Diese
biobasierten Monomere können dann zu Thermoplasten, Duroplasten,
Elastomeren und thermoplastischen Elastomeren verarbeitet werden.
2
Rohstoffe
Nachwachsende Rohstoffe sind land- und forstwirtschaftlich erzeugte
Produkte, die nicht im Nahrungsmittelbereich verwendet werden. Sie
gehören dank Holz zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Stoffen.
97
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien
Die Natur stellt über ihre Biosynthesewege eine große Vielfalt an
nachwachsenden Rohstoffen für die stoffliche Nutzung zur Verfügung,
davon sind allerdings mehr als 90% Kohlenhydrate bzw. Lignocellulose.
Beim Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen sind insbesondere die
ausreichende Verfügbarkeit, konstante Qualität, wettbewerbsfähige Preise,
elementare Zusammensetzung, stoffliche Zusammensetzung, Molekülstruktur und Zielprodukte zu berücksichtigen
Die elementare und die stoffliche Zusammensetzung spielt eine
entscheidende Rolle beim Einsatz nachwachsender Rohstoffe für die stoffliche Nutzung, da sie zum einen über ein verändertes Elementspektrum
verfügen (siehe Tabelle 1) und aus Komponenten mit hoher Funktionalität bestehen. Beide Aspekte spielen eine entscheidende Rolle bei der
Auswahl und Entwicklung einer biobasierten Chemieplattform.
Erdöl
Öle/Fette
Lignocellulose (Holz)
C
85 – 90 %
76 %
50 %
H
10 – 14 %
13 %
6%
O
0 – 1,5 %
11 %
43 %
Tab. 1: Elementare Zusammensetzung verschiedener Rohstoffe
Im Zusammenhang mit dem Aufschluss und der Konversion von
nachwachsenden Rohstoffen bieten hydrothermale Verfahren ein großes
Potential, da sie den Einsatz feuchter Rohstoffe erlauben, bei moderaten
Temperaturen arbeiten und sowohl für den Aufschluss als auch die chemische Konversion geeignet sind.
3
Aufschluss von Lignocellulose
Eine Analyse des Potenzials nachwachsender Rohstoffe hat gezeigt, dass
ein besonders großes CO2-Einsparpotenzial beim Einsatz von Lignocellulose und der Herstellung von höher funktionalisierten Produkten wie
Phenolen besteht.
Der Aufschluss der Lignocellulose ist von besonderer Bedeutung, da
dadurch die Kohlenhydrate vom Lignin getrennt werden können. Für den
Aufschluss der Lignocellulose stehen aus heutiger Sicht insbesondere
folgende Verfahren zur Verfügung.
98
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien
■
■
■
■
Säureverfahren
Hydrothermalverfahren
Organosolv-Verfahren (Ethanol)
Physikalisch-enzymatische Verfahren
Klassische Verfahren zum Aufschluss von Lignocellulose wie das SulfatVerfahren oder das Sulfit-Verfahren dienen vorwiegend der Zellstoffgewinnung und liefern schwefelhaltiges Lignin. Für eine anschließende stoffliche Nutzung sind aber insbesondere solche Verfahren gewünscht, die
schwefelfreies Lignin und Kohlenhydratfraktionen liefern. Dieser Strategie (siehe Abbildung 1) folgt das sog. Organosolv-Verfahren, das bei Temperaturen zwischen 180 und 220 °C arbeitet und eine Cellulose-, Hemicellulose- und Ligninfraktion (siehe Abbildung 2) liefert. Tabelle 2 zeigt die
Eigenschaften des nach dem Organosolv-Verfahren erhaltenen Lignins im
Vergleich mit anderen Ligninen.
Abb. 1: Trennstrategie beim Aufschluss von Lignocellulose
99
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien
Abb. 2: Produkte nach dem Organosolv-Aufschluss
Die beim Aufschluss erhaltenen Cellulose- und Hemicellulose-Fraktionen können durch enzymatische Hydrolyse in die monomeren Zucker
umgewandelt werden und das Lignin kann anschließend unter Erhalt
seiner polymeren Struktur verarbeitet oder in Aromaten gespalten werden.
Sulfatverfahren
Sulvitverfahren
Organosolvverfahren
Lignin-Typ
Kaftlignin
Ligninsulfonat
Organosolv-Lignin
Molekulargewicht
[g/mol]
2000 – 3000
20000 – 50000
1000 – 2000
1 – 1,5
4–8
0
0
1,25 – 2,5
0
Löslichkeit
Alkali, organische
Lösungsmittel
Wasser, unlöslich in
organischen
Lösungsmitteln
Alkali, organische
Lösungsmittel
Funktionelle
Gruppen
viele phenolische
OH
wenig phenolische
OH
viele phenolische
OH
dunkelbraun
hellbraun
hellbraun
Organischer
Schwefel [%]
Sulfonatgruppe
[%]
Farbe
Tab. 2: Eigenschaften verschiedener Lignine
100
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien
4
Chemische Konversion von Lignocellulose
Für die Herstellung von Plattformchemikalien stehen chemische, biotechnologische und thermische Verfahren (siehe Abbildung 3) zur Verfügung.
Hydrothermale Verfahren lassen sich zwischen den rein chemischen und
den thermischen Verfahren einordnen, da sie einen großen Temperaturund Druckbereich überdecken.
Abb. 3:
Verfahren
zur Herstellung von
Plattformchemikalien
Die Herstellung von Plattformchemikalien aus nachwachsenden
Rohstoffen unterscheidet sich deutlich von der Herstellung aus petrochemischen Rohstoffen, da nachwachsende Rohstoffe wegen ihrer hohen
Funktionalisierung entfunktionalisiert werden müssen und petrochemische Rohstoffe wegen ihrer sehr geringen Funktionalität funktionalisiert
werden müssen. Abbildung 4 zeigt den Weg vom nachwachsenden
Rohstoff hin zu den Synthesebausteinen.
Abb. 4:
Aufbereitung und
Konversion
der nachwachsenden
Rohstoffe
Für die Herstellung von Plattformchemikalien bieten sich insbesondere Kohlenhydrate wie Zucker, Stärke oder Cellulose an, wobei die
101
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien
Polysaccharide zunächst in monomere Zucker gespalten werden müssen.
Aufbauend auf Glukose lassen sich über die Kombination von biotechnologischen und chemischen Verfahren, insbesondere hydrothermalen Verfahren, die für die Gewinnung von Plattformchemikalien aus nachwachsenden Rohstoffen besonders geeignet sind, C1 bis C6-Bausteine herstellen
(siehe Abbildung 5). Für die Gewinnung des C1-Bausteins Kohlenstoffmonoxid sind Vergasungsverfahren (auch hydrothermale Verfahren) geeignet.
Ethanol ist ein wichtiger C2-Synthesebaustein, der im Rahmen einer
Bioraffinerie Ausgangspunkt für die Herstellung von Essigsäure, Ethylen
oder Butadien sein könnte. Heute werden weltweit bereits mehr als 60
Millionen Tonnen Ethanol durch biotechnologische Verfahren aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Damit könnte man durch Dehydratisierung in der Gasphase oder hydrothermalen Phase (siehe Abbildung 6)
ca. 50 % der weltweit produzierten Ethylenmenge herstellen, wenn das
Ethanol ausschließlich für die stoffliche Nutzung zur Verfügung stehen
würde.
Glukose
C6H12O6
Ethanol
C 2H 6O
Milchsäure
C 3H 6O 3
Bernsteinsäure
C 4H 6O 4
5-Hydroxymethylfurfural
C 6H 6O 3
Sorbit
C6H11 O6
Abb. 5: Plattformchemikalien auf Basis von Glukose
Einige Firmen haben bereits angekündigt, zukünftig in Brasilien Ethylen
und Polyethylen auf Basis von Bioethanol herzustellen. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass nur der Rohstoff aber nicht das Polymer substituiert werden muss.
Milchsäure wird heute bereits in großen Mengen biotechnologisch aus
Zucker gewonnen und stellt eine Plattformchemikalie für die Herstellung
von Milchsäureestern und Polymilchsäure dar. Der Kunststoff Polymilchsäure wird in einer Jahreskapazität von mehr als 150.000 Tonnen durch
eine Kombination von biotechnologischen und chemischen Schritten aus
Kohlenhydraten hergestellt. Milchsäure bietet darüber hinaus durch die
Dehydratisierung in der Gasphase oder hydrothermalen Phase den Zugang
102
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien
zu Acrylsäure (siehe Abbildung 7), einem etablierten Monomer auf der
Basis petrochemischer Rohstoffe.
Abb. 6: Herstellung von Ethylen aus nachwachsenden Rohstoffen
Abb. 7: Herstellung von Acrylsäure aus Milchsäure
Abb. 8: Herstellung von Plattformchemikalien aus Glukose
Ausgehend von Glukose lassen sich über die Hydrothermolyse sowie
die reduktive Hydrothermolyse bei erhöhten Temperaturen und Drücken
Plattformchemikalien wie 5-HMF, DHD und Sorbitol herstellen (siehe
Abbildung 8).
103
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien
Sorbitol kann beispielsweise als Polyolkomponente bei der Herstellung
von Polyurethanschäumen eingesetzt werden.
Aus 5-HMF lässt sich durch Oxidation (siehe Abbildung 9) 2,5-Furandicarbonsäure herstellen, die das biobasierte Analogon zur Terephthalsäure darstellt. Beide Dicarbonsäuren haben vergleichbare chemische Eigenschaften.
Abb. 9: Herstellung von 2,5-Furandicarbonsäure aus 5-HMF
Auf Basis von 2,5-Furandicarbonsäure können Polyester (siehe Abbildung 10) und Polyamide hergestellt werden.
Abb. 10: Herstellung von Polyestern auf Basis von 2,5-Furandicarbonsäure
Bei Verwendung von Lignocellulose lässt sich die Rohstoffbasis für die
Herstellung von Plattformchemikalien noch erweitern, da als weitere
Komponente Lignin anfällt, das sowohl als sog. Flüssigholz thermoplastisch im Spritzguss oder Extrusion als auch als Bindemittelkomponente in
Harzen (Duroplast) verarbeitet werden kann (siehe Abbildung 11).
Aufgrund seiner aromatischen Struktur kann Lignin aber auch durch
Hydrothermolyse in phenolische Bausteine gespalten werden, die nach
entsprechender Aufarbeitung bei der Herstellung von Phenolharzen eingesetzt werden können.
104
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien
Abb. 11: Stoffliche Verwertung von Lignin
5
Zusammenfassung
Hinsichtlich des Einsatzes von nachwachsenden Rohstoffen für die
Herstellung von Plattformchemikalien und Biopolymeren ergibt sich für
die derzeitige Situation folgendes Bild:
■ Ein großes CO2-Einsparpotenzial besteht insbesondere bei der
Verwendung von Lignocellulose und der stofflichen Nutzung von
Lignin.
■ Lignocellulose kann durch hydrothermale Verfahren aufgeschlossen
und in Synthesebausteine umgewandelt werden.
■ Hydrothermale Verfahren erlauben die Kopplung von chemischen
und biotechnologischen Prozessen.
■ Biobasierte Produkte auf Basis hydrothermaler Verfahren bieten
interessante Eigenschaften.
Für eine verstärkte Nutzung der Rohstoffbasis nachwachsende Rohstoffe sind aber noch umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
zur Entwicklung von neuen Synthesestrategien und Produktionsverfahren wie beispielsweise hydrothermale Verfahren erforderlich, die es erlauben, chemische Produkte ökoeffizient herzustellen.
105
Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien
6
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B. Kamm, M. Kamm, Th. Hirth, M. Schulze
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In B. Kamm, P. R. Gruber, M. Kamm (Eds.)
Biorefineries – Industrial Processes and Products, Vol. 2, Wiley-VCH, 2006
Anschrift der Autoren:
Prof. Dr. Thomas Hirth
Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik (IGVT), Universität Stuttgart
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB)
Nobelstr. 12, 70569 Stuttgart
E-Mail: thomas.hirth@igb.fraunhofer.de
Gerd Unkelbach, Rainer Schweppe
Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT)
106
Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht
Hydrothermale Umwandlung von
Biomasse – Eine Übersicht
Andrea Kruse
Institut für Technische Chemie
Reaktionen in Wasser bei erhöhten Temperaturen und Drücken werden
hydrothermal genannt. Dieser Begriff stammte ursprünglich aus der Geologie, wurde aber auch auf organische Reaktionen übertragen. Wird „grüne“
Biomasse in einem geschlossenen Reaktor erhitzt, handelt es sich um eine
hydrothermale Umwandlung. Das enthaltene Wasser wird zum Reaktionsmedium, das den Abbau der polymeren Strukturen der Biomasse unterstützt. Hierbei sind die variablen Eigenschaften des heißen Hochdruckwassers von besonderer Bedeutung (Abb. 1 [1]).
Abb. 1: Eigenschaften (Dichte, statische rel. Dielektrizitätskonstante, Logarithmus des Ionenproduktes, aus [2]) von heißem Hochdruckwasser als Funktion der
Temperatur.
107
Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht
Die Umwandlung von Biomasse zu unterschiedlichen sekundären
Energieträgern, Basis-Chemikalien und Grundstoffen für biochemische
Umwandlung ist in der letzten Zeit in den Blickpunkt des Interesses getreten. Grund hierfür ist, dass die Nutzung von Biomasse annähernd CO2neutral ist, vorausgesetzt es wächst so viel Biomasse nach, wie verbraucht
wird. Es gibt unterschiedliche hydrothermale Prozesse, um Biomasse
nutzbar zu machen (Abb. 2).
Abb.2: Dampfdruckkurve des Wassers mit unterschiedlichen Verfahren zur Biomasse-Umwandlung (stark vereinfacht).
Bei ca. 80 – 260 °C werden die Vorbehandlungsmethoden durchgeführt.
Hierbei geht es darum, die vorhandenen Strukturen „aufzuweichen“. Das
bekannteste Verfahren ist der Steam-Explosion-prozess. Hierbei wird nach
der Behandlung bei ca. 160 – 260 °C schlagartig auf Normaldruck expandiert und so die Strukturen der Biomasse regelrecht aufgebrochen. Im etwas
höheren Temperatur-Bereich (190 – 310 °C, [3]) wird Zellulose und Hemicellulose zu Zuckern hydrolysiert, die dann z. B. für die Ethanol-Herstellung
benutzt werden kann. Dies ist ein wichtiger Schritt, wenn nicht zur Stärke,
sondern Lignocellulose als Ausgangsmaterial für die Bioethanol-Herstellung genutzt werden soll (siehe Artikel von Smirnova, Ingram et al. in
diesem Heft, [3,4]).
Im Bereich von ca. 170 – 200 °C wird die hydrothermale Karbonisierung
durchgeführt. Hier ist das Ziel „künstliche Kohle“ bzw. hochwertige neue
108
Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht
Kohlenstoff-Materialien herzustellen (siehe Artikel von Antonietti et al. in
diesem Heft, [5,6]).
Es existieren auch Hochtemperaturvarianten sowohl zur GlucoseGewinnung (z. B. 380 °C, [7,8]) und zur Hydrothermalen Karbonisierung
(z. B. 500 °C [9]), mit Letzteren können z. B. Nanoröhren hergestellt werden
können.
Das Aqueous Phase Reforming (ca. 250 °C) dient zur Herstellung von
Wasserstoff in Anwesenheit von Edelmetallkatalysatoren. Dies ist bei so
niedrigen Temperaturen aus thermodynamischen Gründen nur bei sehr
geringen Konzentrationen und mit Biomasse-Modellverbindungen oder –
Folgeprodukten, nicht mit realer Biomasse möglich [10 – 12].
Bei ca. 300 °C (- 350 °C) wird die hydrothermale Verflüssigung durchgeführt. Hierbei entsteht ein hochviskoses Öl mit geringem Wassergehalt
und im Vergleich zur Biomasse stark verringerter Sauerstoffgehalt. Das
„Öl“ hat einen hohen Brennwert und kann in anschließenden Prozessen
veredelt werden (siehe Abschnitt von Prins et al. in diesem Heft, [13]).
Diese Verfahren, die unterhalb des kritischen Punktes durchgeführt
werden, profitieren vom hohen Ionenprodukt des Wassers (Abb. 1) bei
diesen Bedingungen. Aufgrund dessen finden Reaktionen, die durch
Einsatz von Säuren oder Basen beschleunigt werden, auch ohne deren
Zusatz statt. Dies ist allerdings nicht die einzige Funktion des Wassers [14].
Dies ist besonders bei der Herstellung von chemischen Grundstoffen
aus Zuckern unter hydrothermalen Bedingungen wichtig. Beispiele sind
die Herstellung von Milchsäure Hydroxymethylfurfural aus Glucose aber
auch die chemische Veränderung von biochemisch hergestellten Substanzen (siehe Kapitel von H. Vogel et al. und Hirth et al. in diesem Heft, [15– 17]).
Nahkritisch, oberhalb bzw. unterhalb des kritischen Punktes ist der
Bereich der hydrothermalen Methanerzeugung ([18 – 21], siehe Kapitel von
F. Vogel et al. in diesem Heft). In diesem Bereich sind Methan und Kohlendioxid die thermodynamisch bevorzugten Reaktionsprodukte. Die Bildung
ist kinetisch gehemmt und die Reaktion erfordert den Einsatz heterogener
Edelmetallkatalysatoren. Die Herstellung von Methan ist durch Vergärung
möglich, aber nicht thermochemisch mit einem „trockenen“ Verfahren.
Biomasse ist ohne Wasser als Reaktionsmedium nicht reaktiv genug, um
bei diesen niedrigen, aber für die Methanbildung thermodynamisch erforderlichen Temperaturen.
Bei Temperaturen von 600 °C ist Wasserstoff neben Kohlendioxid das
bevorzugte Reaktionsprodukt. Da dieser Prozess im überkritischen Bereich
109
Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht
liegt, wird er meist Überkritische Biomassevergasung (Supercritical Water
Gasification – SCWG, siehe Kapitel von Boukis et al. in diesem Heft)
genannt [22,23]. Hier ist kein Zusatz von Katalysatoren notwendig. Die in
der Biomasse normalerweise enthaltenen Salze katalysieren die Wassergas-Shift-Reaktion und ermöglichen damit erst die hohe Wasserstoffausbeute [24].
Wassergas-Shift-Reaktion:
CO + H2O ➔ CO2 + H2
Die einzelnen Prozesse wie Verflüssigung und Vergasung können nicht
scharf voneinander abgegrenzt werden. Beim Aufheizen der Biomasse auf
600°C werden die Bereiche für hydrothermale Karbonisierung und Verflüssigung durchlaufen, was dann zu in der Regel unerwünschten Reaktionen
führt [25,26].
Diese hydrothermalen Verfahren ermöglichen die Erschließung von
nasser Biomasse als Rohstoffquelle für ein weites Spektrum von Kraftstoffen und bilden damit eine ideale Ergänzung zu Verfahren zur Nutzung
trockener Verfahren, die typischerweise bei deutlich höheren Temperaturen aber niedrigeren Drücken durchgeführt werden [27]. Vorteilhaft ist auch
die Kombination von biochemischen Verfahren und hydrothermalen.
Bereits erwähnt wurden die hydrothermale Vorbehandlung mit anschließender Bioethanol-Herstellung, sowie die hydrothermale Modifizierung
von biochemisch hergestellten Grundstoffen. Da bei biochemischen
Umwandlungsprozessen Lignin als Nebenprodukt anfällt, ist die hydrothermale Nutzung von Lignin eine Erfolg versprechende Anwendung
hydrothermaler Verfahren. Lignin ist einfach zu wertvoll, um es zu verbrennen!
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N. Dahmen, E. Henrich, A. Kruse, K. Raffelt, in Biomass to Biofuels: strategies for
global industries, (Hrsg.: H. P. Blaschek, N. Qureshi, A. Vertes, H. Yukawa), John
Wiley & Sons, 2009, in press.
Dr. Andrea Kruse
Institut für Technische Chemie, Chemisch-Physikalische Verfahren
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Hermann-von-Helmholtz-Platz 1, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen
E-Mail: andrea.kruse@kit.edu
111
Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie
Hydrothermale Konversion am Beispiel
der Zuckerchemie
Andrea Soler, Herbert Vogel
Technische Universität Darmstadt
Viele Alkohole wie Ethanol und Polyole wie zum Beispiel 1,2-Propandiol,
Glycerol und meso-Erythritol sind sowohl durch bio- als auch durch
chemokatalytische Verfahren aus einer Vielzahl von Kohlenhydraten, wie
Pentosen und Hexosen zugänglich. So kann zum Beispiel 1,2-Propandiol
aus Glucose, Mannose oder Fructose durch Zugabe von Clostridium
sphenoides gewonnen werden [1]; 1,3-Propandiol und 2,3-Butandiol können
fermentativ durch Zugabe von Klebsiella aus Glycerol synthetisiert
werden[2]. Glycerol ist ein Koppelprodukt der Biodieselherstellung bzw.
der Verseifung von Fetten und Ölen. MesoErythritol, ein weit verbreiteter
Zuckerersatzstoff, entsteht bei der Fermentation aus Glucose mittels
Trichosporonoides megachiliensis oder Moniliella pollinis[1].
Bei der Dehydratisierung von Monoalkoholen, wie zum Beispiel
Ethanol entsteht Ethen und Ethanol.
Die Dehydratisierung von Di-, Tri- und Polyolen zu den entsprechenden Aldehyden bzw. Ketonen unter gemäßigten Bedingungen (< 100 °C)
erfordert eine hohe Schwefelsäurekonzentration. Dagegen können Polyole unter hydrothermalen Bedingungen ohne Säurezusatz oder durch Zusatz
geringe Mengen an Elektrolyten dehydratisiert werden.
Reaktionen unter hydrothermalen Bedingungen sind schon seit längerem Gegenstand der Forschung. Dies begründet sich unter anderem durch
die ökologische Unbedenklichkeit, da Wasser nicht toxisch, nicht brennbar und nicht entflammbar ist. Wasser unterliegt zudem nicht der Gefahrstoffordnung und stellt eine gute Alternative zu den herkömmlichen
Lösungsmitteln dar. Die physikalisch-chemischen Eigenschaften wie zum
Beispiel die Dichte, die Autoprotolyse oder die Polarität (Dielektrizitätskonstante) können durch Variation von Druck und Temperatur verändert
werden. Unter hydrothermalen Bedingungen ist die Dielektriziätskonstan-
112
Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie
Abb. 1: Reaktionsschema zur Dehydratisierung von Diolen zu den entsprechenden Aldehyden und Ketone.
te von Wasser hoch genug, so dass Elektrolyte gelöst werden können, die
Ionendissoziation begünstigt wird und die Mischbarkeit mit unpolaren
Substanzen möglich ist[4]. Durch Zugabe geringer Mengen an Elektrolyten, wie zum Beispiel Zink-, Nickel- und Kupfersulfat können Umsätze
und Selektivitäten bei Dehydratisierungsreaktionen unter hydrothermalen Bedingungen deutlich erhöht werden[5].
Allgemein laufen Dehydratisierungen auf Grund der erhöhten Eigendissoziation von Wasser unter hydrothermalen Bedingungen im Vergleich
zu Standardbedingungen (1 atm, 25 °C) bevorzugt ab. So können zum
Beispiel cyclische Ether wie Tetrahydrofuran oder 1,4Anhydroerythritol
durch Dehydratisierung von Polyolen mit Hydroxylgruppen in n, (n+3)Stellung gewonnen werden ((n=1,2,3..) gibt die Position der ersten Hydroxylgruppe an).
Bei der Dehydratisierung von meso-Erythritol wurde die Temperatur
(300 – 400 °C), der Druck (250 – 340 bar), die Zinksulfatkonzentration (494,
988, 1976, 3953 ppm (g g-1) und die Eduktkonzentration (5–60g L-1) variiert.
113
Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie
Die maximale Ausbeute an 1,4-Anhydroerythritol beträgt 55 % bei 360 °C,
340 bar und 60 s. Höhere Ausbeuten konnten auf Grund von Folgereaktionen bei Temperaturen größer als 360 °C nicht erreicht werden. Die Variation des Druckes zeigte keinen Einfluss auf das Umsatz-Selektivitätsverhalten. Durch Zugabe von Zink- (1000 ppm (g g-1)) und Kupfersulfat
(1000 ppm (g g-1)) sowie Schwefelsäure (20 mmol L-1) kann die Ausbeute
auf maximal 60% bei 360°C und 340 bar erhöht werden. Unter Zugabe von
Natriumsulfat wird kein 1,4-Anhydroerythritol gebildet, die Reaktion wird
also inhibiert[5].
Abb. 2: Reaktionsschema zur Dehydratisierung von meso-Erythritol.
Im Gegensatz dazu entsteht bei der Dehydratisierung von Diolen mit
benachbarten Hydroxylgruppen, wie zum Beispiel 1,2-Propan- und 1,2Butandiol sowie 2,3-Butandiol, die entsprechenden Aldehyde bzw.
Ketone[1][5).
2,3-Butandiol kommt in drei Stereoisomeren vor, die biochemisch voneinander isoliert werden können; die beiden Enantiomere (R,R) und (S,S)2,3-Butandiol sowie eine meso Form (R,S)-2,3-Butandiol. Die Dehydratisierung von 2,3-Butandiol verläuft säurekatalysiert, über eine pinacolähnliche Umlagerung mittels H- bzw. Alkylschift zum 2-Butanon und zum
Isobutyraldehyd.
Durch Zugabe von 800 ppm (g g-1) (5 mmol L-1) Zinksulfat konnte der
Umsatz von 44% auf 98% bei 360°C und 120 s erhöht werden. Die maximal
erreichte Ausbeute beträgt 79 %. Es konnte festgestellt werden, dass bei
Umsetzung der verschiedenen Stereoisomere schon ab einer Verweilzeit
von 30 s nahezu vollständiger Umsatz erreicht wird. Des Weiteren wurde
der Edukteinfluss auf das Umsatz-Selektivitätsverhalten untersucht. Bei
Einsatz des (R,R)-Isomers liegt die Ausbeute an 2-Butanon ca. 10– 15% über
denen des meso-Isomers. Wurde das Gemisch aller drei Stereoisomere
((R,R)-, (S,S)- und meso-2,3-Butandiol) eingesetzt, so ergibt sich eine durchschnittliche Ausbeute an 2-Butanon. Dies steht im Einklang mit Bucsi der
114
Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie
Abb. 3: Reaktionsmechanismus zur Dehydratisierung von 2,3-Butandiol.
ebenfalls eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit der c2-symmetrischen
Isomere feststellte. Bei meso-2,3-Butandiol kommt es bei beiden möglichen
Zwischenstufen zu einer sterischen Hinderung der beiden Methylgruppen, was eine langsamere Reaktion zur Folge hat. Bei den rac-Isomeren
gibt es eine Zwischenstufe, bei der diese sterische Hinderung nicht auftritt.
Diese ist energetisch bevorzugt, und liefert über einen Hydridshift 2Butanon. Somit kann über diese stereochemische Betrachtung sowohl die
Produktverteilung zugunsten des 2-Butanon, wie auch die schnellere
Reaktion des rac-Isomers erklärt werden[6].
Bei der Dehydratisierung von 1,2-Butandiol zu n-Butyraldehyd
wurde der Temperatur- (300 – 380 °C), Druck- (240 – 340 bar), Zinksulfat(200 – 1600 ppm (g g-1)) und Edukteinfluss (2,5, 5, 10 % (g g-1) untersucht.
Vollständiger Umsatz wird ab einer Temperatur von 320 °C bei 340 bar
und einer Verweilzeit von 120 s erreicht. Die maximale Ausbeute an
n-Butyraldehyd beträgt 70 % bei 340 °C, 340 bar und 120 s. Durch eine
Druckerhöhung auf 340 bar konnte die Geschwindigkeitskonstante um
den Faktor zwei erhöht werden. Durch Zusätze wie Magnesiumsulfat
(400 ppm (g g-1)), Zinksulfat (400 ppm (g g-1)) und Schwefelsäure
(10 mmol L-1) kann der Umsatz von 60 % auf 85 % bei 360 °C und 340 bar
erhöht werden. Aus den Konzentrations-Verweilzeitdiagrammen für die
Zinksulfat- und Eduktvariation konnte die Reaktionsordnung bezüglich
115
Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie
des 1,2-Butandiols und des Zinksulfats ermittelt werden. Für das Zinksulfat beträgt diese 0,35 und für das 1,2-Butandiol eins[5].
Abb. 4: Reaktionsschema zur Dehydratisierung von 1,2-Butandiol.
Pyrane entstehen bei der Umsetzung von Polyolen mit Hydroxylgruppen in n, (n+4)-Stellung, was bei der Umsetzung von 1,5-Pentandiol der
Fall ist[7]. Bei der Dehydratisierung von 1,5-Pentandiol wurde der Temperatur- (300, 350, 380, 400 °C) und Druckeinfluss (250, 300 bar) untersucht.
Durch die Druckerhöhung konnte schon bei vergleichsweise kleinen
Verweilzeiten hohe Umsatzwerte erreicht werden[7].
Abb. 5: Reaktionsschema zur Dehydratiserung von 1,5-Pentandiol.
Mittels Dehydratisierungsreaktionen unter hydrothermalen Bedingungen können technisch relevante Umsätze und Ausbeuten erzielt werden.
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Anschrift der Autoren:
Andrea Soler, Prof. Dr. Herbert Vogel
Technische Universität Darmstadt, Institut für Chemische Technologie
Petersenstr. 20, 64287 Darmstadt
E-Mail: vogel@ct.chemie.tu-darmstadt.de
117
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
Hydrothermale katalytische Vergasung
von Biomasse – eine Übersicht
Frédéric Vogel
Labor für Energie und Stoffkreisläufe
Gliederung
1. Biokraftstoffstrategie – wieso SNG?
2. Katalyse in überkritischem Wasser für die Vergasung von Biomasse
3. Der hydrothermale SNG-Prozess des PSI: Hauptergebnisse, Stand, Ausblick
4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
118
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
Methane as a universal and clean fuel
for centralized, decentralized, and mobile applications
Already available and affordable today!
138 g CO2/km (Gasoline: 169 g CO2/km)
Combined cycle ηel up to 60%
1-4.6 kWel
1.5-7 kWth
1 kWel
2.5 kWth
Wie bringe ich die Biomasse in bestehende Verteilnetze?
Syngas
Vergasung
Vergasung
Methanierung
Kombikraftwerk
SNG
WKK
Strom
Fernwärme
Strom
Kompogas
Biogas
Erdgasnetz
ARA
Hydrothermale SNG
Vergasung
Biogas
WKK
Biogas
119
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
Kosten von Biomasse in der Schweiz
CHF per ton (dry matter)*
Clean wood
Energy crops
Liquid manure
Residential &
industrial
biowaste
Quelle: Oettli et al., Bundesamt für Energie, Schweiz, 2004
*includes harvesting costs but no transportation costs
Concept for complete manure utilization
7 kg/h
Complete energetic utilization of the
manure with a high conversion
efficiency.
Balance: 15 kg/h CO2
Energy
(Methane)
900 EUR/t
6.5 Cts/kWh
Destruction of ecotoxic substances
(pathogens, hormones, prions,
antibiotics)
Agriculture
Manure
INNOMANURE
1000 kg/h
(2.4% dry matter)
Water
972 kg/h
In concentrated form
simplified manuring,
reduction of ammonia and phosphate emissions
Fertilizer
(N, P, K)
6 kg/h (dry)
120
500 EUR/t N fertilizer
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
SNG production from biomass
Gasification
800-900°C
1 atm
no catalyst
H°
∆r
Methanation
400°C
10-20 atm
Ni catalyst
CO + 1.08 H2
∆
rH
°=
ol
/m
kJ
1
10
=+
Tars, Char
–1
27
kJ
/m
ol
∆rH° = –26 kJ/mol
CH1.49O0.67(s) + 0.33 H2O(g)
0.52 CH4 + 0.48 CO2 + 0.04 H2O(g)
Hydrothermal gasification
400°C
300 atm
Ru catalyst
∆vH100 = +41 kJ/mol
0.33 H2O(l) + 5.05 H2O(l)
Slurry with 20 wt% dry matter
inert, „ballast water“
Hydrothermale Vergasung: Prinzip Dampfkochtopf
400
350
überkritisches
Wasser
Druck (bar)
300
250
nahekritisches
Wasser
200
unterkühlte Flüssigkeit
150
100
überhitzter Dampf
50
0
0
100
200
300
400
500
600
Temperatur (°C)
„Hydrothermal“ bedeutet Umsetzung in Wasser unter Druck (ca. 200-400 bar)
und Temperaturen von ca. 250-600°C.
121
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
Hydrothermale Vergasung von Sägemehl
Umsatz zu Gas: 21%
Ausbeute: 0.02 g CH4/g Holzdaf
DOC: 14.4 g/L
Autoklav:
410°C, ca. 300 bar, 98 min.
Starke Teer- und Koksbildung und
kaum Methan.
ohne Katalysator
Umsatz zu Gas: >99%
Ausbeute: 0.33 g CH4/g Holzdaf
510 L CH4/kg Holz
10% Holz
85% Wasser
5% Katalysator
TOC: 49 g/L
100%
80%
43%
CO2
H2
60%
8%
CH4
40%
mit Katalysator
20%
49%
CO < 0.1%
0%
Waldner and Vogel, I&ECR 44:13, 2005
Product gas
Catalysts: summary of useful supports and metals
Support
Oxidizing Reducing
α-Al2O3
+
HfO2
MnO
Metal
Ni (stabilized)
–
+
+
?
Ru
+
+
?
+
Rh
?
+
MnO2
(+)
–
Pt
(+)
+
Ta2O5 (orthorh.)
+
?
Pd
(+)
+
TiO2 (rutile)
+
+
UO2
+
?
ZrO2 (monocl. or stab.)
+
+
C (graphitic)
(+)
(+)
But: strong bases or acids
can cause dissolution!
350-500°C, 20-30 MPa, + means active and/or stable, ? not studied
122
Oxidizing Reducing
+
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
Results (1): Catalyst stability
Ru/C catalyst tested for a total of ca. 220 h on stream with a mixture of 5 organic compounds.
Accelerated testing with WHSVorg up to 33 h–1
450 & 500°C
400°C
60
400 °C
35
30
50
25
45
20
40
CO2
H2
10
CO
5
0
15
CH4
10
WHSV
gas concentration / vol%
55
5
0
20
40
60
0
100
80
runtime / hrs
Waldner et al., J. Supercrit. Fluids (2007), 43, 91-105
Results (2): Catalyst poisoning by sulfate
Organic mixture + 8 ppm sodium sulfate
CO2
50
40
10
H2
SO42–
400 °C
355 °C
400 °C
355 °C
20
355 °C
355 °C
SO42–
SO42–
400 °C
CO
400 °C
CH4
30
400 °C
product gas concentration / vol %
60
0
0
10
20
30
40
50
60
time on stream / hrs
70
80
90
100
Waldner et al., J. Supercrit. Fluids (2007), 43, 91-105
123
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
SEM-EDXS analysis of Ru/C
SEM-EDXS examination after sulfate feeding (catalyst deactivated)
Stereo microscope
SEM image (SE, 30 keV)
Ru Kα EDXS mapping
Ru
S Kα EDXS mapping
S
ca. 2.8 mm
Fe2O3 (EDXS)
Al2O3 (EDXS)
(S / Ru)molar ≈ 1
Sulfur and ruthenium „delocalized“ within the carbon matrix
XPS identified S species as sulfate. Re-oxidation of sulfide?
SEM analysis by R. Brütsch, PSI
Salt solubility in supercritical water
Tpc = 385°C
Precipitation of Na2SO4 from a 4 wt% solution on a
„hot finger“. Tsolution = 356°C, p = 25 MPa
Hodes, M. et al., JSCF 29 (2004)
F. J. Armellini, PhD thesis, Dept. of Chem. Eng. , MIT, 1993
124
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
PSI’s catalytic hydrothermal SNG process
Flue gas
450°C
Superheater &
salt separator
Biomass slurry
350°C
Gas fired burner
Salt brine
Air
Catalytic
reactor
(gasification &
methanation)
Preheater
(heat
recovery)
300 bar
High pressure
slurry pump
CO2
400°C
150°C
SNG
Phase
separator
300 bar Cooler
PWS
(to pipeline, gas engine, fuel
cell, gas turbine)
Water
Salt separator schematic
Feed (salt solution)
Exit, to reactor
T1Medium
T1Jacket
Ti Gr. 5
Tmax 550°C
pmax 35 MPa
TJacket
70 cm
T2Jacket
T2Medium
Salt brine
125
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
Continuous separation of K2SO4 + Na2CO3 from SCW
Druck 300 bar
V Feed 960 ml/h
m Salzabscheider (SA) ca. 2.6 g/min
Öffnungsverhältniss 1:5 (SA zu V17)
80'000
T13 SA Medium oben
T4 SA Mantel oben
T5 SA Mantel unten
390 °C
70'000
Feed LF [uS/cm]
430 °C
LF1 [uS/cm]
470 °C
LF2 [uS/cm]
500 °C
0.05 M each
50'000
T 13 = 341 °C
T 4 = 390 °C
T 5 = 390 °C
T 13 = 382 °C
T 4 = 430 °C
T 5 = 430 °C
T 13 = 415 °C
T 4 = 500 °C
T 5 = 500 °C
T 13 = 406 °C
T 4 = 470 °C
T 5 = 470 °C
Probenahme
30'000
20'000
Probenahme
Probenahme
40'000
Probenahme
Leitfähigkeit [µS/cm]
60'000
10'000
0
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
5
5.5
6
6.5
Zeit [h]
Master thesis J. Regler (FH Weihenstephan)
Process Development Unit (KONTI-2)
D
C
G
E
A Feed container
B High pressure pump
Max. 1 kg/h
C Preheater
500°C
D Salt separator
350 bar
E Fixed-bed reactor
F Coolers
G Pressure letdown & G/L separation
H on-line gas analysis
F
H
A
126
B
7
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
Conductivity [mS/cm]
Gas composition [%]
Proof of Concept: Simultaneous gasification & salt removal
20 wt% Glycerol + 0.05 mol/kg K3PO4
Reactor 400°C
Reactor off
20 wt% Glycerol
Reactor 400°C
Reactor off
60
55
50
45
40
35
CH4
CO2
H2
2.0
1.5
1.0
0.5
0
50
40
C2H6
CO
Brine Effl.
30
20
10
0
n-C4H10
C3H6/C3H8
React. Effl.
Feed
0
1
2
3
4
5
6
8
7
9
Time on stream [h]
Temperature profiles of the reactor
Fluid temperature [°C]
Pressure 30 MPa, Preheater 370°C, Salt Separator 370°C
Feed flow rate 1014 ± 24 g/h, Brine flow rate 156 ± 48 g/h
430
425
420
415
410
405
400
395
390
385
380
375
370
365
360
355
350
ca. 40 K heat loss
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
Reactor length (from inlet) [cm]
20% Glycerol / Reactor 400°C
20% Glycerol + K3PO4 / Reactor 400°C
20% Glycerol / Reactor off
20% Glycerol + K3PO4 / Reactor off
127
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
Results: Continuous gasification & salt separation
20 wt% glycerol
Gas phase characteristics
Reactor
Salt
Separator
Preheater
Feedstock characteristics
Total feed flow rate [g/h]
1035
992
Elemental flow rate [g/h]
C: 83.06 C: 81.02
K: 5.47
P: 1.53
20 wt% glycerol with 0.05 mol/kg K3PO4
Over-all balance:
Cin/Cout = 92 ± 6 %
Cin/Cout = 88 ± 6 %
Kin/Kout = 87 ± 16 %
Pin/Pout = 72 ± 16 %
(PO43-in/PO43-ou = 62 ± 13 %)
Brine effluent characteristics
Total liquid flow rate [g/h]
142
151
Elemental flow rate [g/h]
C: 9.64 C: 7.21
K: 3.09 (57 %)
P: 1.05 (69 %)
Gas: 138.5 L/h
C: 66.51 g/h
CGas/CFeed = 98 %
Y‘CH4 = 93%
CH4:
C2H6:
C3H8:
n-C4H10:
CO2:
CO:
H2:
56.2 %
0.0 %
0.0 %
0.0 %
42.6 %
0.0 %
1.1 %
Gas: 130.8 L/h
C: 64.05 g/h
CGas/CFeed = 102 %
Y‘CH4 = 93%
54.3 %
0.9 %
0.3 %
0.1 %
43.2 %
0.0 %
1.2 %
Liquid phase characteristics
Total flow rate [g/h]
736
690
Elemental flow rate [g/h]
C: 0.02
C: 0.45
K: 1.66 (30 %)
P: 0.04 (3 %)
Ongoing research
• Gasification of biomass with a high sulfur content (algae, manure, black liquor)
• Understanding coke formation during preheating
• Improving the salt separator design (better heat integration and salt separation)
• Complete mineralization of organic N, S, P in the preheater
128
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
Summary and Outlook
• Water is present in many feedstocks at > 50 wt% and removing it as vapor would
require a lot of energy.
• Wet residual biomass is economically attractive but technologically challenging.
• Various types of biomass can be directly gasified to a methane-rich gas
(Bio-SNG) in supercritical water using a suitable catalyst (e.g. Ru/C).
• If Bio-SNG is to be produced in a sustainable way, the fate of the inorganics
(salts) must be considered carefully. Ideally, they are a valuable co-product!
• Closed bioenergy systems, based on micro-algae and hydrothermal gasification,
are a promising concept for CO2 mitigation and Bio-SNG production.
SunCHem Process: Green Gas “Hors Sol”
Nutrients, CO2, H2O
C02 + H2O + hν CH20 + O2
CO2
H 2O
C02 + 2 H2O + 2 hν CH4 + 2 O2 2 CH2O CH4 + CO2
PhotoC
Bioreactor
Hydrothermal
Gasification
CH4
O2
Wet Biomass (micro algae)
129
Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht
Langfristige Entwicklung
• Die Ressourcenbasis für Biomasse ist begrenzt:
– Hoher Flächenbedarf;
– Landwirtschaftliche Flächen dienen in erster Linie der
Nahrungsmittelproduktion;
– Nachhaltig sind Rest- und Abfallbiomasse (mit beschränktem Potenzial)
• Signifikante Erweiterung der nachhaltigen Ressourcen nur möglich, wenn
unabhängig von landwirtschaftlichen Flächen realisierbar ( Algenbiomasse)
• Biomasse ist die einzige erneuerbare Ressource für organischen Kohlenstoff.
Stoffliche Nutzung steht langfristig im Vordergrund Chemikalien.
Anschrift des Autors:
Dr. Frédéric Vogel
Labor für Energie und Stoffkreisläufe, Paul Scherrer Institut
5232 Villigen, Schweiz
E-Mail: frederic.vogel@psi.ch
130
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Andreas Schütte
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
Historischer Prozess in neuem Gewand und mit neuen Perspektiven – so
können schlaglichtartig und pointiert die Erkenntnisse und Ergebnisse der
am 11. und 12. Februar in Berlin und am 2. und 3. September 2009 beim
Karlsruher Institut für Technologie, Campus Nord, durchgeführten Fachgespräche zur hydrothermalen Carbonisierung zusammengefasst werden.
Die in diesem Band der Reihe „Gülzower Fachgespräche“ enthaltenen
Beiträge sowie die anschließende Diskussion im Expertenkreis machen
eine fundierte Standortbestimmung zum aktuellen Stand der hydrothermalen Carbonisierung (HTC) und anderer hydrothermaler Verfahren zur
Konversion von Biomasse bzw. nachwachsenden Rohstoffen bzw. zur
Durchführung von chemischen Reaktionen in hydrothermalen Umgebungen in Deutschland möglich.
Entstanden aus dem wissenschaftlichen Bestreben die Prozesse der
Inkohlung zu verstehen und technisch nachzuvollziehen, hier sind die
Arbeiten des Nobelpreisträgers Bergius im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zu nennen, erlebt die technische Herstellung von Kohle aus Biomasse unter dem Begriff HTC seit 2006 in der öffentlichen Diskussion eine
Renaissance. Dies spiegelt sich in vielfältigen Aktivitäten, deren detaillierte Darstellung den Rahmen dieses Werkes sprengen würde, wider. Die
Vielfalt der Meinung führte auch zu kontroversen öffentlichen Diskussionen, daher war die Aufarbeitung des Bereiches hydrothermaler Verfahren
in den vorliegenden Fachgesprächen besonders aktuell.
Neben der im Fokus der Öffentlichkeit stehenden HTC werden seit
längerem, stellvertretend sind hier die Arbeiten des KIT, Campus Nord,
zur hydrothermalen Vergasung zu nennen, weitere hydrothermale Verfahren entwickelt. Ebenso gewinnt die Durchführung von Reaktionen mit
Biomasse oder biogenen Edukten unter hydrothermalen Bedingungen für
stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe an Bedeutung. Hydrothermale Verfahren sind also facettenreich, ihre Beurteilung muss daher unter
131
Zusammenfassung
sorgfältigster Abwägung aller Aspekte erfolgen. Dazu konnten die beiden
Fachgespräche einen wertvollen Beitrag leisten.
Welche Schlüsse können aus den Beiträgen der beiden Fachgespräche
gezogen werden? Wie der kurze Blick in die Geschichte zeigt, ist die
„künstliche Inkohlung“ keineswegs neu, jedoch wird heute dieser Prozess
als HTC-Verfahren oder in verwandten Verfahren nicht mehr aus wissenschaftlich-technischer Neugier zum Verständnis der Inkohlung von Biomasse betrieben, sondern als Produktionsverfahren zur wertschöpfenden
Erzeugung von Produkten, sei es zur energetischen, sei es zur stofflichen
Nutzung. Damit werden viele Fragen, welche die Forscher und Entwickler früherer Arbeiten nicht als Schwerpunkt gesehen haben, relevant. Da
in Vergangenheit der Prozess der Inkohlung an sich im Mittelpunkt stand,
sind Fragen wie die Zusammensetzung der wässrigen Phase oder des
Verbleibs von Phosphor nicht in der heute notwendigen Tiefe betrachtet
worden. Dies ist bei der Bewertung des erreichten Standes zu berücksichtigen. Als wesentliche Erkenntnis des Fachgesprächs bleiben festzuhalten:
1. Die technische Inkohlung wird als HTC heute bezüglich der Kohlephase gut beherrscht, so konnten die Inkohlungzeiten von historisch
12 bis 24 Stunden heute auf unter 90 min. gesenkt werden. Dies ist
nicht zuletzt der gezielten katalytischen Prozessbeeinflußung zu
verdanken.
2. Die Kohlenstoffbilanz von hydrothermalen Umwandlungsrouten ist
durchweg gut, der überwiegenden Teil (>> 70 %) des im Edukt
enthaltenen Kohlenstoffs findet sich in der „künstlichen“ Kohle
wieder. Ebenso ist die Energiebilanz derartiger Prozesse-Prozessen
positiv. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass für eigens erzeugte
biogenen Brennstoffe die Möglichkeit der direkten Nutzung besteht.
Die Frage der Nutzung von Biomasse zur Erzeugung von Energieträgern über hydrothermale Konversionsrouten ist daher auch eine
Frage von Gesamtenergiebilanz und Wirtschaftlichkeit.
3. Der Anwendungsbereich der gegenwärtigen HTC-Verfahren als
unter Anlegung industrieller Maßstäbe am weitesten entwickelter
Prozessroute liegt bei kostengünstigen bzw. mit Entsorgungserlösen
verbundenen organischen Edukten wie Abfällen. Konversionskosten von oberhalb 100 bis 150 €/t Kohlenstoff lassen die Verwendung
land- und forstwirtschaftlicher Biomassen, die zu Marktpreisen
verfügbar sind, auf dem heutigen Stand der Entwicklung nur bei
chemisch-technischen Verwendungen, nicht jedoch bei der Nutzung
132
Zusammenfassung
als Brennstoff wirtschaftlich erscheinen. Entsprechend liegt der
Schwerpunkt der kommerziellen Aktivitäten zur energetischen Nutzung von Produkten der HTC auch im Bereich der biogenen Abfälle.
4. Die Frage, ob hydrothermale Verfahren zu einer Kreislaufschließung
bezüglich land- und forstwirtschaftlicher Nährstoffe wie Stickstoff,
Schwefel oder Phosphor betragen können, ist nicht restlos geklärt.
Bislang steht nur fest, dass wasserlösliche Verbindungen von Alkaliund Erdalkalimetallen entstehen, dadurch werden diese Elemente
in die wässrige Phase überführt. Unter den gegenwärtigen rechtlichen Bedingungen ist es voraussichtlich nicht möglich, die wässrige Phase eines hydrothermalen Verfahrens direkt als Düngemittel
zu verwenden. Zur Kreislaufschlußfähigkeit von gegenwärtigen
HTC-Prozessen können vor diesem Hintergrund keine abschließenden Aussagen getroffen werden, hier sind die Ergebnisse laufender
Vorhaben und weiter Entwicklungsarbeiten abzuwarten.
5. Die Prozessführung von hydrothermalen Verfahren lässt, in gewissen Grenzen, eine Steuerung der Partikelmorphologie sowie der
Aktivität der, auch der inneren, Oberflächen zu. Damit könnte sich,
weniger beim Ersatz des klassischen „Carbon Black“ als bei neu zu
entwickelnden Anwendungen für „intelligente“ (reaktive) Füll- und
Hilfsstoffe z. B. bei technischen Gummiwaren wie Reifen ein Potenzial im Bereich der stofflichen Nutzung ergeben. Allerdings steht
dieser Bereich noch ganz am Anfang, viele Überlegungen sind
hypothetisch. Hier gilt es, dass die jeweiligen Marktpartner in
gemeinsamen Forschungsarbeiten das Terrain sondieren und vielversprechende Anwendungsbereiceh identifizieren.
Damit ergibt sich für gegenwärtige hydrothermale Konversionsprozesse in Hinblick auf die Nutzung von Produkten der heimischen Land- und
Forstwirtschaft ein differenziertes Bild. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass hydrothermale Verfahren nach den jeweiligen Anwendungsgebieten der Produkte unterschiedlich zu bewerten ist:
■ Im Bereich der energetischen Nutzung sind hydrothermale Verfahren eher für wässrige oder stark wasserhaltig organische Rest- und
Abfallstoffe geeignet, für die klassischen Anwendungen von nachwachsenden Rohstoffen z. B. für Einzelfeuerstätten oder Biokraftstoffe, sind auf dem heutigen Stand der Entwicklung keine Vorteile dieser Prozesses zu erkennen.
133
Zusammenfassung
■ Hinsichtlich der stofflichen Nutzung von Produkten hydrothermaler Verfahren, speziell der der HTC, sind Potenziale ersichtlich,
jedoch fehlt hier eine systematische Aufarbeitung der Möglichkeiten sowie eine Bewertung der Anpassbarkeit an spezifische Verwendungen z. B. durch die chemisch-physikalische Modifikation von
Oberflächen. Außerdem sind hier bisher Rest- und Abfallstoffe i.d.R.
nicht als Einsatzstoff geeignet. Hier besteht grundsätzlicher
Forschungsbedarf.
■ Einen weiteren wichtigen Aspekt bildet die Durchführung von
chemisch-technischen Konversionsverfahren zur Nutzung von
nachwachsenden Rohstoffen unter den besonderen Bedingungen
hydrothermaler Verfahren. Hier bestehen interessante Ansätze, die
neue Möglichkeiten der Erzeugung spezieller Chemikalien oder
Verbindungen eröffnen. Allerdings stehen hier Forschung und
Entwicklung noch am Anfang.
Da aus wirtschaftlichen Gründen sich inbesondere der Einsatz der HTC
zunächst auf Edukte mit geringen Kosten oder Entsorgungserlösen konzentrieren wird, sieht die FNR eine vordringliche Förderung oder einen Förderschwerpunkt zur HTC im Rahmen des Förderprogramms Nachwachsende Rohstoffe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten (BMELV) nicht als erforderlich an. Dies schließt eine Förderung in
Einzelfällen, die eine verstärkte Nutzung land- und forstwirtschaftlicher
Biomasse insbesondere im stofflichen Bereich ermöglichen, nicht aus. Im
Bereich der stofflichen Nutzung werden aus Mitteln des BMELV auch
schon eine Reihe von Projekten zum Thema gefördert.
Der Entschluss der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), weitere
Vorhaben zur HTC zu fördern, wird in diesem Zusammenhang begrüßt.
Die Schwerpunktsetzung im Bereich organische Abfälle ist vor dem Hintergrund der bei biogenen Brennstoffen aus der heimischen Land- und Forstwirtschaft etablierten oder in der Entwicklung befindlichen Alternativen
der Nutzung sinnvoll.
Die FNR wird die Entwicklungen zu hydrothermalen Konversionsrouten und -verfahren weiter aufmerksam verfolgen. Sofern neue Erkenntnisse erhalten werden, wird die FNR diesen in weiteren Fachgesprächen mit
Experten erörtern und würdigen.
Zum Schluss sei allen Referenten und Teilnehmern für die wertvolle,
konstruktive und intensive Mitarbeit am Fachgespräch herzlich gedankt.
134
Zusammenfassung
Dem KIT, Campus Nord, insbesondere Herrn Prof. Dr. Dinjus und
seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt mein besonderer Dank bei
der Mitgestaltung und Organisation vor Ort des Gespräches in Karlsruhe.
Ohne dieses Engagement wäre die September-Veranstaltung nicht erfolgreich durchzuführen gewesen.
Ich hoffe, dass der hiermit vorliegende Band der „Gülzower Fachgespräche“ zur sachlichen und technisch vertieften Informationen zu den
Entwicklungen bei hydrothermalen Verfahren einen Beitrag leisten kann.
Dem geneigten Leser sei eine interessante und informative Lektüre
gewünscht.
Anschrift der Autors:
Dr.-Ing. Andreas Schütte
Geschäftsführer
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
Hofplatz 1, 18276 Gülzow
E-Mail: info@fnr.de
135
Band 33
Gülzower Fachgespräche
nachwachsende-rohstoffe.de
Gülzower Fachgespräche
Band 33
Hydrothermale Carbonisierung
Herausgeber
Gefördert durch das Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Gedruckt auf Papier aus Durchforstungsholz
mit Farben auf Leinölbasis
FNR-Bestellnummer: 366
ISBN: 978-3-9803927-6-1
Hydrothermale Carbonisierung
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR)
Hofplatz 1 • 18276 Gülzow
Tel. : 0 38 43 /69 30 - 0
Fax: 0 38 43 /69 30 - 1 02
E-Mail: info@fnr.de
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