Gülzower Fachgespräche
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Gülzower Fachgespräche
Band 33 Gülzower Fachgespräche nachwachsende-rohstoffe.de Gülzower Fachgespräche Band 33 Hydrothermale Carbonisierung Herausgeber Gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Gedruckt auf Papier aus Durchforstungsholz mit Farben auf Leinölbasis FNR-Bestellnummer: 366 ISBN: 978-3-9803927-6-1 Hydrothermale Carbonisierung Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) Hofplatz 1 • 18276 Gülzow Tel. : 0 38 43 /69 30 - 0 Fax: 0 38 43 /69 30 - 1 02 E-Mail: info@fnr.de Internet: www.fnr.de Gülzower Fachgespräche, Band 33 Hydrothermale Carbonisierung 11./12. Februar 2009, Berlin 2./3. September 2009, Karlsruhe Herausgegeben von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), Hofplatz 1, 18276 Gülzow mit Förderung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) FNR 2010 Herausgeber Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) Hofplatz 1 · 18276 Gülzow Tel.: 0 38 43/69 30-0 Fax: 0 38 43/69 30-102 E-Mail: info@fnr.de Internet: www.fnr.de Redaktion Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) Abt. Öffentlichkeitsarbeit Layout und Herstellung nova-Institut GmbH · 50354 Hürth www.nova-institut.de/nr Druck und Verarbeitung Media Cologne Kommunikationsmedien GmbH · 50354 Hürth www.mediacologne.de Förderung Erstellt mit finanziellen Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Für die Ergebnisdarstellung mit Schlussfolgerungen, Konzepten und fachlichen Empfehlungen sowie die Beachtung etwaiger Autorenrechte sind ausschließlich die Verfasser zuständig. Daher können mögliche Fragen, Beanstandungen oder Rechtsansprüche u. ä. nur von den Verfassern bearbeitet werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in dieser Veröffentlichung berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei betrachtet und damit von jedermann benutzt werden dürften. Ebenso wenig ist zu entnehmen, ob Patente oder Gebrauchsmusterschutz vorliegen. Die aufgeführten Bewertungen und Vorschläge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Alle Rechte vorbehalten. FNR-Bestellnummer: 366 ISBN: 978-3-9803927-6-1 Inhaltsverzeichnis Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Andreas Schütte Fachgespräch: Hydrothermale Carbonisierung Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Bodo Wolf Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 G. Engelmann, Hans-Peter Fink Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Christiane Grimm Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Till Belusa, Axel Funke, Frank Behrendt, Felix Ziegler Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Andrea Kruse Hydrothermale CarbonisierungAnalyse und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . 64 Klaus-Dieter Vorlop, Frank Schuchardt, Ulf Prüße 3 Inhaltsverzeichnis Fachgespräch: Hydrothermale Verfahren Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Irina Smirnova, Thomas Ingram Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Nikolaos Boukis, Ulrich Galla, A. Hammerschmidt, Eckhard Dinjus Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Synthesebausteinen/Plattformchemikalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Hirth, Thomas, Gerd Unkelbach, Rainer Schweppe Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht . . . . . . 107 Andrea Kruse Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie . . . . . . . . . 112 Andrea Soler, Herbert Vogel Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Frédéric Vogel Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Andreas Schütte 4 Vorwort Vorwort Andreas Schütte Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) Biomasse bzw. nachwachsende Rohstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft haben sich in der letzten Dekade vom Nischenprodukt zur umkämpften weil begrenzt verfügbaren Ressource gewandelt. Die umfassende und hoch effiziente Nutzung der Ressource Biomasse hat damit ebenfalls im Rahmen der Förderung aus dem Programm Nachwachsende Rohstoffe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) an Bedeutung gewonnen. Eine praktische Ausprägung dieser zukunftsweisenden Schwerpunktsetzung ist die verstärkte Förderung von Projekten zur Kaskadennutzung von nachwachsenden Rohstoffen oder zur gleichzeitigen Erzeugung von stofflich und energetischen nutzbaren Produkten („Bioraffinerie“). Dabei gilt es, auch neue Lösungswege und Konversionsrouten zu betrachten und in hinreichender Art und Weise zu evaluieren. In diesem Zusammenhang befasst sich der vorliegende Band der Gülzower Fachgespräche mit dem Thema hydrothermale Verfahren. Unter hydrothermalen Verfahren sollen hier Prozesse verstanden werden, die Wasser bei erhöhten Drücken und Temperaturen als Reaktionsmedium und (ab einem bestimmten Bereich der Zustandsgrößen) auch als Reaktionspartner nutzen. Dabei werden die einzigartigen Eigenschaften von Wasser intelligent in die Verfahrensführung einbezogen, was z. B. einzigartige Reaktionsbedingungen oder einfache Trennverfahren möglich macht. Zudem stellt auch Wasser eine natürliche Ressource, die in Deutschland vielfach in großer Menge zugänglich ist, dar. Hydrothermale Verfahren werden zwar seit geraumer Zeit für die Konversion von Biomasse, sei es für die stoffliche, sei es für die energetische Nutzung verfolgt, in den Blick der Öffentlichkeit wurden die hydrothermalen Verfahren durch die Aktivitäten von Herrn Prof. Dr. Antionietti zur hydrothermalen Carbonisierung (HTC) seit dem Jahre 2006 gerückt. Aber der Bereich der hydrothermalen Verfahren zur Biomassekonversion 5 Vorwort ist chemisch und verfahrenstechnisch so facettenreich wie die bei solchen Verfahren gewinnbaren Produkte. Die HTC stellt nur einen interessanten neuen Konversionsweg dar, auch Verfahren, bei denen das Reaktionsmedium Wasser selbst zum Reaktionspartner wird, wie dies z.B. in der hydrothermalen Vergasung der Fall ist oder die die spezifischen Eigenschaften von Wasser unter erhöhten Drücken und Temperaturen zur intelligenten Reaktionsführung chemisch-technischer Synthese nutzen, stellen erfolgversprechenden Ansätze für neue, effiziente Weg der Nutzung land- und forstwirtschaftliche Rohstoffe dar. Grund genug für die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), mit Experten hydrothermale Verfahren in zwei Fachgesprächen, die am 11. und 12. Februar in Berlin und am 2. und 3. September 2009 beim Karlsruher Institut für Technologie, Campus Nord, durchgeführt wurden, zu diskutieren und zukünftige Entwicklungen abzuschätzen. Während im Fachgespräch des Februars 2009 der Schwerpunkt bei den HTC-Verfahren und der Verwendung ihrer Produkte lag, befasst sich das zweite Fachgespräch des Septembers 2009 allgemeiner mit hydrothermalen Verfahren. Hier nimmt auch die Reaktionsführung in wässrigen Medien unter erhöhten Drücken und Temperaturen sowie die stofflichen Nutzung der Produkte einen breiteren Raum ein. Damit ergänzen sich die Fachgespräche in zutreffender Weise. Die in diesem Band der Reihe „Gülzower Fachgespräche“ enthaltenen Beiträge stellen die Ergebnisse dieser Fachgespräche des Jahres 2009 dar. Neben den von den Referenten zur Verfügung gestellten Beiträgen, die leider aufgrund vielerlei Umstände nicht vollständig vorliegen, wird auch eine Zusammenfassung der Diskussionen gegeben. Für die FNR gaben die Fachgespräche wichtige Impulse und Hinweise für die weitere Arbeiten und zukünftige Förderaktivitäten. Ich hoffe, dass diese Beiträge den Leserinnen und Lesern ebenso nützlich sein mögen. Anschrift der Autors: Dr.-Ing. Andreas Schütte Geschäftsführer Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) Hofplatz 1, 18276 Gülzow E-Mail: info@fnr.de 6 Beiträge der Veranstaltung Hydrothermale Carbonisierung 11./12. Februar 2009 im Haus der deutschen Landwirtschaft und Ernährung, Berlin Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit [1] Bodo Wolf bw energiesysteme GmbH 1 Historie Die Entdeckung und Nutzung brennbarer Steine, Flüssigkeiten und Gase aus der Erde warf die Frage nach deren Entstehung auf. Die Vermutung, dass die gefundenen brennbaren einen anderen Bildungsprozess durchlaufen haben, als die nicht brennbaren Stoffe, ist nach Bergius etwas älter als 450 Jahre und sie wird Valerius Cordus und Balthasar Klein zugeschrieben. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts führten die wissenschaftlichen Arbeiten von Potonie zu der gesicherten Erkenntnis, dass Kohle, Erdöl und Gas, damals von ihm zusammenfassend als Kaustobolithe bezeichnet, organischen Ursprungs sein müssen. Als Ausgangsprodukte wurden Land- und Sumpfpflanzen für die Kohle und für Erdöl fett- und proteinhaltige Faulschlämme angenommen. Für den Umwandlungsprozess wurde der Begriff „Inkohlung“ geprägt. Darunter wurde die Zerrsetzung der in den Pflanzen enthaltenen organischen Stoffe über eine lange Zeit, in der Natur bis zu mehr als 100 Millionen Jahre, verstanden. Es wurde erkannt, dass die „Inkohlung“ ■ im Gegensatz zur Verrottung, die im Beisein von Sauerstoff unter Umgebungsdruck und Umgebungstemperatur abläuft, unter Luftabschluss ablaufen muss, wofür Moore und Sümpfe beste Voraussetzungen bieten, ■ Kohlenstoff durch den primären Abbau von Sauerstoff- und Wasserstoff anreichert, 8 Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit ■ der Inkohlungsgrad eine Funktion von Zeit, Druck und Temperatur ist. Darauf aufbauend arbeitet Bergius an der Herstellung künstlicher Kohle und er stellte erst einmal fest, dass im Gegensatz zum natürlichen Inkohlungsprozess der Faktor Zeit praktisch nicht zur Verfügung stand. Aus der Notwendigkeit die Reaktionszeit drastisch zu verkürzen, im Labor standen nicht Millionen oder Tausend Jahre, sondern nur Tage und Stunden zur Verfügung, resultierte die Erkenntnis, dass das durch Erhöhung der Temperatur auf ein begrenztes Niveau möglich ist. Die Temperaturgrenze für die Herstellung von künstlicher Kohle wurde gesetzt durch den Beginn der Verkokung, also der Schwelung. Des Weiteren erkannte Bergius, dass die Herstellung eines stabilen Produktes einen isothermen Prozess erfordert, was durch die Beschaffenheit der organischen Substanzen und der Exothermie des Zerfallsprozess nicht einfach zu erreichen ist. Zwischen 1900 und 1910 wurden deshalb mehrere Experimente, bei denen Holz gemeinsam mit Wasser über mehrere Stunden in einem geschlossenen Gefäß auf Temperaturen von 245 bis 290 °C erhitzt wurden, im Nachgang zu de Latour, nochmals von Stein durchgeführt. Diese im Beisein von Wasser und die von Klason u. a. zur Verkokung von Holz in einer Retorte unter 290 °C durchgeführten Versuche, so berichtet Bergius, führten zu einer Kohle, die gegenüber natürlicher Kohle einen niedrigeren Wasserstoffgehalt aufwiesen und nach seiner Auffassung den natürlichen Inkohlungsprozess nicht ausreichend nahe kamen. Bergius zog daraus die Schlussfolgerung organische Stoffe, die ein großes Bindungsvermögen für Wasser haben, wie Torf, Holz oder Zellulose, in einem geschlossenen Gefäß im Wasserbad unter Druck zu erhitzen. Das Wasserbad war in der Lage die Rektionswärme der Zersetzung aufzunehmen und abzuleiten, so dass ein isothermener Prozessablauf möglich wurde. Es entstanden mit natürlichen Braun- und Steinkohlen chemisch vergleichbare Produkte, deren Zusammensetzungen von der Versuchsdauer und der Wassertemperatur und damit vom Siededruck des Wassers abhingen. Bergius erkannte also aus den Versuchen, dass die natürliche Kohlebildung nachvollzogen werden kann, indem Biomasse in Druckwasser, bei Temperaturen unter der Schweltemperatur, in künstliche Kohle durch Dehydratisierung, also Abspaltung des Wassers, umgewandelt wird. Seine 9 Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit Versuche zeigten auch, dass mit steigender Temperatur neben Wasser auch Kohlendioxid und Methan aus der Biomasse abgespalten wird und dass ein Teil der Asche aus der Biomasse in das Wasser überging. Der heute aktuelle Begriff „Hydrothermale Carbonisierung“ beschreibt also treffend die von Bergius angewandte und 1913 veröffentliche Methode zur Abspaltung von Wasser aus den verschiedensten Biomassen. Neuere Ansätze zur Verbesserung des Prozessablaufes durch katalytische Zusätze, wie sie am Max-Planck-Institut in Potsdam verfolgt werden, müssen sich an den von Bergius veröffentlichten Ergebnissen messen und signifikante verfahrenstechnische Vorteile nachweisen, die technologisch vorteilhaft umgesetzt werden können. Sie werden dann Erfolg haben, wenn es mit Hilfe der Katalysatoren gelingt, die Aktivierungsenergie zu senken. Nach Bergius war die Erhöhung des Inkohlungsgrades von Torf und Braunkohle Gegenstand vielfältiger Versuche an den deutschen Kohleinstituten. Dazu tangierend wurden auch andere Versuche zur Reduzierung des Sauerstoffgehaltes der Brennstoffe durch Trocknung durchgeführt. Zu nennen wäre hier vor allem die Fleissner-Trocknung von Braunkohleknorpel, die eine Absenkung des Wassergehaltes bis 30 Masseprozent erreichte und die vom IfE in Leipzig Mitte der 80iger Jahre entwickelte Dampfwirbelschichttrocknung, die eine Absenkung des Wassergehaltes bei Wirbelbetttemperaturen unter 130 °C auf unter 10 % ohne Abspaltung von CO2 und Methan ermöglichte. Die Fluidisierung von Braunkohle mit Dampf in der indirekt beheizten Wirbelschicht vermied die Bildung von Brüden. Der anfallende Sattdampf konnte gereinigt werden und ermöglichte die Rückgewinnung der Trocknungswärme mit gegenüber Brüden deutlich höherer Energiedichte. Mit der Dampfwirbelschichttrocknung ist es möglich den Brennstoffwärmebedarf von Braunkohlefeuerung um 20 % und den Kohlendioxidausstoß in gleicher Größenordnung zu reduzieren. Industrieanlagen dieser Art wurden bei der Rheinbraun AG und bei der State Electricity Commission of Victoria in Australien errichtet. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war überschattet von den beiden Weltkriegen, Elend, Hunger, einer zerstörten Industrie und einer Landwirtschaft, die gegenüber heute eine niedrige Produktivität hatte und sich auf die Sicherung der Ernährung konzentrieren musste. Die industrielle Nutzung der Umwandlung von Biomasse in Kohle war deshalb, im Gegensatz zur der Zeit, als die Metallurgie auf Holzkohle angewiesen war, nicht aktuell. Das bisschen, was man an energetisch nutzbarer Biomasse hatte 10 Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit wurde hauptsächlich zum Zwecke des Heizens und Kochens in Öfen verbrannt. Aber, insbesondere die Literatur, die im Rahmen der in den „Freiberger Forschungsheften“ veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten zur Kohleforschung ausgewertet wurde, zeigt, dass die Forschungen über Kohle und deren Veredelungen immer wieder auf die chemische Umwandlung der Biomassebestandteile zurück kommt. Aufmerksamkeit wurde besonders der selektiven Umwandlung der Biomassebestandteile, wie der Huminsäuren, Cellulose und des Lignin sowie der Abspaltung von Kohlendioxid und Methan gewidmet. Es ist nicht zufällig, dass die wissenschaftlichen Arbeiten zur Erzeugung von künstlicher Kohle aus Kohlehydraten (Biomasse) und deren Zersetzung in Kohlenstoff in Form von Koks sowie in Kohlenwasserstoffkondensate (Teer) und Gas (Leucht- und Stadtgas) vorrangig von Instituten, die sich mit Kohleveredelung beschäftigten, geleistet wurden. Seit der Erkenntnis, dass durch Erhitzen von Kohle unter Luftabschluss (Schwelung, heute Pyrolyse, oder Entgasung) oder durch partielle Oxidation (Vergasung) Kohlenwertstoffe für die Metallurgie, die Energieversorgung und die chemische Industrie gewonnen werden können, hat sich ein leistungsfähiger Wissenschaftszweig und die Grundstoffindustrie so entwickelt, dass sie die wirtschaftlich-industrielle Entwicklung der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts geprägt hat, bevor der Siegeszug von Erdöl und Erdgas sowie Kernenergie die Dominanz der Kohle gebrochen hat. Das 20. Jahrhundert ist das Jahrhundert der fossilen Brennstoffe und der Kernenergie und damit das Jahrhundert der größten von Menschen verursachten Umweltschäden und des von Menschen verursachten Klimawandels. Praktisch im Schatten dieser industriellen Entwicklung und von der Öffentlichkeit wenig beachtet, hat sich aber auch das Leistungsvermögen der Land- und Forstwirtschaft stark entwickelt und es wuchs in den letzten 20 Jahren die Erkenntnis über die Notwendigkeit, dass die Zivilisation, durch den Aufbau einer solaren Stoff- und Energiewirtschaft, auf eine neue umweltfreundliche und klimaneutrale Basis gestellt werden muss und das Zeitalter der fossilen und atomaren Brennstoffe zu beenden ist. Die Bereitstellung von reproduziertem Kohlenstoff, durch Photosynthese oder chemische Reduktion aus Kohlendioxid hergestellt, wird in dieser Phase der gesellschaftlichen Entwicklung eine Schlüsseltechnologie hervorbringen, die Basis der solaren Stoffwirtschaft sein wird und die 11 Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit vergessenen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Umwandlung von Biomasse in Kohle werden dabei eine große Rolle spielen. Es ist aktuell notwendig für die diesbezüglich vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse Technologien zu entwickeln und diese in die industrielle Nutzung zu überführen. 2 Grundlagen Diese neuen Technologien müssen gegenüber der Vielzahl von technischen Lösungen und Vorschlägen zur Veredelung von Biomasse durch Schwelung, Vergasung und Verbrennung, wobei unter Veredelung hier die Ertüchtigung der Biomasse für eine nachfolgende energetische oder stoffliche Nutzung verstanden werden soll, wettbewerbsfähig sein. Die Rolle der nachwachsenden Rohstoffe, deren Verwertung und Veredelung sollten mit der Herausarbeitung einer zum Ziel führenden Strategie neu bewertet werden. Dafür ist es als Erstes erforderlich absolute Klarheit über die Bedeutung der Biomasse für die Herausbildung und Erhaltung des für das hochentwickelte Leben ermöglichende Klima auf der Erde zu schaffen. Das ist möglich, indem die Stoff- und Energiewirtschaft aus dem Bilanzkreis Erde gelöst und in den Bilanzkreis Sonne-Erde-Weltraum gestellt und die Erde als der primärer Energieumwandler betrachtet wird (Abbildung 1). Der Bilanzkreis der heutigen Energiewirtschaft ist die Erde und dementsprechend Kohle, Öl und Gas Primärenergie. Die Verbrennung wird als irreversibel betrachtet. In 50 Jahren kann dieser Bilanzkreis nur noch 1/3 des Bedarfs decken. Der Bilanzkreis für die neue Energiewirtschaft ist Sonne/Weltraum, in dem die Erde der Energieumwandler ist, der Energie von der Sonne bekommt und diese an den Weltraum abgibt. Zu- und Abstrahlung von Energie steht somit in Wechselbeziehung mit der Materie der Erde. Abb. 1: Der Energieumwandler „Erde“ im Bilanzkreislauf „Sonne/Weltraum“ 12 Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit Die Erde wandelt die zugestrahlte Sonnenenergie physikalisch und chemisch um und strahlt, da Energie nicht verloren gehen kann und auf der Erde der Satz von der Erhaltung der Materie noch gilt, die exergetisch abgewertete Energie in kurzen Zyklen wieder vollständig an den Weltraum ab. Eine Ausnahme bilden die durch Phasenänderung entstandenen Eis-, Schnee- und Biomassepotenziale (Abbildung 2), d.h., im Zuge des Energietransfers von der Sonne in den Weltraum wird auf der Erde Materie umgewandelt und Energie gespeichert. Es ist wahrscheinlich, dass die Herausbildung des Kältepotentials der Erde im direkten Zusammenhang mit dem Aufbau des Biomassepotentials steht. Beide Potentiale sind Klimaregulatoren. Die Existenz und Kapazität der Potentiale sind wesentliche Faktoren der Klimastabilität Abb. 2: Kälte- und Biomassepotential der Erde Die Materie der Erde ist charakterisiert durch das Periodensystem der Elemente (Abbildung 3) und es zeigt sich, dass die natürliche Stoffumwandlung Kohlendioxid und Wasser, d. h. die Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, bevorzugt einbezieht. Setzt man voraus, dass, bis auf gelegentliche Störungen aus dem Weltraum und dem Erdinneren, der Energieaustausch zwischen Sonne, Erde und Weltraum sich vor Beginn des Aufbaues des Biomassepotentials im Gleichgewicht befand, dann erhebt sich die Frage, wo die Energie für den endothermen Prozess der Photosynthese herkam. Wird die Energiezuführung von der Sonne als konstant gesetzt, dann ist die in der Biomasse gebundene Energie auf der Erde weniger in Wärme umgesetzt worden. Es liegt deshalb nahe anzunehmen, dass die Herausbildung des Kältepotenzials der Erde im direkten Zusammenhang mit dem Aufbau des Biomassepotentials steht. Wird weiterhin unterstellt, dass der Aufbau des molekularen Sauerstoffpotenzials im Zusammenhang mit der Bildung des Biomassepotenti- 13 Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit 1 1 1 18 2 H 2 3 2 11 3 Li 4 Lithium 6,941 2/1 Na 12 Elementname rel. Atommasse Elektronenkonfiguration Mg K 20 4 Kalium 39,098 2/8/8/1 5 Rubidium 85,458 2/8/18/8/1 37 55 6 Rb 38 Cs 56 Sr 39 Ba La-Lu Zr 41 104 Ra Ac-Lr Rf 105 Rutherford. (261) 2/8/18/32/ 32/10/2 Radium 226,03 2/8/18/32/ 18/8/2 B 6 Bor 10,81 2/3 Feste Elemente Gasförmige Elemente 57 La 58 Lanthan 138,91 2/8/18/18/ 9/2 89 Ac 90 Actinium (227) 2/8/18/32/ 18/9/2 Ce 59 Cer 140,12 2/8/18/19/ 9/2 Th 91 Thorium 232,04 2/8/18/32/ 18/10/2 Re 76 Rhenium 186,21 2/8/18/32/ 13/2 Sg 107 Gasförmige Elemente Nd 61 Neodym 144,24 2/8/18/22/ 8/2 Pa 92 13 Np 94 Neptunium 237,05 2/8/18/32/ 22/9/2 Al 14 Eu 64 Pu 95 O 9 Sauerstoff 15,999 2/6 F 10 Fluor 18,988 2/7 Ne Neon 20,179 2/8 Am 96 Americium (243,10) 2/8/18/32/ 25/8/2 Cd 49 Cadmium 112,41 2/8/18/18/2 Au 80 Schwefel 32,06 2/8/6 Cl 18 Chlor 35,453 2/8/7 Ar Argon 39,948 2/8/8 In 50 Indium 114,82 2/8/18/18/3 Hg 81 Ge 33 Germanium 72,59 2/8/18/4 Tl 82 Quecksilber Thallium 204,37 200,59 2/8/18/32/ 2/8/18/32/ 18/3 18/2 Sn 51 Zinn 118,69 2/8/18/18/4 Sb 52 I 54 Iod 126,90 2/8/18/18/7 Po 85 Polonium 208,98 2/8/18/32/ 18/6 Kr Krypton 83,80 2/8/18/8 Te 53 Tellur 127,60 2/8/18/18/6 Bi 84 Bismut 208,98 2/8/18/32/ 18/5 Br 36 Brom 79,904 2/8/18/7 Selen 78,966 2/8/18/6 Antimon 121,75 2/8/18/8/5 Pb 83 Blei 207,19 2/8/18/32/ 18/4 Se 35 As 34 Arsen 74,922 2/8/18/5 At 86 Astat (210) 2/8/18/32/ 18/7 Xe Xenon 131,30 2/8/18/18/8 Rn Radon (222) 2/8/18/32 18/8 Rg Tb 66 Terbium 158,93 2/8/18/27/ 8/2 Cm 97 Curium (247,10) 2/8/18/32/ 25/9/2 S 17 P 16 Phosphor 30,974 2/8/5 Röntgenium (272) 2/8/18/32/ 32/18/1 Gd 65 Gadolinium 157,25 2/8/18/25/ 9/2 Ag 48 Gold 196,97 2/8/18/32/ 18/1 Ds 111 Darmstadt. (269) 2/8/18/32/ 32/17/1 Si 15 Silicium 28,086 2/8/4 Ga 32 Gallium 69,735 2/8/18/3 Zink 65,38 2/8/18/2 Silber 107,87 2/8/18/18/1 Pt 79 Platin 195,09 2/8/18/32/ 17/1 Mt 110 Europium 151,96 2/8/18/25/ 8/2 Pd 47 Zn 31 Cu 30 Kupfer 63,546 2/8/18/1 Palladium 106,4 2/8/18/18 Ir 78 Meitnerium (266) 2/8/18/32/ 32/15/2 Sm 63 Plutonium (244,10) 2/8/18/32/ 24/8/2 Rh 46 Iridium 192,22 2/8/18/32/ 15/2 Hs 109 17 16 N 8 Stickstoff 14,007 2/5 12 11 Ni 29 Nickel 58,71 2/8/16/2 Rhodium 102,91 2/8/18/16/1 Os 77 Promethium Samarium 150,35 146,90 2/8/18/24/ 2/8/18/23/ 8/2 8/2 U 93 Protaktinium Uran 238,03 231,04 2/8/18/32/ 2/8/18/32/ 21/9/2 20/9/2 Ru 45 Hassium (265) 2/8/18/32/ 32/14/2 Pm 62 10 Co 28 Cobalt 58,933 2/8/15/2 Osmium 190,2 2/8/18/32/ 14/2 Bh 108 Seaborgium Bohrium (263) (262) 2/8/18/32/ 2/8/18/32/ 32/12/2 32/13/2 Pr 60 Praseodym 140,91 2/8/18/21/ 8/2 Tc 44 15 C 7 Kohlenstoff 12,011 2/4 Gasförmige Elemente 9 Fe 27 Eisen 55,847 2/8/14/2 Technetium Ruthenium 98,91 101,07 2/8/18/13/2 2/8/18/15/1 W 75 Wolfram 183,85 2/8/18/32/ 12/2 Db 106 Dubnium (262) 2/8/18/32/ 32/11/2 Mo 43 Molybdän 95,94 2/8/18/13/1 Ta 74 Tantal 180,95 2/8/18/32/ 11/2 8 Mn 26 Mangan 54,938 2/8/13/2 Chrom 51,996 2/8/13/1 Nb 42 Niob 92,906 2/8/18/12/1 Hf 73 Hafnium 178,49 2/8/18/32/ 10/2 7 Cr 25 V 24 Vanadium 50,942 2/8/11/2 Zirconium 91,22 2/8/18/10/2 72 6 5 Ti 23 Titan 47,90 2/8/10/2 Y 40 Yttrium 88,906 2/8/18/9/2 Barium 137,33 2/8/18/18/ 8/2 Fr 88 Francium (223) 2/8/18/32/ 18/8/1 4 Sc 22 Scandium 44,956 2/8/9/2 Strontium 87,62 2/8/18/8/2 14 5 Fe O Hg Tc H Wasserstoff 1,0079 1 Aluminium 26,982 Ca 21 Calcium 40,08 2/8/8/2 Cäsium 132,91 2/8/18/18/ 8/1 87 7 1 Magnesium 24,305 2/8/2 3 19 13 Elementsymbol Ordnungszahl Be Beryllium 9,0122 2/2 Natrium 22,99 2/8/1 He Helium 4,0026 2 Wasserstoff 1,0079 1 Bk 98 Berkelium (247,10) 2/8/18/32/ 25/10/2 Dy 67 Ho 68 Dysprosium Holmium 162,50 164,93 2/8/18/28/ 2/8/18/29/ 8/2 8/2 Cf 99 Californium (251,10) 2/8/18/32/ 28/8/2 Er 69 Erbium 167,26 2/8/18/30/ 8/2 Tm 70 Thulium 168,93 2/8/18/31/ 8/2 Yb 71 Ytterbium 173,04 2/8/18/32/ 8/2 Es 100 Fm 101 Md 102 No 103 Einsteinium (254,10) 2/8/18/32/ 29/8/2 Fermium (257,10) 2/8/18/32/ 30/8/2 Mendelev. (258) 2/8/18/32/ 31/8/2 Nobelium (259) 2/8/18/32/ 32/8/2 Lu Lutetium 174,97 2/8/18/32/ 9/2 Lr Lawrencium (260) 2/8/18/32/ 32/9/2 Abb. 3: Das Periodensystem der Elemente al steht, dann lässt sich ausrechnen wie groß das Biomassepotential der Erde ist, welche Energie es bindet und wie groß das Kältepotenzial der Erde sein kann. Wir haben allen Grund anzunehmen, dass die Biomasseund Kältepotenziale die wichtigsten Stellgrößen des Klimas auf der Erde sind und das der Abbau des Biomassepotentials und der Derivate Kohle, Öl und Gas automatisch die Reduzierung des Kältepotenzial zur Folge hat, gleichgültig vom Mechanismus über den das erfolgt. Bei allen technologischen Vorschlägen zur Biomassenutzung ist zu bedenken, dass somit der Erhalt das Biomassepotenzial und damit des Kältepotenzials, das Heiligste der Welt ist und das eine Biomassenutzung zu Lasten des Biomassebestandes genau so klimaschädlich ist, wie die Verbrennung fossiler Brennstoffe. Beides reduziert das Kältepotenzial der Erde und führt durch die Anreicherung von Kohlendioxid in der Atmosphäre und die Umwandlung von Reflexions- in Wärmeabsorptionsflächen zur exponentialen Anhebung der Umgebungstemperatur. Deshalb darf die Biomassenutzung nur zu Lasten der Verrottung gehen (Abbildung 4) und es dürfen nur solche Technologien angewendet werden, die Nährstoffe zur Wiederverwendung frei geben. Um das zu erreichen scheint es erforderlich die Biomassenutzung international zu kontigentieren, so wie Kohlendioxid zertifiziert wird. 14 Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit Der Kohlenstoff-Kreisprozess ist tatsächlich ein Kreisprozess der Elemente Kohlenstoff-Wasserstoff-Sauerstoff mit den Prozessstufen Photosynthese und Verrottung und den Zwischenprodukten Kohlendioxid, Wasser und Biomasse. Das Kohlendioxid liefert den Kohlenstoff, das Wasser den Wasserstoff. Die dafür erforderlichen Prozessstufen Abtrennung von Sauerstoff durch Wasserelektrolyse, Reduktion von Kohlendioxid zu Kohlenmonoxid durch Wasserstoff und Umwandlung eines Kohlenmonoxid-/Wasserstoffgemisches in Kohlenwasserstoffe stehen im industriellen Maßstab zur Verfügung. Die Verwendung von Biomasse führt zur 2. Generation, die Verwendung von CO2 und Wasser führt zur 3. Generation der erneuerbaren synthetischen Kraftstoffe. Abb. 4: Das natürliche thermodynamische System Kohlenstoff-Wasserstoff-Sauerstoff Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde im Zusammenhang mit einer wissenschaftlichen Auswertung von Versuchen zur Erzeugung von Wasserstoff erkannt, dass die möglichen Stoffumwandlungen auf Basis der Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff unter Ein- und Auskopplung von Energie als thermodynamisches System betrachtet und berechnet werden kann (Abbildung 5). Damit wurden die in der Metallurgie begonnenen Systembetrachtungen erweitert und zum Basismodell der chemischen Verfahrentechnik entwickelt. 15 Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit Die Wechselbeziehung zwischen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff in Abhängigkeit von Druck und Temperatur wurden als thermodynamisches System berechnet, und damit bewiesen, dass die Verbrennungsprodukte CO2 und Wasser durch Einkopplung von Energie wieder in chemische Energieträger umgewandelt werden können. Abb. 5: Brennstoffe im thermodynamischen Systeme C-H-O Im Ergebnis dieser Arbeit wurde erkannt, dass die Verbrennung kein irreversibler Prozess ist und dass es möglich ist erneuerbare synthetische Kraftstoffe aus den Zwischenprodukten des Kohlenstoffkreisprozesses Kohlendioxid und Wasser oder Biomasse herzustellen. Mit Hilfe des im Bild 5 gezeigten thermodynamischen Systems lässt sich die Umwandlung von Kohlendioxid und Wasser in Biomasse als Kohlehydrat und die Inkohlung von Biomasse durch Dehydratisierung zu Torf, Braunkohle und Steinkohle bis Anthrazit nachvollziehen und berechnen. Die experimentellen Ergebnisse von Bergius können damit rechnerisch reproduziert werden und es ist damit auch möglich die zweckmäßigste Technologie für die Umwandlung von Biomasse in Kohle zu finden. 3 Wettbewerbsfähigkeit Um 1990 wurden mehrere Technologien zur Carbonisierung für die Verwertung von organische Abfällen entwickelt, bei denen die Einsatzstoffe durch Pyrolyse, also durch Erhitzen unter Luftabschluss, in ihre festen, flüssigen und gasförmigen Bestandteile so zerlegt wurden, was eine nachfolgende Verbrennung oder Vergasung gegenüber der Müllverbrennung besser ermöglichen sollte. Zu nennen wären insbesondere das 16 Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit Siemens Schwel-Brenn-Verfahren, das Thermoselekt-Verfahren und das Nöll-Konversionsverfahren. Die Schwachstelle aller dieser Verfahren war die Pyrolyse mit ihrer indirekten Wärmezuführung. Mit dem Carbo-V-Verfahren der CHOREN Industries GmbH wurde deshalb erstmalig ein Verfahren entwickelt das die Stoffumwandlung durch Vergasung 3-stufig gestaltete. Kombiniert wurden ■ Die Zerlegung der Einsatzstoffe in Koks und teerhaltiges Gas, bei der die erforderliche Prozesswärme in der Einsatzstoffschüttung selbst durch partielle Oxidation mit Sauerstoff bei Temperaturen zwischen 350 bis 500 °C bereitgestellt wurde, mit ■ einer partiellen Oxidation des teerhaltigen Schwelgases und des rückgeführten Restkokses aus der nachfolgenden Stufe zu Brenngas oder Rohsynthesegas oberhalb der Ascheschmelztemperatur des Restkokses und ■ die Rückumwandlung von Hochtemperaturwärme des Rohgases durch chemisches Quenchen mit Koks aus der ersten Prozessstufe. Nach mehrjähriger Erprobung des Verfahrens und der Komponenten in einer Versuchanlage mit einer Brennstoffwärmeleistung von 1 MW (Abbildung 6) wurde eine nach den Maßstäben der Mineralölindustrie kleine industrielle Anlage von CHOREN in Freiberg gebaut, die sich nach mehrfacher Verzögerung nun in der Vorbereitung der Inbetriebnahme befindet (Abbildung 7). Beim Forschungszentrum Karlsruhe befindet sich das Bioliq-Verfahren für die Erzeugung einer Schwelteer/Koks-Slurry aus Biomasse in Erprobung, bei dem die für die thermische Zersetzung der Biomasse erforderliche Energie durch einen keramischen Wärmeträger eingetragen wird. Es ist vorgesehen, die Slurry als Einsatzstoff für die Erzeugung von Synthesegas für die BtL-Produktion in Druckreaktoren der Kohlevergasung zu verwenden. Wenn es gelingt industrielle Technologien für die Umsetzung der Hydrothermalen Carbonisierung zu entwickeln, dann steht der stofflichen sowie der chemischen und energetischen Nutzung der Biomasse ein Einsatzstoff zur Verfügung, der gegenüber dem Stand der Technik vorteilhaft ist. Die Hydrothermale Carbonisierung als Verfahren zur Konditionierung von Biomasse hat das Potenzial zur Sicherung einer besseren 17 Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit Umwandlung von Biomasse in Kraftstoff bei CHOREN. Die Erzeugung der ersten erneuerbaren synthetischen Kraftstoffe erfolgte von 2003-2005. Einsatzstoff war Biomasse aller Art. Hergestellt wurden ca. 25.000 Liter Sundiesel, die von DaimlerChrysler und Volkswagen erprobt wurden. Abb. 6: Alpha-Anlage der CHOREN Industries zur Herstellung von Ethanol und Sunfuel Abb. 7: Beta-Anlage der CHOREN – Überleitung der F&E Ergebnisse in die industrielle Nutzung 18 Hydrothermale Carbonisierung – Historie, Grundlagen und Wettbewerbsfähigkeit Ausnutzung der Biomasse und zur Reduzierung des technischen Aufwandes bei der Stoffumwandlung, insbesondere bei der Synthesegas- und BtLProduktion. Ein von CHOREN erstellter Verfahrensvergleich bestätigt diese Einschätzung (Tabelle 1). Tab. 1: Verfahrensvergleich Chemical efficiency [%] Technology A Carbo-V® Pressure Relation O demand CO + H Gasifica- 2 factor 2 Thermical [t per [m³ per tion BTL+ Gasifit ] biomass, dry tbiomass, dry] production total [bar] chemical cation precond 96.4 81.7 78.7 5 0.467 1,152 1 B Pyrolysis + Gasification 64.3 81.5 52.3 40 0.470 755 0.65 C Torrefaction + Gasification 91.1 76.9 70.1 40 0.499 1,014 0.88 D Hydrotherm. Carbonizisation ~ 100 79.5 79.5 40 0.442 1,132 0.98 Literatur [1] Dr.-Ing. Bodo Wolf, bw-energiesysteme GmbH, Beitrag zum Fachgespräch „Hydrothermale Carbonisierung – Stand der Entwicklung“, am 11./12.2009 in Berlin Anschrift des Autors: Dr.-Ing. Bodo Wolf bw energiesysteme GmbH Villa Montana, Schillerstr. 2b, 01326 Dresden E-Mail: kontakt@bw-energiesysteme.de 19 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? G. Engelmann, Hans-Peter Fink Fraunhofer – Institut für Angewandte Polymerforschung 1 Einleitung Die hydrothermale Karbonisierung (HTC) stellt den in der Natur über Jahrmillionen ablaufenden Prozess der Umwandlung von Biomasse in Kohle nach, wobei die Reaktionszeit in Abhängigkeit verschiedener Prozessparameter wie Druck, Temperatur und Katalysator im Bereich weniger Stunden liegt [1]. Er wurde ursprünglich genutzt, um die Entstehung von Kohle in der Natur experimentell nachvollziehen zu können [2]. In der neueren Literatur liegt der Fokus auf der Entwicklung von Kohlenstoff-basierten Produkten mit unterschiedlichen Morphologien und Aspektverhältnissen, wobei die gewonnenen Partikel mikro- oder nano-skalig dimensioniert sind. Neben sphärisch strukturierten Partikeln [3][4] werden auch anisotrope Teilchen beschrieben [5]. Sie können entweder vollständig aus Kohlenstoff bestehen oder lassen sich in Form von Hybriden präparieren wobei anorganische Substrate wie beispielsweise SiO2 [6] oder Silber [7] als Träger geometrischer und struktureller Informationen in den Herstellungsprozess integriert werden. Auch über das Ausstatten Kohlenstoffbasierter Produkte mit Porosität wird berichtet [8], ebenso wie über die Aktivierung von Partikeloberflächen mit verbleibenden funktionellen Gruppen der ursprünglich in den Prozess eingespeisten Substrate [9]. Kohlenstoff-basierte Produkte lassen sich ganz allgemein entsprechend ihrer energetischen und stofflichen Verwendung klassifizieren. Für Applikationen in Bereichen hoher Wertschöpfung sind jedoch spezielle Anforderungen an die Struktur und Reinheit der Produkte zu stellen. Carbonfasern sind ein sehr gutes Beispiel zur Verdeutlichung dieser Forderung. Das zunehmende Interesse an C-Fasern hängt besonders in jüngster Vergan- 20 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? genheit mit der Entwicklung der Erdöl- und Kraftstoffpreise zusammen. Hierbei haben Leichtbautechnologien [10] weiter an Bedeutung gewonnen, mit Schwerpunkten in der zivilen Luftfahrt sowie der Automobil- und Transportindustrie. Leichtbaukonzepte lassen sich in hervorragender Weise durch die Verwendung von Carbonfasern in Kompositmaterialien umsetzen. Dabei ist in erster Linie auf die geringere Dichte von C-Fasern (ρ= ~1,8 g/cm3) im Vergleich zu anderen häufig verwendeten Verstärkungskomponenten wie beispielsweise Glasfasern (ρ= ~2,5 g/cm3) zu verweisen. In den letzten 10 Jahren hat etwa eine Verdopplung des C-Faser Marktes stattgefunden [11], allein für das Jahr 2006/07 ließ sich eine Steigerungsrate von ca. 20 % feststellen [12]. Neben ausgezeichneten mechanischen Kennwerten rundet auch elektrische Leitfähigkeit [13] das Leistungspotenzial von C-Fasern ab. Das Eigenschaftsprofil hinsichtlich mechanischer Belastungen von Kohlenstofffasern lässt sich in erster Linie durch deren Festigkeit und Steifigkeit klassifizieren (s. Abb. 1, [14][15]). Abb. 1: Klassifizierung von Kohlenstofffasern entsprechend ihrer mechanischen Kennwerte [14][15]. Hinsichtlich der Eigenschaften können prinzipiell zwei Gruppen unterschieden werden: C-Fasern mit höheren Zugfestigkeitswerten weisen geringere Zugmoduli auf; im Gegensatz dazu bedingt hohe Steifigkeit eine Reduzierung in der Zugbelastbarkeit. Es gibt allerdings auch Faserentwicklungen mit einer Kombination von relativ hohen Festigkeiten und hohen 21 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? E-Moduli. Die Eigenschaften der C-Fasern werden zum einen durch die verwendeten Precursoren bestimmt, zum anderen kann bei vorgegebenem Precursor-Faden auch durch den Herstellungsprozess Einfluss auf die C-Faser Charakteristik genommen werden. Die heute großtechnisch produzierten C-Fasern beruhen in der Regel auf Precursoren aus Polyacrylnitril (PAN)-Copolymeren, daneben spielen Cellulose- und Pechbasierten Precursormaterialien eine gewisse Rolle. Auch über die Verwendung von Lignin wird in der Literatur berichtet [16], wobei industrielle Umsetzungen bisher nicht bekannt sind. Im Hinblick auf die hydrothermale Karbonisierung stellt sich die Frage, ob auf diesem Weg neue Substratangebote und C-Faserentwicklungen zu erwarten sind. 2 Herstellung von Kohlenstofffasern 2.1 Polyacrylnitril (PAN) Aus der Gruppe der synthetischen Polymere spielt Polyacrylnitril für die Herstellung von C-Fasern die bedeutendste Rolle. PAN wird aus dem Monomer Acrylnitril, welches technisch hauptsächlich durch das SohioVerfahren [17] petrochemisch zugänglich ist, durch radikalisch initiierte Polymerisation gewonnen. Zur Optimierung der Precursoreigenschaften für die thermischen Prozessstufen finden Itaconsäure und Methylacrylat in geringen Mengen als Comonomere Anwendung. Das PAN-Copolymer ist nicht schmelzbar und wird aufgrund seiner Löslichkeit in amidischen Lösungsmitteln durch Lösungsspinnen zu Fasern verarbeitet. Abbildung 2 verdeutlicht in einfacher Weise die einzelnen Schritte zur Herstellung Spinnen Precursor Faser Ausgangsmaterial Cellulose PAN Pech Lignin Lsg. oder dry-jet-wet aus Lösung (Lsg.) Schmelzspinnen Schmelzspinnen Filamentgarn pelfaser Stabilisierung (2 ... 5 Stufen) 150 °C ... 350 °C nicht schmelzbar nicht brennbar Karbonisierung, Graphitisierung (2 Stufen) 1000 °C ... 1700 °C / (1500 °C ... 2500 °C) fertige Faser Modul / Festigkeit/Dehnung HM, HS, IM, HMS Typen chemische & physikalische Strukturänderungen Abb. 2: Allgemeines Schema zur Herstellung von Kohlenstofffasern 22 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? von Kohlenstofffasern, sie sind entsprechend den jeweils verwendeten Substrat- und Precursoreigenschaften optimiert. Der Spinnprozess hat die Aufgabe, die Substrate zu fadenförmigen Precursoren zu verformen. PAN und Cellulose werden dabei aus der Lösung versponnen, weil diese Polymere nicht ohne weiteres thermoplastisch verarbeitet werden können. Im Gegensatz dazu eignen sich Pech und auch spezielle Lignine für das Schmelzspinnen. Vorteile des Schmelzspinnens sind die bessere Ökonomie des Spinnprozesses, wobei auch auf die Entfernung und Aufarbeitung des Lösungsmittels verzichtet werden kann. Generell gilt, dass Precursoren mit höchster Reinheit zu Kohlenstofffasern mit geringerer Störstellendichte und höherem Eigenschaftspotential führen. Im nächsten Prozessschritt werden die Precursoren einer thermischen Stabilisierung in Gegenwart von Sauerstoff unterworfen; in Abhängigkeit der verwendeten Substrate läuft dieser Prozess im Temperaturbereich zwischen 150 °C – 350 °C in der Regel in mehreren Stufen ab. Ziel dieser Stabilisierungsstufen ist es, einen nicht mehr schmelz- und brennbaren Precursor zu gewinnen. Erst dann können Karbonisierung und Graphitisierung im nächsten Schritt erfolgreich durchgeführt werden. Die Fadengeometrie bleibt bei Verringerung der Durchmesser erhalten. In Abhängigkeit vom angestrebten Eigenschaftsprofil der C-Faser werden unterschiedliche Temperaturen im Bereich von 1000°C bis 3000°C zur Anwendung gebracht. Mittels spezieller Temperatur-Zeit-Regime gelingt es, das Strukturmuster des ursprünglichen Substrates endgültig zu lösen und die Ausbildung der Zielstruktur zu unterstützen. Diese Stoffwandlungsprozesse bedingen gleichzeitig Änderungen der Precursor-Massebilanzen, wobei das Eliminieren niedermolekularer Verbindungen forciert und der Reinheitsgrad der C-Fasern verbessert wird. Längere Reaktionszeiten erlauben hoch geordnete Strukturen in den C-Fasern mit besseren Eigenschaften, die aufgrund höherer Kosten speziellen Applikationen vorbehalten bleiben. Für die Entwicklung von Carbonfasern, ihre Qualitätssicherung und die Gewährung der Prozesssicherheit, sind analytische Verfahren zur Materialcharakterisierung unabdingbar. Dazu zählen neben Standardverfahren zur Untersuchung mechanischer Kennwerte auch speziellere Methoden, um die Strukturwandlung während der Produktbildung detailliert erfassen und beschreiben zu können. Als besonders geeignet erweisen sich FT-IR- und 13C-CP/MAS-NMR-Spektroskopie, Röntgenbeugungsmethoden sowie die Elektronenmikroskopie [18][19]. Abbildung 3 verdeutlicht stellvertretend die Strukturwandlung während der thermischen Stabilisierungs- 23 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? Abb. 3: 13C-CP/MAS-NMRSpektroskopie an einem PANPrecursor: (a) vor der thermischen Stabilisierung, (b) nach der Stabilisierung phase an einem PAN-Precursor, registriert mittels 13C-CP/MAS-NMRSpektroskopie [20]. Sowohl qualitative als auch quantitative Informationen aus den sich ändernden Signalmustern und Peakintensitäten der Spektren erlauben letztendlich die Entwicklung von Modellen zur Beschreibung solcher Strukturwandlungsprozesse. Die strukturellen Änderungen des PAN-Precursors während der Stabilisierung können vereinfacht auf folgende Mechanismen zurückgeführt werden (s. Abb. 4) Der Übergang vom flexiblen, linearkettigen PAN zum versteiften Leiterkettenpolymer durch Zyklisierungsreaktionen der Nitrilgruppen initiiert den Strukturwandlungsprozess. Die Gegenwart von Sauerstoff ermöglicht zusätzlich Oxidationsreaktionen, die durch Eliminierung von Wasserstoff Doppelbindungen in die Precursorstrukturen hineintragen. Außerdem findet Anlagerung von Sauerstoff an das Kohlenstoffgerüst des PAN- und Leiterkettenpolymers statt, mit Konsequenzen für den Karbonisierungsprozess. Während dieser Prozessstufe und der Graphitisierung erfolgt der Aufbau der wabenförmigen Graphitstruktur, insbesondere durch Eliminierung von Stickstoff und Cyanwasserstoff (s. Abb. 4, Karbonisierung). 24 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? Stabilisierung Karbonisierung Zyklisierung + HCN Dehydrogenierung O2 + N2 Oxidation O2 Abb. 4: Mechanismen bei der Strukturwandlung des PAN-Precursors zur C-Faser; (a) – Stabilisierung, (b) – Karbonisierung, Graphitisierung (aus [21]) Die experimentellen Details sind in Ergänzung dazu durch eine weitere strukturchemische Artenvielfalt gekennzeichnet, wobei sich Sauerstoff neben der exocyclischen Bindungsweise auch in Form von Ringinsertionen nachweisen lässt. Der Produktionsprozess von C-Fasern ist deshalb sehr komplex und erfordern zur Gewährleistung von Reproduzierbarkeit ein hohes Maß an Genauigkeit. Neben der Reinheit der Substrate bestehen auch durch die Herstellungsprozesse der Fasern Möglichkeiten, Störstellen zu generieren (s. Abb. 5). Lochbildung gilt besonders dann als bevorzugt, wenn Restspuren von Lösungsmitteln im Precursor enthalten sind. Abb. 5: Lochbildung als typische Art der Störstellen in C-Fasern 25 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? 2.2 Cellulose Cellulose als bio-basiertes Ausgangsmaterial stand am Anfang der C-Faserentwicklung. Die dafür erforderlichen Cellulosefasern können durch verschiedene Technologien produziert werden, wie in Abbildung 6 vereinfacht dargestellt wird (siehe z. B. [22][23]). Zellstoff H H OH O H HO H H HO OH H H O OH H H pH > 7 O H O OH n + H Derivatisieren O O H H O H H O O H O H O O H O H O H Cellulose direkt lösen Lösen der Cellulosederivative - Spinnen Spinnen & Regeneration Regeneration regenerierte Cellulose-Fasern Viscose-Technologie Carbamat-Technologie H 6 4 HO 5 H H OH H 3 H 2 O OH HO 1 H O H 3 H 5 4 H 6 2 OH H O OH 1 O regenerierte Cellulose-Fasern Lyocell (NMMO)-Technologie NaOH-Technologie Abb. 6: Verschiedene Technologien zur Herstellung von Cellulosefasern Man unterscheidet hier die so genannten Derivatverfahren (Viskose, Carbamat) und die Direktlöseverfahren (Lyocell, NaOH). Großtechnisch dominiert heute nach wie vor das Viskoseverfahren, wobei nach unterschiedlichen Technologievarianten textile Stapelfasern sowie textile und technische Filamentgarne (Rayon-Reifencord) hergestellt werden. Als einziges Alternativverfahren wurde bisher das Lyocellverfahren (Tencel-Fasern) großtechnisch umgesetzt Die Cellulosefasern weisen aufgrund verfahrensspezifischer Differenzen Unterschiede auf, die sich beispielsweise anhand ihrer Querschnitte verdeutlichen lassen (Abb. 7). Während die Fasern der Lyocell- und Carbacell-Verfahren über einheitlich geformte Querschnittsflächen verfügen, weisen Viscosefasern im Randbereich deutliche Lappenbildung auf. Zusätzlich sind Kern/SchaleStrukturen zu erkennen, die eine Dominanz diffusionskontrollierter Prozesse beim Regenerieren der Fasern erkennen lassen. Carbonfasern aus Cellulose waren die ersten am Markt verfügbaren Produkte, sie wurden in den 1970er Jahren größtenteils durch PAN-basierte Fasern substituiert. 26 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? Abb. 7: Querschnittsflächen von Cellulosefasern, hergestellt entsprechend der Viskose-, Lyocell- und CarbaCell-Technologie (aus [22][23]) Ungeachtet dessen verfügen sie über eine ausgesprochen geringe thermische Leitfähigkeit, was ihnen nach wie vor spezielle Marktsegmente wie beispielsweise Applikationen in der Luft- und Raumfahrt sichert. 2.3 Pech Pech ist das dritte Ausgangsmaterial, das heute zur Herstellung von Carbonfasern Anwendung findet. Im Gegensatz zu PAN und Cellulose handelt es sich hierbei um ein Gemisch verschiedenster Komponenten unterschiedlichster Substanzklassen. Pech wird bei der Asphalt- und Kohleteerproduktion gewonnen oder auch aus PVC hergestellt. Ein wesentliches Qualitätsmerkmal für Pech ist der Gehalt an Mesophasenbildnern. Diese Komponenten, deren prinzipielles Strukturmerkmal in Abbildung 8 wiedergegeben wird [21], erlauben die Ausbildung von Vorzugsrichtungen (Orientierungen) während des Spinnprozesses, des Verstreckens oder der H 3C H2 C H2 C H 2C CH2 H3C CH3 CH3 CH3 Abb. 8: Charakteristische Strukturmerkmale von Mesophasenbildnern in Pech [21] 27 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? Karbonisierung/Graphitisierung. Dadurch sind Verbesserungen in den mechanischen Kennwerten Pech-basierter C-Fasern zu erwarten. Bei den Mesophasenbildnern handelt es sich beispielsweise um steife, aromatische Ringsysteme, die durch kurze, flexible, aliphatische Kettensegmente verknüpft sind. Durch die Thermoplastizität von Pech findet Schmelzespinnen zur Precursorherstellung Anwendung. Da die Eigenschaften von Pech aufgrund seiner variierenden Zusammensetzung differieren, können durch Entfernen niedermolekularer, flüchtiger Komponenten oder das Zumischen geeigneter Chemikalien die Ansprüche seitens der Spinn- und Karbonisierungsstufen erfüllt werden. Tabelle 1 ermöglicht einen Vergleich zwischen Carbonfasern, hergestellt aus unterschiedlichen Substraten, auf der Grundlage ihrer Steifigkeitswerte [21]. Es wird klar, dass Mesophasenbildner für die aus Pech hergestellten Carbonfasern von hoher Bedeutung sind. Tab. 1: Moduli [GPa] verschiedener Karbonfasern, präpariert aus unterschiedlichen Substraten.[21] Precursor E-Modul [GPa] Rayon (Cellulose) 390 PAN 230 – 650 Pech LT 41 HAT 41 Mesophasen Pech LT 340 HAT 690 Graphit (Einkristall) 1000 2.4 Lignin Lignin, ein Holzbestandteil, wird ebenfalls auf die Verwendbarkeit zur Herstellung von Karbonfasern untersucht. Im Gegensatz zu Cellulose handelt es sich hierbei um ein Copolymer, aufgebaut aus den Monomeren Sinapyl-, Coniferyl- und p-Cumarylalkohol. Die Eigenschaften der Lignine werden im Wesentlichen durch die Mischungsverhältnisse der Monome- 28 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? ren und deren Verknüpfungsmuster geprägt. Abbildung 9 verdeutlicht einen vereinfachten Ausschnitt aus einer möglichen Ligninstruktur. HO OH CH CH H3CO O H3CO HC CH CH2OH OH CH CH CH2OH CH2OH CH CHOH OH CHO H3CO O CH CH2OH CHOH H3CO O CH OH CH2 HOH2C H3CO HOHC OCH3 H3CO O O HOH2C HO H C CH H3CO CH HO OCH3 2 O CH2OH CH CHOH O CH CH2OH HO CH H3CO CH O HOH2C H3CO O HOHC CH CH2OH H3CO CH OH CHOH OHC O OH OCH3 O O H3CO O O OCH3 C CH CH2OH Abb. 9: Ausschnitt aus einer vereinfachten Ligninstruktur OH OH OCH 3 Lignin fällt bei der Zellstoffgewinnung in größeren Mengen als Kuppelprodukt in Form von Schwarzlauge an, die größtenteils thermisch verwertet wird. Für Überschüsse besteht seitens der Zellstoffproduzenten auch Interesse an einer stofflichen Nutzung von Lignin, das setzt aber im Vorfeld die Isolierung aus der Schwarzlauge voraus. Die Struktur und damit das Eigenschaftsprofil von Lignin variieren von Holzsorte zu Holzsorte, aber auch innerhalb eines speziellen Pflanzentyps teilweise stark. Die gebräuchlichsten Herstellungsverfahren für Lignin sind: Kraft-Verfahren (Sulfat), Sulfit-Verfahren, Soda-Anthrachinon-Verfahren, GRANIT-Verfahren, AlcellTM-Verfahren, Organosolv –Verfahren. In der Literatur wird die Verarbeitung von Lignin in Polymerblends zur Herstellung von C-Fasern berichtet, Tabelle 2 fasst die Bereiche mechanischer Kennwerte zusammen [16] . Tab. 2: Bereiche ausgewählter mechanischer Kenndaten von C-Fasern aus Lignin und Lignin/PEO-Blends.[16] mittlere Durchmesser [m] Zugfestigkeit [MPa] E-Modul [GPa] 25 – 55 200 – 600 25 – 70 Verglichen mit den Daten aus Tabelle 1 wäre eine Ähnlichkeit zu Pechbasierten C-Fasern erkennbar. 29 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? 3 Potenzielle Produkte der HTC zur Herstellung von C-Fasern Grundsätzlich muss von einer Vielfalt möglicher Zusammensetzungen von Biomasse zur Beschickung von HTC-Reaktoren ausgegangen werden. So lassen sich neben verschiedensten Abfallprodukten auch hochwertige isolierte Substanzen wie beispielsweise Glucose nutzen, wobei sehr wahrscheinlich Auswirkungen der Art des Ausgangsmaterials auf die gebildeten HTC- Produkte zu berücksichtigen sind. Da bisher nicht klar ist, in welcher Weise die Zusammensetzung des Ausgangsmaterials Einfluss auf die Eigenschaften der HTC-Produkte nimmt, gibt es hierzu offensichtlich noch Forschungsbedarf. Endprodukte der HTC zeichnen sich generell durch einen hohen Karbonisierungsgrad aus. Die Bildung von Kohlenstoff ist bereits sehr weit fortgeschritten, ohne dass zuvor die erforderliche Formgebung im Sinne der Faserbildung stattgefunden hat. Dadurch wird zunächst einmal die inhärente Logik des technologischen Ablaufs zur Faserherstellung nicht gewahrt. Wege zur nachträglichen Präparation von Faser-Precursoren aus solchen unschmelzbaren und nichtlöslichen HTC-Produkten sind bisher nicht bekannt, entsprechende Lösungswege (zur Verformung von HTCProdukten) sind z. Z. nicht ersichtlich. Sollte die Verformung der HTCProdukte über Zusatzstoffe zu erreichen sein, muss bedacht werden, dass dann die Prozesskette einer Carbonfaserherstellung erneut zu durchlaufen ist mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die Gesamtprozessökonomie. Ein interessanter Ansatz könnte sich ergeben, wenn über Zwischenstufen der HTC Produkte mit erdölähnlicher oder pechähnlicher Konsistenz darstellbar wären. Eine wesentliche Zielstellung ist, dass derartige Produkte aus Lösung oder Schmelze verspinnbar sind. Ähnlich wie bei Pech- oder Lignin-haltigen Fasern könnten auch hier orientierungsfördernde CoKomponenten (z. B. Polymere, Mesophasenbildner) einbezogen werden, um tatsächlich Faserstrukturen mit uniaxialer Vorzugsorientierung zu erzeugen. Sollte die Faserbildung bei derartigen HTC-Zwischenprodukten möglich sein, wäre zu prüfen, inwieweit eine Carbonisierung in Faserform über geeignete Stabilisierungs- und Carbonisierungsprozesse realisierbar ist. In diesem Zusammenhang sind systematische Untersuchungen zur Aufklärung von Prozess-Struktur-Eigenschafts-Beziehungen durchzufüh- 30 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? ren, die insbesondere auch der Auswahl und Optimierung von Biomasse für diesen Anwendungszweck dienen. Wie einleitend aufgezeigt stehen derzeit nanoskalige Endprodukte der HTC mit unterschiedlichen Morphologien, Zusammensetzungen, Aspektverhältnissen und Oberflächenstrukturen im Mittelpunkt des Interesses. Diese Ansätze sind für Füll- und Verstärkungskomponenten von Bedeutung, die zur Herstellung heterogenphasiger Materialsysteme Anwendung finden sollen. In Anlehnung an die aktuellen Trends im Bereich polymerbasierte Materialentwicklung, die wesentlich durch Carbon Nanotubes (CNT) mitgetragen werden, erscheinen nanoskalige HTC-Produkte mit großen Aspektverhältnissen als eine interessante Alternative. Deren Leistungsvermögen wird in erster Linie von ihren mechanischen Kennwerten getragen und ist gegenüber herkömmlichen Konkurrenzmaterialien zu testen. Ein Vorteil könnte die in-situ Funktionalisierung von Partikeloberflächen sein, die durch den Verbleib eines geringen Anteils funktioneller Gruppen aus der eingespeisten Biomasse vorstellbar ist. Dadurch wäre die Partikel-Matrix-Haftung in Compositmaterialien, insbesondere in Kombination mit Haftvermittlern, zu verbessern, mit positiven Konsequenzen für die Compositeigenschaften und deren Anwendungen. Auch bei diesem Vorschlag ist zu prüfen, welchen Einfluss die Zusammensetzung und Morphologie der eingesetzten Biomasse auf die Endprodukte hat. 4 [1] [2] [3] [4] [5] [6] Literatur Quelle: MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT, Presseinformation, PRI C 34 / 2006 (113) Bergius, F.: „Die Anwendung hoher Drucke bei chem. Vorgängen und eine Nachbildung des Entstehungsprozesses der Steinkohle“, Halle 1913 Xianjin Cui, Markus Antonietti, and Shu-Hong Yu: “Structural Effects of Iron Oxide Nanoparticles and Iron Ions on the Hydrothermal Carbonization of Starch and Rice Carbohydrates”; small 2006, 2, No. 6, 756 – 759 Maria-Magdalena Titirici, Arne Thomas, and Markus Antonietti: “Replication and Coating of Silica Templates by Hydrothermal Carbonization”; Adv. Funct. Mater. 2007, 17, 1010 – 1018 Hai-Sheng Qian, Markus Antonietti, and Shu-Hong Yu: “Hybrid “Golden Fleece”: Synthesis and Catalytic Performance of Uniform Carbon Nanofibers and Silica Nanotubes Embedded with a High Population of Noble-Metal Nanoparticles”; Adv. Funct. Mater. 2007, 17, 637 – 643 Cakan, RD; Titirici, MM; Antonietti, M, et al.: “Hydrothermal carbon spheres containing silicon nanoparticles: synthesis and lithium storage performance”; CHEMICAL COMMUNICATIONS, 32 (2008) 3759-3761 31 Hydrothermale Karbonisierung als Eingangsstufe zur Erzeugung kohlenstoffhaltiger Fasern? [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23] Mingshang Jin, Qin Kuang, Zhiyuan Jiang, Tao Xu, Zhaoxiong Xie, Lansun Zheng: “Direct synthesis of silver/polymer/carbon nanocables via a simple hydrothermal route” Journal of Solid State Chemistry 181 (2008) 2359 – 2363 Feng Zhang, Hua Ma, Jun Chen, Guo-Dong Li, Yu Zhang, Jie-Sheng Chen: “Preparation and gas storage of high surface area microporous carbon derived from biomass source cornstalks” Bioresource Technology 99 (2008) 4803 – 4808 Maria-Magdalena Titirici, Arne Thomas and Markus Antonietti: “Aminated hydrophilic ordered mesoporous carbons”; J. Mater. Chem., 2007, 17, 3412 – 3418 H. 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Engelmann, Dr. Hans-Peter Fink Fraunhofer – Institut für Angewandte Polymerforschung Geiselbergstr. 69, 14476 Potsdam-Golm E-Mail: fink@iap.fhg.de 32 Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand Christiane Grimm Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) 1 Einführung Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) wurde 1990 als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts gegründet. Aus den Erträgen des Stiftungskapitals werden Projekte zum innovativen Umweltschutz gefördert. Auftrag der DBU ist es, Vorhaben zum Schutz der Umwelt unter besonderer Berücksichtigung der mittelständischen Wirtschaft zu fördern. Sie soll dabei in der Regel außerhalb der staatlichen Programme tätig werden, kann diese allerdings ergänzen. Eine weitere Aufgabe ist die Vergabe des Deutschen Umweltpreises. Allgemeine Voraussetzung für eine Förderung sind die Kriterien: ■ Innovation – Vorhaben müssen sich klar vom Stand der Technik abgrenzen; ■ Modellcharakter – die Innovation soll für eine breite Anwendung interessant sein und sich unter marktwirtschaftlichen Konditionen zeitnah umsetzen lassen; ■ Umweltentlastung – mit der Innovation sollen neue, ergänzende Umweltentlastungspotenziale erschlossen werden. Vor diesem Hintergrund wurde vom Kuratorium der DBU im Juni 2007 die Förderung von mehreren Vorhaben zur Weiterentwicklung und Optimierung der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC) beschlossen. 33 Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand Zur Hydrothermalen Carbonisierung: Angesichts der ehrgeizigen politischen Ziele zum Einsatz erneuerbarer Energien in der Ener-gieerzeugung kommt der Biomasse künftig eine besondere Bedeutung zu. Um auch für pflanzliche Reststoffe und Abfälle effiziente Verfahren zur Nutzung zu erschließen, wird derzeit die Einsetzbarkeit der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC)untersucht. Dieses Verfah-ren wurde vor ein paar Jahren am Potsdamer Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung von Prof. Dr. Markus Antonietti wieder entdeckt und weiter entwickelt. Es wird derzeit von mehreren Arbeitsgruppen im In- und Ausland weiter verfolgt. Die Hydrothermale Carbonisierung, welche schon 1913 von dem Chemiker und Nobelpreisträger Friedrich Bergius hinsichtlich der elementaren Prozesse beschrieben wurde, jedoch lange in Vergessenheit geriet, könnte sowohl eine einfache Lösung zum Umgang mit dem CO2-Problem darstellen als auch einen neuen Weg zur Energiegewinnung aus Biomasse er-möglichen. In heutiger Zeit soll dieses Verfahren mit den damals beschriebenen Prozessen mit aktuellen Erkenntnissen, moderner Instrumenten- und Anlagentechnik für eine exakte Prozesssteuerung sowie dem gezielten Einsatz von Katalysatoren besser kontrolliert werden können. Die HTC ist ein chemisches Verfahren zur einfachen und hoch effizienten Herstellung von Braunkohle, Synthesegas, flüssigen Erdölvorstufen und Humus aus Biomasse unter Freisetzung von Energie. Der Prozess ahmt die in der Natur in Millionen von Jahren ablaufende Braunkohleentstehung innerhalb weniger Stunden technisch nach. Der HTC liegt (vereinfacht) folgender chemischer Prozess zugrunde, der exotherm verläuft: HTC ➔ C6H12O6 Kohlenhydrat 6C + Kohlenstoff 6 H2O Wasser Zur Ingangsetzung der Reaktion müssen allerdings zunächst Aktivierungsenergie (Druck, Temperatur) sowie Katalysatoren aufgewendet werden. Die Reaktion läuft dann innerhalb weniger Stunden (6–12 Stunden) ab, wobei der Grad der Dehydratisierung des Kohlenhydrats von der Reaktionsdauer abhängt. Bei der HTC entsteht eine wässrige schwarze Flüssigkeit mit feinstverteilten kugelförmigen porösen Kohlepartikeln (Kolloiden). Ein Großteil des Kohlenstoffs, der in dem Pflanzenmaterial gebunden war, liegt nun in Form dieser Partikel vor. Als Produkte können 34 Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand aus der HTC, je nach Reaktionsdauer und -bedingungen, Torf bzw. Humus (Landwirtschaft, Gartenbau) und Kohle zur energetischen Nutzung gewonnen werden. Im Hinblick auf eine CO2-Senke lässt sich der aus der Biomasse vorliegende Kohlenstoff auch dauerhaft ablagern. 2 Fördermaßnahmen der DBU zur Hydrothermalen Carbonisierung Mit dem Ziel der Erschließung neuer Verwertungsmöglichkeiten für Bioabfälle und Reststoffe unterstützt die DBU derzeit zur Weiterentwicklung der HTC drei Fördervorhaben und ein Promotionsstipendium mit einer Gesamtfördersumme von rund 1 Mio. €. Die Ziele der DBU-Förderprojekte lassen sich wie folgt zusammenfassen: ■ Optimierung des Reaktionsprozesses und exakte Prozesssteuerung, Katalysatoreneinsatz, ■ (abwassertechnische) Behandlung der wässrigen Phase, aus der das Produkt abgetrennt wird, ■ Scale-up, ■ Produktverwertung, ■ Zusammenarbeit und fachlicher Austausch zwischen den Vorhaben. Geförderte Projekte: ■ AZ 25604 „Energiegewinnung aus organischen Siedlungsabfällen durch Hydrothermale Carbonisierung“: Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Höxter, FB Technischer Umweltschutz, Fachgebiet Abfallwirtschaft und Deponietechnik, in Zusammenarbeit mit dem dortigen Fachgebiet Wassertechnologie, Dr.-Ing. H.-J. Lehmann, Berlin, und dem Max-Planck-Institut für Kolloidund Grenzflächenforschung, Potsdam. ■ AZ 25656 „Modellhaftes Zeigen der energetischen Verwertung von organischen Rest- und Abfallstoffen mit dem Verfahren der Hydrothermalen Carbonisierung (Hydro-Carb)“: Willi Schlitt GmbH & Co. KG, Kirtorf/Hessen in Zusammenarbeit mit der Rößner Maschinenbau GmbH, Alsfeld/Hessen, sowie der 35 Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand Fachhochschule Gießen-Friedberg, Fachbereich Maschinenbau, Mikrotechnik, Energie- und Wärmetechnik. ■ AZ 25738 „Umweltentlastung durch Hydrothermale Carbonisierung: Brennstoff aus Biomasse“: Bewilligungsempfänger: Antaco GmbH, Grasbrunn/Bayern. 3 Zielsetzung und Ergebnisse aus laufenden DBU-Förderprojekten Fördervorhaben AZ 25604 der Hochschule Ostwestfalen-Lippe: Ziel ist, mit Blick auf die Effizienzsteigerungen beim Einsatz von erneuerbaren Energien, die Anwendbarkeit der HTC auf getrennt gesammelte Bioabfälle (alternativ zur bisherigen Kompostierung und Vergärung) zu betrachten mittels abfallwirtschaftlicher Untersuchungen sowie Klärung verschiedener verfahrens- und abwassertechnischer Fragestellungen, um die Voraus-setzungen für eine Umsetzung in den technischen Maßstab zu schaffen. Das Vorhaben gliedert sich in drei Versuchsphasen: ■ Erprobung der Hydrothermalen Carbonisierung ■ Optimierung der Versuchsbedingungen ■ Gezielte Untersuchung organischer Siedlungsabfälle. Der im Labor des Fachgebiets Abfallwirtschaft und Deponietechnik vorhandene Autoklav (25 l), wurde umgerüstet und mit einer rechnergeQuelle: Ramke Hochschule Ostwestfalen-Lippe Abb. 1: Getrockneter HTC-Output aus dem Standard I (Rübenschnitzel + Maissilage) 36 Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand stützten SPS ausgestattet. Seit Projektbeginn wurden über 80 Versuche durchgeführt und die entstandenen Produkte analysiert. Die Versuche wurden als Batch-Versuche (Chargenbetrieb) durchgeführt. Bei allen HTCVersuchen wurden die physikalischen Parameter Temperatur, Druck und Energieeintrag kontinuierlich aufgezeichnet. Nach der Carbonisierung wird das Material entwässert. Es wurden regelmäßig Analysen zur Zusammensetzung und zum Gasbildungspotenzial des Inputs vorgenommen wie auch zur Zusammensetzung der Biokohle. Weiterhin wurden Untersuchungen der wässrigen Phase und der Gasphase durchgeführt. Im Rahmen des Vorhabens werden folgende Input-Materialien untersucht: ■ Standardsubstrate: - Maissilage + Rübenschnitzel (Standard I) - Gärrest + Stroh + Rübenschnitzel (Standard II) ■ Monosubstrate: Zucker, Stärke ■ Siedlungsabfälle: Frischkompost, Bioabfall (grüne Tonne), Grünschnitt (Rasen- und Strauchschnitt) ■ Landwirtschaftliche Rückstände: Stroh ■ Sonstige, wie Gärreste aus Biogasanlagen, Klärschlamm. Abbildung 2 zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Kohlenstoffgehalt und dem Brennwert. Die ausgewerteten „Biokohlen“ (Output) können hinsichtlich C-Gehalt und Brennwert durchaus als braunkohleartig bezeichnet werden. Tab.1: Tendenzielle Verteilung der Kohlenstofffraktion in die HTC-Produktphasen Substrat C – feste Phase % C – flüssige Phase % C – Gasphase % Zucker 84,6 11,8 3,6 Standard I 84,0 10,2 5,5 Stroh 81,3 14,9 3,9 Klärschlamm 83,2 11,4 5,4 Bioabfall 81,8 11,8 6,4 Quelle: Ramke, Hochschule Ostwestfalen-Lippe 37 Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand Kohlenstoff / Brennwert - Korrelation 40000 35000 2 R = 0,9818 2 R = 0,9984 Brennwert (Ho) [kJ / kg TS] 30000 25000 20000 15000 10000 5000 Fichtenholz (mit Rinde) [FNR, 2007] Buchenholz (mit Rinde) [FNR, 2007] Weizenstroh [FNR, 2007] Steinkohle [FNR, 2007] Braunkohle [FNR, 2007] Braunkohle-Brennstaub (Lausitz) [LAUBAG] 27.06.2008 Bioabfall Bioabfall Input 19.06.2008 Rasenschnitt Rasenschnitt Input 12.06.2008 Stroh Stroh Input 08.05.2008 Standard I Standard I Input 30.06.2008 Standard II Standard II Input Linear (Brennstoff) Linear ("Biokohle") 0 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Kohlenstoffgehalt [%] Abb. 2: Beispiel eines Kohlenstoff-Brennwert-Diagramms (Ramke, Hochschule Ostwestfalen-Lippe) Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse ■ Die Carbonisierungen waren mit den meisten Materialien erfolgreich. Der Vergleich der Elementgehalte (CHNO) der Input- und der Output-Materialien gibt klare Hinweise auf das Ausmaß der erfolgten Carbonisierung. ■ Nach bisherigen Ergebnissen wird der Großteil (ca. 80 %) des bei der HTC eingesetzten Kohlenstoffs in Form von Braunkohlepartikeln im festen Reaktionsprodukt eingebettet. Je nach Reaktionsbedingungen verbleiben ca. 15 % in der flüssigen Phase und ein geringer Rest (ca. 5 %) in der Gasphase (s. Tab. 1). ■ Die erzeugten Materialien („Biokohlen“) sind in den meisten Fällen hinsichtlich ihrer Hauptbestandteile und der Brennwerte als braunkohleartig zu bezeichnen ■ Die flüssige Phase hat nach der Carbonisierung hohe TOC- und CSB-Gehalte, die in der Regel deutlich über 10.000 mg TOC/l und 15.000 mg O2/l für den CSB liegen. ■ Die flüssige Phase besitzt als Reaktionsprodukt u. a. einen nicht unerheblichen Anteil an organischen Säuren und ist nach bisheri- 38 Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand gem Erkenntnissen anaerob umsetzbar (energetische Verwertung der flüssigen Phase in Form von Methan). ■ Das freigesetzte Reaktions-Gasvolumen liegt in einer Größenordnung von ca. 50 l/kg TS und besteht dominierend aus Kohlendioxid. ■ Der energetische Vorteil der HTC besteht in der Exothermie einiger der ablaufenden Reaktionen. Bisherige Auswertungen zeigen, dass bei den Standardsubstraten ca. 5 MJ/kg TS des eingesetzten Materials als Energie während des Prozesses freigesetzt werden. ■ Die erwartete verbesserte Entwässerbarkeit von carbonisiertem Material gegenüber nicht behandelten wässrigen organischen Abfällen (z. B. Klärschlamm) wurde bestätigt. Fördervorhaben AZ 25656 der Willi Schlitt GmbH & Co. KG: Zielsetzung dieses Vorhabens ist die Optimierung des HTC-Prozesses mit dem Ziel der großtechnischen Anwendung . Ausgangspunkt sind erfolgreiche Untersuchungen im Labormaßstab. Die wichtigsten Projektinhalte sind: ■ Verfahrenstechnische Untersuchungen im Labor- und Technikumsmaßstab ■ Ermittlung der Verfahrensparameter für einen Versuchsreaktor im diskontinuierlichen Durchlaufbetrieb ■ Entwicklung einer Aufbereitungs- und Befüllungstechnik für die Biomasse ■ Konstruktion und Fertigung des neuen Versuchsreaktors (3,5 m3) – bereits abgeschlossen ■ Untersuchungen zur Nachbehandlung der Endprodukte (Biokohle) ■ Untersuchungen zu den energetischen und chemischen Eigenschaften von HTC-Produkten ■ Untersuchungen zum Abwasserrecycling. Bisher wurden zahlreiche Versuchsreihen zum Brenn- und Heizwert von HTC-Kohle aus Reststoffen der Land- und Forstwirtschaft, Landschaftspflege, wie z.B. Rindenmulch, Stroh-pellets, Gärreste, Laub, Zuckerrübenschnitzel etc. durchgeführt (Abb. 3). Alle verwendeten Einsatzstoffe zeigten einen starken Einfluss auf den Heiz- und Brennwert der jeweiligen Koh-le. Der Kohlenstoffgehalt lag bei fast allen untersuchten Materialien im Bereich von Braunkohle. Die Resultate lassen die Erwartung zu, dass sich mit Reststoffen aus der Land- und Forstwirtschaft sowie der 39 Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand Landschaftspflege eine saisonunabhängige Auslastung einer HTC-Anlage gewährleisten lässt. Ein weiterer Projektschwerpunkt ist die Verwertung des anfallenden Abwassers. Hierzu wurden Versuche zur mehrmaligen Verwendung des Prozesswassers durchgeführt. Das Prozesswasser konnte bei gleich bleibenden Brenn- und nur leicht steigendem Aschewert des Endprodukts über 20 Zyklen verwendet werden. Im weiteren Projektverlauf stehen noch energetische Betrachtungen zum Versuchsreaktor an sowie eine Optimierung des Reaktors und des Prozessablaufes als auch die Planung eines großtechnischen Reaktors wie auch Betrachtungen zur Wirtschaftlichkeit. Fördervorhaben AZ 25738 der Antaco GmbH: Zielsetzung des Vorhabens ist die Planung, Errichtung und der Bau einer Pilotanlage (5.000 t/a) mit besonderer Berücksichtigung des Feststoffhandlings. Vorgesehen sind zudem Analysen der festen und flüssigen Phase sowie Testung verschiedener Verfahren der Abwasserrei-nigung. Hinzu kommen eine ökologische und ökonomische Bewertung. Es liegen noch keine Ergebnisse vor. Abb. 3: Heiz- und Brennwerte der Pflanzenkohle aus verschiedenen Ausgangsstoffen, 175 °C, 12 h Verweilzeit (Richarts, FH Gießen-Friedberg) 40 Fördervorhaben der DBU zur Hydrothermalen Karbonisierung – Ziele und Stand 4 Fazit Bisher vorliegende Ergebnisse aus den Fördervorhaben zur Einsetzbarkeit unterschiedlicher Biomassen und zur Optimierung der Prozessführung sind vielversprechend und Ausgangs-punkt für weitere Projektplanungen. Es hat sich gezeigt, dass weitere verfahrenstechnische Verbesserungen für eine großtechnische Nutzung der HTC notwendig sind. Bezüglich der einsetzbaren und verfügbaren Biomassen hat sich sowohl bei den Bioabfällen als auch bei den Reststoffen ein breites Einsatzspektrum herausgestellt. Insbesondere ergeben sich Perspekti-ven für bisher nicht optimal energetisch verwertbare Biomassen und zur Verwertung von Bio-abfällen alternativ zur Kompostierung. Konkrete Überlegungen auf Basis von Vorversuchen gehen dahin, den Einsatz von HTC-Produkten als Bodenverbesserer und zur C-Sequestrierung auf landwirtschaftlichen Flächen zu prüfen. Entsprechende Forschungsvorhaben befinden sich bereits in Planung. Aus Sicht der DBU kann die Biomassenutzung über die Hydrothermale Carbonisierung dazu beitragen, künftig ein erweitertes Biomassespektrum energetisch und stofflich zu nutzen bei gleichzeitiger C-Sequestrierung. Die HTC ist in dieser Hinsicht von weltweiter Bedeutung. Aus diesem Verfahren können insbesondere bei umfangreicher Anwendung maßgebliche Bei-träge zum Klima- und Ressourcenschutz erwachsen. Es hat sich gezeigt, dass die Hydrother-male Carbonisierung ein zukunftsträchtiges Betätigungsfeld für mittelständische Unterneh-men, der Hauptzielgruppe der DBU, sowohl im Anlagenbau als auch im –Betrieb darstellt. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt wird auf der Basis von Ergebnissen aus den aktuellen Fördervorhaben die weitere Entwicklung der HTC zur Praxis- und Marktreife mit Augenmaß unterstützen. Anschrift der Autorin: Dipl.-Ing. agr. Christiane Grimm Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) An der Bornau 2, 49090 Osnabrück E-Mail: c.grimm@dbu.de 41 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von BiomasseMöglichkeiten und Grenzen Till Belusa, Axel Funke, Frank Behrendt, Felix Ziegler Technische Universität Berlin Biomassenutzung – Einordnung des HTC-Verfahrens Die hydrothermale Karbonisierung ist ein thermochemisches Wandlungsverfahren im wässrigen Medium. Sie unterscheidet sich von ähnlichen Verfahren, wie der Hydrothermalen Vergasung (HTV) und der katalytischen Druckhydrierung bzw. Direktverflüssigung (HTU: hydrothermal upgrading; HTO: hydrothermal optimisation) entscheidend dadurch, dass sie keinen flüssigen oder gasförmigen Energieträger erzeugt, sondern einen Festbrennstoff. Die Prozessbedingungen sind allerdings um einiges milder (ca. 200 °C und 30 bar) als bei den anderen angesprochenen Verfahren. Die hydrothermale Karbonisierung steht damit den bisherigen Zielen der Kohle- bzw. Biomasseforschung entgegen, die die Veredelung von Festbrennstoffen zu flüssigen oder gasförmigen Energieträgern beinhalten, da diese einfacher und mit höheren Wirkungsgraden zu nutzen sind. Als Einsatzstoffe für diese Verfahren sind Biomassen mit einem hohen Wasseranteil besonders geeignet. Da die erwähnten Verfahren alle feuchte Biomasse einsetzen, stehen sie in unmittelbarer Nutzungskonkurrenz um das verfügbare Potenzial. Da die Biomasse teilweise auch zur fermentativen Erzeugung von Biogas eingesetzt werden kann, verringert sich das Potenzial noch weiter. Auch ist eine Verwertung mancher Substrate als Viehfutter üblich, das bei einer energetischen Nutzung der Reststoffe aus anderen Quellen ersetzt werden müsste. Belastbare Untersuchungen der jeweiligen Prozessketten müssen zukünftig zeigen, welches der Verfahren in welchem Anwendungsbereich Vorteile aufweist. 42 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen Kohleforschung – Geschichte der HTC Reaktionsbedingungen, die mit denen der HTC vergleichbar sind, werden seit den systematischen Untersuchungen von Bergius 1913 im Bereich der Kohleforschung verwendet. Dabei stand vor allem die Ergründung des natürlichen Inkohlungsvorganges sowie die Beschreibung der detaillierten biologischen und chemischen Reaktionen im Vordergrund. Der Verlauf der natürlichen Kohleentwicklung ist in Abbildung 1 dargestellt. Ziel war eine Simulation der natürlichen Vorgänge durch Laborversuche in einem Zeitrahmen, der für Forschungszwecke geeignet ist. Es wurde bald erkannt, dass eine einfache, offene Pyrolyse hier nur unbefriedigende Ergebnisse erzielt. Die Versuchsreihen von Bergius erschienen wesentlich viel versprechender, da sie zumindest in der Elementarzusammensetzung und dem äußeren Erscheinen nach ein braunkohleähnliches Produkt hervorbrachten. Der Gedanke, dass hydrothermale Bedingungen den natürlichen Inkohlungsvorgang reproduzieren können, wurde zunächst von Berl intensiv weiterverfolgt und später von zahlreichen weiteren Forschungsgruppen angewandt. Bis heute zählt die hydrothermale Karbonisierung neben Abb. 1: Inkohlungsdiagramm 43 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen der sogenannten ‚confined pyrolysis‘ als ein geeignetes Verfahren zur Simulierung des natürlichen Inkohlungsprozesses und findet entsprechend Anwendung. Seit dem Jahr 2006, als Markus Antonietti [1] das Verfahren für die Herstellung eines kohleähnlichen Produkts aus Biomasse vorschlug, gerät es in den Fokus einer möglichen Anwendung zur stofflichen und/oder energetischen Verwertung von Biomasse-Reststoffen. Dazu liefern die zahlreichen Versuche aus der Grundlagenforschung bereits nützliche Hinweise für die Anwendung und Machbarkeit der hydrothermalen Karbonisierung. Das vorliegende, umfangreiche Datenmaterial zur Verkohlung von Cellulose, die einen großen Anteil der frischen Biomasse ausmacht, erleichtert eine Bewertung der Machbarkeit einer praktischen Anwendung der HTC. Darüber hinaus existieren bereits – sehr grobe – Abschätzungen zur Reaktionskinetik von Bergius [2] sowie ein Modell zur Inkohlung – genauer gesagt der hydrothermalen Behandlung – von Pflanzenmaterial von Ruyter [3]. Zusammenfassung Literaturrecherche zur HTC Produkt HTC-Kohle Aus den gefundenen Literaturstellen wurde eine Datenbank angelegt, in der Informationen zu Prozessparametern, Edukt- und Produktzusammensetzung, Ausbeute, Gasmenge und -zusammensetzung sowie den eingesetzten Katalysatoren hinterlegt wurden. Für die Darstellung in Abbildung 2 konnten knapp 300 vollständige Datensätze genutzt werden, die aus themenrelevanten Veröffentlichungen recherchiert wurden. Die in der Abbildung 2 enthaltenen Datensätze stammen von unterschiedlichsten Edukten wie Cellulose, Lignin, Holz, Braunkohle, Moos, Harzen und Wachsen. Außerdem wurde das Kohleband für Vitrinite nach van Krevelen einem weiteren Entwicklungsband von Typ III Kerogenen nach Hunt gegenübergestellt [4][5]. Des Weiteren sind die Edukte Lignin und Cellulose in der Abbildung eingezeichnet. Zunächst ist ersichtlich, dass durch die Versuche im Labor die grobe Tendenz der natürlichen Kohleentwicklung zwar simuliert werden kann, aber im Bereich der Braunkohle die Kurve des Kohlebands der Vitrinite nach van Krevelen „verpasst“ wird. Eine Ausnahme bilden hier nahelie- 44 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen Abb. 2: Darstellung von Experimenten zur hydrothermalen Karbonisierung genderweise karbonisierte Braunkohlen. HTC-Kohle hat somit tendenziell einen höheren Sauerstoffgehalt als natürliche Kohlen, was einen niedrigeren Brennwert zur Folge hat. Die Datenpunkte, die deutlich oberhalb des Kohlebandes nach Hunt liegen, stammen von Biomasse mit entsprechend hohem Wasserstoffgehalt wie z. B. Harzen und Wachsen. Basische Reaktionsbedingungen führen prinzipiell ebenfalls zu Produkten mit höheren Wasserstoffanteilen, die zunehmend im Bereich des Bitumens liegen. Es hat sich in unterschiedlichen Studien herausgestellt, dass saure Reaktionsbedingungen, Salze und Eisenoxyd die Inkohlung generell positiv beeinflussen. Ein Vergleich der in den Experimenten hergestellten HTC-Kohlen zeigt, dass die Reaktionstemperatur einen deutlich höheren Einfluss auf das Produkt hat als die Verweildauer. Diese Einflüsse sind jedoch noch nicht abschließend geklärt und es ist unklar, inwieweit Temperatur und Zeit überhaupt austauschbare Parameter darstellen. Sowohl für Cellulose als auch für Lignin (und somit für Holz als Mischung beider Substanzen) lassen sich bei den entsprechenden Reaktionstemperaturen und den üblicherweise angewandten Verweildauern (< 72 h) die in Tabelle 1 dargestellten Kohlenstoffgehalte erreichen. Überkritische Parameter (über 374°C) 45 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen führen zu keiner wesentlichen Erhöhung des Kohlenstoffgehalts. Sämtliche Daten in dieser Tabelle stammen aus Versuchen, die mit reinem Wasser, also ohne den Einsatz von Katalysatoren, durchgeführt wurden. Grundlegend kann als Ergebnis der Literaturrecherche bestätigt werden, dass durch die hydrothermale Behandlung von Biomasse und jungen Kohlen durch Dehydratisierung und Decarboxylierung ein Produkt (ca. 30MJ/kgwaf) entsteht, das in seiner elementaren Zusammensetzung Braunkohle ähnelt und sogar die Qualität einer Steinkohle von niedrigem Rang erreichen kann. Temperatur [°C] C-Gehalt [Gew.-%] bis 200 bis 70 bis 300 bis 80 bis 350 bis 85 Tabelle 1: Resultierender C-Gehalt der HTC-Kohle bei unterschiedlichen Prozesstemperaturen (Ergebnisse aus der Literaturrecherche) Sonstige Reaktionsprodukte der HTC Für eine etwas übersichtlichere Darstellung wurden in Abbildung 3 einige beispielhafte Entwicklungslinien für Cellulose und Lignin als wesentliche Bestandteile der Biomasse dargestellt. Die dargestellten Versuche folgen auf den ersten Blick trotz der unterschiedlichen Edukte einer erstaunlich ähnlichen Tendenz, wenn man von einigen Ausreißern absieht. Unter der Annahme, dass eine reine Decarboxylierung und Dehydratisierung vorliegt, lassen sich über die Steigung der Trendlinien die Mengen des während des Prozesses entstandenen Wassers und Kohlendioxids berechnen. Je gebildetem Mol Kohlendioxid entstehen so je nach gewählten Reaktionsbedingungen zwischen 3 – 6 Mol Wasser. Zusätzlich wirkt sich auch die Verweildauer auf dieses Verhältnis aus, was aber aufgrund fehlender systematischer Untersuchungen noch nicht genau beschrieben werden kann. Dies steht im Widerspruch zu dem von Ruyter bereits beschriebenen, konstanten Verhältnis dieser beiden Produkte zueinander, solange unterkritische Bedingungen eingehalten werden [3]. Es kann jedoch festgehalten werden, dass während der hydrothermalen Karbonisierung von Biomasse deutlich mehr Wasser entsteht als Kohlendioxid. Unterhalb 46 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen Abb. 3: Ausgesuchte Versuchsreihen der hydrothermalen Karbonisierung bei konstanter Temperatur und unterschiedlichen Verweilzeiten (ohne Katalysatoren) von 200 °C lässt sich eine Dehydratisierung relativ isoliert hervorrufen [2][6]. Inwieweit das Verhältnis von Decarboxylierung zu Dehydratisierung gezielt über die Prozessparameter gesteuert werden kann und die Qualität der HTC-Kohle dadurch beeinflusst wird ist noch nicht systematisch erforscht worden. Neben der HTC-Kohle, CO2 und H2O entstehen darüber hinaus während des Prozesses im Wasser gelöste organische Produkte, welche hauptsächlich aus organischen Säuren bestehen. Eine Eintrübung des Produktwassers und Ablagerungen an den Gefäßwänden wurden mehrfach berichtet [7][8] und auch in eigenen Versuchen beobachtet. Es erscheint offensichtlich, dass sich signifikante Mengen der Biomasse als Zwischenprodukt im Wasser lösen und im weiteren Verlauf der Reaktion oder während einer späteren Lagerung des Produktwassers polymerisieren/kondensieren [9]. Die recherchierten Daten zeigen, dass dieser Anteil zwischen 10 – 30 % der eingesetzten Biomasse ausmachen kann und somit einen zu berücksichtigenden Kohlenstoff- und Energieverlust darstellt. Im entstehenden Gas sind außer CO2 geringe Anteile von CO, CnHm, Methan und Wasserstoff zu finden, deren Anteil am gesamten Gasvolumen aber meist unter 5% liegt. 47 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen Energetische Betrachtung der HTC Um die bei der hydrothermalen Karbonisierung freiwerdende Wärmemenge bestimmen zu können, wurde an der TU Berlin die dynamische Differenzkalometrie verwendet. Die DSC (differential scanning calorimetry) ist ein Verfahren zur Messung der aufgenommenen (oder abgegebenen) Wärmemenge einer Probe bei z. B. isothermen Reaktionsbedingungen. Erschwert wird die Messung durch die langsam ablaufende Reaktion der hydrothermalen Karbonisierung, die keinen eindeutig definierten Endpunkt (=Produkt) besitzt. Somit ist es bei einigen Proben schwierig festzustellen, ob die Reaktion nach der gewählten Dauer bereits beendet ist. Wäre dies nicht der Fall, würde zum einen das Abziehen der Vergleichsprobe mit einem zusätzlichen Fehler belegt und zum anderen die Ermittlung der abschließenden Baseline (die frei werdende Wärmemenge entspricht der Fläche zwischen der Messkurve und dieser ermittelten Baseline) ungenau. Durch diese Einflussquellen werden leicht Fehler in einer Größenordnung von 20 – 30 % erzeugt. An einer Verbesserung der Auswertung der Daten und der abschließenden Beurteilung der Messungenauigkeit wird noch gearbeitet. Dennoch lieferte die Größenordnung der gemessenen Wärmemenge bereits interessante Erkenntnisse, die in Tabelle 2 aufgeführt sind. Tabelle 2: Ergebnisse der kalorimetrischen Messungen mittels DSC (Katalysator: verdünnte Zitronensäure) Temp. [°C] ΔHrkt [J/g] Qmax [W/g] tQmax [min] Cellulose 230 680 0,05 100 Cellulose 240 780 0,17 30 Glucose 200 760 0,07 70 Glucose 200 810 0,08 40 Fructose 200 880 0,5 3 Edukt Die Größenordnung der freigewordenen Wärme von ca. 700 – 900 J/g entspricht in etwa 5 % der Standardverbrennungsenthalpie des jeweiligen Edukts. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu den veröffentlichten Werten von bis zu 30 % [6]. Trotz der angesprochenen Ungenauigkeiten bei der 48 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen Ermittlung der Baseline erscheint ein Fehler von 600 % als ausgeschlossen. Da das gleiche Edukt bei ähnlichen Versuchsbedingungen verwendet wurde, stellt sich die Frage nach dem Grund dieser Diskrepanz. Um die Konsistenz der gemessenen Werte zu überprüfen, wurde ermittelt, welche maximale Wärmemenge theoretisch frei werden könnte. Dies geschah anhand der vorgeschlagenen Reaktionsgleichung [6] durch Vergleich der Standardverbrennungsenthalpien von Biomasse und der entstandenen Kohle: C6H12O6 ➔ C6H4O2 + 4 H2O Die Verwendung von Standardverbrennungsenthalpien an Stelle der eigentlich erforderlichen Standardbildungsenthalpien ist für die hydrothermale Karbonisierung nur unter der Annahme zulässig, dass eine reine Decaboxylierung und Dehydratisierung der Biomasse stattfindet und sämtliche Biomasse inkohlt. Dies ist in der Realität auf Grund der im Wasser gelösten organischen Produkte und der geringen Mengen von Methan und Wasserstoff nicht der Fall. Da diese einen etwas höheren Sauerstoffgehalt als HTC-Kohle aufweisen [10] und somit gewissermaßen ein Zwischenprodukt zur HTC-Kohle darstellen, wird die ermittelte Wärme als zu hoch eingeschätzt, was die Ermittlung einer maximal möglichen Wärmemenge aber nicht einschränkt. Der dadurch entstehende Fehler ist vermutlich ohnehin gering, da die gelösten Produkte in Summe eine ähnliche Zusammensetzung wie die HTC-Kohle haben. Die Ergebnisse dieser Betrachtung sind in Tabelle 3 dargestellt. Die Standardverbrennungsenthalpie von Glucose wurde Werten des National Institute of Standards and Technology für D-Glucose entnommen. Für die HTC-Kohle wurde eine semi-empirische Formel in der für Kohle üblichen DuLong-Form [12] verwendet; der zu erwartende Fehler liegt hierfür unter 5 %, da HTC-Kohle eine ähnliche chemische Struktur wie natürliche Kohle erreichen kann [13]. Auch diese Abschätzung wird tendenziell die entstehende Wärmemenge überschätzen, wodurch die Ermittlung der maximal möglichen Wärmemenge aber nicht eingeschränkt wird, Die Standardverbrennungsenthalpie der Cellulose wurde aus einer empirischen Formel für Biomasse berechnet, die einen Fehler von unter 2 % angibt [14]. Durch diese Berechnungen liegen die maximal zu erwartenden Wärmemengen in einer Größenordnung von 10 % der Standardverbrennungs- 49 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen Tab. 3: Berechnungen der theoretischen Reaktionswärme für die hypothetische Reaktionsgleichung nach [6] und experimentelle Ergebnisse der Inkohlung von Cellullose nach [11] Glucose HHV [kJ/g] Masse [g] ➔ Kohle + H 20 + CO2 1C6H10O6 1C6H4O2 4H2O 0CO2 15,7 23,8 0 0 1 0,6 0,4 0 ΔH= -1,5 kJ/gdaf Cellulose ➔ 1C6H10O5 HHV [kJ/g] Masse [g] Kohle 0,53C10H6,7O0,7 + H 20 3,2H2O + CO2 0,7CO2 17,6 34,9 0 0 1 0,45 0,36 0,19 ΔH= -2,2 kJ/gdaf enthalpie der eingesetzten Biomasse. Die physikalische Konsistenz der eigenen theoretischen und gemessenen Werte erscheint unter den getroffenen Annahmen und den aufgeführten Fehlerquellen als schlüssig. Auf die Energiebilanz der HTC hat dies einen wesentlichen Einfluss. Zum einen ist zu erwarten, dass der Energiegehalt der HTC-Kohle etwas höher ist als in den bisherigen Veröffentlichungen [1][6] beschrieben, da nicht soviel Energie während des Prozesses in Reaktionswärme umgesetzt wird. Dadurch wird deutlich, dass die Umwandlung von Biomasse zu Kohle mit Hilfe der hydrothermalen Karbonisierung sehr effizient realisiert werden kann. Zum anderen wird dadurch die Realisierung eines energetisch autarken, kontinuierlichen Prozesses erschwert, da weniger frei werdende Wärme zur Verfügung steht. Die Auskopplung von überschüssiger Wärme für andere Anwendungen erscheint vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse als nicht machbar. Das Reaktionsverhältnis von Biomasse zu Wasser spielt eine entscheidende Rolle in der Energiebilanz, da für die Erwärmung der Wasseranteile viel Energie erforderlich ist. Das entstehende Produkt hingegen liegt nicht trocken vor, sondern in einer Dispersion mit Wasser. Dementsprechend ist für einen Transport und/oder eine energetische Verwertung eine Aufbereitung in Form von Filtration und Trocknung erforderlich, die ebenfalls Energie benötigt. Zusätzliche energetische Verluste werden durch die gelösten organischen Substanzen im Produktwasser verursacht, da sie in der vorliegen- 50 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen den Form energetisch nicht genutzt werden können. In geringem Maße wird die Energiebilanz auch durch den gebildeten Wasserstoff und das Methan beeinflusst. Anwendung des HTC-Produkts Für eine energetische Verwertung der HTC-Kohle kommt zunächst die Mitverbrennung in einem Kohlekraftwerk in Betracht. Denkbar wäre die Nutzung in einem Braunkohlekraftwerk, da Braunkohle einen ähnlich hohen Wasseranteil wie die HTC-Kohle aufweist und dementsprechend ebenfalls ein Trocknungsverfahren (z.B. mechanisch-thermische Ent-wässerung) durchlaufen muss. Allerdings ist festzuhalten, dass das Ziel einen hohen energetischen Gesamtwirkungsgrad zu erreichen bei einem elektrischen Wirkungsgrad von ca. 40 Prozent und einer Abführung der Wärme in die Umwelt verfehlt wird. Bei kleinen, dezentralen Anlagen erhöhen sich durch die notwendige Aufbereitung die spezifischen Investitionskosten pro kW. Über sonstige energetische Verwertungsmöglichkeiten wie der Nutzung in einer Kohlenstoff-Brennstoffzelle sind noch keine belastbaren Aussagen zu treffen. Als stoffliche Nutzung ist die Kohlenstoffanreicherung von Böden eine viel versprechende Alternative [6]. Indianerstämme Amazoniens stellten schon vor Jahrtausenden in ihren Siedlungsgebieten aus Holzkohle Terra preta (portugiesisch für „schwarze Erde“) her, die die Fruchtbarkeit der an sich nährstoffarmen Böden entscheidend erhöhte. Terra preta besteht allerdings nicht nur aus Holzkohle, sondern auch anderen Bestandteilen wie Kompost, Muschelkalk und Tonscherben. Aktuelle Studien belegen, dass die Stabilität von Holzkohle im Boden im Mittel 2000 Jahre beträgt [15]. Allerdings wurde noch nicht untersucht, ob sich HTC-Kohle in Böden ähnlich verhält wie Holzkohle. Für diese Anwendung ist die hohe Kohlenstoffeffizienz der hydrothermalen Karbonisierung von Vorteil und der Feuchtig-keitsgehalt des Produkts würde keine negative Rolle in der weiteren Verwertung spielen. Durch die Anreicherung im Boden besteht die Möglichkeit Kohlenstoff effektiv aus dem CO2-Kreislauf auszukoppeln. Das Risiko der Freisetzung von CO2 erscheint gegenüber anderen Senken vernachlässigbar. So können Emissionen z. B. durch Waldbrände oder der Wiederbewirtschaftung landwirtschaftlicher Stilllegungsflächen freigesetzt 51 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen werden. Die Risiken der Speicherung von Kohlendioxid in geologischen Strukturen sind ebenfalls noch nicht geklärt (CCS: carbon capture and storage). Das Potenzial der CO2-Sequestrierung durch die Anreicherung in Böden übersteigt die jährlichen Emissionen der heute genutzten fossilen Energieträger und könnte somit substanziell zu einem aktiven Angehen des CO2-Problems beitragen [16]. Die Fruchtbarkeit von sorptionsschwachen und nährstoffarmen Böden kann durch den Eintrag von Kohlenstoff deutlich erhöht werden, allerdings besteht hier noch erheblicher Forschungsbedarf im Bereich der Pedologie. Die potenzielle Verbesserung der Bodengüte lässt auf eine langfristige Steigerung des Biomasseertrags bei einer gleichzeitigen Verbesserung der Ökobilanz von landwirtschaftlichen Produkten hoffen, da aufgrund der dann verbesserten Nährstoffverfügbarkeit eine Verminderung des Düngebedarfs erreicht werden kann. Die Einbringung von einer Tonne Kohlenstoff in den Boden „spart“ die Emission von 3,7 t Kohlendioxid, die bei einer Verbrennung freigesetzt werden würden. Der Deckungsbeitrag für das HTC-Produkt könnte sich aus dem Erlös aus dem Verkauf des Produktes und aus einer Gutschrift von CO2-Zertifikaten zusammensetzen (Spotmarktpreis Carbix am 06.02.2009: 10,11 €/tCO2). Hierfür bestehen jedoch noch keine politischen Rahmenbedingungen. Es ist davon auszugehen, dass die Zertifikatspreise in der kommenden Handelsperiode steigen werden, was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dieser Verwertungsoption weiter verbessern wird. Über die stoffliche Anwendungsmöglichkeit der bei der hydrothermalen Karbonisierung entstehenden Kohlenstoffe als Rohstoff der chemischen Industrie kann keine belastbare Aussage getroffen werden. Ausblick Um die potenzielle, praktische Bedeutung der hydrothermalen Karbonisierung fundiert bewerten zu können, ist in Zukunft noch viel Grundlagenforschung zu leisten. So existiert heute weder ein technisch verwertbares Reaktionsmodell, noch wurden die Einflüsse der relevanten Prozessparameter abschließend geklärt. Die Erstellung von verlässlichen Massen- und Energiebilanzen für unterschiedliche Prozessketten der hydrothermalen Karbonisierung ist für die Bestimmung der ökologischen und ökonomischen Vorteilhaftigkeit des Verfahrens dringend erforderlich. Für 52 Hydrothermale Karbonisierung und energetische Nutzung von Biomasse – Möglichkeiten und Grenzen eine energetische Verwertung ist die Prozessführung zu optimieren, um Verluste durch im Wasser gelöste organische Verbindungen und die Bildung von Gasen zu vermindern. Für die stoffliche Anwendung einer Anreicherung von Böden mit HTCKohle sind ebenfalls noch umfangreiche Forschungsarbeiten zu leisten. So sind beispielsweise die Stabilität von HTC-Kohle im Boden, die Auswirkungen auf Mikroorganismen und die Bindung von Pflanzennährstoffen zu untersuchen. Bevor die Langzeitwirkungen der Einbringung in verschiedene Böden bei unterschiedlichen klimatischen Bedingungen nicht geklärt sind, erscheint es nicht als sinnvoll, politische Rahmenbedingungen für die Förderung dieser CO2-Sequestrierung zu schaffen. Quellen [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] Antonietti, Markus : Zauberkohle aus dem Dampfdrucktopf. In: MaxPlanckForschung (2/2006), S. 20 – 25 Bergius, Friedrich: Beiträge zur Theorie der Kohleentstehung. In: Die Naturwissenschaften 1 (1928), S. 1 – 10 Ruyter, Herman P.: Coalification Model. In: Fuel 61 (1982), S. 1182–1187 Krevelen, D. W.: Graphical-statistical method for the study of structure and reaction processes of coal. In: Fuel 12 (1950), S. 269 – 284 Hunt, J. M.: Petroleum Geochemistry and Geology. Freeman, New York, 1995 Titirici, Maria M. ; Thomas, Arne ; Antonietti, Markus: Back in the black: hydrothermal carbonization of plant material as an efficient chemical process to treat the CO2 problem? In: New Journal of Chemistry 31 (2007), S. 787 – 789 Bergius, Friedrich ; Wilhelm Knapp, Halle a. d. S. (Hrsg.): Die Anwendung hoher Drücke bei chemischen Vorgängen und eine Nachbildung des Entstehungsprozesses der Steinkohle. Wilhelm Knapp, Halle a. d. Saale, 1913 Berl, E. ; Schmidt, A.: Über das Verhalten der Cellulose bei der Druckerhitzung mit Wasser. In: Justus Liebigs Annalen der Chemie 461 (1928), S. 192 – 220 Bobleter, O.: Hydrothermal Degradation of Polymers Derived from Plants. In: Prog. Polym. Sci. 19 (1994), S. 797 – 841 Geissler, Christian ; Belau, Luzian: Zum Verhalten der stabilen Kohlenstoffisotope bei der Inkohlung. In: Zeitschrift für angewandte Geologie 17 (1971), S. 13 – 17 Schuhmacher, J.P. ; Huntjens, F. J. ; Krevelen, D. W.: Chemical Structure and Properties of Coal XXVI - Studies on Artificial Coalification. In: Fuel 39 (1960), S.223 – 234 Mott, R. A. ; Spooner, C. 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In: Mitigation and Adaptation Strategies for Global Change (2006) 11: S.403 – 427 Anschrift des Autors: Till Belusa, Axel Funke, Prof. Dr. Frank Behrendt, Felix Ziegler Technische Universität Berlin Marchstr, 18, 10587 Berlin E-Mail: Frank.Behrendt@tu-berlin.de 54 Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Andrea Kruse Institut für Technische Chemie Einführung Die hydrothermale Vergasung und die hydrothermale Carbonisierung sind beides Umwandlungen von Biomasse oder Biomasse-Modellverbindungen in überhitztem Wasser unter erhöhtem Druck. Allerdings sind die Reaktionsbedingungen, hier vor allem Druck und Temperatur deutlich verschieden. Der wichtigste Unterschied ist das jeweilig gewünschte Hauptprodukt der Biomasse-Umwandlung: Bei der hydrothermalen Carbonsierung ist es ein Feststoff, eine Art Kohle oder Koks. Bei der hydrothermalen Vergasung sind Gase als Produkte erwünscht, wobei je nach Reaktionsbedingungen unterschiedliche Anteile von Methan oder Wasserstoff zusammen mit Kohlendioxid, entstehen. Eine wesentliche Motivation für beide Verfahren ist die Verminderung der Kohlendioxid-Emissionen durch fossile Brennstoffe. Biomasse, die sonst verrotten würde, wird entweder carbonisiert oder vergast. Beim Verrotten wird in etwa dieselbe Menge Kohlendioxid frei, wie die Pflanze beim Wachstum aufgenommen hat und mithilfe des Sonnenlichts im Wesentlichen zum Aufbau von Kohlehydraten (und Lignin) verbraucht wurde. Die Grundidee bei der hydrothermalen Vergasung ist, die energetische Nutzung von Biomasse in diesen natürlichen Kohlendioxid-Kreislaufes zu integrieren: Die Biomasse wird, statt zu verrotten, zu brennbaren Gasen umgewandelt. Diese brennbaren Gase werden zur Energieerzeugung genutzt und damit fossile Energiequellen geschont und weniger fossiler Kohlenstoff in Kohlendioxid umwandelt. Im Gegensatz zur Nutzung von fossilen Energieträgern sind bei der Biomasse-Nutzung Bildungsgeschwindigkeit und die Geschwindigkeit ihres Verbrauches in der gleichen Größen- 55 Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede ordnung und es kommt nicht zu einer Erhöhung des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre. Die Biomasse-Nutzung ist dieser Hinsicht „CO2-neutral“. Ähnliches gilt für die hydrothermale Carbonisierung mit anschließender energetischer Nutzung des Kokses, z. B. in Kohlekraftwerken. Bei der Verwendung von hydrothermal erzeugtem Koks als Bodenhilfsstoff werden nicht fossile Kohlenstoffquellen ersetzt sondern die Verrottung verhindert und der Kohlenstoff dem Kohlendioxid-Zyklus entzogen. Es muss hier betont werden, dass im Gegensatz zu den unterschiedlichen KohlendioxidSequestrierungs-Verfahren [1] hier Kohlenstoff und nicht Kohlendioxid dem Kohlendioxid-Kreislauf entzogen wird. Dies bedeutet, dass auch ein Teil der von der Pflanze gespeicherten Sonnenenergie in chemischer Form in den Boden verbracht wird. Dies steht im Gegensatz zu dem Ansatz bei der energetischen Nutzung von Biomasse, bei dem ein möglichst großer Teil der gespeicherten Sonnenenergie nutzbar gemacht wird. Hydrothermale Verfahren Unter hydrothermalen Verfahren werden Umsetzungen verstanden, die in Wasser unter erhöhter Temperatur und erhöhtem Druck durchgeführt werden. Außer der hydrothermalen Vergasung und der hydrothermalen Carbonisierung gibt es eine Reihe weiterer Verfahren, wie die Abbildung 11 zeigt. Bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen und Drücken finden sich Vorbehandlungsmethoden, die durch den Aufschluss der Biomasse z. B. die Fermentierung erleichtern [2]. Bei Temperaturen von typischerweise 180–200 °C wird Biomasse zu Kohle/Koks umgewandelt [3][4], allerdings finden sich auch hydrothermale Carbonisierungen, die bei höheren Temperaturen durchgeführt wurden [5]. Das „Aqueous Phase Reforming“ ist eine Methode um aus wasserstoffreichen Substanzen, die aus Biomasse hergestellt werden können, Wasserstoff zu erzeugen (z. B. Glyzerin bei 260 °C in Anwesenheit eines Edelmetall-Katalysators [6]). Bei ca. 300 – 350 °C ist das typische Temperaturfenster für die hydrothermale Verflüssigung, auch „Hydrothermal Up-grading“ genannt [7]. Kurz unterhalb bzw. oberhalb der kritischen Temperatur von reinem Wasser ist der Bereich der edelmetall-katalysierten Biomasse-Vergasung mit dem Ziel, Methan als Brenngas 1 Die Darstellung ist stark vereinfacht. Außerdem ist nicht nur Druck und Temperatur sondern auch die Verweilzeit für das gebildete Produkt entscheidend. 56 Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede herzustellen [8]. Die Herstellung von Wasserstoff ohne Zusatz von Katalysatoren erfordert aus thermodynamischen Gründen Temperaturen von 600 °C oder darüber, bei typischerweise um die 30 MPa. Da dieses Verfahren bei Temperaturen und Drücken oberhalb des kritischen Punktes des Wassers (Tc = 374 °C, pc = 22 MPa) abläuft, wird es auch „Supercritical Water Gasification“ (SCWG) genannt [9][10]. 35 30 H2 CH4 Supercritical Water Gasification p / MPa 25 Catalysed near-critical gasification Critical Point 20 Hydrothermal Liquefaction / Hydrothermal Upgrading 15 "Oil" 10 5 0 Hydrothermal conversion to platform chemicals Chemicals Aqeous Phase Reforming H2 Pretreatment 100 200 Hydrothermal Carbonization C 300 400 500 600 700 ϑ / °C Abb. 1: Hydrothermale Verfahren zur Umwandlung von Biomasse und die Dampfdruckkurve von Wasser (stark vereinfachte Darstellung, Daten für die Dampfdruckkurve aus [11]). Im Vergleich zu „trockenen“ thermochemischen Verfahren zur Umwandlung von Biomasse fallen die relativ niedrigen Temperaturen auf. Grund hierfür ist die fördernde Wirkung von Wasser als Reaktionsmedium und Reaktionspartner. Damit das Wasser nicht verdampft, sind erhöhte Drücke im Vergleich zu den erwähnten „trockenen“ Verfahren notwendig. Die hydrothermale Vergasung von Biomasse Wie in Abbildung 1 zu sehen, kann die hydrothermale Vergasung von Biomasse zu Wasserstoff oder Methan als Wunschprodukt führen. Im Forschungszentrum Karlsruhe wird seit einigen Jahren an der Entwicklung eines Verfahrens zur hydrothermalen Vergasung von Biomasse zu 57 Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede einem wasserstoffreichen Brenngas und Kohlendioxid gearbeitet. Hierzu werden Laboranlagen sowie eine größere Versuchsanlage mit einem Durchsatz von 100 kg/h (Abbildung 2) genutzt. Diese Anlage kann reale Biomassen umsetzen und besitzt scale-up-fähige Komponenten wie geeignete Pumpen, einen Wärmetauscher und eine Kohlendioxid-Abtrennung [12][13][14]. Auf diese Weise konnten auch verfahrenstechnische Fragestellungen bearbeitet werden [9]. Stoffeintrag Reaktion Produkttrennung Abb. 2: Schema der Anlage zur hydrothermalen Wasserstoff-Erzeugung im Forschungszentrum Karlsruhe mit einem Durchsatz von 100 kg/h. Der Grund für die relativ große Wasserstoffausbeute ist, dass Wasser durch die Biomasse gespaltet wird (Gleichung 1). Allerdings entstehen unter praxisrelevanten Bedingungen auch erhebliche Mengen Methan. C6H12O6 + 6 H2O ➔ 6 CO2 + 12 H2 (Gleichung 1) Die Vorteile der hydrothermalen Vergasung im Vergleich zu einer „trockenen Vergasung“ sind [9][10]: ■ Keine Trocknung von nasser Biomasse notwendig, was normalerweise ein energieaufwendiger Prozess ist. ■ Sehr niedriger Gehalt von Teer und unter optimalen Bedingungen keine Koks-Bildung. 58 Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede ■ Hohe Wasserstoff-Ausbeute bei niedrigem CO-Gehalt, weil gebildetes CO mit dem Wasser zu Wasserstoff reagiert. ■ Wasserstoff ist unter Druck gewinnbar; eine Kompression zur Speicherung und Transport ist nicht notwendig. ■ Einfache Kohlendioxid-Abtrennung unter Druck, da sich bei Raumtemperatur Kohlendioxid, im Gegensatz zu den Brenngasen Wasserstoff und Methan, sehr gut in Wasser löst. ■ Hohe Raum-Zeit-Ausbeute, da nur wenige Minuten Reaktionszeit notwendig sind. ■ Anorganische Bestandteile sind nicht flüchtig, was, je nach Gasnutzung, eine aufwendige Gasreinigung unnötig macht. Zudem besteht prinzipiell die Möglichkeit einer Rückführung der Nährstoffe aus dem Restwasser. Gemeinsamkeiten von hydrothermaler Vergasung und hydrothermaler Carbonisierung Für die hydrothermale Vergasung der Biomasse bei 600 °C muss die Biomasse zunächst unter Druck auf diese Temperatur erhitzt werden. Dabei werden die Temperaturbereiche von hydrothermaler Carbonisierung und hydrothermaler Verflüssigung durchlaufen. Ist durch hydrothermale Carbonisierung erst einmal Kohle/Koks gebildet worden, wird diese auch bei 600 °C nicht mehr zu Gasen abgebaut. Die hydrothermale Carbonisierung ist demnach eine unerwünschte Nebenreaktion der hydrothermalen Vergasung. Sowohl bei der hydrothermalen Carbonisierung als auch bei der hydrothermalen Vergasung wird die Cellulose der Biomasse ganz oder teilweise in Glucose gespalten (Abbildung 3). Diese steht im Gleichgewicht zu Fructose. Durch Wasserabspaltung entsteht daraus Hydroxymethylfurfural. Dieses Hydroxymethylfurfural kann sehr leicht polymerisieren (Abbildung 3). Diese Polymerisation kann entweder zur Bildung kleiner Kügelchen führen oder zu einer Versiegelung der Oberfläche der noch nicht umgesetzten Biomasse führen. Im letztgenannten Fall hat die hydrothermal gebildete „Kohle“ noch die Form der Biomasse, z. B. die eines Blattes, besitzt aber eine größere Oberfläche, weil Teile der Biomasse herausgelöst wurden. Hierbei handelt es sich allerdings um die beiden Extremfälle, in der Regel wird eine Mischung aus beiden Typen gefunden werden. Beide Fälle sind bei der hydrothermalen Vergasung unerwünscht [15]. Besonders gravierend ist es, wenn die nicht umgesetzte Biomasse durch 59 Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Cellulose Glucose 䋭 Fructose Kurzkettige Zwischenprodukte O Gase: H2, CO2, CH4, CO Furfurale Phenole Koks/Kohle Abb. 3: Vereinfachtes Reaktionsschema der hydrothermalen Vergasung [10]. Polymerisation versiegelt wird. Denn dann wird auch der Teil der Biomasse, der „eingeschlossen“ wurde, nicht weiter umgesetzt [15]. Um die Bildung von Furfuralen, hier vor allem Hydroxymethylfurfural, bei der hydrothermalen Vergasung zu verhindern, wurde folgende Strategien eingesetzt: 1. Alkalisalze vermindern die Furfuralkonzentrationen, bei Biomasse mit geringem Salzgehalt sollten Alkalisalze zugesetzt werden. 2. Schnelles Aufheizen, besonders oberhalb 300 °C, fördert Spaltungsreaktionen und vermindert dadurch die Polymerisation der Furfurale. 3. Durch geeignete Reaktorkonzepte lassen sich Polymerisationen vermindern. Allgemein lassen sich durch die Nutzung von kontinuierlichen Rührkesseln, also von Reaktoren mit hoher Rückvermischung Reaktionen höherer Ordnung, wie Polymerisationen, unterdrücken. Durch die Vermischung von frisch in den Reaktor einfließender Biomasse mit Zwischenprodukten und Endprodukten der Reaktion wird die Konzentration der Zwischenprodukte, wie die des Hydroxymethylfurfurals, vermindert. Dadurch verringert sich die 60 Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei gleiche Moleküle treffen, um miteinander mittels Polymerisation zu reagieren. Im Falle der hydrothermalen Vergasung wird dieser Effekt durch den gebildeten Wasserstoff verstärkt. Wasserstoff ist ein spätes Produkt der hydrothermalen Vergasung. Durch die Rückvermischung kann er mit frühen Zwischenprodukten reagieren und so die Polymerisationsfähigkeit der Zwischenprodukte vermindern [16][17]. Zu 1.: Untersuchungen mit Glucose im Rohrreaktor zeigen, dass die gefundene Menge Furfurale in Anwesenheit von Alkalisalzen zurückgeht (Abbildung 4, [18][19]). Entsprechend nimmt die Gasausbeute zu. Glucose dient hier als salzfreie Modellsubstanz für Biomasse. Die meisten „nassen“ Biomassen haben bereits einen hohen Salzgehalt. Untersuchungen von Biomasse im Vergleich mit einer Mischung von Glucose und Alkalisalzen zeigen unter vergleichbaren Versuchsbedingungen in etwa die gleiche Gasausbeute und Gaszusammensetzung. Die Salze in der Biomasse haben demnach dieselbe Wirkung wie zu Glucose zugesetzte Alkalisalze [20]. Mit KHCO3 Ohne ohne KHCO3 HOCH 350 Konzentration [mg/l] O 2 300 250 CHO HMF 200 O CHO 150 FU 100 50 0 H3C HMF FU Furfurale O CHO MF MF Abb. 4: Einfluss des Zusatzes von KHCO3 auf die Ausbeute von Furfuralen (Hydroxymethylfurfural (HMF), Furfural (FU) und Methylfurfural (MF)) bei der hydrothermalen Umsetzung von Glucose (1,5 % (g/g) Glucose, 0,2 % (g/g) KHCO3 Rohrreaktor, 400 °C, 25 MPa, 16 s Reaktionszeit)[18][19]. 61 Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Zu 2.: Bei höheren Temperaturen werden Furfurale zu Gasen abgebaut. Bei niedrigeren Temperaturen ist die Polymerisation vergleichsweise niedrig. Es gilt daher die Biomasse möglichst schnell auf überkritische Temperaturen zu erhitzen, bei denen die radikalische Gasbildung dominiert [10][21]. Zu 3.: Vergleichende Untersuchungen in Rohrreaktoren ohne Rückvermischung und in kontinuierlichen Rührkesseln mit starker Rückvermischung führten zu einem überraschenden Ergebnis: Im Rohrreaktor nimmt die relative Gasausbeute, d. h. die gebildete Menge Gas relativ zur eingesetzten Menge Biomasse oder Biomasse-Modellsubstanz, mit steigender Anfangskonzentration ab [22], im kont. Rührkessel zu [23]. Dies deutet darauf hin, dass zwei Reaktionspfade unterschiedlicher Reaktionsordnung, hier Gasbildung und Polymerisation, miteinander konkurrieren. Im Rohrreaktor wird die unerwünschte Polymerisation bei Erhöhung der Anfangskonzentration stärker beschleunigt als die gewünschte Gasbildung, daher nimmt die relative Gasbildung ab. Im kontinuierlichen Rührkessel wird die Polymerisation unterdrückt und die relative Gasbildungsgeschwindigkeit nimmt mit steigender Konzentration bzw. Trockenmasse der eingesetzten Biomasse sogar zu [16][17]. Schlussfolgerung Bei der hydrothermalen Vergasung und der hydrothermalen Carbonisierung sind die ersten Reaktionsschritte identisch. Es kommt zu einer vollständigen bzw. teilweisen Auflösung der Biomasse und der Bildung von Furfuralen. Diese Furfurale können sehr leicht polymerisieren, eine Reaktion, die bei der hydrothermalen Vergasung unerwünscht ist, da sie die Gasausbeute vermindert. Bei der hydrothermalen Carbonisierung ist dies die Reaktion, die schließlich zur Bildung des gewünschten Produktes führt. Da die Bildung von Polymerisaten bei der hydrothermalen Vergasung unerwünscht ist, wurden Methoden entwickelt, um die Bildung der Furfurale bzw. deren Polymerisation zu verhindern. Es ist anzunehmen, dass dieselben reaktionstechnischen Ansätze auch fördernd bzw. hemmend auf die hydrothermale Carbonisierung wirken, und entsprechend eingesetzt werden können. 62 Hydrothermale Vergasung und hydrothermale Carbonisierung – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Literatur [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23] D. C. Thomas, Carbon Dioxide Capture for Storage in Deep Geologic Formations, Elesvier, 2005. M. Laser, D. Schulman, S. G. Allen, J. Lichwa, J. Antal, L. R. Lynd, Bioresource Technology 2002, 81 (1), 33 – 44. M. M. Titirici, A. Thomas, M. Antonietti, New J. Chem. 2007, 31 (6), 787 – 789. M. M. Titirici, A. Thomas, S. H. Yu, J. O. Müller, M. Antonietti, Chem. Mater. 2007, 19 (17), 4205 – 4212. Y. Mi, W. Hu, Y. Dan, Y. Liu, Materials Letters 2008, 62 (8-9), 1194 – 1196. N. Luo, X. Fu, F. Cao, T. Xiao, P. P. Edwards, Fuel 2008, 87 (17-18), 3483 – 3489. S. Karagöz, T. Bhaskar, A. Muto, Y. 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Anschrift der Autorin: Dr. Andrea Kruse Institut für Technische Chemie, Chemisch-Physikalische Verfahren Forschungszentrum Karlsruhe Hermann-von-Helmholtz-Platz 1, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen E-Mail: andrea.kruse@itc-cpv.fzk.de 63 Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick Hydrothermale Carbonisierung Analyse und Ausblick Klaus-Dieter Vorlop, Frank Schuchardt, Ulf Prüße Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI) Hydrothermale Carbonisierung (HTC) FNR-Fachgespräch, Berlin, 11./12.02.2009 Hydrothermale Carbonisierung Analyse und Ausblick Klaus-Dieter Vorlop, Frank Schuchardt und Ulf Prüße Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI) Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik Bundesallee 50, 38116 Braunschweig klaus.vorlop@vti.bund.de 64 Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick HTC - Historie Wissenschaftlich-Technische Untersuchungen (Auszug) 1913 Bergius: Versuche zur Inkohlung von Biomasse bei erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur (Nachbildung natürlicher Kohleentstehung) 1920/30er Berl & Schmidt / Fischer / u.a.: Weitere systematische Untersuchungen zur Kohleentstehung aus Cellulose und Lignin 1960er Schumacher, Huntjens, van Krevelen: Bestätigung früherer Ergebnisse von Bergius und Berl & Schmidt ab ~1995 Fa. EnerTech (USA) teils zusammen mit Mitsubishi (Japan): Behandlung von Abfallbiomassen (insb. Klärschlamm) zur Entgiftung & Hygienisierung sowie zur Gewinnung von Kohle als Energieträger 2001/2004 Wang et al. / Sun & Li: Kohlenstoff-Nanobeads durch hydrothermale Carbonisierung 2004 Yu, Cui, Li, Li, Yu, Antonietti, Cölfen: Hydrothermale Me.-kat. Carbonisierung 2006 Antonietti: „Zauberkohle aus dem Dampfkochtopf“ HTC – Wiss./Techn. Grundlagen Übersicht Abgas CO2 CH4, H2, H2S sonstiges? feuchte Biomasse T, p, Kat Kohle Abwasser Quellen: Antonietti, Ramke, Richarts 65 Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick HTC – Wiss./Techn. Grundlagen Reaktion und Produkte stark vereinfachte Reaktionsgleichung C6H12O6 C6H2O + 5 H2O 'H = - 1105 KJ/mol Wie viel davon ist nutzbar? typische Bedingungen: wässrige Suspension ื 20 Gew.-% Biomasse T = 180 – 250 °C p = 15 – 30 bar t = 4 – 24 h Kat: Säure, Alkali, Fe3+ Kohlenstoffbilanz: gasf.: 5 – 6 % feuchte 100 % Biomasse Quellen: Antonietti, Ramke, Richarts fest: 70 – 85 % fl.: 10 – 25 % HTC – Wiss./Techn. Grundlagen Produktphasen Abgas > 90 % CO2, < 5 % CH4, Spuren anderer Gase Bewertung unkritisch Feststoff (Kohle) unterschiedliche Strukturen (Kugeln, Fasern, Schwämme …) adsorbierte Problemstoffe? je nach Verwendung Abwasser • sehr große Volumina (ca. 10 t / t umgewandelte Biomasse) • extrem hoher CSB (bis 70.000 mg/L) und BSB (bis 40.000 mg/L) biologischische Abbaubarkeit < 90 % • C-haltige Inhaltsstoffe nicht vollständig bekannt • • 66 org. Säuren, Humine, … / Problemstoffe? Salze: Ammonium, Alkali, Erdalkali, Chlorid, Phosphat, Sulfat … Ist ein Recycling möglich? Æ höhere C-Effizienz, Aufsalzung Schwermetallakkumulation? äußerst kritisch Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick Biomassekonversion zu Energie/Kraftstoff Übersicht über thermochemische Verfahren Reaktion Prozess Anforderungen / Bedingungen Primärprodukt Endprodukt Vergasung verschiedene (z.B. ARGE, Carbo-V) trockene Biomasse Synthesegas FT-Diesel, MeOH VERENA feuchte Biomasse sc-Wasser H2-reiches Gas, bis zu > 70 % H2 Wasserstoff Shell-HTU feuchte Biomasse bis zu Hausmüll sc-Wasser Roh-Bioöl mit wenig Sauerstoff Benzin, Diesel Hydrierung Bergius-Pier Kohle (Biomasse?) org. Lösungsm. Pyrolyse verschiedene trockene Biomasse Inkohlung HTC, SlurryCarb Kerosin, Benzin, Diesel Roh-Bioöl mit viel Sauerstoff feuchte Biomasse Benzin, Diesel Kohle sc-Wasser = überkritisches Wasser Biomassekonversion zu Energie/Kraftstoff Thermochemische Verfahren nach T und p T, °C Vergasung 1000 800 VERENA 600 Pyrolyse HTU 400 Bergius-Pier SlurryCarb 200 HTC 0 0 50 100 150 200 250 300 p, bar 67 Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick SlurryCarbTM-Prozess – EnerTech (USA) Verfahrensübersicht Quelle: Charakteristika: feuchter org. Abfall (z.B. Hausmüll, Klärschlamm) Feststoffgehalte 15 – 30 % T = 220 – 370 °C, Druck, t < 1 h http://enertech.com US 5685153 (1995) US 2006/0096163 A1 (2006) Katalysator: Alkalien Biomasse Æ Kohle + CO2, Entwässerung Hygienisierung & Schadstoffabbau Massenbilanz (vereinfacht) SlurryCarbTM-Prozess – EnerTech (USA) Anlagen Ube City, Japan 20 t/d Hausmüll lief 1997 - 2000 Quelle: 68 Atlanta, Giorgia, USA Kapazität: 1,3 t/d Prozessentwicklung http://enertech.com Rialto, Californien, USA 900 t/d Biomasse Okt. 2008 angefahren Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick HTC – Potenzielle Rohstoffe Begriffsbestimmungen Theoretisches Potenzial Die grundsätzlich angebotene, maximal verfügbare Biomasse Technisch-ökologisches Potenzial Teilmenge des theoretischen Potenzials, das unter ökologischen und technischen Restriktionen tatsächlich nutzbar ist unter - Wahrung geschlossener Nährstoffkreisläufe und - Schutz von Lebensräumen und Nachwuchsrate HTC-Potenzial Technisch-ökologisches Potenzial abzüglich trockene Biomasse zur Energieerzeugung (Hi >11.000 kJ/kg) wie z.B. Stroh und Holz Gülle und Festmist (hohe NH3- und Wassergehalte und hohes Puffervermögen Æ hohe Transportkosten, hoher technischer Aufwand für Ammoniakbindung) Reststoff-Biomasse, die verfüttert wird (z.B. Zuckerrübenschnitzel) HTC – Potenzielle Rohstoffe Herkunft und Mengen 40 36 Kommunen Biotoppflege Lebensmittelind. 30 Masse C [Mio. t] Forstwirtschaft Landwirtschaft 18 20 10 3,8 theoretisches Potenzial technisch/ökologisches Potenzial HTC-Potenzial Zahlenangaben nach Knappe (2007), SRU (2007), eigene Berechnungen 69 Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick HTC – Potenzielle Rohstoffe Herkunft, Mengen und Art 40 36 Kommunen Biotoppflege Lebensmittelind. 30 Masse C [Mio. t] Forstwirtschaft Landwirtschaft 18 20 Biomüll, Klärschlamm Heu, Holz 10 3,8 theoretisches Potenzial technisch/ökologisches Potenzial Biertreber, Melasse, Kartoffelschlempe, Apfeltester HTC-Potenzial Kartoffel- und Rübenkraut HTC – Potenzielle Rohstoffe Verfügbarkeit 4 Masse C [Mio. t] Biobabfall: mittelfristig gering, hohe Investitionen sind noch nicht abgeschrieben 3 Kommunen 1,55 2 Biotoppflege 0,48 kurzfristig verfügbar; Wirtschaftlichkeit? Lebensmittelindustrie 0,76 Melasse (0,36 Mio.t) mittelfristig nicht verfügbar; Rest sehr wasserreich; Wirtschaftlichkeit? Landwirtschaft 0,99 Kartoffel- und Rübenkraut: kurzfristig verfügbar; aber hohe Kosten für Sammlung und Transport 1 - 70 Klärschlamm: ?; für die Kommunen eine Frage der Wirtschaftlichkeit; Trocknung oder HTC und Verbrennung Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick HTC – Potentielle Produkte und derzeit diskutierte Anwendungsfelder Abgas keine Verwendung Feststoff (Kohle) energetisch: Vergasung zu Synthesegas Brennstoff z.B. in Kraftwerken Stahl-, Zementherstellung … stofflich: Straßenbeläge Adsorbermaterialien (vgl. A-Kohle) Bodenverbesserung (Terra Preta) Spezialanwendungen (Farbe, Autoreifen etc.) … CO2-Sequestrierung Abwasser viel gelöster Kohlenstoff, mineralstoffreich? Æ Dünger HTC – Gesetzliche Rahmenbedingungen Was in Deutschland zu beachten ist… Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, Technische Anleitung Siedlungsabfall Für Reststoffbiomasse (=Abfall) für HTC-Anlagen gilt KrW-/ AbfG Abfall (HTC-Kohle oder Humus) ist zu verwerten KrW-/ AbfG § 6 (stofflich oder thermisch; Hi >11.000 kJ/kg), Deponierung nicht zulässig (TASI 4.2.1) Bioabfall und Klärschlamm in der Landwirtschaft Für HTC-Humus/Kohle gilt BioAbfV (§ 1, Abs.1) bzw. AbfKlärV (§ 2, Abs.2) Grenzwerte für Schwermetalle müssen eingehalten werden: BioAbfV (§ 4, Abs.3) bzw. AbfKlärV (§ 4, Abs.12) Aufbringungsmengen sind beschränkt: - BioAbfV (§ 6, Abs.1) max. 20 t TM/(ha*3a) - AbfKlärV (§ 6, Abs.6) max. 10 t TM/(ha*3a) = 1 kg/m² oder (bei 0,5 t/m³) eine Schicht von 2 mm Bei der Rekultivierung können die Aufwandmengen bei 20 bis 60 t/ha liegen. 71 Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick HTC – Aktivitäten in Deutschland Forschung und Entwicklung Akademische Forschung Technische Entwicklung MPI Golm / Antonietti FH Höxter / Ramke & Fettig FH Gießen / Richarts TH Karlsruhe / Bockhorn FH Trier / Bottlinger Uni Oldenburg / Peinke FhG-IVV / Eisner TU Berlin / Ziegler … Carbon Solutions GmbH SunCoal Industries GmbH TerraNova Energy Loritus GmbH Grenol GmbH HydroCarb GmbH Antaco GmbH Willi Schlitt GmbH & Co KG EnBW Energie B.-W. AG RWE Power … HTC – Ausblick Potenzieller Forschungsbedarf Gesamtprozess: Energie- und Ökobilanzen Feststoff (Kohle): Bodenverbesserung? adsorbierte Substanzen (Schadstoffe?) Langzeitwirkung im Boden Feintuning der Materialeigenschaften für Spezialanwendungen Abwasser: Recyclingmöglichkeit Salzfrachten, Schwermetallakkumulation Identifizierung möglicher schädlicher org. Inhaltsstoffe Weiterbehandlung (Kläranlage, chem. Verfahren: WAO, AOP…) 72 Hydrothermale Carbonisierung – Analyse und Ausblick HTC – Ausblick Sinnvolle Anwendungsfelder HTC in Deutschland gegebenenfalls sinnvoll für Problemstoffe (Klärschlamm, Krankenhausabfälle, Schlachthofabfälle, Tierkörperverwertungsabfälle etc.) Æ Hygienisierung, Schadstoffabbau feuchte Abfallbiomasse wasserhaltige Rücknahmefette … HTC international zusätzlich gegebenenfalls sinnvoll für Regionen mit Biomasse- und Reststoffüberschuss Æ CO2-Zertifikatehandel Anschrift der Autoren: Klaus-Dieter Vorlop, Frank Schuchardt, Ulf Prüße Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI) Institut für Agrartechnologie und Biosystemtechnik Bundesallee 50, 38116 Braunschweig E-Mail: klaus.vorlop@vti.bund.de 73 Beiträge der Veranstaltung Hydrothermale Verfahren 2./3. September 2009 Karlsruher Institut für Technologie, Campus Nord Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten Irina Smirnova, Thomas Ingram Technische Universität Hamburg-Harburg Aktivitäten des Instituts für Thermische Verfahrenstechnik, TUHH im Bereich Biomassevorbehandlung Forschung unter der Leitung von Prof. Brunner: bis 04.2008 • Hydrothermale Vorbehandlung von Lignocellulose: • Sequentielle Hydrolyse zur Isolierung von C6/C5 Zucker (thermodynamische und kinetische Untersuchungen) • Einfluss von CO2 auf die Hydrolyse • Enzymatischer Abbau von Lignocellulose • Ligningewinnung und Abbau durch Hydrolyse und Oxidation Aktuelle Arbeiten: • Kombination der Prozesse zur Gewinnung von Zuckern, Proteinen und Lignin • Isolierung und Verwertung von Ligninprodukten • Enzymatische Behandlung bei hohen Temperaturen und Drücken • HTC Verfahren (verschiedene Biomassen) • Energetische Betrachtung von Gesamtprozessen 75 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten 1. Übersicht: Umwandlung von Biomasse 2. Kombinierte Thermisch-Enzymatische Hydrolyse Thermische Hydrolyse Enzymatische Hydrolyse 3. Vergleich der Vorbehandlungsverfahren 4. Wirtschaftlichkeitsanalyse 5. Zusammenfassung und Ausblick Übersicht Verbundwerkstoff Lignocellulose Roggenstroh Analyse: Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft, Hamburg 2006 www.ceres.net (2007) Einleitung 76 4 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten Umwandlung: Übersicht Kombinierte Enzymatische Verfahren: Verfahren mit anorganischen Additiven (50 – 210°C) Thermische Verfahren: (170 -230°C) Verfahren mit organischen Lösemitteln: (120- 200°C) Verdünnte Säuren (150- 190°C) - Vor allem Schwefelsäure - Bewährte Technik - Hohe Xylose Ausbeuten - Korrosion und Gips als Nebenprodukt Alkalische Verfahren (50- 200°C) - Vor allem NaOH und Amoniak - Delignifizierungsprozess - Geeignet für Einjahrespflanzen - Kostenaufwendig Vorbehandlungsverfahren 77 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten Kombinierte Enzymatische Verfahren: Verfahren mit anorganischen Additiven (50 – 210°C) Thermische Verfahren: (170 -230°C) Verfahren mit organischen Lösemitteln: (120- 200°C) Steam Explosion - Geringe Xyloseausbeuten - Geringer Wasserbedarf - Autohydrolyse oder Zusatz von Säure Thermische Hydrolyse (Hydrothermolyse) - Hoher Wasserbedarf - hohe Xyloseausbeuten - geeignet für Einjahrespflanzen Vorbehandlungsverfahren Kombinierte Enzymatische Verfahren: Verfahren mit anorganischen Additiven (50 – 210°C) Thermische Verfahren: (170 -230°C) Verfahren mit organischen Lösemitteln: (120- 200°C) Lösemittel Methanol, Ethanol oder Aceton - Delignifizierungsprozess - Teilweises Lösen der Hemicellulose - Teure Chemikalien - Relativ komplexe Prozessführung Vorbehandlungsverfahren 78 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten Ethanol [t/Jahr] SEKABEnzymatisch Verfahren 100 Verdünnte Säure Produkte Ethanol aus Xylose und Glucose Inbicon 200 Steam explosion Ethanol + Futtermittel Lignol 80 Organosolv Lignin und Ethanol Iogen 300 Steam Explosion (sauer) Ethanol NREL 100 Verdünnte Säure Biogasol 12 Nasse Oxidation Ethanol Ethanol aus Glucose und Xylose Vorbehandlungsverfahren Entwicklungstand VersuchsDemonstrationsLabormaßstab anlage anlage Säure Scholler Verfahren Kommerzieller Einsatz In Deutschland bis 1959 Bergiusverfahren TVA-Madisaon Verfahren Bis 1949 Enzymatisch SEKAB-Säure SEKABEnzymatisch Inbicon/ Dong E. Lignol Iogen NREL AFEX Vergleich-Vorbehandlungsverfahren 79 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten Thermisch-Enzymatische Hydrolyse - Fraktionierung der Biomasse mit reinem Wasser - Fraktion I: Feststoffrückstand - Fraktion II: gelöste Hemicellulose - Kein Zusatz von Chemikalien - Umsetzung in verschiedenen Reaktorkonzepten - Einflussgrößen: Temperatur und Reaktionszeit Xylitol Thermisch-Enzymatische Hydrolyse 80 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten Festbett- Reaktor • Vorteile: Hoher Feststoff/ Wasser Gehalt, kurze Verweilzeiten • Nachteile: Semikontinuierlich, Temperatur- und Konzentrationsgradient Thermische Hydrolyse Aufschluss von Roggenstroh im Festbettreaktor p = 100 bar V = 1000 ml t = 120 min · V = 61ml/min Anteile des Feststoffrückstandes nach T=280°C bezogen auf das Ausgangsprodukt: Kohlenstoff: 17,23%; Kohlenhydrate: 0%, Lignin 47,6% • Bei 200 °C Trennung von Glukose und Xylose Thermische Hydrolyse 81 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten T = 200°C Biomasse 100 µm Thermische Hydrolyse 100 µm pH = 4 T = 50°C Enzymatische Hydrolyse 100 µm Thermisch-Enzymatische Hydrolyse 82 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten 60 60 40 20 xylose 80 proteins 80 Intensity [mV] Intensity [mV] Enzymatische Hydrolyse der gelösten Hemicellulose Aspergillus brasiliensis T = 75˚C; pH = 4,0; Umsatz 96% (w/w) 40 20 0 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 0 Retention time [min] 1.) Hemicellulose (Fraktion I) nach der thermischen Hydrolyse bei 200°C 5 10 15 20 25 30 35 40 Retention time [min] 2.) Hemicellulose (Fraktion II) nach der thermischen und enzymatischen Hydrolyse Gelöste Hemicellulose kann nahezu völlig in Xylose umgewandelt werden, pH-Einstellung nicht nötig Enzymatische Hydrolyse Ligninprodukte aus verschiedenen Vorbehandlungsverfahren Vorbehandlung Name des Ligninproduktes Reagens T [°C] Aufschlussdauer [h] Hydrothermaler Aufschluss (LHW 200°C)1 •Enzymlignin (aus dem Feststoffrückstand) •Hydrolysatlignin (aus der Flüssigphase) H2O 200 1 Hydrothermaler Aufschluss (LHW 270°C)1 LHW 270°C Lignin H2O 270 2 OrganosolvAufschluss2 Organosolvlignin 65% Ethanol 0,15% H2SO4 195 0,75 Soda- Aufschluss3 Sodalignin 2% NaOH 121 1,5 Sulfit- Aufschluss4 pH 3,5 Sulfitlignin 5% H2SO3 Mg(OH)2 160 6 1: Ingram et al. 2008 2: Pan et al. 2006 3: Silverstein et al. 2007 4: Pelzer et al. 1989 Vergleich der Vorbehandlungsverfahren 83 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten Enzymatische Hydrolyse des Feststoffrückstandes t = 48 h, T = 50°C, pH = 5, c0 = 1% Thermische Vorbehandlung (LHW) ermöglicht hohe Glucose Ausbeuten bei relativ geringen Enzymbeladungen Vergleich der Vorbehandlungsverfahren Ligninprodukte aus verschiedenen Vorbehandlungsverfahren Ligninprodukt Farbe Klasonligninanteil [%] Aliph. Hydroxylgruppen [-/C9] Phenol. Hydroxylgruppen [-/C9] Löslich -keit in DMSO [%] MW [g/mol] Sulfitlignin Gelb 31 ± 2 - - - - Enzymlignin Hellbraun 74 ± 4 - - 69 ± 2 4613 Hydrolysatlignin Hellbraun 84 ± 4 0,52 0,04 86 ± 3 3356 LHW 270°C Lignin Schwarz 95 ± 5 - - 13 ± 1 - Sodalignin Braun 91 ± 5 0,64 0,03 82 ± 3 7994 Organosolvlignin Braun 82 ± 4 - - 84 ± 3 7324 Alcell Organosolvlignin Schwarz 97 ± 5 0,23 0,04 100 ± 3 2764 Vergleich der Vorbehandlungsverfahren 84 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten • Optimale apparative Umsetzung der thermischen Hydrolyse im Festbettreaktor • Die thermisch-enzymatische Hydrolyse ist ein selektives Verfahren zur Vorbehandlung von Lignocellulose. • Sowohl hohe Glucose als auch Xylose Ausbeuten sind möglich • Das Vorbehandlungsverfahren beeinflusst das Ligninprodukt stark. • Optimierte Prozessführung zur Nutzung der Ligninprodukte Zusammenfassung I Wirtschaftlichkeitsanalyse der Umwandlung von Roggenstroh in Ethanol : • • • • • Nutzung des Celluloseanteils Kapazität 120 t/Tag Preis: Roggenstroh: 87 €/t1, Enzyme: 0,035 €/L Ethanol2 Amortisationszeit: 5 Jahre Energetische Nutzung des Ligninanteils Preis für Ethanol: ca. 1,30 €/L In Zusammenarbeit mit dem DIPIC – University of Padova, Prof. Alberto Bertucco 1: Leible et al. 2007 2: Aden et al. 2002 Energie Bilanz: Ethanol aus Lignocellulose Wirtschaftlichkeitsanalyse 85 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten Wirtschaftlichkeitsanalyse der Umwandlung von Roggenstroh in Ethanol und Xylitol: • • • • Kapazität der Anlage: 120 t/Tag (Ausdehnung des Erntegebiets < 80 km) Preis: Roggenstroh: 87 €/t1, Enzyme: 0,035 €/L Ethanol2 Amortisationszeit: 5 Jahre Energetische Nutzung des Ligninanteils (deckt 85% der Energiebedarfs) Vorgabe: Ethanol: 0,56 €/L Xylitol: 5,18 €/kg Maximale Enzymkosten für die Umwandlungen der gelösten Hemicellulose in Xylose: 0,50 €/kg Xylitol In Zusammenarbeit mit dem DIPIC – University of Padova, Prof. Alberto Bertucco 1: Leible et al. 2007 2: Aden et al. 2002 Wirtschaftlichkeitsanalyse • Wirtschaftliche Umsetzung nur möglich unter Berücksichtigung aller Prozessströme • Wirtschaftlichkeit hängt stark von Enzympreisen ab • Enzymmenge pro kg Biomasse? • Hier nur die energetische Nutzung des Lignins betrachtet: stoffliche Nutzung? • Optimierung des Gesamtprozesses notwendig Zusammenfassung II 86 Umwandlung von Biomasse zur Bereitstellung von Zuckern und Ligninprodukten • Koordinierte Untersuchungen zum Vergleich verschiedener Biomassen und Vorbehandlungsverfahren: Standardsubstanzen? • Integrierte Umsetzung einer Pilotanlage • Thermische- Katalytische Umsetzung der gewonnenen Xylane • Kostensenkung der enzymatischen Hydrolyse/ Enzymrecycling • Verwertungskonzepte verschiedener Ligninprodukte An der TUHH… • Optimierte Prozessführung zur gleichzeitigen Gewinnung reiner Ligninprodukte und Zucker für verschiedene Anwendungen • Druck als Prozessgröße: Einfluss auf enzymatische Prozesse • Verwendung von Lignin zur Gewinnung hochporöser Polymerstrukturen • Ligninabbau: Verfahrenstechnische Umsetzung, Abtrennung einzelner Fraktionen Ausblick Anschrift der Autoren: Prof. Dr. Irina Smirnova, Thomas Ingram Technische Universität Hamburg-Harburg, Institut für Thermische Verfahrenstechnik Eißendorfer Str. 38, 21073 Hamburg E-Mail: irina.smirnova@tu-harburg.de 87 Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe Nikolaos Boukis, Ulrich Galla, A. Hammerschmidt, Eckhard Dinjus Forschungszentrum Karlsruhe Einführung Das Forschungszentrum Karlsruhe beteiligt sich an den weltweiten Aktivitäten zur Entwicklung der Technologie der Vergasung nasser Restbiomassen unter hydrothermalen Bedingungen und zur Verflüssigung feststoffhaltiger Restbimassen mit hohem Wassergehalt unter den Bedingungen des nahkritischen Wassers. Beide Verfahren haben das Ziel der energetischen Nutzung von Restbiomassen. Aufgrund der Heterogenität dieser Stoffströme wird erwartet, dass eine chemisch-stoffliche Nutzung – über andere Prozesse – aufgrund der Vielzahl der in den Restbiomassen enthaltenen Störstoffe zu aufwendig sein würde. Der Vergasungsprozess wird bei Temperaturen höher als 600 °C durchgeführt, für die Verflüssigung werden Temperaturen von 300 bis 450 °C benötigt. Der Druck in beiden Verfahren liegt im Bereich 220 bis 300 bar. Das Produkt der Verflüssigung ist ein ölartiges Gemisch organischer Substanzen mit hohem Brennwert. Der Hauptbestandteil des Produktgases, aus dem Vergasungsprozess, ist Wasserstoff, Methan und kleinere Kohlenwasserstoffe sind Nebenprodukte. Das Kohlendioxid kann prozessintegriert abgetrennt werden. Edukte Folgende Tabelle zeigt einige der interessantesten Biomassen für die Hydrothermale Prozesse. 88 Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe Restbiomassen Energiepflanzen Landwirtschaft (Grünschnitt, Gewächshausabfälle, Gülle) Getränkeindustrie (Traubentrester, Biertreber) Lebensmittelindustrie Maissilage (abgeschlossen) Algen Industrielle Klärschlamme (Pharma, Chemie, Papier) Schlempe (Bio-Ethanol) Gärschlamm (Biogas) Prozessschema Der Prozess der hydrothermalen Vergasung ist ein einstufiger Prozess. Abbildung 1 verdeutlicht das Prozessschema. Abb. 1 Prozessschema Als besonderes Merkmahl des Prozesses ist die prozessintegrierte Abtrennung von anorganischen Salzen im Temperaturbereich von rund 400 °C nach dem Wärmetauscher und vor dem Vorwärmer der Anlage. 89 Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe Eine weiter entwickelte Prozesskonfiguration sieht die Einspeisung der Biomasse bei unterkritischer Temperatur in den Reaktorraum und Vermischung dort mit einem überhitzten Stoffstrom aus reinem Wasser bei hohem Druck (s. Abb. 2). Hier werden anorganische Salze über einen Sumpfabzug aus unterem Teil des Reaktors ausgeschleust. Diese Prozessmodifikation ist besonders vorteilhaft bei hohen Biomessekonzentrationen mit Salzfracht. Hohe Wasserstoffkonzentrationen im Produktgas und stabiler Betrieb zeichnen diesen Prozess aus. Abb. 2: Prozessschema mit Biomasse Einspeisung in den Reaktor bei unterkritischen Temperaturen. Laborversuche Bei hohen Reaktionstemperaturen lassen sich viele Biomassen innerhalb kurzer Verweilzeiten nahezu vollständig vergasen. Typische Versuchsbedingungen und Ergebnisse aus der Vergasung frischer Biomasse sind: Eduktkonzentration 9 Gew. % TS, Reaktionstemperatur 680 °C, Druck 280 bar, Verweilzeit 1,3 min. Unter diesen Bedingungen wird ein Kohlenstoff-Vergasungsumsatz von 96 % erreicht. Die Gaszusammensetzung wird in der Abb. 3 dargestellt. 90 Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe Abb. 3: Gaszusammensetzung, nach Abzug des Komponenten CO2, bei dem Versuch mit frischer Biomasse bei 680 °C. Versuche in der Versuchsanlage zur energetischen Nutzung agrarwirtschaftlicher Stoffe (VERENA). Das Prozessschema mit der Biomasse Einspeisung bei unterkritischen Temperaturen wurde in der Pilot-Anlage VERENA mit folgenden Versuchsparametern realisiert: Biomassekonzentration 9,6 Gew. % TS mit einem Durchfluss von 20 kg/h, Durchfluss des Wasserstroms 80 kg/h, Reaktionstemperatur 510 °C, Druck 280 bar, es ergibt sich eine mittlere Verweilzeit von 1,7 min. Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: Der C-Vergasungsumsatz war mit 62 % recht hoch (im Relation zur Reaktionstemperatur). Der Betrieb verlief über 12 Stunden störungsfrei. Die gemessene Gaskonzentration ist in der Abb. 4 zu sehen. Abb. 4: Gaszusammensetzung, nach Abzug des Komponenten CO2, bei dem Versuch mit frischer Biomasse bei 500 °C, Einspeisung der Biomasse bei unterkritischer Temperatur in den Reaktor. 91 Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe Vorteile der hydrothermalen Vergasung Die Wasserstoff- und Methangewinnung aus nassen Biomassen über den Prozess der Vergasung in überkritischem Wasser ist möglich und weist folgende Vorteile auf: ■ hohe Wasserstoffausbeute, Hochdruckspeicherung leicht realisierbar ■ guter thermischer Wirkungsgrad bei wasserreichen Edukten (etwa 80 %) ■ hoher Kohlenstoffvergasungsumsatz (>90 %) ■ integrierte einfache CO2- Abtrennung (Abreicherungsfaktor >100) ■ sauberes Produktgas direkte Nutzung in Otto – Motoren möglich ■ sehr geringe elektrische Kompressionsarbeit (ca. 2 kW für 100 kg/h) ■ hohe Raum- Zeit- Ausbeute Die Produktgasnutzung kann über folgende Wege erfolgen: ■ Ohne elektrische Kompressionsarbeit zum Tanken von Fahrzeugen (200 bar) ■ In Druckflaschen (200 bar) allgemein ■ Nach Entspannung zur Elektrizitätserzeugung ■ Nach Abtrennung des Wasserstoffs oder Reforming der kleinen Kohlenwasserstoffe in Brennstoffzellen. Direkte Erzeugung eines brennbaren ölartigen Produkts aus nassen Restbiomassen Das primäre Ziel dieser Arbeit ist, die Erzeugung flüssiger Biokraftstoffe aus nassen Abfallbiomassen oder organischen Industriereststoffen in einem Produktionsschritt unter hydrothermalen Bedingungen (Hydrothermal Liquefaction, HTL). Ein Großteil der verfügbaren Biomasse ist wegen sehr hohen Wasseranteil (>70 %) nicht geeignet zur Herstellung von ölartigen Substanzen nach konventionellen Verfahren, wie zum Beispiel Pyrolyse. Ein besser geeignetes Verfahren zur Erzeugung von ölartigen Substanzen ist CatLiq. Dieses Verfahren wird in Zusammenarbeit mit der Industrie entwickelt. Bei diesem Prozess wird ZrO2 als heterogener und Kaliumcarbonat als homogener Katalysator verwendet. Des Weiteren sind Temperaturen im Bereich 374 °C bis 300 °C und Drücke über 22,5 MPa erforderlich, s. Abb. 5. 92 Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe Abb. 5: Schematische Darstellung des katalytischen Verfahrens. Das Primärprodukt besteht aus einer wässrigen und einer organischen Phase (s. Abbildung 6) Abb. 6: Kohlenstoff-, Massenverteilung und Zusammensetzung der primären organischen Phase Nach der Entwässerung der organischen Phase wird ein ölartiges Gemisch organischer Substanzen mit einem hohen Brennwert (34 MJ/kg) produziert. 93 Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe Eine neue Variante eines HTL Prozesses wird zur Zeit im FZK entwickelt. Über die Einspeisung von hydrothermal erzeugtem H2 soll das H/C Verhältnis des Produktöls verbessert werden und gleichzeitig die Schwefelkonzentration gemindert werden. Das Produkt kann: ■ zusammen mit dem Pyrolyse Slurry vergast werden ■ bei entsprechender Qualität mit Diesel vermischt werden Abbildung 7: HTL Variante mit zusätzlicher Einspeisung von hydrothermal erzeugtem Wasserstoff bei hohen Temperaturen. Ausblick ■ Optimierung des prozessintegrierten Salzabtrennung ■ Verbesserung des Wärmeaustausches bei Schlämmen (Fouling, Salzabtrennung) ■ Identifikation von korrosionsbeständigen Reaktormaterialien und Bestimmung der Einsatzgrenzen ■ Neue Wärmetauscher – Konstruktion, Einbau, Tests ■ Weitere Zusammenarbeit mit der Industrie, um die Anwendbarkeit des Vergasungsverfahrens zu sichern ■ Optimierung des hydrothermalen Verflüssigungsprozesses hinsichtlich Ausbeute und Produktqualität ■ Scale-up der Anlage VERENA um den Faktor 10 – 20. 94 Hydrothermale Vergasung – Aktivitäten des Forschungszentrums Karlsruhe Danksagung Die Autoren möchten sich beim BMBF für die Finanzierung der Anlage VERENA (bmb+f Förderkennzeichen 0330267) bedanken. Den beteiligten Mitarbeitern des Instituts gilt unser besonderer Dank. Weiterführende Literatur ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ V. Diem, N. Boukis, E. Hauer, E. Dinjus. Chem. Eng. Trans., Vol. 4, 99–104, (2004) N. Boukis, V. Diem, U. Galla, E. Dinjus. Com. Sci. Tech., 178: 467–485, (2006) N. Boukis, U. Galla, V. Diem, P. D’Jesus, E. Dinjus. DGMK-Fachbereichstagung: Velen VI, 289–296, (2004) N. Boukis, U. Galla, P. D’Jesus, H. Müller, E. Dinjus, Energetische Nutzung von Biomassen – Velen VII, 24./26.April 2006 in Velen/Westf., 91–98, (2006) U. Galla, N. Boukis. Gebrauchsmuster DPMA 202 20 307.7, (2003) Wenig, B. Bioenergie, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, (2005) S.B. Iversen, Larsen, V. Lüthje, K. Felsvang, P.R. Nielsen, U. Galla, and N. Boukis, 14th European Conference on Biomass for Energy, Industrie and Climate protection, 17–21 October 2005, Palais des Congrès, Paris, France, Proceedings page 1450 N. Boukis, A. Hammerschmidt, E. Hauer, U. Galla, B. Hitzmann, T. Larsen Production of liquid biofuels by Microrefinery hydrothermal treatment 17th European Biomass Conference & Exhibition. 29 June–3 July 2009, CCH Hamburg, Germany M. Watanabe, F. Bayer, A. Kruse, Carbohydrate Research 341: 2891–2900, (2006) A. Kruse, Biofuels, Bioprod. Bioref. 2:415–437, (2008) A. Kruse, The Journal of Supercritical Fluids 47: 391–399, (2009) Anschrift der Autoren: Dr. Nikolaos Boukis, Ulrich Galla, A. Hammerschmidt, Prof. Dr. Eckhard Dinjus Forschungszentrum Karlsruhe, Institut für Technische Chemie Postfach 3640, 76021 Karlsruhe E-Mail: nikolaos.boukis@itc-cpv.fzk.de 95 Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Synthesebausteinen/Plattformchemikalien Hirth, Thomas Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik (IGVT) Gerd Unkelbach, Rainer Schweppe. Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) 1 Einleitung Nachwachsende Rohstoffe haben eine lange Tradition in der chemischen Industrie, sind aber im Industriezeitalter durch den Einsatz von Kohle, Erdöl und Erdgas beinahe in Vergessenheit geraten. Ressourcenverknappung, Treibhauseffekt, Bevölkerungswachstum und das Streben nach nachhaltiger Entwicklung haben das Interesse an nachwachsenden Rohstoffen für die energetische und stoffliche Nutzung in Industrie und Forschung jedoch wieder neu geweckt. Bis 1950 war Kohle der Basisrohstoff für die Herstellung chemischer Produkte. Heute beruht die chemische Produktion im Wesentlichen auf Erdöl und Erdgas, aus denen Grundstoffe wie Ethylen, Propylen, Kohlenstoffmonoxid oder Wasserstoff hergestellt werden. Aus diesen lassen sich über kontrollierte chemische Reaktionen komplexe Zwischenprodukte (Plattformchemikalien) aufbauen, die wiederum wegen der vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten zu einer Vielzahl von Folge- und Endprodukten umgesetzt werden können. Ein Wechsel von einer fossilen zu einer erneuerbaren Rohstoffbasis bedeutet deshalb zwangsläufig einen Wechsel von Öl und Gas zu den nachwachsenden Rohstoffen Lignocellulose, Kohlenhydraten und pflanzliche Öle. Diese Biomasse stellt die einzige alternative Kohlenstoffquelle für die Erzeugung chemischer Produkte dar, im Gegensatz zur Energieerzeugung, die nicht unbedingt auf kohlenstoffhaltige Rohstoffe angewiesen ist. 96 Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien Bei der Umstellung von der Rohstoffbasis Kohle auf Erdöl und Erdgas im letzten Jahrhundert mussten zahlreiche neue Prozesse entwickelt werden, da damit ein Wechsel von der Acetylenchemie zur Ethylenchemie einherging. In diesem Zusammenhang stellt sich deshalb zwangsläufig die Frage, was beim Übergang auf nachwachsende Rohstoffe an neuen Verfahren erforderlich sein wird. Für die Umstellung auf nachwachsende Rohstoffe sind neue Ansätze in Forschung, Entwicklung und Produktion erforderlich. In diesem Zusammenhang bietet der Rohstoff Lignocellulose ein besonders großes Potential. Die drei Hauptbestandteile der Lignocellulose, Cellulose, Hemicellulose und Lignin, bieten interessante Möglichkeiten für die Herstellung von chemischen Produkten wie Tenside, Klebstoffe, Lösungsmittel oder Polymere. Hierfür sind allerdings neue biotechnologische und chemische Synthesestrategien und Herstellungsprozesse erforderlich, die es erlauben, chemische Produkte öko-effizient herzustellen. Ein wesentliches Element in einer solchen Prozesskette ist eine erfolgreiche Auftrennung der Rohstoffe in ihre einzelnen Komponenten und deren Umwandlung zu Chemierohstoffen durch eine Kombination von physikalischen, biotechnologischen und chemischen Prozessen. In Analogie zu einer Erdölraffinerie erfolgt diese Auftrennung in einer Bioraffinerie. Im Anschluss an die Komponententrennung erfolgt dann die Herstellung sog. Plattformchemikalien wie beispielsweise Ethanol, 5-HMF, Sorbitol, Lävulinsäure oder Milchsäure durch chemische und/oder biotechnologische Prozesse. Die Herstellung der Plattformchemikalien nimmt nach diesem Konzept eine der thermischen Spaltung im Cracker vergleichbare Stellung ein, die der Herstellung von Zwischenprodukten wie Ethylen, Propylen, Buten oder BTX-Aromaten dient. Aus den Plattformchemikalien lassen sich dann Monomere wie Ethylen, 2,5-Furandicarbonsäure, Milchsäure oder Acrylsäure herstellen. Diese biobasierten Monomere können dann zu Thermoplasten, Duroplasten, Elastomeren und thermoplastischen Elastomeren verarbeitet werden. 2 Rohstoffe Nachwachsende Rohstoffe sind land- und forstwirtschaftlich erzeugte Produkte, die nicht im Nahrungsmittelbereich verwendet werden. Sie gehören dank Holz zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Stoffen. 97 Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien Die Natur stellt über ihre Biosynthesewege eine große Vielfalt an nachwachsenden Rohstoffen für die stoffliche Nutzung zur Verfügung, davon sind allerdings mehr als 90% Kohlenhydrate bzw. Lignocellulose. Beim Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen sind insbesondere die ausreichende Verfügbarkeit, konstante Qualität, wettbewerbsfähige Preise, elementare Zusammensetzung, stoffliche Zusammensetzung, Molekülstruktur und Zielprodukte zu berücksichtigen Die elementare und die stoffliche Zusammensetzung spielt eine entscheidende Rolle beim Einsatz nachwachsender Rohstoffe für die stoffliche Nutzung, da sie zum einen über ein verändertes Elementspektrum verfügen (siehe Tabelle 1) und aus Komponenten mit hoher Funktionalität bestehen. Beide Aspekte spielen eine entscheidende Rolle bei der Auswahl und Entwicklung einer biobasierten Chemieplattform. Erdöl Öle/Fette Lignocellulose (Holz) C 85 – 90 % 76 % 50 % H 10 – 14 % 13 % 6% O 0 – 1,5 % 11 % 43 % Tab. 1: Elementare Zusammensetzung verschiedener Rohstoffe Im Zusammenhang mit dem Aufschluss und der Konversion von nachwachsenden Rohstoffen bieten hydrothermale Verfahren ein großes Potential, da sie den Einsatz feuchter Rohstoffe erlauben, bei moderaten Temperaturen arbeiten und sowohl für den Aufschluss als auch die chemische Konversion geeignet sind. 3 Aufschluss von Lignocellulose Eine Analyse des Potenzials nachwachsender Rohstoffe hat gezeigt, dass ein besonders großes CO2-Einsparpotenzial beim Einsatz von Lignocellulose und der Herstellung von höher funktionalisierten Produkten wie Phenolen besteht. Der Aufschluss der Lignocellulose ist von besonderer Bedeutung, da dadurch die Kohlenhydrate vom Lignin getrennt werden können. Für den Aufschluss der Lignocellulose stehen aus heutiger Sicht insbesondere folgende Verfahren zur Verfügung. 98 Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien ■ ■ ■ ■ Säureverfahren Hydrothermalverfahren Organosolv-Verfahren (Ethanol) Physikalisch-enzymatische Verfahren Klassische Verfahren zum Aufschluss von Lignocellulose wie das SulfatVerfahren oder das Sulfit-Verfahren dienen vorwiegend der Zellstoffgewinnung und liefern schwefelhaltiges Lignin. Für eine anschließende stoffliche Nutzung sind aber insbesondere solche Verfahren gewünscht, die schwefelfreies Lignin und Kohlenhydratfraktionen liefern. Dieser Strategie (siehe Abbildung 1) folgt das sog. Organosolv-Verfahren, das bei Temperaturen zwischen 180 und 220 °C arbeitet und eine Cellulose-, Hemicellulose- und Ligninfraktion (siehe Abbildung 2) liefert. Tabelle 2 zeigt die Eigenschaften des nach dem Organosolv-Verfahren erhaltenen Lignins im Vergleich mit anderen Ligninen. Abb. 1: Trennstrategie beim Aufschluss von Lignocellulose 99 Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien Abb. 2: Produkte nach dem Organosolv-Aufschluss Die beim Aufschluss erhaltenen Cellulose- und Hemicellulose-Fraktionen können durch enzymatische Hydrolyse in die monomeren Zucker umgewandelt werden und das Lignin kann anschließend unter Erhalt seiner polymeren Struktur verarbeitet oder in Aromaten gespalten werden. Sulfatverfahren Sulvitverfahren Organosolvverfahren Lignin-Typ Kaftlignin Ligninsulfonat Organosolv-Lignin Molekulargewicht [g/mol] 2000 – 3000 20000 – 50000 1000 – 2000 1 – 1,5 4–8 0 0 1,25 – 2,5 0 Löslichkeit Alkali, organische Lösungsmittel Wasser, unlöslich in organischen Lösungsmitteln Alkali, organische Lösungsmittel Funktionelle Gruppen viele phenolische OH wenig phenolische OH viele phenolische OH dunkelbraun hellbraun hellbraun Organischer Schwefel [%] Sulfonatgruppe [%] Farbe Tab. 2: Eigenschaften verschiedener Lignine 100 Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien 4 Chemische Konversion von Lignocellulose Für die Herstellung von Plattformchemikalien stehen chemische, biotechnologische und thermische Verfahren (siehe Abbildung 3) zur Verfügung. Hydrothermale Verfahren lassen sich zwischen den rein chemischen und den thermischen Verfahren einordnen, da sie einen großen Temperaturund Druckbereich überdecken. Abb. 3: Verfahren zur Herstellung von Plattformchemikalien Die Herstellung von Plattformchemikalien aus nachwachsenden Rohstoffen unterscheidet sich deutlich von der Herstellung aus petrochemischen Rohstoffen, da nachwachsende Rohstoffe wegen ihrer hohen Funktionalisierung entfunktionalisiert werden müssen und petrochemische Rohstoffe wegen ihrer sehr geringen Funktionalität funktionalisiert werden müssen. Abbildung 4 zeigt den Weg vom nachwachsenden Rohstoff hin zu den Synthesebausteinen. Abb. 4: Aufbereitung und Konversion der nachwachsenden Rohstoffe Für die Herstellung von Plattformchemikalien bieten sich insbesondere Kohlenhydrate wie Zucker, Stärke oder Cellulose an, wobei die 101 Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien Polysaccharide zunächst in monomere Zucker gespalten werden müssen. Aufbauend auf Glukose lassen sich über die Kombination von biotechnologischen und chemischen Verfahren, insbesondere hydrothermalen Verfahren, die für die Gewinnung von Plattformchemikalien aus nachwachsenden Rohstoffen besonders geeignet sind, C1 bis C6-Bausteine herstellen (siehe Abbildung 5). Für die Gewinnung des C1-Bausteins Kohlenstoffmonoxid sind Vergasungsverfahren (auch hydrothermale Verfahren) geeignet. Ethanol ist ein wichtiger C2-Synthesebaustein, der im Rahmen einer Bioraffinerie Ausgangspunkt für die Herstellung von Essigsäure, Ethylen oder Butadien sein könnte. Heute werden weltweit bereits mehr als 60 Millionen Tonnen Ethanol durch biotechnologische Verfahren aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Damit könnte man durch Dehydratisierung in der Gasphase oder hydrothermalen Phase (siehe Abbildung 6) ca. 50 % der weltweit produzierten Ethylenmenge herstellen, wenn das Ethanol ausschließlich für die stoffliche Nutzung zur Verfügung stehen würde. Glukose C6H12O6 Ethanol C 2H 6O Milchsäure C 3H 6O 3 Bernsteinsäure C 4H 6O 4 5-Hydroxymethylfurfural C 6H 6O 3 Sorbit C6H11 O6 Abb. 5: Plattformchemikalien auf Basis von Glukose Einige Firmen haben bereits angekündigt, zukünftig in Brasilien Ethylen und Polyethylen auf Basis von Bioethanol herzustellen. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass nur der Rohstoff aber nicht das Polymer substituiert werden muss. Milchsäure wird heute bereits in großen Mengen biotechnologisch aus Zucker gewonnen und stellt eine Plattformchemikalie für die Herstellung von Milchsäureestern und Polymilchsäure dar. Der Kunststoff Polymilchsäure wird in einer Jahreskapazität von mehr als 150.000 Tonnen durch eine Kombination von biotechnologischen und chemischen Schritten aus Kohlenhydraten hergestellt. Milchsäure bietet darüber hinaus durch die Dehydratisierung in der Gasphase oder hydrothermalen Phase den Zugang 102 Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien zu Acrylsäure (siehe Abbildung 7), einem etablierten Monomer auf der Basis petrochemischer Rohstoffe. Abb. 6: Herstellung von Ethylen aus nachwachsenden Rohstoffen Abb. 7: Herstellung von Acrylsäure aus Milchsäure Abb. 8: Herstellung von Plattformchemikalien aus Glukose Ausgehend von Glukose lassen sich über die Hydrothermolyse sowie die reduktive Hydrothermolyse bei erhöhten Temperaturen und Drücken Plattformchemikalien wie 5-HMF, DHD und Sorbitol herstellen (siehe Abbildung 8). 103 Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien Sorbitol kann beispielsweise als Polyolkomponente bei der Herstellung von Polyurethanschäumen eingesetzt werden. Aus 5-HMF lässt sich durch Oxidation (siehe Abbildung 9) 2,5-Furandicarbonsäure herstellen, die das biobasierte Analogon zur Terephthalsäure darstellt. Beide Dicarbonsäuren haben vergleichbare chemische Eigenschaften. Abb. 9: Herstellung von 2,5-Furandicarbonsäure aus 5-HMF Auf Basis von 2,5-Furandicarbonsäure können Polyester (siehe Abbildung 10) und Polyamide hergestellt werden. Abb. 10: Herstellung von Polyestern auf Basis von 2,5-Furandicarbonsäure Bei Verwendung von Lignocellulose lässt sich die Rohstoffbasis für die Herstellung von Plattformchemikalien noch erweitern, da als weitere Komponente Lignin anfällt, das sowohl als sog. Flüssigholz thermoplastisch im Spritzguss oder Extrusion als auch als Bindemittelkomponente in Harzen (Duroplast) verarbeitet werden kann (siehe Abbildung 11). Aufgrund seiner aromatischen Struktur kann Lignin aber auch durch Hydrothermolyse in phenolische Bausteine gespalten werden, die nach entsprechender Aufarbeitung bei der Herstellung von Phenolharzen eingesetzt werden können. 104 Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien Abb. 11: Stoffliche Verwertung von Lignin 5 Zusammenfassung Hinsichtlich des Einsatzes von nachwachsenden Rohstoffen für die Herstellung von Plattformchemikalien und Biopolymeren ergibt sich für die derzeitige Situation folgendes Bild: ■ Ein großes CO2-Einsparpotenzial besteht insbesondere bei der Verwendung von Lignocellulose und der stofflichen Nutzung von Lignin. ■ Lignocellulose kann durch hydrothermale Verfahren aufgeschlossen und in Synthesebausteine umgewandelt werden. ■ Hydrothermale Verfahren erlauben die Kopplung von chemischen und biotechnologischen Prozessen. ■ Biobasierte Produkte auf Basis hydrothermaler Verfahren bieten interessante Eigenschaften. Für eine verstärkte Nutzung der Rohstoffbasis nachwachsende Rohstoffe sind aber noch umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Entwicklung von neuen Synthesestrategien und Produktionsverfahren wie beispielsweise hydrothermale Verfahren erforderlich, die es erlauben, chemische Produkte ökoeffizient herzustellen. 105 Hydrothermaler Aufschluss und Konversion von Lignocellulose zu Sythesebausteinen/Plattformchemikalien 6 /1/ /2/ /3/ /4/ Literatur J. Clark, F. Deswarte, Introduction to chemicals from biomass, Wiley, 2008 Marktanalyse Nachwachsende Rohstoffe, FNR, 2006 R. Ulber, R. Busch, Th. Hirth, A. Liese, S. Nordhoff, J. Puls, O. Pulz, D. Sell, C. Syldatk, Nutzung nachwachsender Rohstoffe in der industriellen Stoffproduktion, Chem.-Ing.-Techn. 3, 219 (2006) B. Kamm, M. Kamm, Th. Hirth, M. Schulze Lignocellulose-based Chemical Products and Product Family Trees In B. Kamm, P. R. Gruber, M. Kamm (Eds.) Biorefineries – Industrial Processes and Products, Vol. 2, Wiley-VCH, 2006 Anschrift der Autoren: Prof. Dr. Thomas Hirth Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik (IGVT), Universität Stuttgart Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) Nobelstr. 12, 70569 Stuttgart E-Mail: thomas.hirth@igb.fraunhofer.de Gerd Unkelbach, Rainer Schweppe Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) 106 Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht Andrea Kruse Institut für Technische Chemie Reaktionen in Wasser bei erhöhten Temperaturen und Drücken werden hydrothermal genannt. Dieser Begriff stammte ursprünglich aus der Geologie, wurde aber auch auf organische Reaktionen übertragen. Wird „grüne“ Biomasse in einem geschlossenen Reaktor erhitzt, handelt es sich um eine hydrothermale Umwandlung. Das enthaltene Wasser wird zum Reaktionsmedium, das den Abbau der polymeren Strukturen der Biomasse unterstützt. Hierbei sind die variablen Eigenschaften des heißen Hochdruckwassers von besonderer Bedeutung (Abb. 1 [1]). Abb. 1: Eigenschaften (Dichte, statische rel. Dielektrizitätskonstante, Logarithmus des Ionenproduktes, aus [2]) von heißem Hochdruckwasser als Funktion der Temperatur. 107 Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht Die Umwandlung von Biomasse zu unterschiedlichen sekundären Energieträgern, Basis-Chemikalien und Grundstoffen für biochemische Umwandlung ist in der letzten Zeit in den Blickpunkt des Interesses getreten. Grund hierfür ist, dass die Nutzung von Biomasse annähernd CO2neutral ist, vorausgesetzt es wächst so viel Biomasse nach, wie verbraucht wird. Es gibt unterschiedliche hydrothermale Prozesse, um Biomasse nutzbar zu machen (Abb. 2). Abb.2: Dampfdruckkurve des Wassers mit unterschiedlichen Verfahren zur Biomasse-Umwandlung (stark vereinfacht). Bei ca. 80 – 260 °C werden die Vorbehandlungsmethoden durchgeführt. Hierbei geht es darum, die vorhandenen Strukturen „aufzuweichen“. Das bekannteste Verfahren ist der Steam-Explosion-prozess. Hierbei wird nach der Behandlung bei ca. 160 – 260 °C schlagartig auf Normaldruck expandiert und so die Strukturen der Biomasse regelrecht aufgebrochen. Im etwas höheren Temperatur-Bereich (190 – 310 °C, [3]) wird Zellulose und Hemicellulose zu Zuckern hydrolysiert, die dann z. B. für die Ethanol-Herstellung benutzt werden kann. Dies ist ein wichtiger Schritt, wenn nicht zur Stärke, sondern Lignocellulose als Ausgangsmaterial für die Bioethanol-Herstellung genutzt werden soll (siehe Artikel von Smirnova, Ingram et al. in diesem Heft, [3,4]). Im Bereich von ca. 170 – 200 °C wird die hydrothermale Karbonisierung durchgeführt. Hier ist das Ziel „künstliche Kohle“ bzw. hochwertige neue 108 Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht Kohlenstoff-Materialien herzustellen (siehe Artikel von Antonietti et al. in diesem Heft, [5,6]). Es existieren auch Hochtemperaturvarianten sowohl zur GlucoseGewinnung (z. B. 380 °C, [7,8]) und zur Hydrothermalen Karbonisierung (z. B. 500 °C [9]), mit Letzteren können z. B. Nanoröhren hergestellt werden können. Das Aqueous Phase Reforming (ca. 250 °C) dient zur Herstellung von Wasserstoff in Anwesenheit von Edelmetallkatalysatoren. Dies ist bei so niedrigen Temperaturen aus thermodynamischen Gründen nur bei sehr geringen Konzentrationen und mit Biomasse-Modellverbindungen oder – Folgeprodukten, nicht mit realer Biomasse möglich [10 – 12]. Bei ca. 300 °C (- 350 °C) wird die hydrothermale Verflüssigung durchgeführt. Hierbei entsteht ein hochviskoses Öl mit geringem Wassergehalt und im Vergleich zur Biomasse stark verringerter Sauerstoffgehalt. Das „Öl“ hat einen hohen Brennwert und kann in anschließenden Prozessen veredelt werden (siehe Abschnitt von Prins et al. in diesem Heft, [13]). Diese Verfahren, die unterhalb des kritischen Punktes durchgeführt werden, profitieren vom hohen Ionenprodukt des Wassers (Abb. 1) bei diesen Bedingungen. Aufgrund dessen finden Reaktionen, die durch Einsatz von Säuren oder Basen beschleunigt werden, auch ohne deren Zusatz statt. Dies ist allerdings nicht die einzige Funktion des Wassers [14]. Dies ist besonders bei der Herstellung von chemischen Grundstoffen aus Zuckern unter hydrothermalen Bedingungen wichtig. Beispiele sind die Herstellung von Milchsäure Hydroxymethylfurfural aus Glucose aber auch die chemische Veränderung von biochemisch hergestellten Substanzen (siehe Kapitel von H. Vogel et al. und Hirth et al. in diesem Heft, [15– 17]). Nahkritisch, oberhalb bzw. unterhalb des kritischen Punktes ist der Bereich der hydrothermalen Methanerzeugung ([18 – 21], siehe Kapitel von F. Vogel et al. in diesem Heft). In diesem Bereich sind Methan und Kohlendioxid die thermodynamisch bevorzugten Reaktionsprodukte. Die Bildung ist kinetisch gehemmt und die Reaktion erfordert den Einsatz heterogener Edelmetallkatalysatoren. Die Herstellung von Methan ist durch Vergärung möglich, aber nicht thermochemisch mit einem „trockenen“ Verfahren. Biomasse ist ohne Wasser als Reaktionsmedium nicht reaktiv genug, um bei diesen niedrigen, aber für die Methanbildung thermodynamisch erforderlichen Temperaturen. Bei Temperaturen von 600 °C ist Wasserstoff neben Kohlendioxid das bevorzugte Reaktionsprodukt. Da dieser Prozess im überkritischen Bereich 109 Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht liegt, wird er meist Überkritische Biomassevergasung (Supercritical Water Gasification – SCWG, siehe Kapitel von Boukis et al. in diesem Heft) genannt [22,23]. Hier ist kein Zusatz von Katalysatoren notwendig. Die in der Biomasse normalerweise enthaltenen Salze katalysieren die Wassergas-Shift-Reaktion und ermöglichen damit erst die hohe Wasserstoffausbeute [24]. Wassergas-Shift-Reaktion: CO + H2O ➔ CO2 + H2 Die einzelnen Prozesse wie Verflüssigung und Vergasung können nicht scharf voneinander abgegrenzt werden. Beim Aufheizen der Biomasse auf 600°C werden die Bereiche für hydrothermale Karbonisierung und Verflüssigung durchlaufen, was dann zu in der Regel unerwünschten Reaktionen führt [25,26]. Diese hydrothermalen Verfahren ermöglichen die Erschließung von nasser Biomasse als Rohstoffquelle für ein weites Spektrum von Kraftstoffen und bilden damit eine ideale Ergänzung zu Verfahren zur Nutzung trockener Verfahren, die typischerweise bei deutlich höheren Temperaturen aber niedrigeren Drücken durchgeführt werden [27]. Vorteilhaft ist auch die Kombination von biochemischen Verfahren und hydrothermalen. Bereits erwähnt wurden die hydrothermale Vorbehandlung mit anschließender Bioethanol-Herstellung, sowie die hydrothermale Modifizierung von biochemisch hergestellten Grundstoffen. Da bei biochemischen Umwandlungsprozessen Lignin als Nebenprodukt anfällt, ist die hydrothermale Nutzung von Lignin eine Erfolg versprechende Anwendung hydrothermaler Verfahren. Lignin ist einfach zu wertvoll, um es zu verbrennen! Literatur [1] [2] [3] [4] A. Kruse, E. Dinjus, The Journal of Supercritical Fluids 2007, 39 (3), 362. C. A. Meyer, R. B. McClintock, G. J. Silvestri, R. C. Spencer, Jr., Steam table database 1992. T. Rogalinski, T. Ingram, G. Brunner, The Journal of Supercritical Fluids 2008, 47 (1), 54. C. Schacht, C. Zetzl, G. Brunner, The Journal of Supercritical Fluids 2008, 46 (3), 299. 110 Hydrothermale Umwandlung von Biomasse – Eine Übersicht [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22] [23] [24] [25] [26] [27] M. M. Titirici, A. Thomas, M. Antonietti, New J. Chem. 2007, 31 (6), 787. M. M. Titirici, M. Antonietti, N. Baccile, Green Chem. 2008, 10 (11), 1204. Y. Zhao, W. J. Lu, H. T. Wang, D. 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Dr. Andrea Kruse Institut für Technische Chemie, Chemisch-Physikalische Verfahren Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Hermann-von-Helmholtz-Platz 1, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen E-Mail: andrea.kruse@kit.edu 111 Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie Andrea Soler, Herbert Vogel Technische Universität Darmstadt Viele Alkohole wie Ethanol und Polyole wie zum Beispiel 1,2-Propandiol, Glycerol und meso-Erythritol sind sowohl durch bio- als auch durch chemokatalytische Verfahren aus einer Vielzahl von Kohlenhydraten, wie Pentosen und Hexosen zugänglich. So kann zum Beispiel 1,2-Propandiol aus Glucose, Mannose oder Fructose durch Zugabe von Clostridium sphenoides gewonnen werden [1]; 1,3-Propandiol und 2,3-Butandiol können fermentativ durch Zugabe von Klebsiella aus Glycerol synthetisiert werden[2]. Glycerol ist ein Koppelprodukt der Biodieselherstellung bzw. der Verseifung von Fetten und Ölen. MesoErythritol, ein weit verbreiteter Zuckerersatzstoff, entsteht bei der Fermentation aus Glucose mittels Trichosporonoides megachiliensis oder Moniliella pollinis[1]. Bei der Dehydratisierung von Monoalkoholen, wie zum Beispiel Ethanol entsteht Ethen und Ethanol. Die Dehydratisierung von Di-, Tri- und Polyolen zu den entsprechenden Aldehyden bzw. Ketonen unter gemäßigten Bedingungen (< 100 °C) erfordert eine hohe Schwefelsäurekonzentration. Dagegen können Polyole unter hydrothermalen Bedingungen ohne Säurezusatz oder durch Zusatz geringe Mengen an Elektrolyten dehydratisiert werden. Reaktionen unter hydrothermalen Bedingungen sind schon seit längerem Gegenstand der Forschung. Dies begründet sich unter anderem durch die ökologische Unbedenklichkeit, da Wasser nicht toxisch, nicht brennbar und nicht entflammbar ist. Wasser unterliegt zudem nicht der Gefahrstoffordnung und stellt eine gute Alternative zu den herkömmlichen Lösungsmitteln dar. Die physikalisch-chemischen Eigenschaften wie zum Beispiel die Dichte, die Autoprotolyse oder die Polarität (Dielektrizitätskonstante) können durch Variation von Druck und Temperatur verändert werden. Unter hydrothermalen Bedingungen ist die Dielektriziätskonstan- 112 Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie Abb. 1: Reaktionsschema zur Dehydratisierung von Diolen zu den entsprechenden Aldehyden und Ketone. te von Wasser hoch genug, so dass Elektrolyte gelöst werden können, die Ionendissoziation begünstigt wird und die Mischbarkeit mit unpolaren Substanzen möglich ist[4]. Durch Zugabe geringer Mengen an Elektrolyten, wie zum Beispiel Zink-, Nickel- und Kupfersulfat können Umsätze und Selektivitäten bei Dehydratisierungsreaktionen unter hydrothermalen Bedingungen deutlich erhöht werden[5]. Allgemein laufen Dehydratisierungen auf Grund der erhöhten Eigendissoziation von Wasser unter hydrothermalen Bedingungen im Vergleich zu Standardbedingungen (1 atm, 25 °C) bevorzugt ab. So können zum Beispiel cyclische Ether wie Tetrahydrofuran oder 1,4Anhydroerythritol durch Dehydratisierung von Polyolen mit Hydroxylgruppen in n, (n+3)Stellung gewonnen werden ((n=1,2,3..) gibt die Position der ersten Hydroxylgruppe an). Bei der Dehydratisierung von meso-Erythritol wurde die Temperatur (300 – 400 °C), der Druck (250 – 340 bar), die Zinksulfatkonzentration (494, 988, 1976, 3953 ppm (g g-1) und die Eduktkonzentration (5–60g L-1) variiert. 113 Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie Die maximale Ausbeute an 1,4-Anhydroerythritol beträgt 55 % bei 360 °C, 340 bar und 60 s. Höhere Ausbeuten konnten auf Grund von Folgereaktionen bei Temperaturen größer als 360 °C nicht erreicht werden. Die Variation des Druckes zeigte keinen Einfluss auf das Umsatz-Selektivitätsverhalten. Durch Zugabe von Zink- (1000 ppm (g g-1)) und Kupfersulfat (1000 ppm (g g-1)) sowie Schwefelsäure (20 mmol L-1) kann die Ausbeute auf maximal 60% bei 360°C und 340 bar erhöht werden. Unter Zugabe von Natriumsulfat wird kein 1,4-Anhydroerythritol gebildet, die Reaktion wird also inhibiert[5]. Abb. 2: Reaktionsschema zur Dehydratisierung von meso-Erythritol. Im Gegensatz dazu entsteht bei der Dehydratisierung von Diolen mit benachbarten Hydroxylgruppen, wie zum Beispiel 1,2-Propan- und 1,2Butandiol sowie 2,3-Butandiol, die entsprechenden Aldehyde bzw. Ketone[1][5). 2,3-Butandiol kommt in drei Stereoisomeren vor, die biochemisch voneinander isoliert werden können; die beiden Enantiomere (R,R) und (S,S)2,3-Butandiol sowie eine meso Form (R,S)-2,3-Butandiol. Die Dehydratisierung von 2,3-Butandiol verläuft säurekatalysiert, über eine pinacolähnliche Umlagerung mittels H- bzw. Alkylschift zum 2-Butanon und zum Isobutyraldehyd. Durch Zugabe von 800 ppm (g g-1) (5 mmol L-1) Zinksulfat konnte der Umsatz von 44% auf 98% bei 360°C und 120 s erhöht werden. Die maximal erreichte Ausbeute beträgt 79 %. Es konnte festgestellt werden, dass bei Umsetzung der verschiedenen Stereoisomere schon ab einer Verweilzeit von 30 s nahezu vollständiger Umsatz erreicht wird. Des Weiteren wurde der Edukteinfluss auf das Umsatz-Selektivitätsverhalten untersucht. Bei Einsatz des (R,R)-Isomers liegt die Ausbeute an 2-Butanon ca. 10– 15% über denen des meso-Isomers. Wurde das Gemisch aller drei Stereoisomere ((R,R)-, (S,S)- und meso-2,3-Butandiol) eingesetzt, so ergibt sich eine durchschnittliche Ausbeute an 2-Butanon. Dies steht im Einklang mit Bucsi der 114 Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie Abb. 3: Reaktionsmechanismus zur Dehydratisierung von 2,3-Butandiol. ebenfalls eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit der c2-symmetrischen Isomere feststellte. Bei meso-2,3-Butandiol kommt es bei beiden möglichen Zwischenstufen zu einer sterischen Hinderung der beiden Methylgruppen, was eine langsamere Reaktion zur Folge hat. Bei den rac-Isomeren gibt es eine Zwischenstufe, bei der diese sterische Hinderung nicht auftritt. Diese ist energetisch bevorzugt, und liefert über einen Hydridshift 2Butanon. Somit kann über diese stereochemische Betrachtung sowohl die Produktverteilung zugunsten des 2-Butanon, wie auch die schnellere Reaktion des rac-Isomers erklärt werden[6]. Bei der Dehydratisierung von 1,2-Butandiol zu n-Butyraldehyd wurde der Temperatur- (300 – 380 °C), Druck- (240 – 340 bar), Zinksulfat(200 – 1600 ppm (g g-1)) und Edukteinfluss (2,5, 5, 10 % (g g-1) untersucht. Vollständiger Umsatz wird ab einer Temperatur von 320 °C bei 340 bar und einer Verweilzeit von 120 s erreicht. Die maximale Ausbeute an n-Butyraldehyd beträgt 70 % bei 340 °C, 340 bar und 120 s. Durch eine Druckerhöhung auf 340 bar konnte die Geschwindigkeitskonstante um den Faktor zwei erhöht werden. Durch Zusätze wie Magnesiumsulfat (400 ppm (g g-1)), Zinksulfat (400 ppm (g g-1)) und Schwefelsäure (10 mmol L-1) kann der Umsatz von 60 % auf 85 % bei 360 °C und 340 bar erhöht werden. Aus den Konzentrations-Verweilzeitdiagrammen für die Zinksulfat- und Eduktvariation konnte die Reaktionsordnung bezüglich 115 Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie des 1,2-Butandiols und des Zinksulfats ermittelt werden. Für das Zinksulfat beträgt diese 0,35 und für das 1,2-Butandiol eins[5]. Abb. 4: Reaktionsschema zur Dehydratisierung von 1,2-Butandiol. Pyrane entstehen bei der Umsetzung von Polyolen mit Hydroxylgruppen in n, (n+4)-Stellung, was bei der Umsetzung von 1,5-Pentandiol der Fall ist[7]. Bei der Dehydratisierung von 1,5-Pentandiol wurde der Temperatur- (300, 350, 380, 400 °C) und Druckeinfluss (250, 300 bar) untersucht. Durch die Druckerhöhung konnte schon bei vergleichsweise kleinen Verweilzeiten hohe Umsatzwerte erreicht werden[7]. Abb. 5: Reaktionsschema zur Dehydratiserung von 1,5-Pentandiol. Mittels Dehydratisierungsreaktionen unter hydrothermalen Bedingungen können technisch relevante Umsätze und Ausbeuten erzielt werden. Literaturverzeichnis [1] [2] [3] [4] [5] [6] V. Lehr, M. Sarlea, L. Ott, H. Vogel, Catalysis Today, 2007, 121, 121. M.-J. Syu, Appl. Microbiol. Biotechnol. 2001, 55, 10. H. Weingärtner, E. U. Franck, Angew. Chem., 2005, 117, 2730. H. Weingärtner, Water as Solvent, Ullmann´s Encyclopedia of Industrial Chemistry, 5. Aufl., A28, Weinheim, VCH-Verlag, 1996. L. Ott, Stoffliche Nutzung von Biomasse mit Hilfe von nah- und überkritischem Wasser – Homeogenkatalysierte Dehydratisierungen von Polyolen zu Aldehyden, Dissertation, 2005, TU Darmstadt. I. Bucsi, A. Molnár, M. Bartók, Tetrahedron, 1994, 50, 27, 8195 – 8202. 116 Hydrothermale Konversion am Beispiel der Zuckerchemie [7] M. Jung, Untersuchung zur Dehydratisierung und zur Pinacolumlagerung von Diolen in heißem Hochdruckwasser, Dissertation, 2005, TU Darmstadt. Anschrift der Autoren: Andrea Soler, Prof. Dr. Herbert Vogel Technische Universität Darmstadt, Institut für Chemische Technologie Petersenstr. 20, 64287 Darmstadt E-Mail: vogel@ct.chemie.tu-darmstadt.de 117 Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht Frédéric Vogel Labor für Energie und Stoffkreisläufe Gliederung 1. Biokraftstoffstrategie – wieso SNG? 2. Katalyse in überkritischem Wasser für die Vergasung von Biomasse 3. Der hydrothermale SNG-Prozess des PSI: Hauptergebnisse, Stand, Ausblick 4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 118 Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht Methane as a universal and clean fuel for centralized, decentralized, and mobile applications Already available and affordable today! 138 g CO2/km (Gasoline: 169 g CO2/km) Combined cycle ηel up to 60% 1-4.6 kWel 1.5-7 kWth 1 kWel 2.5 kWth Wie bringe ich die Biomasse in bestehende Verteilnetze? Syngas Vergasung Vergasung Methanierung Kombikraftwerk SNG WKK Strom Fernwärme Strom Kompogas Biogas Erdgasnetz ARA Hydrothermale SNG Vergasung Biogas WKK Biogas 119 Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht Kosten von Biomasse in der Schweiz CHF per ton (dry matter)* Clean wood Energy crops Liquid manure Residential & industrial biowaste Quelle: Oettli et al., Bundesamt für Energie, Schweiz, 2004 *includes harvesting costs but no transportation costs Concept for complete manure utilization 7 kg/h Complete energetic utilization of the manure with a high conversion efficiency. Balance: 15 kg/h CO2 Energy (Methane) 900 EUR/t 6.5 Cts/kWh Destruction of ecotoxic substances (pathogens, hormones, prions, antibiotics) Agriculture Manure INNOMANURE 1000 kg/h (2.4% dry matter) Water 972 kg/h In concentrated form simplified manuring, reduction of ammonia and phosphate emissions Fertilizer (N, P, K) 6 kg/h (dry) 120 500 EUR/t N fertilizer Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht SNG production from biomass Gasification 800-900°C 1 atm no catalyst H° ∆r Methanation 400°C 10-20 atm Ni catalyst CO + 1.08 H2 ∆ rH °= ol /m kJ 1 10 =+ Tars, Char –1 27 kJ /m ol ∆rH° = –26 kJ/mol CH1.49O0.67(s) + 0.33 H2O(g) 0.52 CH4 + 0.48 CO2 + 0.04 H2O(g) Hydrothermal gasification 400°C 300 atm Ru catalyst ∆vH100 = +41 kJ/mol 0.33 H2O(l) + 5.05 H2O(l) Slurry with 20 wt% dry matter inert, „ballast water“ Hydrothermale Vergasung: Prinzip Dampfkochtopf 400 350 überkritisches Wasser Druck (bar) 300 250 nahekritisches Wasser 200 unterkühlte Flüssigkeit 150 100 überhitzter Dampf 50 0 0 100 200 300 400 500 600 Temperatur (°C) „Hydrothermal“ bedeutet Umsetzung in Wasser unter Druck (ca. 200-400 bar) und Temperaturen von ca. 250-600°C. 121 Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht Hydrothermale Vergasung von Sägemehl Umsatz zu Gas: 21% Ausbeute: 0.02 g CH4/g Holzdaf DOC: 14.4 g/L Autoklav: 410°C, ca. 300 bar, 98 min. Starke Teer- und Koksbildung und kaum Methan. ohne Katalysator Umsatz zu Gas: >99% Ausbeute: 0.33 g CH4/g Holzdaf 510 L CH4/kg Holz 10% Holz 85% Wasser 5% Katalysator TOC: 49 g/L 100% 80% 43% CO2 H2 60% 8% CH4 40% mit Katalysator 20% 49% CO < 0.1% 0% Waldner and Vogel, I&ECR 44:13, 2005 Product gas Catalysts: summary of useful supports and metals Support Oxidizing Reducing α-Al2O3 + HfO2 MnO Metal Ni (stabilized) – + + ? Ru + + ? + Rh ? + MnO2 (+) – Pt (+) + Ta2O5 (orthorh.) + ? Pd (+) + TiO2 (rutile) + + UO2 + ? ZrO2 (monocl. or stab.) + + C (graphitic) (+) (+) But: strong bases or acids can cause dissolution! 350-500°C, 20-30 MPa, + means active and/or stable, ? not studied 122 Oxidizing Reducing + Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht Results (1): Catalyst stability Ru/C catalyst tested for a total of ca. 220 h on stream with a mixture of 5 organic compounds. Accelerated testing with WHSVorg up to 33 h–1 450 & 500°C 400°C 60 400 °C 35 30 50 25 45 20 40 CO2 H2 10 CO 5 0 15 CH4 10 WHSV gas concentration / vol% 55 5 0 20 40 60 0 100 80 runtime / hrs Waldner et al., J. Supercrit. Fluids (2007), 43, 91-105 Results (2): Catalyst poisoning by sulfate Organic mixture + 8 ppm sodium sulfate CO2 50 40 10 H2 SO42– 400 °C 355 °C 400 °C 355 °C 20 355 °C 355 °C SO42– SO42– 400 °C CO 400 °C CH4 30 400 °C product gas concentration / vol % 60 0 0 10 20 30 40 50 60 time on stream / hrs 70 80 90 100 Waldner et al., J. Supercrit. Fluids (2007), 43, 91-105 123 Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht SEM-EDXS analysis of Ru/C SEM-EDXS examination after sulfate feeding (catalyst deactivated) Stereo microscope SEM image (SE, 30 keV) Ru Kα EDXS mapping Ru S Kα EDXS mapping S ca. 2.8 mm Fe2O3 (EDXS) Al2O3 (EDXS) (S / Ru)molar ≈ 1 Sulfur and ruthenium „delocalized“ within the carbon matrix XPS identified S species as sulfate. Re-oxidation of sulfide? SEM analysis by R. Brütsch, PSI Salt solubility in supercritical water Tpc = 385°C Precipitation of Na2SO4 from a 4 wt% solution on a „hot finger“. Tsolution = 356°C, p = 25 MPa Hodes, M. et al., JSCF 29 (2004) F. J. Armellini, PhD thesis, Dept. of Chem. Eng. , MIT, 1993 124 Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht PSI’s catalytic hydrothermal SNG process Flue gas 450°C Superheater & salt separator Biomass slurry 350°C Gas fired burner Salt brine Air Catalytic reactor (gasification & methanation) Preheater (heat recovery) 300 bar High pressure slurry pump CO2 400°C 150°C SNG Phase separator 300 bar Cooler PWS (to pipeline, gas engine, fuel cell, gas turbine) Water Salt separator schematic Feed (salt solution) Exit, to reactor T1Medium T1Jacket Ti Gr. 5 Tmax 550°C pmax 35 MPa TJacket 70 cm T2Jacket T2Medium Salt brine 125 Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht Continuous separation of K2SO4 + Na2CO3 from SCW Druck 300 bar V Feed 960 ml/h m Salzabscheider (SA) ca. 2.6 g/min Öffnungsverhältniss 1:5 (SA zu V17) 80'000 T13 SA Medium oben T4 SA Mantel oben T5 SA Mantel unten 390 °C 70'000 Feed LF [uS/cm] 430 °C LF1 [uS/cm] 470 °C LF2 [uS/cm] 500 °C 0.05 M each 50'000 T 13 = 341 °C T 4 = 390 °C T 5 = 390 °C T 13 = 382 °C T 4 = 430 °C T 5 = 430 °C T 13 = 415 °C T 4 = 500 °C T 5 = 500 °C T 13 = 406 °C T 4 = 470 °C T 5 = 470 °C Probenahme 30'000 20'000 Probenahme Probenahme 40'000 Probenahme Leitfähigkeit [µS/cm] 60'000 10'000 0 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 5.5 6 6.5 Zeit [h] Master thesis J. Regler (FH Weihenstephan) Process Development Unit (KONTI-2) D C G E A Feed container B High pressure pump Max. 1 kg/h C Preheater 500°C D Salt separator 350 bar E Fixed-bed reactor F Coolers G Pressure letdown & G/L separation H on-line gas analysis F H A 126 B 7 Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht Conductivity [mS/cm] Gas composition [%] Proof of Concept: Simultaneous gasification & salt removal 20 wt% Glycerol + 0.05 mol/kg K3PO4 Reactor 400°C Reactor off 20 wt% Glycerol Reactor 400°C Reactor off 60 55 50 45 40 35 CH4 CO2 H2 2.0 1.5 1.0 0.5 0 50 40 C2H6 CO Brine Effl. 30 20 10 0 n-C4H10 C3H6/C3H8 React. Effl. Feed 0 1 2 3 4 5 6 8 7 9 Time on stream [h] Temperature profiles of the reactor Fluid temperature [°C] Pressure 30 MPa, Preheater 370°C, Salt Separator 370°C Feed flow rate 1014 ± 24 g/h, Brine flow rate 156 ± 48 g/h 430 425 420 415 410 405 400 395 390 385 380 375 370 365 360 355 350 ca. 40 K heat loss 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 Reactor length (from inlet) [cm] 20% Glycerol / Reactor 400°C 20% Glycerol + K3PO4 / Reactor 400°C 20% Glycerol / Reactor off 20% Glycerol + K3PO4 / Reactor off 127 Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht Results: Continuous gasification & salt separation 20 wt% glycerol Gas phase characteristics Reactor Salt Separator Preheater Feedstock characteristics Total feed flow rate [g/h] 1035 992 Elemental flow rate [g/h] C: 83.06 C: 81.02 K: 5.47 P: 1.53 20 wt% glycerol with 0.05 mol/kg K3PO4 Over-all balance: Cin/Cout = 92 ± 6 % Cin/Cout = 88 ± 6 % Kin/Kout = 87 ± 16 % Pin/Pout = 72 ± 16 % (PO43-in/PO43-ou = 62 ± 13 %) Brine effluent characteristics Total liquid flow rate [g/h] 142 151 Elemental flow rate [g/h] C: 9.64 C: 7.21 K: 3.09 (57 %) P: 1.05 (69 %) Gas: 138.5 L/h C: 66.51 g/h CGas/CFeed = 98 % Y‘CH4 = 93% CH4: C2H6: C3H8: n-C4H10: CO2: CO: H2: 56.2 % 0.0 % 0.0 % 0.0 % 42.6 % 0.0 % 1.1 % Gas: 130.8 L/h C: 64.05 g/h CGas/CFeed = 102 % Y‘CH4 = 93% 54.3 % 0.9 % 0.3 % 0.1 % 43.2 % 0.0 % 1.2 % Liquid phase characteristics Total flow rate [g/h] 736 690 Elemental flow rate [g/h] C: 0.02 C: 0.45 K: 1.66 (30 %) P: 0.04 (3 %) Ongoing research • Gasification of biomass with a high sulfur content (algae, manure, black liquor) • Understanding coke formation during preheating • Improving the salt separator design (better heat integration and salt separation) • Complete mineralization of organic N, S, P in the preheater 128 Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht Summary and Outlook • Water is present in many feedstocks at > 50 wt% and removing it as vapor would require a lot of energy. • Wet residual biomass is economically attractive but technologically challenging. • Various types of biomass can be directly gasified to a methane-rich gas (Bio-SNG) in supercritical water using a suitable catalyst (e.g. Ru/C). • If Bio-SNG is to be produced in a sustainable way, the fate of the inorganics (salts) must be considered carefully. Ideally, they are a valuable co-product! • Closed bioenergy systems, based on micro-algae and hydrothermal gasification, are a promising concept for CO2 mitigation and Bio-SNG production. SunCHem Process: Green Gas “Hors Sol” Nutrients, CO2, H2O C02 + H2O + hν CH20 + O2 CO2 H 2O C02 + 2 H2O + 2 hν CH4 + 2 O2 2 CH2O CH4 + CO2 PhotoC Bioreactor Hydrothermal Gasification CH4 O2 Wet Biomass (micro algae) 129 Hydrothermale katalytische Vergasung von Biomasse – eine Übersicht Langfristige Entwicklung • Die Ressourcenbasis für Biomasse ist begrenzt: – Hoher Flächenbedarf; – Landwirtschaftliche Flächen dienen in erster Linie der Nahrungsmittelproduktion; – Nachhaltig sind Rest- und Abfallbiomasse (mit beschränktem Potenzial) • Signifikante Erweiterung der nachhaltigen Ressourcen nur möglich, wenn unabhängig von landwirtschaftlichen Flächen realisierbar ( Algenbiomasse) • Biomasse ist die einzige erneuerbare Ressource für organischen Kohlenstoff. Stoffliche Nutzung steht langfristig im Vordergrund Chemikalien. Anschrift des Autors: Dr. Frédéric Vogel Labor für Energie und Stoffkreisläufe, Paul Scherrer Institut 5232 Villigen, Schweiz E-Mail: frederic.vogel@psi.ch 130 Zusammenfassung Zusammenfassung Andreas Schütte Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) Historischer Prozess in neuem Gewand und mit neuen Perspektiven – so können schlaglichtartig und pointiert die Erkenntnisse und Ergebnisse der am 11. und 12. Februar in Berlin und am 2. und 3. September 2009 beim Karlsruher Institut für Technologie, Campus Nord, durchgeführten Fachgespräche zur hydrothermalen Carbonisierung zusammengefasst werden. Die in diesem Band der Reihe „Gülzower Fachgespräche“ enthaltenen Beiträge sowie die anschließende Diskussion im Expertenkreis machen eine fundierte Standortbestimmung zum aktuellen Stand der hydrothermalen Carbonisierung (HTC) und anderer hydrothermaler Verfahren zur Konversion von Biomasse bzw. nachwachsenden Rohstoffen bzw. zur Durchführung von chemischen Reaktionen in hydrothermalen Umgebungen in Deutschland möglich. Entstanden aus dem wissenschaftlichen Bestreben die Prozesse der Inkohlung zu verstehen und technisch nachzuvollziehen, hier sind die Arbeiten des Nobelpreisträgers Bergius im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zu nennen, erlebt die technische Herstellung von Kohle aus Biomasse unter dem Begriff HTC seit 2006 in der öffentlichen Diskussion eine Renaissance. Dies spiegelt sich in vielfältigen Aktivitäten, deren detaillierte Darstellung den Rahmen dieses Werkes sprengen würde, wider. Die Vielfalt der Meinung führte auch zu kontroversen öffentlichen Diskussionen, daher war die Aufarbeitung des Bereiches hydrothermaler Verfahren in den vorliegenden Fachgesprächen besonders aktuell. Neben der im Fokus der Öffentlichkeit stehenden HTC werden seit längerem, stellvertretend sind hier die Arbeiten des KIT, Campus Nord, zur hydrothermalen Vergasung zu nennen, weitere hydrothermale Verfahren entwickelt. Ebenso gewinnt die Durchführung von Reaktionen mit Biomasse oder biogenen Edukten unter hydrothermalen Bedingungen für stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe an Bedeutung. Hydrothermale Verfahren sind also facettenreich, ihre Beurteilung muss daher unter 131 Zusammenfassung sorgfältigster Abwägung aller Aspekte erfolgen. Dazu konnten die beiden Fachgespräche einen wertvollen Beitrag leisten. Welche Schlüsse können aus den Beiträgen der beiden Fachgespräche gezogen werden? Wie der kurze Blick in die Geschichte zeigt, ist die „künstliche Inkohlung“ keineswegs neu, jedoch wird heute dieser Prozess als HTC-Verfahren oder in verwandten Verfahren nicht mehr aus wissenschaftlich-technischer Neugier zum Verständnis der Inkohlung von Biomasse betrieben, sondern als Produktionsverfahren zur wertschöpfenden Erzeugung von Produkten, sei es zur energetischen, sei es zur stofflichen Nutzung. Damit werden viele Fragen, welche die Forscher und Entwickler früherer Arbeiten nicht als Schwerpunkt gesehen haben, relevant. Da in Vergangenheit der Prozess der Inkohlung an sich im Mittelpunkt stand, sind Fragen wie die Zusammensetzung der wässrigen Phase oder des Verbleibs von Phosphor nicht in der heute notwendigen Tiefe betrachtet worden. Dies ist bei der Bewertung des erreichten Standes zu berücksichtigen. Als wesentliche Erkenntnis des Fachgesprächs bleiben festzuhalten: 1. Die technische Inkohlung wird als HTC heute bezüglich der Kohlephase gut beherrscht, so konnten die Inkohlungzeiten von historisch 12 bis 24 Stunden heute auf unter 90 min. gesenkt werden. Dies ist nicht zuletzt der gezielten katalytischen Prozessbeeinflußung zu verdanken. 2. Die Kohlenstoffbilanz von hydrothermalen Umwandlungsrouten ist durchweg gut, der überwiegenden Teil (>> 70 %) des im Edukt enthaltenen Kohlenstoffs findet sich in der „künstlichen“ Kohle wieder. Ebenso ist die Energiebilanz derartiger Prozesse-Prozessen positiv. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass für eigens erzeugte biogenen Brennstoffe die Möglichkeit der direkten Nutzung besteht. Die Frage der Nutzung von Biomasse zur Erzeugung von Energieträgern über hydrothermale Konversionsrouten ist daher auch eine Frage von Gesamtenergiebilanz und Wirtschaftlichkeit. 3. Der Anwendungsbereich der gegenwärtigen HTC-Verfahren als unter Anlegung industrieller Maßstäbe am weitesten entwickelter Prozessroute liegt bei kostengünstigen bzw. mit Entsorgungserlösen verbundenen organischen Edukten wie Abfällen. Konversionskosten von oberhalb 100 bis 150 €/t Kohlenstoff lassen die Verwendung land- und forstwirtschaftlicher Biomassen, die zu Marktpreisen verfügbar sind, auf dem heutigen Stand der Entwicklung nur bei chemisch-technischen Verwendungen, nicht jedoch bei der Nutzung 132 Zusammenfassung als Brennstoff wirtschaftlich erscheinen. Entsprechend liegt der Schwerpunkt der kommerziellen Aktivitäten zur energetischen Nutzung von Produkten der HTC auch im Bereich der biogenen Abfälle. 4. Die Frage, ob hydrothermale Verfahren zu einer Kreislaufschließung bezüglich land- und forstwirtschaftlicher Nährstoffe wie Stickstoff, Schwefel oder Phosphor betragen können, ist nicht restlos geklärt. Bislang steht nur fest, dass wasserlösliche Verbindungen von Alkaliund Erdalkalimetallen entstehen, dadurch werden diese Elemente in die wässrige Phase überführt. Unter den gegenwärtigen rechtlichen Bedingungen ist es voraussichtlich nicht möglich, die wässrige Phase eines hydrothermalen Verfahrens direkt als Düngemittel zu verwenden. Zur Kreislaufschlußfähigkeit von gegenwärtigen HTC-Prozessen können vor diesem Hintergrund keine abschließenden Aussagen getroffen werden, hier sind die Ergebnisse laufender Vorhaben und weiter Entwicklungsarbeiten abzuwarten. 5. Die Prozessführung von hydrothermalen Verfahren lässt, in gewissen Grenzen, eine Steuerung der Partikelmorphologie sowie der Aktivität der, auch der inneren, Oberflächen zu. Damit könnte sich, weniger beim Ersatz des klassischen „Carbon Black“ als bei neu zu entwickelnden Anwendungen für „intelligente“ (reaktive) Füll- und Hilfsstoffe z. B. bei technischen Gummiwaren wie Reifen ein Potenzial im Bereich der stofflichen Nutzung ergeben. Allerdings steht dieser Bereich noch ganz am Anfang, viele Überlegungen sind hypothetisch. Hier gilt es, dass die jeweiligen Marktpartner in gemeinsamen Forschungsarbeiten das Terrain sondieren und vielversprechende Anwendungsbereiceh identifizieren. Damit ergibt sich für gegenwärtige hydrothermale Konversionsprozesse in Hinblick auf die Nutzung von Produkten der heimischen Land- und Forstwirtschaft ein differenziertes Bild. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass hydrothermale Verfahren nach den jeweiligen Anwendungsgebieten der Produkte unterschiedlich zu bewerten ist: ■ Im Bereich der energetischen Nutzung sind hydrothermale Verfahren eher für wässrige oder stark wasserhaltig organische Rest- und Abfallstoffe geeignet, für die klassischen Anwendungen von nachwachsenden Rohstoffen z. B. für Einzelfeuerstätten oder Biokraftstoffe, sind auf dem heutigen Stand der Entwicklung keine Vorteile dieser Prozesses zu erkennen. 133 Zusammenfassung ■ Hinsichtlich der stofflichen Nutzung von Produkten hydrothermaler Verfahren, speziell der der HTC, sind Potenziale ersichtlich, jedoch fehlt hier eine systematische Aufarbeitung der Möglichkeiten sowie eine Bewertung der Anpassbarkeit an spezifische Verwendungen z. B. durch die chemisch-physikalische Modifikation von Oberflächen. Außerdem sind hier bisher Rest- und Abfallstoffe i.d.R. nicht als Einsatzstoff geeignet. Hier besteht grundsätzlicher Forschungsbedarf. ■ Einen weiteren wichtigen Aspekt bildet die Durchführung von chemisch-technischen Konversionsverfahren zur Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen unter den besonderen Bedingungen hydrothermaler Verfahren. Hier bestehen interessante Ansätze, die neue Möglichkeiten der Erzeugung spezieller Chemikalien oder Verbindungen eröffnen. Allerdings stehen hier Forschung und Entwicklung noch am Anfang. Da aus wirtschaftlichen Gründen sich inbesondere der Einsatz der HTC zunächst auf Edukte mit geringen Kosten oder Entsorgungserlösen konzentrieren wird, sieht die FNR eine vordringliche Förderung oder einen Förderschwerpunkt zur HTC im Rahmen des Förderprogramms Nachwachsende Rohstoffe des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMELV) nicht als erforderlich an. Dies schließt eine Förderung in Einzelfällen, die eine verstärkte Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Biomasse insbesondere im stofflichen Bereich ermöglichen, nicht aus. Im Bereich der stofflichen Nutzung werden aus Mitteln des BMELV auch schon eine Reihe von Projekten zum Thema gefördert. Der Entschluss der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), weitere Vorhaben zur HTC zu fördern, wird in diesem Zusammenhang begrüßt. Die Schwerpunktsetzung im Bereich organische Abfälle ist vor dem Hintergrund der bei biogenen Brennstoffen aus der heimischen Land- und Forstwirtschaft etablierten oder in der Entwicklung befindlichen Alternativen der Nutzung sinnvoll. Die FNR wird die Entwicklungen zu hydrothermalen Konversionsrouten und -verfahren weiter aufmerksam verfolgen. Sofern neue Erkenntnisse erhalten werden, wird die FNR diesen in weiteren Fachgesprächen mit Experten erörtern und würdigen. Zum Schluss sei allen Referenten und Teilnehmern für die wertvolle, konstruktive und intensive Mitarbeit am Fachgespräch herzlich gedankt. 134 Zusammenfassung Dem KIT, Campus Nord, insbesondere Herrn Prof. Dr. Dinjus und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt mein besonderer Dank bei der Mitgestaltung und Organisation vor Ort des Gespräches in Karlsruhe. Ohne dieses Engagement wäre die September-Veranstaltung nicht erfolgreich durchzuführen gewesen. Ich hoffe, dass der hiermit vorliegende Band der „Gülzower Fachgespräche“ zur sachlichen und technisch vertieften Informationen zu den Entwicklungen bei hydrothermalen Verfahren einen Beitrag leisten kann. Dem geneigten Leser sei eine interessante und informative Lektüre gewünscht. Anschrift der Autors: Dr.-Ing. Andreas Schütte Geschäftsführer Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) Hofplatz 1, 18276 Gülzow E-Mail: info@fnr.de 135 Band 33 Gülzower Fachgespräche nachwachsende-rohstoffe.de Gülzower Fachgespräche Band 33 Hydrothermale Carbonisierung Herausgeber Gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Gedruckt auf Papier aus Durchforstungsholz mit Farben auf Leinölbasis FNR-Bestellnummer: 366 ISBN: 978-3-9803927-6-1 Hydrothermale Carbonisierung Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) Hofplatz 1 • 18276 Gülzow Tel. : 0 38 43 /69 30 - 0 Fax: 0 38 43 /69 30 - 1 02 E-Mail: info@fnr.de Internet: www.fnr.de