Skoliose - VIVEKA
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Skoliose - VIVEKA
Aus dem Lot Über Skoliose und andere Asymmetrien Ungleichseitigkeiten des Körpers sind häufig. Welche Rolle spielen sie in der Praxis des Yoga? Wann sollten sie korrigiert werden und wie? Sollten erkannte Seitenunterschiede Anlass sein, besondere Übungen vorzuschlagen? Welche Risiken gibt es in der Âsanapraxis zu beachten, wenn ein Körper nicht im Lot ist? Welche Erkenntnisse aus medizinischer Sicht sind nützlich beim Umgang mit Skoliosen und anderen Seitendifferenzen? Auf diese und andere Fragen versucht der folgende Artikel einige Antworten zu geben. Dabei wird deutlich, wie wichtig es sein kann, die Besonderheiten einer Körperstruktur zu erkennen. Das gilt für Yoga Praktizierende ebenso wie für Yoga Unterrichtende. Gleichzeitig zeigt sich, dass es nicht immer ganz einfach ist, das einmal Beobachtete richtig zu deuten. Und noch mehr Fragen stellen sich, wenn es schließlich darum geht, daraus einen treffenden Praxisvorschlag zu entwickeln. Dafür kann natürlich kein noch so ausführlicher Artikel die notwendige Anschauung, Erfahrung und Diskussion ersetzen, die es im Yoga für einen professionellen Umgang mit diesem Thema braucht. Trotzdem hoffen wir, den Blick zu schärfen und einige Anregungen geben zu können für die eigene Praxis ebenso wie für den Alltag des Unterrichtens. ●●● VIVEKA 26 S. 28 ●●● m Zusammenhang mit der Praxis von Âsana verdienen Ungleichseitigkeiten des Körpers ohne Frage eine besondere Beachtung. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist es ein Anspruch jeder Âsanapraxis, die Aufrichtung und Ausrichtung des Körpers zu unterstützen und zu verbessern. Ungleichgewichte, die dem entgegenstehen, sollten dabei erkannt und wo möglich auch verringert und ausgeglichen werden. Zum anderen können Ungleichseitigkeiten auf ein gravierendes strukturelles Problem hinweisen. Sie zu verstehen ist dann notwendig, um Fehler zu vermeiden und mit der Auswahl und Praxis von Âsana kein gesundheitliches Risiko zu schaffen. Den Körper aufzurichten und auszurichten ist eine Arbeit, in deren Mittelpunkt die Wirbelsäule steht. Natürlich meint „Wirbelsäule“ dabei nicht die bloße Aufrei- I Aus dem Lot hung der einzelnen Wirbelknochen. Im Zusammenhang mit Yogapraxis soll der Begriff Wirbelsäule vielmehr die Gesamtheit jener Strukturen und Funktionen beschreiben, die unsere zentrale Körperachse ausmachen. Von deren Struktur, Funktion und Form wird unsere gesamte Körperhaltung wesentlich geprägt. Diese Achse gibt jeder Bewegung ihren Halt, darüber hinaus wird von ihr der Fluss des Atems getragen. Ausrichtung und Aufrichtung Âsanapraxis möchte und kann auf diese Mitte Einfluss nehmen. Deshalb wird im Üben immer wieder das Bemühen thematisiert, die Beweglichkeit, Stabilität, Kraft und Harmonie der Wirbelsäule zu erhalten, zu fördern und zu erweitern. Dazu gehört auch, negativen Tendenzen und Ungleichgewichten entgegen zu arbeiten. Negative Einflüsse auf unsere Körperhaltung ergeben sich zum einen aus den Belastungen des Alltags wie etwa monotones Sitzen, zu wenig Bewegung usw. Belastungen können aber auch entstehen durch ein gegebenes Ungleichgewicht in unserer Körperstruktur wie zum Beispiel die Seitkrümmung und Verdrehung der Wirbelsäule bei einer Skoliose. Natürlich sind diese beiden Aspekte alltägliche und strukturelle Belastungen - oft eng miteinender verbunden. Zu viel Sitzen und zu wenig Bewegung etwa kann schließlich einen Rücken dauerhaft schädigen: Aus einer alltäglichen Fehlbelastung kann ein tiefgreifendes Ungleichgeweicht erwachsen, das die Wirbelsäule schließlich sogar in ihrer Struktur verändert. Das Beispiel der Skoliose zeigt aber, dass sich ein Ungleichgewicht auch ohne erkennba- re äußere Einflüsse und Belastungen entwickeln kann. Was aber immer zu ihrer Entstehung beigetragen hat, die je besondere Körperstruktur eines Menschen ist der Ausgangspunkt jeden Bemühens um Aufrichtung und Ausrichtung. Findet sich in dieser Körperstruktur ein Ungleichgewicht, stellt sich deshalb die Frage danach, ob und wie Âsanas hier korrigierend eingreifen sollen. Und tatsächlich sind wir mit der Erfahrung vertraut, dass eine entsprechendes Yogapraxis einen übermäßig gerundeten Rücken strecken und einen aufrechteren Gang lehren kann. Sie kann unnötige Spannung abbauen, kann der alltäglichen Fehlhaltung entgegen steuern, kann Schwächen ausgleichen, kann mehr Bewegungsfreiheit geben, kann Disharmonien korrigieren, kann Beschwerden lindern oder heilen helfen. Deshalb ist das Bedürfnis nur zu verständlich, als YogaübendeR oder LehrendeR auf einmal erkannte Ungleichgewichte korrigieren zu wollen. Ein schwacher Rücken lässt an Kräftigung denken, eine Steifheit daran, ihn beweglicher zu machen, eine ausgeprägte Krümmung an Aufrichtung. Wie also soll im Yoga damit umgegangen werden, wenn zum Beispiel bei jemandem die Schultern ungleich hoch stehen, das Becken zur Seite geneigt ist oder die Beine ungleich lang erscheinen; Wie, wenn die Wirbelsäule vom Lot abweicht? Gibt es Âsanas, die dann besonders gut tun? Gibt es Âsanas, die hier kurz- oder langfristig schaden könnten? Seitendifferenzen erkennen Mit etwas geschultem Blick sind ●●● VIVEKA 26 S. 29 ●●● Es sind nicht viele Âsanas, die man braucht, um bei genauer Beobachtung eine Skoliose recht sicher erkennen zu können. Unbedingt notwendig ist dabei der Blick auf den Rücken bei einer Vorbeuge wie Cakravâkâsana aus dem Kniestand oder Uttânâsana aus dem Stand. Wissen Eine Skoliose zu erkennen ist mit etwas Übung und Erfahrung nicht schwierig. Zwei Beispiele mögen dies veranschaulichen. Im medizinischen Sinn gehören die Skoliosen beider hier dargestellter Frauen zu den „leichten Skoliosen“; manche Ärzte würden - auch wenn es nicht ganz korrekt ist - nur von einer „skoliotischen Fehlhaltung“ sprechen. In beiden Fällen handelt es sich aber um „echte“ sogenannte idiopatische Skoliosen. Vorsicht mit zu schnellen Schlussfolgerungen. Die unterschiedliche Fußstellung hat hier tatsächlich ihren Grund in den Auswirkungen der Schiefstellung des Beckens auf die Beine und Füße. Es gibt aber auch noch andere Gründe, aus denen sich eine solche Asymmetrie ergeben kann, zum Beispiel einen unterschiedlichen Tonus (Grundspannung) in den Beinen. Auffällig ist auch die scheinbare Längendifferenz der Beine (das rechte Bein scheint länger zu sein). Tatsächlich sind beide Beine gleich lang, die Ursache für den Längenunterschied liegt im leichten Schiefstand des Beckens. Deutlicher treten die Asymmetrien der Skoliose hervor, wenn die Arme angehoben werden: Die Position von rechtem und linkem Arm mit einfach wahrnehmbarem Unterschied. Im Stand: Der Oberkörper ist nicht im Lot. Die Schultern stehen oft unterschiedlich hoch. Im Liegen zeigt sich häufig wie hier eine Abweichung von einer gedachten Mitte. Auch hier schon zu sehen: die Füße stehen in unterschiedlichem Winkel. Bei leichten Skoliosen oft nicht sehr deutlich aber typisch für eine skoliotische Krümmung im Bereich der Brustwirbelsäule: Die Vorwölbung der einen Rückenseite. Am besten zu beobachten ist diese Asymmetrie in Vorbeugen. ●●● VIVEKA 26 S. 30 ●●● Aus dem Lot Im Stand schon sichtbar: Die Asymmetrie im Bereich des Schultergürtels. Wenig offensichtlich ist die leichte Seitneigung des Oberkörpers. Seitendifferenzen recht einfach zu erkennen. Im Stand sind Unterschiede in der Schulterhöhe oft am auffälligsten. Durch das Anheben der Arme tritt eine unterschiedliche Schulterstellung deutlicher hervor. In der entspannten Rückenlage fallen Seitenunterschiede oft dadurch auf, dass der Kopf, Rumpf oder die Beine vom Körperlot abweichen. In dieser Position lassen sich auch am besten scheinbare oder tatsächliche Differenzen in der Beinlänge feststellen. Stehen die Arme unterschiedlich zum Rumpf, ist dies sowohl im Stehen als auch im Liegen erkennbar. Selbst wenn sie nicht durch Kleidung bedeckt ist: Mit der Ausnah- Auch im Liegen ist die Asymmetrie nicht übermäßig auffallend (die gestrichelte Linie ist das Lot durch die Körpermitte). Das Bein und der Arm rechts liegen etwas mehr abgespreizt als auf der linken Seite. Auch hier wird die Asymmetrie des Körpers deulicher, wenn die Arme angehoben sind. Vor allem fällt die unterschiedliche Stellung der Arme auf. me von sehr starken Skoliosen lässt sich eine skoliotische Verkrümmung der Wirbelsäule direkt oft nur schwierig sicher beobachten. Mehr Klarheit bringt die genauere Betrachtung ausgewählter Bewegungen und Haltungen. Dabei offenbaren vor allem bestimmte Vorbeugen den genauen Verlauf der Wirbelsäule. Die Bedeutung von Seitendifferenzen Um einmal festgestellte Asymmetrien im Zusammenhang mit den ●●● VIVEKA 26 S. 31 ●●● Wieder ist es die Vorbeuge, hier Uttânâsana, in der die Krümmung der Wirbelsäule am deutlichsten hervor tritt und eine Skoliose sehr warscheinlich macht. Die Vorwölbung auf der linken Rückenseite entsteht durch die leicht gedrehten Wirbel im Bereich der Brustwirbelsäule. Die Rippen müssen dieser Drehung folgen und verändern entsprechend die Form des ganzen Brustkorbs. Wissen ne Spiegelbild der anderen. Schultern sind unterschiedlich gestellt, Füße stehen in unterschiedliche Richtungen, ohne dass dafür die Form der Wirbelsäule verantwortlich sein muss. Deshalb sollten alle beobachteten Seitendifferenzen zuerst nur als eine Aufforderung verstanden werden, genauer hinzuschauen. Voreilige Schlussfolgerungen sind das größte Hindernis für eine richtige Beobachtung. Übungen des Yoga richtig zu beurteilen, braucht es ein Verständnis ihrer unterschiedlichen Ursachen. Für die Praxis am wichtigsten erweist sich dabei das Erkennen „echter“ Skoliosen. Mit einer einigermaßen systematisch aufgebauten Beobachtungsabfolge und etwas Erfahrung ist dies auch gut möglich. Folgendes ist dabei vor allem zu beachten: 1. Nicht jede Ungleichseitigkeit ist Ausdruck einer Skoliose, also Seitverbiegung der Wirbelsäule. 2. Auch wenn es selten ist: Seitverbiegungen der Wirbelsäule sind nicht immer „echte“ idiopathische Skoliosen. Bekanntes Beispiel: Eine Differenz in den Beinlängen führt auch zur Seitkrümmung der Wirbelsäule. 3. „Echte“, also „idiopathische“ Skoliosen sind den Betroffenen oft bekannt und lassen sich mit einfachen Mittel recht sicher erkennen. Bei einem Erwachsenen sind echte Skoliosen in ihrer Form nur sehr begrenzt veränderbar. Trotzdem ergeben sich daraus für die Âsanapraxis einige wichtige Konsequenzen. 1. Nicht jede Ungleichseitigkeit entsteht durch eine Skoliose, also Seitverbiegung der Wirbelsäule. Bei kaum einem Menschen ist die eine Körperseite das vollkomme- 2. Es gibt Wirbelsäulenverkrümmungen, die keine idiopathischen Skoliosen sind. Praktisch gesehen am wichtigsten sind dabei die Skoliosen, deren Ursache in einer unterschiedlichen Länge der Beine liegt. Diese Längendifferenz bringt das Becken in einen Schiefstand. Das schiefe Becken wiederum zwingt die Wirbelsäule in einen seitlichen Schwung. In der Regel lässt sich eine solche Seitneigung durch eine Unterlage unter einen Fuß ausgleichen. Die Wirbelsäule kommt dadurch wieder weit gehend in ihr Lot. Deshalb kann es bei dieser Art von Skoliosen einmal sinnvoll sein, bei der Praxis bestimmter stehender Âsanas mit einer Unterlage unter einen Fuß zu arbeiten. Dies vor allem dann, wenn die/der Übende auch im Alltag an einen solche Ausgleich durch das Tragen entsprechender Einlagen gewohnt ist. Ansonsten ist gerade hier Vorsicht geboten vor der Gefahr, Fehlhaltungen „über“zukorrigieren. Die Folge davon ist nicht nur ein unnötiger und ablenkender Aufwand an Hilfsmitteln. Oft hat der Körper auch über die Jahre hinweg ein gut funktionierendes Gleichgewicht mit seiner Ungleichseitigkeit gefunden. Mit einem Zuviel an Korrektur kann dieses wertvolle Gleichgewicht zerstört und dadurch der Rücken oder große Gelenke wie die weiter auf Seite 37 ●●● VIVEKA 26 S. 32 ●●● Einiges Wissenswerte über Skoliosen nsere Wirbelsäule kann neben den normalen physiologischen Verbiegungen nach vorn (Lordose) und hinten (Kyphose) auch Krümmungen in seitlicher Richtung aufweisen. Solche seitlichen Verbiegungen der Wirbelsäule werden seit 2000 Jahren als Skoliosen bezeichnet. Der griechische Arzt Galenus benutzte für ihre Beschreibung im zweiten nachchristlichen Jahrhundert den griechischen Begriff „skolios“: gekrümmt, gebogen. In der heutigen medizinischen Terminologie wird streng genommen unter einer „echten“ Skoliose nur die so genannte „idiopathische Skoliose“ verstanden. Diese echte, „idiopatische“ Skoliose begegnet uns mit großem Abstand am häufigsten. Etwa 90 % aller Menschen, die seitliche Verkrümmungen der Wirbelsäule aufweisen, gehören in diese Gruppe. Die idiopathischen Skoliosen bilden sich während der kindlichen und jugendlichen Wachstumsphasen heraus und ihre Ursachen sind noch nicht aufgeklärt. Skoliosen dieser Art sind dadurch charakterisiert, dass bestimmte Bereiche der gekrümmten Wirbelsäule in ihrer Form fixiert, also grundsätzlich nicht vollständig korrigierbar sind. Das liegt auch daran, dass bei dieser Art von Skoliosen die Wirbelkörper selbst zu einer Seite hin abgeschrägt sind: Die Wirbelsäule folgt in ihrer Biegung der Form der U Aus dem Lot 1 2 A C B D Skoliosen können verschiedene Formen annehmen. Mit großem Abstand am häufigsten finden sich der Abbildung A und B ähnliche Formen: Die deutlichste Krümmung zeigt sich dabei in der Regel im Bereich der Brustwirbeelsäule. Sehr viel seltener sind Skoliosen, die wie in Abbildung C und D ihren Schwerpunkt vor allem im unteren Rücken ausgebildet haben. Abbildung 1 und 2 zeigt den eher seltenen Fall einer „funktionellen“ Skoliose (weit unter 10% der Skoliosen insgesamt): Becken- und Schulterschiefstand entstehen durch eine Verkürzung eines (hier linken) Beines. Das besondere dieser Art von Skoliosen: Durch eine entsprechende Korrektur (hier eine Unterlage unter den linken Fuß) lassen sie sich wieder zum Lot hin ausrichten. Wirbelknochen. Solche „stabile“ seitliche Verbiegungen der Wirbelsäule nennt man deshalb auch „strukturell“. Davon lassen sich „funktionelle“ Seitkrümmungen unterscheiden, die sich bei entsprechender Gegenbewegung mehr oder weniger einfach strecken lassen. Solche Seitbiegungen der Wirbelsäule sind zum Beispiel zu beobachten, wenn sie ihre Ursache in einer unterschiedlichen Beinlänge haben. Auch unter Schmerzen – wenn etwa der Ischiasnerv schmerzt - können solche funktionellen Skoliosen auftreten. Man spricht dann oft auch von einer „skoliotischen Fehlhaltung“, um damit den Unterschied zu den viel üblicheren echten, idiopathischen Skoliosen herauszustellen. Auch in der Praxis erweist es sich als hilfreich, diesen Unterschied zu verstehen. „Idiopathische“ und das heißt eben fast alle Skoliosen können durch keine noch so raffiniert ausgedachte Übung, noch so intensive oder geschickte Gegenbewegung durch keine noch so intensive Streckung gerade gezogen werden. Wenn wir also lesen oder hören, durch eine bestimmte Übung oder Methode sei b a d c Charakteristisch für eine „idiopatische“ Skoliose, die überaus häufigste Art seitlicher Wirbelsäulenverkrümmungen (über 90%): Die Hauptkrümmung (a) meistens wie hier auch abgebildet im Bereich der Brustwirbelsäule - lässt sich auch durch die entsprechende Gegenbewegung nicht beeinflussen (b), sie ist weitgehend fixiert. Nur die kompensatorisch entstandene und oft noch bewegliche Gegenkümmung im Bereich der Lendenwirbelsäule (c) streckt sich bei der entsprechenden Gegenbewegung (d). ●●● VIVEKA 26 S. 33 ●●● Wissen Skoliose auch eine Drehung. Dort, wo die Wirbelsäule zur Seite abweicht, sind die Wirbelkörper immer zueinander verdreht. Ebenso wie die Seitneigung hat auch diese Verdrehung ihren Grund in der besonderen Form der Wirbelkörper im Bereich der skoliotischen Seitkrümmung. Deshalb kann die Wirbelsäule auch nicht durch eine Gegenbewegung aus dieser Rotation wirklich herausgedreht werden. Leider möglich ist allerdings bei entsprechender Drehbewegung eine Verstärkung der Rotation der Wirbelkörper zueinander und damit eine Intensivierung der skoliotischen Krümmung. Im Bereich des Brustkorbs folgen auch die Rippen der Drehung der Wirbelkörper und lassen dadurch im Rückenbereich eine manchmal sehr deutlich wahrnehmbare Vorwölbung entstehen. Generell gilt: Je stärker die Skoliose, um so ausgeprägter ist die Rotation der betroffenen Wirbel. Die Krümmung einer idiopatischen Skoliose von vorn gesehen: Deutlich zu sehen ist die Verformung der Wirbelkörper selbst. Sie sind zur einen Seite hin abgeflacht. Einmal geschehen, ist diese Wachstumsstörung der Wirbelkörper nicht mehr rückgängig zu machen. Idiopatische Skoliosen lassen sich deshalb in ihrer Form kaum verändern. Die beim Vorbeugen deutlich sichtbare einseitige Vorwölbung der Rippen bei einer starken (rechtskonvexen) skolitischen Krümmung der Brustwirbelsäule. Die Ursachen Das bei jeder Skoliose veränderte Knochenwachstum führt zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Verformung der Rippen (a). Die Dornfortsätze der Wirbelkörper weichen zur einen Seite aus (b), die Wirbelkörper selbst zur anderen. Diese knöcherne Veränderungen erzwingen die für jede Skoliose typische Ver drehung der Wirbelsäule. es möglich gewesen, die Seitkrümmung einer Wirbelsäule unmittelbar zu verändern, dann betrifft das nicht jene Fehlhaltungen, die uns normalerweise als Skoliose begegnen. Über die Möglichkeiten, langfristig auch auf die echten, idiopathischen Skoliosen Einfluss zu neh- a b c men, kommen wir später zu sprechen. Nicht nur Seitneigung, sondern auch Drehung Neben der Seitneigung zeigt die Wirbelsäule im Falle einer echten ●●● VIVEKA 26 S. 34 ●●● Nur selten also ist der Grund einer Skoliose offensichtlich; zum Beispiel wenn die Missbildung eines Wirbelkörpers oder unterschiedliche Beinlängen die Wirbelsäule in eine Krümmung zwingen. Wie schon erwähnt, entstehen dagegen etwa 90% der Skoliosen, ohne dass man die dafür verantwortlichen Mechanismen kennt. Deshalb auch die Bezeichnung „idiopathisch“ („aus sich selbst heraus entstehend“). Seit langem bemühen sich immer wieder Forschungsprojekte bei großen orthopädischen Instituten und Kliniken in Europa und USA, eine Erklärung für das Entstehen dieser Wirbelsäulenveränderungen zu finden. Trotzdem gibt es dazu immer noch mehr Fragen als Antworten. Als gesichert wird heute eine genetisch bedingte Ursache angenommen. Aus einer vererbten Veranlagung Aus dem Lot heraus bildet sich die idiopathische Skoliose dann als eine Wachstumsstörung heraus. Bei der Beschreibung und Erklärung dieser Wachstumsstörung weist die Forschung der letzten Jahrzehnte allerdings in sehr verschiedene Richtungen. Einmal wird eine sehr frühe Wachstumsstörung des Bandapparats der Wirbelsäule diskutiert. Wenn die rechts und links an der Wirbelsäule entlang führenden Bänder unterschiedlich stark gespannt sind, führt dies zu einem ungleichen Wachstum der Wirbelkörper. Die Form der Wirbelsäule folgt ganz langsam diesen „schiefen“ Wirbeln und schließlich wird dies als Krümmung der Wirbelsäule sichtbar. Eine andere viel diskutierte These geht davon aus, dass Skoliosen entstehen, weil eine ebenfalls sehr frühe genetisch bedingte kleine Störung des neuro- muskulären Kontrollsystems zu einer minimalen seitenunterschiedlichen Aktivität in der Rückenmuskulatur des heranwachsenden Kindes führt. Obwohl so gering, reicht diese Seitendifferenz aus, den rasch wachsenden Wirbelkörper eine asymmetrische Form zu geben. Schließlich wird als Ursache der idiopathischen Skoliose auch eine Disharmonie im hormonellen System in Erwägung gezogen. Biomechanische, neuromuskuläre oder innersekretorischhormonelle Störung - in jüngster Zeit gibt es immer wieder Versuche, diese Erklärungsansätze miteinander zu verbinden. Allerdings noch immer ohne wirklichen Erfolg. Nachweislich keine wesentliche Rolle bei der Entstehung echter Skoliosen spielen entgegen manch landläufiger Meinung Fehlbelastungen wie etwa das einseitige Tragen einer schweren Schultasche. Weil Skoliosen Wachstumsstörungen sind, zeigen und verstärken sie sich vor allem in Phasen intensiven Längenwachstums: Am häufigsten beginnt ihre deutlich sichtbare Ausprägung überhaupt erst zur Zeit der Pubertät. Sehr milde Formen von Skoliosen bleiben aber nicht selten unerkannt und fallen dann manchmal zuerst einer aufmerksamen Yogalehrerin auf. Es ist auch zu beobachten, dass Skoliosen in ihrer Krümmung noch einmal zunehmen können in Lebensabschnitten, die von der Umstellung wesentlicher Körperfunktionen geprägt sind: Dazu gehört bei Frauen die Schwangerschaft und vor allem das Klimakterium. Auch im höheren Alter kann sich eine Skoliose noch einmal verschlechtern: Verantwortlich dafür ist eine zuneh- ca. 25° Eine im Brustwirbelbereich rechtskonvexe Skoliose. Nach der in der Medizin üblichen Einteilung zählt diese Skoliose zu den „leichten Skoliosen“. Um den Schweregrad einer Skoliose genau festzustellen, muss anhand des Röntgenbildes die Krümmung der Wirbelsäule gemessen werden. Solche genauen Bestimmungen der Skoliose sind nur nötig, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg der Erfolg oder Misserfolg einer Therapie zweifelsfrei nachgewiesen werden muss oder - bei Kindern - wenn die Frage gestellt ist, ob bei einer schweren Skoliose das Tregen eines Korsetts oder gar eine Operation in Erwägung gezogen werden soll. Die abgebildete Skoliose zum Beispiel zeigt allerdings „nur“ einen Winkel (gemessen nach der Methode von Cobb) von ca. 25°. Von einer schweren Skoliose spricht man erst, wenn der auf diese Art gemessene Winkel über 50° - 60° aufweist. ●●● VIVEKA 26 S. 35 ●●● Wissen mende Osteoporose und degenerative Veränderungen an den Wirbelkörpern. Mädchen sind von echten Skoliosen etwa vier Mal häufiger betroffen als Jungen. Die überaus meisten idiopathischen Skoliosen krümmen sich im Brustwirbelbereich nach rechts (sind dort also „rechtskonvex“) und im Lendenbereich nach links (sind dort also „linkskonvex“). Der Schwerpunkt der skoliotischen Krümmung liegt häufiger im Bereich der Brustwirbelsäule, seltener in der Lendenwirbelsäule. Während sehr starke Skoliosen eher selten sind (von tausend Menschen sind etwa 2 davon betroffen), finden sich sehr leichte und leichte Skoliosen etwa bei jedem Zehnten. Diese Mehrzahl der Skoliosen verschlechtern sich nach einem ersten Schub in der Regel nicht weiter. Im Gegenteil: Leichte Skoliosen, die über längere Zeit unverändert bleiben, neigen dazu, sich im weiteren Wachstumsverlauf von alleine wieder etwas zu verbessern. Skoliosen werden in der Medizin nach ihren Schweregraden eingeteilt. Dazu wird auf eine bestimmte Art („nach Cobb“, einem Arzt, der diese Methode entwickelt hat) gemessen, in welchem Winkel die Wirbelsäule vom Lot abweicht. Eine Abweichung bis zu 40° gilt noch als leichte Skoliose, schwere Skoliosen weisen einen Winkel über 60 ° auf. In verschiedenen umfangreichen Untersuchungen wurde immer wieder nachgewiesen, dass leichte Skoliosen zu keinen nennenswerten Einschränkungen führen. Erstaunlicherweise gilt dies auch für Rückenschmerzen: Von leichten Skoliosen Betroffene unterscheiden sich bei der Anfälligkeit für Rückenschmerzen nicht vom Rest der Bevölkerung. Allerdings lehrt die Erfahrung, dass sich solche Menschen auf ganz besondere Belastungen oft emp- findlicher reagieren als andere. Zu solchen Belastungen zählt offensichtlich auch das regelmäßige Praktizieren von Übungen, die auf intensive Weise die Wirbelsäule in eine Drehung bringen. Solche Übungen gibt es in der Gymnastik und solche Übungen gibt es natürlich auch im Yoga, zum Beispiel in Âsanas wie dem Triko~âsana oder dem Drehsitz. Immer wieder kommen Menschen zu uns, deren Beschwerden sich erst unter einer entsprechend intensiven und für sie ungeeigneten Yogapraxis entwickelt haben und nach entsprechender Änderung der Übungen wieder verschwinden. Anders als leichte führen schwere Skoliosen sehr oft zu starken Rückenbeschwerden. Sind sie sehr ausgeprägt, können sie schließlich sogar die Herzfunktion negativ beeinflussen und die Atembewegung ernsthaft behindern. Die Therapien Die meisten Skoliosen sind leicht und wie schon gesagt, haben einige sogar die Tendenz, sich spontan zu bessern. Deshalb sollte man kritisch bleiben gegenüber Behandlungserfolgen, die sich manche Methoden in der Arbeit mit Skoliosen selbst lautstark zuschreiben. Oft hätte sich die Wirbelsäulenverkrümmung wohl auch ohne Therapie zum Besseren hin entwickelt. Ganz anders steht es mit extrem ausgeprägten Skoliosen. Sie haben oft die Neigung, sich weiter zu verstärken. Und spätestens im Erwachsenenalter sind vermehrte Probleme für den Rücken zu erwarten. Auch wünschen sich viele Betroffene im Erwachsenenalter eine Korrektur solcher Skoliosen aus ästhetischen Gründen: die oft sehr deutliche Vorwölbung einer Brustkorbseite erscheint als „Buckel“ und die gekrümmte Körperhaltung wird als Behinderung empfunden. Auf ●●● VIVEKA 26 S. 36 ●●● Grund dieser Perspektiven wird von medizinischer Seite aus viel versucht, die Ausbildung extrem starken Seitkrümmungen zu verhindern. Ist das Körperwachstum einmal abgeschlossen, lassen sich derart ausgeprägte Fehlstellungen der Wirbelsäule nicht mehr korrigieren. Deshalb sind die Chancen, einer sich herausbildenden schweren Skoliose entgegen zu wirken am Besten, wenn mit einer Therapie möglichst frühzeitig begonnen wird. Heutzutage ruht die medizinische Behandlung starker Skoliosen auf drei Säulen, nämlich einer speziellen Krankengymnastik, gegebenenfalls dem zeitweiligen Anlegen eines Korsetts und in besonders schweren Fällen der Operation. Korsett: Die noch formbare Wirbelsäule des Kindes wird mit Hilfe von Korsetts oder im Gipsbett in Streckstellung fixiert. Betroffene erinnern sich an diese Zeit bisweilen mit Grauen: In einem Alter, das meist von der Freude an ständiger Bewegung geprägt ist, mussten sie sich beim Schlafen oder sogar tagsüber in ein Korsett quälen. Trotzdem ist der Erfolg solcher therapeutischer Eingriffe unbestritten. Viele Untersuchungen bestätigen, dass das konsequente Tragen eines Korsetts in der Wachstumsphase die Ausprägung extremer Skoliosen entscheidend verringern kann. Operation: In schwersten Fällen wird schon seit Jahrzehnten durch eine Operation die Wirbelsäule versteift und so die Zunahme ihrer Krümmung verhindert. So massiv ein solcher Eingriff auch ist, bei gegebener Indikation sind die Erfolge operativer Korrekturen schwerster Skoliosen unbestritten. Sie ermöglichen den Betroffenen einen einigermaßen aufrechten Gang, verhindern ein Zusam- Aus dem Lot Das Röntgenbild zeigt, wie eine schwere Skoliose (rechtskonvex) operativ durch eine Metallstange stabilisiert wurde. L mendrücken des Herz-Lungenraums und sorgen im Alter für weniger Beschwerden im Rücken. Krankengymnastik: Spezielle Krankengymnastik ist heute Teil jeder Skoliosetherapie. Während sie bei operativen Eingriffe in der Vor- und Nachsorge ihren Platz hat, wird jede Korsetttherapie über ihre ganze Anwendungszeit hinweg von intensiver krankengymnastischer Haltungsschulung begleitet. Bei Verkrümmungen, die weder das Tragen eines Korsetts noch gar eine Operation nötig machen, stehen schließlich Körperübungen allein im Mittelpunkt der Therapie. Auch hier ist der größte Erfolg dann möglich, wenn mit dem Üben frühzeitig begonnen wird und über die ganze Zeit des Wachstums hinweg konsequent weitergeübt wird. Über die Jahre haben sich dabei einige krankengymnastische Methoden etabliert, die meist nach ihren BegründerInnen genannt werden: In Deutschland am verbreitetsten und bekanntesten ist die Methode nach Schroth. Daneben bedeutsam sind die Methoden nach Vojta, Hanke und Klapp. Trotz einiger Ähnlichkeiten ist ihr jeweiliger Ansatz doch ein besonderer. Je nach Methode stehen die Kräftigung der Rückenmuskulatur, besondere Dehntechniken oder das manuelle Reizen bestimmter Muskeln und Knochen im Vordergrund. In einer der neueren wissenschaftlichen Untersuchungen wird abschließend zusammengefasst, dass „Skoliosen in bestimmten Fällen durch spezielle Krankengymnastik korrigiert werden können, Korsettbehandlungen aufgeschoben werden können und die primäre Korrektur im Korsett wesentlich verbessert werden kann.“ Für das betroffene Kind sind all diese Therapieangebote oft mit viel Mühe, der Forderung nach außerordentlicher Disziplin und großer psychischer Belastung verbunden. Als entscheidend für alle Therapieversuche erweist sich deshalb immer wieder, in welchem Maß es gelingt, solche Kinder in diesen langwierigen Prozess in guter Weise einzubinden und immer wieder neu zu motivieren. Das gilt übrigens auch, wenn dafür Übungen des Yoga genutzt werden. ●●● VIVEKA 26 S. 37 ●●● Hüften oder Knie destabilisiert und geschädigt werden. 3. Idiopathische Skoliosen können mit einfachen Mitteln identifiziert werden. Erste Hinweise ist eine Seitendifferenz im Stand. Am einfachsten zu vergleichen ist die Stellung der beiden Schultern zur Waagrechten. Durch das Anheben der Arme werden vorhandene Unterschiede noch deutlicher. Bei echten Skoliosen entstehen diese Unterschiede durch die Wirbelsäulenkrümmung im Brustwirbelbereich. Sie führt zu einer Schiefstellung und leichten Verdrehung des Schultergürtels. Im Liegen fällt oft zuerst eine scheinbare Längendifferenz der Beine auf: Eine Ferse liegt körperferner als die andere. Die Ursache dafür ist aber keine unterschiedliche Beinlänge, sondern die auch im Liegen fixierte Krümmung der Wirbelsäule, die das Becken in einen Schiefstand zieht. Durch das schief liegende Becken ist ein Bein höher gezogen als das andere und erscheint deshalb als kürzer. Dass beide Beine gleich lang sind, lässt sich grob, aber für unsere Zwecke völlig ausreichend auf einfache Weise prüfen: Werden beide Beine vom Boden angehoben und nach oben gestreckt gehalten, verschwindet die scheinbare Längendifferenz. Der Grund: Weil das Becken zwar seitlich schief, zum Boden aber gerade und parallel liegt. Beide Beine beginnen in dieser Position also wieder in gleicher Höhe und zeigen dabei, dass sie von gleicher Länge sind. Am sichersten zeigt sich eine Skoliose schließlich in der Vorbeuge: Die eine Seite des Rückens erscheint dabei höher als die andere. Diese Vorwölbung entsteht im Bereich des oberen Rückens vor allem durch die gedrehten und leicht verformten Wissen allem im Zusammenhang einer intensiven Praxis von Drehungen und Seitbeugen. 1. Vorsicht mit Korrekturen an der Körperhaltung. Rippen. Im Lendenbereich durch einen einseitig etwas nach oben gedrehten Muskelstrang, den Rückenstrecker. Deshalb ist diese Anhebung einer Rückenseite sehr viel einfacher zu sehen, wenn die Krümmung der Wirbelsäule im Brustwirbelbereich ihren Schwerpunkt hat. Dies ist der häufigste Fall. Etwas genauer muss man hinschauen, will man auf diese Weise eine skoliotische Krümmung auf der Höhe der Lendenwirbelsäule erkennen. Was tun? Für den Umgang mit echten Skoliosen in der Âsanapraxis hat sich die Beachtung einiger weniger Grundsätze bewährt. Die wichtigsten sind hier zusammengefasst: 1. Vorsicht mit Korrekturen an der Körperhaltung. 2. Âsanas werden oft wirksamer, wenn sie durch entsprechende Armoder Beinvarianten unsymmetrisch geübt werden. 3. Es gibt einige wenige schwer wiegende Risiken beim Üben von Âsanas. Diese Risiken entstehen vor Menschen, deren Wirbelsäule durch eine Skoliose verformt ist, zeigen diese Asymmetrie in vielen Körperbereichen. Nicht nur die Schultern stehen ungleich hoch, auch der Kopf ist oft leicht gedreht oder – vor allem im Liegen - etwas zur Seite geneigt. In aufrechter Haltung (Samasthiti) weicht der Oberkörper ebenso vom Lot ab, wie in einer Vorbeuge aus dem Stand (zum Beispiel uttânâsana). Das gleiche gilt für die im Stehen angehobenen Arme. In der Rückenlage (‡avâsana) sind Rumpf und Beine nicht in einer Achse. Alle diese Abweichungen von der Mitte haben ihre Ursache in der besonderen Krümmung der Wirbelsäule. Diese Krümmung kann nicht dadurch beeinflusst werden, dass ein Körperteil wie der Kopf oder die Beine zurück ins Lot gebracht, gelegt oder gezogen wird. Stattdessen verschiebt und verdreht eine solche Korrektur nur die betroffenen Körperteile zur fest bleibenden Wirbelsäule: Die vom Körper gefundene Harmonie wird gestört. Es macht deshalb keinen Sinn, hier korrigierend einzugreifen, zum Beispiel um den Kopf im Liegen nach der Mitte hin auszurichten. Statt ausgleichend zu wirken, führt eine derartige Korrektur eher dazu, dass der Nacken mit dem Aufbau von Gegenspannung reagiert. Darüber hinaus fühlt sich die so „ausgerichtete“ Person meist „aus dem Lot“. Und dies zu Recht: Die von der Mitte abweichende Position des Kopfes (oder der Beine, oder der Arme, oder der Schultern, oder des Rumpfes beim nach vorn Beugen...) ist in der Regel jene Haltung, in der sich alle Körperteile zueinander in bestem Einklang befinden. ●●● VIVEKA 26 S. 38 ●●● Natürlich lässt sich mit Âsanas auch eine durch Skoliose geprägte Haltung verbessern. Dies kann aber nicht durch ein Zurechtrücken des Körpers oder etwa der Aufforderung erreicht werden, den Kopf bewusst nach dem Körperlot hin auszurichten. Vielmehr muss dafür in geschickter Weise Einfluss auf die Wirbelsäule selbst genommen werden. Damit sind wir beim nächsten Punkt: 2. Âsanas werden oft wirksamer, wenn sie durch entsprechende Arm- oder Beinvarianten unsymmetrisch geübt werden. Für Menschen mit einer Skoliose ist es wesentlich, den in seiner Asymmetrie besonders beanspruchten Rücken zu aktivieren, zu stärken und in seiner Funktion zu harmonisieren. Unter anderem sind dafür Rückbeugen besonders gut geeignet. Dabei hat sich gezeigt, dass deren Wirkung deutlich verbessert wird, wenn sie selbst durch entsprechende Variationen asymmetrisch praktiziert werden. Offensichtlich erreicht das wechselseitige Anheben nur eines Beines im Ardha ‡alabhâsana die beiden Rückenseiten jeweils intensiver und im Gesamteffekt ausgewogener als das gleichzeitige Anheben beider Beine im vollen ‡alabhâsana. Es scheint, als würde in der asymmetrischen Variante auch jene Seite des Rückens in die Pflicht genommen, die bei einer symmetrischen Rückbeuge der „stärkeren“ gewohnheitsmäßig die Hauptarbeit überlässt. Ähnliches gilt zum Beispiel auch für Varianten von Bhuja~gâsana, in denen die Bewegung und Position der Arme jeweils verschieden gewählt werden. 3. Eine Destabilisierung der Rückenmuskulatur und die Ver- Aus dem Lot stärkung der Wirbelsäulenkrümmung haben sich als die am schwersten wiegenden Risiken beim Üben von Âsanas erwiesen. Solche negativen Auswirkungen von Yogapraxis zeigen sich vor allem im Zusammenhang einer intensiven Praxis von Drehungen und kräftigen Seitbeugen. Von Skoliose Betroffene sollten deshalb die regelmäßige Praxis intensiver Drehhaltungen und Seitbeugen vermeiden. Der Grund dafür, dass diese Art von Âsanas beim Vorliegen von Skoliosen häufig gesundheitliche Probleme machen, liegt in der Struktur der Skoliose selbst. Dabei sind zwei Gegebenheiten von entscheidender Bedeutung. Zum einen ist jede Skoliose mit einer Verdrehung der Wirbelsäule verbunden. Zum anderen ist bei jeder Skoliose ein Bereich der Wirbelsäule in seiner Krümmung nahezu fixiert während andere Bereiche ihre Beweglichkeit bewahrt haben. Dazu zuerst. Jede Bewegung, die im Falle einer Skoliose von der Wirbelsäule gefordert wird, trifft dort auf zwei völlig unterschiedliche Strukturen. Eine der Krümmungen, meist die im Brustkorbbereich, bleibt weit gehend starr. Entsprechend intensiver als bei einer normal ausgebildeten Wirbelsäule wird dafür ihre noch beweglichen Bereiche bewegt. Bei Drehungen und Seitbeugen ist dies meist die Lendenwirbelsäule. Dieser Mechanismus lässt sich durch kein noch so ausgeklügeltes System, keine noch so differenzierten Anweisungen, durch kein bei der Âsanapraxis übliches Hilfsmittel außer Kraft setzen. Kein noch so kräftiger Muskel kann der hier gegebenen Struktur entgegenarbeiten. Wer anderes behauptet, spricht nicht von echten, idiopatischen Skoliosen, die eben gerade durch die hier beschriebene besondere Struktur charakterisiert sind. Das bedeutet, dass entsprechende Âsanas bestimmte Teile einer skoliotischen Wirbelsäule über ein gesundes Maß hinaus mobilisieren können. Die oft zu beobachtende Folge davon ist eine Destabilisierung und als Folge davon das Auftreten von Schmerzen vor allem im Bereich des unteren Rückens. Von intensiven Drehungen wie zum Beispiel Triko~âsana kann einE ÜbendeR mit Skoliose nichts Positives erwarten. Dafür verantwortlich ist die besondere Verdrehung der Wirbel, die jede echte Skoliose (ohne Ausnahme) aufweist. In jedem der meist zwei Schwünge der Skoliose drehen die Wirbel in die jeweils entgegen gesetzte Richtung. Wie immer man es auch anstellen würde: Bei jeder Drehung wird so ein Teil der Skoliose noch intensiver in eine ihrer inneren Drehungen hineingeschraubt. Das belastet Wirbelgelenke, Bänder und Bandscheiben gleichermaßen. Leider kann die skoliotische Wirbelsäule auch noch viel einfacher weiter „ver“dreht als aus der gegebenen Drehung „herausgedreht werden. Es wird also beim Drehen nicht einmal der eine Teil der Wirbelsäule gegen die vorhandene Drehrichtung aufgerichtet während der andere sich noch mehr verwinden muss. Intensiv praktizierte Drehübungen verstärken die Wirbelverdrehungen einer Skoliose und damit auch die Wirbelsäulenverkrümmung. Das gleiche gilt für intensive Seitbeugen, die immer mehr die schon vorhandene Seitkrümmung verstärken als dass sie die Wirbelsäule strecken könnten. Es ist bei echten Skoliosen biomechanisch einfach unmöglich, eine innere Fixierung oder Gegenspannung aufzubauen, die diese Mechanismen entkräften könnte. Deshalb können zum Beispiel Seitbeugen auch im Rahmen spezifischer krankengymnastischen Übungen nur dann genutzt werden, wenn mit Hilfe einer ●●● VIVEKA 26 S. 39 ●●● ausgeklügelten äußeren Fixierung der Schultergürtel fixiert wird. Es gilt deshalb ohne Einschränkung: Beim Vorliegen einer echten idiopathischen Skoliose erweist sich eine intensive Praxis von Âsanas, die den Rumpf drehen oder seitbeugen langfristig gesehen als schädlich. Wie weit diese Fakten Einfluss nehmen müssen auf einen Gruppenunterricht, in dem vor allem dynamisch geübt wird und intensive Drehungen oder Seitbeugen nur alle paar Wochen angeboten werden, kann nur am einzelnen Beispiel diskutiert werden. Geht es allerdings um eine regelmäßig geübte Praxis, ist für Kompromisse wenig Spielraum. Schließlich möchte sicher niemand durch die Praxis von Âsana seine Gesundheit gefährden. Auf der anderen Seite kann eine regelmäßige Yogapraxis für Menschen mit Skoliose von großem Nutzen sein. Immer wieder machen wir die Erfahrung, dass das kontinuierliche Üben von passend ausgewählten Âsanas positive Wirkung zeigt. Der Rücken wird belastbarer, vorhandene Schmerzen werden weniger und das Körpergefühl insgesamt verbessert sich. Das liegt sicher auch daran, dass durch ein geschicktes Variieren von Âsanas der Rücken auf besondere Weise aktiviert werden kann: Alle seine oft noch schlummernden Potentiale zu Aufrichtung und angemessener Reaktion auf alltägliche Belastungen können so ausgeschöpft werden. Oft zeigen gerade die asymmetrischen Varianten der dabei genutzten Âsanas die besten Erfolge. ▼