Microarray-Biochips – Tausend Reaktionen auf kleinster Fläche
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Microarray-Biochips – Tausend Reaktionen auf kleinster Fläche
Biotechnik Microarray-Biochips – Tausend Reaktionen auf kleinster Fläche Marion Strehle und Jürgen Popp, Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena Effiziente Teststationen für verschiedenste biologische oder biochemische Reaktionen – das sind Biochips. Unter diesem Begriff werden automatisierte Analysemethoden wie fluidische Systeme oder andere “Lab-on-a-chip“-Systeme zusammengefasst. Die wohl häufigste Form sind Microarray-Biochips, die überwiegend mit optischen Methoden analysiert werden. Weitere Verbesserungen der Analyseverfahren sind Gegenstand der aktuellen Forschung – auch im Forschungsschwerpunkt Biophotonik. Microarray-Biochips sind ein wichtiges Werkzeug für die Forschung in Bereichen wie Medizin, Pharmazie, Biochemie, Genetik und Mikrobiologie. Innerhalb kürzester Zeit liefert ein solcher Chip die Ergebnisse einiger zehn- bis hunderttausend Reaktionen [1]. Microarray-Biochips bestehen aus einem Trägermaterial (z.B. Glas), auf dem biologische Sondenmoleküle, wie beispielsweise DNA-Fragmente, in hoher Anzahl und Dichte in sog. Microarrays definiert fixiert sind. Je nach Anwendung befinden sich heute bis zu mehrere hunderttausend Punkte (Spots) mit den synthetisch hergestellten Sondenmolekülen auf einem Träger. Jeder dieser Punkte ersetzt ein Reaktionsgefäß. Der Schlüssel zum Molekül Bei der derzeit am häufigsten angewandten fluoreszenzbasierten Methode werden zu den auf dem Träger fixierten Sondenmolekülen frei bewegliche fluoreszenzmarkierte Moleküle der Testprobe gegeben. Wie ein Schlüssel in das passende Schloss setzen sich die freien Moleküle in einer komplementären Hybridisierungsreaktion an die zu ihnen passenden Sondenmoleküle. Nach einiger Zeit werden die nicht gebundenen Molekülstränge vom Chip gewaschen, Fluoreszenzmarken befinden sich dann nur noch an den Spots mit komplementär passenden Teststrängen. Anhand des Fluoreszenzsignals lassen sich Aussagen über die genaue molekulare Abfolge im unbekannten Strang machen, da die Stränge der Spots auf dem Microar56 Photonik 1/2005 ray bekannt sind. Der zeitliche Verlauf des Fluoreszenzsignals gibt Aufschluß über die Reaktionskinetik und ihre Bindungskonstanten [2]. Daraus lässt sich ablesen, ob eine Bindung tatsächlich an allen vom Sondenmolekül angebotenen Bindungsstellen erfolgt ist oder nur an einigen. In Abhängigkeit der genutzten Ankerstellen ist die Bindung zwischen Sondenmolekül und Probenmolekül stärker oder schwächer. Anhand der Bindungskinetik lassen sich Aussagen zu so genannten Einzelnukleotidpolymorphismen [3] machen, bei denen ein einziges Gen-Basenpaar von der üblichen Reihenfolge abweicht. In diesem hochaktuellen Forschungsthema untersucht man Abweichungen in der Sequenz eines Gens von der überwiegend auftretenden Sequenz und erwartet sich davon Rückschlüsse auf Krankheiten und ihre Ursachen, beispielsweise ob jemand ein größeres Risiko für eine bestimmte Krankheit hat oder auf ein Medikament, eine Therapie, eine Operation etc. anders reagiert als üblicherweise erwartet. Microarray-Biochips wurden zunächst vor allem zur Genanalyse genutzt [4], inzwischen profitieren aber auch die molekulare Medizin, die Pharmaforschung sowie die Lebensmittel- oder Umweltanalytik von dieser Technologie. Microarray-Biochips tragen dazu bei, mögliche Wirkstoffe für ein neues Medikament aus einer Menge von Substanzen herauszupicken. In der Lebensmittelindustrie können gentechnisch veränderter Lebensmittel identifiziert werden. Auch Kontaminationen beispielsweise mit Salmonellen können schon in kleinsten Mengen detektiert werden. Im Umweltschutz können Microarrays zur Analyse von Bakterien im Klärschlamm eingesetzt werden [5]. Eine Vision für den Einsatz von Microarrays ist, mit Hilfe dieser Technologie für jeden Patienten das individuell passende Medikament und die richtige Dosierung zu finden. Bevor dies Wirklichkeit werden kann, müssen diese Verfahren allerdings noch weiter erforscht und dann ausführlich getestet werden. Markerlose Detektion Die meisten derzeit angewendeten Detektionsverfahren in der MicroarrayAnalyse basieren auf der Markierung der Testprobe mit Farbstoffmolekülen [6]. Ein großer Nachteil dieser Methode ist, dass die Farbstoffe die Struktur und damit die Funktion der Testmoleküle verändern können – besonders bei Proteinen. Neuere Ansätze vermeiden die Farbstoffmarkierung, indem sie die Bindung zwischen den am Microarray gebundenen und den frei beweglichen Testmolekülen auf andere Art und Weise detektieren. Beispielsweise lässt sich die Eigenfluoreszenz von Tryptophan ausnutzen. Diese Aminosäure ist in nahezu allen Proteinen vorhanden und lässt sich im UV-Bereich zu Fluoreszenz anregen. Eine weitere Möglichkeit ist die direkte Detektion der elektrischen Signale, die bei der Bindung der Probenmoleküle an die Chipmoleküle entstehen. Ein solches im BMBF-Projekt „SIBANAT“ erforschtes Verfahren wurde mit dem Deutschen Biotechnik Bild 1: Hochintegriertes DNA-Microarray mit Spots (∅ 200 µm) von Maus-DNA. Die zwei verwendeten Fluoreszenzfarbstoffe werden vom Lesegerät in Falschfarben dargestellt: Cy3 in grün und Cy5 in rot. Gelb zeigt das Auftreten von Signalen beider Farbstoffe mit gleicher Intensität Zukunftspreis 2004 ausgezeichnet. Auch im Rahmen des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsschwerpunkts Biophotonik befassen sich Wissenschaftler mit dieser Problematik. Im Verbundprojekt „MOBA“ (Mikrooptische Anregungs- und Sensoreinheiten zur Erweiterung des Einsatzspektrums bei der Microarray-Analyse und der Telemedizin, Kurztitel: Mikrooptische Biochip-Analyse) werden neben der Weiterentwicklung fluoreszenzbasierter Methoden auch Verfahren untersucht, die auf den Einsatz von Fluoreszenzmarkern verzichten. Flexibel, empfindlich, schnell Derzeit forschen im Verbund „MOBA“ unterschiedlich naturwissenschaftlich ausgerichtete Gruppen sowie zwei mittelständische Industrieunternehmen an einem neuartigen Microarray-Biochip-Lesegerät, das verschiedene optische Messmethoden kombiniert. Zur Detektion werden Fluoreszenz-Techniken (siehe Bild 1), ReflektionsInterferenz-Verfahren und die TerahertzSpektroskopie eingesetzt. Die optischen Signale eines Microarrays sollen örtlich, zeitlich und spektral aufgelöst gemessen und dargestellt werden. Durch die Kombination unterschiedlicher optischer Messverfahren kann mehr Information als bisher gewonnen werden. Außerdem wird eine auf die jeweilige Fragestellung genau abgestimmte Messtechnik angeboten und ein hohes Maß an Flexibilität im Hinblick auf das Microarray-Format erreicht. Koordiniert wird der Verbund durch Dr. Wolfgang Mönch vom Lehrstuhl für Mikrooptik des Instituts für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg. Die Fluoreszenz-Anregungseinheit der Arbeitsgruppe von Prof. Zappe in Freiburg erzeugt auf dem Microarray ein Intensitätsprofil aus bis zu drei diskreten Wellenlängen [7]. Dieses Profil ist optimal an die Anordnung der Spots angepasst und über eine Software steuerbar. Damit ist die Anpassung an neue Microarray-BiochipFormate auf die Software-Seite verlagert, was die Flexibilität gegenüber herkömmlichen Systemen wesentlich steigert. Für die Fluoreszenz-Detektion wird außerdem eine sowohl abbildende als auch spektral auflösende Vorsatzoptik für eine intelligente CCD-Kamera erstellt. Diese Kamera der am Projekt beteiligten Sensovation AG (Bild 2) besitzt unter anderem eine einstellbare Signalverstärkung auf dem CCD-Sensor. So wird einerseits die erforderliche Empfindlichkeit gewährleistet und andererseits bereits in der Kamera eine erhebliche Datenreduktion vorgenommen, so dass nur noch die wirklich interessierenden Signale an die Auswertungssoftware weitergegeben werden, was die Datenaufnahme erheblich beschleunigt. Diese Datenreduktion ist vor allem für den wachsenden Bedarf an Hochdurchsatz-Messungen im Bereich der Microarray-Analyse von herausragendem Interesse. Detektion ohne Fluoreszenz Ein markierungsfreies Verfahren ist die von der Arbeitsgruppe um Prof. Günter Gauglitz (Universität Tübingen) untersuchte Reflektions-Interferenz-Spektroskopie. Hierbei wird eine dünne biochemische Koppelschicht auf das Microarray aufgebracht, die bei erfolgreicher Anbindung von Molekülen ihre Dicke ändert [8]. Die Bindungsreaktion wird anhand der interferometrisch messbaren Dickenänderung der Koppelschicht nachgewiesen. Mögliche Messmethoden sind die reflektometrische Interferenzspektroskopie (RIfS) oder integrierte optische Methoden (Mach-Zehnder-Chips). Einen weiteren markerfreien Nachweis bietet die Terahertz-Wellen-Spektroskopie, die von den Arbeitsgruppen um Prof. Martin Koch an der Technischen Universität Braunschweig und Prof. Hanspeter Helm und Dr. Peter Uhd Jepsen an der Universität Freiburg erforscht wird. Die mit Wellenlängen im Bereich von 100 µm sehr langwelligen Terahertz-Wellen können sehr große und schwere Molekülgruppen, wie sie in Biomolekülen vorkommen, zu kollektiven Schwingungen anregen. Nachdem eine große Anzahl von Atomen involviert ist, gestaltet sich die theoretische Berechnung der Schwingungsmoden schwierig, und eine unmittelbar anschauliche Erklärung der Schwingungszustände ist oftmals unmöglich. Terahertz-Wellen besitzen jedoch ein großes Potenzial für die Anwendung in der Spektroskopie [912]. Die Terahertz-Wellen-Spektroskopie Bild 2: Kamera SamBa SE34 der Sensovation AG mit aufgesetztem Prototyp des mikrooptischen Moduls für die MicroarrayFluoreszenzanalyse Photonik 1/2005 57 Biotechnik Bild 3: Prof. Martin Koch (l.) und Dipl.-Ing. Thomas Kleine-Ostmann von der Technischen Universität Braunschweig justieren den Laser ihres THz-Spektrometers ist eine ausgesprochen junge Technik. Für die Entwicklung eines kleinen Dauerstrich-Terahertz-Spektrometers wurde die Braunschweiger Arbeitsgruppe um Prof. Martin Koch (Bild 3) gemeinsam mit den Bochumer Kollegen Prof. Martin Hofmann und Stefan Hoffmann mit dem Kaiser-Friedrich-Forschungspreis 2003 ausgezeichnet. Sowohl in Freiburg als auch in Braunschweig wurden Versuche durchgeführt, in denen unterschiedliche Typen von DNA (Poly-A und Poly-C) in „gespotteter“ Form, also aufgetropft auf ein Substrat, zuverlässig voneinander differenziert wurden (Bild 4). Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu einer möglichen TerahertzGenanalyse. Zu klären bleibt die Frage der Nachweisgrenze: Um mit den etablierten Methoden konkurrieren zu können, muss die erforderliche DNA-Menge so gering sein wie bei heutigen Microarray-Lesern, die beispielsweise mit einer FluoreszenzMarkierung arbeiten. Anwender im Projekt ist der Nierenspezialist Prof. Gerd Walz vom Universitätsklinikum Freiburg. Er untersucht mit den Microarrays die Zusammenhänge zwischen Nierenerkrankungen und genetischen Signaturen. Eine Frage von praktischem Interesse ist beispielsweise, ob man bei Nierentransplantationen schon vor der Operation anhand charakteristischer Merkmale im Erbgut erkennen kann, ob das zu transplantierende Organ vom Patienten angenommen oder abgestoßen wird. Prof. Walz bringt neben den klinischen Fragestellungen seiner Forschungsinteressen auch Laborausstattung und Expertise im Bereich der Gentechnologie in das Projekt ein. Hinsichtlich der Gerätetechnik ist mit der IEF Werner GmbH ein industrieller Spe58 Photonik 1/2005 Bild 4: Ein Microarray mit RNA Spots (poly-A und poly-C), abgebildet mit THz-Licht. Die poly-A Spots unterscheiden sich hier deutlich von den poly-C Spots zialist für Automatisierungs- und HandlingTechnik im Verbund vertreten, im Projekt verantwortlich für die Erstellung des erforderlichen automatisierten mechanischen Biochip-Handlingsystems. Das beinhaltet die Halterung und Justierung des Biochips, sowie die Bewegung zwischen verschiedenen Messstationen. Zusammenfassung Die Microarray-Biochip-Technologie hält Einzug in fast alle Bereiche der Life Sciences wie beispielsweise die molekulare Medizin, die Gendiagnostik, die Pharmaforschung oder die Lebensmittel-, und Umweltanalytik. Bei der Forschung in diesem Bereich ist noch lange kein Ende in Sicht; ständig werden neue Entwicklungen veröffentlicht. Auch in dem BMBF-geförderten Verbundprojekt MOBA „Mikrooptische BiochipAnalyse“ werden mit unterschiedlichen Techniken neue Verfahren zur MicroarrayAnalyse erforscht. Ein Ziel von MOBA ist es, ein einziges, möglichst kompaktes Gerät zu erstellen, das sowohl Fluoreszenzverfahren als auch markierungsfreie Verfahren wie Reflektions-Interferenz-Verfahren und Terahertz-Spektroskopie-Verfahren in sich vereinigt, um für Biochips verschiedener Formate (hinsichtlich Spotmuster, Oberflächenchemie, chemischer Spezies etc.) mindestens eine geeignete Messmethode anzubieten. Die Kombination der verschiedenen Methoden ermöglicht einen gesteigerten Informationsgewinn aus einem einzigen Microarray-Biochip. Daneben kommt mit der Terahertz-Spektroskopie erstmalig eine völlig neuartige Methode zum Einsatz. Die anderen Methoden gewinnen durch den Einsatz neuartiger optischer Elemente an Flexibilität und Einsatzmöglichkeiten gegenüber herkömmlichen Geräten . Danksagung Für Unterstützung in wissenschaftlichen Fragen danken wir Dr. Wolfgang Mönch, Titus Sparna, Prof. Dr. Hanspeter Helm sowie PD Dr. Peter Uhd Jepsen (Universität Freiburg), Prof. Dr. Günter Gauglitz (Universität Tübingen) und Prof. Dr. Martin Koch (TU Braunschweig). Dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) wird für die finanzielle Unterstützung des Forschungsschwerpunkts Biophotonik gedankt. Literaturhinweise [1] [2] [3] [4] [5] [6] http://whatis.techtarget.com/ definition/0,,sid9_gci211664,00.html R. Peter, M. Meusel, F. Grawe, A. Katerkamp, K. Cammann and T. Börchers, Optical DNA-sensor chip for real-time detection of hybridization events, Fresenius J. Anal. Chem., 371 (2001) 120 – 127 A.C. Syvanen, Accessing genetic variation: genotyping single nucleotide polymorphisms, Nat Rev Genet. 2001 Dec;2(12):930-42. M. Schena, D. Shalon, R.W. Davis, P.O. Brown, Quantitative Monitoring of Gene Expression Patterns with a Complementary DNA microarray, Science 1995 270: 467-470 http://www.bio-pro.de/de/region/ stern/magazin/00615/index.html M. Seidel, D. Dankbar, G. Gauglitz, A miniaturized heterogeneous fluo- Biotechnik rescence immunoassay on gold-coated nano titer plates, Anal. Bioanal. Chem. 379 (2004) 904 – 912 [7] D. Shalon, S.J. Smith, and P.O. Brown, A DNA microarray system for analyzing complex DNA samples using twocolor fluorescent probe hybridization, Genome Research 6 (1996) 639 – 645 [8] J. Piehler, A. Brecht, G. Gauglitz, Affinity Detection of Low Molecular Weight Analytes, Anal. Chem. 68 (1996) 139 – 143 [9] J. W. Powell, G. S. Edwards, L. Genzel, F. Kremer, A. Wittlin, W. Kubasek und W. Peticolas, Ivestigation of far-infrared vibrational modes in polynucleotides, Phys. Rev A 35, 3929 (1987). [10] B. Fischer et al., Far-infrared vibrational modes of DNA components studied by terahertz time-domain spectroscopy, Phys. Med. Biol. 47, 3807 (2002). [11] M. R. Kutteruf et al., Terahertz spectroscopy of short-chain polypeptides, Chem. Phys. Lett. 375, 337 (2003). [12] M. Nagel, P. Haring Bolivar, M. Brucherseifer, H. Kurz, A. Bosserhoff und B. Büttner, Integrated THz technology for label-free genetic diagnostics, Appl. Phys. Lett. 80, 154 (2002). Ansprechpartner Dr. Marion Strehle Institut für Physikalische Chemie Friedrich-SchillerUniversität Jena Helmholtzweg 4 D-07743 Jena Tel. 03641/9-48367 Fax 06341/9-48302 eMail: marion.strehle@uni-jena.de Internet: www.biophotonik.org Prof. Dr. Jürgen Popp Institut für Physikalische Chemie Friedrich-SchillerUniversität Jena Helmholtzweg 4 D-07743 Jena Tel. 03641/9-48320 Fax 06341/9-48302 eMail: juergen.popp@uni-jena.de Internet: www.biophotonik.org www.photonik.de Webcode 1029 Photonik 1/2005 59