Leseprobe für Nicht-Abonnenten

Transcription

Leseprobe für Nicht-Abonnenten
AL
T!
196 SEITEN DAS MAGAZIN FÜR KLASSISCHE SPIELE
4/2015
September / Oktober/
November 2015
Deutschland @ 12,90
Österreich
@ 14,20
Schweiz
sfr 25,80
Luxemburg @ 14,85
196 Seiten KLASSIKER-SPIELE FÜR HOME-COMPUTER, KONSOLEN & PCs
INTERVIEW
BRIAN FARGO
Über Bard’s Tale & Interplay
VOR 20 JAHREN
4/2015
Wie die PlayStation
die Spielewelt veränderte
DEUS EX
Kultige RPG-Shooter-Serie
RETRO-PANNEN
Von Power Glove bis Virtual Boy
SPEEDBALL 2
Triumph der Bitmap Brothers
ATARI ST
Homecomputer-Alleskönner
ARCADE | ATARI | COMMODORE | MSX | NEO GEO | NINTENDO | SCHNEIDER | SEGA | SINCLAIR | SONY
» 20 Jahre PlayStation
in Deutschland:
Auf S. 193 verlosen
wir eine streng
limitierte PS4 20th
Anniversary Edition
Anatol
Locker
Heinrich
Lenhardt
Jörg
Langer
Knut
Gollert
W
illkommen zum aktuellen Retro Gamer! In dieser Ausgabe feiern wir gleich zwei Jubiläen. Zum einen erschien im
Frühjahr 1985, also vor 30 Jahren, der Atari ST. Der mit einer
Motorola-8-MHz-CPU getaktete Heimcomputer war vielseitig
einsetzbar, glänzte insbesondere als Ein- und Ausgabegerät für
Musik, aber auch für Business-Anwendungen (Hires-Modus)
und nicht zuletzt Spiele. Da er anfangs vor dem Amiga lag, brachten viele Hersteller ihre Titel zunächst oder sogar exklusiv für den ST. Wir stellen euch den
Tausendsassa vor und haben auch unsere Retro-Autoren gebeten, in ihren Artikeln für die aktuelle Ausgabe, wenn passend, auf den ST einzugehen.
Das noch wichtigere Jubiläum ist allerdings der europäische Erscheinungstermin der PlayStation 1 im September 1995. Kaum zu glauben, dass es
bereits 20 Jahre her sein soll, dass der Games-Newcomer Sony mit seinem
ersten Gerät gleich den Konsolenmarkt aufrollte und zu einer Größe in der
Spiele­branche wurde, an der 2015 kein Weg vorbeiführt. Was bedingte die Entwicklung der PlayStation, weshalb wurde sie so erfolgreich? Dem spüren wir
in einem insgesamt 20-seitigen Schwerpunkt nach und nennen euch die, klar,
20 besten Spiele für PS1. Wir haben ziemlich lange diskutiert über diese Liste,
schließlich standen theoretisch rund 4.000 Titel zur Wahl …
Außerdem ist es uns gelungen, Sony Deutschland eine weitere der limitierten PS4 Anniversary Editions abzuschwatzen, die wir unter unseren werten Lesern verlosen; mehr dazu findet ihr im Retro-Feed dieser Ausgabe.
Michael
Hengst
Mick
Schnelle
Peter
Schmitz
Die in einem weiteren Artikel vorgestellten Geräte und Spieletitel
dürften eher nicht in Feierlaune sein: Die größten Retro-Desaster behandelt „Kleinode“ wie Mattels dysfunktionalen Power Glove oder Nintendos
visionären, aber glanzlos gescheiterten Virtual Boy. Es ist eben nicht alles
toll, nur weil es retro ist.
Wenn ihr umblättert, seht ihr die
vielen weiteren Highlights dieser Ausgabe. So starten wir eine neue Folge
unserer beliebten „Made in“-Serie und
kredenzen euch Made in UK, Teil 1.
Wir zeichnen die Geschichte der Deus
Ex-Serie sowie von Speedball 2 nach
und stellen vergessene Leckerbissen
für die Konsole Amstrad GX4000 vor
(die besser war als ihr Ruf).
Viel Spaß beim Lesen!
Jörg Langer
Projektleitung Retro Gamer
Winnie
Forster
»V
iele unserer Autoren
entstammen dem PowerPlay-,
PC-Player- sowie PC-JokerDunstkreis. Nun ist endlich ein
„ASM-ling“ dazugestoßen: Deren ehemaliger Redakteur und
Chefredakteur Peter Schmitz
erinnert sich an Ballerburg.
INHALT 4/2015
September, Oktober, November
RETRO-HARDWARE
ERFOLGSPRODUKTE UND EXOTEN
052
096
112
130
034
042
Für Liebhaber von klassischen Spielen
N
0
C
062 Die besten NES-Spiele
042Hexenküche
078 Die besten SNES-RPGs
050Oids
086 Made in UK, Teil 1
072 Final Fantasy VII
096 Die größten Retro-Desaster
110Gunhed
136Lizenzspiele
150Ballerburg
014 Unter der Haube
016 Wie Sony Gaming cool machte
018 Ehrwürdiger DualShock
021 Die 20 wichtigsten Momente
022 Launch-Titel wieder ausgepackt
Welche Technik in der PS1 steckte
Hardware, Marketing und Exklusivtitel
Entwicklung des PlayStation-Gamepads
Diese Ereignisse prägten die PlayStation
Machen WipEout & Co. noch Spaß?
024 Die 20 besten PS1-Spiele
Sie prägten den Ruf der Sony-Maschine
C
008 Projekt Wiedergeburt
Aktuell werden zahlreiche Kultklassiker
wiederbelebt – ein Überblick
060 Advanced Military Commander
Knut Gollert traute sich damals an die
beinharte Japano-Rundenstrategie
094 Starglider 2
Michael Hengst verrät euch, was dieses
Spiel hatte, das Elite Dangerous fehlt
166 Star Trek 25th Anniversary
Mit den Originalsprechern der TV-Serie
lockte das Adventure Heinrich Lenhardt
N
N
Absurdes bei Biohazard, Shenmue & Co.
25 Titel, bei denen Fans das Herz pocht
Willkommen in der guten alten 16-Bit-Ära
Winnie Forster beginnt eine neue Serie
Pannen-Produkte von Rob bis Daikatana
Über Gurken und positive Ausnahmen
N
Die Konsole mit Schneider-CPC-Technik
hatte mehr gute Spiele, als man denkt
162Oric-1
Der 8-Bit-Computer wurde vom Speccy
verprügelt, doch einige Spiele waren gut
188 NEC PC-98
18 Jahre lang dominierte NEC den PCMarkt Japans, was zu vielen Hits führte
4 | RETRO GAMER 4/2015
Drei Serien-Teile, drei Lead Designer –
wir analysieren die RPG-Action-Serie
074 Sonic R
Das Sega-Maskottchen sauste in 3D
090Batman
Knight Lore stand für Batman Pate
118Jetstrike
Kopf ab, Tritt und weg: Mick, der Barbar
Heinrich Lenhardt flog über den Kessel
Nostalgie pur mit Michael Hengst
Jörg Langer über Zufallskämpfe & Trauer
Knut feuert, bis die Balken bersten
ASM-Veteran Peter Schmitz‘ Liebling
174 Ghouls ’n Ghosts
034 Deus Ex
Winnie Forster starb in der Unterhose
N
Der Sport-Triumph der Bitmap Brothers
152Centipede
Grafisch krümelig, aber suchterzeugend
176720°
Ataris Skateboard-Überraschung
182 Super Off Road
Expertenwissen: So bleibt ihr Sieger
052 30 Jahre Atari ST
Schnelle CPU, direkte MIDI-Anbindung
und viel mehr: Hardware & Spiele des ST
052
062
094
118
C V
Der französische Publisher expandierte
aggressiv – und produzierte viel Schrott
156 System 3 (Last Ninja und Co.)
Dieses britische Softwarehaus schuf
Homecomputer-Perlen wie Last Ninja
S
124 Speedball 2
006
044 Titus Software
Zig Jet-Modelle, wilde Dogfights, Spaß!
132 Amstrad GX4000
VV
006Barbarian
010 Sony PlayStation
Dank CD und 3D brach eine neue Zeit an
N
030 Lost in Translation
074
078
124
152
174
182
144 Mark Healey
Er sagte seinem Chef Peter Molyneux die
Meinung und erfand den Sackboy
168 Brian Fargo
Der Interplay-Gründer über Wasteland,
Bard’s Tale & Co. – und über die Pleite
N
003Editorial
192Retro-Feed
194Vorschau
112 RCA Studio II
Die verkannte 70er-Jahre-Konsole
130LaserActive
Machina Obscura: Laser-Disc-Konsole
168
Barbarian – Der mächtigste Krieger
» PUBLISHER: PALACE SOFTWARE
» ERSCHIENEN: 1989
» HARDWARE: C64, SCHNEIDER CPC, ATARI,
ZX SPECTRUM, ATARI ST, AMIGA, PC, APPLE II,
ELECTRON, BBC MICRO
Von Mick Schnelle
Ein Spiel, das in England wegen seines freizügigen Covers
in die Schlagzeilen geriet, hierzulande von der Bundesprüfstelle wegen übermäßiger Gewaltdarstellung auf dem Index
landete. Nur zwei von mehreren Gründen, warum Barbarian
– Der mächtigste Krieger einen Rückblick wert ist.
Alles begann mit dem kleinen englischen Entwickler und
Publisher Palace Software, der mit zwei Spielen Mitte der 80er
Jahre einigen Erfolg feiern konnte. Cauldron (dt. Hexenküche – siehe Heinrich Lenhardts Retro Revival in dieser Ausgabe) und der
Nachfolger Hexenküche 2 – Der Kürbis schlägt zurück waren zwei
mehr als ordentliche Baller-Hüpf-und-Spring-Mixe, die vor allem
mit einer für die Zeit schmucken Optik punkteten. Dazu kam, dass
beide Spiele ausschließlich auf Kassette, dafür aber zum verkaufsfördernden Schnäppchenpreis von 15 Mark angeboten wurden.
Vater des Erfolges war ein junger Entwickler und Grafiker namens
Steve Brown, der, vom Chef belobigt, bei der Entwicklung seines
dritten Spiels völlig freie Hand bekam.
Als Conan-Fan gelüstete es ihm nach einem Kampfspiel
mit Barbaren. Heraus kam dabei Barbarian, das in Deutschland den
Untertitel Der mächtigste Krieger trug. Und Meister Brown war
ehrgeizig! Ruckelige Sprites, die mit abgehackten Bewegungen
aufeinander einprügelten, waren unter seinem Niveau. Stattdessen
entwickelte er 16 Bewegungsabläufe, die er höchstpersönlich
aufführte und sich selbst dabei filmte. Die dienten als Grundlage
für die Animationen des Kriegers. Sein Team musste Schritt für
Schritt jede Stufe per Hand auf die Barbarian-Grafik übertragen.
Die Mühen sollten sich lohnen. Denn die Kampfanimationen
waren auf dem C64 ohne Konkurrenz und sollten das Ihre zum
Erfolg des Spiels beitragen. Dabei blieb die Spielgeschwindigkeit
hoch genug, um anders als beim deutlich lahmeren Karateka gut
spielbar zu bleiben. Im Spiel galt es, acht Gegner (bei den späteren
Versionen für Atari ST und Amiga waren es zehn) plus einen Zauberer im Schwertkampf zu besiegen, um eine Barbarenprinzessin
zu befreien. Das Barbarian von Palace Software darf man übrigens
nicht mit dem kurze Zeit später erschienen Barbarian von Psygnosis verwechseln, einem mehr als öden Jump-and-Run.
Apropos Prinzessin: Die tauchte im eigentlichen Spiel
kaum auf. Doch irgendein schlauer Mensch bei Palace Software
kam auf die brillante Idee, für die Covergestaltung auf echte Menschen zu setzen. Und so fand sich neben einem muskelbepackten
Adonis auch noch Maria Whittaker als knapp bekleidete Prinzessin
Mariana prominent platziert in den Spieleregalen wieder. Das ist
nicht die Tochter von Schlager-Roger, sondern eines der Seite-3Busenmädchen der britischen Boulevard-Zeitung The Sun, eine
Quasinachfolgerin von Samantha Fox. Dazu gab es noch ein
Poster von Dame und Krieger, das böse Zungen als den besten
Kopierschutz für Barbarian bezeichneten. Denn Raubkopierer
mussten darauf natürlich verzichten.
Frau Whittakers fotogener Einsatz führte zu Protesten der
üblichen Verdächtigen. Die Gewaltdarstellung im Spiel, einschließlich dem Köpfen des Gegners und einem Gnom, der den Kopf
dann auch noch wegkickte, war den Engländern offensichtlich
schnuppe. Nicht so der deutschen BPjS, weshalb Barbarian für
eine Weile auf dem Index landete. Erst nachdem das rote Blut grün
wurde, durfte auch hierzulande weitergeköpft werden. Die schmucke Maria war hierzulande bei den Sorgenträgern kein Thema.
Wer Barbarian heute noch spielen will, findet eine nett gemachte und zudem kostenlose Version für den PC aus dem Jahr
2009. 2011 erschien eine Version für iOS, die mittlerweile aber
nicht mehr erhältlich ist.
6 | RETRO GAMER 4/2015
» RE RO R V V L
TIMING, DREHSCHWUNG, KOPF AB.
II
CRAZY CARS
CRAZY CARS
WAXWORKS
THE BLUES BROT
HERS
ROBOCOP
PREHISTORIK 2
» Wir wollten von Anfang an
global – nicht französisch
oder europäisch – sein.«
ERIC WOLLTE MIT TITUS DIE WELT EROBERN
Arbeit konnte beginnen. Alain hat nach
eigener Aussage in seinen fünf Jahren
bei Titus Spiele für mehr als 20 Compu­
ter programmiert. Auch wenn mit den
ersten Verkäufen um die 93.000 Euro
eingenommen wurden, war das hohe
Arbeitspensum sehr belastend für alle.
„Ich musste zehn Stunden am
Tag, sechs Tage die Woche arbeiten“,
erinnert sich Jean-Charles. Unter ande­
rem entwickelte EH Services zu dieser
Zeit The One, Erebus, Magic, Balthazar,
sowie die Hunde-Simulation Maddog
– und veröffentlichte die Titel unter der
Titus-Marke. Gleichzeitig kaufte Titus
Spiele anderer Entwickler ein. Mit Classique Vol 1 erschien eine Sammlung an
Klonen, die sich an Space Invaders, Pac
Man und Breakout orientierten.
Alle Spiele wurden normaler­
weise zuerst für den Schneider CPC
programmiert und anschließend portiert.
„Es war die leistungsstärkste Hardware
zu der Zeit. Außerdem konnten die
Entwickler bei Titus gut mit dem CPC
umgehen“, erklärt Jean-Charles. Diese
Herangehensweise war auch deshalb
schlüssig, weil der Schneider CPC in
Frankreich (dort unter dem Originalna­
men Amstrad CPC) sehr erfolgreich
war: Bis September 1986 wurden mehr
als 200.000 Einheiten des CPC 6128
in Frankreich verkauft, was ihn zu dem
bestverkauften Computer dort machte.
DIE FIRMEN-
ARCHIVE
RETRO GAMER GRÄBT DIE AKTEN BEKANNTER ALTER FIRMEN AUS.
TITUS SOFTWARE
Innerhalb von 20 Jahren avancierte Titus Software zu einem der größten Spiele-Unternehmen weltweit und erwarb zahlreiche Entwicklerstudios. Die Meinung der Kritiker war ihnen meist egal. Wir haben uns
mit dem Gründer Eric Caen über Titus Software unterhalten.
SOFORT-EXPERTE
Arcade-Spiele brachten Eric dazu,
6502 Assembler zu lernen.
Eric gründete zusammen mit seinem
Bruder Hervé EH Services.
Titus war der Spitzname von Eric.
Crazy Cars war ein großer Erfolg für
Titus Software.
Eric mischte an mehr als 120 Spielen
bei Titus mit.
Titus vertrieb unter anderem Spiele
von Empire und Anco.
Titus war loyal zum Schneider CPC,
der in Frankreich erfolgreich war.
Dick Tracy, Wild Streets und Fire &
Forget II erschienen für das GX4000.
Prehistorik II war Titus’ letztes Spiel für
den Schneider CPC. Es erschien 1993.
Titus entwickelte sogar für den Fu­
jitsu FM Towns und das CDi.
Die Atari-2600-Version von Crazy Cars
wurde nie veröffentlicht.
In den 1990er Jahren expandierte das
Unternehmen im großen Stil.
44 | RETRO GAMER 4/2015
D
er französische Minister für
Kultur, Renaud Donnedieu
de Vabres, setzte sich im
Jahr 2006 dafür ein, Videospiele als Hochkunst anzusehen. Im
Zuge dessen verlieh er den Ordre des
Arts et des Lettres als Anerkennung
ihrer Leistungen an Frédérick „Alone
in the Dark“ Raynal, Michel „Beyond
Good & Evil“ Ancel und Shigeru Miya­
moto, Nintendos Kult-Kreativen. Ein
Jahr zuvor hatte Titus Software Insol­
venz angemeldet. Der Entwickler und
Publisher mit Sitz in Paris war 20 Jahre
in der Spieleindustrie aktiv gewesen.
Die letzten Jahre in der Geschichte
des Unternehmens waren besonders
schwer: Titus Software brachte nicht
eines, sondern gleich zwei Spiele auf
den Markt, die zu den schlechtesten
Titeln aller Zeiten zählen. Wenn Video­
spiele wirklich auf einer Stufe mit dem
Existentialismus oder dem Impressio­
nismus stehen, dann entsprachen
diese Spiele am ehesten frühmensch­
lichen Wandmalereien.
Dennoch verdienen die Brüder
Eric und Hervé Caen als Gründer von
Titus Anerkennung. Unter ihrer Leitung
stieg Titus zu einem der größten Ent­
wickler und Publisher in Europa auf. In
der Spitze hatte Titus 700 Mitarbeiter –
550 davon waren Programmierer,
Designer und Gestalter. Eric selbst war
erfahrener Programmierer, beide Ge­
schwister ambitionierte Manager.
Eric arbeitete an seinem ersten
Spiel, als er 15 Jahre alt war. Das war
in der zweiten Hälfte des Jahres 1981.
Es handelte sich um eine Portierung
von Octopus. Der Titel war ursprüng­
lich als Game-and-Watch-Spiel erschie­
nen. Spieler sammelten soviel Gold
wie möglich und wichen gefährlichen
Tentakeln aus. Eric setzte das Spiel auf
den Commodore CBM 3032 um. „Ich
habe das Spiel komplett in Assembler
geschrieben“, erläutert uns Eric. Die
Arbeit brachte ihn auf den Geschmack,
und so konvertierte er bald Pengo, ein
Arcade-Spiel von Sega aus dem Jahr
1982, auf den Oric-1. Der Heimcompu­
ter war so beliebt in Frankreich, dass es
eine sechsmonatige Wartezeit gab.
Erics Leidenschaft für Spiele
begann sein Leben zu bestimmen.
Er programmierte bis tief in die Nacht
hinein und verbesserte dadurch seine
Fähigkeiten. Die Schule vernachlässigte
er dagegen. Auch wenn er dadurch
später keinen Universitätsabschluss
machen konnte, war er in der richtigen
Position, ein Unternehmen aufzubauen.
Im April 1985 gründete er im Alter von
19 Jahren mit der Hilfe seines Bruders
EH Services. „Es war ein Entwicklungs­
studio für Auftragsarbeiten“, sagt Eric.
EH Services arbeitete an Lern­
programmen und Spielen für Heimcom­
puter wie den Thomson TO7 oder den
Exelvision EXL 100. Das kleine Unter­
nehmen hatte seinen Sitz in Le Raincy,
einer Gemeinde in den östlichen Voror­
ten von Paris. Jean-Charles Meyrignac
und Gil Espèche wurden als Mitarbeiter
eingestellt. Sie hatten ein Buch zur
BASIC- und Assemblerprogrammierung
des Oric geschrieben.
Ein weiterer früher Mitarbeiter
war Alain Fernandes, der die Idee für
ein Spiel namens L’Ete Sera Chaud
für den Oric-1 ausgearbeitet hatte.
Sein Projekt trug er an verschiedene
Entwickler heran. Jedoch fand sich
niemand, der die Spielidee umsetzen
wollte. Irgendwann wurde Eric, der in
der nahe gelegenen Gemeinde Mont­
fermeil lebte, auf Alain aufmerksam.
Die kleine Gruppe entwickelte
die Spiele Apprends-Moi à écrire für
den Exelvision und Des Signes Dans
l’Espace. Letzteres ist sowohl für den
MSX 1 als auch den Philips VG 5000
erschienen. Die Spiele wurden von Part­
nerunternehmen vertrieben. Noch im
selben Jahr entschlossen sich die CaenBrüder, eine andere Richtung einzuschla­
gen. „Wir hatten eine gute Zeit mit EH
Services“, erzählt Eric. „Wir wollten aber
unsere eigenen Spiele entwickeln. Titus
wurde unsere Vertriebsmarke.“
EH Services war fortan der
Entwickler, während Titus als Pub­
lisher fungierte. So hatten die Caens
mehr Kontrolle über ihre Produkte. Die
Anfangszeit von Titus war schwer, da
schnell ein Portfolio an Spielen aufge­
baut werden sollte. „Ihr Ziel war es,
möglichst viele Spiele auf den Markt zu
bringen. Die Qualität hat keine Rolle ge­
spielt“, blickt Jean-Charles zurück. „Ich
konvertierte einige Spiele innerhalb von
einem Monat. Ich habe mehr als zehn
Titel für sie konvertiert.“
Um den Umsatz zu steigern,
sollten die Spiele auf möglichst vie­
len Plattformen erhältlich sein. Die
Mitarbeiter mussten sich schnell die
Gegebenheiten der unterschiedlichen
Geräte aneignen. Manchmal hatten sie
nur einen Tag, um sich an eine SystemArchitektur zu gewöhnen! Danach
wurden eigene Tools entwickelt und die
I
n der Folge war Titus für einige
technische Neuentwicklungen
auf Basis des CPC verantwortlich.
In Knight Force kam beispielsweise eine Overscan-Technik zum
Einsatz, sodass wirklich jedes Pixel des
Monitors genutzt wurde. Als Hilfsmittel
für die Entwicklung wurde ein Pro­
zessor-Emulator geschaffen. Ein CPC
ohne seinen Z80-Chip wurde geöffnet
und an diesen Z80-Emulator ange­
schlossen. Laut Eric entstand dadurch
ein leistungsfähigeres und flexibleres
Gerät, das es den Entwicklern erlaubte,
Software für Z80-Computer anderer
Hersteller – beispielsweise von Sinclair
oder Sega – zu programmieren.
Zur selben Zeit begann das
Unternehmen, auf ausländische Märkte
zu blicken. „Wir wollten von Anfang
an nicht nur in Frankreich oder Europa,
sondern global tätig sein“, sagt Eric.
Deshalb wollte Titus in den amerikani­
schen Markt einsteigen. Dort war der
Computer-Hersteller Commodore sehr
erfolgreich. 1987 beschloss Eric, dass
das nächste Spiel ein Rennspiel werden
soll. „Titus hatte einen der ersten Ami­
gas in Frankreich“, sagt Jean-Charles.
„Crazy Cars wurde ursprünglich für den
Amiga programmiert.“
Hervé arbeitete als Producer
an Crazy Cars und Olivier Corviole war
für die Grafik zuständig. Das Spiel glich
sehr Segas Out Run. Es wurde zu ei­
nem rasanten Racer, der bei der Presse
ganz gut ankam. So schrieb Vipul Ka­
padia in Commodore User: „Es ist das
erste Amiga-Spiel seiner Art. Es fesselt
einen für Stunden!“ Crazy Car verkaufte
sich sehr gut, wie sich Eric noch immer
freut: „Es hat sich um die 250.000-mal
verkauft und wurde auf zahlreiche Ge­
räte portiert.“
» [SCHNEIDER CPC] Erebus wurde
von EH Services entwickelt. Titus
war der Publisher.
» [ SCHNEIDER CPC] In Dark Century war es unabdingbar, einen Blick ins Handbuch zu werfen.
» [DOS] Fire And Forget war
ein solides Action-Rennspiel.
RETRO GAMER 4/2015 | 45
DIE FIRMEN-
ARCHIVE
EPOCHALE SPIELE
» [SCHNEIDER CPC]
Drei Teile der
Classiques-Sammlung wurden 1987
produziert.
» [ SCHNEIDER CPC]
Ein Spiel war ein
Space-InvadersVerschnitt.
Crazy Cars (1988)
Titan (1989)
The Blues Brothers (1991) Prehistorik 2 (1993)
Das Rennspiel wurde durch Segas
Arcade-Hit Out Run inspiriert. In
dem Amiga-Spiel fanden die Rennen an verschiedenen Orten in den
USA statt. Unfälle verlangsamten
das Fahrzeug, jedoch war die
Zeitbegrenzung viel zu großzügig
ausgelegt und das Spiel größtenteils zu einfach. Crazy Cars wurde
irgendwann schlicht langweilig.
Der Schneider CPC war für Titus
wichtig, da das Gerät in Frankreich erfolgreich war. Titan war
ein gutes Spiel für den Computer.
Der Titel zog seine Inspiration
aus Arkanoid und Breakout. Mit
einem Würfel wurde die Flugrichtung eines Balls beeinflusst,
Ziel war es, alle Steine in den 80
Levels zu zerstören.
Nachdem sich Titus Software
die Lizenz an The Blues Brothers
gesichert hatte, entstand ein
Spiel, das die Charaktere und das
generelle Gefühl der Komödie gut
einfing. Das Plattforming-Spiel
bot Interpretationen der Musik
der Film-Band. Spieler mussten
sich gegen zahlreiche wildgewordene Hunde erwehren.
Diese Portierungen waren jedoch
nicht alle erfolgreich. Das Magazin
Amstrad Action kritisierte die CPCFassung von Crazy Car für ihren Sound.
Außerdem würden die Kurven „aus
dem Nichts erscheinen“, sprich: sehr
spät aufploppen. Die Commodore64-Version kam etwas besser an – ob­
wohl sie laut Jean-Charles in gerade
einmal einem Monat entstand. Er fügt
hinzu, dass der Fokus von Titus nicht
auf der Qualität lag, was zu Problemen
führte. „Wir haben ein Video einer
Demo-Version von Crazy Cars gemacht,
um den Titel vorzustellen. In dieser
Version war die Bremskraft stärker als
die Beschleunigung. Als das Fahrzeug
auf die Ziellinie zu fuhr, wurde es von
einem anderen Fahrzeug gerammt
und blieb stehen. Das Auto war in der
Folge durch das andere Fahrzeug einge­
klemmt und steckte fest.“ Jean-Charles
bedauert, dass sich Titus um das Prob­
lem kaum scherte: „Es war die Menta­
lität der Firma, dass Spiele erscheinen
mussten, egal in welchem Zustand.“
Trotz solcher Probleme mar­
kierte Crazy Cars einen Wendepunkt
für Titus. Die Einnahmen aus dem
Titel erlaubten es, endlich größere
Vorhaben anzugehen. Neue Leute
wurden eingestellt, darunter JeanMichel Masson, Philippe Pamart, Eric
Zmiro, Vincent Berthelot und David
Fernandes (Alains Bruder). Zeitgleich
wurde Titus UK zusammen mit dem
britischen Unternehmen Entertainment
International gegründet. Im Folgenden
erschienen sieben Titus-Spiele für den
Lieblingscomputer der Engländer, den
ZX Spectrum.
Titus konzentrierte sich danach
stärker auf 16-Bit-Geräte. Alain program­
mierte 1988 das Fahrzeug-Shoot-em-up
Fire And Forget für den Amiga und Atari
ST. Wie bei Crazy Cars folgten die 8-BitVersionen des Spiels ein paar Monate
später, denn 8 Bit gehörte noch nicht
der Vergangenheit an. 1989 veröffent­
lichte Titus mit Titan einen soliden 8-BitTitel, und Crazy Cars II setzte 42.000
Einheiten für den Schneider CPC ab.
Laut Titus war es der meistverkaufte
Titel aller Zeiten für die Hardware.
Die Erfahrungen mit 8-BitGeräten erleichterte Titus den Einstig in
Der Erfolg von Prehistorik führte
unausweichlich zu einem Nachfolger. Auch diesmal war der
Höhlenmensch in Cartoon-Optik
mit von der Partie. Prehistorik 2
war das letzte kommerzielle Spiel
von Titus für den Schneider CPC.
Das Spiel nutzte die zusätzlichen
Grafik- und Sound-Möglichkeiten
der Plus-Reihe des Computers.
die Konsolenspiele. The Blues Brothers
erschien 1992 für das NES, ein Jahr
nach den Versionen für die wichtigsten
Heimcomputer. Der Schritt hin zur Kon­
sole war kein leichter: Nintendo legte
bei der Zertifizierung von Spielen einen
deutlich höheren Standard an, als es
Titus intern tat. Der Schritt war laut Eric
aber notwendig: „Die Blues-BrothersLizenz auf das NES zu bringen, war
wichtig für uns. Genauso wie Prehistorik
Man auf dem SNES.“
Der Fokus von Titus richtete
sich mehr und mehr auf Lizenzspiele.
Von Hervé ist das Zitat bekannt, dass
Robocop wurde 2003 veröffentlicht. Es war der letzte Titel, den
Titus vor der Insolvenz veröffentlichte. Das Spiel stellte unter
Beweis, dass die Entwickler sehr
wenig aus dem Superman 64-Debakel gelernt hatten. Robocop war
von Anfang bis Ende voller Bugs.
Die Missionen wurden schnell zu
einer reinen Geduldsprobe.
TITUS SOFTWARE CORPO­
RATION WIRD IN KALIFORNI­
EN GEGRÜNDET. FIRE
AND FORGET UND TITAN
ERSCHEINEN.
TITUS VERTREIBT
PREHISTORIK.
1985
1988
1991
1987
CRAZY CARS
ERSCHEINT
FÜR AMIGA.
46 | RETRO GAMER 4/2015
1990
» [SCHNEIDER CPC]
Arachnophobia
wurde von BlueSky
Software entwickelt.
DAS SPIEL THE BLUES BROTH­ERS
KOMMT AUF DEN MARKT. TITUS
BEGINNT, SPIELE FÜR DIE GX4000KONSOLE AUF STECKMODULEN
HERZUSTELLEN.
AUTOMOBILI
LAMBORGHINI
ERSCHEINT FÜR
NINTENDO 64.
PREHISTORIK 2
UND SUPER
CAULDRON
ERSCHEINEN.
1992
» [ SCHNEIDER CPC]
Die Grafik des
Breakout-Klons war
nicht der Renner.
Einige der Lizenzspiele waren
von ausnehmend schlechter Qualität.
Kritiker warfen dem Unternehmen
Zynismus vor und wiesen auf erneute
Veröffentlichungen von Spielen hin, die
beim ersten Mal bereits nicht gut an­
gekommen waren. Ein solcher Fall war
beispielsweise DickTracy, das 1990 für
das GX4000 (Amstrads CPC-basierte
Konsole) erneut veröffentlicht wurde.
Titus nutzte die bessere Hardware nicht
im Geringsten aus, sondern beließ das
Spiel in der CPC-Version.
Doch es ging auch anders:
The Blues Brothers war das genaue
Gegenteil solcher Lizenz-Verwurstungs­
praktiken, nämlich ein mit Liebe ge­
machtest, technisch ausgereiftes Spiel
mit schöner Grafik und gutem Sound.
Mit diesem Plattform-Spiel samt Erkun­
dungskomponente rehabilitierte sich
Titus in gewisser Hinsicht.
N
ach The Blues Brothers
waren es einige eigene
Spielideen, die positiv
hervorstachen. Anfang
der 90er Jahre arbeitete Titus mit
externen Entwicklern zusammen, da­
runter Cybele, die Prehistorik für Atari
ST machten. Titus portierte das Spiel
auf andere Plattformen. Außerdem half
JEAN-CHARLES MEYRIGNAC ÜBER
QUALITÄTSMÄNGEL MANCHER TITEL
das Unternehmen bei der Finanzierung
von Prehistorik II, das 1993 erschien.
Wir schon weiter oben erwähnt, wurde
der Titel etwas später unter dem Titel
Prehistorik Man für Game Boy und
SNES portiert.
Mitte der 90er Jahre setzte Ti­
tus vor allem auf etablierte Marken. Zum
Beispiel wurde Lamborghini American
Challenge veröffentlicht, das ursprüng­
lich Crazy Cars III hätte werden sollen.
Abseits davon wurden einige virtuelle
Schachspiele auf den Markt gebracht.
Zu jener Zeit expandierte Titus mit Ve­
hemenz. Ein amerikanischer Ableger mit
dem Namen Titus Software Corporation
war in Kalifornien angesiedelt.
Der Spielemarkt wandelte sich
jedoch und Titus musste mitziehen.
„Der Schritt von 2D zu 3D ist uns
schwergefallen“, gibt Eric zu. Um mehr
Geld zu sammeln, ging das Unterneh­
men 1996 unter dem Namen Titus
Games plc an die französische Börse.
Ein Jahr später wurde es unter dem
Segment Le Nouveau Marche geführt,
also am „Neuen Markt“. Titus begann
sich nach Akquisitionen umzusehen.
„Es war schwer, gute Mitarbeiter zu
Jean-Charles
Meyrignac
ZEITSTRAHL
EH SERVICES WIRD VON DEN BRÜDERN ERIC
UND HERVÉ CAEN GEGRÜNDET. DER PUBLI­
SHER TITUS INTERACTIVE WIRD GEGRÜNDET.
THE ONE IST DAS ERSTE SPIEL, DAS UNTER
DEM LABEL VERÖFFENTLICHT WIRD.
» [ SCHNEIDER CPC]
Der Begriff „Kopie“
dürfte auf die Umsetzungen zutreffen.
Robocop (2003)
sich Lizenztitel „sogar ohne eine Disk
in der Verpackung“ verkaufen würden.
Er machte aber auch deutlich, dass es
„schwieriger ist, eigene Kreationen auf
den Markt zu bringen.“ The Blues Brothers war nur eine von vielen Lizenzen,
die Titus erwarb. Das Unternehmen
wollte verhindern, dass sich Konkur­
renten wie Electronic Arts oder Ocean
Software Lizenzen unter den Nagel
reißen. „Wir haben echt viele Lizenzen
umgesetzt“, erzählt Eric und nennt als
Beispiele Xena, Hercules, Robocop, Superman, Kasparov, Quest For Camelot
und Lotus.
» Die Mentalität
war: Spiele sollen
erscheinen – der
Zustand war egal.«
1993
ZUM ERSTEN UND EINZIGEN
MAL TRITT DAS MASSKOTT­
CHEN DES UNTERNEHMENS
IM SPIEL TITUS THE FOX AUF.
1996
1997
TITUS GEHT AN
DIE FRANZÖSISCHE
BÖRSE.
Eric Caen
» [ GX4000] Titus brachte einige Spiele
direkt auf die GX4000-Konsole.
DAS UNTERNEHMEN WIRD
HAUPTANTEILSEIGNER VON
VIRGIN INTERACTIVE. SUPERMAN
GILT ALS EINES DER SCHLECHTES­
TEN SPIELE ALLER ZEITEN.
1998
1999
TITUS KAUFT DIGITAL
INTEGRATION UND
BLUESKY SOFTWARE.
ROBOCOP REIHT SICH
IN DIE LISTE DER
SCHLECHTESTEN SPIE­
LE ALLER ZEITEN EIN.
2001
2003
TITUS WIRD HAUPTAN­
TEILSEIGNER VON INTER­
PLAY ENTERTAINMENT.
2005
TITUS MELDET
INSOLVENZ AN.
Nach dem Ende von Titus
im Jahr 2005 wurde Eric
Präsident von Interplay.
Das Unternehmen hatte
Titus vier Jahre zuvor
aufgekauft. Inzwischen
wurden einige bekannte
Titus-Marken von Interplay
erneut veröffentlicht. Zum
Beispiel Prehistorik für iOS
und Crazy Cars: Hit The
Road für Windows, Android
und iOS.
Charles Goodwin
Der Mann hinter Prehistorik
und Titus The Fox arbeitete
zuletzt an Fish Fillets für
ALTAR Interactive. Das war
im Jahr 2004.
Hervé Caen
Hervé war ab 1999 Präsident und Director bei
Interplay. Im Jahr 2002
übernahm er dort den Posten des CEO und zwischenzeitlich auch den des CFO.
Nachdem er 1989 nach
knapp drei Jahren Titus
verlassen hatte, arbeitete
Meyrignac bei Ocean Software France. Es folgten
Engagements bei Cryo
Interactive, Quantic Dream
und Infogrames. Er arbeitet nun als Entwicklungsingenieur.
Alain Fernandes
Alain war unter anderem bei
Ubisoft, Loriciel, Renders,
Ocean, Mindscape und Otaboo aktiv. 2014 half er bei der
Portierung von Titan auf PC,
Mac und PS Vita.
Olivier Corviole
Olivier arbeitete kurz bei Titus. Er war später Artistic Director bei
einigen französischen Unternehmen. Nun ist er am IUT de Montreuil, dem technologischen Institut der Universität Paris 8, tätig.
WAS WURDE AUS …
RETRO GAMER 4/2015 | 47
DIE FIRMEN-
ARCHIVE
finden. Da ging es viel schneller, ein
ganzes Unternehmen aufzukaufen“, er­
innert sich Eric. „Mit dem Börsengang
1996 haben wir Geld gesammelt und
viele Konkurrenten aufgekauft. Das war
die einzige Möglichkeit für uns, schnell
zu wachsen.“
1997 beliefen sich die jährlichen
Einnahmen des Unternehmens auf
mehr als 20 Millionen Euro. Die Qualität
der Spiele schwankte allerdings weiter­
hin stark, zwei Beispiele: Automobili
Lamborghini war ein gutes Rennspiel
für Nintendo 64, das SNES-Spiel Incantation kam jedoch schlecht an. Eine
N64-Umsetzung wurde eingestellt.
1998 übernahm Titus das Stu­
dio Digital Integration. Der Entwickler
aus London war für Flugsimulationen
bekannt. Mit Digital Integration hatte
Titus die Möglichkeit, auf dem PCSpiele-Markt Fuß zu fassen. Außerdem
wurde BlueSky Software aufgekauft,
um auf dem PlayStation-Markt voranzu­
kommen. Digital Integration entwickelte
Top Gun: Combat Zones, das 2001 auf
den Markt kam; es ist eines von Erics
Lieblingsspielen. Titus vertraute weiter­
hin auf eine Mischung aus Lizenztiteln
und eigenen Ideen, Ende der 90er war
der Publisher in fast jedem Genre ver­
treten – von Virtual Chess für Nintendo
64 bis hin zu Superman für Game Boy.
Auch Smart Dog und Virgin Interactive
wurden aufgekauft, Letztere dann 2003
in Avalon Interactive umbenannt.
» [AMIGA]
In Highway Patrol II
jagten die Spieler
Kriminelle.
D
och die Qualität blieb immer mehr auf der Strecke.
Dies wurde vor allem bei
dem N64-Spiel Superman
deutlich. Es basierte auf der Zeichen­
trickserie Superman: The Animated Series und wurde in einem ausnehmend
schlechten Zustand veröffentlicht. „Superman ist nicht so gut gewesen, wie
es hätte sein können“, beschreibt Eric
das – was wohl die Untertreibung des
Jahrhunderts ist. Und Eric macht weiter
mit seinem Verteidigungskurs: „Man
kann nicht immer mit allem zufrieden
sein, wenn man so schnell Spiele ent­
wickelt, wie wir es getan haben.“
Selbst schon kränkelnd, erwarb
Titus 2001 Mehrheitsanteile an Inter­
play. Jenes einst ruhmreiche Unterneh­
men befand sich ungefähr seit 1998
in Schwierigkeiten. Hervé Caen wurde
neuer Interplay-Geschäftsführer und
wollte die Firma grundlegend umbauen.
Der zu Interplay gehörende Entwickler
Shiny Entertainment wurde an Infogra­
» [DOS] Metal Rage: Defender Of The Earth
war ein schwacher Shooter.
» [SNES] Lamborghini American Challenge
unterstützte die Super-Scope-Light-Gun.
mes veräußert, BlueSky Software noch
2001 geschlossen.
Die Aufmerksamkeit von Titus
lag nun vor allem darauf, Interplay
zu stützen und beide Unternehmen
wieder in die Erfolgszone zu führen.
Was hingegen folgte, war der Zusam­
menbruch der Mutterfirma: Titus stand
vor der Auflösung, am 9. Januar 2005
meldete das Unternehmen Insolvenz
an. Die Schulden beliefen sich auf gut
35 Millionen Euro. Interplay wurde
fortgeführt, weiterhin mit Hervé an der
Spitze. „Es waren mehrere Faktoren
ausschlaggebend [für die Insolvenz]“,
sagt Eric. „Aber der Hauptgrund war
wohl ein Liquiditätsengpass auf dem
Finanzmarkt. Dieser führte dazu, dass
wir die Schulden nicht mehr abbezahlen
konnten, die wir 2000 für den Kauf
von Interplay aufgenommen hatten.“
Letztendlich seien sie zu jung und un­
erfahren gewesen, fährt Eric fort, der
dennoch versöhnlich endet: „Es ist eine
tolle Erfahrung gewesen. Oder will mir
da jemand widersprechen?“
DAS MACHTE TITUS SOFTWARE AUS
GALLISCHES FLAIR?
VIELFÄLTIGE SPIELE
EINPRÄGSAMES LOGO
ARROGANZ?
Titus drang später auf den Markt als britische und amerikanische Unternehmen.
Sie schienen einen guten Überblick zu haben, was auf dem Spielemarkt möglich ist.
Es ist schwer, Titus auf ein oder zwei
spezielle Genres festzunageln. Es wurden
Puzzle- und Rennspiele, aber auch Shooter und Schachspiele veröffentlicht.
Für Fans wird der Name „Titus“ mit dem
Fuchs im Logo des Unternehmens in Verbindung gebracht. Ungefähr 1987 tauchte
das Logo erstmals in Titus-Spielen auf.
Durch die schiere Masse an Spielen machte
Titus viel Geld. Im Jahr 2000 erwartete das
Unternehmen ein Wachstum um 500 Prozent. Waren sie zu arrogant geworden?
GLOBALE ORIENTIERUNG
VERTRAUTE SPIELE
ZAHLREICHE LIZENZEN
SCHRECKLICHE SPIELE
Titus war ein Pionier der französischen
Spieleindustrie in Sachen globaler Ausrichtung. Das Unternehmen hatte Büros
in Paris, Los Angeles, San Diego, London,
Leamington Spa und Toyko.
Titus orientierte sich an bekannten Titeln.
Crazy Cars erinnerte an Out Run. Off Shore
Warriors wiederum wirkte wie Crazy Cars
auf dem Wasser. Mega Man dürfte Incantation inspiriert haben.
Titus sicherte sich viele Lizenzen, in der
Hoffnung, sichere Hits auf den Markt
bringen zu können. Superman, Dick
Tracy und Robocop dürften sie da eines
Besseren belehrt haben.
Mit schlechten Spielen machte
sich Titus seinen Ruf kaputt. Einige
Spiele wurden viel zu früh auf den
Markt gebracht, waren unfertig
und verbuggt.
48 | RETRO GAMER 4/2015
30 JAHRE MIT ATARI ST
Das
Spielegerät
30 JAHRE MIT 16/32 BIT
Wusstet ihr, dass „ST“ für „Sixteen/Thirty-two“ steht und
die externe sowie interne Busbreite von Ataris Homecomputer bezeichnet? Anlässlich seines 30. Geburtstags wollen
wir den beliebten, vielseitigen Heimcomputer ehren, der
selbst heute noch eine aktive Community hat.
Mit welchem Thema sollten wir
einen Artikel über den Atari ST
beginnen, wenn nicht mit Spielen? Schließlich werden sich die
meisten damaligen Besitzer des
Heimcomputers doch vor allem an
dessen Spielefähigkeiten erinnern.
Ursprünglich war der ST gar nicht
als Spielegerät geplant. Firmenchef
Jack Tramiel wollte einen Computer
für seriöse Zwecke wie Desktop-­
Publishing und Textbearbeitung.
Die Hardware zielte auf dieselbe Zielgruppe wie der erfolgreiche
Apple Macintosh ab, nicht umsonst
wurde das Gerät von der Presse damals auch „Jackintosh“ getauft. Doch
die Erfahrung zeigte bereits in den
80ern, dass ein Computer nicht immer
dafür genutzt wird, wofür er eigentlich
vorgesehen war – fragt nur mal Sir Clive Sinclair. Aufgrund der guten Ausstattung des ST, die selbst damalige PCs
und Macs übertraf, bestand nämlich
kein Zweifel daran, dass er auch mit
Spielen wunderbar klarkommen würde.
In der Anfangszeit kamen diese
vor allem aus eigenem Haus. Tramiel
formte die Atari Corporation aus den
Resten des ehemaligen Videospiel-Giganten und konnte so eine riesige Spielebibliothek nutzen, um fachgerechte
Ports von Titeln wie Star Raiders, Missile Command, Asteroids, Millipede und
Battlezone herstellen zu lassen. Der
Durchbruch als Spielemaschine gelang
dem ST jedoch erst im Jahr 1986 mit
dem Release von Dungeon Master von
Faster Than Light. Schnell wurde der
Atari von jedem wichtigen Publisher
für Heimcomputer unterstützt, bei
» [Atari ST] Dungeon Master von FTL
war der erste große Hit auf dem ST
und für viele ein Kaufgrund.
OK
» Die angewinkelten Funktionstasten
fanden auch ihren Weg auf die XE-Baureihe.
» Das einseitige Diskettenlaufwerk
wurde später durch ein doppelseitiges ersetzt.
» Für viele war der Amiga dem
ST weit überlegen. Bei Populous
und seinem Nachfolger konnte
er aber gut mithalten. « GLENN CORPES
52 | RETRO GAMER 4/2015
RETRO GAMER 4/2015 | 53
30 JAHRE MIT ATARI ST
» Die Modellnummer auf dem Atari ST
gibt Auskunft über den verbauten
Hauptspeicher.
Mit Spielen dieser Hersteller macht ihr nichts falsch.
ATARI ST
ATARI STE
MOTOROLA
68000
@ 8 MHZ
MOTOROLA
68000
@ 8 MHZ
BLITTER
MOTOROLA
68000 @
7.16 MHZ
BLITTER
FARB
PALETTE
512
FARBEN
4096
FARBEN
4096
FARBEN
FARBEN
16 AUF
BILDSCHIRM
16 AUF
BILDSCHIRM
32 AUF
BILDSCHIRM
PROZESSOR
AUFLÖSUNG
SPEZIELLE
HARDWARE
AMIGA 500
320X200 NIEDRIG, 640X200 MITTEL,
640X400 HOCH (FLACKERFRE MONO, AUSSER AM GA)
KEINE
SCROLLING
DMA
SOUND YAMAHA YM2149 YM2149
3 KANAL
2 KANAL
MONO
PCM STEREO
SCROLLING,
HAM, COPPER
PAULA
4 KANAL
STEREO
512K
STANDARD,
BIS ZU 4MB
AUFRÜSTBAR
512K
STANDARD,
BIS ZU 14MB
AUFRÜSTBAR
512K
STANDARD,
BIS ZU 2MB
AUFRÜSTBAR
ANSCHLÜSSE RGB/MONITOR,
RF, RS232,
MIDI IN/
OUT PARALLEL
DRUCKER,
DISKETTEN
LAUFWERK,
MODUL,
2 X JOYSTICK
/ MOUSE,
DMA
WIE ST PLUS:
2 X ANALOG
JOYSTICK
PORTS,
STECKMODULE
FÜR RAM
RGB/MONITOR,
STEREO,
RS232, RCA,
PARALLEL
DRUCKER,
DISKETTEN
LAUFWERK, 2
X JOYSTICK/
MOUSE,
ERWEITER
UNGSBUS
SPEICHER
vielen Herstellern galt er außerdem
als führende Entwicklungsplattform.
Das sollte sich auch vorerst nicht ändern – erst Ende der 80er wurde er
diesbezüglich vom Commodore Amiga
abgelöst – pikanterweise also vom
neuesten Heimcomputer jener Firma,
die der 2012 verstorbene Tramiel selbst
gegründet hatte.
Glenn Corpes war damals bei
Bullfrog für die ST-Entwicklung zuständig und hat die alte Zeit noch genau im
Kopf: „Mein erstes Spiel bei Bullfrog
war der Port von Druid 2: Enlightenment. Es erschien exklusiv für Amiga,
ebenso wie mein zweites Spiel Fusion.
Allerdings brachten beide Titel nicht
genug Geld ein, und da ich – damals
noch als Zeichner – nicht genug zu tun
hatte, nutzte ich die Zeit, um meine
Programmierfähigkeiten auf dem Atari
ST etwas zu verbessern. Ich begann
mit einem Port von Fusion, ließ mich
aber immer wieder von einer isometrischen, von Spindizzy inspirierten Engine
ablenken. Diese Engine wurde später
zu Populous, das außer auf dem Atari
auch auf dem Amiga lief.
Was dachte Glenn über den ST
als Spielegerät, insbesondere im Vergleich zum grafisch stärkeren Amiga?
„Es hing alles vom Spiel ab. Für viele
Spiele war der Amiga dem ST weit
überlegen. Bei Populous und seinem
Nachfolger mit ihren vielen kleinen und
auf 16 Pixel begrenzten Blöcken konnte
der Atari jedoch gut mithalten. In 3DSpielen wie Powermonger lief die STVersion aufgrund der flotteren CPU und
» Dank integrierter MIDI-Ports
war der ST erste Wahl für Mus ker.
54 | RETRO GAMER 4/2015
der besseren Bildspeicherverarbeitung
sogar schneller.“
Glenn fährt fort: „Ich arbeitete
nur für wenige Jahre mit dem ST. In
dieser Zeit programmierte ich Fusion,
Populous und Powermonger. Abseits
davon blieb nicht viel Zeit übrig. Dennoch beschäftigte ich mich für eine
Weile mit einer isometrischen Engine,
die kleinere Kacheln und mehr Vielfalt
bei der Steigung von Hängen erlaubt
hätte. Vorgesehen war die neue Ver­
sion für Populous 2. Da das aber zuerst
für den Amiga kam und teilweise auf
MOVEP-Tricksereien basierte, brachen
wir die Arbeiten an der ST-Engine
irgendwann ab. Außerdem experimentierte ich mit einer Iso-Engine mit partiellen Bildschirm-Updates, die das Gegenteil vom erzwungenen Bildaufbau in
Populous war. Ironischerweise kamen
Teile davon in Syndicate zum Einsatz,
das es nie auf den ST schaffte.
Abschließend fragen wir Glenn
noch, woran er sich beim ST vor allem
erinnert: „Es war eine sehr simple
und einfache Plattform, ganz ohne
Blitter-Schaltkreise, die Programmier-
LORICIEL
» Auf dem ST gab es auch erste Pakete
für Heimdigitalisierung. Jack Tramiel
probierte sie selbst aus.
» Die eingebauten MIDI-Ports
waren für kreative Leute ein
klassischer Gamechanger.
Für Musiker war der ST ein
verlässliches Werkzeug, das
auch in Live-Setups seinen
Dienst verrichtete. « MALTE PFAFF -BRILL
sprache Copper oder Hardware-Sprites. Programmierer mussten sich nicht
lange umgewöhnen wie beim Amiga,
sondern konnten loslegen. Auf dem
Amiga ging es mehr darum, CopperListen einzusetzen und viele große
Sprites zu bewegen, während ST-Demos mehr Richtung 3D gingen. Beide
Geräte sprachen eine andere Art von
Kreativität an.“
Die Musikmaschine
» Das auch heute noch erhältliche
Cubase von Steinberg war eines
der besten Musikprogramme.
» Die UK-Elektronikband 808 State,
hier ihr Studio, produzierte
ihre Musik auf dem ST.
Seine größten Erfolge feierte der
Atari ST in der Musikszene. Zu
verdanken war das dem genialen
Schachzug, fest verbaute MIDI-Anschlüsse zu integrieren.
Nicht zuletzt trug aber auch der
niedrige Preis des Geräts seinen Teil
bei. Künstler wie Fatboy Slim, Jean
Michel Jarre, 808 State, Utah Saints
und selbst Madonna peppten ihre Musik mit Hilfe eines ST auf – mehr Auftritte bei Top of the Pops als der Atari
ST konnte Ende der 80er und Anfang
der 90er wohl niemand verbuchen,
egal ob Künstler oder Maschine. Sogar
beim Album Syro von Aphex Twin,
dem Grammy-Gewinner 2015 in der
Kategorie Dance/Electronic, kam noch
ein ST zum Einsatz – nicht schlecht für
eine 30 Jahre alte Kiste!
Wir sprachen mit Malte PfaffBrill, einem Musiker mit ST-Erfahrung.
Er berichtet uns, wie ihm der Computer
zum Einstieg ins Musikbusiness ver-
half. „Ein paar Freunde von mir besaßen ein Tonstudio in Norddeutschland,
in dem hauptsächlich Indie-Künstler
ihre Aufnahmen machten. Meistens
wurden MIDI-Geräte eingesetzt. Im
Prinzip sammelten wir alles an Equipment, was wir hatten, kauften ein
teures Yamaha-02R-Mischpult, ein Paar
ADAT-Geräte und ein gutes Mikrofon,
ein Neumann U87. Dann begannen wir,
unseren eigenen Kram aufzunehmen.
Später kamen auch andere Künstler
zu uns, als sich herausstellte, dass die
zwei anderen begabt im Abmischen
waren. Ich war mehr der Songschreiber und Tester, half jedoch auch bei der
Produktion anderer Künstler.“
Wir haken nach, was ausgerechnet den Atari ST so ideal für die
Produktion von Musik machte. „Das
Timing [einzelner Tonspuren] war einfach verdammt gut! Der ST war soviel
besser als die damals verfügbaren
Alternativen. Die im ST verbauten M DI-­
Ports ermöglichten Software, mit der
man mit Leichtigkeit sein ganzes Equipment steuern konnte. Mein Favorit für
den ST war Cubase. Der Atari nahm es
diesbezüglich selbst mit viel teureren
Lösungen auf. Man musste nicht mal
zusätzliche Hardware kaufen, sondern
nur seine Geräte nur einstecken.“
Eine der Bands, der Malte bei
der Produktion ihrer Musik half, war
JAW, die mit ihren Liedern wie Survive
vor allem in Deutschland und Europa
Bekanntheit erlangten. Wir fragten Malte, inwiefern der ST die Musikindustrie
veränderte: „Die eingebauten MIDI-­
Ports waren für einige kreative Leu-
■ Der große Erfolg des ST in Frankreich sorgte für einen weitreichenden
Support französischer Publisher und
viele ST-exklusive Spiele. Loriciel sorgte mit neuen, beeindruckenden Spielen
wie Bob Winner, Thunder Burner und
Jim Power stets für Nachschub.
THALION
■ Auch in Deutschland konnte der ST
Erfolge feiern. Aus der deutschen Produktion von Thalion stammten einige
der technisch besten Spiele für den ST,
darunter zum Beispiel No Second Prize,
Wings of Death und Trex Warrior: 22nd
Century Gladiator.
BITMAP BROTHERS
■ Auch wenn sie mehr Entwickler
denn Publisher waren, müssen wir
die brillanten Brüder an dieser Stelle
einfach aufführen. Der Atari ST war
ihre Lead-Plattform, Spiele wie Xenon,
Speedball und Cadaver standen den
Amiga-Versionen daher in nichts nach.
LOGOTRON
■ Der kurze Ausflug dieser Firma
ins Spielebusiness – bis heute ist sie
vor allem bekannt für Lernsoftware –
brachte tolle Software hervor. StarRay
etwa bewies, dass auch der ST Parallax
Scrolling beherrschte, und Archipela­
gos machte den Weg für Polygone frei.
INFOGRAMES
■ Und noch ein französisches Unternehmen: Witzigerweise ist Infogrames
der heutige Besitzer der Atari-Marke.
Damals waren sie reiner Publisher und
brachten über 70 Spiele inklusive North
& South, Mystical und Captain Blood für
den ST heraus.
» Ein Designfehler: Die Anschlüsse
für Joystick und Maus befanden
sich unterhalb des ST.
RETRO GAMER 4/2015 | 55
30 JAHRE MIT ATARI ST
Weil der ST dem Amiga in der Anfangszeit bei den Verkaufszahlen überlegen war, wurde er
früh von vielen Entwicklern unterstützt. Gleichzeitig wurden viele Spiele in dieser Zeit für den
ST, nicht aber für den Amiga veröffentlicht. Hier sind zehn der besten Exklusivtitel.
SUPER SPRINT
ROAD RUNNER
■ ENTWICKLER: Electric Dreams
■ JAHR: 1986
■ ENTWICKLER: US Gold
■ JAHR: 1987
Der Atari-Automat Super Sprint
kam in Spielhallen enorm gut
an, und auch die Portierung
von Electric Dreams für den
Heimcomputer fand schnell ihre
Fans. Es handelte sich um eine
liebevolle Umsetzung der Vorlage. Auf acht Kursen erlebt ihr
mit eurem Rennwagen spannende Duelle aus der Vogelperspektive. Da die Strecken ohne
Scrolling auf einem Bildschirm
dargestellt wurden, hattet ihr
stets den vollen Überblick über
das Geschehen. Bis zu drei
Personen konnten auf dem ST
gegeneinander antreten, wobei
dann ein bemitleidenswerter Spieler auf die Tastatur
ausweichen musste. Häufig
wird das Spiel als der beste
Multiplayer-Titel für den ST
genannt – wer es selbst einmal
ausprobieren durfte, wird dem
kaum widersprechen.
Viele der frühen Konvertierungen
von US Gold erschienen nicht
für den Amiga. Dazu zählen
etwa Gauntlet, Metro-Cross
und Solomon’s Key , aber auch
der Port des Arcadeautomaten
Road Runner von Atari. Wer die
Cartoon-Vorlage kennt, wird über
das Spielprinzip kaum überrascht
sein: Als wieselflinker Road
Runner seid ihr auf der Flucht vor
dem hinterlistigen, nicht aber sehr
cleveren Wile E. Coyote. Das Flair
und der Humor des Zeichentricks
wird gut eingefangen: Verfolgt
euch euer Widersacher anfangs
ausschließlich zu Fuß, setzt er
später fiese Tricks wie Sprungfedern ein, um eurem Tempo
standzuhalten. Doch der Kojote ist
nicht die einzige Gefahr, zusätzlich
müsst ihr auch Hindernissen wie
Steinkugeln ausweichen, über Abgründe springen und regelmäßig
Nahrung zu euch nehmen.
WHERE TIME
STOOD STILL
■ ENTWICKLER: Denton Designs
■ JAHR: 1988
Das isometrische Action-Adventure von Denton Design ist den
meisten vermutlich vor allem in
seiner 128k-Spectrum-Version bekannt. Doch auch die ST-Fassung
ist durch und durch gelungen.
Interessanterweise entschieden
sich die Entwickler dafür, die
Mono­chrom-Optik trotz Upgrade
auf das 16-Bit-System beizubehalten, um auf diese Weise an einen
typischen Schwarz-Weiß-Film zu
erinnern. Where Time Stood Still
schickt euch auf eine Erkundungsreise ins Himalaya-Gebirge. Nach
einem Flugzeugabsturz entdeckt
ihr, dass in dem unerforschten
Gebiet prähistorische Saurier
und Steinzeit-Stämme überlebt
haben. Ihr steuert eine Gruppe aus
vier Mitgliedern (den Piloten des
Flugzeugs und seine Fluggäste),
von denen jedes über eigene
Fähigkeiten verfügt.
OIDS
RANARAMA
STAR QUAKE
■ ENTWICKLER: SEGA
■ JAHR: 1987
■ ENTWICKLER: FTL
■ JAHR: 1987
■ ENTWICKLER: Graftgold
■ JAHR: 1987
■ ENTWICKLER: Bubble Bus
■ JAHR: 1988
Die Umsetzung des exzellenten
Sega-Automaten ist neben
Knightmare der einzige Titel, den
Activision nicht gleichzeitig auch
für den Amiga portierte. Mit seinen großen Sprites, der konstant
hohen Bildrate und der außergewöhnlich guten Musik von David
Whittaker gibt es kaum etwas an
dieser Portierung auszusetzen.
Spielziel ist es, auf einer Enduro
so schnell wie möglich das Ziel
zu erreichen. Auf der Strecke sind
diverse Sprungschanzen und Hindernisse verteilt, zudem müsst
ihr euch die Piste mit zahlreichen
anderen Motorrädern und Autos
teilen. Je mehr ihr von ihnen
überholen könnt, desto höher fällt
eure Punktzahl aus. Diese Punkte
erlauben euch auch die Aufrüstung eures Gefährts. Für optische
Abwechslung sorgten diverse
Umgebungen wie die Wüste oder
ein Sandkurs am Meer.
Oids ist nicht nur einer der bekanntesten ST-Titel, sondern auch
eines der besten Spiele für das
System (siehe auch das Retro-Revival von Michael Hengst in dieser
Ausgabe). Es erinnert sehr an den
Atari-Automaten Gravitar, in Sachen
Erfolg konnte es diese Vorlage und
verwandte Spiele wie Thrust locker
ausstechen. Außerdem entlieh sich
Oids Elemente aus Choplifter. Eure
Aufgabe besteht darin, auf diversen
Planeten Androiden-Sklaven namens
Oids zu retten. Hierfür müsst ihr euer
Raumschiff über den Bildschirm
steuern und feindliche Anlagen
zerstören, woraufhin die Oids das
Gebäude verlassen und aufgesammelt werden können. Die Steuerung
des Schiffs gestaltet sich jedoch sehr
schwierig, da ihr sehr sensibel mit
dem Schub umgehen müsst und nur
durch umdrehen und erneuten Schub
bremsen könnt. Jeder Kontakt mit
der Umgebung endet tödlich …
Auch der Publisher Hewson
Consultants zählte zu den ersten
Unterstützern des ST und versorgte ihn mit vielen Spielen, die
nicht auf den Amiga portiert wurden. Der wohl berühmteste dieser
Titel ist Ranarama, ein grandioser
Gauntlet-Klon von Steve Turner.
Ihr schlüpft in die Rolle von Mervyn, einem Menschen, der durch
einen Zauberspruch zu einem
Frosch verwandelt wurde. Um
wieder zu eurer ursprünglichen
Gestalt zurückzugelangen und
den Tod eures Meisters zu rächen,
müsst ihr euch durch zahlreiche
Dungeons kämpfen. Eine prominente Rolle in Ranarama spielt
das Magiesystem, das sich in vier
Typen – offensiv, defensiv, effektiv
und Kraft – mit jeweils acht
Sprüchen aufteilt. Nur wer diese
geschickt einsetzt, hat gegen die
feindlichen Zauberer und Monster
eine Chance.
Stephen Crows brillantes Spiel Star
Quake wurde ursprünglich bereits
1985 für diverse 8-Bit-Computer
veröffentlicht. Drei Jahre später
erschien nachträglich auch ein STPort, der alles in allem als die beste Version gilt – und nie für Amiga
kam. In diesem plattformbasierten
Arcadespiel steuert ihr euren
BLOB (steht für Bio-Logically
Operated Being). Dabei handelt
es sich um einen Roboter, der den
Planet vor der Explosion bewahren
muss. Dafür sucht und sammelt
ihr Items, die ihr anschließend zum
Planetenkern bringt. 512 Einzelbildschirme erwarten euch in Star
Quake – um schneller von A nach
B zu gelangen, gibt es allerdings
auch Teleports, zudem könnt ihr
euch auch mit Hilfe von fahrbaren
Plattformen fortbewegen. Eure
Feinde sind meist fantasievolle
Kreaturen, die ihr mit Schusswaffen bekämpft.
rung, wenn er an den Atari ST denkt?
„Es war der Computer, der mich dazu
brachte, Musik zu machen. Darüber
hinaus legte er auch den Grundstein
für meine heutige Arbeit. Wer weiß,
was ich heute machen würde, hätte ich
keinen ST besessen! Aus historischer
Sicht war der ST ein tolles Gerät, da er
auch in anderen Bereichen die teurere
Konkurrenz ausstach. Er war ein idealer
Hybrid aus Unterhaltungssystem und
Profiwerkzeug.“ Falls ihr in Maltes aktuelle Arbeiten reinhören wollt, sucht auf
Sound Cloud nach „Pfaff-Brill“.
» Über zu wenige Anschlüsse
konnte sich niemand beschweren.
te ein klassischer Gamechanger. Für
Musiker war der ST ein verlässliches
Werkzeug, das auch in Live-Setups
seinen Dienst verrichtete. Wie Atari
versprach lieferte er wirklich viel Leistung, ohne zu viel zu kosten.“ Doch
was bleibt Malte am ehesten in Erinne-
56 | RETRO GAMER 4/2015
ENDURO RACER
Der
BusinessComputer
Als Jack Tramiel das erste Mal über
den Atari ST nachdachte, hatte er
die Vision eines leistungsfähigen
Business-Computers, der mit IBM-­
PCs und den Macintoshs von Apple
den Boden aufwischen sollte. Aus
diesem Grund besaß der ST (im
Gegensatz zum Amiga) auch einen
flackerfreien Highres-Modus und
vom Marktstart an einen optionalen
hochauflösenden Bildschirm. In
gewisser Weise konnte Jack sein
Vorhaben auch umsetzen: Für den
ST gab es beeindruckend viele und
qualitativ hochwertige Businessprogramme, die auch tatsächlich bei
Anwendern zum Einsatz kamen.
Einer dieser ehemaligen Anwender ist William Isbister, dessen
Familie eine Druckerei besitzt, hauptsächlich für Tickets, Poster und Flyer,
meist für die Musikindustrie. „In unseren Büros standen damals drei Mega
STs und ein 1040 STE“, erinnert sich
William. „Die STs benötigten wir für
diverse Arbeiten. Für das Desktop-Publishing verwendeten wir Calamus, zum
Schreiben von Briefen 1st Word Plus,
hinzu kam Software für Datenbanken
und so weiter. Der ST war so einfach
in seiner Anwendung, man musste ihn
nur einschalten und konnte loslegen –
und zwischendurch auch mal eine Pause mit einem Spiel einlegen!“
William war kein Einzelfall, wie
wir in Erfahrung bringen konnten. Nick
Harlow betrieb einen erfolgreichen
Computerladen, der sich auf Atari-Produkte spezialisierte. Auch heute noch
gibt es seinen Shop 16/32 Systems
als Online-Variante. „Ich nutzte den ST
für alles, was man sich nur vorstellen
konnte“, reminisziert Nick. „Mit Datenbank-Software behielt ich den Überblick über meine Bestände, Preislisten
erstellte ich per Textverbeitungssoftware, und in GFA BASIC schrieb ich
sogar eigene Anwendungen. Der ST
war und ist immer noch ein großartiger Computer, der genau das tat, was
man wollte.“
Wir fanden noch ein ungewöhnlicheres Anwendungsgebiet für
CHAMPIONSHIP
WRESTLING
■ ENTWICKLER: Epyx
■ JAHR: 1986
Die Sportspiele von Epyx galten
Mitte bis Ende der 80er fast schon
als Synonym für Qualität. Einen
Namen machten sich hier vor allem Titel wie Pitstop und Championship Karate (so hieß in den USA
das spätere International Karate).
Weniger bekannt, jedoch ähnlich
gut war Championship Wrestling,
das euch in klassischer Iso-Perspektive in den Ring steigen ließ.
Es war stark Arcade-orientiert
und ließ euch gegen acht Kämpfer
antreten. Komplex wurde es bei
den Moves, von denen es ganze
25 gab. Ob Body Slams, Flying
Drop Kicks oder ein Leg Drop –
Freunde des Wrestlingsports
wurden definitiv glücklich gestellt.
Per Hot-Seat-Funktion können
auch zwei Spieler aufeinander
eindreschen, zudem ließen sich
Turniere mit bis zu acht Personen
austragen.
Ataris Heimcomputer. Steve Mitchell
organisierte auf einem ST sein erfolgreiches Postspiel Lore Lords of Britain.
„Mit dem Programmieren begann ich
um 1987 auf meinem ersten ST. Ich
war sofort verliebt in den Computer“,
verrät Steve. „Es dauerte etwa ein
Jahr, bis das erste Spiel und die Karte
fertig waren und liefen. Die 4 MB
Speicher und die Festplatte mit 60 MB
habe ich mit diversen Datenbanken
voll ausgereizt. Angefangen hatte ich
mit der kleinen 512-K-Variante, später
besorgte ich mir eine Festplatte, weil
die Dateien für Floppy-Disks zu groß
wurden. Ich erinnere mich auch, wie
ich selber RAM auf das Motherboard
lötete, bevor ich später auf den Mega
ST, die größte Variante bezüglich RAM,
umstieg. Der Mega ST war ein toller
Computer, insbesondere mit seinem
papierweißen Monochrom-Monitor, der
sehr viel angenehmer für die Augen
war als die meist grünen Terminals der
damaligen Zeit.
SLAP FIGHT
TRANTOR: THE LAST
STORM TROOPER
■ ENTWICKLER: Abersoft
■ JAHR: 1988
Das auch als Alcon bekannte Slap
Fight ist eine Konvertierung des
gleichnamigen Arcade-Automaten
von Toaplan/Taito aus dem Jahr
1986. Das Spiel von Ocean (veröffentlicht unter dem Imagine-Label)
gehört zum Pflichtprogramm
eines jeden Shoot-em-up-Fans,
da es für zahlreiche ähnliche
Spiele als Richtmaß galt. In dem
Vorwärts-Scroller wehrt ihr mit
eurem Raumschiff namens Slap
Fighter eine Alien-Invasion im Jahr
2059 ab. Ungewöhnlich fällt das
Itemsystem aus: Ihr sammelt lediglich Sterne ein und tauscht diese gegen Power-ups ein. Für einen
Stern werdet ihr beispielsweise
schneller, gegen sechs erhaltet ihr
schon einen Laserschuss, und bei
acht gibt es einen verbesserten
Energieschild. Slap Fight besteht
aus einem einzigen langen Level,
in dem euch zwischendurch Bossgegner erwarten.
Das DemoRack
Dass der ST bis heute nicht totzukriegen ist, liegt an seiner enthusiastischen Demo-Szene. Solltet ihr
euch unter diesem Begriff nichts
vorstellen können, möchten wir es
euch kurz erklären: In den 80ern
gab es überall auf der Welt verteilt
Gruppen, die „ihren“ Homecomputer für den besten hielten. Um
alle anderen von ihrer Ansicht zu
überzeugen, entwickelten sie sogenannte Demos – Programme mit
Effekten, die niemand auf einem
8- oder später 16-Bit-Computer für
möglich gehalten hätte.
Die ST-Szene ging dabei sogar
so weit, speziell an den Amiga angepasste Demos zu konvertieren und
diese auf einem ST-Setup ohne weitere
Extras abzuspielen. Die Demo-Szene
■ ENTWICKLER: Probe
■ JAHR: 1987
Auch wenn Trantor häufig als
Umsetzung eines Automaten
bezeichnet wird, war es in Wahrheit
eine Neuentwicklung von Nick Bruty
und David Perry für Probe Software.
Spielerisch war Trantor: The Last
Stormtriooper eine Mischung aus
Action und Erkundung. Als gestrandeter Pilot müsst ihr in typischer
Seitwärts-Scroller-Manier auf einem
unbekannten Planeten Ersatzteile
suchen. Natürlich stellen sich euch
Dutzende Gegner in Form von Androiden und Aliens in den Weg. Hinzu
kommen einige Plattformabschnitte,
die eure Hüpfkünste auf die Probe
stellen. Bekannt ist Trantor vor allem
für seine großen Sprites und den
extrem hohen Schwierigkeitsgrad –
selbst euer Flammenwerfer hilft euch
da nur bedingt. Übrigens „könnte es
sein“, dass eine gewisse Comic-Figur
eines gewissen Rolf Boyke von
diesem Spiel inspiriert wurde …
nahm teils kuriose Züge an, legendäre
Gruppen wie The Care Bears, The Replicants, The Blade Runners und The Lost
Boys wurden von ihren Fans geradezu
verehrt. Viele der Demo-Programmierer
produzierten später auch richtige Spiele
für den ST und gründeten Firmen wie
Thalion, Eclipse und Caspian Software.
Überall in Europa finden immer
noch solche Demo-Partys statt, die
zahlreiche Programmierer und Fans
anziehen. Als Beispiele wären hier
» Die Maus war ein Staubfänger;
immerhin ließ sich das Gerät
leicht reinigen.
RETRO GAMER 4/2015 | 57
» Das Power Pack war sehr beliebt bei den Publishern. Sie
hatten es alle darauf abgesehen, Teil des Bundles zu sein. «
» Immer noch g bt es in Europa
viele Demo-Parties, auf denen
sich ST-Fans treffen.
» Die Maus passte mit ihrem
Design perfekt zum Hauptgerät.
58 | RETRO GAMER 4/2015
Outline, Sillyventure und Sundown zu
nennen. Einer der heutigen Helden der
Demo-Szene ist Carsten „Lsl Checkpoint“ Koeckritz, der die Messlatte für
ST-Demos immer wieder höher legt
und Effekte auf den Bildschirm zaubert,
von denen ST-Besitzer zur Blütezeit des
16-Bit-Rechners nur träumten. Wie er
in die Demo-Szene fand, erklärt uns
Carsten gerne: „Als ich meinen ST
bekam, begann ich sehr früh mit dem
Cracken, außerdem lernte ich schnell
68000-Assembler. Von Anfang an inte­
ressierte ich mich aber auch für Demos.
Die Helden meiner Jugend hießen TCB,
TEX, TLB, Delta Force, Level 16 und
so weiter. 1996 gründeten 505 und ich
Checkpoint, und wir veröffentlichten auf
der Interjam-Party unsere erste Demo.“
Was den Atari ST und die zugehörige Demo-Szene in seinen Augen
so besonders macht? „Wir sind einfach
verdammt cool! Nein, ernsthaft: Wir
sind dem ST verfallen. Und die Szene
hat sich stark weiterentwickelt. Die
‚goldenen Jahre‘ waren toll, aber die
richtig guten Demos kommen erst seit
1999. Traurig macht mich nur, dass
sich viele Gruppen um 1992/93 aufgelöst haben. Schaut man sich die alten
C64-Gruppen an, sind noch immer
viele von ihnen aktiv.“ Abhalten lassen
sich Carsten und seine Kollegen dadurch aber keinesfalls: „Wir haben nur
eine limitierte Plattform. Mit der stellen
wir aber großartige Sachen an. Bis heute können wir nicht damit aufhören.“
Die
Wiederauferstehung
Nach dem Videospielecrash, der
1983 seinen Anfang nahm, war der
ehemals führende Videospiel-Konzern Atari pleite. Commodore-Gründer Jack Tramiel half der Marke
1985 mit einem glorreichen Comeback und dem Atari ST wieder auf
die Beine. Oder, besser gesagt, er
kaufte die Reste des Konzern auf
und schlachtete sie aus.
Die ersten Verkaufszahlen für
den ST fielen positiv, aber nicht berauschend aus, doch die Presse lobte das
Gerät. Richtig Fahrt nahm der ST erst
in Europa, insbesondere in England
und Frankreich, auf – dort wurde der
Computer vorrangig als Spielegerät
vermarktet. Verantwortlich für diese
Entscheidung war der europäische Produktmanager Darryl Still. Als Gründe für
den Erfolg in Europa sieht Darryll unter
anderem die unterschiedlichen Regionen, die jeweils eigene Verkaufsstrategien ermöglichten: „Wir waren flexibel
genug, die Vermarktung in UK anders
als in Deutschland anzugehen. In den
USA hingegen mussten sie eine einheitliche Strategie für das ganze, große
Land fahren, was problematisch war.“
Darryl war auch der Drahtzieher
hinter dem legendären ST Power Pack,
das die Verkäufe weiter ankurbelte.
Dieses umfasste 20 der populärsten
Spiele, die im Bundle mit der Hardware
ausgeliefert wurden und dadurch ein
fantastisches Preis-Leistungs-Verhältnis
DARRYL STILL
boten. „Das Power Pack war sehr
beliebt bei den Publishern“, so Darryl.
„Sie hatten es alle darauf abgesehen,
Teil des Bundles zu sein.“ Allerdings
hatte diese clevere Idee auch ihre
Schattenseite: Nach einer Weile wurde klar, dass viele Käufer mit den 20
mitgelieferten Spielen bestens versorgt
waren und kaum neue Titel kauften.
Auch daran erinnert sich Darryl noch:
„Der Handel bemerkte abnehmende
Verkaufszahlen für einzelne Spiele und
schob es dem Power Pack in die Schuhe. Die Publisher konzentrierten sich
daraufhin mehr auf den Amiga.“
Einer der Erfolgsgründe für
den ST leitete also gleichzeitig seinen
Untergang ein. Wie Darryl ergänzt,
war es vor allem der daraus resultierende nachlassende Support durch
die Pub­lisher, der zur Ablösung des
ST durch den Amiga als beliebtester
16-Bit-Computer führte. „Als Spiele für
den ST noch besser als für den Amiga
liefen, waren die Publisher glücklich. Sie
mussten den Code nur portieren und
nicht mal die speziellen Grafikfunktionen
des Amigas verwenden. Als er dann zur
Hauptplattform wurde, bekam der ST
nur noch lieblose Ports spendiert [die in
der Regel schlechter aussahen als auf
Amiga – Anm. d. Red.] Es war ein sich
selbst verstärkender Kreislauf. Natürlich
half auch der ausbleibende Erfolg in
den USA nicht weiter. Da das aber die
Heimat Ataris war, konzentrierte man
sich vor allem auf diesen Markt.“
Abschließend verrät uns Darryl,
was für ihn persönlich das Erbe des ST
ausmacht: „Ich denke, dass der ST auf
seine eigene Weise verantwortlich für
die Qualität von PCs und Macs war,
wie wir sie heute kennen. Einige der
Inno­vationen, die heute zum Standard
in Computern und Laptops zählen, haben im Atari ST ihren Ursprung.“
Danke an: Darryl Still, Carsten Koeck­
ritz, Malte Pfaff-Brill, Glenn Corpes,
William Isbister, Steve Mitchell und
Nick Harlow.
Eigentlich sollte der blaue
Igel mit Sonic X-Treme sein
3D-Debüt feiern. Doch das
Projekt wurde eingestellt,
und so brachte schließlich
Sonic R das Sega-Maskottchen in die dritte Dimension. Retro Gamer sprach
mit den Machern über die
Entstehungsgeschichte.
» Kats Sato arbeitete an
vielen Spielen bei Sega. Er
nahm unter anderem eine
wichtige Rolle bei Headhunter und Shinobi ein.
» Jon Burton ist dreifacher BAFTA-Award-Gewinner und entwickelt
bis heute Spiele.
74 | RETRO GAMER 4/2015
A
nfang 1997 behandelten
Sega Of America und
Sega Of Europe die Marke
Sonic The Hedgehog sehr
unterschiedlich. Die Produktion von Sonic X-Treme aus Segas US-Zweig dauerte lange, verlief alles andere als problemlos und wurde schließlich eingestellt.
Sega Of Europe hingegen brachte den
Plattformer Sonic 3D für Mega Drive (in
USA bekanntlich Genesis genannt) und
Saturn gemeinsam mit dem UK-Entwickler Traveller’s Tales und Sonic Team
von Sega of Japan auf den Weg.
Der Erfolg von Sonic 3D führte
zu einer weiteren Zusammenarbeit der
drei Parteien. Kats Sato, der damalige
Senior Producer bei SOE, erinnert sich
noch gut daran: „Sega Of America
wollte Sonic X-Treme ursprünglich für
das Genesis entwickeln, wechselte
aber früh die Zielplattform und das Projekt scheiterte. Nach dem Erfolg von
Sonic 3D war es nur logisch, dass Sega
Of Europe die Zusammenarbeit mit
Traveller’s Tales für ein weiteres SonicProjekt fortführte.“
Wenn es nach Jon Burton von
Traveller’s Tales geht, trat Kats mit dem
Studio aufgrund ihres guten Gespürs
und ihrer Vorerfahrung mit knappen
Deadlines in Kontakt: „Ich glaube, es
hatte viel mit dem Timing zu tun. Das
Team von Sonic X-Treme hatte offensichtlich große Probleme und Sega
suchte nach einer Alternative, um möglichst schnell ein Spiel auf den Markt zu
bringen. Nachdem wir erfolgreich ein
Sonic-Spiel innerhalb des vorgegeben
Zeitplans und Budgets gemacht hatten,
waren sie offenbar gerne dazu bereit,
die Arbeit mit uns fortzusetzen. Uns
war es immer gelungen, Spiele innerhalb von Zeiträumen zu entwickeln,
bei denen viele andere Entwickler
davongelaufen wären. Deshalb waren
die Zeitvorgaben für uns keinesfalls
unmöglich. Ich weiß nicht mehr, ob wir
mehr Druck als sonst empfanden. Ich
dachte nur, es wäre cool, das erste Sonic-Spiel in 3D auf Saturn zu machen!“
Wie uns Kats erklärt, entstand
die grundlegende Idee für Sonic R zunächst ohne Sonic Team in Gesprächen
zwischen ihm und Jon Burton: „Jon
und ich entwickelten die einzigartige
Idee eines Rennspiels mit Sonic-Charakteren. Das war der Beginn des Projekts, und ich hatte damals noch nichts
mit Sonic Team zu tun. Wir nannten
das Spiel anfangs Sonic TT, was für
‚Tourist Trophy‘ stand. Jon fand, dass
das gut zum Namen seiner Firma
passte. Ich weiß nicht mehr, weshalb
wir es später R nannten, vermute aber,
dass das eine Entscheidung des Marketings von Sega Of Europe war.“
Während der Ideenfindung
entschieden Jon und Kats auch, erkundbare Areale abseits der Piste zu
integrieren. „Die Sonic-Spiele sind bekannt dafür, viele unterschiedliche Routen innerhalb eines Levels zu bieten“,
führt Jon Burton aus. „Deshalb fanden
wir, dass unser Spiel das auch haben
muss. Ein Merkmal, durch das unser
Titel herausstechen würde, statt nur als
Standard-Rennspiel wahrgenommen zu
werden. So hatte es die Unverwechselbarkeit der Sonic-Titel.“
Schließlich wurde Sonic Team
ins Projekt eingebunden. Kats er-
FAKTEN
» PUBLISHER: SEGA
» ENTWICKLER:
TRAVELLER’S TALES / SEGA OF
EUROPE / SONIC TEAM
» ERSCHIENEN: 1997
» PLATTFORM: SATURN, PC
ENRE: RENNSPIEL
» G
»SONIC R EINMALEINS«
■ In Sonic R habt ihr zunächst Zugriff auf
vier Sonic-Charaktere und vier Strecken. Es sind
normale Rennen gegen die KI oder einen zweiten
Spieler möglich. Später schaltet ihr eine zusätzliche
Strecke und weitere Charaktere frei. In Arealen abseits der
Strecke sammelt ihr zusätzliche Ringe und andere Objekte.
MAKING OF: SONIC R
läutert die komplizierten Strukturen,
mit denen man sich bei der Produktion von Sonic R arrangieren musste:
„Nachdem das Projekt grünes Licht
bekam, übergab mir Takashi Iizuka,
mein Hauptansprechpartner bei Sonic
Team, Designdokumente von Streckenkarten mitsamt versteckten Gebieten.
Hirokazu Yasuhara hat einige dieser
Karten entworfen. Ich steuerte das
Projekt von England aus, der offizielle
Produzent war aber Yuji Naka, der die
Hoheit über die Entwicklung hatte und
uns Input aus Japan gab.“
Um einen guten Einstieg in die
Entwicklung von Sonic R zu haben,
nutzte Jon Material aus einem F1-Spiel
für den Saturn: „Wir hatten eine funktionierende Basis-KI und die Grundlagen einer Render-Engine, die Strecken
und Autos darstellen konnte. Allerdings
hatten wir nicht viel mehr Inhalte als
einen McLaren und eine Teststrecke.
Wir haben dieses Material für Sonic
R aufgrund der knappen Zeitvorgaben
wiederverwertet. Sega fand ebenfalls,
dass dies die beste Option sei, um das
Sonic-Spiel möglichst schnell auf den
Markt zu bringen.“
Um die Arbeit der Teams zu
koordinieren, war der einzige Mitarbeiter, der Japanisch konnte, unerlässlich.
„Ein Großteil der Korrespondenz lief
über Kats, der für uns mit Japan kommunizierte“, berichtet Jon. Auch Kats
erinnert sich noch
daran: „Takashi
Iizuka schickte sehr
detaillierte Strecken-Layouts,
aber die anderen Sachen waren nicht so
ausführlich. Deshalb besprachen wir das
Spieldesign immer mit den Entwicklern
in Japan. Keiner von ihnen konnte fließend Englisch, weshalb es ihnen nicht
möglich war, Jon direkt Material fürs
Gamedesign zu übersenden.“
A
ls wir Jon auf die Ästhetik
der Strecken in Sonic R
ansprechen, stellt er Bezüge zu Sonic 3D und
früheren Sonic-Spielen her: „Look
und Feel waren eindeutig von anderen
Sonic-Titeln inspiriert. Am meisten
vielleicht von Sonic 3D, obwohl die
meisten Zonen auf früheren SonicSpielen basierten. Ich erinnere mich an
Gebäude auf der ersten Strecke, die
aus Sonic 3D stammen müssten.“
In den Gesprächen einigte man
sich auch auf die cleveren Belohnungsmechaniken, die freischaltbaren Inhalte
oder Elemente wie das Sammeln von
Münzen und Chaos Emeralds. Diese
Dinge wurden laut Kats eingebaut, um
Sonic R spannender zu machen, ohne
den Saturn technisch zu überfordern.
„Sonic Team, vor allem Iizuka, fragte
ständig nach zusätzlichen Features.
Jon und ich verknüpften ihre Ideen mit
unseren. Dabei hatten wir immer mit
technischen Problemen zu kämpfen.
Der Saturn war nicht sonderlich leistungsfähig, also versuchten wir, das
Gameplay innerhalb seiner Grenzen so
unterhaltsam wie möglich zu machen.“
Auch die anderen Elemente
von Sonic R nahmen nach und nach
Gestalt an. „Alle 3D-Modelle wurden
durch Traveller’s Tales auf Grundlage
der 2D-Charakterzeichnungen von Sonic
Team umgesetzt“, doziert Kats. „Iizuka
äußerte sich dann noch einmal zu den
3D-Modellen, aber auch zu den Charakter-Animationen. Ich vermute mal, wir
blieben bei den fürs Spiel vorgesehenen
Charakteren, aber es könnte sein, dass
wir Metal Knuckles und Tales Doll erst
später hinzufügten.“ Jon erinnert sich an
die Charaktere in Sonic R vor allem aufgrund der Programmier-Tools, die er für
die Modellierungsoftware entwarf: „Wir
» [Saturn] Jede Strecke hat ihren eigenen
Stil; hier seht ihr den Kurs Regal Ruins.
» [ Saturn] Robotniks Luftkissenfahrzeug ist sehr
wendig, aber diese Rechtskurve hat’s in sich.
Rennspiele, die ihr spielen müsst!
SEGA
RALLY 1995
DAYTONA USA:
CIRCUIT EDITION 1997
SHUTOKOU
BATTLE ’97 1997
TOUGE KING
THE SPIRITS 2 1997
MANX TT
SUPER BIKE 1997
■ Auch wenn es viele Parallelen
zu Rennspielen hat, die vorher
auf dem Markt erschienen, fühlt
sich Sega Rally ganz anders an.
Dieser Klassiker hat alles, was
ein gutes Rally-Spiel braucht:
großartige Strecken, eine überzeugendes Fahrzeug-Handling
und Rennen gegen die Uhr, bei
denen der kleinste Fehler wichtige Sekunden kostet.
■ Die Circuit Edition nimmt
sich gezielt der Schwächen
der Vorgänger an: Sie bietet
eine hohe Framerate, Drift­
einstellungen für die nichtanaloge Eingabe und neben
dem Original-Soundtrack eine
remixte Variante. Wenn ihr
keine kurzen Reaktionszeiten
habt, ist der erste Platz fast
nicht zu erreichen.
■ Im Prinzip ist es eine verbesserte Version des PlayStationTitels Tokyo Highway Battle.
Shutokou Battle ’97 ist aber
etwas schneller als das Vorbild,
was das Geschwindigkeitsgefühl
verbessert. Realismus ist nicht
immer gefragt. Die Rennen in
Tokio, wo Busse mit 140 Sachen
unterwegs sind, machen trotzdem viel Spaß.
■ Das Touge, eigentlich Tōge,
bezieht sich auf die kurvige Straßenführung in den japanischen
Bergpässen. Grafisch verbessert
das Seriensequel von Entwickler
Cave die Reihe enorm. Der
Fokus in Touge King The Spirits
liegt aber wie in den Vorgängern
auf Highspeed-Rennen und dem
Driften durch die S-Kurven. Der
Survival-Modus ist heftig.
■ Hier treffen die kurvigen
Strecken aus Sega Rally auf
das Tempo von Daytona USA.
Manx TT bietet eine einzigartige
Eingabemethode, um sich
mit dem Bike unterschiedlich
stark in die Kurve zu legen und
gleichzeitig die Ideallinie zu
treffen. Grafisch etwas besser
als die beiden zuvor genannten
Saturn-Spiele.
76 | RETRO GAMER 4/2015
Ausgewählte Highlights aus
Jon Burtons Karriere.
LEANDER
■ SYSTEM: Amiga, Mega Drive
■ JAHR: 1991
» [Saturn] Auf der Piste Reactive Factory
überholen wir Tails mit Sonic.
» [Saturn] An diesem Spielautomaten in
Radical City bekommt ihr an der karierten Basis einen Boost nach oben.
GENIALES RACING AUF SATURN
BRILLANTER
BURTON
entwickelten all unsere Tools so, dass
wir die Modellierung und Animationen
direkt in Softimage machen und dann
für den Saturn konvertieren konnten.“
Zu den weiteren Aufgaben zählten die Anpassung der Gebiete abseits
der Strecken sowie die Verfeinerung
der der Kamerajustierung innerhalb
der 3D-Engine, die Jon aus seinem
F1-Projekt entlehnt hatte. „Wir hatten
schon immer unsere eigenen 3D-Engines erstellt und dabei sehr darauf
geachtet, dass sie flexibel sind“, betont
Jon. „Deshalb konnten wir leicht vom
Renn-Genre zu einem Plattform-Spiel
wechseln. Es ist immer schwierig, eine
3D-Kamera gut hinzukriegen. Damals, in
einem so frühen Stadium der 3D-Spiele,
war es eine echte Herausforderung!“
Jon versuchte, bei den Effekten
den Saturn maximal auszureizen: „Ich
liebte es, den Saturn zu programmieren, und versuchte immer, noch das
Letzte aus der Hardware herauszukitzeln. Ich habe viel Zeit investiert, um
verschiedene Dinge auszuprobieren, für
die die Hardware eigentlich gar nicht
konzipiert war. Ich war sehr zufrieden,
dass ich Transparenzeffekte und Fading
hinbekam. Ich liebte auch den Wasser­
effekt. Besonders stolz bin ich auf die
spiegelnden Oberflächen. Das konnte
der Saturn eigentlich nicht, also schrieben wir extra eine Render-Software
dafür, die auf der Slave-CPU lief.“
Sonic Team war begeistert von
Jons Fortschritten, konnte sich selbst
aber nur in größeren Zeitabständen
ein Bild davon machen, wie sich Kats
erinnert: „Es war 1997, das Internet
war noch nicht so verbreitet. Deshalb
konnten wir den Code nicht einfach so
austauschen, sondern mussten nach
» [Saturn] Gewinnt ihr alle vier
Rennen in Sonic R, schaltet ihr
den Kurs Radiant Emerald frei.
» [Saturn] Wie jede Strecke
bietet auch Radiant Emerald
zahlreiche Abkürzungen.
Erreichen eines jeden
antwortet uns Kats. „Mein
Meilensteins CDs brenAnsprechpartner Iizuka
nen und nach Japan
stimmte mir zu, Yuji Naka
schicken.“ Das Ausbaaber nicht. Es kam zum
lancieren des SchwieStreit mit ihm und ich entrigkeitsgrads von Sonic
schied schließlich, meinen
R und der Einbau des
Namen aus den Credits entZweispieler-Splitscreens
fernen zu lassen. Allerdings
erwiesen sich als weitehabe noch oft mit Naka
re Herausforderungen.
gesprochen, nachdem ich
„Es war schwierig,
Sega verließ. Naka, Iizuka,
MICKEY MANIA
sicherzustellen, dass
Yasuhara und sogar Oshima
SYSTEM: MEGA DRIVE,
man durch das Schneisind immer noch FaceMEGA CD, SNES
JAHR: 1994
den von Kurven nicht
book-Freunde von mir.“
zu leicht schummeln
Erst spät fiel die
TOY STORY (ABGEBILDET)
und Rennen gewinnen
Entscheidung von Yuji Naka,
SYSTEM: MEGA DRIVE,
konnte“, erinnert sich
dass in allen Stücken aus
SNES, PC
JAHR: 1995
Jon. „Also musste jede
dem Soundtrack von Sonic
Abkürzung schwierig zu SONIC 3D
R gesungen werden sollte.
nehmen sein und dich
Jon war zu jener Zeit nicht
SYSTEM: MEGA DRIVE,
bestrafen, wenn du sie
begeistert davon. „TatsächSATURN, PC
JAHR: 1996
nicht optimal erwischlich wusste ich gar nicht,
test“, erzählt Jon. „Der
dass Yuji Naka die EntscheiSplitcreen machte auch viel Arbeit. Ich
dung getroffen hatte. Ich hielt das damusste dafür die bereits fertigen Effekmals für verrückt. Aber Richard Jacques
te noch einmal umschreiben.“
hat einen guten Job gemacht, heute
spiele ich Sonic R immer mit Gesang.“
Obwohl Sonic R vor Ablauf
achdem das Kern-Gameder Deadline fertiggestellt wurde, blieb
play stand, begann das
nicht viel Zeit, um den Titel rechtzeitig
Feintuning an Strecken
in den Handel zu bringen – besonders
und anderen Aspekten.
in den USA, wo das WeihnachtsgeDiese Aufgabe wurde Sega Of Europe
schäft früh beginnt. „Wir kauften ein
und Hirokazu Yasuhara von Sonic
Flugticket, damit ich die CD mit der
Team zuteil. „Wir hatten nicht die Zeit,
finalen Version für die amerikanische
Feedback aus Japan einzuholen“, stellt
Fertigung persönlich vorbeibringen
Kats klar. „Deshalb baten wir Hirokazu
konnte“, erinnert sich Kats. „Ich denke,
Yasuhara nach England. Diese paar
die US-Version erschien als Erste, obTage waren letztlich nur ein kleiner Teil
wohl es sehr knapp war, das Produkt
der gesamten Entwicklungsspanne des
rechtzeitig in die Warenhäuser zu
Projekts. Yasuharas Anteil am Feintu­
bringen. Wenn ich mich recht entsinne,
ning verdient unseren Respekt, aber er
hatten wir verschiedene Hersteller
war nicht der Einzige, der damit zu tun
für jede Region. Wir versendeten die
hatte. Wir hatten auch einige Tester
restlichen Master mit einem normalem
von Sega Of Europe zur Kontrolle von
Kurierdienst aus Japan.“
Qualität und Spielbalance.“
Jon ist auch heute noch stolz
Obwohl Kats derjenige war, der
auf den Fun Racer:„In Anbetracht der
während der Entwicklung durch seine
Zeit, die wir hatten, und gemessen
Fremdsprachenkenntnisse die japadaran, dass wir aus einer uns damals
nisch-englische Zusammenarbeit erst
unbekannten Hardware alles heraushoermöglichte, taucht sein Name nicht
len wollten, bin ich sehr zufrieden mit
in den Credits auf. Wieso? „Ich wollte
dem Ergebnis. Ich spiele Sonic R sogar
Teile des Designs aufgrund technischer
heute noch gelegentlich.“
Probleme und des Zeitplans ändern“,
ENTWICKLERHIGHLIGHTS
N
Ein 90er-Titel von Psygnosis. Die
Grafik schreit „Roger Dean“, Jons
Hack-and-Slash-Plattformer hat
aber mehr Substanz als Shadow Of
The Beast. Auch wenn sich Leander
stark an anderen Titeln seiner Zeit
orientiert, glänzt es mit gutem Spielgefühl und weichen Animationen.
PUGGSY
■ SYSTEM: Amiga, Mega Drive, Mega CD
■ JAHR: 1993
Ein weiterer von Psygnosis veröffentlichter Plattformer. Es gibt
zwar leichte Parallelen zu Leander, doch Puggsy legt viel mehr
Wert auf Rätsel und Geschicklichkeitseinlagen. Sowohl visuell
als auch spielerisch könnte der
Unterschied kaum größer sein.
MICKEY MANIA
■ SYSTEM: Mega Drive, Mega CD
■ JAHR: 1994
Zweifellos nahmen sich Jon
Burton und Traveller’s Tales
ihr süßes, aber schwieriges
Puggsy als Vorbild für ihr erstes Spiel im Auftrag Disneys.
Die skurrilen Schauplätze von
Mickey Mania profitierten von
der cleveren Zeitreise-Spielmechanik.
TOY STORY
■ SYSTEM: Mega Drive, SNES, PC
■ JAHR: 1995
Diese Adaption des gleichnamigen
Pixar-Films ist nicht zuletzt aufgrund
ihrer beeindruckenden vorgerenderten Sprites bekannt. Die Handlung orientiert sich eng an der
Vorlage, spielerisch gibt es vor
allem Plattformer-Minigames,
die von den populärsten Plattformern der 90er inspiriert sind.
SONIC 3D
■ SYSTEM: Mega Drive, Saturn, PC
■ JAHR: 1996
Er war Sonics Abschied auf dem Mega
Drive und wurde auf dem Saturn ein
erster Ersatz für den
gescheiterten 3D-Titel
Sonic X-Treme. Sonic 3D
setzte auf die typischen
Stärken des flinken
blauen Igels und erweiterte die Formel um
den Erkundungsaspekt.
RETRO GAMER 4/2015 | 77