Wohlfahrtsökonomische Analyse von Digital Rights Management
Transcription
Wohlfahrtsökonomische Analyse von Digital Rights Management
In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004) Wohlfahrtsökonomische Analyse von Digital Rights Management und Alternative Kompensationssysteme im Musikmarkt Christoph Lang, Eva Gerstmeier, Erlangen-Nürnberg 1. Situation und Zielsetzung Der Umsatz der Musikindustrie sank von 2,587 Milliarden € 1997 auf 1,65 Milliarden € 2003 (vgl. Jahreswirtschaftsbericht der Phonographischen Industrie, 2003, S. 10). Als wesentliche Ursache für den Umsatzrückgang wird die Substitution von verkauften Tonträgern durch digitale Privatkopien1 angesehen, da die Konsumenten mit Hilfe von Brennern und Internettauschbörsen Musik zum Preis eines CD-Rohlings erhalten (vgl. GfKBrennerstudie, 2004). Durch die sinkenden Absatzzahlen wird es für die Musikindustrie langfristig schwieriger die Fixkosten ihrer Neuerscheinungen zu decken. Hält der gegenwärtige Trend an, könnte deren Zahl zurückgehen.2 Um den Umsatz zu stabilisieren, favorisiert die Musikindustrie Technologien zur Durchsetzung von Lizenzbedingungen, welche Digital Rights Management (DRM) genannt werden und setzt sie in ihren Onlineund Tonträgerangeboten auch ein (vgl. Gebhardt, 2004). Diese technischen Kopierbeschränkungen werden durch die Novellierung des deutschen Urheberrechts 2003 mit strafrechtlichen Konsequenzen abgesichert. Die Musikindustrie verspricht sich hiervon zum einen eine Begrenzung der Privatkopien durch Kopierschutztechnologien und zum anderen Umsatzzuwächse durch die Möglichkeit der Preisdifferenzierung (vgl. heiseonline, 2004). Als Alternative zur Deckung der Fixkosten durch DRM wird u.a. von Moldenhauer (vgl. 2004) die Einführung einer Pauschalgebühr auf Content-verwandte Produkte wie Speichermedien oder Internetzugänge gefordert, die unter den Namen Alternative Kompensationssysteme (AKS) oder „Kulturflatrate“ diskutiert werden (vgl. crosscommons.org, 2004). Ausgearbeitete Modelle liegen hierzu u.a. von Fisher (vgl., 1 Jeder legal oder illegal privat gebrannte Tonträger und Download wird im Folgenden Privatkopie genannt. 2 Auch wenn die Zahlen der Neuerscheinung von 19972003 relativ konstant sind (vgl. Jahreswirtschaftsbericht der Phonographischen Industrie, 2003, S.38). 2003, S. 1-66) oder Gratz (vgl. 2003, S. 1-25) vor. Ziel dieses Artikels ist es, die beiden Konzepte DRM und AKS wohlfahrtsökonomisch3 zu evaluieren. D.h. wie effizient können sie das Problem der Fixkostendeckung lösen? Hierfür müssen zunächst die Besonderheiten von digitalen Informationsgütern in Kapitel 2 dargestellt werden, um die Auswirkungen von DRM und AKS besser abschätzen zu können. Die wohlfahrtsökonomischen Implikationen werden in den Kapiteln 3 und 4 analysiert. Die Darstellung geht dabei sowohl auf Effizienzveränderungen als auch auf Verteilungswirkungen ein. Ferner sollen beide Systeme auf Fehlanreize hin überprüft werden. 2. Musik als digitales Informationsgut Die Produkte der Musikindustrie sind digitale Informationsgüter. Diese Güter können als öffentliche Güter klassifiziert werden, da ihre inhärenten Eigenschaften „keine Rivalität der Güternutzung“ und „keine Ausschließbarkeit“ durch CD-Brenner und Internettauschbörsen zum Tragen kommen. Im Gegensatz zu privaten Gütern, wie beispielsweise Autos, kann der Besitzer eines Tonträgers den immateriellen Inhalt anderen Menschen zur Verfügung stellen und ihn trotzdem weiter nutzen. Das volkswirtschaftliche Problem besteht darin, dass schwacher Schutz öffentlicher Güter zur Unterversorgung führen muss, denn die Produzenten tragen die Kosten, vom Nutzen der kostenlosen Kopien kann aber niemand ausgeschlossen werden. Wenn die Musikproduzenten4 somit ihre Fixkosten nicht mehr decken können, sinkt die Zahl der Neuerscheinungen aufgrund fallender Deckungsbeiträge durch weniger verkaufte Alben. Die beiden grundsätzlichen Möglichkeiten das Problem zu lösen sind: 3 Teilbereich der Wirtschaftswissenschaft, der die Aufgabe hat, Kriterien zur Beurteilung wirtschaftspolitischer Maßnahmen zu entwickeln. 4 Produzenten sind in diesem Aufsatz sowohl Urheber als auch Verwerter. Interessenkonflikte zwischen Urhebern und Verwerten werden hier zur Vereinfachung ausgeblendet. 1 In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004) 1. Die Privatisierung des öffentlichen Gutes, durch das Urheberrecht. Durch digitale Kopiertechnologien erwies sich dieser Schutz als unzureichend und wurde durch die Beschränkung der Privatkopien via DRM ergänzt. §95a UrhG kriminalisiert seit 2003 die Umgehung von DRM und fungiert daher als zusätzlicher Schutz. 2. Eine öffentliche Finanzierung der Fixkosten durch AKS. Betriebswirtschaftlich zielt die Einführung von DRM auf Gewinnsteigerung. Diese soll zum einen durch Kontrolle der Kopierbarkeit von Musik mit Hilfe von Verschlüsselungstechnologien und deren juristischem Umgehungsschutz erreicht werden. Damit besitzen Tonträger wieder die Eigenschaften „Ausschließbarkeit“ und „Rivalität der Güternutzung“ und sind im Markt als private Güter handelbar. Hiervon verspricht sich die Musikindustrie einen Wiederanstieg ihrer Umsätze. Zum anderen ermöglicht DRM Gewinnsteigerung mit Hilfe von Produktdifferenzierung. Es werden Alben mit verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten angeboten: Zum Beispiel Musikdownloads, die nur auf dem PC abspielbar sind oder universell abspielbare Musik. Die unterschiedlichen Musikangebote ermöglichen somit Preisdifferenzierung, welche den Gewinn der Musikindustrie steigern soll. 3. Wohlfahrtsökonomische Auswirkungen von DRM Um DRM und AKS volkswirtschaftlich beurteilen zu können, sollen ihre wohlfahrtsökonomischen Auswirkungen dargestellt werden. Als normativer Maßstab dient in der Ökonomie die sog. Nettowohlfahrt. Diese setzt sich aus Konsumenten5- und Produzentenrente6 zusammen. Die Konsumentenrente steigt, wenn der Preis fällt, die Produzentenrente wächst, wenn der Preis sich erhöht und die Nettowohlfahrt vergrößert sich, wenn die konsumierte Menge steigt. Ein 5 Der Nutzen des Konsumenten aus der Marktteilnahme. Dieser wird durch den Unterschied der individuellen Zahlungsbereitschaften und dem was er tatsächlich zahlt beschrieben. 6 Der Nutzen des Produzenten aus der Marktteilnahme. Dieser wird durch den Unterschied zwischen den variablen Kosten eine Gutes und dem Marktpreis beschrieben. Also: Umsatz - variable Kosten oder Gewinn + Fixkosten. Pareto-optimales Marktergebnis7 liegt statisch dann vor, wenn der Preis den variablen Kosten der Produktion entspricht. Dies würde aber aufgrund der spezifischen Kostenstruktur der Musikindustrie – hohe Fixkosten und geringe variable Kosten – zu dem in Kapitel 2 beschriebenen Problem der Unterversorgung mit Neuerscheinungen führen. D.h. es müssen statische Wohlfahrtsverluste in Kauf genommen werden, um die dynamische Effizienz – also Neuerscheinungen – zu gewährleisten. Als Referenzfall der wohlfahrtsökonomischen Analyse dient ein Marktergebnis für ein Album ohne Preisdifferenzierung, mit Privatkopien 0, 0 und dem Marktpreis P0. Dem wird ein DRMMarktergebnis mit zwei Preisen P1, P2 und ohne Privatkopien gegenübergestellt. Die Preisdifferenzierung kann durch Produktdifferenzierung, wie im zweiten Kapitel beschrieben, erreicht werden. Der Analyse liegen fünf Annahmen zugrunde: • Die Grenzkosten, also die Kosten jedes zusätzlich produzierten Tonträgers, sind konstant und im Verhältnis zum Marktpreis des Albums gering. • Der Musikmarkt kann als Monopolmarkt klassifiziert werden, da ein Künstler stets bei nur einer Firma unter Vertrag steht und damit der Konsument ein bestimmtes Album nur von einer Firma kaufen kann. Damit liegt der Preis P0 erheblich über den Grenzkosten. • Bei der Preisdifferenzierung soll gelten: P1 > P0 > P2. • Die Grenzkosten der Durchsetzung des Verbots der Privatkopie werden als steigend angenommen, denn je höher das technische Know-how der Konsumenten ist, desto teurer wird die Durchsetzung von DRM. Während ein Teil der Konsumenten relativ leicht vom Kopieren abgehalten werden kann, muss DRM bei anderen Konsumenten durch aufwendige Kontrollen und juristische Konsequenzen abgesichert werden. • DRM und sein juristischer Schutz verhindern Privatkopien völlig. Die Auswirkungen von DRM auf die Nettowohlfahrt können nun statisch analysiert werden. Es werden zunächst die drei wohlfahrtsökonomischen Implikationen der Beschränkung der Privatkopie vorgestellt: 7 Ein Pareto-Optimum ist ein Zustand bei dem niemand besser gestellt werden kann, ohne dass jemand anders schlechter gestellt wird. 2 In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004) 1. Es findet eine Umverteilung von Konsumenten zu Produzenten statt, da wieder mehr Alben gekauft statt gebrannt werden. 2. Eine Nettowohlfahrtsverschlechterung ist aufgrund der sinkenden Zahl von konsumierten Alben (Privatkopien + verkaufte Alben) zu erwarten. Da die Zahl der Privatkopien über dem Absatzrückgang der Musikindustrie liegt (vgl. Jahreswirtschaftsbericht der Phonographischen Industrie, 2003, S.8 und GfK-Brennerstudie, 2004), kann im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die Steigerung des Absatzes von Alben bei DRM-Einsatz niedriger als der Rückgang der Privatkopien sein wird. Denn selbst der Niedrigpreis P2 wird über den Kosten von Privatkopien liegen. 3. Wohlfahrtsverluste resultieren auch aus den externen Kosten der Durchsetzung des Verbots der Privatkopie. Diese können im Verhältnis zur Nettowohlfahrt im Musikmarkt erheblich sein (vgl. Boldrin, Levine 2002, S. 210). Das Problem der hohen externen Kosten resultiert aus dem Anreiz der Konsumenten die Kopierbeschränkungen auszuhebeln. Zum jetzigen Zeitpunkt müssten ca. 20 Millionen Privatkopierer durch Überwachung und Abschreckung von einer Verhaltensänderung „überzeugt“ werden (vgl. GfK-Brennerstudie, 2004). Die Beschränkung der Privatkopie durch DRM führt also zu einem Sinken der Nettowohlfahrt durch die geringere Anzahl an konsumierten Alben und durch die notwendigen Überwachungskosten. Neben der Beschränkung der Privatkopie hat die Musikindustrie mit DRM auch die Möglichkeit zur Preisdifferenzierung. Diese hat zwei Implikationen hinsichtlich der Nettowohlfahrt. Einerseits kann durch den Premiumpreis P1 eine bessere Abschöpfung der Preisbereitschaft der Konsumenten erreicht werden, was zu einer Umverteilung von Konsumenten zu Produzenten führt. Andererseits führt der Niedrigpreis P2 zu einer Pareto-Verbesserung im Musikmarkt durch die gestiegenen Absatzzahlen, da der Preis P2 unterhalb des einheitlichen Monopolreises P0 liegt. Hiervon profitieren sowohl Konsumenten als auch Produzenten. Liegt bei DRM-Einsatz der niedrigste Preis P2 für ein Album über den Grenzkosten – wovon aufgrund der spezifischen Kostenstruktur ausgegangen werden kann –, dann verbleibt im Markt ein Nettowohlfahrtsverlust, der sich aber gegenüber dem Referenzfall des Monopols ohne Preisdifferenzierung verringert hat. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist damit dieser Aspekt von DRM positiv zu beurteilen. Somit haben Preisdifferenzierung und Verhinderung der Privatkopie gegenläufige wohlfahrtsökonomische Folgen: 1. Preisdifferenzierung führt durch die steigenden Absatzzahlen zu einem Nettowohlfahrtsgewinn im Musikmarkt. 2. Die Beschränkung der Privatkopie generiert einen Nettowohlfahrtsverlust. 3. Die Beschränkung der Privatkopie durch DRM und dessen juristischer Schutz verursachen erhebliche wohlfahrtsmindernde Durchsetzungskosten. Diese Ergebnisse lassen eine Auseinandersetzung mit AKS als lohnenswert erscheinen. 4. Wohlfahrtsökonomische Auswirkungen von AKS AKS sollen kostenlosen Download des immateriellen Gutes Musik gewähren, vergleichbar mit den existierenden Internettauschbörsen wie Kazaa oder Morpheus. Die Fixkosten der Musikproduktion sollen durch die Erhebung von Abgaben auf Internetzugänge, Speichermedien, CD-DVDBrenner und Internettauschbörsen, also zumindest teilweise komplementäre private Güter, gedeckt werden (vgl. Fisher, 2003, S. 22). Diese Einnahmen könnten dann entweder proportional zur Anzahl der Downloads des jeweiligen Musikproduzenten oder nach Downloadquoten, ähnlich den Fernseheinschaltquoten, verteilt werden. Fisher (vgl., 2003, S. 1-66) schlägt vor bei AKS die Finanzierung öffentlicher Güter möglichst eng an die tatsächliche Nutzung zu binden. Dadurch werden Umverteilungseffekte von Menschen, die andere Inhalte speichern, zu Menschen, die Musik speichern, minimiert. Bei der Koppelung der Gebühr an private Güter wie CD- oder DVD-Rohlinge offenbart der Musikkonsument zumindest teilweise seine Präferenzen hinsichtlich seines Musikkonsums. Von den 714 Millionen verkauften CDRohlingen wurden 2003 44% mit Musik bespielt (vgl. GfK-Brennerstudie, 2004). Die wohlfahrtsökonomischen Auswirkungen von AKS sollen, wie für DRM bereits geschehen, für ein Album analysiert werden. 3 In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004) Hierfür sind folgende sechs Annahmen notwendig: • Die Grenzkosten, also die Kosten jedes zusätzlich produzierten Tonträgers, sind konstant. Durch den Wegfall der Vertriebskosten sind die Grenzkosten der Produzenten Null. • Für den Konsumenten ist der Preis für ein Album der Preis für den Download und für ein Speichermedium, der zusammen unterhalb des Monopolpreises P0 liegt. • Die zur Abgabenerhebung genutzten Privatgütermärkte werden in der Analyse zur Vereinfachung auf den Speichermedienmarkt reduziert. • Dieser ist vor AKS-Einführung ein Paretooptimaler Wettbewerbsmarkt. Das bedeutet, dass der Preis gleich den Grenzkosten ist. • Die Gebühreneinnahmen kommen ausschließlich den Musikproduzenten zugute. Film- und Softwareproduzenten bleiben unberücksichtigt. • Es existiert nur noch der kostenlose Online-Musikmarkt. Nun werden die Auswirkungen von AKS auf die Nettowohlfahrt analysiert. Als Referenzfall dient erneut ein Marktergebnis für ein Album ohne Preisdifferenzierung, mit Privatkopien 0 0 und dem Marktpreis P0. Die Einführung von AKS lässt statisch folgendes Nettowohlfahrtsergebnis erwarten: 1. Die Nachfrage im kostenlosen Musikmarkt steigt, da die Nachfragekurven nach Privatkopien und ehemals verkauften Alben aufaddiert werden. Idealtypisch gibt es nur noch kostenlose Musikdownloads. Die nun abgesetzte Menge ist größer als die Anzahl der Privatkopien und die Anzahl der verkauften Alben zusammen. Denn durch AKS werden auch die ehemaligen Käufer des OfflineMusikmarktes ihren Konsum bis zum Schnittpunkt der neuen Nachfragekurve mit den Grenzkosten der Speichermedien ausdehnen. Die somit gestiegenen Absatzzahlen führen im Musikmarkt zu einem Pareto-Optimum und damit zum Verschwinden der internen Wohlfahrtsverluste. 2. Auf der anderen Seite verursacht die Gebühr auf Speichermedien einen Nettwohlfahrtsverlust im Speichermedienmarkt, da jede Abgabe unter sonst gleichen Bedingungen die abgesetzte Menge reduziert. Die Elastizitäten8 von Angebot und Nachfrage bestimmen den Anteil der Verluste den Konsumenten oder Produzenten der Speichermedien zu tragen haben. Um diesen Wohlfahrtsverlust zu minimieren, empfiehlt es sich, die Abgaben unter Berücksichtigung der verschiedenen Elastizitäten auf mehrere private Güter zu verteilen. Die Höhe der jeweiligen Gebühr sollte nach der Ramsey-Regel, d.h. umgekehrt proportional zur Elastizität der jeweiligen Nachfrage, festgelegt werden (vgl. Fisher, 2003, S. 22). Die Verteilungswirkung von AKS im Musikmarkt ist beinahe umgekehrt zu der bei DRM-Einsatz. Die Musikkonsumenten gewinnen die vormalige Produzentenrente und den Nettowohlfahrtsgewinn durch die gestiegenen Absatzzahlen. Folglich verlieren die Produzenten ihre alte Produzentenrente, gewinnen jedoch die Gebühreneinnahmen aus dem Speichermedienmarkt abzüglich der Verwaltungskosten. Die Gebühreneinnahmen sind abhängig von der Höhe der Abgaben. Um eine Schätzung der potentiellen Einnahmenhöhe aus dem Speichermedienmarkt vornehmen zu können, wird eine Abgabenhöhe von 50 Cent auf CDRohlinge und einem Euro auf DVD-Rohlinge unterstellt. Damit wären 2003 in Deutschland im Speichermedienmarkt, unter Annahme konstanter Absatzzahlen, Einnahmen in Höhe von 381 Millionen € erzielt worden. Bleiben etwaige Verwaltungskosten unberücksichtigt, wären in Deutschland im Jahr 2003 den Musikproduzenten pro nachgefragtem Album9 etwa 0,60 € an Einnahmen aus AKS zugeflossen (vgl. Jahreswirtschaftsbericht der Phonographischen Industrie, 2003, S. 8, 17, 24 und vgl. GfK-Brennerstudie, 2004). Die neue Produzentenrente von 381 Mio. € liegt unter der momentanen Produzentenrente, die man nach Abzug der variablen Kosten (angenommen: 2 € pro Album) vom Umsatz für das Jahr 2003 auf 1,28 Milliarden € beziffern kann (vgl. Jahreswirtschaftsbericht der Phonographischen Industrie, 2003, S.8). Ob die neue Produzentenrente von 381 Mio. € 8 Prozentuale Mengenänderung geteilt durch prozentuale Preisänderung. 9 Summe aus den 2003 verkauften Tonträgern und mit Musik bespielten CD-Rohlingen als ungefähre Richtschnur für die Zahl der nachgefragten Alben bei AKS-Einsatz. 4 In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004) die Deckung der Fixkosten und damit die Sicherung einer konstanten Zahl von Neuerscheinungen ermöglicht, ist a priori kaum zu bestimmen.10 Auch beim Einsatz von AKS können wohlfahrtsmindernde Überwachungskosten entstehen, da die Urheber durch möglichst viele eigene Downloads versuchen können, ihren Anteil an der Produzentenrente zu erhöhen. Falls AKS bei Verteilung der Einnahmen nach Downloadzahl nicht zu kontrollieren sein sollte, könnte, wie Fisher vorschlägt, auch ein System, ähnlich den Fernseh-Einschaltquoten, etabliert werden. Dieses Allokationssystem würde zwar Transaktionskosten generieren, aber die beschriebenen Fehlanreize aushebeln (vgl. Fisher, 2003, S. 26). Zusammengefasst führt damit auch AKS wohlfahrtsökonomisch zu gegenläufigen Effekten, die nicht zu quantifizieren sind: 1. Einem Pareto-Optimum im Musikmarkt, 2. das mit Verlusten in den mit Abgaben belasteten Märkten erkauft wird. Beide Systeme haben also ihre Vor- und Nachteile. Beim abschließenden Vergleich von DRM und AKS ist letzteres in Bezug auf die Minimierung der Wohlfahrtsverluste überlegen, wenn die Nettowohlfahrtsverluste der mit Abgaben belasteten Märkte und die Überwachungs- bzw. Transaktionskosten von AKS geringer sind als die Überwachungskosten und die verbliebenen Nettowohlfahrtsverluste im Musikmarkt bei DRM-Einsatz. 5. Fazit Beide Systeme tragen zur Fixkostendeckung der Musikproduktion bei und gewährleisten somit eine gewisse dynamische Effizienz in Form von Neuerscheinungen. Eindeutige Aussagen über die statische Überbzw. Unterlegenheit hinsichtlich der Nettowohlfahrt können für folgende Einzelaspekte getroffen werden: 1. AKS sind im Musikmarkt, im Gegensatz zu DRM, Pareto-optimal. 2. Die Überwachungsbzw. Transaktionskostenkosten von AKS müssen niedriger als die bei DRM sein. 10 Insbesondere, da die Musikindustrie bis dato nicht ihre Kostenstruktur offen gelegt hat (vgl. Hilty 2003, S. 996). 3. DRM beschränkt die Möglichkeit zur Privatkopie, was einen Nettowohlfahrtsverlust impliziert. 4. Durch AKS werden in den mit Abgaben belasteten Märkten Nettowohlfahrtsverluste generiert, die bei DRM-Einsatz nicht auftreten. Damit sind AKS DRM in drei von vier Punkten überlegen. Eine Gewichtung der Einzel- und eine Quantifizierung der Gesamteffekte ist aber a priori nicht möglich. Die Verteilungswirkungen von DRM und AKS sind jedoch prognostizierbar. DRM begünstigt die Musikindustrie, AKS hingegen die Musikkonsumenten. Welche der Verteilungswirkungen zu bevorzugen ist, bleibt eine normative Frage und kann volkswirtschaftlich nicht beantwortet werden. Literaturverzeichnis Boldrin, M., Levine, D., The Case against intellectual property, in: The American Economic Review, Vol. 92 No2 (2002), S. 209-212. CrossCommons http://www.crosscommons.org/acs.htmlActivismContr aAK Fisher, W., Promisies To Keep. Standford Unversity Press (forthcoming) Draft (September 20) of Chapter 6: An Alternative Kompensations Systemavailable 2003 http://cyber.law.harvard.edu/people/tfisher/PTKChapte r6.pdf. Gebhardt, G., Sieben Argumente gegen eine Kulturflatrate, in: Spiegel-Online, 06.09.2004 http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,316837, 00.html. Gesellschaft für Konsumforschung 2004 http://www.ifpi.de/news/379/brennerstudie2004.pdf. Grassmuck, V., Freie Software, Bonn: Bundeszentrale für Politische Bildung, 2000. Gratz, J., Reform In The Brave Kingdom: Alternative Kompensations Systeme for p2p File Sharing. Draft 2003 URL: http://www.joegratz.net/files/JosephGratzReformInTheBraveKingdom-Dec19.pdf. Heiseonline Unterhaltungsbranche: Umsatzplus dank DRM http://www.heise.de/newsticker/. Hilty, R.. Urheberrecht in der Informationsgesellschaft. Wer will was von wem woraus? - Auftakt zum zweiten Korb. in: ZUM Sonderheft 2003. 983-1005. Jahreswirtschaftsbericht der Phonographischen Industrie 2003 http://www.ifpi.de/jb/2004/umsatz.pdf http://www.ifpi.de/jb/2004/absatz.pdf. Klein, B., u.a., The Economics of Copyright „Fair Use“ in a Networked World, in: The American Economic Review, Vol. 92 No2, (2002), S. 205-208. Moldenhauer, O., Kulturflatrate statt Knast, in: SpiegelOnline, 22.07.2004 5 In: FIfF Kommunikation, Jg. 21, H. 4, S. 51-55 (2004) http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,3097 68,00.html. Romer, P., When Should We Use Intellectual Property Rights?, in: The American Economic Review, Vol. 92 No2 (2002), S. 213-216. Wied-Nebbling, S., Preistheorie und Industrieökonomik, Berlin 2004. 6