thema europa - Bernd Lange

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thema europa - Bernd Lange
THEMA EUROPA
Verkehr und Umwelt
Strategien für ein nachhaltiges
Verkehrssystem in Europa
Von Bernd Lange MdEP, Willi Piecyk MdEP,
Ulrich Stockmann MdEP
Mitarbeit: Nils Danklefsen, Andreas Kleiner, Tina Tomforde
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
iNFO
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2
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
INHALT
VORWORT: VERKEHRSPOLITIK AM SCHEIDEWEG
5
1. HERAUSFORDERUNGEN EINER
UMWELTGERECHTEN VERKEHRSPOLITIK
7
1.1.
Verkehrspolitik und Binnenmarkt
7
1.2.
Die Verkehrssituation in Europa
8
1.3.
Alarmierende Prognosen
9
1.4.
Verkehrswende überfällig
10
1.5.
Strategie für eine nachhaltige Verkehrspolitik
11
2. ECKPFEILER EINES NACHHALTIGEN
VERKEHRSSYSTEMS IN EUROPA
2.1
Transeuropäische Verkehrsnetze – Erste Schritte zur Neuorientierung
13
13
2.1.1.
Schwerpunkt: Umweltfreundliche Verkehrsträger
14
2.1.2.
Problem: Finanzierung
16
2.1.3.
Binnenwasserstraßen im TEN
17
2.1.4.
Strategische Umweltanalyse
17
2.2
Kostenwahrheit: Mobilität und ihr Preis –
Gebühren nach dem Verursacherprinzip
18
2.2.1.
Vorschlag der Kommission 2002
21
2.3
Vernetzung der Verkehrsträger –
Intermodalität und kombinierter Verkehr
23
2.3.1.
Hindernisse auf dem Weg zu einem intermodalen Gesamtverkehrssystem
24
2.3.2.
Strategien zur Förderung der Intermodalität
24
2.3.3.
Kombinierter Verkehr: PACT und sein Nachfolger Marco Polo
24
2.4
Intelligente Lösungen für den Verkehr – Telematik und GALILEO
26
2.5
Vermeidung von unnötigem Verkehr
31
3. MASSNAHMEN ZUR OPTIMIERUNG
DER EINZELNEN VERKEHRSTRÄGER
33
3.1
Revitalisierung der Eisenbahnen
33
3.1.1.
Das Eisenbahninfrastrukturpaket
33
3.1.2.
Interoperabilität auf der Schiene
34
3.1.3.
Das zweite Eisenbahnpaket
36
3.2
Sichere und saubere Transporte auf dem Seeweg
37
3
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
3.2.1.
Ökologische Gefahrenpotentiale durch den Seeverkehr
37
3.2.2.
Schiffssicherheitspolitik: Die „Erika-Pakete“
39
3.2.2.1. Das „Erika I-Paket“
40
3.2.2.2. Das „Erika II-Paket“
41
3.2.3.
Entsorgungseinrichtungen in den Häfen
42
3.2.4.
Schifffahrt- und Luftverschmutzung
43
3.2.5.
Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs (ShortSeaShipping)
44
3.3
Stärkung der Binnenschifffahrt
45
3.3.1.
Hindernisse und Handlungsbedarf
45
3.3.2.
Strategien zur Stärkung der Binnenschifffahrt
47
3.4
Verbesserung der Umweltbilanz des Straßenverkehrs
48
3.4.1.
Abgasemissionen in den Griff bekommen
48
3.4.2.
Weiter zunehmendes Verkehrsvolumen
49
3.4.3.
Eine Vielzahl von Schadstoffen erfasst
49
3.4.4.
Abgasreduktion bei Kraftfahrzeugen
50
3.4.5.
Das Problem der Dieselpartikel
51
3.4.6.
Realistische Anforderungen
51
3.4.7.
Kampf dem Schwefel im Kraftstoff
51
3.4.8.
Alle mobilen Quellen erfasst
52
3.4.9.
Herausforderung CO2-Reduktion
53
3.4.10. „Return to sender“:
Rückgabe eines Altautos für den Letztbesitzer künftig kostenfrei
4
54
3.4.11. Alternative Antriebe stehen vor der Tür
55
3.5
Effizienter und umweltverträglicher Luftverkehr
57
3.5.1.
Maßnahmen der EU im Luftverkehr
58
3.5.1.1. Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraums
58
3.5.1.2. Kerosinsteuer und Umweltabgabe
59
3.5.1.3. Optimale Nutzung der Flughafenkapazitäten
60
3.5.1.4. Flughafenkooperationsmodelle
60
FAZIT: 12 SOZIALDEMOKRATISCHE THESEN
FÜR EINE NACHHALTIGE VERKEHRSPOLITIK
61
Weiterführende Informationen
63
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
VORWORT:
VERKEHRSPOLITIK AM SCHEIDEWEG
Bernd Lange, MdEP
Willi Piecyk, MdEP
Ulrich Stockmann, MdEP
(von links nach rechts)
„Der Gedanke der
Nachhaltigkeit
muss Grundlage
und Maßstab der
europäischen
Verkehrspolitik
sein.“
Die Europäische Union steht in der
Verkehrspolitik vor gewaltigen Herausforderungen. Der massive Anstieg des Verkehrsaufkommens, überwiegend auf der
Straße und in der Luft, führt zu Überlastungserscheinungen und einer drastischen
Zunahme der Umweltbelastungen. Mobilität – geschweige denn nachhaltige Mobilität – wird immer mehr zur Farce.
Auch in den kommenden Jahren ist, u.a.
aufgrund von regionalen Arbeitsteilungen
sowie der Osterweiterung der Europäischen
Union, ein erhebliches Verkehrswachstum
zu erwarten. Dieser Anstieg der Verkehrsströme kann weder von einem Verkehrsträger allein bewältigt werden, noch lassen
sich die Verkehrsprobleme allein durch
Verkehrswegebau oder durch die Verbesserung der Umweltbilanz der einzelnen
Verkehrsträger lösen.
5
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Soll der Verkehrsinfarkt vermieden werden,
müssen wir endlich konsequent neue Wege
gehen und ökonomische Effizienz mit
ökologischer Verträglichkeit verbinden.
Einerseits muss die Gemeinschaft reibungsund lückenlose Mobilität von Personen,
Waren und Dienstleistungen ermöglichen.
Andererseits muss sie den Zielen des
Umweltschutzes gerecht werden, den die
europäischen Verträge als integralen Bestandteil sämtlicher Politikbereiche ausweisen.
Die europäische Verkehrspolitik muss also
das Spannungsverhältnis zwischen stetig
steigendem Verkehrsaufkommen und daraus resultierenden Umweltbelastungen
und ökologischen Folgekosten auflösen. Mit
anderen Worten: der Gedanke der Nachhaltigkeit muss Grundlage und Maßstab der
europäischen Verkehrspolitik sein.
Dies erfordert einen Paradigmenwechsel, in
dem Integration der einzelnen Verkehrs-
6
träger, Harmonisierung und partielle Liberalisierung Hand in Hand gehen. In
diesem Sinne muss Verkehrspolitik zum
einen vom Gesamtsystem her gedacht
werden und nicht von den einzelnen
Verkehrsträgern. Zum anderen ist neben der
Optimierung des Gesamtverkehrssystems
zugleich die Optimierung jedes einzelnen
Verkehrsträgers notwendig.
Ein nachhaltiges Verkehrssystem erfordert
daher die Umkehr von einer verkehrsträgerspezifischen - hin zu einer verkehrsträgerübergreifenden Politik unter Berücksichtung
der Belange des Umweltschutzes und des
rationellen Umgangs mit Energie. Nur
wenn diese verkehrspolitische Wende gelingt, können der drohende Verkehrskollaps
und die sich anbahnende Umweltkatastrophe abgewendet werden.
In dem vorliegenden Heft möchten die Autoren Strategien für ein nachhaltiges Verkehrssystem skizzieren.
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
1. HERAUSFORDERUNGEN EINER
UMWELTGERECHTEN VERKEHRSPOLITIK
1.1. Verkehrspolitik und Binnenmarkt
Verkehrswachstum EU 15
1985 = 100
Diese Binnenmarkteffekte trugen maßgeblich zu Wohlstand und Wirtschaftswachstum in allen Ländern der EU bei, erforderten aber zwangsläufig eine gravierende
Steigerung der Mobilität und der Transport-
Jährliche Wachstumsraten
19801990
19901997
1998
1999
BIP
(reales
Wachstum)
2,4%
1,8%
2,9%
2,5%
Industrieproduktion
1,8%
0,9%
3,7%
1,6%
Personenverkehr pkm
(5 Verkehrsträger)
3,1%
1,7%
2,0%
3,0%
Güterverkehr
tkm (5 Verkehrsträger)
1,9%
2,6%
3,7%
3,6%
Quelle: Europäische Kommission
170
160
150
140
130
120
11 0
100
1985
1987
1989
1991
1993
1995
1997
1999
Personen (pkm)
GŸter (tkm)
BIP (zu konstanten Preisen)
Quelle: Europäische Kommission
Europa wächst zusammen. Die Schaffung
des gemeinsamen Binnenmarktes ließ den
grenzüberschreitenden Austausch von Gütern und Dienstleistungen in der EU stetig
ansteigen. Den Unternehmen eröffnete die
Verwirklichung der Freiheit des Dienstleistungs-, Waren-, Personen- und Kapitalverkehrs innerhalb der EU völlig neue
Möglichkeiten und trug zu tiefgreifenden
Veränderungen bei. Wesentliche Teile der
Güterproduktion wurden an kostengünstigere Produktionsorte verlagert und die
Lagerhaltung auf eine produktionssynchrone Lieferung umgestellt. Zugleich wurden
die Wege zwischen Rohstoffgewinnung,
Produktionsorten und Endverbrauchern
durch die zunehmende regionale Arbeitsteilung immer länger.
kapazitäten. Die anstehende EU-Osterweiterung wird diesen Prozess weiter beschleunigen.
Mobilität von Gütern und Personen war
und ist daher zentrales Element der europäischen Binnenmarktstrategie. Insofern war
die europäische Verkehrspolitik bisher
primär darauf ausgerichtet, die Erhöhung
des Transportvolumens zu bewältigen. Wiederum der Binnenmarktlogik folgend, lag
der Schwerpunkt der EU-Verkehrspolitik
auf der Öffnung und der Liberalisierung der
Verkehrsmärkte.
Auf den ersten Blick ein Riesenerfolg:
Erreicht wurden erhebliche Kostensenkungen, eine wesentlich höhere Dienstqualität
und ein erheblich breiteres Angebot der Transportdienstleistungen. Das durchschnittliche
Wachstum des Verkehrsaufkommens lag
zwischen 1970 und 1998 stetig über dem
des Bruttoinlandsproduktes (2,5%). Personen- und Güterverkehr haben sich in den
letzten 30 Jahren mehr als verdoppelt.
7
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
1.2. Die Verkehrssituation in Europa
Auf den europäischen Straßen kommt es
täglich auf einer Länge von 7.500 Kilometern, das sind rund 10% des gesamten
Netzes, zu Staus. Die Kosten dafür liegen
nach der neuesten Schätzung bei mindestens 0,5% des BIP der Gemeinschaft.
Bei Schiene und Flugzeug sieht die Lage
nicht anders aus: 20% des europäischen
Eisenbahnnetzes, rund 16.000 Kilometer,
gelten laut Kommission als Nadelöhre. Auf
den größten europäischen Flughäfen haben
mehr als 30% der Flüge Verspätungen von
über einer Viertelstunde.
Weitaus gravierender sind jedoch die Folgen
des Verkehrsaufkommens für die Umwelt.
In vielen Regionen Europas wurde die zu
vertretende Umweltbelastung bereits überschritten.
Der Verkehr gilt als einer der Hauptverursacher der CO2-Emissionen. Zwischen
1990 und 1998 haben sie durch die Zunahme des Verkehrsaufkommens und der
damit verbundenen Zunahme des Verbrauchs fossiler Kraftstoffe in diesem
Sektor um 15% zugenommen.
10. Mai 2000 auf
der Autobahn
München-Stuttgart.
Auf den Straßen der
EU staut sich der
Verkehr täglich auf
7.500 Kilometern,
das entspricht 10
Prozent des Europäischen Straßennetzes.
8
Der Verkehrssektor ist damit ein sehr dynamischer Wachstumsmarkt. Ökonomisch
zwar sehr erfolgreich, ökologisch aber in
höchstem Maße bedenklich, denn immer
deutlicher werden auch die Schattenseiten
dieser Entwicklung. Die einseitige Ausrichtung der europäischen Verkehrspolitik auf
die Schaffung freier Transportmärkte trägt
gleichzeitig zum Verkehrsinfarkt bei. Notwendig ist deshalb eine Neuausrichtung,
um durch die Integration und Optimierung
der einzelnen Verkehrsträger sowohl den
Mobilitätsbedarf des Binnenmarktes als
auch den Schutz von Umwelt und Ressourcen zu gewährleisten.
Die vom Verkehrssektor verursachten Treibhausgas-Emissionen verzeichneten dabei
die höchste Zuwachsrate aller Wirtschaftszweige. Dadurch gefährdet der Verkehr
die Klimaschutzziele des Kyoto-Protokolls
schon heute erheblich.
Derzeit sind rund 28% aller CO2-Emissionen
in der EU auf den Verkehr zurückzuführen.
Davon entfallen rund 84% auf den Straßenverkehr. Andere Schadstoffemissionen sind
nach Einführung des Katalysators zwar
rückläufig, doch wird diese positive Entwicklung zumindest zum Teil durch das
angestiegene Verkehrsaufkommen wieder
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Die Gründe für den schleichenden Sieg der
Straße sind vielfältig: Wachsender Wohlstand ließ die Nachfrage nach Pkw immens
steigen. Der Siegeszug des Lkw wurde
begünstigt durch die erfolgreich durchgeführte Marktöffnung im Straßengüterverkehr, während sie bei der Bahn bis vor kurzem kaum vorankam. Mit diesem und weiteren Vorteilen des Lkw wie der flächendeckenden Verfügbarkeit, der hohen Flexibilität und Geschwindigkeit kann die
Schiene bis jetzt nicht mithalten.
Gleichzeitig brachte die Notwendigkeit
immer flexiblerer Lieferungen und der
Abbau teurer Lagerhaltung der Unternehmen sogenannte „Zero-Stock“ und „Just-intime“ Logistikkonzepte hervor. Der Lkw
dient immer mehr als „rollendes Lager“ auf
den europäischen Straßen.
125
Verkehr
120
=
100
11 5
11 0
Energiebranche
105
Haushalte etc.
100
ElektrizitŠts- u. WŠrmeproduktion
95
90
85
Industrie
80
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
Jahr
1998
1999
Quelle: Europäische Kommission
Nicht nur die Luftverschmutzung, sondern
auch der Flächenverbrauch für den Bau
neuer Straßen ist problematisch: 1,2% der
gesamten Fläche der Europäischen Union
nimmt die Verkehrsinfrastruktur bereits
insgesamt in Anspruch. 93% davon entfallen auf Straßen. Allein zwischen 1990 und
1996 wurde jeden Tag die Fläche von zehn
Fußballfeldern für den Autobahnbau in
Anspruch genommen. Der Flächenverbrauch
geht weiter.
CO 2 -Emissionen (EU 15)
1990
relativiert. Die Entwicklung der einzelnen
Verkehrsträger in Bezug auf den ModalSplit gibt Anlass zu großer Sorge. Insgesamt
sind in den letzten 30 Jahren deutliche Verlagerungen zwischen den einzelnen Verkehrsträgern zugunsten der Straße zu verzeichnen. Der Anteil der Schiene ging im
Güterbereich von 21% auf 8,5%, im Bereich
der Personenbeförderung von 10% auf
6% zurück. Der Anteil der Straße stieg demgegenüber beim Güterverkehr von 31% auf
44% und beim Pkw-Verkehr von 65% auf
74%.
01/2002
Hinzu kommen technische Probleme der
Bahn, wie unterschiedliche Spurweiten und
Signalsysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten, die einen reibungslosen Verkehrsfluss auf der Schiene quer durch Europa erschweren. Nur auf längeren Strecken kann
die Bahn aber ihre Vorteile gegenüber der
Straße ausspielen.
Für die Umwelt ist der Niedergang der
Schiene verheerend. Sie ist zusammen mit
den Wasserstraßen noch immer der mit
Abstand umweltfreundlichste Verkehrsträger. Da aber bislang die Kosten der Umweltverschmutzung kaum in die Beförderungspreise der Verkehrsträger einfließen,
kann die Bahn, wie auch die Binnenschifffahrt, diesen Umweltvorteil nicht im Wettbewerb mit den anderen Verkehrsträgern
ausspielen.
1.3. Alarmierende Prognosen
Setzt man voraus, dass sich diese skizzierte
Entwicklung der letzten 30 Jahre auch nach
der Osterweiterung fortsetzt, kommt man
9
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
Personenverkehr
Transportleistung nach Verkehrsträger
EU 15 : 1970 - 1999
und die Kosten der Staus um 142% (auf 80
Mrd. Euro im Jahr, also ca. 1% des BIP)
ansteigen werden.
in Milliarden pkm
Im Vergleich zum Jahr 1990 würden die
CO2-Emissionen des Verkehrssektors ohne
einschneidende Maßnahmen für eine Trendwende beim Verkehrswachstum bis zum
Jahr 2010 um 50% bis auf 1,113 Mrd. Tonnen steigen (1990: 739 Mio. Tonnen). Die
Klimaschutzziele der EU wären so nicht zu
erreichen.
4000
3500
3000
2500
2000
1.4. Verkehrswende überfällig
1500
Quelle: Europäische Kommission
1000
500
0
1970
1974
1978
1982
1986
1990
1994
1998
Auto
Bus/Reisebus
Schiene
Luft
zu erschreckenden Prognosen, wie sie die
Europäische Kommission jüngst in ihrem
Weißbuch „Die europäische Verkehrspolitik
bis 2010: Weichenstellung für die Zukunft“
veröffentlicht hat.
Der Verkehrsbedarf wird bis zum Jahr 2010
massiv ansteigen (+38% beim Güterverkehr,
+24% beim Personenverkehr). Gerade in
den neuen Mitgliedstaaten und in Grenzgebieten wird der Verkehr dramatisch
anwachsen.
Ohne gravierende Änderungen der europäischen Verkehrspolitik erwartet die Kommission bis 2010, dass der Schwerlastverkehr
um fast 50% gegenüber 1998 zunehmen
10
Die Richtung der europäischen Verkehrspolitik stimmt schon lange nicht mehr. Sie
muss dringend korrigiert werden. Der
Herausforderung, einerseits die Mobilität
von Personen, Waren und Dienstleistungen
zu fördern und wirtschaftliches Wachstum
zu sichern, andererseits aber den Zielen des
Umweltschutzes gerecht zu werden, die sich
die Mitgliedstaaten im Vertrag über die
Europäische Union auferlegt haben, muss
sich die EU jetzt stellen.
VERTRAG VON AMSTERDAM, ART. 6
„Die Erfordernisse des Umweltschutzes
müssen bei der Festlegung und Durchführung der in Artikel 3 genannten
Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen insbesondere zur Förderung einer
nachhaltigen Entwicklung einbezogen
werden.“
Nachhaltige Mobilität soll nicht nur möglichst umweltfreundlich, sondern auch zu
niedrigen Kosten für die Gesellschaft als
Ganzes garantiert werden und zugleich eine
wettbewerbsfähige Wirtschafts- und Regionalentwicklung unterstützen.
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
Dezember 2000:
Das Frankfurter Autobahnkreuz nach seiner
Erweiterung. 1,2 Prozent der Fläche aller
EU-Staaten wird vom
Verkehr beansprucht.
Über 90 Prozent
davon von der Straße.
Überdies muss eine nachhaltige Verkehrspolitik auch noch die vertraglichen Grundlagen der EU-Verkehrspolitik berücksichtigen. Hierzu gehören vor allem:
einer Strategie für die Schaffung eines
europäischen Gesamtverkehrssystems, in
dem jeder Verkehrsträger seine Vorteile
optimal ausspielen kann.
Nichtdiskriminierung zwischen Verkehrsunternehmen in der Gemeinschaft;
Oberstes Ziel muss dabei die Verlagerung
der Verkehrszuwächse auf die umweltfreundlicheren Verkehrsträger Schiene und
Binnen- bzw. Küstenschiff sein.
freie Wahl des Verkehrsträgers durch
den Benutzer;
marktorientierte Lösungen (d.h. keine
staatlichen Eingriffe durch Quoten);
Beachtung des Subsidiaritätsprinzips
(EU-Maßnahmen sind nur dann zulässig,
wenn nationale Gesetze zur Erreichung
eines gemeinschaftlichen Ziels nicht ausreichen).
Eine Strategie für eine nachhaltige Verkehrspolitik basiert auf folgenden Säulen:
1.
2.
3.
4.
1.5. Strategie für eine nachhaltige
Verkehrspolitik
Damit das Konzept einer nachhaltigen
Mobilität kein Luftschloss bleibt, bedarf es
5.
6.
einer leistungsfähigen Infrastruktur
und umweltschonendem Verkehrswegebau,
der Herstellung von Kostenwahrheit
und Wettbewerbsgleichheit zwischen
den Verkehrsträgern,
der Vernetzung der Verkehrsträger zu
einem integrierten Gesamtsystem,
der Schaffung intelligenter Verkehrslösungen
der Vermeidung von unnötigem Verkehr,sowie auf
Maßnahmen zur Optimierung der einzelnen Verkehrsträger.
11
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
Transeuropäische Netze
12/9/2001
1996 angenommene „spezifische“ Vorhaben (so genannte „Essener Liste“)
1:17550000
T AMPE R E
L AHT I
#
#
T UR KU
#
#
HE L SINKI
#
KAR L S T AD
#
#
12
T ALL INN
ST OCKHOL M
MOSK VA
#
#
R IGA
GL ASGOW
#
L ONDONDE R R Y
#
EDINB UR GH
KØBE NHAVN
#
BE L F #AST
VIL NIUS
#
#
11
14
DUBL IN# HOL YHEAD
L IVE R P OOL
#
#
9
COR K
13
#
BIR MINGHAM
#
L ONDON #
L IL L E
#
#
#
#
HAL L E
#
L IEGE #KÖL N
#
L E IP ZIG
#
2
WAR S ZAWA
BE R L IN
AMS T E R DAM
#
## F EL IXST OWE 5
HAR WICH
1
#
PAR IS
#
#
4
ME T Z
ST UT T GAR T
#
#
[%
#
MIL ANO
6
#
GIJ ON
#
L A COR UNA
DAX
#
10
T OR INO
#
#
T R IES T E
BUDAP ES T
#
BUCUR ES T I
#
#
Malp en s a
#
#
#
1
L YON
WIEN BR AT IS L AV A
L INZ
ST R ASB OUR G
#
PR AHA
L# UXE MB OUR G
# MANNHE IM
#
#
VE R ONA VE NE ZIA
T OUL OUSE
SOF IYA
#
PAL ENCIA
POR T O
#
#
#
#
#
#
VALL ADOL ID
8
IS T ANB UL
PE R P IGNAN
MADR ID
#
ZAR AGOZA
#
T HES SAL ONIKI
#
3
#
BAR CE L ONA
L ISB OA
IGOUMENIT SA
#
#
7
PIR AEUS
#
SEV IL L A
Quelle: Europäische Kommission
#
12
1. Hochgeschwindigkeit ss trecke/kom binierter Verk ehr Nord-Süd
8. Mulit modale Verbindung P ortugal- Spanien- Mit teleuropa
2. Hochgeschwindigkeit ss trecke PBKA L
9. K onventionelle E is enbahnverbindung Cork- Dublin- B elfast - La rne- Stranraer (fertiggestellt )
3. Hochgeschwindigkeit ss trecke Süd
10. F lughafen Malpens a (fertiggest ellt )
4. Hochgeschwindigkeit ss trecke Os t
11. F este Schienen- /Straßen v e rb n
i dung zwis chen Dänemark und S chweden (fertigges tellt)
5. B et uwe-L inie, konventionelle Zugstrecke/kombinierter Verkehr
12. Nordis ches Dreieck (E is enbahn/Straße
6. Hochgeschwindigkeit ss trecke/kom binierter Verk ehr, F rankreich- It alien
13. Straßenverbindung Irland/Vereinigtes Königreich/Benelux
7. Griechische Autobahnen P athe und Via E gnatia
14. Hauptverkehrsst recke Wes tküs te
*Entsc heidung Nr. 1692/96/EG, geändert durch E nt scheidung Nr. 1346/2001/
EG
0
Eisenbahn
Straße
200
400
600 Kilometers
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
2. ECKPFEILER EINES NACHHALTIGEN
VERKEHRSSYSTEMS IN EUROPA
2.1. Transeuropäische Verkehrsnetze –
erste Schritte zur Neuorientierung
Ein erster Ansatz gemeinschaftlicher Verkehrspolitik findet sich in den transeuropäischen Verkehrsnetzen (TEN).
In den neunziger Jahren begann die EU mit
dem Aufbau der TEN. Das transeuropäische
Verkehrsnetz sollte als Katalysator für den
Binnenmarkt dienen. Hauptziel war die
Erhöhung der Transportkapazitäten zur
Bewältigung der steigenden Transportnachfrage im gemeinsamen, grenzüberschreitenden Markt. Darüber hinaus erhoffte man
sich eine stärkere Anbindung der entfernten
Regionen und eine Ankurbelung der Beschäftigung durch den Bau oder Ausbau
von Infrastrukturen.
Ein weiteres Ziel gewann erst auf Druck
des Europäischen Parlaments an Bedeutung: Das transeuropäische Verkehrsnetz soll
auch der Realisierung einer europäischen
Verkehrspolitik dienen, die Umweltpolitik als
Das transeuropäische
Verkehrsnetz in Zahlen
75.000 Kilometer Straße
80.000 Kilometer Schiene
381 Flughäfen
273 internationale Seehäfen
210 Binnenhäfen
Quelle: Europäische Kommission
einen integralen Bestandteil begreift. Dies
vor allem aufgrund der Priorität der TEN für
die umweltfreundlichen Verkehrsträger
Schiene und Wasser. Die TEN sind fester Bestandteil des Vertrags von Maastricht. Für
die Errichtung von Verkehrswegen sind jedoch nach dem Prinzip der Subsidiarität in
erster Linie die EU-Mitgliedstaaten zuständig.
Zur Koordinierung und Schwerpunktsetzung verabschiedeten das Europäische
Parlament und der Ministerrat im Juli 1996
die dafür notwendigen gemeinschaftlichen
Leitlinien. In diesen Leitlinien werden
Infrastrukturvorhaben von gemeinsamen
europäischem Interesse ausgewiesen. Darunter 14 sogenannte prioritäre Projekte
(„Essener Liste“, vorgelegt vom Europäischen Rat im Dezember 1994 in Essen,
siehe Karte Seite 12).
Anfang 2001 machten das Europäische
Parlament und der Ministerrat das transeuropäische Verkehrsnetz komplett. Bestimmte
Seehäfen, Binnenhäfen und intermodale
Terminals sind nun als wichtige Verkehrsknotenpunkte für umweltfreundlichen
Transport ebenfalls Bestandteil des Netzes,
so dass jetzt ein Entwicklungsplan vorliegt,
der alle Verkehrsträger umfasst. Nach derzeitigen Schätzungen belaufen sich die
Kosten für ein solches Netzwerk auf ungefähr 440 Mrd. Euro, die überwiegend von
den betroffenen Mitgliedstaaten selbst aufgebracht werden müssen.
Im Rahmen des TINA-Prozesses (Transport
Infrastructure Needs Assessment) wurde
parallel eine Bewertung des Verkehrsinfrastrukturbedarfs der Beitrittskandidaten vorgenommen. Nach der Erweiterung wird das
Transeuropäische Verkehrsnetz entsprechend aktualisiert werden.
Die Verwirklichung der vorrangigen Verkehrsinfrastrukturvorhaben der Beitritts-
13
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
kandidaten wird bis zum Jahr 2015 nochmals rund 91 Mrd. Euro kosten.
29.000 Kilometer
des transeuropäischen Schienennetzes sind für
Hochgeschwindigkeitszüge geplant.
ICE-Neubaustrecke
Köln-Rhein/Main
während der ersten
Messfahrt zwischen
Frankfurt/MainSportfeld und
Montabaur.
Foto: DB AG/Mann
Für einzelne Infrastrukturprojekte der ausgewiesenen Verkehrsverbindungen kann die
EU finanzielle Zuschüsse gewähren. Damit
werden finanzielle Anreize in Aussicht
gestellt, die meist der Anschubfinanzierung
eines Projektes dienen, allerdings im
Vergleich zu den Gesamtkosten vergleichsweise gering anmuten.
Insgesamt fördert die Europäische Union
den Ausbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes zwischen 2000 und 2006 mit ca.
4 Mrd. Euro. 60% dieser Mittel gehen in den
Bahnbereich. Hinzu kommen Darlehen der
Europäischen Investitionsbank EIB (1999:
knapp 6 Mrd. Euro), sowie Kreditbürgschaften des Europäischen Investitionsfonds (1999: 266 Mio. Euro) und Zuschüsse
aus dem Kohäsionsfonds (1999: 444 Mio.
Euro).
2.1.1. Schwerpunkt: Umweltfreundliche
Verkehrsträger
Auf Druck des Europäischen Parlaments
wurde der Schwerpunkt bei EU-Verkehrsinfrastrukturvorhaben auf den Ausbau der
umweltfreundlicheren Verkehrsträger Schiene und Wasser gelegt.
Insbesondere das europäische Schienennetz
ist vielfach in marodem Zustand, der einen
zügigen Verkehrsfluss verhindert. Die bisherigen 15 nationalen Eisenbahnnetze müssen
zudem zu einem gesamteuropäischen Eisenbahnnetz zusammengeführt werden.
Der frühere EU-Verkehrskommissar Neil
Kinnock brachte diese Zielsetzung für den
Schienenpersonenverkehr auf den Punkt:
„1000 Kilometer in 4 Stunden zurücklegen,
ohne fliegen zu müssen.“ Dass dies kein
Traum bleiben muss, zeigen schon heute
zum Beispiel die Erfahrungen mit den
Hochgeschwindigkeitszügen zwischen Brüssel, Paris und London. Hier ist die Schiene
die klar bessere und umweltfreundlichere
Alternative zu Flugzeug und Pkw.
Weitere Hochgeschwindigkeitsstrecken sind
in ganz Europa in Planung oder im Bau.
29.000 Kilometer des transeuropäischen
Schienennetzes sollen einmal als Hochgeschwindigkeitsstrecken genutzt werden.
Davon sollen 12.600 Kilometer neu gebaut
werden. Aber auch in den Ausbau konventioneller europäischer Schienenverbindungen wird investiert. Darunter fallen zum
14
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
Transeuropäische Netze
12/9/2001
Potentielle „Spezifische“ Vorhaben
15
T AMP E R E
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#
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18
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17
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16
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19
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#
SE VIL L A
Quelle: Europäische Kommission
#
1
1. Hochges chwindigkeits s trecke/kombinierter Verkehr Nord- Süd
1. Hochgeschwindigkeitsstrecke/kombinierter Verkehr Nord-Süd
3. 3.
Hochges
chwindigkeits s trecke Süd
Hochgeschwindigkeitsstrecke
Süd
15.Galileo
Galileo
15.
16. Eisenbahnverbindung mit großer Kapazität durch die Pyrenäen
16. E is enbahnverbindung mit großer Kapazität durch die P yrenäen
17.Hochgeschwindigkeitsstrecke/kombinierter
Hochges chwindigkeits strecke/kombinierter
Verkehr
Os t- Wes t
17.
Verkehr
Ost-West
18.Schiffbarkeit
Schiffbarkeit
derDonau
Donau
zwischen
Vilshofen
und
St raubing
18.
der
zwischen
Vilshofen
und
Straubing
19.
desdes
iberischen
Netzes
19.Eisenbahnhochgeschwindigkeitsinteroperabilität
E is enbahnhochges chwindigkeits interoperabilität
iberisc hen
Netzes
20. Fehmarn Belt
20. F ehmarn B elt
0
200
400
600 Kilometer
15
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
Beispiel auch Schienenverbindungen, die
ausschließlich für den Güterverkehr genutzt
werden sollen (Freight freeways).
dies vor dem Hintergrund von sinkenden
Investitionen der Mitgliedstaaten in die
Verkehrsinfrastruktur (1970: 1,5% des BIP,
1995: ca. 1% des BIP).
2.1.2. Problem: Finanzierung
Trotz eindeutiger Priorität für die Schiene
hat sich zudem in den letzten Jahren
gezeigt, dass die Realisierung der TENStraßenvorhaben weitaus schneller vorangekommen ist als die der Schienenprojekte.
Mittlerweile werden aber zeitliche Verzögerungen bei der Realisierung der Schienenvorhaben immer deutlicher. Nach jüngsten
Schätzungen wird es ohne Veränderungen
noch 20 Jahre dauern, bis alle anvisierten
Hochgeschwindigkeitsschienenprojekte fertiggestellt werden.
Probleme gibt es vor allem bei der Finanzierung: Der gesamte Investitionsbedarf für
die Schiene liegt bei ca. 185 Mrd. Euro und
Die Gründe dafür sind vielfältig: Die TENLeitlinien sind lediglich ein „allgemeiner
Bezugsrahmen“ und kein Durchsetzungsinstrument der EU für ihre verkehrspolitischen Ziele. Die Planungshoheit liegt nach
wie vor bei den Mitgliedstaaten. Die Umsetzung der TEN-Projekte ist für sie genau-
Transeuropäische Verkehrsnetze
Förderung der EU in Mio. Euro
Art der Förderung
Instrument
1993
-1995
1996
1997
1998
1999
Darlehen
EIB
7666
3504
4943
4415
5977
Kreditbürgschaften
Europäischer
Investitionsfonds
161
303
55
71
266
Zuschüsse
EFRE
999
2639
527
n. verf.
n. verf.
Kohäsionsfonds
2995
1221
1251
1337
444
TENHaushaltslinie
B5-700
625
280
352
474
497
(darunter die
14 spezifischen
Projekte)
362
211
211
305
266
Zuschüsse,
Zinssubventionen,
Kreditbürgschaften
und Mitfinanzierung
von Studien
Quelle: Europäische Kommission
16
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
so wenig bindend, wie die EU-Priorität für
die Schiene. Allenfalls über den Schwerpunkt der TEN-Förderung kann die EU
Einfluss ausüben. Allerdings ist dieser Einfluss angesichts des gewaltigen Gesamtinvestitionsbedarfs begrenzt.
Die Kommission hat aus diesen Gründen
jüngst einige Änderungen der TEN-Leitlinien vorgeschlagen. Sie sollen eine Konzentration der Fördermittel auf die wichtigsten Projekte (insbesondere sogenannte
Engpässe) ermöglichen, von denen einige
mit 20% der Gesamtkosten bezuschusst
werden sollen. Darüber hinaus schlägt sie
vor, eine Reihe von neuen Vorhaben als prioritäre Projekte einzustufen (siehe Seite 15).
Ein Blick auf die Mittel des Kohäsionsfonds
für TEN-Projekte relativiert die Priorität für
die Schiene. Zwischen 1993 und 1999 wurden TEN-Projekte in Spanien, Griechenland, Irland und Portugal mit insgesamt 8,3
Mrd. Euro bezuschusst. 56% davon entfielen auf den Straßenbau, nur 34% auf die
Schiene. Ähnlich liegt der Fall bei Krediten
der Europäischen Investitionsbank.
Ohne gezielte Bedarfssteuerungsmaßnahmen auch in diesen Förderbereichen können sich umweltfreundliche Verkehrsträger
nicht gegenüber der Straße behaupten. Die
anstehende Revision der Leitlinien für das
transeuropäische Verkehrsnetz bietet eine
gute Gelegenheit, darauf zu drängen, dass die
EU ihre knappen Fördermittel für Verkehrsinfrastrukturen ausschließlich auf umweltfreundliche Verkehrsträger konzentriert.
Darüber hinaus sind die Haushaltsmittel
der Europäischen Union bislang viel zu
gering, um der Zielsetzung der TEN gerecht
zu werden. Vor dem Hintergrund der Osterweiterung muss mittelfristig zumindest
eine Verdoppelung der EU-Mittel angestrebt
werden.
01/2002
Dass auch die Mitgliedstaaten gefordert
sind, ihre Beiträge erheblich aufzustocken,
versteht sich von selbst. Die Bundesregierung geht in Europa mit ihrem Unterstützungsprogramm für die Schiene mit gutem
Beispiel voran.
2.1.3. Binnenwasserstraßen im TEN
Auch bei den Binnenwasserstraßen verfolgt
die Europäische Union das Ziel, ein durchgängiges, interoperables und wirtschaftliches Netz auf der Basis bestehender Wasserstraßen aufzubauen.
So geht es im Rahmen der TEN zum
Beispiel um die Beseitigung von Engpässen
aufgrund einer zu geringen Fahrwassertiefe
wie auf der Donau zwischen Straubing und
Vilshofen. Die Verbesserung der Schiffbarkeit auf diesem Teilstück soll demnächst
als prioritäres Projekt eingestuft werden,
um eine durchgehende Fahrt von der
Nordsee bis zum Schwarzen Meer auf der
Achse Rhein-Main-Donau zu ermöglichen.
Mehr noch als der Bau neuer Schienenwege
stößt gerade dieses Projekt auf den Widerstand von Umweltschützern, die bei einigen
Ausbauvarianten den naturnahen Fließcharakter der Donau und somit den natürlichen
Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten
gefährdet sehen. Bei diesem, aber auch bei
vielen anderen Großprojekten, zeichnen
sich Konflikte zwischen regionalen und
übergeordneten verkehrs- und umweltpolitischen Interessen ab.
2.1.4. Strategische Umweltanalyse
Das Europäische Parlament hat erfolgreich
eine Richtlinie zur Prüfung der Umweltauswirkungen von Plänen und Programmen
17
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
(strategische Umweltverträglichkeitsprüfung, 2001/42/EG) durchgesetzt, um die
existierenden und projektbezogenen Richtlinien zur Umweltverträglichkeitsprüfung
(85/337/EWG) und zum Schutz natürlicher
Lebensräume („Vogelschutzrichtlinie“ (79/404/EWG) und FFH-Richtlinie (92/43/
EWG )) zu ergänzen. Spätestens ab 2004
müssen dann umweltfreundlichere Handlungsoptionen, mögliche Transportalternativen sowie langfristige oder globale Auswirkungen bereits in der Konzeptphase
DIE EXTERNEN KOSTEN
DES VERKEHRS
(OHNE INFRASTRUKTURKOSTEN)
Staus: je dichter der Verkehr, desto
wahrscheinlicher werden Staus, die das
Gesamtverkehrssystem lähmen und
durch Zeitverluste und erhöhten
Kraftstoffverbrauch zu Kosten führen.
Luftverschmutzung: Abgase wie
Kohlenmonoxid, Stickoxid, Schwefeldioxid und Partikel führen zu Gesundheits-, Umwelt- und Gebäudeschäden.
Lärm: wirkt stresserzeugend und kann
zu Gesundheitsschäden führen.
Klimaveränderungen: vor allem durch
den Ausstoß von Kohlendioxid als
wesentlichem Einflussfaktor für den
Treibhauseffekt. Langfristig drohen aufgrund der Erwärmung der Erdatmosphäre schwere Schäden unter anderem
durch Bedrohung von Küstenregionen
aufgrund des ansteigenden Meeresspiegels, Versteppung oder Schäden
für die Landwirtschaft.
Unfälle: Personen- und Sachschäden
18
neuer Infrastrukturvorhaben unter Beteiligung der Öffentlichkeit untersucht werden
und ggf. umweltfreundlichere Alternativen
realisiert werden.
Gemäß einer Klausel in den TEN-Leitlinien
wurden mehrere EU-Pilotstudien in Auftrag
gegeben, um die methodischen Grundlagen
für strategische Umwelt- bzw. Korridoranalysen zu untersuchen.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen
fasste die Kommission in einem Leitfaden
zusammen.
Die anstehende Revision der TEN-Leitlinien bietet die Gelegenheit, die Anwendung dieses Leitfadens auch rechtlich
verbindlich für die Mitgliedstaaten vorzuschreiben.
2.2. Kostenwahrheit: Mobilität und
ihr Preis – Gebühren nach dem
Verursacherprinzip
Mobilität kostet Geld. Ohne Einbeziehung
der Kosten für Umwelt- und Gesundheitsschäden wird zur Zeit oftmals wesentlich
weniger bezahlt als die Nutzung der
Verkehrsträger tatsächlich kostet.
Diejenigen Kosten, die in dem vom
Benutzer gezahlten Preis für eine Verkehrsleistung nicht berücksichtigt werden,
fallen in der verkehrspolitischen Diskussion
unter den Begriff „externe Kosten“. Im
Verkehrsbereich entstehen externe Kosten
in erster Linie durch Luftverschmutzung,
Lärm, Klimaveränderungen, Unfälle oder
Staus.
Diese externen Kosten, die bei der Entscheidung für ein bestimmtes Verkehrsmittel anfallen, sind den Nutzern dieser
Verkehrsmittel oftmals gar nicht bewusst.
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
Externe Kosten (ohne Staukosten) in Westeuropa – 1995
530 Milliarden Euro
155,6
91,5 % STRASSE
485
nach
Verkehrsträgern
UNFÄLLE 29,4 %
nach
Kostenkategorien
134,3 LUFTVERSCHMUTZUNG 25,4 %
6,1 % LUFT 32,3
56,5
UP- UND
DOWNSTREAMEFFEKTE 10,7 %
36,5
LÄRM 6,9 %
16
NATUR UND LANDSCHAFT 3,0 %
8,9
STÄDTISCHE EFFEKTE 1,7 %
1,9 % BAHN 10,3
0,5 % WASSERSTRASSEN 2,4
Eine Studie von INFRAS/IWW geht davon
aus, dass die externen Kosten des Verkehrs
in Westeuropa ohne Staukosten 1995 ca.
530 Milliarden Euro betrugen. Dabei entfielen anteilig auf den Straßenverkehr 90%
und weniger als 3% auf die umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße.
Im direkten Vergleich der einzelnen Verkehrsträger macht die Studie die günstige
Ökobilanz von Schiene und Wasserstraße
deutlich. Danach belaufen sich im Personenverkehr die externen Kosten pro 1000
Personenkilometer auf 87 Euro beim Pkw,
48 Euro beim Flugzeug, 38 Euro bei Bussen
und nur 20 Euro bei den Bahnen.
Im Güterverkehr zeigt sich nach den
Ergebnissen der Studie ein ähnliches Bild.
Bei 1000 Tonnenkilometern fallen auf der
Quelle: INFRAS/IWW
121,8 KLIMAVERÄNDERUNG 23,0 %
Straße 88 Euro, auf Schiene und Binnenwasserstraße aber nur 19 bzw. 17 Euro an
externen Kosten an.
Lkw-Verbände bezweifeln diese Zahlen.
Dennoch vermitteln sie eine ungefähre
Vorstellung, welcher Kostenblock zusätzlich
zu den Kosten für den Erhalt und die
Errichtung der Infrastruktur hinzukommt.
Gerade der Straßenverkehr aber gilt in der
öffentlichen Meinung als viel zu hoch besteuert.
Ob der Straßenverkehr für jedermann
gerecht besteuert ist, wird nicht gefragt.
Derzeit gilt vielfach: Wer viel fährt, zahlt
weniger pro Kilometer. Beispiel EUROVignette, die bis zur Einführung der LkwMaut in Deutschland gültige zeitbezogene
Autobahngebühr: Sie kostet schwere Lkw je
19
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Euro/1000 tkm
Durchschnittliche Externe Kosten: Personenverkehr 1995
100
Vorgelagerte Kosten
Folgen für die Städte
Natur und Landschaft
Klimawandel
Luftverschmutzung
Lärm
Unfälle
87
75
48
50
38
Quelle: INFRAS/IWW
25
20
0
Pkw
Busse
Bahnen
Luftverkehr
Durchschnittliche Externe Kosten: Güterverkehr 1995
Euro/1000 tkm
250
205
200
150
Quelle: INFRAS/IWW
100
20
Vorgelagerte Kosten
Folgen für die Städte
Natur und Landschaft
Klimawandel
Luftverschmutzung
Lärm
Unfälle
88
50
19
17
0
Lkw
Bahn
Luftverkehr
Wasserweg
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
nach Schadstoffklasse bis zu 1.500 Euro pro
Jahr. Bei einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von ca. 120.000 Kilometern ergibt dies lediglich einen Betrag
von 1,25 Cent pro Kilometer.
Eine faire Kostenanlastung, also Preise, die
die tatsächlichen Kosten jedes einzelnen
Verkehrsträgers pro Kilometer widerspiegeln und damit ein Konzept, das statt auf
allgemeine Abgaben und Steuerfinanzierung auf die Nutzerfinanzierung jedes einzelnen Verkehrsträgers setzt, würde in
mehrfacher Hinsicht gerechter wirken.
Jeder Bürger würde für die tatsächlichen
Kosten seiner eigenen Mobilität aufkommen und der Preis für jedes Gut enthielte
auch den tatsächlichen Transportpreis; dieser Ansatz würde darüber hinaus auch
einen fairen Wettbewerb zwischen den
Verkehrsträgern ermöglichen, da er die nur
scheinbaren Kostenvorteile des Straßentransports relativiert.
01/2002
Verkehrsträger festgelegt werden sollen. Die
externen Kosten sollen in diese Preise einfließen. Das Gebührensystem soll bei der
verkehrsträgerspezifischen Berechnung die
unterschiedliche Umweltbelastung und
Infrastrukturabnutzung durch die Fahrzeuge oder aber die vom Zeitpunkt der Fahrt
abhängige Stauneigung berücksichtigen.
Ziel der Kommission ist die schrittweise
Annäherung an das Gleichgewicht zwischen
Kosten und Abgabenlast. Angesichts der
noch umstrittenen Berechnungsmethoden
für die externen Kosten macht dieses
schrittweise Vorgehen auch Sinn, denn bislang wird von erheblichen Spannbreiten
ausgegangen, wie die Tabelle zum Lkw-Verkehr (Seite 22) zeigt.
Die Kommission will sich zunächst auf den
Güterverkehr beschränken, weil sie nur
beim gewerblichen Verkehr eindeutige
Kompetenzen für Gesetzesvorschläge hat.
Langfristig wird die Politik jedoch nicht
umhin können, auch den privaten Personenverkehr anzugehen.
2.2.1. Vorschlag der Kommission 2002
Nachdem auch die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten auf
ihrem Treffen von Göteborg die vollständige
Internalisierung der sozialen und Umweltkosten forderten, kündigte unlängst die
Kommission in ihrem Weißbuch „Verkehr“
konkrete Vorschläge für das Jahr 2002 an.
Die derzeit in den jeweiligen Verkehrssystemen geltenden Steuern sollen nach
dem Willen der Kommission schrittweise
durch Instrumente ersetzt werden, die die
Infrastrukturkosten und die externen
Kosten pro Kilometer internalisieren.
Hier geht es vor allem um die schrittweise
Einführung von kostengerechten Preisen
für die Infrastrukturnutzung, die für jeden
Derzeit liegt die durchschnittliche Belastung für Lkw durch Steuern auf Fahrzeug
und Kraftstoff sowie Infrastrukturgebühren
im Bereich zwischen 12 und 24 Euro pro
100 Kilometer. Nicht mehr als 8 Euro entfallen davon auf Infrastrukturgebühren.
Die zusätzlichen Kosten durch die schrittweise Einführung fairer und nutzungsbezogener Preise im Verkehr können zumindest
zum Teil durch die gleichzeitige Senkung
bestehender allgemeiner Abgaben verringert werden.
Die Mitgliedstaaten sollen einen Spielraum
bei der Festsetzung der Preise haben, sie
aber so festlegen müssen, dass ein fairer
Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern
gewährleistet wird.
21
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Externe Kosten und Infrastrukturgebühren einer LkwAutobahnfahrt über 100 Kilometer zu Schwachlastzeiten
Durchschnittliche Spanne
(Euro)
Luftverschmutzung
2,3 - 15
Klimaveränderung
0,2 - 1,54
Infrastruktur
2,1 - 3,3
Lärm
0,7 - 4
Unfälle
0,2 - 2,6
Staus
2,7 - 9,3
Gesamt
8 - 36
Quelle: Europäische Kommission
Externe Kosten und
Infrastrukturkosten
Kosten und Gebühren einer Lkw-Fahrt über 100 km auf
einer mautpflichtigen Autobahn zu Schwachlastzeiten
Gesamtkosten (externe Kosten und Infrastrukturkosten)
8 - 36 Euro
Derzeitige durchschnittliche Belastung
12 - 24 Euro
Durchschnittliche Infrastrukturgebühren
8,3 Euro
In Deutschland vorgesehene Infrastrukturgebühren
≈ 15 Euro
Infrastrukturgebühren in der Schweiz
36 Euro
Quelle: Europäische Kommission
22
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Mit der Berücksichtigung der externen Kosten wird oftmals eine Überdeckung der für
die Nutzung der Infrastruktur anfallenden
Kosten erreicht werden können. Konsequenterweise sollten diese Kosten dann, wie die
Kommission vorschlagen will, auch zweckgebunden für den Ausgleich oder die Verringerung der externen Kosten eingesetzt werden.
Darüber hinaus strebt die Kommission in
Ausnahmefällen an, dem Beispiel der
Schweiz zu folgen. Dort schließt der Preis
für den Lkw-Kilometer nicht nur die externen und Infrastrukturkosten ein, sondern
auch eine zusätzliche Komponente, mit der
große, aus verkehrspolitischer Sicht notwendige Infrastrukturvorhaben zugunsten
umweltfreundlicherer Verkehrsträger finanziert werden. Angesichts der alarmierenden
Verkehrsprognosen erscheint dieser Ansatz
unabdingbar.
Fazit: Das Schönrechnen muss aufhören.
Die EU braucht die gerechte Anlastung der
externen Kosten für jeden Verkehrsträger.
Nur so kann es fairen Wettbewerb zwischen
den Verkehrsträgern geben, nur so kann
jeder Verkehrsträger seine Vorteile optimal
ausspielen und nur so bekommt Europa die
seit langem benötigte Verkehrswende.
2.3. Vernetzung der Verkehrsträger –
Intermodalität und Kombinierter
Verkehr
Eine wesentliche Voraussetzung für ein
nachhaltiges Verkehrssystem ist die effizientere und ausgewogenere Nutzung der vorhandenen Infrastrukturen. Schiene, Binnen- und Küstenschifffahrt verfügen über
nennenswerte freie Kapazitäten beim Gütertransport, die es durch Vernetzung mit
anderen Verkehrsträgern auszuschöpfen
gilt. Hierfür ist eine Politik nötig, die auf die
Integration des Gesamtverkehrssystems
01/2002
zielt und auf der Umstellung von einer verkehrsträgerspezifischen auf eine verkehrsträgerübergreifende Verkehrsplanung beruht.
Die Förderung der Intermodalität ist ein
vielversprechender Systemansatz, da hier
Verkehrsdienste als nahtlose und verkehrsträgerunabhängige Verbindungen von Haus
zu Haus angeboten werden. So können das
Verkehrssystem effizient genutzt, die Transportkosten gesenkt und die Umweltbilanz
des Verkehrs verbessert werden.
DEFINITION
Intermodalität bedeutet, dass mindestens zwei verschiedene Verkehrsträger
integriert in einer Transportkette von
Haus zu Haus genutzt werden. Der intermodale Verkehr setzt damit einen Paradigmenwechsel voraus: die Organisation
der Transportvorgänge wird vom Gesamtverkehrssystem her entwickelt und
nicht wie bisher von den einzelnen
Verkehrsträgern. Auf diese Weise kann
innerhalb einer lückenlosen Transportkette von Haus zu Haus die jeweils günstigste Kombination der verschiedenen
Verkehrsträger gewählt werden.
Das Intermodalitätskonzept ist weder an
bestimmte Verkehrsträger gebunden, da
sämtliche Verkehrsträger einen Beitrag zur
optimalen Gestaltung des Gesamtsystems
zu leisten haben, noch zielt es darauf ab,
eine bestimmte Verkehrsverteilung zu erzwingen. Gleichwohl ermöglicht die Intermodalität eine bessere Nutzung von
Schiene, Binnen- und Küstenschifffahrt, da
sie als Teil von Transportketten ihre Stärken
und ihre freien Kapazitäten besser nutzen
können.
23
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
2.3.1. Hindernisse auf dem Weg zu
einem intermodalen
Gesamtverkehrssystem
Nach wie vor existieren jedoch zahlreiche
Hindernisse auf dem Weg zu einem intermodalen Gesamtverkehrssystem. Schätzungen zufolge erreicht der intermodale Güterverkehr lediglich einen Marktanteil von 8%
an den gesamten Tonnenkilometern. Erst
bei Entfernungen über 600 km ist der intermodale Verkehr gegenüber dem Straßentransport wirklich wettbewerbsfähig. Die
mangelnde Konkurrenzfähigkeit des intermodalen Verkehrs ist in erster Linie auf
Schwierigkeiten in drei Bereichen zurückzuführen:
Infrastruktur und Transportmittel: Die
Infrastruktur ist noch immer größtenteils auf die einzelnen Verkehrsträger
ausgerichtet. Ein lückenloser intermodaler Verkehr erfordert jedoch ein multimodales Infrastrukturnetz mit ausreichenden Schnittstellen, das in der Lage
ist, verschiedene Verkehrsträger zu kombinieren und zu integrieren. Zudem gibt
es zu viele unterschiedliche Ladeeinheiten, was den Umschlag schwieriger
macht und zu hohen Kosten führt.
Betrieb: Hier behindern die stark unterschiedliche Qualität des Terminalmanagements sowie die unterschiedliche
Leistungsfähigkeit der Verkehrsträger
die Weiterentwicklung des intermodalen
Verkehrs.
Verkehrsdienste und Vorschriften: Hier
fehlt ein intermodales Informationssystem für ein effizientes Management
des intermodalen Verkehrs und der
Netzdienste. Zugleich mangelt es an auf
intermodaler Basis organisierten Systemen für die Ortung und Verfolgung von
Sendungen. Darüber hinaus sind die
24
Rechtsvorschriften für den Verkehrssektor verkehrsträgerbezogen, während
der intermodale Verkehr eine eigene
Systemdynamik und eigene Systemanforderungen aufweist.
2.3.2. Strategien zur Förderung der
Intermodalität
Der intermodale Verkehr ist ein Schlüsselelement nachhaltiger Mobilität. Die Politik
steht deshalb in der Verantwortung, Maßnahmen zur Förderung und Verbesserung
der Intermodalität zu ergreifen. Vor allem
in folgenden Bereichen besteht Handlungsbedarf:
Schaffung eines kohärenten Infrastrukturnetzes auf europäischer Ebene, das
die Verbundfähigkeit und Interoperabilität der verschiedenen Verkehrsträger
gewährleistet.
Harmonisierung der Ladeeinheiten der
einzelnen Verkehrsträger
Vereinheitlichung der Haftungsregelungen
Entwicklung gemeinsamer Grundsätze
für Gebühren und Gebührenfestlegung
Schaffung von Eisenbahngüterfreeways
Entwicklung und Einrichtung integrierter Management- und Informationssysteme
2.3.3. Kombinierter Verkehr: PACT und
sein Nachfolger Marco Polo
Der Kombinierte Verkehr (KV) ist ein
Paradebeispiel für die effiziente und intelligente Verknüpfung der Verkehrsträger und
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
die Verlagerung des Verkehrs von der Straße
auf umweltfreundlichere Verkehrsträger. Er
ist deshalb ein wichtiger Bestandteil der
verkehrs- und umweltpolitischen Strategie
der EU für eine nachhaltige Mobilität.
DEFINITION
Kombinierter Verkehr bedeutet laut
Definition der CEMT (Europäische Konferenz der Verkehrsminister): „Verkehr bei
dem der größte Teil der Beförderung in
Europa auf der Schiene, den Binnenwasserstraßen oder auf See und der erste
und/oder letzte Abschnitt auf der Straße
abgewickelt wird, wobei der Straßenabschnitt möglichst kurz sein muss.“
Der Kombinierte Verkehr verbindet beispielsweise die Stärken des Lkw mit den
Qualitäten der Bahn: für die regionale
Verteilung in der Fläche der flexible Lkw,
für die großen Entfernungen die Schiene.
Durch diese Arbeitsteilung werden die
Kapazitäten der Verkehrswege optimal
genutzt und ein Verlagerungseffekt erzielt.
01/2002
geförderten PACT-Projekte waren erfolgreich, d.h. sie konnten sich am Markt
behaupten.
Gleichwohl hat PACT gezeigt, dass die
Einrichtung neuer intermodaler Dienste in
Europa mit hohen Risiken verbunden ist.
Die Gemeinschaft muss deshalb – im Sinne
eines dauerhaft tragbaren Verkehrssystems
– den PACT-Nachfolger Marco Polo mit
deutlich mehr Finanzmitteln ausstatten.
Anvisiert ist ein Jahresbudget von 30 Mio.
Euro.
Das Hauptziel von Marco Polo besteht
darin, Güter in einer Größenordnung auf
andere Verkehrsträger zu verlagern, die
dem erwarteten Zuwachs des internationalen Straßengüterverkehrs entspricht. Marco
Polo wird versuchen, Verlagerungseffekte in
allen Segmenten des Güterverkehrs zu
erzielen. Mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip wird Marco Polo sich auf internatio-
Bei Oberwesel am
Rhein: Containerbinnenschiff auf
dem Strom, dahinter
Güterzug mit Containern. Das PACTProgramm der EU
förderte den
Kombinierten Verkehr.
Die EU-Politik zur Förderung des Kombinierten Verkehrs reicht bis in die 70er Jahre
zurück. Entscheidende Fortschritte machte
die EU-Politik des kombinierten Verkehrs
mit dem PACT-Programm (Pilot Actions for
Combined Transport). Gefördert im Sinne
einer „Starthilfe“ wurden überwiegend der
Aufbau neuer internationaler KV-Verbindungen sowie Qualitätsverbesserungen
von KV-Diensten auf bestehenden Relationen.
Wegen des geringen Budgets – 6 Mio. Euro
pro Jahr - konnte PACT allerdings nur 15 bis
20% aller Anfragen zufrieden stellen. Trotz
der beschränkten Mittel hat PACT Gutes
geleistet: 81% der zwischen 1997 und 1999
25
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
nale Projekte und weniger auf nationale
Projekte konzentrieren. Zugleich wird das
Programm EU-Nachbarstaaten, insbesondere die Beitrittskandidaten, einbeziehen.
Drei Hauptlinien sollen mit Marco Polo
gefördert werden:
Marco Polo
(1254-1324),
Forschungsreisender aus Venedig,
gab dem Nachfolgeprogramm
von PACT den
Namen.
26
1. Startbeihilfen für Verkehrsdienste, die
auf einer internationalen Route
Güterverkehr von der Straße
und nicht von anderen umweltfreundlichen Verkehrsträgern übernehmen. Nach
einem Förderzeitraum
von maximal drei
Jahren müssen diese
Dienste wirtschaftlich
rentabel sein. Der Förderbeitrag der Gemeinschaft darf 30%
der Gesamtkosten des
Vorhabens dabei nicht
übersteigen. Die Förderung soll in Form einer
Umweltprämie gewährt
werden, deren Höhe auf
der Basis des messbaren
Umweltnutzens berechnet
wird, der sich aus der Verlagerung des Verkehrs von der Straße
ergibt.
Zugangs, der Anbindung und der Logistikmöglichkeiten im Binnenschifffahrtssektor, die Einrichtung zuverlässiger
Verkehrs- und Logistikinformationssysteme oder die Entwicklung wettbewerbsfähiger Konzepte im Hochqualitätsbereich des Güterverkehrsmarktes.
3. Die ungehinderte Weitergabe erfolgreicher Ideen, die Verbreitung der Ergebnisse sowie die schnelle Nachnutzung
kostengünstiger Verkehrsträgerverlagerungen. Zudem soll die Kooperationsbereitschaft verbessert werden, um ein
optimales Niveau der Zusammenarbeit
im nichtstraßengebundenen Güterverkehrssektor zu erreichen. Gefördert werden hier Vorhaben, die sich auf innovative und mittelfristig rentable Dienste am
Markt beziehen. Diese dürfen allerdings
den Wettbewerb nicht in einer dem
gemeinsamen Interesse zuwider laufenden Weise verzerren. Die Förderung der
Gemeinschaft wird bis zu 30% der
Kosten für die Implementierung des
Dienstes und bis zu 100% für die
Aktivitäten zur Verbreitung betragen.
2.4. Intelligente Lösungen für den
Verkehr – Telematik und GALILEO
Telematik
2. Die Inbetriebnahme von Diensten oder
Einrichtungen von strategischem europäischen Interesse. Hier geht es um die
Beseitigung von Marktschranken nicht
nur im intermodalen Sektor, sondern
auch bei den einzelnen Verkehrsträgern.
Das Vorhaben muss international ausgerichtet sein und sich nach spätestens
fünf Jahren als rentabel erweisen. Die
Förderung der Gemeinschaft beträgt
wiederum 30% der Kosten des Vorhabens. Beispiele für Aktionen mit Signalwirkung sind die Verbesserung des
Die Überlastung unserer Infrastrukturen
und der erwartete deutliche Anstieg der
Verkehrsströme verlangen in der Verkehrspolitik nach innovativen und intelligenten
Lösungen. Weder kann ein Verkehrsträger
allein den Verkehrszuwachs bewältigen,
noch lassen sich die Verkehrsprobleme
allein durch Verkehrswegebau lösen. Es
geht, in den Worten der Kommission, „um
weniger Beton und mehr Intelligenz“. Aus
Sicht der EU sind Intelligente Verkehrssysteme (ITS) ein wichtiger Bestandteil
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
der „Informationsgesellschaft“, in der
Europas Bürger und Unternehmen gleichermaßen von den neuen Kommunikationstechnologien und „Mehrwertdiensten“
profitieren.
Der Telematik kommt bei der Entwicklung
intelligenter Verkehrslösungen eine Schlüsselrolle zu. Telematiksysteme beruhen auf
der Kombination von Telekommunikationsund Informationstechnologien, wodurch
Verkehrsdaten übertragen und Transportabläufe gesteuert werden können. Die Verkehrstelematik bietet große Potentiale, um
Mobilität dauerhaft, effizient und umweltschonend zu sichern. Sie ermöglicht u.a.
die bessere Vernetzung und Verknüpfung
der Verkehrsträger,
01/2002
zurückgelegte Entfernung an einen Zentralcomputer, der die Mauthöhe speichert.
Zielvorstellung für die gesamte EU ist ein
standardisiertes Gebühreneinzugssystem,
bei dem lediglich ein kleines Gerät zur
Erfassung benötigt wird. Allerdings wurden
in einigen EU-Mitgliedstaaten bereits
Systeme zur elektronischen Gebührenerfassung eingeführt, die nicht kompatibel
sind. Die Gemeinschaft muss deshalb die
Interoperabilität der verschiedenen Systeme sicher stellen. Darüber hinaus müssen
rechtliche und institutionelle Aspekte gelöst
werden, wie z.B. Probleme des Datenschutzes, Fragen der Fahrzeugklassifizierung, Regelungen für nicht ausgerüstete
Verkehrsteilnehmer oder auch Buchungsund Zahlungssysteme.
Die Kombination
von Telekommunikations- und
Informationstechnologien führt zu
intelligenter
Verkehrsführung:
Telematik auf der
Autobahn bei Köln.
die Erhöhung der Verkehrssicherheit,
die Verflüssigung von Verkehrsabläufen,
die Verlagerung von Transportleistungen
auf andere Verkehrsträger,
die Reduzierung von Leer- und Umwegfahrten sowie
die Stauvermeidung und damit die Emissionsminderung.
Ein weiteres wichtiges Anwendungsfeld der
Telematik ist die elektronische Erhebung
von Straßenbenutzungsgebühren (Road
Pricing). Telematikanwendungen können
hier Mautstellen ersetzen, die den Verkehrsfluss behindern bzw. eine gezielte Lenkung
des Verkehrs erschweren. Deutschland beispielsweise geht bei der Einführung der entfernungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe zum 1. Januar 2003 diesen Weg. Die
Zahlung der Maut wird über ein elektronisches System gesteuert. Ein Erfassungsgerät an Bord des Lkw übermittelt dabei die
Beispiel:
RDS-TMC-Verkehrsinformationsdienste
Radiodienste auf der Basis von RDS/TMC
(Radio Data System/Traffic Message Channel) ermöglichen es Autofahrern, über ein
fahrzeugseitiges Empfangsgerät europaweit
aktuelle Verkehrsinformation akustisch und
optisch in der Sprache ihrer Wahl abzurufen. Die Verkehrsmeldungen beziehen sich
auf den Streckenabschnitt auf dem sich das
Fahrzeug gerade befindet und ermöglichen
27
01/2002
Bessere Vernetzung
der Verkehrsträger,
mehr Sicherheit, besserer Verkehrsfluss,
Verlagerung von
Transporten, weniger
Leerfahrten und
Umwege, weniger
Emissionen durch
weniger Stau –
Telematikpraxis im
Großraum Köln.
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
so die Optimierung des Verkehrsflusses. Die
Tätigkeit der EU bezieht sich v.a. auf technische Harmonisierung und politische Koordinierung, um die grenzüberschreitende
Interoperabilität des Systems zu gewährleisten und einen europäischen Markt für
Produkte und Dienste zu schaffen.
Telematik ist jedoch kein „Wundermittel“
gegen den Verkehrsinfarkt. Sie kann ihre
Wirksamkeit erst dann voll entfalten, wenn
sie integriert wird in ein Gesamtkonzept,
das verschiedene verkehrspolitische Instrumente miteinander verbindet.
Die meisten „intelligenten Verkehrsysteme“
wurden bisher für einzelne Verkehrsträger
eingesetzt. Im Hinblick auf das Ziel eines
integrierten Verkehrsnetzes sollte der
Schwerpunkt der EU-Förderung künftig auf
der Entwicklung verkehrsträgerübergreifender Systeme liegen. Die Gemeinschaft muss
dem innerhalb ihres 6. Forschungsrahmenprogramms Rechnung tragen.
Beispiel:
Das Projekt European Traffic Management Layer (ETML) befindet sich noch in
der Frühphase. Es ist Teil des Dachprojektes
ERTMS (European Rail Traffic Management System) und sieht vor, entlang der
wichtigsten europäischen Eisenbahnkorridore Zugbeobachtungs- und Zugüberwachungstechniken zu installieren, um die
unterschiedlichen nationalen und regionalen Betriebsleitzentralen bei der Steuerung
des Verkehrs zu unterstützen. Ermöglicht
werden soll der Austausch sowohl von
betriebstechnischen Daten als auch von
Daten, die für Verlader und Spediteure von
besonderem Interesse sind (z.B. Ladungsortung, Sendungsverfolgung, Einhaltung
des Fahrplans). Der Austausch von Logistikdaten fördert die Entstehung von Unternehmen, die intermodale Haus-zu-Haus-Transportdienstleistungen als Standardprodukt
anbieten.
GALILEO
Eine entscheidende Bedingung für europaweite Telematikdienste sind präzise und
zuverlässige satellitengestützte Ortungsund Navigationssysteme. Die EU plant bis
zum Jahr 2008 die Entwicklung eines von
ihr kontrollierten zivilen Satellitennavigationssystems GALILEO. Im Rahmen von
GALILEO sollen in Zusammenarbeit mit
der Europäischen Weltraumorganisation
mindestens 20 Satelliten in etwa 20.000 km
28
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Höhe in die Erdumlaufbahn gebracht und
von einem Netz von Kontrollstationen auf
der Erde überwacht werden, um die weltweite Abdeckung zu gewährleisten. GALILEO wird es ermöglichen, mittels eines kleinen Empfangsgeräts bis auf einige Meter
genau die Position, etwa von Fahrzeugen
oder Gütern, zu bestimmen. Zugleich gewährleistet ein unabhängiges Navigationssystem die ständige Verfügbarkeit und
Zuverlässigkeit des Dienstes, sichert die
Wettbewerbsfähigkeit Europas auf einem
Zukunftsmarkt und schafft Arbeitsplätze.
Mit GALILEO erhielt die Kommission erstmals den Auftrag, ein großangelegtes industrielles Projekt von weltweiter Bedeutung
einzuleiten und zu leiten. Vier Phasen sind
für die Durchführung von GALILEO vorgesehen:
Definitionsphase (2000)
Entwicklung und Validierung (20012005)
Errichtung (2006-2007)
Betrieb (ab 2008)
Die Kosten für Entwicklung und Inbetriebnahme von GALILEO belaufen sich nach
Berechnungen der Kommission auf ca. 3
Milliarden Euro, die sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Geldern aufgebracht werden sollen. Die Entwicklungsphase wird aus dem Haushalt der EU und
der Europäischen Weltraumorganisation
finanziert. Der Start der Satelliten sowie die
Erstellung der terrestrischen Infrastruktur
machen Investitionen der Wirtschaft in
Höhe von 1,5 Mrd. Euro erforderlich.
Zwar existieren bereits zwei satellitengestützte Navigationssysteme, das amerikanische GPS (Global Positioning System)
01/2002
sowie das russische
GLONASS (Global
Navigation Satellite System). Zu
beiden Systemen
wird GALILEO
kompatibel sein.
Allerdings werden sowohl GPS
als auch GLONASS militärisch
kontrolliert, ihre
Genauigkeit ist
eingeschränkt und
ihre dauerhafte Verfügbarkeit kann nicht
garantiert werden. Genauigkeit und dauerhafte Verfügbarkeit sind jedoch unerlässlich, um Qualität
und Zuverlässigkeit der Dienste zu garantieren. Auch wenn manche EU-Mitgliedsländer GALILEO – aus unterschiedlichen Gründen – noch skeptisch gegenüber
stehen, braucht Europa ein eigenes Satellitennavigations- und Ortungssystem, das
für die zivile Nutzung entwickelt wird. Die
Vorteile von GALILEO, namentlich der
Leistungsfortschritt, der technologische
Mehrwert und die Kundenorientierung,
rechtfertigen das Engagement der Gemeinschaft. Das Europäische Parlament hat sich
in diesem Sinne klar für den Aufbau von
GALILEO ausgesprochen.
Galileo Galilei
(1564-1642), italienischer Mathematiker,
Philosoph und
Physiker. Namensgeber für das
geplante zivile
Satellitennavigationssystem der EU, das
ab 2008 weltweit die
Position von Gütern
und Fahrzeugen bis
auf wenige Meter
genau bestimmen
soll.
Die Anwendungsgebiete satellitengestützter
Navigation sind weit gefächert. Sie reichen
vom Freizeitbereich (Flug- und Segelsport,
Trekking und Touring) über die Landwirtschaft (Feinverteilung von Düngemitteln)
und die Medizin (Fernbehandlung von
Patienten) bis zum Verkehrsbereich. Gerade
der Verkehrsektor wird als Nutzer sehr stark
von der Satellitennavigation profitieren. In
diesem Sinne hat der Rat in einer Entschließung vom 19.07.1999 die Bedeutung
29
01/2002
Die weltweite
Nutzung des
satellitengestützten
Ortungs- und
Navigationssystems Galileo
wird die Wettbewerbsfähigkeit der
Europäischen
Union auf
einem wichtigen
Zukunftsmarkt
sichern.
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
der satellitengestützten Ortung und Navigation als „Schlüsselelement für den Aufbau
einer verkehrsträgerübergreifenden Infrastruktur“ hervorgehoben. Im Verkehrssektor wird GALILEO in folgenden Bereichen
eingesetzt werden können:
Luftverkehr: GALILEO wird durch verbessertes Luftverkehrsmanagement und
eine erhöhte Kontrollpräzision zur optimalen und sicheren Nutzung des Luftraums beitragen. Die effizientere
Nutzung der vorhandenen Kapazitäten
führt zur Verringerung von Verspätungen und damit zur Verringerung des
Kerosinverbrauchs und der Schadstoffemissionen.
Seeverkehr: Die hohe Verkehrsdichte in
den europäischen Gewässern und
Schiffsunglücke, wie z.B. der Untergang
des Öltankers ERIKA, haben gezeigt,
dass es im Seeverkehr der genaueren
Identifizierung und Überwachung bedarf, insbesondere von Schiffen, die
umweltschädliche Güter befördern.
GALILEO ermöglicht die exakte Positionsbestimmung und -übermittlung und
damit eine sichere Navigation, eine bessere Überwachung und die Vermeidung
von Schiffsunglücken.
Landverkehr: Durch aktuelle und zuverlässige Informationen über den Verkehrsfluss, z.B. Position und Geschwindigkeit von Fahrzeugen, können der
Verkehr gesteuert und Staus vermieden
werden. Dies wirkt sich positiv auf die
Verkehrssicherheit sowie die Verringerung der Fahrzeit, des Kraftstoffverbrauchs und der Schadstoffemissionen
aus. Zudem ermöglicht GALILEO die
automatische Gebührenerhebung ohne
Halt an Mautstellen und trägt durch die
Förderung der Intermodalität zum Aufbau einer verkehrsträgerübergreifenden
Infrastruktur bei. Vor allem letztere ist
für die Nachhaltigkeit des europäischen
Verkehrssystems unverzichtbar.
Suche und Rettung: Das bisher verfügbare System zur Suche und Rettung
COSPAS-SARSAT ist durch seine begrenzte Abdeckung, seine mangelhafte
Ortung und seine häufigen Fehlermeldungen nur begrenzt leistungsfähig.
GALILEO stellt die schnelle Übertragung
und metergenaue Ortung sicher und
ermöglicht sowohl an Land als auch auf
See effiziente Such- und Rettungsdienste.
30
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
Zwanzig Satelliten
sollen in 20.000 km
Höhe die Erde umkreisen und von einem
Netz von Kontrollstationen auf der Erde
überwacht werden.
Galileo ist das erste
industrielle Großprojekt der EU mit
weltweiter Bedeutung.
2.5. Vermeidung von unnötigem Verkehr
Angesichts der Überlastung unseres Verkehrssystems, insbesondere im Straßenverkehr (Staus, verstopfte Innenstädte etc.),
ist eine Strategie zur Verringerung und
Vermeidung von Verkehr unausweichlich.
Verkehrsvermeidung setzt an den Ursachen
für Verkehr an und ist deshalb nicht allein
eine zentrale Aufgabe der Verkehrspolitik,
sondern Aufgabe nahezu aller Politikbereiche. Verkehrsvermeidung ist aus diesem Grund der komplexeste und am
schwierigsten zu realisierende Bereich
innerhalb der Strategie für ein nachhaltiges
Verkehrssystem.
Unverzichtbar ist zunächst, Verkehrsvermeidung als Bestandteil nachhaltiger Mobilitätsentwicklung nicht als Verzichtsideologie zu konzipieren und zu kommunizieren.
Vielmehr müssen gezielt die damit verbundenen ökonomischen, ökologischen und so-
zialen Vorteile herausgestellt werden, so
dass der Verzicht auf hohen Verkehrsaufwand weder mit einer Reduktion von
Lebensqualität noch mit Einbußen an
Wettbewerbsfähigkeit gleichgesetzt wird.
Konzepte zur Verkehrsvermeidung zielen
daher nicht auf „mobile Askese“, sondern
stellen die Möglichkeiten in den Mittelpunkt, individuelle Mobilität und Gütertransport erfolgreich zu rationalisieren.
Strategien zur Verringerung des Verkehrsaufwandes setzen zum einen am individuellen Mobilitätsverhalten an. Dabei geht es
nicht um den Verzicht auf persönliche
Mobilität, sondern um eine Veränderung
des Verkehrsverhaltens. Hierzu gehört u.a.
die Förderung des Auf- und Ausbaus von
Car-Sharing-Modellen, vor allem aber das
Angebot leistungsfähiger und glaubwürdiger Alternativen zum motorisierten Individualverkehr, etwa ein qualitativ hochwertiger, kundenorientierter und flächen-
31
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
deckender öffentlicher Personennahverkehr
(ÖPNV).
Innenstadt. Bremen und Berlin profitieren
von diesem Förderprogramm bereits.
Planung und Durchführung des ÖPNV müssen vornehmlich eine Sache der Kommunen sein und bleiben. Für einen kontrollierten Wettbewerb bedarf es aber europäischer
Rahmengesetzgebung, die Qualitätsstandards festschreibt. Im Qualitätswettbewerb
müssen vor allem sozial- und umweltpolitische Aspekte im Vordergrund stehen.
Darüber hinaus ist es unabdingbar, europaweit einen einheitlichen und vor allem tragfähigen Rechtsrahmen zu schaffen, der den
Unternehmen Planungssicherheit gibt.
Ein zweiter wichtiger Aspekt der Strategie
zur Verringerung von Verkehr ist die Vermeidung von Parallel- bzw. Doppelverkehren. Es ist unsinnig, beispielsweise Kurzstrecken- und Inlandsflüge auf Strecken
aufrecht zu erhalten, wo Alternativen etwa
in Form von Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken existieren.
Des weiteren fördert die EU innovative und
integrierende ÖPNV-Projekte über die CIVITAS-Initiative im 5. Forschungsrahmenprogramm in Höhe von 50 Millionen Euro.
Zu den förderungswürdigen Initiativen
zählen zum Beispiel die Einführung
umweltfreundlicherer Fahrzeuge, neue Verkehrsinformations- und Managementsysteme oder die Entwicklung von neuen,
auf ökologischen Erwägungen beruhenden
Tarifsystemen für den Verkehr in der
Die Hälfte der
EU-Bürger ist auf
den Öffentlichen
Personennahverkehr
angewiesen. Seine
Förderung lässt
sich die EU im
5. Forschungsrahmenprogramm
50 Millionen Euro
kosten. Straßenbahn
und S-Bahn am
Halleschen Markt
in Berlin.
32
Des weiteren zielen Konzepte zur Verkehrsvermeidung auf die Schaffung verkehrssparender Raumstrukturen und sollen eine
verkehrsmindernde Raumnutzung ermöglichen. Mit anderen Worten: Verkehrsvermeidung meint eine grundlegende Veränderung
unserer Raum-, Siedlungs-, Struktur- und
Wirtschaftspolitik. Auch das Modell der
„Stadt der kurzen Wege“ mit der Einheit
von Wohnen, Arbeit, Einkauf und Freizeit
kann einen Beitrag dazu leisten, die Zahl
der notwendigen Fahrten zu verringern.
Die Änderung unserer Raum-, Siedlungs-,
Stadt- und Wirtschaftspolitik ist allerdings
nur in längerfristiger Perspektive zu realisieren.
Zudem ist zu bedenken,
dass die EU aufgrund des
Subsidiaritätsprinzips
hier keine direkte Entscheidungsbefugnis hat.
Gleichwohl kann und sollte die Gemeinschaft etwa
im Rahmen ihrer Forschungsprogramme die
Entwicklung von Modellen zur Verkehrsverringerung voran treiben. Auch
kann sie durch den Austausch von best practice
die Nachnutzung erfolgreicher Projekte unterstützen.
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
3. MASSNAHMEN ZUR OPTIMIERUNG DER
EINZELNEN VERKEHRSTRÄGER
„Rechnet man sämtliche Stopps ein, beträgt
die Durchschnittsgeschwindigkeit im grenzüberschreitenden Güterverkehr lediglich 18
km/h: Die Züge sind damit langsamer als ein
Eisbrecher in der Ostsee!“
(Weißbuch der Kommission 2001)
3.1. Revitalisierung der Eisenbahnen
Die zwischen Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts unter nationalen und regionalen
Aspekten errichteten Eisenbahninfrastrukturen sind dem zunehmenden Verkehr nicht
mehr gewachsen. Die Engpässe im Eisenbahnverkehr haben sich in der Nähe der Ballungszentren in den vergangenen Jahren vervielfacht, wo unterschiedliche Verkehrsarten (Güter-, Regional- und Fernzüge) sich die
gleichen Infrastruktureinrichtungen teilen.
Weil dem Personenverkehr dabei Vorrang
eingeräumt wurde, schwand das Vertrauen
der Verlader in den Verkehrsträger Bahn.
Eine Politik der geregelten Öffnung der
Märkte sollte den Eisenbahnverkehr beleben. Darüber hinaus wurde die Beseitigung
der sich aus den Unterschieden der nationalen Netze ergebenden funktionellen Mängel
angestrebt. Die in der EU vorhandenen
technischen und rechtlichen Hürden begünstigen bislang noch die bestehenden
Unternehmen und verhindern den Markteintritt neuer Betreiber.
Seit 1970 ist in der EU der Marktanteil
der Schiene an der Güterbeförderung von
21% auf 8,5% oder in Tonnenkilometern
von 283 Mrd. auf 241 Mrd. gesunken. Dieser
Rückgang steht im Gegensatz zu den USA,
wo der Schienengüterverkehr einen Anteil
von 40% am gesamten Güterverkehr hat.
Aus ökologischen Gründen ist eine erkennbare Steigerung des Anteils der Eisenbahnen am europäischen Transportverkehr
unumgänglich. Ein zentraler Punkt in dem
Gesamtkonzept zur Verlagerung des Gütertransportes auf umweltfreundlichere Verkehrsträger ist die Wiederbelebung des
Schienenverkehrs.
3.1.1. Das Eisenbahninfrastrukturpaket
Erst Anfang der 90er Jahre wurde damit
begonnen, die Revitalisierung der Eisenbahnen auf europäischer Ebene anzugehen.
Als Ergebnis dieser Unterschiede bestehen
weiterhin mehrere geschlossene Märkte
anstelle eines einheitlichen Netzes. In einigen Ländern ist ein und dasselbe Unternehmen Eigentümer der Infrastruktur,
betreibt die Züge, erteilt Transitrechte für
das Netz und ist für die Sicherheit zuständig.
Morgenrot für die
Schiene. Die Revitalisierung des Eisenbahnverkehrs in
Europa ist einer der
zentralen Punkte
europäischer
Verkehrspolitik.
Ausfahrt eines ICE
aus dem Frankfurter
Hauptbahnhof.
33
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Eine wesentliche Voraussetzung für die
Wiederbelebung des Schienenverkehrs ist
dessen Öffnung für einen geregelten Wettbewerb. Sie wurde in der EU im Jahr 2000
mit dem ersten Eisenbahninfrastrukturpaket angegangen.
Der Startschuss für europäischen Wettbewerb auf der Schiene fällt im März 2003
mit der Liberalisierung der grenzüberschreitenden Güterverkehrsdienste auf dem
transeuropäischen Netz für den Schienengüterverkehr. Der darauf folgende Schritt
im Jahr 2008 bedeutet die Öffnung des
gesamten europäischen Schienengüterverkehrsnetzes für den Wettbewerb.
Die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrssektors gegenüber anderen Verkehrsträgern wird sich durch einen stärkeren
Wettbewerb zwischen den Betreibern erhöhen. Eine gesunde Konkurrenz zwischen
den etablierten und neu hinzu kommenden
Betreibern könnte diesen Prozess beschleunigen.
Das Ziel hierbei ist, die gerechte und diskriminierungsfreie Behandlung aller Eisenbahnunternehmen sowie die effiziente und
wettbewerbsorientierte Nutzung der Fahrwege zu erreichen.
Das Eisenbahninfrastrukturpaket sieht drei
Kernbestimmungen mit weitreichenden
Konsequenzen vor.
richtet sein soll. Im TESGN sind die
wichtigsten europäischen Schienengüterverkehrswege inklusive Zubringerstrecken und wesentlicher Hafenanschlüsse enthalten. Die Liberalisierung
des Personenverkehrs ist in diesem
Richtlinienpaket nicht enthalten und soll
in einem neuen Richtlinienvorschlag
behandelt werden, der von der Kommission für Ende des Jahres 2001 angekündigt worden ist.
Auch wenn nicht unbedingt eine
Trennung von Netz und Fahrbetrieb
erfolgt, so entscheiden künftig unabhängige Stellen, die selbst keine Schienenverkehrsleistungen erbringen und rechtlich, organisatorisch und in ihren
Entscheidungen von diesen unabhängig
sind, über die Genehmigung von Bahnunternehmen, die Zuweisung von Trassen
und die Erhebung von Wegegebühren.
Quersubventionierungen und Wettbewerbsverzerrungen sollen hierdurch vermieden werden.
Die Kosten für die Bahninfrastruktur
sollen langfristig deren Nutzern angelastet werden (sog. Vollkostendeckungsprinzip). Danach werden bei der Gebührenfestsetzung grundsätzlich die Bauund Unterhaltskosten in Rechnung
gestellt.
3.1.2. Interoperabilität auf der Schiene
Die Bahnunternehmen im internationalen Güterverkehr bekommen spätestens
sieben Jahre nach Inkrafttreten der
geänderten Richtlinie zur Entwicklung
der Eisenbahnen (91/440) – also im
Jahre 2008 – Zugang zu allen EUSchienennetzen. Der Wettbewerb bleibt
bis dahin auf das Transeuropäische
Schienengüternetz (TESGN) reduziert,
das bis spätestens Frühjahr 2003 einge-
34
Für einen leistungsfähigen Schienenverkehr
ist ein interoperables transeuropäisches
Netz erforderlich. Technische Unterschiede
stellen die Haupthindernisse im europaweiten Schienenverkehr dar. Die Ausarbeitung
von Technischen Spezifikationen für die
Interoperabilität (TSI) von sechs Teilsystemen (Instandhaltung, Infrastrukturen,
Energie, rollendes Material, Betrieb,
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
EISENBAHNEN
RAILWAYS
C HCHEMINS
EM INS DE
DEFER
FER
LEITSCHEMA DES TRANSEUROPÄISCHEN VERKEHRSNETZES (HORIZONT 2010)
TRANS-EUROPEAN TRANSPORT NETWORK OUTLINE PLAN (2010 horizon)
SCH
ÉM A DUDURÉSEAU
AN SEURO PÉENDEDE
TRANSPO R
T (horizon
2010)
SCHÉMA
RÉSEAU TR
TRANSEUROPÉEN
TRANSPORT
(horizon
2010)
EUROPE
EUROPE
Geplante Hochgeschwindigkeitszugstrecken,
entsprechend Richtlinie 48/96
Planned High-speedlines,
following Directive 48/96
Lignes planifiées à grande vitesse,
selon la Directive 48/96
Ausbaustrecken
Ausbaustrecken
für für
Hochgeschwindigkeitsverkehr
Hochgeschwindigkeitsverkehr
Upgraded high - speed lines
Upgraded high-speed lines
Lignes aménagées à grande vitesse
Lignes aménagées à grande vitesse
;
Konventionelle
Strecken
Konventionelle
Strecken
Conventional
Conventional
lineslines
Lignes
conventionnelles
Lignes
conventionnelles
Verbindungen
mit Drittländern
Verbindungenmit
Drittländern
Third
country
connections
Third
country
connections
Connexions
avec
pays tiers
Connexios
avec les
paysles
tiers
;
Geplante konventionelle Strecken
Geplante
konv entionelle
Str
Planned
conventional
lines
Planned
conventional
li
Lignes
conventionnelles
planifiées
Lignes
conventionnell
;
Hochgeschwindigkeitszugstrecken
H
indigkeitszugstr
High-speed
lines lines
High - speed
Lignes
à grande
vitesse
Lignes
à grande
vitesse
1:1755000
1:17550000
;
Quelle: Europäische Kommission
9/2001
9/2001
01/2002
0
200
400
High speed routezutoentwickeln
be developed
Verkehrsverbindung
Liaison
grande
vitesse
à développer
High
speedà route
to be
developed
Verkehrsverbindung zu entwickeln
Liaison à grande vitesse à développer
Route to be developed
Verkehrsverbindung
zu entwickeln
Liaison
à développer
Route
to be
developed
Verkehrsverbindung
zu entwickeln
Liaison
à développer
600 Kilometers
35
01/2002
Im März 2003 fällt
mit der Liberalisierung der grenzüberschreitenden Güterverkehrsdienste auf
dem transeuropäischen Netz der
Startschuss für den
europäischen Wettbewerb auf der
Schiene.
Foto: DB AG/Klee
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Zugsteuerungs- und Zugsicherungssignalgebung) ist überfällig. Die erforderliche
Harmonisierung dieser Bereiche wie auch
der Elektrifizierungssysteme, der Gleisanlagen und weiterer technischer Standards
für die gesamte Union steht jedoch noch
immer aus. Gerade über große Entfernungen hat die Bahn aber die größten
Wachstumschancen. Um eine dies berücksichtigende Neuorganisation der Netze
erfolgreich durchzuführen, muss die Nutzung der bestehenden Kapazitäten optimiert werden. Damit der europäische Schienenverkehr wieder an Bedeutung gewinnen
kann, sind leistungsstarke internationale
Trassen erforderlich, die dem Gütertransport vorbehalten bleiben, entweder in Form
von bestimmten Infrastrukturen oder in
Form von bestimmten Tageszeiten.
Schwerpunkte der technologischen Forschung zur Förderung der Interoperabilität
auf der Schiene müssen zum einen auf der
Integration von Planung und Bau der Schienenwege und zum anderen auf den Spezifikationen für die Fahrzeuge liegen, um einen
sicheren, sauberen und wirtschaftlich tragfähigen Betrieb zu gewährleisten.
Die Kosten für eine technische Harmonisierung (z.B. Verwendung von Mehrstromlokomotiven) werden vermutlich im
zweistelligen Milliardenbereich (Euro) liegen.
Das seit Anfang der 90er Jahre entwickelte
Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem
ERTMS stellt einen gewaltigen Fortschritt
bei der Entwicklung der Interoperabilität
der Netze und Systeme dar. Darüber hinaus
soll die Verwendung des ERTMS eine
Voraussetzung für die Kofinanzierung der
Eisenbahninfrastrukturen und -ausrüstungen durch die Gemeinschaft sein.
3.1.3. Das zweite Eisenbahnpaket
Die Kommission will im Rahmen des anstehenden „zweiten Eisenbahnpakets“ eine
Ausweitung der Rechte für den Zugang zu
allen Güterdiensten einschließlich Kabotagemöglichkeiten vorschlagen:
Öffnung der nationalen Gütermärkte für
die Kabotage
Festlegung eines hohen Sicherheitsniveaus
Überarbeitung der Richtlinien zur Interoperabilität
schrittweise Öffnung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs
Förderung von Maßnahmen zur Gewährleistung der Qualität der Schienenverkehrsdienste und der Rechte der
Benutzer
Schaffung einer gemeinschaftlichen
Agentur für Sicherheit und Interoperabilität
36
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Die Anziehungskraft der Eisenbahn ist
zudem steigerbar durch Telematikanwendungen wie die Zusammenschaltung von
Platzbuchungssystemen. Echtzeit-Informationssysteme oder die Möglichkeit, an Bord
aller Züge ohne Unterbrechung zu telefonieren, stellen ebenfalls Chancen für die
Bahnen dar.
Die nationalen Regierungen sind nun gefordert, die von der Europäischen Union auf
den Weg gebrachten Richtlinien mit Leben
zu füllen. Eine erfolgreiche Revitalisierung
des Schienenverkehrs ist ohne den Einsatz
der Mitgliedsstaaten nicht möglich.
3.2.
Sichere und saubere Transporte
auf dem Seeweg
3.2.1. Ökologische Gefahrenpotentiale
durch den Seeverkehr
70% des weltweiten, ca. 30% des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs und 90%
des Erdölhandels der EU werden über den
Seeweg abgewickelt.
Im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern
weist das Schiff bei der Energieeffizienz die
günstigste Ökobilanz auf.
01/2002
Mit einem Kilogramm Treibstoff lassen sich
pro Kilometer 50 Tonnen auf der Straße, 97
Tonnen auf der Schiene und 127 Tonnen per
Schiff transportieren.
Der Transport auf dem Wasserweg bietet
zudem noch erhebliche freie Transportkapazitäten, die mittelfristig zur Entlastung
der Straße beitragen müssen.
Gleichwohl schädigt auch dieser Verkehrsträger die Umwelt oftmals in beträchtlichem Maße. In den vergangenen Jahren
gab es immer wieder spektakuläre Schiffskollisionen oder -havarien, durch die auch
europäische Küsten vor allem durch das
Auslaufen von Schwer- oder Rohöl massiv
geschädigt wurden. Der Untergang des 25
Jahre alten, unter maltesischer Flagge fahrenden, einwandigen Öltankers „Erika“ vor
der bretonischen Küste mit dem Auslaufen
von ca. 10.000 Tonnen Schweröl, ist einer
der letzten traurigen Höhepunkte einer langen Liste von Schiffsunglücken mit zum Teil
katastrophalen ökologischen Auswirkungen. Hinzu kommen eine Vielzahl von vergleichsweise kleinen Havarien anderer
Schiffe, wie die des Holzfrachters „Pallas“
vor der Insel Amrum. Schon 100 Tonnen
ausgelaufenes, als Schiffsbrennstoff gebunkertes Schweröl, schädigten damals das
sensible Ökosystem Wattenmeer nachhaltig.
Quelle: Europäische Kommission
37
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
Die wichtigsten Häfen der Gemeinschaft
1:19000000
S KÖLDV IK
S ULL OM VOE
ORK NE Y
LYS E KI L
GÖTE B ORG
ROT TE RDAM
FOR TH
TE E S AND
HART L E P OOL
DUB LI N
LI VE RP OOL
MILF ORD HAVEN
L ONDON
FR ED E RI CIA
Y
SB
IM
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G R NGH
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Quelle: Europäische Kommission
B AHIA DE ALG E CIRAS
38
P IRA EUS
S IRA CUS A-S .P ANAGI A
Häfen > 13 Mio. T onnen/J ahr
Gesamter Güt erverkehr
(Mio. Tonnen /Jahr)
Anzahl der Cont ainer pro Jahr
(in Mio.)
3
90
1
30
0,3
0 1 00 2 00 3 00 Kilom et ers
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
Führt man sich vor Augen, dass schon ein
mittelgroßes Containerschiff fast 2.000 Tonnen Schweröl und ca. 300 Tonnen Dieselkraftstoff bunkern kann, wird klar, dass die
Gefahr einer schweren Ölkatastrophe vor
europäischen Küsten nicht nur von Tankschiffen ausgeht.
die große Anzahl veralteter Schiffe mit
ungenügenden Sicherheitsstandards,
Der Transport von anderen gefährlichen
Stoffen wie Chemikalien birgt zusätzliche
Gefahren, wie der Untergang der „Ievoli
Sun“, wiederum vor der bretonischen Küste, gezeigt hat. Schiffssicherheitspolitik ist
daher ein Kernelement für wirksamen
Schutz der Meeresumwelt.
die Tendenz zu Billig-Flaggen und ZweitRegister,
die unzureichende Anwendung oder
Beachtung internationaler Vorschriften
durch Schiffseigner, Kapitäne und Mitgliedstaaten,
ein mangelhaftes Zertifizierungssystem.
Es sind allerdings nicht nur die spektakulären Schiffsunglücke, sondern vor allem
auch der normale Schiffsbetrieb, der zu
erheblichen Belastungen der Meeresumwelt
führt. Grobe Schätzungen gehen davon aus,
dass jährlich etwa 500.000 Tonnen Öl oder
ölhaltige Substanzen infolge des Seeverkehrs in die Meere geleitet werden, 70%
davon im Normalbetrieb. Hinzu kommen
weitere hochgiftige Substanzen z. B. durch
Schiffsanstriche sowie erhebliche Mengen
sonstigen Schiffsmülls und Ladungsrückstände. Auch hier muss europäische Politik
ansetzen.
Ein letzter Eckpfeiler einer umweltverträglicheren Seeverkehrspolitik ist die Verringerung bestimmter Abgasemissionen der Seeschifffahrt aufgrund schlechter, weil billigerer Treibstoffqualitäten.
3.2.2. Schiffssicherheitspolitik:
Die „Erika-Pakete“
Nach der „Erika“-Katastrophe wurde Schiffssicherheitspolitik zum europäischen Thema.
Die Gesetzgebungspakete „Erika I“ und
„Erika II“ zielen auf folgende Probleme:
Schlechte Ausbildungsstandards der Besatzungen, unzureichende Wartung bzw.
Seetüchtigkeit der Schiffe oder Fehler beim
Beladen führen vor allem bei schlechten
oder extremen Witterungsbedingungen zu
einer erhöhten Unfallwahrscheinlichkeit
auf hoher See. Dies vor allem, wenn die am
Seetransport Beteiligten ihre Verantwortung für sicheren und umweltschonenden
Transport nicht ernst genug nehmen oder
für unverantwortliches Verhalten nicht
genügend zur Rechenschaft gezogen werden können.
Nach dem Untergang des 25 Jahre
alten, unter maltesischer Flagge fahrenden Öltankers
„Erika“ vor der
bretonischen Küste
laufen 10.000
Tonnen Schweröl in
den Atlantik. Französische Soldaten
säubern Felsen auf
der Insel Belle Ile
von dem schwarzen
Ölfilm
39
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Seeverkehrspolitik bewegt sich immer im
Spannungsfeld zwischen internationalen
Regelungen (IMO) und europäischen Bedürfnissen. Das gilt natürlich auch für wirksamen Umweltschutz.
Seeschifffahrt hat zwangsläufig eine globale
Dimension. Dementsprechend gibt es seit
langem den Versuch, die internationale
Seeschifffahrt durch möglichst einheitliche
und weltweit anerkannte Vorschriften auf
der Ebene der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) zu regeln. Dennoch muss und kann die EU Motor für
mehr Schiffssicherheit und höhere Umweltstandards sein, wie jüngste Beispiele zeigen:
Bei der Einfahrt in den
nordspanischen Hafen
La Coruña lief am
3. Dezember 1992 der
mit 80.000 Tonnen
Rohöl beladene
griechische Tanker
„Aegean Sea“ auf
Grund, zerbrach und
explodierte. 200 Kilometer Küste wurden
verschmutzt.
Die Erika-Pakete der
EU sollen künftig
solche Katastrophen
verhindern.
40
I) Verschärfung der Hafenstaatkontrolle
Bei der Vorbeugung kommt der Hafenstaatkontrolle eine besondere Bedeutung
zu. Hierbei geht es um eine koordinierte
und einheitliche Kontrolle von Seeschiffen
in den Häfen der Europäischen Union.
Nicht nur EU-Schiffe, sondern auch Schiffe
unter der Flagge eines Drittstaates fallen
unter die Kontrollen. Die Hafenstaatkontrolle soll wie folgt verschärft werden:
3.2.2.1. Das „Erika I-Paket“
Den unter der Flagge eines Drittstaates
fahrenden Schiffen soll der Zugang zu
EU-Häfen verweigert werden können,
wenn sie unter der Flagge eines Staates
fahren, der auf einer schwarzen Liste
steht und das Schiff im Vorfeld in anderen Häfen durch Sicherheitsmängel auffiel.
Ende 2001 wurde das Erika I-Paket vom
Europäischen Parlament und vom Ministerrat verabschiedet. Es umfasst drei Punkte:
Die Mitgliedstaaten werden darüber hinaus zur häufigeren und gründlicheren
Kontrolle, zu erweiterten Überprüfungen
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
von bestimmten Risikoschiffen wie Gas-,
Öl- und Chemikalientankern ab einem
gewissen Alter und zur Einstellung von
mehr Besichtigern verpflichtet.
Analog zum Flugverkehr sollen sogenannte „Black Boxes“ (Schiffsdatenschreiber) innerhalb eines festen Zeitraumes für Schiffe, die EU-Häfen anlaufen, obligatorisch werden. Falls eine
internationale Lösung im Rahmen der
IMO scheitert, würden die europäischen
Rechtsvorschriften ab 2007/2008 in den
europäischen Gewässern Black Boxes
für Schiffe ab 3.000 Tonnen vorschreiben.
II) Striktere Kontrollen und mehr
Verantwortung für die Klassifikationsgesellschaften (Schiffs-TÜV)
Neben der Hafenstaatkontrolle sollen vor
allem die Klassifikationsgesellschaften für
die Sicherheit und Zuverlässigkeit eines
Schiffes sorgen. Je nach Schiffstyp sind
regelmäßige Kontrollen und Besichtigungen der Schiffe bei den Klassifikationsgesellschaften (Schiffs-TÜV) für die Zulassung eines Schiffes vorgeschrieben. In
Zukunft sollen sie sich schärferen Kontrollen und mehr Verantwortung stellen. Bei
Leistungslücken soll die Anerkennung der
Gesellschaft zeitweilig entzogen oder ganz
aberkannt werden können. Vor allem aber
sollen sie auch finanziell für die Folgen
eines Schiffsunglücks haftbar gemacht werden können.
III) Ausmusterung von unsicheren Einhüllen-Tankschiffen nach einem
festen Zeitplan.
Ziel der EU ist auch die Verstärkung der
passiven Sicherheit der Schiffe, allen voran
der Öltanker. Im Falle einer Kollision können sichere Doppelhüllentanker manchmal
das Schlimmste verhindern. Natürlich können auch Doppelhüllen brechen, sie bieten
01/2002
aber dennoch wesentlich größeren Schutz
bei Kollisionen oder Grundberührung.
Auf Druck der EU wird international ab
2003 mit einer beschleunigten Ausmusterung der unsicheren Einhüllentankschiffe
begonnen. In EU-Gewässern wird 2015 –
zehn Jahre früher als im internationalen
Abkommen vereinbart – endlich Schluss sein
mit diesen schwimmenden Zeitbomben.
3.2.2.2. „Das Erika II-Paket“
Andere von der Kommission vorgeschlagene Maßnahmen, das sogenannte „Erika
II-Paket“, sind im Gesetzgebungsverfahren
zwischen Europäischem Parlament und Ministerrat noch nicht so weit fortgeschritten.
Über die Mehrzahl der darin enthaltenen
Bestimmungen besteht jedoch grundsätzlich Konsens. Hierzu gehören zum Beispiel:
Verbesserungen der Identifizierung von
Schiffen durch geeignete Transpondersysteme, eine Erweiterung der Eingreifbefugnisse der Mitgliedstaaten auf hoher
See zur Vorbeugung von Schiffsunglücken
oder die Einrichtung einer europäischen
Agentur für den Seeverkehr.
Kontrovers wird die von der Kommission
vorgeschlagene Errichtung eines zusätzlichen europäischen Entschädigungsfonds
(COPE) zum Ausgleich ölverschmutzungsbedingter Schäden diskutiert, für die das
international vereinbarte Haftungssystem
nicht ausreicht, den gesamten Schaden
abzudecken. Dies war bei der „Erika“-Katastrophe der Fall. Noch immer warten viele
Geschädigte auf ihr Geld.
Nach dem Willen des Europäischen Parlaments soll diese Haftungsregelung auch auf
andere gefährliche Stoffe (Chemikalien und
41
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Bunkeröle) ausgedehnt werden. Weiterhin
sollen nicht nur die Ölunternehmen, sondern auch alle anderen am Transport von Öl
oder gefährlichen Stoffen Beteiligte in diesen neuen Fonds einzahlen.
Beide Forderungen des Europäischen Parlaments können ebenfalls dazu beitragen,
Druck auf die internationale Seeschifffahrtorganisation IMO aufzubauen, die dringend
erforderliche gründliche Revision der internationalen Haftungsregelung in der Seeschifffahrt anzugehen.
Den Hunderttausenden im
ausgelaufenen Öl
bereits verendeten
Seevögeln hilft
auch der geplante
europäische Entschädigungsfonds
(COPE) zum Ausgleich verschmutzungsbedingter
Schäden nicht mehr.
Ölgesellschaften, Schiffs-TÜV, vor allem
aber die Reeder und alle anderen am
Transport von Öl oder gefährlichen Stoffen
Beteiligte müssen gleichermaßen voll in die
Verantwortung genommen werden, da derzeit bestehende Haftungsbeschränkungen
zwangsläufig das Verantwortungsbewusstsein der Beteiligten reduzieren. Darüber
hinaus müssen auch die unzureichenden
Haftungsregelungen für alle anderen
Schiffe dringend verschärft werden.
Gleichzeitig müssen in der IMO wirksame
Kontrollinstrumente geschaffen werden,
um überprüfen zu können, ob die Flaggenstaaten ihre Zuständigkeiten wahrnehmen.
Technische und juristische Maßnahmen
lösen zudem nicht die Probleme bei Ausbildungs- und Sozialstandards der Besatzungen von Schiffen unter Billigflaggen.
Aus diesem Grund täte die EU in Zukunft
gut daran, Anreize zu schaffen, damit so
viele Schiffe wie möglich wieder unter der
Flagge ihrer Mitgliedstaaten fahren.
3.2.3. Entsorgungseinrichtungen in
den Häfen
Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich
ca. 70.000 Kubikmeter Müll von Schiffen
allein in die Nordsee geworfen und über
500.000 Tonnen Öl und ölhaltige Gemische
in die Weltmeere eingeleitet werden, wobei
nur ein knappes Viertel auf Tankerunfälle
zurückzuführen ist. 70% dieser Öleinleitungen werden im Normalbetrieb verursacht.
Hinzu kommt die Belastung der Meere mit
Schiffsabwässern, darunter häusliches Abwasser aber auch mit Chemikalien angereicherte Abwässer aus den Maschinenräumen. Diese Abwässer sind mitverantwortlich für die Überdüngung der Küstengewässer, die zur Sauerstoffarmut des Wassers
führen können.
Für Öl, ölhaltige Gemische, Schiffsmüll und
Ladungsrückstände haben das Europäische
Parlament und der Ministerrat im Jahr 2000
die Richtlinie über Hafenauffanganlagen
(2000/59/EG) beschlossen. Danach werden
die Häfen verpflichtet, geeignete Auffanganlagen einzurichten. Die Schiffseigner sind
in der Pflicht, Rückstände in den Häfen
auch tatsächlich zu entsorgen. Damit sie
dies nicht vorher aus Kostengründen auf
hoher See erledigen, setzte das Europäische
Parlament gegen den Widerstand des Ministerrates zwei wesentliche Forderungen
durch.
42
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Künftig müssen mindestens 25% der
Schiffe auf ordnungsgemäße Entsorgung
überprüft werden.
Künftig müssen alle Schiffe, die einen
Hafen der EU anlaufen, unabhängig von
der tatsächlichen Inanspruchnahme der
Entsorgungsanlage einen wesentlichen
Beitrag zu den Kosten entrichten. Gemäß Erklärung der Kommission bedeutet „wesentlicher Beitrag“ mindestens
30%. Durch diesen von der Entsorgung
unabhängigen Kostenbeitrag der Schiffe
wird der unverantwortlichen aber kostengünstigen Entsorgung auf See der
finanzielle Anreiz genommen. Denn bislang entsorgen nur maximal 5-10% der
Schiffe korrekt in den Häfen.
Mit der Einführung dieses Gebührensystems („No-Special-Fee-System“) hat das
Europäische Parlament gegenüber dem
Ministerrat einen bedeutsamen Umweltaspekt durchgesetzt.
Ziel muss aber weiterhin ein von der
tatsächlichen Entsorgung vollständig unabhängiges Gebührensystem sein, zu dem sich
bislang nur die Ostseeanrainerstaaten im
Helsinki-Abkommen verpflichtet haben.
Nur so lässt sich die Müllkippe Meer
schließen und nur so gelingt es, Wettbewerbsgleichheit zwischen den Häfen herzustellen.
3.2.4. Schifffahrt- und
Luftverschmutzung
Erst seit kurzem finden die Abgasemissionen der Schiffe verstärkt Beachtung in der
umwelt- und verkehrspolitischen Diskussion. Die Abgase der Schiffsmaschinen werden noch meist ungefiltert in die Atmosphäre abgegeben. Insbesondere die noch
international erlaubten hohen Schwefel-
01/2002
werte im Schiffs-Treibstoff (max. 4,5%
gegenüber 0,05% im Pkw-Kraftstoff) führen
zu Emissionen, die die Grenzwerte in
modernen Kraftwerken oder Müllverbrennungsanlagen bei weitem übersteigen.
Obwohl bislang nur wenige Daten vorliegen, gilt als sicher, dass insbesondere der
Schwefeldioxid-Ausstoß (SO2) der Schiffe
als Einflussgröße für das globale Klima und
den Effekt des sauren Regens unterschätzt
wurde.
Deutlich wird die Problematik besonders im
Umfeld der Häfen, wo die Schiffe für bis zu
80% der verkehrsbedingten SchwefeldioxidBelastung verantwortlich sind, da sie unter
anderem auch im Hafen den benötigten
Strom über ihre Schiffsmaschinen erzeugen.
Technisch sind Verbesserungen der Emissionswerte durch Einsatz von schwefelärmerem Treibstoff, Abgasreinigungs- und
-rückführsystemen oder Katalysatoren ohne
weiteres machbar.
Ein erster Schritt wäre, dem Beispiel
Schwedens und Norwegens zu folgen und
diejenigen Schiffe, die schwefelarmen
Brennstoff benutzen, über eine Staffelung
der Hafengebühren zu belohnen. In
Deutschland und den Niederlanden beginnen erste Projekte diesen Weg einzuschlagen. Die Internalisierung der externen
Kosten muss auch im Schiffsverkehr zur
Anwendung kommen.
Abgesehen von der notwendigen Senkung
der Schwefeldioxid-Emissionen kann aber
der Schiffsverkehr im Vergleich zu anderen
Verkehrsträgern die mit Abstand höchste
Energieeffizienz vorweisen.
Kohlendioxid-, Kohlenmonoxid-, Kohlenwasserstoff- und Partikel-Emissionen sind
43
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
pro beförderter Tonne Ladung wesentlich
geringer als bei den übrigen Verkehrsträgern.
Die Europäische Kommission geht deshalb
zu Recht davon aus, dass insbesondere eine
Verlagerung des Gütertransports von der
Straße auf den sogenannten Kurzstreckenseeverkehr wichtiger Bestandteil der EUStrategie zur Erfüllung der Klimaschutzverpflichtungen des Kyoto-Protokolls
ist.
Treibstoffverbrauch
100
Straße
90
Schiene
80
KSV*
70
31,330
8,911
4,828
3.2.5. Förderung des Kurzstreckenseeverkehrs (Short-Sea-Shipping)
Der Kurzstreckenseeverkehr, also die Beförderung von Fracht und Fahrgästen auf See
zwischen zwei europäischen Häfen, hat in
den letzten Jahren als einziger Verkehrsträger ähnliche Wachstumsraten erzielt wie der
Straßenverkehr (27% zwischen 1990 und
1998). 35.000 km Küstenlänge mit Hunderten von Häfen bieten aber noch ein weitaus
größeres Beförderungspotential. So macht
die Kommission zum Beispiel darauf aufmerksam, dass noch immer 75% des finnischen Holzes nach Italien über die Alpen transportiert werden, obwohl ein Seetransport
ohne weiteres möglich wäre. Besonders zur
Entlastung von Engpässen wie den Pyrenäen
kann der Kurzstreckenseeverkehr beitragen.
g/tkm
60
50
CO2
40
30
Straße
98,301
20
Schiene
28,338
10
KSV*
15,45
0
Treibstoffverbrauch
CO2
1
0,9
Straße
0,479
Schiene
0,196
KSV*
0,8
0,7
Straße
0,227
Schiene
0,098
KSV*
CO
0,036
HC
0,012
g/tkm
0,6
Straße
0,5
Schiene
KSV*
0,4
0,3
0,027
Straße
0,978
Schiene
0,472
0,1
Straße
0,031
Schiene
0,036
*Kurzstreckenseeverkehr
HC
Partikel
NOx
SO 2
KSV*
Partikel
0,006
KSV*
CO
44
0,078
0,2
0
Um dieses Potential stärker auszuschöpfen,
strebt die Europäische Kommission ein
Bündel von Maßnahmen an. Ziel ist, den
Kurzstreckenseeverkehr besser in die intermodale Transportkette einzugliedern. Notwendige Verbesserungen umfassen vor
allem die logistische Organisation, die
Dienstequalität (Häufigkeit, Regelmäßigkeit
Zuverlässigkeit) sowie die Koordinierung
des Managements und der Preispolitik in
der gesamten Transportkette. Auch wenn
diese Verbesserungen in erster Linie den
Seeverkehrsunternehmen obliegen, kann
die Europäische Union einen Beitrag leisten. Hierzu zählen zum Beispiel:
NOx
0,311
SO2
0,29
Quelle: Europäische Kommission
Beseitigung von bürokratischen Hürden
durch Vereinheitlichung der Beförderungspapiere und Verwaltungsverfahren in Form der jüngst von der
Kommission vorgeschlagenen standardisierten Meldeanforderungen für Schiffe,
die EU-Häfen anlaufen.
Gezielte Förderung von Projekten des
Kurzstreckenseeverkehrs über das For-
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
schungsrahmenprogramm, im Rahmen
von PACT, bzw. seines Nachfolgers
MARCO POLO, Hafenprojekte im
Rahmen der TEN sowie durch weitere
Programme wie MEDA, EFRE und
INTERREG III.
Schaffung von europäischen „Hochgeschwindigkeits-Seewegen“. Seewege
zwischen bestimmten europäischen
Häfen, die eine Alternative zum
Landverkehr darstellen, sollen nach dem
Willen der Kommission gesondert im
Leitschema der Transeuropäischen
Verkehrsnetze ausgewiesen werden. Die
Errichtung der für die effiziente Nutzung
der Seewege erforderlichen Infrastruktur
in den jeweiligen Häfen soll vorrangig
mit EU-Geldern gefördert werden. Zu
diesen besonderen Seewegen sollen in
Zukunft Verbindungen zwischen Spanien und Frankreich oder zwischen
Deutschland und Polen gehören.
01/2002
porte, z.B. von Chemikalien, besonders
geeignet. Hinzu kommt, dass die Kapazitäten des Binnenschiffsverkehrs bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind.
Im Vergleich zu Straße und Schiene haben
die Wasserstraßen die höchsten Kapazitätsreserven. Sie könnten ein wesentlich höheres Gütervolumen bewältigen. Dies gilt
nicht nur für den Massenguttransport, sondern ebenso für den Transport von Containern, mit denen v.a. hochwertige Güter
wirtschaftlich befördert werden können.
Der Binnenschiffsverkehr stellt deshalb auf
einer Vielzahl von Strecken bereits heute
eine wettbewerbsfähige Alternative zum
Straßen- und Schienenverkehr dar. Gerade
vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung kann die Binnenschifffahrt zu einer
Entlastung der Ost-West-Verkehrsachsen
beitragen.
3.3.1. Hindernisse und Handlungsbedarf
3.3. Stärkung der Binnenschifffahrt
Der Binnenschiffsverkehr ist ein umweltfreundliches, lärmarmes sowie energie- und
raumsparendes Verkehrsmittel. Der Energieverbrauch pro Tonnenkilometer mit dem
Binnenschiff transportierter Güter entspricht lediglich einem Sechstel des Verbrauchs auf der Straße und der Hälfte dessen auf dem Schienenweg. Die externen
Kosten des Binnenschiffsverkehrs (Luftverschmutzung, Flächenverbrauch, Staus etc.)
sind insbesondere im Vergleich zum
Straßentransport verschwindend gering.
Weitere Vorzüge des Binnenschiffsverkehrs
sind die geringen Transportkosten, ein
großes Transportvolumen sowie die Sicherheit der Beförderung. Die Unfallzahlen
liegen bezogen auf das Transportvolumen
praktisch bei Null. Das Binnenschiff ist
gerade deshalb auch für Gefahrguttrans-
Trotz der unbestrittenen positiven Merkmale und trotz einer Reihe von Maßnahmen
der EU, insbesondere zur Modernisierung
der Flotte und zur völligen Öffnung des
Binnenschifffahrtsmarktes, ist der ModalSplit-Anteil der Binnenschifffahrt mit 4%
nach wie vor sehr gering. Ursache hierfür ist
u.a., dass die Politik das Binnenschiff lange
Zeit vernachlässigt hat. Beispielsweise wurden mit Blick auf Infrastrukturinvestitionen
andere Verkehrsträger bevorzugt, während
der Ausbau der Wasserstraßen und die
Engpassbeseitigung vernachlässigt wurden.
So gibt es bislang kein zusammenhängendes transeuropäisches Netz durchgehender
Binnenwasserstraßen mit einheitlicher
Fahrrinne. Das transeuropäische Binnenwasserstraßennetz besteht hauptsächlich
aus den vorhandenen Flüssen und Kanälen
45
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
8/
2001
8/2001
BINNENHÄFEN UND BINNENWASSERSTRASSEN
B INNENHÄF
UNDAND
B INNENWASS
ER STR ASSE N
INLANDEN
PORTS
INLAND WATERWAYS
INL
ANDMARITIMES
P OR T S AND
INL AND
WATE R WAYS
PORTS
ET VOIES
NAVIGABLES
P OR TS MAR IT IME S E T VOIES NAVIGAB L E S
LEITSCHEMA DES TRANSEUROPÄISCHEN VERKEHRSNETZES (HORIZONT 2010)
L EI TS CHE MA DE S T R ANSE UR OP ÄISCHEN VER K EHR SNETZES (Horizon t 2010)
TRANS-EUROPEAN TRANSPORT NETWORK OUTLINE PLAN (2010 horizon)
TR ANS - E UR OP E AN TR ANSP OR T NE TWOR K OUTL INE P L AN(2010 h orizon)
SCHÉMA DU RÉSEAU TRANSEUROPÉEN DE TRANSPORT (horizon 2010)
SCHÉMA DU R É SE AU TR ANSE UR OP ÉE N DE TR ANS POR T (horizon 2010)
EUROPE
E UR
1:7800000
OPE
1:17800000
$T SAIMA PORTS
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S
#
Quelle: Europäische Kommission
DOUR
46
Binnenwasserstraßen
– -Inlandwaterways
Binnenwassers trassen
Inlandwaterways–- Voiesnavigables
Voies navigables
Bestehend
Bestehend
Existing
Existing
Existant
Existant
Geplant
Geplant
Planned
Planned
Planifié
Planifié
#
S
Seehäfen/Binnenhäfen
Seehäfen/Binnenhäfen
Inland/Maritime
Inland/Maritime
Intérieurs/Maritimes
Häfen
- Ports
- Ports
Häfen
– Ports
– Ports
Eisenbahnen
Eisenbahnen
Railways
Railways
Chemins de fer
Intérieurs/Maritimes
$T
Chemins de fer
Binnenhäfen mit Umschlaganlagen für den kombinierten Verkehr und> 500000tonnen
Binnenhäfen
mit
Umschlaganlagen
kombinierten Verkehr
> 500 000 Tonnen
Inlandports
with
transshipment
facilitiesfür
forden
combinedtransport
and >50und
0000tonnes
Inlandports
with
transshipment
facilities
for combined
and > 500 000 tonnes
Ports
intérieurs
avec
installations de
transbordement
pour letransport
transport combiné
intérieurs
avec installations de transbordement pour le transport combiné et > 500 000 tonnes
etPorts
>50000
0tonnes
0
0
200
200
400
400 Kilometers
Kilomet ers
Straßen
Strassen
Roads
Roads
Routes
Routes
T
$
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
sowie deren Verbindungen untereinander.
Gerade die Beseitigung von Engpässen in
der Binnenschifffahrt hat jedoch im Vergleich zu Straße und Schiene hochrentable
Kosten-Nutzen-Verhältnisse. Hier ist ein Umdenken in der Politik dringend erforderlich.
3.3.2. Strategien zur Stärkung der
Binnenschifffahrt
Die Europäische Kommission hat in ihrem
Weißbuch zur Verkehrspolitik folgende zeitnahe Maßnahmen angekündigt: 2002 wird
sie sowohl einen Vorschlag zur Harmonisierung der Schifferpatente als auch zur
Harmonisierung der Ruhezeiten, der
Zusammensetzung der Besatzung sowie der
Fahrzeiten von Schiffen vorlegen. Die
Arbeiten zur Vereinheitlichung der technischen Vorschriften für das gesamte Binnenwasserstraßennetz der Gemeinschaft sollen
ebenfalls bis 2002 abgeschlossen sein. Die
Kommission will auch den Einsatz von leistungsfähigen Navigations- und Kommunikationsgeräten im Binnenschifffahrtsnetz
unterstützen.
Darüber hinaus sind folgende Maßnahmen
zur Stärkung der Binnenschifffahrt notwendig:
Engpassbeseitigung und zielgerichteter
Infrastrukturbau: Das Ziel ist die Schaffung eines kohärenten und interoperablen Binnenwasserstraßennetzes. Der
umweltverträgliche und naturnahe Ausbau von Wasserstraßen muss dabei einhergehen mit der Beseitigung von
Hindernissen, die einem ganzjährigen
Schiffsverkehr entgegen stehen. Hierzu
gehören u.a. die Herstellung fehlender
Verbindungen, die erneute Nutzung von
nicht mehr genutzten Binnenschifffahrtsstraßen, die Beseitigung von Hindernissen wie unpassende Lichtraum-
01/2002
profile oder die Höhe von Brücken etc.
Die Kommission plant in diesem
Zusammenhang u.a. die Verbesserung
der Schiffbarkeit der Donau zwischen
Straubing und Vilshofen (Aufnahme in
die vorrangigen Projekte innerhalb der
TEN). Zur Komplettierung der transeuropäischen Netze gehört auch der ElbeLübeck-Kanal und seine Befähigung zur
europäischen Binnenschifffahrt.
Schaffung eines transparenten und integrierten gesamteuropäischen Marktes
für den Transport auf Binnenwasserstraßen. Dieser Markt muss auf den
Prinzipien der Gegenseitigkeit, der freien
Schifffahrt, des fairen Wettbewerbs und
der Gleichbehandlung der Benutzer von
Binnenwasserstraßen beruhen.
Stärkere Integration der Binnenhäfen in
die Hinterlandverkehre. Dies erfordert
u.a. eine höhere Qualität und Zuverlässigkeit der Schnittstellen sowie die
Förderung des Baus und des Einsatzes
innovativer Umschlagtechnologien. In
diesem Zusammenhang sind auch die
Terminals für den Kombinierten Verkehr
auszubauen, um den Binnenschiffsverkehr besser in die Kette des Kombinierten Verkehrs zu integrieren.
Einrichtung eines gesamteuropäischen
Systems für Informationen über die
Flüsse. Ein solches System wird zu
einem sicheren und effizienten Transport
auf den Binnenwasserstraßen beitragen.
Entwicklung von „Port-to-Door“-Konzepten, um Lücken in der Transportkette
zu schließen. Dies ermöglicht die Organisation eines Transportvorganges vom
Seehafen bis tief ins Binnenland hinein.
Verbesserung des intermodalen Verkehrs
und bessere Einbeziehung in logistische
47
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
Systeme durch Förderung der Zusammenarbeit zwischen Transportunternehmen der Binnenschifffahrt sowie von
Küstenschifffahrts-, Bahn- und Straßentransportunternehmen.
tumsraten zu verzeichnen. Während bei uns
das Verhältnis Auto : Mensch immerhin 1: 2
ist, liegt es beispielsweise in China derzeit
noch bei 1: 3000. In Zukunft ist also ein
gewaltiger Anstieg zu erwarten.
3.4. Verbesserung der Umweltbilanz des
Straßenverkehrs
3.4.1. Abgasemissionen in den Griff
bekommen
Allein innerhalb der Europäischen Union
wird der Personen- und Güterverkehr weiter
regelmäßig steigen (seit 1980 um 60% bzw.
50%). Zugleich registrieren wir ein zunehmendes Ungleichgewicht in der Nutzung
der Verkehrsmittel. Trotz verschiedener
politischer Steuerungsinstrumente, etwa
Anreize zur Vermeidung bzw. Verlagerung
des Verkehrs von der Straße auf umweltfreundlichere Verkehrsträger, werden Pkw
und Lkw auch weiterhin eine dominante
Rolle spielen. Infolge des sich entwickelnden „e-Zeitalters“ nimmt z.B. der Verteilungsverkehr der über Internet bestellten
Waren zu („e-commerce“). Auch schlägt
sich das Freizeitverhalten im Verkehrstrend
nieder: 2/3 der Fahrten finden bei uns nach
Feierabend statt.
Die EU unternimmt große Schritte zur Bekämpfung der vom motorisierten Straßenverkehr verursachten Luftverschmutzung.
Besonders die neuen Regelungen EURO III
und EURO IV versprechen eine weitere,
deutliche Reduktion der von Kraftfahrzeugen hervorgerufenen Schadstoffemissionen. Künftige Normensetzungen sollen aber
auch die CO2-Frage stärker mit einbeziehen.
Weltweit nimmt der Fahrzeugbestand ständig zu. Gerade in Asien sind enorme Wachs-
Quelle: Europäische Kommission
Mit dem 1. Januar 2000 ist die neue europäische Abgasgesetzgebung EURO III in
Kraft getreten. Sie ist das Ergebnis eines
intensiven Gesetzgebungsprozesses, der auf
die Reduktion der Schadstoffemissionen
von Motorfahrzeugen abzielt und auf die
Entwicklungstrends in Sachen Mobilität
angemessen reagiert. In den letzten Jahren
ist das Verkehrsaufkommen in der Europäischen Union immer parallel zum Wirtschaftswachstum um 2-3% pro Jahr gestie-
AOP-II Transport Base Case
Transport Demand (vkm)
Trend by mode
200
Road - passengers
180
Road - freight
1990 = 100
160
Rail
Water
140
120
100
48
2020
2019
2018
2017
2016
2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
1999
2000
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
60
1990
80
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
gen. Im Durchschnitt bewegt sich heute
jeder Mensch in der Europäischen Union
etwa 45 Kilometer am Tag (1900 waren es
noch 1000 m). Mobilität durch das Auto
macht zur Zeit rund 80% der Personenbeförderung in der EU aus. Weit über 50%
der Fahrten im Auto sind heute nicht
berufsbedingt.
3.4.2. Weiter zunehmendes Verkehrsvolumen
Seit 1970 ist der Straßenverkehr um 150%
gestiegen und macht heute 75% des gesamten Frachtmarktes in Europa aus. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil der Schiene
von 21% auf 8,5% gesunken. Bis 2010 ist
mit einem weiteren Anstieg von mehr als
30% gegenüber der heutigen Verkehrsleistung bei den Nutzfahrzeugen zu rechnen.
Diese Trends verursachen eine zunehmende
Belastung unserer Luftqualität, gerade in
Europas Städten. So werden inzwischen im
Sommer fast überall in Europa problemati-
01/2002
sche Ozonkonzentrationen notiert. Der
Schwellenwert, bei dem die Öffentlichkeit
über Ozonbelastungen informiert werden
muss, aber auch der gesundheitsbezogene
Unbedenklichkeitswert (eine Ozonbelastung von 120 µg/m3) wird häufig überschritten. Hauptproduzent der Ozonvorläufersubstanz Stickoxid (NOx) ist der
Straßenverkehr (63% in ganz Europa, in
einigen Städte bis zu 83%). Partikel, als Ruß
oder Qualm wahrgenommen, sind belastend und gefährlich für die Atemwege und
werden hauptsächlich von Motorfahrzeugen emittiert. 50% der Partikel stammen
von den Nutzfahrzeugen, obwohl diese nur
10% des Fahrzeugbestandes ausmachen.
3.4.3. Eine Vielzahl von Schadstoffen
erfasst
Die EU verfolgt einen integrierten Ansatz
zur Verbesserung und zur Erhaltung der
Luftqualität unter Berücksichtigung aller
Verursacher. Ausgangspunkt ist eine Rahmenrichtlinie zur Luftqualität, zu der nach
und nach Grenzwerte und Alarmschwellen
49
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Um die dort festgelegten Grenzwerte zu
erreichen, müsste die gegenwärtige Partikelemission in den Städten um 50% verringert werden.
Die Luftverpestung
durch die Automobilisten war schon in
den Kinderschuhen
des Automobils
Quelle des Ärgers –
aber auch Anstoß für
manch mehr oder
weniger sinnvolle
technische Innovation.
„Zufuhr von frischer,
staubfreier Luft für
Fußgänger“ nennt der
Karikaturist aus dem
„Schnauferl“ seine
Idee (1904).
3.4.4. Abgasreduktion bei Kraftfahrzeugen
für einzelne Schadstoffe festgelegt werden
(Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid, Partikel,
Blei, Kohlenmonoxid, Benzol, Ozon, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe,
Cadmium, Arsen, Nickel und Quecksilber).
Der erste Satz Grenzwerte enthält u.a.
Werte für Partikel, die 2005 bzw. 2010 verbindlich erreicht werden müssen. Sie beruhen auf Luftqualitätsleitlinien, die von der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammen mit der Europäischen Kommission
entwickelt wurden. Zur Zeit stehen zwei
Tochterrichtlinien der Luftqualitätsrahmenrichtlinie (1996/62/EG) zur Umsetzung an.
Die Richtlinie über Grenzwerte für Benzol
und Kohlenmonoxid in der Luft (2000/
69/EG) muss bis Ende 2002 in nationales
Recht umgesetzt werden.
Bei der Tochterrichtlinie, welche in zwei
Stufen Grenzwerte u.a. für Partikel und
NOx festlegt, ist die Frist zur Umsetzung
bereits am 19. Juli 2001 abgelaufen.
50
Die EU- Richtlinien Nr. 98/69/EG für Pkw
und leichte Nutzfahrzeuge, Nr. 99/96/EG für
Lastwagen und Busse sowie Nr. 98/70/EG
für Kraftstoffqualitäten sind das Ergebnis
eines aufwendigen Gesetzgebungsprozesses, der in der EU-Sprache mit „Auto-ÖlProgramm“ bezeichnet wird. Die EU-Kommission hatte auf der Basis einer Studie, in
die die Automobil- und die Mineralölindustrie einbezogen waren, einen integrierten
Gesetzgebungsvorschlag vorgelegt, um für
den Bereich Straßenverkehr die optimalen
und kosteneffizientesten Maßnahmen zu ergreifen. Das Europäische Parlament hat diesen Ansatz unterstützt, den Vorschlag aber
in wesentlichen Bereichen verbessert und
sich damit auch im Vermittlungsverfahren
zwischen Parlament und Ministerrat durchgesetzt. Damit sind die Rahmenbedingungen für die Fahrzeugtechnik der
nächsten Jahre festgelegt.
Das Europäische Parlament hat z.B. durchgesetzt, dass ehrgeizige Emissionsgrenzwerte sowohl für das Jahr 2000 als auch
bereits jetzt für das Jahr 2005 festgelegt
wurden. Dadurch hat die Industrie die nötige Planungssicherheit und ehrgeizige Vorgaben können rechtzeitig angegangen werden. Inzwischen stellen wir fest, dass bereits
jetzt Autos gebaut werden, die die
Grenzwerte für das Jahr 2005 einhalten
können. Dies zeigt sehr deutlich, dass die
Industrie nicht vor unlösbare technologische Anforderungen gestellt worden ist.
Insbesondere Partikel und Stickoxide werden stark reduziert:
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
NOx (g/km) – Partikel (g/km)
(Grenzwerte für Pkw und Leichte Nutzfahrzeuge,
in Klammern prozentuale Reduktion im Vergleich zu 1996)
NOx (g/km)
Benzin
Diesel
Partikel (g/km)
Diesel
2000
0,15 (-40%)
0,50 (-20-40%)
0,05 (-35-50%)
2005
0,08 (-68%)
0,25 (-60-70%)
0,025 (-68-75%)
Quelle: Europäische Kommission
Die Richtlinien erlauben den Mitgliedstaaten die steuerliche Förderung von
Kraftfahrzeugen, die die Anforderungen
der Richtlinie schon vor dem jeweiligen
Termin erfüllen. So dürfen mit Inkrafttreten
der Stufe EURO III Fahrzeuge, die die
Grenzwerte der Stufe EURO IV einhalten,
gefördert werden. Außerdem dürfen die
Mitgliedstaaten steuerliche Anreize zur
Nachrüstung von älteren Fahrzeugen gewähren, wenn dadurch die neuen Grenzwertsätze erreicht werden, und zur frühzeitigen Stillegung dieser Fahrzeuge führen.
3.4.5. Das Problem der Dieselpartikel
Gerade bei Lastwagen und Bussen muss
endlich wesentlich mehr für die Abgasreinigung getan werden. Die neuen Partikelgrenzwerte für 2005, welche ohne neuartigen Partikelfilter kaum zu erreichen sind,
werden den Partikelausstoß im Vergleich zu
heute um ca. weitere 70% senken. Es geht
aber nicht nur um die absolute Menge, sondern auch um die Größe der einzelnen
Partikel. Kleinstpartikel stehen im Verdacht, schwerwiegende Lungenschädigungen hervorzurufen.
3.4.6. Realistischere Anforderungen
Es kann nicht sein, dass Motorfahrzeuge bei
der Typenprüfung die strengsten Grenzwerte erreichen, aber innerhalb von weniger
als 10.000 Kilometer zu „Stinkern“ werden.
Rat und Parlament haben sich deshalb geeinigt, die Dauerhaltbarkeitsanforderungen
bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen auf
80.000 km und ab 2005 auf 100.000 km festzulegen. Für Lastwagen gelten ähnliche
Regelungen ab 2005. Künftig steht die
Dauerhaltbarkeit unter permanenter Kontrolle. Sensoren überprüfen elektronisch die
Funktionsfähigkeit der Abgasreinigung und
lassen bei Defekten eine Warnlampe aufleuchten. Seit 2000 müssen alle neuen Pkw
und ab 2005 alle neuen Lkw mit diesen
sogenannten On-Board-Diagnose-Systemen
ausgerüstet sein.
3.4.7. Kampf dem Schwefel im Kraftstoff
Schwefelarmer Kraftstoff senkt die Partikelemissionen auch alter Fahrzeuge sofort
deutlich, er steigert die Dauerhaltbarkeit
von Abgasreinigungseinrichtungen, und er
lässt notwendige neue Technologien der
51
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
Abgasreinigung wie einen Denox-Katalysator oder eine NOx-Falle überhaupt erst zu,
die wiederum eine wichtige Voraussetzung
bilden für die Einführung neuer kraftstoffsparender Triebwerke wie etwa des BenzinDirekteinspritzmotors. Das Europäische
Parlament hat dafür gesorgt, dass spätestens ab 2005 überall in der Europäischen
Union Benzin und Diesel mit einem sehr geringen Restschwefelgehalt von maximal 50
ppm flächendeckend zur Verfügung stehen
wird.
Gleichzeitig sollen Benzin und Diesel mit
unter 10 ppm Schwefel in der EU eingeführt
werden, um bis 2008 ausschließlich vorhanden zu sein. Wie schon bei der vorherigen
Stufe sollen ergänzend steuerliche Förderungen möglich sein, um diese nochmals
verbesserte Qualität möglichst frühzeitig
auf den Markt zu bringen (Beispiel Deutschland). Wichtig für das EP ist zudem, dass
dieser Kraftstoff auch für alle anderen
Fahrzeuge, Traktoren und Geräte verpflichtend wird.
3.4.8. Alle mobilen Quellen erfasst
Bis auf einige Ergänzungen ist damit die
Gesetzgebung im Straßenverkehrsbereich
komplett. Einzig die Standards für Mopeds,
Motorroller und Motorräder müssen noch
Stickoxidemissionen (kt)
erarbeitet werden. Bei jährlichen Zuwachsraten von über 20% spielt es in diesem
Bereich durchaus eine Rolle, dass für diese
Fahrzeuge zur Zeit Schadstoffemissionen
erlaubt sind, die ein Vielfaches über denen
eines Pkw liegen. Zurzeit bereitet das EP die
zweite Lesung der Gesetzgebung vor. Auch
hier soll mit einem zweistufigen Ansatz
(2003 und 2006) durch strengere Grenzwerte eine deutliche Reduktion der Abgasemissionen erreicht werden. Zudem sollen
zukünftig Motorräder auch realistisch getestet und mit Dauerhaltbarkeitsauflagen
belegt werden.
Mit der neuen Gesetzgebung sind in der EU
gute Voraussetzungen geschaffen worden,
dass sich die Luftqualität in Europa, vor
allem in städtischen Bereichen, deutlich
verbessert. Da 2005 etwa 60 Pkw der GolfKlasse so viel Schadstoffe ausstoßen dürfen
wie noch 1970 ein Auto allein, werden die
verkehrsbedingten NOx- und PartikelEmissionen trotz steigendem Verkehrsaufkommen bis 2010 um rund 75% sinken.
Mehrere Studien belegen den Erfolg der
europäischen Gesetzgebung. Hier ist eine
Tremod-Berechnung des IFEU-Institutes
aus Heidelberg abgebildet, welche die zu
erwartenden Reduzierungen der verkehrsbedingten schädlichen Abgase trotz des
ansteigenden Verkehrs aufzeigt:
Dieselpartikelemissionen (Mio. t)
Kohlenwasserstoffemissionen (kt)
1.800
1.800
1.600
1.600
1.400
1.400
1.200
1.200
60
50
40
Flug
1.000
1.000
800
800
600
Flug
Schiff
Schiff
30
Bahn
Straße
600
20
400
Straße
400
Bahn
10
200
0
1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
52
Flug
Schiff
Bahn
200
0
1980 1985
1990 1995
2000 2005
2010
0
1980
Straße
1985
1990
1995
2000
2005
2010
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
3.4.9. Herausforderung CO2-Reduktion
Im Gegensatz zu den „klassischen“ Schadstoffen wachsen die CO2 -Emissionen aus
dem Motorfahrzeugbereich noch immer
stark an. Hier ist eine deutliche Reduzierung nötig, damit die EU die in Kyoto eingegangenen Verpflichtungen zum Schutz
des Klimas und der Erdatmosphäre überhaupt erfüllen kann. Die Europäische
Kommission hat Ende Oktober 1998 mit
dem Verband der europäischen Automobilindustrie (ACEA) eine Vereinbarung über
die Selbstverpflichtung zur Reduzierung
der CO2 -Emissionen abgeschlossen; ein
Jahr später auch mit den japanischen und
koreanischen Automobilherstellern. Darin
ist festgelegt, durch technische Maßnahmen
eine durchschnittliche CO2 -Emission von
140 g/km (entspricht einem Kraftstoffverbrauch von etwa 6 Liter/100km gegenüber
heute 8 Liter) für alle neu zugelassenen Pkw
im Jahr 2008 zu erreichen. Das bedeutet,
01/2002
dass jedes Fahrzeug im Verbrauch reduziert
wird. Europäisches Parlament und Ministerrat fordern sogar eine Reduktion auf 120
g/km (etwa 5 Liter/100km) für alle neu zugelassenen Fahrzeuge spätestens 2010. Dieses
Ziel kann nur durch ergänzende Maßnahmen, z.B. durch steuerliche Förderung
und verstärkte Verbraucherinformation,
erreicht werden.
Um die CO2 -Emissionen aus dem motorisierten Verkehr signifikant zu senken, reichen technische Maßnahmen allein nicht
aus. Ebenso wichtig ist eine Änderung im
Käuferverhalten. Mit breiter Mehrheit hat
das Europäische Parlament deshalb ein
Gesetz über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und die CO2 -Emissionen von
Neuwagen beschlossen.
Die neue Regelung, die eigentlich bis zum
18. Januar 2001 in nationales Recht der
53
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Mitgliedsländer hätte umgesetzt werden
müssen, wird dazu führen, dass Pkw-Kaufinteressenten erstmals detailliert über den
Kraftstoffverbrauch und die CO2 -Emissionen eines Fahrzeugs informiert werden. Der
Handel ist nun verpflichtet, Verbrauchsund Emissionswerte direkt am Auto im
Verkaufsraum anzugeben. Gleiches gilt für
die Werbung. Daneben müssen Hersteller
die zehn verbrauchsärmsten Fahrzeuge
einer Klasse auf einer Schautafel nennen,
auch wenn sie von einem anderen Hersteller
stammen. So kann jeder Fahrzeugkäufer
durch einen entsprechenden Kaufentscheid
aktiv zum Klimaschutz beitragen. Die bisherigen Prognosen machen weitere Handlungsnotwendigkeiten wahrscheinlich.
3.4.10. „Return to sender“: Rückgabe
eines Altautos für den
Letztbesitzer künftig kostenfrei
Die neue europäische Altautorichtlinie ist
ein deutlicher Durchbruch für die umweltgerechte Entsorgung von Altautos.
Die neue Richtlinie legt europaweit einheitliche strenge Normen für die Behandlung
von Altfahrzeugen fest. Mit dem formalen
Inkrafttreten und nach der Umsetzung in
nationales Recht muss jedes Auto bei einer
zugelassenen Verwertungsstelle abgeliefert
werden. Die Annahme und Verwertung
erfolgt unabhängig vom Wartungszustand
und von den verwendeten Ersatz- und
Zubehörteilen. Die Abgabe soll für den
Letztbesitzer möglichst kostenfrei sein –
nur so kann erreicht werden, dass die
Wagen wirklich abgegeben und nicht
irgendwo abgestellt oder nach Osteuropa
geschleust werden.
Die Entsorgungskosten müssen die Hersteller tragen – dies gilt für alle Fahrzeuge,
die nach dem 1. Juli 2002 neu zugelassen
54
werden. Diese Herstellerverantwortung für
die Entsorgung ist der größtmögliche Anreiz für die Hersteller, die Fahrzeuge so
recyclingfähig wie möglich zu bauen, damit
sie am Ende ihres Lebenszyklus die Umwelt
so wenig wie möglich belasten und für den
Hersteller im Wettbewerb möglichst wenig
Kosten hervorrufen.
Die Frage der alleinigen Kostenübernahme
für alle alten Autos hat nichts mehr mit
Umweltschutz zu tun, sondern ist eine reine
Wettbewerbsfrage.
Darum hat das EP versucht, die kostenlose
Rücknahme des Altbestandes von der Herstellerverantwortung abzukoppeln. Dies
versuchte der Ministerrat jedoch zu verhindern. Im Kompromiss gilt nun die Lösung,
dass für Fahrzeuge, die vor dem 1. Juli 2002
zugelassen worden sind, die Hersteller erst
ab 1.1.2007 deren Entsorgungskosten tragen müssen. Aber auch für die Fahrzeuge in
der „Lücke“ – das sind die Fahrzeuge, die
vor dem 1. Juli 2002 zugelassen wurden und
vor dem 1. Januar 2007 zu Altfahrzeugen
werden – soll möglichst die kostenfreie
Abgabe für den Letztbesitzer gelten. Die
Mitgliedstaaten sind ausdrücklich aufgefordert, Rücknahmesysteme einzurichten, die
dies garantieren. Funktionierende Vorbilder
gibt es dazu schon in Dänemark und in den
Niederlanden, wo die Käufer von Neuwagen
einen Betrag von ca. 75 Euro in einen Fonds
zahlen, aus dem dann die Entsorgungskosten der Altfahrzeuge bestritten werden.
Das EP konnte leider nicht durchsetzen,
dass diese Fonds-Lösung verbindlich vorgeschrieben wird.
Die neue Richtlinie enthält detaillierte
Auflagen für die Zerlegung und Demontage
von Altfahrzeugen. Die Anforderungen an
die Betriebe, die als Entsorgungsbetriebe
zugelassen werden wollen, sind hoch.
Gleiches gilt für Schredderanlagen und
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
Deponien. Die Richtlinie enthält dafür die
Vorgaben: maximal 15 Prozent und ab 2015
nur fünf Prozent eines Autos dürfen auf die
Deponie gelangen. Ab dem 1. Juli 2003 sind
nur noch ganz begrenzte Ausnahmen für
die Verwendung von Blei, Quecksilber,
Chrom und Kadmium zulässig – mit der
Perspektive, auch diese Restbestände an
Schwermetallen auslaufen zu lassen. Mit
Inkrafttreten der Richtlinie darf Quecksilber nicht mehr auf Deponien gelangen.
Möglichst viele Teile sollen wiederverwendet werden. Ausdrücklich ausgenommen
von der Richtlinie sind Oldtimer.
Die Recyclingfreundlichkeit von Automobilen muss zukünftig deutlich beim Verkauf
gekennzeichnet werden und auch Eingang
in die Werbung für neue Fahrzeuge finden.
Insofern wird die Recyclingfähigkeit von
neuen Autos Eingang in deren Typzulassung
finden.
01/2002
Damit ist die Altautorichtlinie nicht nur ein
umweltpolitischer Erfolg, sondern gleichzeitig wegweisend für kommende Gesetzgebungen in der Abfallpolitik, z.B. für die
Behandlung von Elektroschrott oder die
Novellierung der Batterierichtlinie. Nur
diese Entwicklung, den End-of-Pipe-Ansatz
zu verlassen und bereits bei der Konstruktion und Herstellung von Produkten ihre
Recyclingfähigkeit bewusst mit einzubeziehen, ist zukunftsgerecht.
3.4.11. Alternative Antriebe stehen vor
der Tür
Die weitere Optimierung der Verbrennungsmotorentechnologie wird irgendwann an
ihre Grenzen stoßen, denn das Verhältnis
von Aufwand zu Nutzen wird immer
schlechter. Zukünftige Technologien wie die
Hybrid- oder Brennstoffzellentechnologie
Energiequelle der Zukunft?
Strom aus der Brennstoffzelle
Eine Brennstoffzelle verwandelt chemische Energie in elektrischen Strom
H2
–
Elektrolyt
1 BrennstoffEinleitung
Wasserstoff (H2)
Verbraucher
(z.B. Motor)
3a Elektronen –
fließen als
nutzbarer
–
–
Strom
–
–
H
2 Zerfall von Wasser- H
stoff in Protonen (H+)
und Elektronen –
H
H
–
H
H+
H
H+
H+
Brenngas- H2 H2
Einleitung
O2
–
4 Luft-Einleitung
Sauerstoff (O2)
Anode
Kathode
+
–
H+ O
O
H+
O
+
O
H
H+ O O
H+
H+
O2
5 Sauerstoff (O2),
Protonen (H+) und
Elektronen –
reagieren zusammen
zu Wasserdampf, der
als „Abgas“ entweicht
H2O
–
+
3 Elektronen – und
(Anode)
(Kathode)
O
Protonen (H+) fließen auf
3b Protonen wandern
getrennten Wegen
H
durch den Elektrolyten
(3a, 3b) zur
(z.B. Protonen-AustauschKathodenseite
Membran PEM)
LuftEinleitung
BrennstoffEinzelzelle
Stack
H
Funktionsprinzip
O
H
H
Die Energieausbeute wird erhöht, indem
einzelne Brennstoffzellen zu Zellstapeln
(Stacks) zusammengeschaltet werden.
Katalysatoren (z.B. Platin) auf den Elektroden beschleunigen die Reaktion
Einsatzmöglichkeiten
Fahrzeuge
u.a. Autos, Busse, Flugzeuge
Häuser,
Siedlungen
Fabriken,
Blockheizkraftwerke
© Globus
7301
55
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
müssen deshalb ebenfalls weiterentwickelt
werden, um langfristig als sinnvolle Ergänzung zum traditionellen Antrieb zur
Verfügung zu stehen. Hier ist die Forschung
gefragt und muss gefördert werden; nicht
zuletzt, um die Wettbewerbsfähigkeit der
EU auf diesem Sektor sicherzustellen. Dies
geschieht innerhalb des mittlerweile 6.
Forschungsrahmenprogramms der EU.
Die prinzipiellen CO2-Reduktionspotentiale
der Brennstoffzelle sind enorm und so ist
letztere mittelfristig eine überaus wichtige
Ergänzung zu den traditionellen Antrieben.
Allerdings scheint der Einsatz der Brennstoffzelle letztendlich nur sinnvoll, wenn sie
mit aus regenerativen Energien gewonnenem Wasserstoff betrieben wird, denn nur
dann wird die CO2-Gesamtbilanz günstiger
als bei optimierten Verbrennungsmotoren.
Well-to-Wheel CO2-Emissions (Trends)
Compact-Car NEDC, 2010
250
Range
CO2-Reduction through
Technology Shift
CO2 in g/km
200
Gasoline
150
Diesel
CNG
Methanol
(from Natural Gas)
CO2-Reduction through
Fuel Shift
Hydrogen
(from Natural Gas)
100
Renewable Fuels
Fossil Fuels
50
CO2-Reduction through
Methanol
Technology Shift
Hydrogen
Methanol
0
ICE
FE
ICE Ren-Fuels
Hydrogen
FC Ren-Fuels
Quelle: DaimlerChrysler
Das heißt, so revolutionär auch manche Ankündigen klingen – trotz ihrer Stärken ist
die Brennstoffzelle keine „eierlegende PSWollmilchsau“ und bringt nicht die Lösung
schlechthin. Im Gegenteil gibt es noch eine
ganze Reihe von offenen Fragen in der
Brennstoffzellenforschung, die vor einer
eventuellen Markteinführung bedacht und
beantwortet werden müssen:
56
Aus welcher Energie wird der Wasserstoff gewonnen?
Ist die Gesamtenergiebilanz am Ende positiv?
Wo im Fahrzeug wird der Wasserstofftank untergebracht? (auf Druck,
Kühlung, etc. ist zu achten)
Wenn kein Wasserstoff für den Antrieb
verwandt wird, bringt der Einsatz einer
Brennstoffzelle nach Umwandlung des
Energieträgers im Fahrzeug noch
Effizienzvorteile?
Wie wird die komplett neue Infrastruktur (Tankstellen, Transport) geschaffen,
die bei Anwendung der neuen Brennstoffzellen-Technologie notwendig wird?
Insofern wird die Großserienfertigung des
Brennstoffzellenautos eher mittelfristig auf
der Tagesordnung stehen. Die Erfahrungen
mit den „Zero-Emission-Vehicles“ in Kalifornien zeigen: Es wurden viele Anstrengungen unternommen, aber noch keine
befriedigenden Lösungen gefunden. In
urbanen Räumen macht der schnelle
Einsatz von ZEV oder Brennstoffzellen aufgrund der spezifischen Problemlage bei der
Luftqualität wirklich Sinn, doch als generelle Lösung ist dieser Weg zur Zeit noch fraglich. Allerdings hat die Diskussion um die
Brennstoffzelle als Antriebsquelle für Kraftfahrzeuge erheblich dazu beigetragen, ungeahnte Optimierungspotentiale bei den
Verbrennungsmotoren zu mobilisieren. Mit
innovativer Technik haben neue Motoren
erhebliche Effizienzsteigerungen erreicht,
sowohl bei der Senkung des Verbrauchs als
auch beim Wirkungsgrad. Dabei bewegen
sich Otto- und Dieselmotor technisch immer weiter in die gleiche Richtung.
Gesetzliche Maßnahmen auf europäischer
Ebene wird es nur geben, wenn dies Vorteile
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
sowohl in Bezug auf die CO2 -Emissionen als
auch auf die anderen Emissionen in der
Gesamtbilanz bedeutet.
Mit anderen Worten: Die Brennstoffzelleneuphorie darf nicht dazu führen, dass die
Anstrengungen zur Optimierung der Ottound Dieselmotoren vernachlässigt werden!
3.5. Effizienter und umweltverträglicher
Luftverkehr
Der Luftverkehr in der EU nimmt seit
Jahren kontinuierlich und deutlich zu. Das
gilt sowohl für den Güter- als auch für den
Personenflugverkehr. Letzterer hat seit 1960
jährlich um knapp 9% zugenommen, d.h.
2,4 mal so schnell wie das Bruttoinlandsprodukt. Die Luftverkehrsbranche und die
damit zusammenhängenden Industriezweige wachsen also schneller als die
Wirtschaft der EU im Durchschnitt. Zwischen 1993 und 1997 nahm der inner- und
01/2002
außergemeinschaftliche Passagierflugverkehr um fast 40% zu. Prognosen zufolge ist
in den nächsten 15 Jahren eine Verdoppelung der Zahl der Fluggäste zu erwarten.
Die starken Zuwachsraten im Luftverkehr
gehen einher mit einer deutlichen Zunahme
der negativen Umweltauswirkungen des
Luftverkehrs. Diese betreffen in erster Linie
den globalen Klimawandel, aber ebenso die
Lebensqualität und Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger auf regionaler und
lokaler Ebene, etwa durch Abgase und
Lärm. Durch den Ausstoß des Treibhausgases CO2 trägt der Luftverkehr zum
Treibhauseffekt und zum Abbau der
Ozonschicht bei. Es wird erwartet, dass zwischen 1990 und 2015 die CO2 -Emissionen
um jährlich 3% steigen. Der Gesamtbeitrag
zum Treibhauseffekt durch Flugzeuge
(einschließlich NOx-Emissionen, Kondensstreifen etc.) dürfte jedoch zwei- bis viermal
größer sein als durch CO2 -Emissionen
allein. Es wird daher angenommen, dass –
Der starke Anstieg
des Luftverkehrs
könnte bis 2050 bis
zu 15% der globalen
Erwärmung durch
Emissionen bewirken.
57
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
3.5.1. Maßnahmen der EU im
Luftverkehr
Die Luftverkehrspolitik muss zusammen
mit der Luftfahrtindustrie die Umweltverträglichkeit des Luftverkehrs in einem Maße
steigern, das die negativen Umweltauswirkungen des Wachstums übersteigt.
Folgende Maßnahmen sollen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit des Luftverkehrs beitragen:
3.5.1.1. Schaffung eines einheitlichen
europäischen Luftraums
Die Überlastung
des europäischen
Luftraums ist zum
größten Teil auf die
Zersplitterung des
Luftverkehrsmanagements zurückzuführen. Die Folgen:
Verspätungen, mehr
Treibstoffverbrauch,
höhere Umweltbelastung.
58
verglichen mit 1990 – der durch den globalen Luftverkehr verursachte Treibhauseffekt
2015 mehr als doppelt so stark sein wird.
Bis 2050 könnten Emissionen aus Flugzeugen bis zu 15% zur globalen Erwärmung
beitragen.
Problematisch erscheint vor allem, dass die
Zuwachsraten im Luftverkehr die Umweltverbesserungen aufwiegen, die aus technologischen und Effizienzfortschritten erreicht wurden. Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit des Luftverkehrs sind daher dringend geboten, gerade auch mit Blick auf die in Kyoto vereinbarten Klimaschutzziele. Die EU muss aus
diesem Grund beispielsweise die Einführung umweltfreundlicher Technologien und
Betriebsverfahren zur Verringerung von
Lärm und Abgasemissionen beschleunigen.
Sollten keine Maßnahmen zur Steigerung
der Umweltverträglichkeit und der Effizienz
des Luftverkehrs ergriffen werden, würden
die Emissionsverringerungen nach dem
Kyoto-Protokoll bis 2012 zu 50% durch die
zunehmenden Abgasemissionen im Luftverkehr (der nicht Gegenstand des KyotoProtokolls ist!) ausgeglichen werden.
Trotz Binnenmarkt und einheitlicher Währung ist die Organisation des europäischen
Luftraums nach wie vor durch nationale
Grenzen und durch eine Zersplitterung des
Luftverkehrsmanagements gekennzeichnet.
Das europäische Flugverkehrsmanagement
besteht heute aus 26 Teilsystemen und
umfasst 58 Kontrollzentren. Dies ist auf
einer vergleichbaren Fläche dreimal so viel
wie in den USA.
Folge der nicht vereinheitlichten Luftraumstruktur, Zuteilung und Nutzung sind die
ineffiziente Nutzung und Organisation des
Luftraums, erhöhte Kosten und massive
Umweltbelastungen. Auf die Zersplitterung
des europäischen Luftraums sind etwa die
Hälfte aller Verspätungen im Flugverkehr
zurückzuführen. Der Prozentsatz an Verspätungen von mehr als 15 Minuten ist von
12,7% im Jahr 1991 auf 30,3% im Jahr 1999
angestiegen. Das ist erstens für die Passagiere inakzeptabel und hat darüber hinaus
aufgrund zusätzlichen Treibstoffverbrauchs
und zusätzlicher Emissionen negative
Auswirkungen auf die Umwelt. Die Kommission geht davon aus, dass die unmittelbar mit der Überlastung des Luftraums
zusammenhängenden Verspätungen gesamtwirtschaftliche Kosten in Höhe von
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
5 Mrd. Euro verursachen. Die weiteren
Gründe für Verspätungen (Auslastung der
Flughafeninfrastruktur, operationelle und
logistische Gründe) eingerechnet, belaufen
sich die Kosten auf 10 Mrd. Euro.
Die Union muss auf diese Situation eine
gemeinsame Antwort geben. Aus diesem
Grund soll bis 2004 ein einheitlicher europäischer Luftraum geschaffen werden, bei
dem der Luftraum und das Flugverkehrsmanagement einheitlich gestaltet, reguliert
und verwaltet werden. Ein als lückenlose
Einheit angelegter Luftraum wird die
Wirksamkeit des europäischen Flugverkehrssystems steigern und damit zur optimalen Nutzung des europäischen Luftraums beitragen. Dies wird zu einer deutlichen Verringerung der Umweltbelastungen
des Luftverkehrs beitragen.
3.5.1.2. Kerosinsteuer
und Umweltabgabe
Seit längerer Zeit wird auf europäischer
Ebene die Besteuerung von Flugkraftstoff
(Kerosin) geprüft. Bisher sind die Luftverkehrsgesellschaften aufgrund internationaler Vereinbarungen in weiten Teilen von
Steuern, u.a. von der Steuer auf Kerosin,
befreit. Diese Steuerbefreiung hat zweierlei
Folgen: Zum einen besteht für die
Luftverkehrsgesellschaften kein Anreiz,
sparsamere und energieeffizientere Flugzeuge nachzufragen, um damit zur
Verringerung der CO2-Emissionen beizutragen. Zum anderen herrscht zwischen den
Verkehrsträgern kein gleichberechtigter
Wettbewerb. Wettbewerbsgleichheit ist
jedoch für ein nachhaltiges Verkehrssystem
von grundlegender Bedeutung.
01/2002
hinzuwirken. Da die Erfolgsaussichten hinsichtlich der Änderung der internationalen
Rahmenbedingungen für die Kerosinbesteuerung ungewiss sind, wird zugleich die
Streichung der Steuerbefreiung für Kerosin
auf innergemeinschaftlichen Flügen diskutiert. Auch wird die Möglichkeit geprüft,
Flüge nur dann zu besteuern, wenn andere
Verkehrsträger, beispielsweise Hochgeschwindigkeitszüge, genutzt werden könnten. Dies hätte den Vorteil, dass sich ein
Verlagerungseffekt erzielen ließe, während
andernfalls die Besteuerung lediglich zu
einer Preiserhöhung führen würde.
Neben der Einführung der Kerosinbesteuerung scheint die Einführung einer Umweltabgabe, die auf dem Verursacherprinzip
beruht, als vielversprechende Maßnahme
zur Verbesserung der Umweltbilanz des
Luftverkehrs. Die Kommission hat ihre
diesbezüglichen Vorstellungen in ihrer
Mitteilung „Luftverkehr und Umwelt: Wege
zu einer nachhaltigen Entwicklung“ konkretisiert. Eine Umweltgebühr könnte beispielsweise abhängig gemacht werden von
der zurückgelegten Flugstrecke und der
Umweltverträglichkeit des benutzten Flug-
Mehr als die Hälfte
der fünfzig größten
europäischen Flughäfen hat seine
Kapazitätsgrenze
bereits erreicht. Nur
ein europäisches
Flugverkehrsmanagement und
der Einsatz größerer Flugzeuge kann
zu einer effizienteren Nutzung
der vorhandenen
Kapazitäten führen.
Die EU versucht aus diesem Grund innerhalb der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) bis zum Jahr 2004 auf die
Einführung der Flugkraftstoffbesteuerung
59
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
zeuges. Sie könnte als Abgabe in Verbindung mit den Lande- und Startgebühren
des Flughafens oder in Form eines Aufschlages auf den Flugpreis erhoben werden.
Die Kombination aus Grundgebühr plus
Staffelung der Gebührensätze in Abhängigkeit von der Umweltverträglichkeit des
Fluggeräts bietet die Möglichkeit, verkehrs-,
umwelt- und wirtschaftspolitische Ziele
miteinander in Einklang zu bringen. Eine
solche Gebühr würde den Einsatz umweltfreundlicherer Verfahren vorantreiben, da
sie auf dem Grundsatz „Belohnung“ der
besten und „Bestrafung“ der schlechtesten
Methoden beruht. Darüber hinaus würde
eine Umweltgebühr zu mehr Wettbewerbsgleichheit beispielsweise zwischen Schiene
und Luftverkehr beitragen.
3.5.1.3. Optimale Nutzung der
Flughafenkapazitäten
Mehr als die Hälfte der fünfzig größten
europäischen Flughäfen hat die Kapazitätsgrenze bereits erreicht oder steht kurz
davor. Notwendig ist deshalb sowohl der
gezielte Ausbau der Flughafenkapazitäten
als auch die effizientere und rationellere
Nutzung der vorhandenen Kapazitäten, beispielsweise mit Hilfe des Flugverkehrsmanagements oder des Einsatzes größerer
Flugzeuge.
Entscheidend für die effiziente Nutzung
der Flughafenkapazitäten ist die Vergabe
der Slots (Zeitnischen). Eine Zeitnische ist
das Recht, zu einer bestimmten Zeit auf
einem Flughafen zu starten und zu landen.
Die Kommission hat vor kurzem ihren
Vorschlag zur Neuregelung für die Zuwei-
60
sung von Zeitnischen auf den Gemeinschaftsflughäfen vorgelegt. Ziel der Verordnung ist es zu gewährleisten, dass die
verfügbaren Zeitnischen für Starts und
Landungen effizient genutzt und auf unparteiische, diskriminierungsfreie und transparente Weise verteilt werden. In einem zweiten Schritt ist beabsichtigt, die Vergabe von
Slots u.a. von der Umweltverträglichkeit
abhängig zu machen. Auf diese Weise entsteht ein heilsamer Druck hin zu der
Verwendung umweltverträglicherer Flugzeuge.
Zur effizienteren Nutzung der beschränkten
Flughafenkapazitäten gehört auch die
Förderung der Intermodalität mit der
Eisenbahn. Auf zahlreichen Streckenabschnitten, etwa zwischen Metropolen,
machen sich Schiene und Flugzeug unnötig
Konkurrenz. Es macht jedoch keinen Sinn,
Flugverbindungen auf Strecken aufrecht zu
erhalten, auf denen wettbewerbsfähige
Hochgeschwindigkeitszugverbindungen
existieren. Hier könnten Kapazitäten für
Strecken frei gemacht werden, für die es
bisher keine umweltfreundlicheren Alternativen gibt.
3.5.1.4. Flughafenkooperationsmodelle
Überlegungen zu Flughafenkooperationsmodellen stecken noch in den Anfängen. Als
Teil eines optimierten Gesamtverkehrssystems sind die Flughäfen Intermodalitätsknoten, die Verteilfunktionen wahrnehmen.
Neben dem Wettbewerb zwischen den
Flughäfen sind von diesem Gesichtspunkt
aus auch Kooperationen erforderlich, wie
man sie z.B. in Schweden beobachten
kann.
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
FAZIT: 12 SOZIALDEMOKRATISCHE THESEN
FUR EINE NACHHALTIGE VERKEHRSPOLITIK
1
Nachhaltiges Verkehrssystem
schaffen
Grundlage und Maßstab der europäischen Verkehrspolitik muss der Gedanke
der Nachhaltigkeit sein. Wir stehen für eine
integrierte Verkehrspolitik, die auf der
Optimierung des Gesamtsystems wie auch
der Optimierung jedes einzelnen Verkehrsträgers beruht. Unser Ziel ist die Sicherung
der Mobilität von Menschen und Gütern in
einem effizienten, sozial verträglichen und
umweltfreundlichen Verkehrssystem.
2
Pro umweltfreundliche
Verkehrsträger
Trotz der Priorität für Schiene und
Binnenwasserstraße beim Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes kommt der
Bau der Straßen weitaus schneller voran als
der Bau von Infrastruktur für umweltfreundlichere Verkehrsträger. Da der Straßenbau in den Mitgliedstaaten immer noch
eine Art Automatismus darstellt, sollte die
EU bei der Bereitstellung ihre knappen
Fördermittel und bei Krediten der europäischen Investitionsbank für den Aufbau des
TEN umweltfreundlicheren Verkehrsträgern absolute Priorität einräumen. Europäische Mittel sollten des weiteren auf grenzüberschreitende Projekte konzentriert
werden sowie auf Projekte, die den Abbau
von Integrationshemmnissen voran bringen.
3
Kostenwahrheit im Verkehr
durchsetzen
Kostenwahrheit muss in der Verkehrspolitik auf die Tagesordnung. Die bisherige
Ignoranz insbesondere in Sachen Einbeziehung der Umweltkosten widerspricht
nicht nur dem Verursacherprinzip, sie
benachteiligt vor allem umweltfreundlichere Verkehrsträger wie Schiene oder Binnenwasserstraße. Das Schönrechnen muss aufhören. Die EU braucht die gerechte
Anlastung der externen Kosten für jeden
Verkehrsträger. Nur so kann es fairen
Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern
geben.
4
Vernetzung der Verkehrsträger
fördern
Wir werden die Funktionsfähigkeit
unseres Verkehrssystems nur erhalten können, wenn jeder Verkehrsträger seine Stärken voll zur Geltung bringen kann. Die
Kooperation und Integration der Verkehrsträger muss ganz oben auf der verkehrspolitischen Agenda stehen. Ziel ist die Schaffung eines intermodalen Gesamtverkehrssystems, das auf der Umstellung von einer verkehrsträgerspezifischen zu einer verkehrsträgerübergreifenden Verkehrsplanung beruht.
5
Weniger Beton, mehr Intelligenz
Der Auf- und Ausbau von Verkehrswegen sowie die bessere Verknüpfung
der Infrastrukturen ist notwendig, doch
darf sich die Verkehrspolitik darin nicht
erschöpfen. Der Anstieg der Verkehrsströme
verlangt nach intelligenten und innovativen
Lösungen. Wir stehen aus diesem Grund für
die Förderung und den verstärkten Einsatz
von Informations-, Kommunikations- und
Satellitennavigationstechnologien in der
Verkehrspolitik, um die Verkehrsabläufe
besser steuern und optimieren zu können.
6
Bei Entstehung von Verkehr ansetzen
Verkehrsverringerung und -vermeidung sind ein wichtiger Bestandteil
nachhaltiger Mobilitätsentwicklung. Wir
verstehen Verkehrsverringerung nicht als
gleichbedeutend mit Verzicht auf Mobilität,
sondern als erfolgreiche Rationalisierung
von individueller Mobilität und Gütertransport. Unser Ziel ist deshalb die Stärkung des
ÖPNV, die Vermeidung von Parallelverkehren sowie als Querschnittsaufgabe die
Schaffung verkehrssparender Raumstrukturen.
61
01/2002
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
7
Verkehrsträger optimieren
Hinsichtlich der Umweltleistung der
einzelnen Verkehrsträger gibt es noch
erhebliche Optimierungsmöglichkeiten, insbesondere bei den dominierenden bzw. den
Verkehrsträgern mit dem stärksten Wachstum, der Luftfahrt und dem Auto. Hier gilt
es, einerseits den Verbrauch und andererseits
die Lärmemissionen deutlich zu senken.
8
Mehr Wettbewerb auf der Schiene
Das, was im Straßenverkehr schon
gilt, muss auch im Schienenverkehr
möglich werden: Ein gemeinsamer Markt
für die Schiene, in dem alle Eisenbahnunternehmen ihre Leistungen im Güterund im Personenverkehr ohne Diskriminierungen in ganz Europa anbieten können.
9
Seeschifffahrt stärken – Schiffssicherheit und Ökobilanz weiter verbessern
Der Anteil der See- und Binnenschifffahrt am Gesamttransportvolumen muss
weiter ausgebaut werden. Die Förderung
dieser Verkehrsträger muss eine Priorität
für die Europäische Union werden. Damit
jedoch diese Verkehrsträger ihre Umweltvorteile ausspielen können, bedarf es einer
weiteren Verschärfung der Sicherheits- und
Umweltstandards auf den Schiffen sowie
einer Revision der Haftungs- und Sozialvorschriften in der Seeschifffahrt. Wenn dies
über ein weltweites Abkommen nicht möglich ist, darf die EU unilaterales Handeln
nicht ausschließen. Darüber hinaus müssen
insbesondere steuerpolitische Instrumente
genutzt werden, um den Trend des Ausflaggens zu stoppen und möglichst viele
Schiffe, die Europas Häfen anlaufen, auch
unter europäischer Flagge fahren zu lassen.
10
Binnenschifffahrt stärken
Bisher wurde der Binnenschifffahrt
nicht die verkehrspolitische Beachtung geschenkt, die sie verdient. Wir setzen
uns ein für die gezielte Förderung der Bin-
62
nenschifffahrt, etwa durch die Beseitigung
von Engpässen und den naturnahen Ausbau
der Infrastruktur, die stärkere Integration
der Binnenhäfen in die Hinterlandverkehre,
die Harmonisierung der steuerlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen im
Binnenschiffsverkehr sowie die bessere Verknüpfung von Binnenschiffs- und Kurzstreckenseeverkehren.
11
Mehr Umweltverträglichkeit
im Straßenverkehr
Mittelfristig wird das Automobil unsere Mobilität bestimmen. Daher kommt es
jetzt, nachdem die klassischen Emissionen
trotz ansteigendem Verkehr deutlich gesenkt werden konnten, darauf an, den Verbrauch erheblich zu reduzieren. Nur so können wir die schädlichen Klimagase in den
Griff bekommen. Das bedeutet, die traditionellen Verbrennungsmotoren zu optimieren
und gleichzeitig bessere Kraftstoffqualitäten einzuführen. Parallel müssen alternative Antriebe auf ihre Tauglichkeit, insbesondere hinsichtlich der Gesamtenergiebilanz abgeklopft werden. Zukünftig müssen
Autos so umweltfreundlich wie möglich gebaut, genutzt und wiederverwertet werden.
12
Für effizienten und umweltverträglichen Luftverkehr
Effizienz und Umweltverträglichkeit
des Luftverkehrs müssen deutlich verbessert
werden. Hierzu ist eine Vielzahl an Maßnahmen auf internationaler und Gemeinschaftsebene notwendig. Wir müssen endlich den Einheitlichen Europäischen Himmel verwirklichen, um den europäischen
Luftraum optimal zu nutzen. Zugleich müssen die beschränkten Flughafenkapazitäten
effizienter und rationeller genutzt werden.
Notwendig ist zudem die Einführung einer
Kerosinsteuer und einer Umweltabgabe
sowie die verstärkte Einbeziehung von
Umweltparametern (Lärm, Emissionen) bei
der Optimierung der Flughafenkapazitäten.
THEMA EUROPA: Verkehr und Umwelt
01/2002
WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN
Europäische Kommission:
„Weißbuch: Die europäische Verkehrspolitik bis 2010:
Weichenstellungen für die Zukunft“ KOM (2001) 370
Mitteilung: „Nachhaltige Entwicklung in Europa für
eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union
für die nachhaltige Entwicklung“ KOM (2001) 264
Mitteilung der Kommission an das Europäische
Parlament und den Rat über GALILEO, KOM (2000)
750
Konsultationsdokument: „Das Programm Marco Polo.
Ein neues Förderkonzept für Alternativen zum
Straßengüterverkehr“, Brüssel, 22.06.2001
Mitteilung der Kommission: „Luftverkehr und
Umwelt: Wege zu einer nachhaltigen Entwicklung“,
KOM (1999) 640
Weiterführende Information im
Internet:
Übersicht über Arbeit des Europäischen
Parlaments zur Verkehrspolitik:
http://www.europarl.eu.int/committees/rett_home.htm
Homepage der Kommission, Generaldirektion
Energie und Verkehr: http://europa.eu.int/comm/
dgs/energy_transport/index_de.html
Umwelt und Verkehr: http://www.europa.eu.int/
comm/ energy_transport/en/envir_en.html
Informationen zu den Transeuropäischen
Verkehrsnetzen: http://europa.eu.int/comm/energy_
transport/de/tn_de.html
Schienenverkehr: http://www.europa.eu.int/
comm/transport/themes/land/english/lt_0_en.html
„Der einheitliche europäische Luftraum. Bericht der
hochrangigen Gruppe“, Brüssel 2001
Seeverkehr: http://www.europa.eu.int/comm/
transport/themes/maritime/english/mt_en.html
„Mitteilung der Kommission über die Umsetzung des
in der Mitteilung über Intermodalität und intermodalen Güterverkehr in der Europäischen Union
[KOM (97) 243 vom 29. Mai 1997] festgelegten
Aktionsprogramms“
Binnenschifffahrt: http://www.europa.eu.int/comm/
transport/iw/en/site_map_en.htm
Mitteilung der Kommission: „Besteuerung von
Flugkraftstoff“, KOM (2000) 110
Luftverkehr: http://www.europa.eu.int/comm/
transport/themes/air/english/at_en.html
Mitteilung der Kommission: „Die Entwicklung des
Kurzstreckenseeverkehrs in Europa“, KOM (1999)
317.
Kombinierter Verkehr: http://www.europa.eu.int/
comm/transport/themes/land/english/lt_28_en.html
Mitteilung der Kommission über die Sicherheit des
Erdöltransports zur See
(Erika 1 Paket), KOM(2000) 142
Mitteilung der Kommission über ein zweites Paket
von Maßnahmen der Gemeinschaft für die Sicherheit
der Seeschifffahrt im Anschluss an den Untergang des
Öltankschiffs „Erika“ (Erika 2 Paket), KOM(2000) 802
Europäische Umweltagentur: Stimmt die Richtung?
Indikatoren zur Integration von Verkehr und Umwelt
in der EU, Term 2000 (Zusammenfassung),
Kopenhagen 2000.
Europäische Umweltagentur: Indikatoren zur
Integration von Verkehr und Umwelt in der EU, Term
2001 (Zusammenfassung), Kopenhagen 2001.
Straßenverkehr: http://www.europa.eu.int/comm/
transport/themes/land/english/lt_0_en.html
ÖPNV: http://www.europa.eu.int/comm/energy_
transport/en/cut_en.html
CO2 und Autos: http://www.europa.eu.int/comm/
environment/co2/co2_home.htm
Abgasrichtlinien: http://www.europa.eu.int/
comm/enterprise/automotive/directives/index.htm
LISTEC-Datenbank der Kommission zur
Typgenehmigung in den Mitgliedstaaten:
http://www.listec.lu
Übersicht über EU-Emissionsgesetzgebung:
http://www.europa.eu.int/comm/enterprise/automotive/pa
gesbackground/pollutant_emission.pd
63
ZULETZT IN DIESER REIHE ERSCHIENEN:
So hilft Europa seinen Regionen 2000-2006
Die neue EU-Regionalpolitik
von Ralf Walter MdEP
Über Nizza hinaus
Herausforderungen und Perspektiven
für die Verfassung der erweiterten
Europäischen Union
von Klaus Hänsch, MdEP
Europa bildet sich
EU-Fördermöglichkeiten im
Jugend- und Bildungsbereich
von Lissy Gröner, MdEP
Europa fördert
EU-Fördermöglichkeiten
von Constanze Krehl, MdEP
Unser Geld – unser Euro
Der Euro ist mehr als nur neues Geld
von Christa Randzio-Plath, MdEP
Im Mittelpunkt der Mensch
Lösungsansätze für die Daseinsvorsorge
in der Europäischen Union
von Bernhard Rapkay, MdEP