Festschrift zum 250. Geburtstages des Dichterpastors F.W.A. Schmidt
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Festschrift zum 250. Geburtstages des Dichterpastors F.W.A. Schmidt
F. W. A. Schmidt von Werneuchen Festschrift anlässlich des 250. Geburtstages des Dichterpfarrer Heimatkundliche Mitteilungen Herausgegeben von Martin Kuban Friedrich Wilhelm August Schmidt Z eitgen osse des für Wern euch en so inhaltsschweren Geschich tsabschnittes der Franzosenherrschaft un d des deutsch en Befreiungskri eges war der Pfarrer Fri edrich Wilh elm August Schmidt. Er selbst wurde aber auch aus m ehreren Gründen für di e Geschichte der Stadt Wern euch en bedeutsam. Al s Gegenstand sein er Verse trat di e Wern euchn er Heimat in di e Welt der Dich tkunst ein und mach te so den Namen Wern euch en ü ber sein e Gren zen hinaus, allgem ein bekannt un d er war bish er der ein zige Ortsan sässige, dessen Person in die Geschich te eingegangen ist. Di e Beerdigung des ersten im deutsch en Befreiungskrieges gefall en en deu tschen Offi zi ers wurde zu ein em wi chtigen sym bolischen un d h eute hi storisch en Ereignis deutsch en Anteils an der Befreiung gegen die französisch e Unterdrückung. der Frühlingstag auf der Dorfpfarre Morgens nach dem Frühstück Kupferstich von Chodow iecki, 1795 Aus dem Leben des Dicht erpfarrers F. W. A. Schmidt wurde in der ersten Eh e sein es Vaters am 23. März 1764 in dem am Fahrlän der See gelegen en un d durch weitere Seenketten mit der Hav el v erbunden en Dörfch en Fahrland, ungefähr 10 km n ordwestli ch v on Potsdam geboren. Er stammte aus ein er ü ber 100 Jahre v orh er in der Mark nachweisbaren Pfarrersfamilie. In Fisch ers Pfarrerbuch für di e Mark Bran den burg wird als erster V orfahre Daniel Schmidt, um 1670 Prediger in Schenken dorf, danach Samuel Schmidt, 1705-1760 Prediger in Li eben fel de, und schließlich Bernhard Dani el Schmi dt, 1748 Fel dpredi ger beim Kadetten corps in Berlin , 1751-1773 Prediger in Fahrland, Vater unseres F. W. A . Schmi dt, genannt. Di eser Bernhard Dani el Schmidt v erh eiratete sich das erste Mal in Potsdam 1751 mi t Sophi e Sainson , Toch ter des dortigen Stallm eisters und Reitl ehrers Fri edrich des Großen Lu dwig Sainson , nach deren Tod ein zwei tes Mal ebenfalls in Potsdam am 15. März 1753 mit Doroth ea Charl otte Sainson , ein er Sch wester der ersten Frau . V on seinem Nachfolger, dem Prediger Johann An dreas Mori tz (1774-1793 in Fahrland) ein em gewi ss ehrenwerten , aber hum orl osen Herrn , dem im Gegensatz zu sein em großzügigen V orgänger -unseres Di chterpastors Vater- es nicht gegeben war, das Leben l eich t zu nehm en, stammt di e den Heimatforsch ern rühmlich bekannte „Fahrlander Chronik“. Darin gi bt er v erärgert über fehlen de Nachri chten , zumal rechneri sch er Art, ü ber wohl v erl oren gegangen e Privilegi en un d offenbar über di e für sol che „Besprechungen“ un zugängliche Wi twe seines v erblich enen Amtsbruders, ein bei aller Aburteilung trefflich es Bil d di eses Bernhard Dani el Schmidt. Er kennzeichn et ihn als rechten Lan dpastor, der bei spärli chen Einkomm en sich al s großzügiger Beh errscher des Lebens erwi es, es si ch sel bst und anderen l ei cht machte, v oll V erständni s für di e Bauernnatur als fröhlich er Jagd– un d Ti schgen osse das Dasein gen oss und si ch durch An ekdoten erzählen allsei ts beli ebt machte. F.W.A. Schmidt hat nach dem frühen V erlust des Vaters ihm wohl ein li ebes Geden ken geschen kt, aber in seinen Gedi chten wenig N oti z v on ihm gen om m en. Sein er Mutter, Doroth ea Charl otte geb. Sainson war er bi s zu ihrem Leben sen de in treuer Li ebe ergeben . Sie war offen bar bei dem Tode des Eh emann es n och ein e „charmante Dam e“ v on 35 Jahren , aber dem Pfarramtsnachfolger Mori tz recht un sympathisch wegen der gesamten „Schmi dtsch en Koterie“. Im Wern euchn er Kirch enbuch setzte er der Mutter ein schlich tes un d doch beredtes Den kmal, in dem er si e 1806 al s Patin sein es Sohns Ulri ch mit den Worten ein trug „verwitwe te Frau Pre diger S chmidt aus Berlin, des Täuflings beste Großmutte r“. Sein er Freude ü ber deren v om Künstler Heusinger gemaltes Bil dnis gab er in ein em di esem gewidm eten Gedi cht Ausdruck. Der Frühlingstag auf der Dorfpfarre Mittags Kupferstich von Chodow iecki, 1795 2 Werneuchen ‐ F. W. A. Schmidt „Das ist sie, ja, Dank deinem Meisterstift, Der, o, so wahr, so unnachahmlich trifft! Wie reich bin ich durch deine Kunst geworden!... Wie mahnst du mich, geliebtes Konterfei, Di e geschl ossen e Freundschaft mi t dem späteren Pastor in Döberi tz C. H. Schultze wurde dann zu l ebenslängli chem Verkehr. Gern ri tt er nach Döberitz, v erbrachte dort vi el e glücklich e Stunden un d widm ete dem Freund un d dessen Gattin beson dere Gedi chte. An jene Zeit –sie flog zu schnell vorbei‐, Da meinen Geist sie früh zum Denken weckte… Dies ist der Mund, der mir den Schlaf vertrieb, Wenn abends müd` ich mir die Augen rieb, Der Märchen mir voll Laun` und Witz erzählte, Der, als erblasst an jenem Tränentag Mein braver Vater einst im Sarge lag, Den Gram gestillt, der meine Brust zerquälte. Er blieb mit sein em Heimatdorf Fahrlan d stets v erwachsen un d sein e Dichtkunst schil dert un s anschaulich das v äterlich e Pfarrhaus mit dem verwitterten Rohrdach, den v on der Zeit ausgewasch en en Gi ebel balken , der nagelbechlagen en Tü r, dem V orgarten mit spitzigen Staketen un d der Laube aus schrägen Latten. … Ha ! Ich kenne dich noch, als hätt` ich dich gestern verlassen, Kenne das hangende Pfarrhaus mit verwittertem Rohrdach, Wo die treuste der Mütter die erste Nahrung mir schenkte, Kenne die Balken des Giebels, wo längst der Regen den Kalk schon losgewaschen, die Tür mit großen Nägeln beschlagen, Kenne das Gärtchen vorn, mit spitzen Staket, und die Laube Schräg mit Latten benagelt… Berei ts mi t 22 Jahren ordini ert, erhi elt er n och im gl eich en Jahr di e recht schwach besoldete Stelle eines Predigers am Invalidenhaus in Berlin. Wi e viel Liebe un d Freundschaft er sich in di eser ersten n eunjährigen Wirkungszei t erworben hat, geht daraus h erv or, dass der dortige Regimen tsqu arti erm eister Knü ppel später zweimal Pate sein er Kin der wurde un d er selbst aus der gl eich en Umgebung am 16. September 1790 sein e spätere Gattin Johanna Henriette Friederi cke, Tochter des Geh eimen Kri egsrates Johann Gottfri ed Bren del h eimführte, mit der er dann 1795 di e glücklichste Eh e schl oss. Dort wurde ihm auch sein erstes Kin d Auguste am 14. Oktober 1795 geboren. Können wir vorm Bänkchen an der Pforte, Dann die Erdbeer`n die wir selbst gesucht, Oder unsrer Himbeerhekke Frucht Schmausen Kupferstich von Chodow iecki, 1795 So sch ön di e Kindh eit im elterlich en Pfarrhause gewesen war, mit dem verhältnismäßig frühzeiti gen Tod des Vaters, der in Fahrlan d am 2. Dezem ber 1773 im Alter v on 56 Jahren starb und den am 23. März 1764 geborenen , also kaum zehn jährigen Sohn als Halbwaisen zurückli eß, hatte wohl die „Großzügigkeit des El ternhauses“ ein Ende gefunden . Di e Mutter zog mit ihren fünf Kin dern zunäch st nach Döberitz und 1775 nach Berlin . F. W. A . Schmi dt l ern te nun währen d sei n es Aufenthal ts im Schindl erschen Wai senhaus 11775-1781 strengere Zu cht kennen , wo der spätere, gl ei chfalls als Di chter au sgezeichn ete Staatsrat Fri edrich August Stägemann, ein es Uckermärkisch en Predigers Sohn und E. C. Bindemann , seine Mitschüler waren . Das Schindl ersch e Waisenhaus, 1730 in Sch ön eich e gestiftet, war 1746 nach Berlin in di e Wilh elmstraße 9 v erl egt worden . V on hi er aus besuchte der junge Schmidt das Gymnasium zum „Grauen Kl oster“ in der Kl osterstraße 74. Nach dem A biturium studi erte er ab 1785 Th eol ogi e auf der Universität Hall e. Viel e Nachrichten sind uns aus jen er Zei t nich t erhalten , aber er war auf besch eiden e Leben shaltung angewi esen , wi e di e Anfangszeil en ein er poeti sch en Epi stel an seinen Hallen ser Stu diengen ossen Ch ristian Heinri ch Schultze, danach Pastor in Döberitz (1790-1806) erkenn en lassen . ...Du mir teuer, seit bei magrer Krume Und beim Wasserglas der Freundschaft Band Uns umschlungen an der Saale Strand… Werneuchen ‐ F. W. A. Schmidt 3 der Frühlingstag auf der Dorfpfarre der Nachmittags Spaziergang Kupferstich von Chodow iecki, 1795 Berufung nach Werneuchen Zum 1. Oktober 1795 wurde F.W.A. Schm idt als Nachfolger des Predigers Johann Gottlieb Ramler (1789-1794) in die zwei Gem einden Werneuchen und Freudenberg um fassende Pfarrstelle berufen. Zweimal soll er sich noch später v ergeblich um besser dotierte Stellen beworben haben (1802 um Altlietze-Göricke, 1 804 um Fehrbellin), um sich seinen wissenschaftlichen Neigungen besser widmen zu können. So verblieb er bis an sein Lebensende in Werneuchen, wenn auch arm an äußeren Gütern, so doch getragen v on herzlichen Fam ilienglück und selbstbescheidener Naturliebe, sich seinen Gem einden in treuer Seelsorge widm end und m it ihnen 43½ Jahre hindurch die stillen Freuden des Landlebens, die Mühen des Alltages, den Ernst der Zeiten teilend. Am 16. September 1790 hatte er in Berlin Johanna Henriette Friederike Brendel geheiratet und offenbar war diese Verehelichung lange genug verzögert worden, v ielleicht wie Frau Àlton-Rauch in ihrem Aufsatz über die Jugendheimat und die Jugendjahre Schmidts plaudert, weil der Schwiegersohn dem Schwiegervater standes– und v erm ögensgemäß nicht recht gelegen kam oder weil der Schwiegersohn m it seinen Ausfällen gegen die Affektiertheit der Vornehmen zu sehr angeeckt hatte. In Berlin noch wurde dem Ehepaar als erstes Kind am 14. Oktober 1791 die Tochter Auguste geboren. In dem 1636/38 aus Fachwerk erbauten, lang gestreckten und weiträumigen, 1929 abgerissenen, Pfarrhaus Werneuchen wurden ihm zum ersten Mädchen drei Knaben: Ernst Heinrich am 21. April 1797, Gottfried Gustav Ludwig am 9. Mai 1800 und Bernhard Ulrich am 13. April 1806 geboren. Es zeugt für die bereits in Werneuchen geknüpften persönlichen Beziehungen und entstandenen Freundschaften, dass neben Verwandten und Berliner Bekannten jetzt auch Vertreter der alteingesessenen Werneuchner Fam ilien, der „Hautev ollee“ Werneuchens und der nachbarlichen Amtsbrüder das Ehrenamt der Gevatterschaft übernahmen: Herr und Frau Bürgerm eister Schmiedecke, Herr und Frau Bürgermeister Haase, der spätere Bürgermeister Held, Herr und Frau Amtszimm ermeister Seeger, Herr und Frau Postkomm issar Petitjean, Herr und Frau Kaufmann Kirchner, der Zolleinnehmer Moritz (der in erster Ehe m it einer Schwester der Frau Prediger Schmidt v erheiratet war), Frau Prediger Wilke aus Seefeld, Prediger Arends aus Beiersdorf, Frau Prediger Mahlow aus Seefeld. Dazu taufte einmal Prediger Arends aus Beiersdorf und andermal Probst Glörsfeld aus Bernau. Es ist ein einfaches Fachwerkhaus mit gelben An‐ strich und kleinen Fenstern. Sein einziger Schmuck ist der geräumige Vordergiebel, der über der Haus‐ tür aufragt und neben der Tür ein paar alte Kasta‐ nienbäume, deren hohe Kronen das ganze Haus in Schutz zu nehmen scheinen. (n. Th. Fontane) Rümpft ihr Modegecken dann die Nasen Dass den einz`gen Rok ich ungeputzt, Trage, schier bis auf den lezten Fasen, Und mein Weib mir die Perücke stutzt. Kupferstich von Chodow iecki, 1795 4 Werneuchen ‐ F. W. A. Schmidt Die Franzosenzeit In der Franzosenzeit, zusammenfallend m it französischer Truppenbelegung der Pfarre, traf den Dichterpfarrer schwerstes persönliches Leid. Am 1. Nov ember 1809 wurde seine v on ihm vielbesungene Gattin Henriette, ihm 39 Jahre alt, nach 19 Jahren glücklichster Ehe durch den Tod infolge „Auszehrung“ (wohl Tuberkulose) entrissen. In das Kirchenbuch schreibt er: „hinterlässt einen Ehemann und vier minderjährige Kinder“ (KB S18). In einem seiner schönsten Gedichte aus seinem Spätwerk „Der Trauer um geliebte Tote gewidm et“ (1815) ruft er ihr wehmütig nach: „Spricht die Geisterlippe zwar hienieden, Kein vernehmlich Wort mir für mein Leid, Dennoch bist du mir nicht ganz geschieden, Denn dich hemmen weder Raum noch Zeit. O, dein Mitleid meinem Gram geweiht, Flößt a llmählich in dies Herz den Frieden, Mein gedenkend bist du mir nicht weit, Kühlest sanft die Stirn dem Reisemüden. Geist der treuen Obhut, ohne dich, Ginge nie, in Staub geworfen, ich, Sieggekrönt hervor aus diesem Streite! Geist der treuen L ieb`, umschwebe mich! Bis zum Ziele lass an meiner Seite, Nahe lass mich a hnen dein Geleite!“ Past or Schmidt v erheiratete sich dann zum zweiten Male am 16. Mai 1811 m it der damals 35 jährigen Marie Friedericke Vogel, Tochter des Predigers Christlieb Vogel zu Danewitz (zum gleichen Kirchenkreis Bernau gehörig) und konnte m it ihr noch nahezu 27 glückliche Ehejahre v erbringen. Jedoch im vaterländischen Schicksalsjahr 1813 musste er sein Lieblinssöhnchen Bernhard Wilhelm Ulrich am 27. September im Alter v on 7 ½ Jahren an „häutiger Bräune“ (Diphtherie) v erlieren (KB,S.28) und 8 Jahre später im Sommer 1821 erfahren, dass sein soeben m it 21 Jahren v olljährig gewordener Sohn Gottfried Gustav Ludwig am 22. Juli auf Besuch in Danewitz (bei den Eltern der Stiefmutter) beim Baden ertrunken sei. Am 26. April 1838 wurde er im Alter v on 74 Jahren selbst, v on seinen Gemeindemitgliedern und weitem Bekanntenkreis geschätzt, v om König durch den Roten Adlerorden ausgezeichnet, plötzlich um „9½ Uhr vormittags“ durch ein „hitz iges gasterisch-nervöses Fieber“ 74 Jahre alt hingerafft, nachdem er noch in v oller Rüstigkeit am Karfreitag (ungefähr 14 Tage zuv or) seine letzte Predigt über Luk. 24, 29 „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget!“ gehalten hatte. Ein m edaill on förmiges Bru stbild im Märki sch en Mu seum zu Berlin zeigt uns F. W. A . Schmidt nach lin ks gewendet, das Antlitz zu Dreivi ertel dem Beschau er zugekehrt, Jemand trägt unter Todesursache zuerst „Altersschwäche“ in das Werneuchner Kirchenbuch ein. Prediger Mayerhoff streicht später diesen Eintrag und bem erkt: „Nota, Abänderung in der Rubrik Krankheit woran er gestorben is t, aufgrund des ärz tlichen Zeugnisses Strausberg 16. August der fundiert beurkundet, dass der Verstorbene nicht an Altersschwäche gestorben ist, sondern vielmehr in voller Rüstigkeit und Kraft sein Predigeramt hier und in Freudenberg noch gehalten hat“. (KB S68). Pas tor Schm idt wurde, wenige Schritte v om Petitjeanschen Erbbegräbnis entfernt, an der Seite seiner Gattin und zu Häupten seines jüngsten Söhnchens Ulrich beigesetzt und das eiserne Grabkreuz inmitten alter Eisenum friedung weist noch heute daraufhin, dass dort unter dem Efeuhügel der Dichterpastor Schmidt v on Werneuchen nunmehr etwa 180 Jahre ruht. Werneuchen ‐ F. W. A. Schmidt 5 Gemälde“ 1798, „Almanach für Verehrer der Natur, Freundschaft und Liebe auf das Jahr 1801 und den „Almanach der Musen und Grazien“ 1 802. Daneben erschienen seit 1794 noch m ehrmals Sonderdrucke seiner Gedichtssammlungen, so „60 Gedichte“ 1794 (Berlin, C. Spener), „Gedichte, m it Kupfern und Musik“ 1795 (Berlin, Haude und Spener), ebenfalls „Gedichte, mit Kupfern und Musik“ 1797 (Berlin, Haude und Spener), „Rom antisch-ländliche Gedichte, m it Kupfern und Musik“ 1798 (Berlin, Wilhelm Oenigke d. J.). Immer wieder überrascht die sorgfältige, v ornehme Ausstattung, v or allem –wie bereits die Buchtitel besagen– der Schmuck durch Kupferstiche, m eist v on der Hand Daniel Chodowieckis, und sogar die Notenwiedergabe der Vertonung einzelner Lieder durch die Kom ponisten Köllner, Seidel und besonders I. F. Reichardt. Es sind 4 bzw. 5 Sonderdrucke: 60 Gedichte 1794, Gedichte m it Kupfer und Music 1795, desgleichen 1797, Rom antisch-ländliche Gedichte m it Kupfer und Music 1798. Nach 1 802 ließen offenbar eigene Lebensenttäuschungen, der Druck der Franzosenzeit, Tagessorgen und persönliche schmerzv olle Verluste seine dichterische Ader v ersiegen. Nur 1815 erschien noch ein kleines Bändchen als Ausklang: „Neueste Gedichte, der Trauer um geliebte Tote gewidmet“ (Berlin und Leipzig). Lebenswerk Seine dichterische Tätigkeit beschränkte sich im wesentlichen auf die Jahre 1787 bis1 802, war aber v on erstaunlichem Umfange. Die Jahre v or und kurz nach seiner Verheiratung bilden die Epoche seines frischesten poetischen Schaffens. Seine ersten Dichtungen erschienen als Beiträge in den damaligen „Almanachen“, so in der „Göttingischen Blumenlese“ 1787, im „Vossischen Musenalmanach“ 1789-1790, im Jördenschen „Berliner Musenalmanach“ 1791 – 1792, in der „Berlinischen Monatsschrift“ 1791-94, in Wielands „Deutschem Merkur“ 1793 und in Meißners „Apollo“ 1794. Gleichzeitig begann er m it E. C. Bindemann eigene Sammlungen herauszugeben: den „Neuen Berliner Musenalmanach“ 1794, der v on 1793 bis1797 erschien. Die Jahrgänge 1793 bis 1795 erhielten bei einer Neuausgabe den Titel: „Auserlesene Früchte des Parnasses“. Die Jahrgänge 1796 bis 1797 erschienen unter dem Titel: „Kalender der Musen und Grazien“, 1795 und 1796, „Gedichte der Freundschaft, dem Scherze und der Liebe gesungen“ 1797, „Almanach romantisch-ländlicher 6 Werneuchen ‐ F. W. A. Schmidt Eine Zusamm enstellung seiner Werke erfolgte 1 889 durch Professor Ludwig Geiger unter der Aufschrift „Musen und Grazien in der Mark, Gedichte v on F.W.A. Schmidt“ in der Sammlung Berliner Neudrucke, herausgegeben v on L. Geiger, B.A. Wagner und G. Ellinger, Band I.4 (Berlin, Gebr. Paetel), eine Reihe v on Heimatgedichten wurden auch später durch L.H. Schneider im „Archiv der Brandenburgia, Gesellschaft für Heimatkunde der Prov inz Brandenburg“, 8. Band, Berlin 1901 veröffentlicht; und schließlich brachte noch der „Sammeltisch deutscher literarischer Seltenheiten in kleinen Ausgaben, herausgegeben und bearbeitet v on Christian Kraus“ im 3. Band 1940 eine Auswahl unter dem Titel „Friedrich Wilhelm August Schmidt v on Werneuchen: Aufs Land! Aufs Land! Ländliche Gedichte“ (Leipzig, H.H. Kreisel). Gesammelt gab Schmidt seine „Gedichte“ 1797 heraus. Da ss der Verleger Nicolai sich etwas dav on v ersprach, beweisen die Kosten, die er auf sich nahm, das Buch besonders hübsch auszustatten. Er ließ v on dem bedeutendsten Illustrator der Zeit, Chodowiecki, Kupfer zu einzelnen Gedichten stechen und dem Buche beigeben. Darunter finden wir einige, die zu den schönsten des Künstlers gehören. In treffender Selbstbeurteilung sagt F.W.A. Schmidt im Vorwort zum Sonderdruck seiner Gedichtssammlung 1797: Diktion, Versbau, Bilderwahl usw. in diesen Gedichten machen zwar nicht den geringsten Anspruch auf Neuheit, wohl aber die m eisten Gegenstände, die ich poetisch zu bearbeiten versucht habe. Und diese sind: sim ple, kunstlose Naturszenen. Unv erschönerte, wilde ländliche, gemeine Natur ist m eine Göttin. Ich bin weit entfernt, m it irgend einem unserer Dichter v on Wert m ich m essen zu wollen; aber das glaube ich m it Wahrheit behaupten zu können: dass selbst v on schätzbaren Dichtern die Natur selten wahr kopiert worden sei. Man hat an ihrer Einfalt gekünstelt. Solche Verschönerungen wird man in diesen Blättern zwar v ermissen, keine Vergleichungen ihrer Reize m it Gold, Silber u. dgl. m . darin antreffen; aber dem ohngeachtet hoffe ich m ein kleines Publikum zu finden….“ Und damit kennzeichnet Schmidt treffend die Eigenart seiner Dichtkunst ganz in ihrer Stärke und in ihrer Schwäche. Mit Behaglichkeit und der Lust zu gemächlichen Plaudern schildert er in unverfälschter Treue und sorgsamer Kleinmalerei das v on ihm innig geschätzte Leben der Mark, wie es sich in Kleinstadt und auf dem Dorf in ungestörten Frieden abspielt, das Glück häuslicher Zufriedenheit zärtlich liebender Eheleute, Eltern und ihrer Kinder, den Wechsel der Jahreszeiten m it Frühlingsblühen, Somm erhitze, Herbststürm en und Winterabenden. Er besingt sein Heimatdorf Fahrland und das elterliche Pfarrhaus, Potsdam und Spandau, Ütz und Döberitz, Tegel und Reinickendorf, die Jungfernheide und den Wedding, sein Werneuchen, Garten, Feld und Flur. Er lässt uns leibhaft teilnehm en an Verlobung und Hochzeit, Geburtstagsfeier und Weihnachtsbescherung. Ein Reichtum dichterischer Motiv e erschließt sich ihm aus den v ermeintlich unscheinbaren, v on ihm doch als Gottesgeschenk em pfundenen Kleingebilden und Alltagsdingen, aus allem , was sein scharf beobachtendes Künstlerauge erhascht, sein weltoffener Sinn erkennt und sein für die Natur schwärmendes Herz entdeckt. Es sprudelt ihm zu aus der unerschöpflichen Fülle des ihn umkreisenden Lebens. Ihn freut, und das sei gern im Gegensatz zu manchen griesgrämigen Literaturgeschichtlern betont „des Grabens Entengrün“; er übersieht in der Kirche nicht : „des Altars Decke, wo die Motte kreucht, die schwarzen Spinngewebe, die der Küster selbst mit dem längsten Kehrwisch nicht e rreicht“ Launisch spricht er v om Waschtag, v om Sand in beiden Schuhen, v om Froschgequak und Küchleinziepen. Nur für das Stadtleben hat er wenig übrig: Wie dem unver- der Frühlingstag auf der Dorfpfarre die Wasserfahrt, abends! Kupferstich von Chodow iecki, 1795 derbten Lande sein Preis, so gilt sein Groll der großen Welt m it ihren Gesellschaften und Schwelgereien, ihrem Aufputz und Tand. Unerbetenen städtischen Besuchern, die nur die Neugier in seine Pfarre lockt und die ebenso oberflächlich wie rührselige Begeisterung für seine Umgebung zur Schau tragen, wünscht er, dass Regenbäche, Unwetter oder Radbruch ihren Weg hem men m öchten. In dem Versuch, Sonette und Balladen zu fertigen, überschätzt er sein Können und bei seinem freimütigen Wesen tut er recht daran, dass er sich trotz seines Standes nicht an der Schöpfung religiöser, das Innerste der Menschenseele enthüllender Lieder wagt. Seine Begabung wies ihn auf die beiden Richtungen, die man in der Literaturgeschichte als die „idyllische“ und die „elegisch-sentimentale“ bezeichnet. Die erstere, hauptvertreten durch Johann Heinrich Voß (1751 -1826) widmet sich der ausspinnenden Darstellung ländlicher „patriotischer“ Verhältnisse, eines Lebens der Selbstgenügsamkeit und Sitteneinfalt, das m ehr einem Wunschbilde als der Wirklichkeit entspricht, und bedient sich dabei eines gleich fließenden Rhythmus durch m öglichst schlichter Wendungen; die letztere, hauptv ertreten durch Friedrich v on Matthisson (1761-1831) widmet sich der lehrhaften Schilderung v on m eist in gehäuften Einzelheiten wiedergegebenen Gefühlsbestimmungen und Naturerlebnissen und bedient sich dabei besonders Werneuchen ‐ F. W. A. Schmidt 7 das mit Recht, und doch hätte man sich nicht über ihn lustig machen können, wenn er nicht als Poet wirkliches Verdienst hatte, das wir an ihm zu ehren haben“. Aufs Land ! Aufs Land! Gedichte von F. W. A. Schmidt, Herausgegeben 1940 gewählter Form en und Worte. Und in der eigentüm lichen Verbindung beider Gattungen ist F.W.A. Schmidt wahrhaft ein Dichter, uns ein liebenswürdiger Freund, der uns für die kleinen Schönheiten und bBescheidenen Freuden märkischer ländlicher Heimat die Augen öffnet und das herz warm macht. Freilich hat er auch die Gefahren solcher Dichtkunst nicht imm er v ermieden, manchmal m issachtet er die Grenzen, die zwischen Poesie und Malerei bestehen, und sein v erweilendes Stillehalten wird zu ermüdender Langatmigkeit, sein Versgestalten zu Wortreimereien; oft droht er v om Einfachen ins Platte abzugleiten und greift in seiner Zwanglosigkeit zu einem Ausdruck, der dem feinnervigen Hörer die Stimmung zerreißen will– der Volkskundige v erspürt darin zugleich den rauen Erdgeruch und den nüchternden Wahrheitssinn des Landes und fühlt sich um som ehr in das Wirklichkeitsbild des Gem äldesv ersetzt. Seiner reinen Zuneigung für das Ländliche wollen wir es auch zugute halten, wenn er „des Städters Unkultur“ ein wenig aufbauscht. Aber es kann nicht wundernehmen, dass bei der damaligen Hochblüte deutscher Poesie Schmidts Werke zunächst m ehr Ablehnung und Tadel als Zustimmung und Anerkennung fanden. Der allgewaltige Dichterfürst Goethe schüttete Spott v on seinem Tron über die „Musen und Grazien in der Mark“ herab. Doch im Nachlass Goethes findet sich auch ein Blatt m it folgenden Worten: „Schmidt von Werneuchen ist der wahre Charakter der Na‐ türlichkeit. Jedermann hat sich über ihn lustig gemacht, und 8 Werneuchen ‐ F. W. A. Schmidt Auch andere Größen seiner Zeit, wie A. W. Schlegel im „Athenäum“, Thieck und verschiedene Literaturgeschichtler v ermeinten es Goethe in der Verdammung gleichtun zu müssen. Neben der breiten Lesermenge wagte der Dichter und Kritiker Wieland es als einer der ersten, Schmidt Beifall zu zollen. Auch Goethes Freund K. F. Zelter fand freundliche Worte für ihn. Später erkannte der Germanist Jacob Grimm besonders seine dichterische Begabung an und v or allem war es der „Wanderer durch die Mark“ Theodor Fontane, der Schmidts herv orragende Bedeutung für die poetische Er schließung der märkischen Schönheit herausstellte und ein aufrechter Fürsprecher für den Dichterpastor wurde. Zählte er schon bei Lebzeiten einen großen Leserkreis, dessentwegen die Verleger weder Mühe noch Aufwand in der Ausstattung seiner Werke scheuten, so hat man ihn v on Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer m ehr zu schätzen gelernt. Die heimatkundlichen Vereine der Mark Brandenburg, Berlins und der Umgebung gehörten zu seinen treuesten Anhängern und suchten noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts sein Grab auf, Das waren der Verein für die Geschichte Berlins, Verein für die Mark Brandenburg, Willibald-Alexis-Bund, Mark-BrandenburgVerein, Verband Märkischer Wandervereine, Verein Brandenburgia, Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg, Verein für die Kirchengeschichte der Mark Brandenburg, Heimatkundliche Vereinigung Oranienburg und Umgebung, Verein für die Heimatkunde Strausbergs und seiner Umgebung sowie der Klädenverein der Schindlerianer. Zur Enthüllung der Gedenktafel 1933 haben hier ihre Vertreter und nam hafte Kenner Anlass genommen, trotz der damals politisch bewegten Zeiten nach Werneuchen zu komm en und ehrende Ansprachen zu halten: Universitätsprofessor Dr. Poppe, Prof. Mielke, Prof. Dr. Kiekebusch, Studienrat Dr. Kügler, Pfarrer Wendland und der Kreishistoriker Rudolf Schmidt aus Eberswalde. Di e Märker lieben es, hin ter ironisch en Neckerei en ihre Liebe zu v erstecken , un d während si e nicht müde werden ü ber die eigen e Heimat, ü ber die „Streusandbüchse“ un d di e kahlen Plateaus, die „nich ts als Gegen d“ sind, di e spöttischsten und übertriebensten Bemerkungen zu machen , h orchen si e doch mit innerli cher Befri edigung auf, wenn jemand den Mut hat, für „Sumpf un d Sand“ und für die Sch önh eit des märkisch en Föhrenwal ds in die Schranken zu treten . Un d dies hat Schmidt v on Wern euch en ehrlich getan . Er tat es zuerst und tat es immer wieder. Sein ganzes Di chten, Kl eines und Großes, Gelungenes und Misslungenes, einigt si ch in dem ein en Punkte, dass es ü berall di e Li ebe zur Heimat atm et und di ese Li ebe wecken will. Un d deshalb ein Hoch auf den alten Schmidt v on Werneu ch en ! Th eodor Fontan e Die Schmidtschen Kirchenbücher Für seine Sinnesart gehen aus allen v orliegenden Zeugnissen einhellig Lauterkeit und Güte, Wahrhaftigkeit und niem als v erlet zende Offenheit als bestechendste Eigen schaften herv or, wie aus seinen eigenen Werken so aus seinen m annigfaltigen Zusätzen zu den Kirchenbucheintragungen, aus den durch Fontane wiedergegebenen Berichten der Zeitgenossen und des ältesten Sohnes Schm idts und aus den durch den Werneuchner Pfarrer Hermann Boit (1874-1921 ) gesamm elten Mitteilungen ehemaliger Kon firm anden des Dichterpast ors. Da erhalten wir Einblick in die m ittragende Seele des Seelsorgers. Er deutet den Vater eines am 25. Nov em ber 1 808 geborenen unehelichen Kindes v erschäm t in lateinischer Sprache als französischen Soldaten an: „Pater dicitur fuisse m iles Franco-Gallicus n om ine Roux“, der Vater soll ein französischer Soldat nam ens Roux gewesen sein. Von einem am 18. Februar 1 813 m ittags 12 Uhr geborenen Kinde: „ Dieses Kind ist unter dem Donner der Kan onen, unter großer Angst der Mutter geboren, da die Franzosen m it den russischen Kosaken auf unsrer Feldm ark scharmutzieren“. Er berichtet v on dem ungeheuerlichen Kleinkinder sterben an Kräm pfen, Röteln, Ma sern, Stickhusten und v or allem v on 1 805 bis 1 809 an „ Menschenpocken“, was ihn zuerst zu der harten Feststellung nötigt: „Die Eltern haben die Einim pfung der Schutzblattern böswillig unterlassen“, spä ter zu der entrüsteten Bem erkung v eranlasst: „Pudeat omnino parentes, salute liberorum tam negligenter con suluisse“, es sollten sich die Elt ern geradezu schäm en, derart nachlässig sich um das W ohl ihrer Kinder gekümmert zu haben und ihm zu- let zt noch ein resignierendes „Leider!“ abzwingt. An anderer Stelle glauben wir wiederum den bitteren Groll fruchtloser Verm ahnungen zu h ören, wenn er 1813 bei dem Tode eines 49jährigen Junggesellen unv erblümt und lapidarisch als T odesursache angibt: „ Besoffenheit“ (KB S26). Älteste Stadtansicht Werneuchens. Blick aus Richtung des heutigen neuen Friedhofs auf die Stadt im Jahr 1848. Dieser Flurteil trug früher den Namen „Stienitz“. Im Vordergrund rechts die Wegendorfer Straße und die Holländer Windmühle des späteren Besitzers, Mühlenmeister Franz Thürling. Links im Hintergrund der alte Kirchturm, der zum Neubau der Kirche im Jahr 1874 abgerissen wurde. Eine Akte aus dem Jahr 1700 gibt Auskunft: „Die Kirche ist vom Altar herunter bis zur Kanzel gewölbt, das Übrige ist eingegipster Boden. Das Hauptbild auf dem Altar ist die Haltung des Abendmahls zwischen vier mit vergüldetem Laubwerk umwundenen Säulen. Darüber wird Christi Auferstehung und über dieser dessen Himmelfahrt vorgestellt“. Der Glockenturm der Kirche wurde unter Pfarrer Samuel Fabricius 1718 neu errichtet. Weil es an Geld fehlte, wurde er: „von Grunde auf mit Holz aufgebaut und über dem Mauerwerk noch ein Stockwerk aus Holz, darin drei schöne Glocken hängen, darauf gesetzt, worauf eine Spitze mit einer Durchsicht und Spindel bedeckt gestanden“. Die Taufe wurde 1717 „wegen Platzmangel“ abgeschafft und dafür ein „schwebener Taufengel“ angeschafft. Werneuchen ‐ F. W. A. Schmidt 9 Wie Past or Schm idt neben dem „Dur“ auch das „ Moll“ in seiner Kirchenbuchsprache beherrschte, em pfinden wir auch bei einer Patenbenennung seiner Mutter als „v erwitwete Frau Prediger Schm idt aus Berlin, des Täuflings beste Großmutter“, seiner eigenen Tochter als „Jungfer Auguste Schm idt, pa storis filia dilectissim a“ (des Past ors teuerliebste T ochter). Aber er scheut sich, die v ielen Zeilen, die er den T odeseintragungen seiner er sten Gattin 1 809 und des jüngsten Sohnes 1 813 beifügte, der Nachwelt preiszugeben und durchstreicht sie später so sorgfältig, da ss aus Pietät eine chem ische Entzifferung bis heute unterlassen wurde. Amtsführung Über seine Am tsführung wird uns berichtet, dass seine Gem eindem itglieder stets in Ehrfurcht zu ihm em por sahen. Wenn er durch die Straßen schritt, standen die v or ihren Häusern sitzenden Leute auf und die Kinder gingen still am Pfarrhause v orüber. Ihm selbst war v on Her zen daran gelegen, den Frieden in seinen Gem einden zu erhalten, und zeitlebens stand er in bestem Einv ernehm en m it seinen Pfarrkindern in Werneuchen und Freudenberg. In seinen Pr edigten v erstand er die Hörer so zu fesseln, dass die Kirche in der Regel gedrängt gefüllt war. Für die Nachbargem einden Beiersdorf, Löhm e und Seefeld war es ein festliches Ereignis, wenn er dort zur Vertretung erschien. Über seine Gabe zu tr östen erzählte noch eine 90 -jährige Greisin jenem Pfarrer Boit, da ss sie früh v erwaist an den Gräbern ihrer Eltern weinend durch Schm idt v om angrenzenden Pfarrgarten her m it den W orte Joh. 1 6,22 gegrüßt worden sei: „ Ich will euch wiedersehen und euer Herz soll sich freuen und eure Freude soll niemand v on euch nehm en“, die selbe Schriftstelle, die auf der Rückseite Grabmal von F. W. A. Schmidt, Prediger zu Werneuchen und Freudenberg (geb. 23. März 1764, gest. 26. April 1838), Verlag von Franz Schulz, Werneuchen, 1909 seines eigenen Grabkreuz aufgeschrieben ist. Bestes Verständnis v erband ihn m it der Jugend. Nach Angabe Boits behandelte er im Konfirm anden unterricht gern biblische Geschichten, er zählte sie anschaulich und ließ sie dann v on den Kindern zu Hause in einem Heft niederschreiben und am Kon firm ation stag in Auswahl wiedergeben. In den Freistunden wanderte er m it ihnen oft durch die Felder, hatte stet s gefüllte Ta schen für sie und schüttete in den Jahren guter Obsternte durch das dem Schulhofe zugewandte Giebelfenster des Pfarrhauses einen Korb v oller Äpfel für die Jugend in den Unterrichtspausen aus. Seinen Freunden war er ein treuer Helfer und pflegte jeder Geselligkeit hold, lieben Verkehr m it seinen Kirchenältesten und v or allem m it seinem Küster Friedrich Bienicke und den Nachbargeistlichen. Für die Arm en hatte er eine offene Hand. Den Kutscher der ihn nach Freudenberg fuhr, bedachte er regelmäßig m it Tabak. Ansicht der „alten Kirche“ hinter der Mauer des Kirchhofs. (Skizze von T. Fontane, etwa 1862) 10 Werneuchen ‐ F. W. A. Schmidt Pr ediger Schmidt (1795-1838) möchte die Filialen Krummensee, Löhme und Seefeld nach Werneuchen verlegen. Seine kgl. Majestät wollt e auf die Absicht des Pr edigers F. W. A Schm idt betreffend der Verlegung der Pfarre Seefeld nebst der Filiale Krumm ensee und Loehm e nach Werneuchen ein Gutachten geben. Man wendet sich deshalb direkt an Joachim Friedrich Wilcke, „Prediger zu Crum ensee und Loehm e“, der m it Schreiben v om 25. März 1 800 wie folgt Stellung nahm : „ Die Pfarre Seefeld (nebst der Filialen Crummensee und Loehm e) ist eine Stelle, die ihren Prediger ernähren kann. Warum soll man so ungerecht gegen Patron und Gem einde handeln und ihnen ihren eigenen Lehrer nehm en, den sie in der Nähe haben und bei dem sie sich fa st täglich Rat und Trost holen k önnen, der die Schulen täglich besuchen kann und der selbst Unterricht zu geben Zeit und zu leisten bereit ist. Der Prediger Schm idt, der wie er selbst in seiner Vor stellung angibt, jetzt schon eine schwache Lunge hat, wird dies für die gegenwärtige Zeit nicht leisten k önnen und bei seiner Schwächlichkeit n och v iel weniger für die Zukunft …“ Ein ähnlich gefasster Brief erg eht am selben Tag aus Seefeld unterschrieben v on nicht weniger als 20 dort ansässigen Bürgern. Familienleben V orbildlich war sein Fam ilienleben und sein höchstes Glück war: Frau und Kinder glücklich zu sehen. Sein Sohn schrieb an Fontane: „ Das Weihnachtsgefühl, die hohe V orfreude des Festes in uns zu weck en, v erstand er v ortrefflich. Er tat es in lockerer die Einbildungskraft anregender Weise, teils durch T öne v on Kinderinstrum enten, t eils durch Proben v on W eihnachtsg ebäck, welches v on bepelzt er Hand durch die knapp geöffnete und im Hui wieder geschlossen e Kin der stube g eworfen wurde. Ließ einm al Knecht Ruprecht gar nichts v on sich h ören und sehen, so baten wir singend an der h offnungsreichen Pforte um sein Erscheinen und seine Ga ben. Waren wir artig g ewesen, so gewährte er; andernfalls prasselten Nu ssschalen oder faule Äpfel durch die Türöffnung herein“. Die Geburtstagsfeiern wurden, soweit es Jahreszeit und W itterung zuließen, festlich im Walde began gen. Und hier, in seinem Verhältnis zu Gottes wunderschöner Natur schauen wir ganz der Seele des Dichterpa st ors auf den Grund. Ihr schenkte er sein Lied und seine Liebe und am Gam engrund v erbrachte er in Gem einschaft v on Verwandten und Fr eunden die sch ön sten Stunden. Nach liebenswerter Schilderung Fontanes hatte Past or Schm idt den Pfarrgarten zu einem Schmuck stück des Ortes um gestalt et. Der Garten lag unm it - telbar hinter dem Hause, rechts v on der Kirchhofsm auer, über die Grabkreuze hinwegragten, links v on Nachbarsgärten eingefasst und nach hinten ging der Blick ins Feld. Ein e Sehen swürdigkeit für die Besucher waren die Fliederlauben, die Blühdornhecke, die Schneeballgruppen und die Holundersträucher und die ein säum enden rot en und weißen Rosen, wenn der Besu cher aus der geräum igen Küche m it ihren blank gescheuerten Kesseln in den unm ittelbar dahinter gelegenen Garten eintrat. Der dortige Birnbaum m it über 3 m Um fang in 1 m Höhe war als ältest er Birnbaum der Mark geradezu ein Wahrzeichen W erneuchens und fiel etwa 1 920 der Zeit zum Opfer. Der gr ößte Schm uck des Gar ten s aber waren seine v ier Lauben. Drei dav on, die dem Hause zunächst lagen waren Fliederlauben, in denen je nach der Tageszeit und den Stand der Sonne, der Besuch em pfangen und der Kaffee getrunk en wurde, die v ierte dagegen, die m ehr ein e h ohe kreisrunde Blühdornhecke, als eine eigentliche Laube war, erh ob sich auf einer k leinen Anhöhe am äußerst en En de des Gartens und führte den Nam en „Sieh dich um“. In diese Heck e waren kleine Fen ster öffnungen eingeschnitten, die nun, je nachdem m an seine Wahl traf, die r eizen dst en Aussichten auf Kirchhof, Gärten oder blühende Felder gestatteten. Rote und weiße Rosen fa ssten überall die Steig e ein, eine der Lauben aber, und zwar die, die sich an die Kirchhofsmauer lehnte, führte den Nam en „Henriett es Ruh“. In diesem Garten arbeiten war unser es Freundes Lu st. Mit einer Art v on Befriedigung pflegt e er sich aufzurichten und seinem Sohne zuzurufen: „Heute tut m ir der Rücken weh v om Bücken“. Hühner und Sperlinge v om Garten abzuhalten, war die stet s gern erfüllte Pflicht der Kinder. Schm idt war nicht geschäft stüchtig. Gleichwohl m achte er sich auch selbst nicht zum Landwirt. Die ausgedehnten Pfarr- und Kirchenländereien gab er leichtfertig dem Postm eister Petit jean in Erbpacht, weil er, wie er sagte nicht „v erbauern“ wollt e. Er brachte m it dem Vertrag aber seine Kirchengem einde um den gesam ten Landbesit z, nachdem er im Zuge der Separation durch Kauf abgelöst wer den m usste. Aber wenn er auch sein e Ehre und seine Aufgabe darin set zt e, nicht selbst Bauer zu wer den, so liebt e er doch die Landleute sehr und sprach gern und eingehend m it ihnen. Tief v ersenk te er sich in die k lassischen Dichter, eifrig la s er den griechischen Hom er und den lateinischen Vergil, zum al dessen Hirtenlieder, die „ Buk olika“. Beson ders schätzt e er als den gr ößten Dichter aller Zeit en Shakespeare. Und seiner Verehrung für Goethe k onnte selbst dessen Spott nicht Abbruch tun: seinen eig enen Kindern prägte er m it V orliebe dessen Gedichte und Balladen ein. Er nahm nicht übel und war selbst für neckenden Scherz. Er beschneidete sich gern, der erst e Sänger märkischer Sch önheit gew orden zu sein: Der Di chterpast or Schmidt v on Wern euchen! Werneuchen ‐ F. W. A. Schmidt 11 Friedrich Wilhelm August Schmidt (v on 1795 bis 1838 Pfarrer in Werneuchen) Mit kgl. Schreiben aus Berlin v om 4. Dezem ber 1794 wurde F. W. A. Schm idt die durch das „Absterben des Prediger Ram ler erledigte Prediger stelle zu Werneuchen dem bisherigen Feldprediger am hiesigen Invaliden Hause k onferiert“. Schm idt stammte aus einer über 1 00 Jahre alten Pfarrersfam ilie. Er wurde am 23. März 1764 in dem am Fahrländer See gelegenen Dörfchen Fahrland, ungefähr 1 0 km nordwestlich v on Potsdam , als Sohn des dortigen Prediger s Bernhard Daniel Schm idt (für die Orte Fahrland, Paretz und Sacrow) geboren. Durch den frühen Tod des Vaters musste er m it 1 0 Jahren das Elternhaus v erlassen und kam 1775 nach Berlin in da s Schindlersche Waisenhaus. Von dort besuchte er 1781 das Berliner Gym nasium zum „Grauen Kloster“ und studierte danach ab Ostern 1783 Theologie auf der Univ ersität Halle. Im Herbst 1785 v erließ er die Univ ersität und wurde sogleich v om 15 . Septem ber 1785 auf eine Lehrerstelle am Pot sdam er Militärwaisenhaus berufen. Bereit s m it 22 Jahren ordiniert, erhielt er n och im gleichen Jahre 1785 die m ehr als schlecht besoldete Stelle eines Feldpredigers am kgl. Inv alidenhaus in Berlin. Wie v iel Liebe und Freundschaft er sich in dieser erst en 9-jährigen Wirkungszeit erwor ben hat, geht daraus herv or, da ss der dortige Regim entsquartierm eister Knüppel später zweim al Pate seiner Kinder wurde und er selbst aus der gleichen Umgebung am 16. Sept em ber 1790 seine spätere Gattin Johanna Henriette Friedericke, T ochter des Geheim en Kriegsrates Johann Gott fried Brendel, heim führte, m it der er 1795 die glücklichste Ehe schloss. Dort wurde auch sein erstes Kind, Auguste, am 1 4. Oktober 1791 geboren. Am 29. Nov em ber 1786 ist er nach v orangegangenem „exam ine rigor oso“ zum Feldprediger an die Garnisonskirche zu Potsdam ordiniert worden. Nachdem ihm v on seiner kgl. Majestät die Pfarre Werneuchen im Jahre 1794 angeboten wurde, ist er da selbst am 20. Septem ber 1795 v on dem Pr opst aus Bernau, Inspektor Glörfeld, in die, die Gem einden Werneuchen und Freudenberg um fassende Pfarrstelle als Nachfolger des Prediger s Johann Gottlieb Ram ler (1789-1794) eingeführt worden. Er v erblieb nach den zweimal fehlgeschlagenen Bewerbungen um eine besser ausgestattete Stelle (1802 um Altglietze-Göricke, 1804 um Fehrbellin), dam it er sich seinen wissenschaftlichen Neigungen besser widm en k onnte, in Werneuchen bis an sein Leben sende. In seiner Pfarre wurden ihm zum ersten Mädchen drei Knaben: 1 . Ernst Hinrich am 21 . April 1797, 2. Gottfried Gustav Ludwig am 9. Mai 1 800 und 3. Bernhard Ulrich am 13. April 1 806 geboren. Friedrich Wilhelm August Schm idt, der Dichterpfarrer, war Ritter des Roten Adler ordens 4. Klasse, starb am 26. April 1 838 und wurde auf dem Kirchhof v on Werneuchen bestattet. Seine Gedichte sind k om plett erschienen bei Haude im Dezem ber 1795 , bei Wilh. Oehm ike 1799, 1 801 und 1802 und bei Hauck, Berlin u. Leipzig, 1813. (v gl. selbstv erfasster Lebenslauf v on F. W. A. Schm idt v om 13. Juli 1813) Heim atkundliche Mitteilungen Herausgegeben v on Martin Kuban, 23. März 2014 © Heim atheft Verlag Werneuchen Altstadt 13, D-16356 Werneuchen Alle Rechte v orbehalten