Amsterdam ArenA: Das Original
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Amsterdam ArenA: Das Original
��������������� �������������������������������������������������������������� ��������������� � ����������������������������� ������������������������������������������������������������������������������ ������������������������������������������������������������������������ M it der Eröffnung der Amsterdam ArenA am 14. August 1996 durch Königin Beatrix begann in Europa ein neues Stadion-Zeitalter. Amsterdam verfügte jetzt über das erste Fußballstadion mit schließbarem Dach, welches zudem die Nutzung für Mega-Veranstaltungen aller Art ermöglichte, die bislang entweder unter dem Titel „Open Air“ oder in deutlich kleineren Multi-Hallen stattgefunden hatten. Als 1999 mit dem Millenium Stadium in Cardiff/Wales oder 2001 mit der Arena AufSchalke in Gelsenkirchen weitere vergleichbare Bauten folgten, war das, was dort voller Enthusiasmus angekündigt wurde, in der Amsterdam ArenA schon längst Alltag - und mehr: Denn wohl keine Arena wird so konsequent bis in den letzten Winkel als „Event-Tempel“ vermarktet wie die in Amsterdam. Gestresste Manager können sich im Anschluss an Business-Termine vom �� Dach abseilen, in der kalten Jahreszeit lockt das „Winter Wonderland“ mit Eistanzgala und Skipiste, überhaupt hat hier beinahe alles stattgefunden, was in Sachen Erlebnis-Inszenierung denkbar ist. Die Schließung des Daches benötigt eine halbe Stunde, danach ist das Stadion innerhalb kürzester Zeit umgewandelt zur Halle für die Konzerte der Weltstars oder Dance-Events der Kategorie „Massenekstase“. Im Sommer 2000 etwa kamen erstmals 38.000 Menschen zur Premiere der Party „Sensations“. ����������������������������������� ��������������� Sport-Hauptnutzer ist Ajax Amsterdam, dem Niederländischen FußballVerband KNBV dient die Arena als Nationalstadion, und die Footballer der Amsterdam Admirals tragen hier ihre Spiele in der NFL Europe aus. Für Ajax sollte der Umzug die neue Welt der un- geahnten Möglichkeiten zwiespältig verlaufen. Das Zahlenwerk ließ sich bestens darstellen, ein verdoppelter Schnitt von fast 50.000 Zuschauern pro Spiel mit immensem Dauerkartenanteil kündete von einer goldenen Zukunft - während sich Fans und Spieler in der Arena gleichermaßen schwer akklimatisierten. Doch über die Jahre hat sich alles eingespielt. Ajax rotiert wieder im Dreigespann mit dem PSV und Feyenoord um die jährliche nationale Meisterschaft und ist auch europaweit unter den Top 10. Auch die kaum „versitzplatzbaren“ Fans der FSide büßten letztendlich keine Authentizität ein - die Graffitis an der Mauer künden auch während einer Firmenmesse von der Präsenz der Kurve. Die Spielstätten der Gründerjahre des AFC Ajax waren seit Anfang des 20. Jahrhunderts Äcker am Rande der Stadt, ohne Tribünen, geschweige denn Infrastrukturen. 1911, nun als Erstligist, verfügte Ajax erstmals über eine vorzeigbare Spielstät������������������� ��������������� ��������������������������������������������������������������������������������� te, das „Houten Stadion“, benannt nach den hölzernen Tribünen, von denen eine überdacht war. In der Folgezeit wuchsen mit vier Meistertiteln in Folge das sportliche wie auch gesellschaftliche Renomee des Clubs. So langte bald die Zuschauerkapazität nicht mehr; das letzte Ligaspiel im überfüllten „Houten“ sahen 1934 15.000 Zuschauer. Publikumsmagnet war schon damals mit Feyenoord der Rivale aus Rotterdam. Die nächste Ära sollte lange Bestand haben: 62 Jahre verbrachte Ajax im ebenfalls „auf der grünen Wiese“ errichteten Stadion „De Meer“. Das „Wohnzimmer“ des Vereins wurde im Laufe der Jahre mehrfach um- und ausgebaut, zu dem im Jahre 1968 eröffneten Vereinsrestaurant kamen 1986 die ersten „Sky boxes“ in den Niederlanden. 1971 war eine Flutlichtanlage installiert worden. Kunstlicht konnte das Amsterdamer Olympiastadion (64.000 Plätze), von Ajax über Jahre parallel für Top-Spiele genutzt - als eines der ersten überhaupt - bereits seit 1934 vorweisen. Die ursprüngliche Zuschauerkapazität des „De Meer“ hatte man im Laufe der Jahrzehnte an die Bedürfnisse angepasst und von 20.000 auf fast 40.000 erweitert - eine Entwicklung, die Ende ������������������� der 80er Jahre wegen durch verschärfte Sicherheitsrichtlinien bedingte Umbauten wieder rückgängig gemacht werden musste. Der Abschied war besiegelt. Die Kapazität reichte einfach nicht mehr aus, das alte Stadion war in keiner Hinsicht zukunftsfähig. An die Olympiabewerbung für 1992 gekoppelt, gab es in Amsterdam zunächst Pläne für ein entsprechendes Stadion mit Leichtathletik-Anlagen und angeschlossener Halle. Diese Konzeption wurde 1986 hinfällig, das Stadionprojekt an sich jedoch blieb ambitioniert, wobei Bauweise und Standort Gegenstand Jahre währender Debatten waren, ebenso wie die Kostenseite des Projekts. Es entfiel dann unter anderem die Leichtathletik-Anlage, die Pläne für das verschließbare Dach wurden abgeändert. Ende 1993 lagen dann endlich alle Beschlüsse vor, der Baubeginn nach den Plänen der Architekten Rob Schuurman (ArenA) und Sjoerd Soeters (Eingangsgebäude) erfolgte im November. Während der Bauzeit änderte sich indes im Detail fortlaufend die Konzeption. Man ging bis Anfang 1996 noch von einem mobilen Spielfeld aus, das jedoch in Amsterdam nie realisiert wurde. Eine besondere Attraktion stellte aber bereits ���������������������� in der Bauphase die Dachkonstruktion dar; die Montage der beiden 40 x 118 m großen, 520 Tonnen schweren Hälften in 70 Metern Höhe war eine Meisterleistung der Ingenieure. ����������������������������� Mit der ersten Arena neuer, geschlossener Bauart und einer intensiven Nutzung sahen sich die Betreiber der Amsterdam ArenA dann auch als Erste Problemen gegenüber gestellt, die mittlerweile in fast allen Stadien der neuen Generation auftreten. Der Rasen als Herzstück des Fußballstadions machte von Beginn an Probleme, erhielt zu wenig Sonneneinstrahlung und Durchlüftung, ging kläglich ein. „Ein System aus den USA, das uns mit zehnjähriger Garantie für die Bespielbarkeit einer einzigen Fläche geliefert worden war, hielt gerade einmal einen Monat“, blickt Rasen-Experte Ben Veenbrink zurück. In der Folge füllte man die Betonwanne der Arena mit einer Anordnung von Tragschichten, die sich bis heute bewährt hat und nur ein Mal ausgetauscht werden musste. Die Anzahl von Spielflächen, die im Laufe der Zeit darauf ausgerollt wurde, hingegen, kann durch- ► ���� ��������������� ��������������������������������� ���������������������������������������� ���������������������� aus als Konstante im Wirtschaftstrend dard zur Norm erhoben als der Weltver- Gruppen überhaupt begegnen können. der gesamten Garten- und Landschafts- band. Auf die Frage, ob Ajax überhaupt Auch die Arena-Geldkarte wird sich dort bau-Branche bezeichnet werden. In den noch Wert darauf lege, den Wechsel zu im Jahre 2006 bereits zehn Jahre im Einersten Jahren wechselte die ArenA den vollziehen, antwortet Veenbrink: „Das satz befinden. Rasen wie Fußballer die Trikots. Je mehr Ajax-Team formuliert ganz spezifische Das über die Jahre gesammelte KnowLeben in der ArenA herrschte, desto stär- Ansprüche. Es läuft eine Studie, anhand how der Amsterdamer Arena-Experten kerer Modergeruch stieg dem Besucher in derer der aktuell entwickelte Kunstrasen wird durch die Consulting-Firma „Amdie Nase. Mit teuer gesammelter Erfah- noch weiter verbessert werden soll. Aber sterdam ArenA Advisory“ professionell rung hat man mittlerweile Methoden aus- selbst, wenn die UEFA oder die Liga eine vertrieben. Man arbeitete unter anderem gearbeitet, um dieses Prozedere auf zwei Freigabe erteilt, muss immer noch Ajax bei der Planung des Berliner OlympiastaRasenwechsel pro Jahr zu reduzieren - in entscheiden, auf welchem Untergrund sie dion-Umbaus, beim EURO 2004-Stadion der Regel einmal im Sommer und einmal spielen wollen.“ Alvalade in Lissabon und zu Beginn auch Jedenfalls sind die ArenA-Betreiber er- beim Mönchengladbacher Nordpark mit. im Winter. Ob das Dach bei den AjaxSpielen offen bleibt oder zu schließen ist, finderisch, eröffnen im Event-Tempel imSich selbst nie genügend, ist die ArenA obliegt jeweils der Entscheidung des Ajax- mer neue, ungeahnte Möglichkeiten. So immer auch ein Renommierobjekt der beCheftrainers. Ordnet er etwa bei strömen- wird womöglich über Nacht ein „Deus ex teiligten Firmen gewesen. Von Beginn an dem Regen vor dem Spiel „Hallenfußball“ Machina“ einen Weg aus dem Rasen-Di- sah das Konzept vor, eine richtungweisenan, muss das Dach laut Spielordnung dann lemma weisen. Im Grunde ist es nur eine de Ausstattung und ein entsprechendes auch 90 Minuten geschlossen bleiben. Frage der Zeit. Programm zu bieten. „State-of-the-art“, also an der Spitze der Entwicklung zu Angesichts der drängenden Probleme verwundert es nicht, dass sich ArenA und ������������������� stehen, lautet die Maxime. So nutzt dann auch der Elektronik-Riese Philips als AnAjax mit der gemeinsamen Entwicklung des Konzeptes „Arena Grass System“ zu Das Amsterdamer Event-Universum teilseigner „seine“ ArenA zur DemonstraProtagonisten der Kunstrasenszene ent- bietet dank eines Kunstgriffes der Mana- tion fahrbarer Videowände. wickelten. Der Belag dritter Generation ger seit einiger Zeit auch einen MikrokosAuf der Gegentribüne - die Farbgehätte nach dem ursprünglichen Plan in der mos für Attraktionen und Skurrilitäten bung auf den Rängen insgesamt ist reines Sommerpause 2003/2004 nach dreijähri- in kleinerem Rahmen: In der so genann- Dekor ohne tiefere Bedeutung - wurde ger Vorlaufzeit in der Amsterdam ArenA ten „Amphi“-Konstellation lässt sich ein das Stadtwappen Amsterdams in Form installiert werden sollen, doch noch hat abtrennbarer Bereich in der Kurve für der drei Kreuze eingelassen. Die Hauptdie UEFA in ihren Spitzenwettbewerben private Feiern oder Veranstaltungen mit stadt der Niederlande ist mit gut 730.000 die Freigabe nicht erteilt. So wie bei vie- einem Publikum von 1.000 oder weniger Einwohnern unter den Weltstädten zahlen anderen Vereinen der Fall, sind auch Teilnehmern bis zu 12.000 Zuschauern se- lenmäßig eine kleine Nummer, bietet jedoch Erlebnisse aller Art für 3,5 Millionen die Jugend- und Amateur-Trainingsplätze parat nutzen. auf dem Ajax-Gelände neben der ArenA Vorreiter war und ist die ArenA in vie- Besucher jährlich. Ein beträchtlicher Teil im Rahmen langfristiger Tests längst auf len Belangen. Der Gäste-Sektor ist beim der Touristen findet dann auch den Weg Kunstrasen umgestellt. Anders als bei den Fußball direkt vom Bahnsteig aus zu er- in die ArenA am südöstlichen Stadtrand Kommunen, die ihre städtischen Sport- reichen, ohne dass sich verfeindete Fan- - allein 150.000 pro Jahr für eine Führung, die, je nach Programm, bis zu eianlagen mit Kunstrasen über das ganze Jahr weitaus wirtnen Tag dauern kann. schaftlicher betreiben, geht es im Viele Stadien, ob mit oder ohne Dach, heißen mittlerweile Profibereich nicht allein um die Überwindung einer emotionalen „Arena“, werden jedoch selten dem damit erhobenen Anspruch Barriere oder um Gesundheitsrigerecht. Amsterdam ist und siken für das teure Humankapital bleibt das Original, verkörpert alin Gestalt von Fußballprofis. An der Entscheidung pro oder contles, was der inflationär gebrauchra Kunstrasen zerrt auch die Lobte Begriff im modernen Sprachby der Hersteller sowie die FIFA, gebrauch eigentlich meint: Als die sich durch das Monopol für Symbiose von technischer und die Lizenzerteilung Einnahmen kultureller Innovation mit der verspricht. Die UEFA wiederum Ausstrahlung einer einzigartigen hat einen anderen Qualitätsstan- ������������������������������������������������������������������������ Stadt. Ingo Partecke �� �������������������