Wenn die Erstsprache die Zweitsprache ist, Wien

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Wenn die Erstsprache die Zweitsprache ist, Wien
Wenn die Erstsprache die Zweitsprache ist,
oder umgekehrt!?
Panel III: Unter „Fremden“ und „Zweiten“. Begriffsexplorationen
Sprachfördermaßnahmen, die DEUTSCHförderung meinen, Erst-, Zweit- und Fremdsprachler_innen – Fachtermini
machen nicht nur einen differenzierten Austausch möglich, sie (re-)produzieren auch die symbolischen Ordnungen der
(Migrations-)Gesellschaften. Welche Bedeutungen und „(K)Erben“ (Arndt/Ofuatey-Alazard 2011) tragen die Begriffe, mit
denen wir operieren? Welche Dilemmata sind dem Feld inhärent, welche Alternativen sind denkbar?
Prof. Dr. Anja Wildemann
unter Mitarbeit von Lena Bien & Muhammed Akbulut
Universität Koblenz-Landau
Deutsch als Zweitsprache – Standardsprache – Deutsch als Fremdsprache- Deutsch als Erstsprache – Standard vs. Nichtstandard - Native
vs. Non-Native – deine Sprache - Zielsprache Deutsch – Deutsch als
Muttersprache – Fremdsprache – Minderheitensprache – Einzelsprache – Germanistik – Dialekt – Familiensprachen – Mischsprache –
Mehrheitssprache – das Sprachliche – zweisprachig – Deutsch-Dialekt
– muttersprachig – mehrsprachig – nichtdeutsch – Erstsprachler_in –
einsprachig – Sprache(n) – Drittsprache – Translanguaging –
Schweizerdeutsch – bilingual – Umgangssprache – Auslandsgermanistik – Herkunftssprache – Migrationssprache – Bildungssprache – Unterrichtssprache - fremdsprachig –andere Sprachen
11.-12.09.2015
Normative Grundlagen und reflexive Verortungen im Feld DaF
und DaZ * Universität Wien
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1. Sichtweisen auf Sprachen – ein Kaleidoskop
2. Erkenntnisse aus zwei Forschungsprojekten
3. Wissenschaft zwischen Stigmata und Neuformierung?
… Mit meinem Papa sprech‘ ich manchmal Türkisch, wenn ich ein Wort nicht so richtig weiß, kann ich das auf Deutsch
sagen. Mit meiner Mama Türkisch, manchmal Türkisch und manchmal Deutsch und mit meiner Schwester manchmal
Deutsch und manchmal Türkisch. (Edda, 2. Klasse)
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1. Sichtweisen auf Sprachen – ein Kaleidoskop
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Definitionen von Migrationshintergrund im Vergleich (aus Wenning 2015, S. 76)
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Lehrpläne – zwei Extreme…
Lehrplan PLUS Grundschule Bayern, 2014:
Bildungsplan Deutsch Hamburg 2011:
„Zur Familiensprache, auch zu ihrer
Mundart, haben Kinder einen starken
emotionalen Bezug. […] Schülerinnen und
Schüler mit nicht deutscher Erstsprache
erhalten Begleitung und Unterstützung
beim Erwerb der deutschen Sprache.“ (S.
20)
„Für viele Schülerinnen und Schüler ist
die deutsche Sprache nicht die erste und
nicht die Familiensprache. Sie verfügen
dadurch z.T. über andere sprachliche
Erfahrungen und Kompetenzen als
einsprachige Schülerinnen und Schüler.“
(S. 10)
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Aus einer Lehrer(innen)befragung
„Ich kann nur sehr, sehr schwer Vorteile sehen. Ich sehe, dann dadurch
diese Mehrsprachigkeit, die ja bedeutet, dass die deutsche Sprache
nicht genügend beherrscht wird, so sehe ich das hauptsächlich, wir
eine Retardierung im Fortschritt des Lernens haben, die ist enorm.“
(Pünter 2011, S. 74)
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Aus einem Schüleraufsatz aus
dem Hauptschulprojekt BEN
(Wildemann & Hoodgarzadeh 2011,
Hoodgarzadeh & Fornol 2013)
Alvin, 9.Klasse
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Transkriptauszug aus einer mehrsprachigen Interaktion
zwischen zwei primär deutschsprachigen Kindern
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Mythos Einsprachigkeit
Die absolut „einsprachigste Form von „Einsprachigkeit“ unter den befragten
Volksschulkindern sieht somit folgendermaßen aus: Es wird ausschließlich Deutsch in der
Familie gesprochen und Englisch in der Schule gelernt; […]
Die absolut „einsprachigste Form von „Einsprachigkeit“ unter den Kindern mit einer anderen
Familiensprache als Deutsch ist diese: Es wird ausschließlich eine einzige Sprache (Beispiele:
Bosnisch/Krotatisch/Serbisch oder Romanes oder Türkisch oder Kurdisch) in der Familie
gesprochen und Englisch sowie natürlich Deutsch in der Schule gelernt; […]
http://www.oeaw.ac.at/dinamlex/Multilingual-Cities_Wien-2009_Endbericht-V1Stand20111111.pdf
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2. (Vorläufige) Erkenntnisse aus zwei Forschungsprojekten
Metasprachliche Interaktionen in mehrsprachigen Lernsettings als Prädiktor für
Sprachbewusstheit und deren Bedeutung für
sprachliches Lernen im Deutsch-, Fremdsprachen- und Herkunftssprachenunterricht
Kurztitel: Sprachkompetenzen und Sprachbewusstheit
2013-2016
2013-2016
Einblick in das Projekt „Sprachkompetenzen und Sprachbewusstheit“
Wildemann, Reich, Bien, Akbulut
Stichprobe
23 Schulen in Rheinland-Pfalz und
Baden-Württemberg
511 Kinder, davon
229 mit Deutsch als Primärsprache
76 mit Deutsch und Türkisch
51 mit Deutsch und Russisch
155 mit Deutsch und einer anderen
Sprache
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Personenbezogene Daten: Erstsprachen nach Angaben der Kinder
250
229
200
157
150
100
76
51
50
0
Türkisch
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Russisch
Deutsch
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andere Sprachen
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Andere bzw. weitere Sprachen
50
45
40
35
30
250
229
25
20
19
15
150
15
10
22
200
20
7
5
100
157
15
12
9
6
76
5
2
50
51
2
1
4
2
2
4
0
0
Türkisch
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Russisch
Deutsch
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andere Sprachen
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Geburtsort – Kitabesuch – Herkunftssprachunterricht
Statistik (Mehrsprachigkeit) n= 284
Geburtsort
Deutschland
88,7%
Ausland
11,3%
Besuch einer Kita in
Deutschland
Ja
92,8%
Nein
7,2%
Besuch v.
Herkunftssprachenunterricht
Türkisch
61,5%
Russisch
26,8%
and. Sprachen
33,6%
Alphabetisierung in der
„Herkunftssprache“
Türkisch
80,3%
Russisch
56,6%
and. Sprachen
67,7%
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Design der Studie
Experimentelle Studie mit zwei Messzeitpunkten:
MZP 1: Erfassung personenbezogener Daten, kognitiver Leistungen
(CFT-20) und Erstellung von Sprachprofilen in der „Erst- und
Zweitsprache“
MZP 2: Erfassung metasprachlicher Interaktionen (Videografie) anhand
des mehrsprachigen Computerprogramms „My first stories“
(Oldenbourg Verlag)
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Erste quantitative Befunde aus den Sprachprofilanalysen
 Die alltagssprachlichen Deutschkompetenzen von primärsprachlich deutschen und zwei-/mehrsprachigen
Schüler/innen am Ende der dritten Jahrgangsstufe unterscheiden sich lediglich geringfügig voneinander.
 Zwischen der deutsch-türkischen und der deutsch-russischen Gruppe gibt es starke und in den meisten
Kategorien hochsignifikante Unterschiede in Bezug auf das Verhältnis der Erst- und Zweitsprache.
 Diese korrespondieren mit den Möglichkeiten, die Familiensprache auch außerhalb des familiären Umfelds
zu benutzen.
 Bei allen Kindern der Gesamtstichprobe sind intralinguale Dispositionen nachweisbar, die nicht durch
zweisprachigen Sprachkontakt, sondern entwicklungsbedingt und sprachtypologisch erklärbar sind.
 Die Sprachtransfers von der vermeintlichen Erstsprache in die vermeintliche Zweitsprache Deutsch sind
geringer als die Sprachtransfers vom Deutschen in die vermeintliche Erstsprache.
(vgl. Wildemann; Akbulut & Bien, in review)
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Transfererscheinungen Deutsch  Russisch (N=45)
Ebene
Verwendete Form
„Standard“
Linguistische Erklärung
Häufigkeit
lexikalisch
дети сделали фотку от него
(dt. wörtl. Kinder machten Foto
von ihm)
Дети сфотографировали его (dt.
wörtl. Kinder fotografierten ihn.)
Übertragung der deutschsprachigen
Kollokation „ein Foto von j-m. machen“
wörtlich ins Russische.
3/ 45
Были папа и дети (dt. wörtl.
Waren Papa und Kinder)
Жили-были папа и дети (dt. wörtl.
Lebten und waren Papa und Kinder)
Übertragung der deutschsprachigen
Kollokation „es war einmal“ ins
Russische.
1/ 45
Эти дети были разочарованы
этим фотопаратом (dt. wörtl.
Diese Kinder waren enttäuschet
von diesem Fotoapparat)
Этим детям этот фотоаппарат не
понравился (dt. wörtl. Diesen Kindern
hat dieser Fotoapparat nicht gefallen)
Übertragung aus dem Russischen
1/ 45
Я меня туда положу (dt. wörtl.
Ich lege mich dort hin)
Я туда лягу (dt. wörtl. Ich dorthin mich
lege)
Transfer aus dem Russischen. Im
Russischen wird die Reflexivität durch
entsprechende Suffixe markiert, nicht
durch Possessivpronomen wie im
Deutschen
1/ 45
Code-Mixing
Oн сказал садитесь на на Bank (Er sagte, setzt euch hin auf die Bank)
сидиит euch dorthin (setzt euch dorthin)
Он говорил ети Kinder чё они на Bank ем шли (Er sagt diesen Kindern, dass sie auf die Bank gehen sollen)
лежит на красивой Blumenwiese (liegt auf schöner Blumenwiese)
21/ 45
Ebene
Verwendete Form
„Standard“
Linguistische Erklärung
Häufigkeit
morphologisch
Один отец (dt. ein Vater)
отец
9/ 45
одна девочка и одна
мальчик (dt. ein Mädchen
und ein Junge)
девочка и мальчик
Artikeltransfer (Das Russische kennt keine
Artikel. Für die Kasus-, Genus- und
Numerusmarkierung werden an den
Wortstamm Pluralendungen angefügt)
Дэткэн (dt. Kinder)
детки
Übertragung der deutschen Pluralendung -en
ins Russische (statt der russischen Endung и
(-i))
1/ 45
syntaktisch
Когда он их
фотографировать хотел,
он упаль. (dt. wörtl. Als er sie
fotofrafieren wollte, er fiel
hin).
Когда он хотел их
фотографировать, он упаль (dt.
wörtl. Als er sie wollte fotofrafieren, er
fiel hin)
Transfer der Wortstellung im Nebensatz (Im
Russischen wird die Wortstellung Subjekt,
finites Verb, Objekt auch in Nebensätzen
beibehalten).
7/ 45
Они хотели verschiedene
фотки сделать (dt. wörtl.
Sie wollten verschiedene Fotos
machen)
Они хотели сделать verschiedene
фотки (dt. wörtl. Sie wollten machen
verschiedene Fotos)
Transfer der Satzklammer (im Russischen
werden das finite und das infinite Verb nicht
getrennt).
7/45
Хотите вы тут сесть? (dt.
wörtl. Wollt ihr euch hier
hinsetzen?)
Вы хотите тут сесть? (dt. wörtl. Ihr
wollt euch hier hinsetzen?)
Im Russischen gilt die Satzstellung SubjektVerb, Objekt auch in Fragesätzen. Fragen
werden durch Intonation als solche
gekennzeichnet.
2/ 45
Transfererscheinungen Russisch  Deutsch (N=60)
Ebene
Verwendete Form
„Standard“
Linguistische Erklärung
Häufigkeit
morphologisch
Und dann machen sie Foto…
Und dann machen sie ein Foto
Das Russische kennt keinen Artikel.
Hier wird der Null-Artikel auf das
Deutsche übertragen.
1/60
lexikalisch
…stolpert er hinter ein Zaun
…stolpert er über einen Zaun
Das Verb споткнуться (dt. stolpern)
wird in der Umgangssprache häufig mit
der Präposition „за“ (dt. hinter)
verwendet. Hier ist
höchstwahrscheinlich eine
Übertragung dieser Präposition ins
Deutsche erfolgt.
1/60
Transfererscheinungen Deutsch  Türkisch (N=65)
Ebene
Verwendete Form (Beispiele) „Standard“
Linguistische Erklärung
Häufigkeit
morphologisch
ondan fotoğraf çekiyor (Ablativ) bzw.
onu fotoğraf ediyor/yapıyor
(Akkusativ)
onun fotoğrafını çekiyor (Genetiv)
(dt. er macht ein Foto von ihm/ihr)
Kasustransfer
34/65
çok çiçekler
çok çiçek (dt. viele Blumen)
Übermarkierung des Plurals
5/65
Baba geliyor. (dt. Der Vater kommt.)
Babası geliyor. (dt. Sein/Ihr Vater kommt.)
Possessivtilgung
8/65
syntaktisch
Bir adam iki çocuğa diyor: „Siz oraya
oturun ben sizin fotoğraf çekmek
istiyorum.“
Bir adam iki çocuğa „Oraya oturun
fotoğrafınızı çekmek istiyorum“ diyor.
(dt.: Ein Mann sagt zwei Kindern: „Setzt
euch, ich möchte euch fotografieren.“)
Transfer der Wortstellung der
direkten Rede
29/65
semantisch
o zaman (dt. dann: konditional bzw.
damals)
ondan sonra (dt. dann: temporal) bzw.
o sırada (dt. da: temporal)
Etablierung eines temporalen
Universalkonnektors für
Sukzessivität und Simultanität
23/65
14/65
kamera (dt. die Videokamera)
fotoğraf makinesi (dt. der Fotoapparat)
Entlehnung
8/65
Babası çocuğa otur söyledi.
Babası çocuğa: „Otur“ dedi.
(dt. Der Vater sagte zum Kind: „Setz
dich.“)
Im Türkischen gibt es für die
direkte und indirekte Rede
unterschiedliche verbi dicendi
(demek/söylemek).
Code-Mixing
O zaman da bu Bild geldi.
(dt. Und dann kam dieses Bild.)
5/65
Code-Switching
Kızı da fotoğraf makisi… Ähm, ich kann das Satz nicht wirklich sagen.
(dt. Und seine Tochter hat den Fotoapp… Ähm, ich kann das Satz nicht wirklich sagen.)
3/65
Transfererscheinungen Türkisch  Deutsch (N=79)
Ebene
Verwendete Form (Beispiele) „Standard“
Linguistische Erklärung
Häufigkeit
morphologisch
Die Kind hat ein Bild gemacht.
Das Kind hat ein Bild gemacht.
Im Türkischen gibt es kein
grammatisches Geschlecht.
7/79
Der Mann ist in Spielplatz gegangen.
Der Mann ist auf den Spielplatz gegangen.
Im Türkischen gibt es keine
Präpositionen.
2/79
Ein Vater geht mit den Kindern in den
Park und schießt Foto.
Ein Vater geht mit den Kindern in den Park
und schießt ein Foto.
Tilgung des unbestimmten
Artikels, da das Türkische keine
Artikel kennt.
2/79
Und dann macht sie das Foto, was sie
fotografiert hat, von der Kamera raus
und zeigt.
Und dann macht sie das Foto, was sie
fotografiert hat, von der Kamera raus und
zeigt es.
Tilgung des Personalpronomens,
da das Türkische eine Pro-DropSprache ist.
4/79
syntaktisch
Dann die Kinder setzten sich hin.
Dann setzten die Kinder sich hin.
Übernahme der SOVWortstellung
2/79
semantisch
Fotographiermaschine
Fotoapparat (tr. fotoğraf makinesi)
Lexikalische Entlehnung
2/79
Und er läuft die ganze Zeit nach
hinten und nach hinten.
Und er läuft die ganze Zeit rückwärts.
(tr. geri geri gitmek)
Lexikalische Entlehnung
2/79
Projekt: EASI-science L: Naturwissenschaftliche Bildung in der Kita: Gestaltung
von Lehr-Lernsituationen, sprachliche Anregungsqualität und sprachliche sowie
naturwissenschaftliche Fähigkeiten der Kinder (Prof. Dr. Astrid Rank, Prof. Dr. Anja Wildemann, Prof. Dr.
Andreas Hartinger, Prof. Dr. Sabina Pauen, Megan Bock, Sabrina Sutter)
Stichprobe: 240 Elementarkinder, 60 Fachkräfte
o 30 Kitas (30 Fachkräfte, 120 Kinder) mit Zertifizierung vom „Haus der kleinen
Forscher“ (Gruppe A)
o 15 Kitas (15 Fachkräfte, 60 Kinder) mit anderem Nawi-Schwerpunkt (Gruppe B)
o 15 Kitas (15 Fachkräfte, 60 Kinder) ohne Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich
naturwissenschaftlicher Bildung (Gruppe C)
• Aus jeder Kita:
o Eine pädagogische Fachkraft mit einer Kleingruppe von 4 Kindern (2 Mädchen, 2
Jungen, 2 DaZ, 2 DaM) im Alter von 5-6 Jahren
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Ergebnisse der Überprüfung der Zielsprachkompetenzen mit LiSe-DaZ
LiSe-DaZ sieht lediglich die Ermittlung eines Förderbedarfs bei ZweitsprachlerInnen vor.
Grundsätzlich entspricht aber ein t-Wert unter 40 nicht dem, was zielsprachlich
angemessen wäre.
Wir haben auch für „die DaM-Kinder“ jeweils eine Variable mit "Förderbedarf ja/nein"
angelegt.
in einigen Bereichen mehr „DaM-Kinder“, die einen t-Wert unter 40 erreicht haben als
„DaZ-Kinder“.
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Unterdurchschnittliche Leistungen in LiSe-DaZ im Vergleich (N=222) / (T-Wert unter 40)
DaZ-Kinder (N=101)
11,9 % innerhalb der DaZ-Gruppe
5,4 % der Gesamtgruppe
DaM-Kinder (N=121)
20,7% innerhalb der DaM-Gruppe
11,3% der Gesamtgruppe
17,8% innerhalb der DaZ-Gruppe
8,1% der Gesamtgruppe
19,8% innerhalb der DaM-Gruppe
10,8% der Gesamtgruppe
20,8% innerhalb der DaZ-Gruppe
9,5% der Gesamtgruppe
Stufe I = 1,0% innerhalb, 0,5% Gesamt
Stufe II = 5,9% innerhalb; 2,7% Gesamt
Stufe III = 16,8% innerhalb; 7,7% Gesamt
Stufe IV = 76,2% innerhalb; 34,8% Gesamt
12,4% innerhalb der DaM-Gruppe
6,8% der Gesamtgruppe
Stufe I = 0 %
Stufe II = 0 %
Stufe III = 6,7% innerhalb; 3,6% Gesamt
Stufe IV = 93,3% innerhalb; 50,7% Gesamt
Subjekt-VerbKonkurrenz (kein T-Wert)
33,7% innerhalb; 15,4% Gesamt
15,8% innerhalb; 8,6% Gesamt
Präpositionen
Fokuspartikel
Vollverben
Modalverben
Konjunktionen
Kasus 11.-12.09.2015
8,9% innerhalb; 4,1% Gesamt
8,3% innerhalb; 4,5% Gesamt
8,9% innerhalb; 4,1% Gesamt
10,0% innerhalb; 5,4% Gesamt
12,9% innerhalb; 5,9% Gesamt
15,0% innerhalb; 8,1% Gesamt
26,7% innerhalb; 12,2% Gesamt
13,3% innerhalb; 7,2% Gesamt
3,0% innerhalb; 1,4% Gesamt
9,2% innerhalb; 5,0% Gesamt
Normative Grundlagen und reflexive Verortungen im Feld DaF
7,9% innerhalb; 3,6% Gesamtund DaZ * Universität Wien
10,0% innerhalb; 5,4% Gesamt
Verbbedeutung
W-Fragen
Negation
Satzklammer (kein T-Wert,
sondern Niveaustufen von I-IV)
Förderbedarf wenn Stufe IV
nicht erreicht wird)
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Panel III: Unter „Fremden“ und „Zweiten“. Begriffsexplorationen
Sprachfördermaßnahmen, die DEUTSCHförderung meinen, Erst-, Zweit- und
Fremdsprachler_innen – Fachtermini machen nicht nur einen differenzierten Austausch
möglich, sie (re-)produzieren auch die symbolischen Ordnungen der (Migrations-)
Gesellschaften. Welche Bedeutungen und „(K)Erben“ (Arndt/Ofuatey-Alazard 2011)
tragen die Begriffe, mit denen wir operieren? Welche Dilemmata sind dem Feld inhärent,
welche Alternativen sind denkbar?
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3. Wissenschaft zwischen Stigmata und Neuformierung?
„Also zum
„Also wenn jemand nicht die
Sprache versteht von den
anderen, zum Beispiel das
Türkisch, dann kann man das
auf Deutsch zu dem sagen.“
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Beispiel Deutsch ist
nicht so leicht, aber schon ein
bisschen leichter wie zum
Beispiel Spanisch“
„Deutsch ist quasi so eine
Ausnahme“.
Normative Grundlagen und reflexive Verortungen im Feld DaF
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Heterogenität als normatives Konstrukt
„Sie [die Heterogenität] existiert nicht umstandslos, wird konstruiert
und kann überall festgestellt werden, wenn dies das Ziel ist.“ (Wenning
2007, S. 24)
„Die Wahrnehmung differenter Erfahrungen bleibt also immer
fragmentarisch, unvollendet und begrenzt und kann nicht ans Ziel einer
als endgültige Wahrheit gedachten Authentizität kommen […].“
(Prengel 1993, S. 182)
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Zwei Positionen zum Ausklang
1.
„Die Termini Erstsprache und Zweitsprache implizieren die stärkere Position der
Erstsprache und verleiten zu der Annahme, die Familiensprachen seien die
dominanten Sprachen der Schüler/innen, die Transferbasen zur Verfügung
stellen und einen erheblichen Einfluss auf das Deutsche ausüben.“ (Wildemann,
Akbulut & Bien, in review)
2. Alle Menschen partizipieren an einer Vielfalt von kulturellen Räumen, insofern
sind wir alle in irgendeiner Form ‚Bindestrich‘. […] (Scheer in ihrem Buch
«Bindestrich-Deutsche», 2014,S. 12)
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Und zu guter Letzt
„Ich kann leider keine idealen begrifflichen Alternativen anbieten, aber ich
denke, wir sollten uns ernsthaft auf die Suche danach begeben.“
(Sökefeld 2007, S. 55)
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https://www.uni-koblenz-landau.de/landau/fb5/bildung-kind-jugend/grupaed/mit/profs/wildemann/projekte
11.-12.09.2015
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