Der optimale U-Bahn-Plan

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Der optimale U-Bahn-Plan
BERLIN
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FREITAG, 19. JULI 2013  TAZ.DIE TAGESZEITUNG
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Der optimale U-Bahn-Plan
DESIGN Ein britischer Wissenschaftler hat den Linienplan der BVG neu gestaltet, gleich zwölf Mal. Seine Varianten seien viel einfacher
zu verstehen als der herkömmliche Plan des Verkehrsnetzes, sagt er – weshalb die Fahrgäste auch viel schneller ans Ziel kämen
VON WIEBKE SCHÖNHERR
Bei vielen Berlinern hängt der
Plan des Verkehrsnetzes groß in
der Wohnung, bei den meisten
Touristen steckt er klein in der
Tasche. Manche kennen ihn auswendig, wenige brauchen ihn
nie: Das bunte Streckennetz gehört zum Hauptstadtleben wie
das Gelb zur BVG. Dabei sind Sund-U-Bahn-Pläne das denkbar
nüchternste Abbild einer Großstadt, reduziert auf ein Minimum von Informationen. Dem
Großstädter helfen sie dadurch,
ein Grundbedürfnis seines Lebens zu befriedigen: Bewegung.
Genau deshalb hat der britische Wissenschaftler Maxwell
Roberts ein Problem mit dem
BVG-Plan. Letztes Jahr hat es Roberts zum ersten Mal nach Berlin
verschlagen, er versuchte, sich
auf Strecken zurechtzufinden,
die mittendrin die Richtung
wechseln und sich mit anderen
Linien verdoppeln. Er sah eine
kurvenreiche U7 umherirren,
die, wie er sagt, nicht wisse, was
sie will, und seiner Ansicht nach
überflüssige Linien, die wie ein
unpassender Bilderrahmen um
das Gesamtnetz geklemmt sind.
Als Roberts zurück war in Essex, wo er an der Universität kognitive Psychologie lehrt, schmiedete er eigene Pläne. 12 Exemplare entwarf er für den Berliner
Nahverkehr und versuchte dabei
vor allem zwei Dinge zu vermeiden: Kurven und mehrere Linien
nebeneinander. „Viele Designer
verstehen nicht, dass die Kraft in
der Einfachheit liegt“, sagt Roberts. Bei der Suche nach der optimalen Variante griff er auf Skizzen zurück, die er in vielen Jahren Arbeit ausgetüftelt hatte.
Denn Roberts ist nicht einfach
ein enttäuschter Berlin-Besucher sondern einer, der darüber
forscht, welche Informationen
für eine bestimmte Handlung
nötig sind: Er will wissen, wie das
menschliche Gehirn am besten
funktioniert. In den 1990er Jah-
„Ein guter Plan hilft
den Leuten, die Welt
zu verstehen“
MAXWELL ROBERTS
ren entdeckte er U-Bahn-Pläne
als eine Art alltägliche Intelligenztests. Seitdem sucht er nach
Antworten auf folgende Fragen:
Welche Informationen braucht
man, um möglichst schnell von
A nach B zu kommen? Welche
sind überflüssig? Wie sieht der
optimale U-Bahn-Plan aus, der
alles sagt und nichts verkompliziert? „Ein guter Plan hilft den
Leuten, die Welt zu verstehen. Er
soll ihnen einen Denkschritt abnehmen“, erklärt Roberts sein
Ziel.
Über Jahre hinweg hat er in
dieser Mischung aus Design- und
Psychologie-Forschung Schematiken ent- und verworfen, bis er
variable Möglichkeiten fand, die
er für jede Großstadt anwenden
kann. Mal zwängt er die U-BahnLinien in konzentrische Kreise,
mal wirft er sämtliche Ecken heraus, mal nutzt er für Richtungswechsel nur 90-Grad-Winkel.
Nicht jede Möglichkeit sei für
Berlin passender als der aktuelle
BVG-Plan, aber viele, sagt Roberts. Ausgewählt hat er schließlich das „multilineare Streckennetz“ – optimal für den Alltagsgebrauch, findet er. „Es hat die
einfachste Linienführung und
bändigt die kniffligen nebeneinanderlaufenden S-Bahn-Linien“.
Kurviger als üblich: alternativer Entwurf eines BVG-Plans Alle Entwürfe: Maxwell Roberts
Auch den Londoner U-BahnPlan hat Roberts bereits umgeschrieben. In Tests habe er herausgefunden, sagt er, dass die
Nutzer seines Entwurfs im
Schnitt 20 Prozent schneller ans
Ziel gekommen seien als die Nutzer des herkömmlichen Londoner Plans.
Doch was sich anhört wie ein
achtbarer Erfolg, kam bei den Betreibern der Bahn nicht gut an.
Präsentieren durfte Roberts seine Pläne zwar, aber alles blieb
beim Alten. Die Liebe der Londoner zu ihrem U-Bahn-Plan wollten die Verantwortlichen dann
doch nicht aufs Spiel setzen.
Auch die BVG sieht derzeit keinen Grund für Veränderung.
„Unser Plan ist am Stadtplan orientiert“, sagt Sprecher Klaus Wazlak. Die Linien würden, geografisch gesehen, auf dem Papier
dort enden, wo die S- und U-Bahnen in Wirklichkeit auch hinfahren– anders als bei Roberts Plänen. Zudem wären die Kosten,
sagt Wazlak, alles neu zu drucken, viel zu hoch.
Ein Trost für die Berliner: Die
meisten kennen ihren Plan ja
schon. Insofern dürfte jahrelange Gewohnheit dazu führen, dass
sie trotzdem zügig ans Ziel kommen.
Maxwells Favorit: der multilineare Plan
Psychologe und gestresster Fahrgast: Maxwell Roberts F.: Wiebke Schönherr
Konzentrisch: Berlin ist ein Kreis