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Marci-Boehncke, Gudrun: „Hallo, SpongeBob!“ oder:
Kindliche Mediennutzung im Medienverbund
Dieter Baacke Preis Handbuch 4, 2009, S. 37-49
Abb. 1: SpongeBob Schwammkopf
„Los geht's: Das SpongeBob Jahr 2009 ist eingeläutet und NICK lässt es
zum Start direkt richtig krachen: Mit dem zehnwöchigen Special
‚SpongeBob – Gib mir 10’ stellt der Heimatsender des gelben Schwamms
einen von 10 Bikini Bottom Bewohnern jeweils eine Woche lang in den
Mittelpunkt der täglichen Folge, lässt 10 prominente Fans zu Wort
kommen und zeigt 10 brandneue Episoden. ‚SpongeBob – Gib mir 10’ ab
11. Januar nur bei NICK.
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Zehn Bikini Bottom Stars
Zehn Wochen lang steht jeweils von Sonntag bis Samstag täglich um
19:45 Uhr eine Figur aus Bikini Bottom im Mittelpunkt der täglichen
SpongeBob-Folge. Die Stars der Stunde: SpongeBob, Patrick, Gary,
Thaddäus, Sandy, Plankton, Blaubarschbube und Meerjungfraumann, Mr.
Krabs, Mrs. Puff und Die krosse Krabbe. Das Highlight: Jeden Samstag um
19:45 Uhr erwartet die Fans eine brandneue Folge in deutscher
Erstausstrahlung. Immer sonntags von 8:45 - 10:15 Uhr sehen sie die
Wochenzusammenfassung inklusive der Wiederholung der neuen Folge
vom Samstag.
Zehn prominente Hosts
SpongeBob und seine Freunde bekommen dabei Unterstützung von ihren
bekanntesten Fans: Ein prominenter Star präsentiert jeweils eine Woche
lang täglich das Programmhighlight und moderiert an allen sieben
Abenden die Special-Episode an. Los geht es mit dem schwammtastischen
Duo SpongeBob und NICK-Moderator Bürger Lars Dietrich: In der Woche
vom 11. Januar plaudert Lars jeden Abend aus, welche Geschichte die
Fans um 19:45 Uhr erwartet. In der folgenden Woche outet sich die gut
gelaunte VIVA-Moderatorin Gülcan Kamps als Fan der Bikini-Bottom Welt
und steht Patin für Special-Folgen mit Griesgram Thaddäus. Weiter geht
es mit prominenten Hosts bei ‚SpongeBob – Gib mir 10’ wie Susan
Sideropolous, Nela und Elton.“
(www.spongebob.de [Zugriffsdatum: 22.12.08])
Das neue Jahr ging gut los: Der sprechende Schwamm wurde mit voller
Medienverbunds-Macht vermarktet – und vermutlich hat es schon unter den
Weihnachtsbäumen DVDs, Hörbücher, Bücher, Kalender, Konsolen-Spiele,
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Lernspiele, ja, sogar die Klassiker wie Mensch ärgere Dich nicht oder Monopoly
im Schwammkopfoutfit oder als 3-D-Puzzle um den lustigen Meeresbewohner
und seine Freunde gegeben.
Seit nunmehr zehn Jahren gehört die Serie zu den Erfolgsschlagern im
Medienverbund. Kleine Kinder mögen den weichen Knuddel mit den großen
Augen, der so drollig spricht. Die Erwachsenen schätzen den skurrilen Humor
der Sendung. Ähnlich wie auch andere Zeichentrickserien bietet sie
Unterhaltung für verschiedene Publika – man weiß eigentlich nicht so recht,
wer da mit wem schaut, denn anders als bei Bob dem Baumeister, der ja
wirklich nur für Kinder Unterhaltung bietet, ist SpongeBobs Witz – ähnlich wie
der der Simpsons – für kleine Kinder nicht durchschaubar. Wer kauft also wem
die Bettwäsche oder die Kakaotasse aus dem Merchandising-Angebot? Viele
Produktbereiche haben sich an den Erfolg der Serie angehängt. 131 Artikel hält
der Fanshop bereit: von der PC-Tastatur über das Body-Board zur
Kinderwärmflasche – oder sogar zum Vitamin-Set aus der Apotheke. Mit dabei
sind namhafte Unternehmen, von Burger King bis Ravensburger und VTech.
Erzieherinnen und Erzieher sehen diese Entwicklungen häufig aus einer
besonderen Perspektive: Hier beginnt der Markenwettbewerb: „Ich habe aber
eine Butterbrotdose mit SpongeBob drauf“, „Zuhause hab‘ ich aber sogar ein
Brettchen mit SpongeBob.“ Die Serie steht stellvertretend für andere – Yu-GiOh, Pokemon, Batman, Avatar, Kim Possible, Yakari, Spider Man, Bob der
Baumeister. Ein Ende ist nicht abzusehen.
Die Kinder bringen ihre Medienfreunde mit in die Kita – „Wir spielen, ich
wäre…“, – sie gehören zu ihrer Identitätsbildung und scheinen auch beim
Aufbau der Gruppenrolle funktional. Die Merchandising-Produkte sind über die
Realisierung des eigenen Fantums hinaus auch symbolisches Kapital, dass im
Sinne der „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ (Franck 1998) bewirtschaftet
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werden kann (vgl. Fiske 1992): d.h., mit dem man sich in der Rangordnung
der Gleichaltrigengruppe nicht selten zu positionieren sucht.
Der Medienverbund ist an einer Schnittstelle zwischen Medienwelt und (auch
ökonomischer) Alltags-Welt anzusiedeln. Da die Medien heute neben
Elternhaus, Peergroup und Kita/Schule die wichtigste Sozialisationsinstanz
darstellen (vgl. Rath/Marci-Boehncke 2004) und nicht erst in der Adoleszenz
Einfluss auf die Identitätsentwicklung nehmen, ist die Verschränkung von
Medieninhalten und Medienmarkt von Anfang an auch für die Kinder und
Jugendlichen wahrnehmbar. Karmasin (2006a) bezeichnet Medien deshalb als
„duales Gut“: Sie produzieren Realkapital ebenso wie Sozialkapital. In der
Teilnahme an bestimmten Medienangeboten und -inhalten, in der
Kommunikation über diese Teilnahme innerhalb ihrer Freundeskreise schaffen
bereits die jungen Rezipienten Sozialkapital: Medien sind Teil ihrer
(Kommunikations-)Kultur. Indem sie für die Nutzung und/oder den Besitz
dieser Medien – direkt oder indirekt – bezahlen (oder hier: bezahlen lassen),
produzieren sie aber zugleich Realkapital. Es gibt also neben den unmittelbaren
Realwerten vor allem in der Mediennutzung symbolisches Kapital, was auch als
eine Ökonomie der Aufmerksamkeit (vgl. Franck 1998) begriffen werden kann.
Kinderwünsche
Das heißt: Kinder sind über ihre Eltern – denn diese bezahlen schließlich bei
Kaufentscheidungen – in die „Kapital“-Bildung mit Medien unmittelbar
eingebunden. Von den Medienmachern sind sie als Zielgruppe fest im Blick. Im
Kita-Alter werden die Kunden geworben, hier wechseln die Vorlieben noch
rasch, was für den Konsum entsprechend günstig ist. Die „Kleinen“ werden
dabei für die Wirtschaft eine immer wichtigere Zielgruppe, denn ihren
Wünschen verschließen sich Eltern kaum. 60% der Kinder dürfen bei der
Zimmereinrichtung mitbestimmen und fast 50% bei Lebensmitteln. Mehr als
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ein Drittel der 3- bis 5-Jährigen haben bei bestimmten Produkten wie Joghurt
und Zahnpasta ein klares Markenbewusstsein. (vgl. Preschool-Studie 2006).
Nach der neuesten KidsVerbraucherAnalyse von 2008, durchgeführt von
Ehapa, verfügen Kinder im Grundschulalter über Verbrauchsgeld von
durchschnittlich 279 €. Das macht auf Deutschland bezogen eine
Gesamtsumme von ca. 2,6 Milliarden Euro. Dazu kommen Geldgeschenke von
ca. 173 € pro Kind sowie ein Sparguthaben von 661€. Für Konsumgüter
ausgegeben werden für Kinder monatlich in Deutschland ca. 310 € – in der
Regel durch Kaufentscheidungen der Mütter.
Und diese sehen, so die Ergebnisse der Ravensburger Kindergartenstudie (vgl.
Marci-Boehncke/Rath 2007), durchaus klar, woher die Wünsche ihrer Kinder
kommen: Neben kreativem Spiel ist Konsum die Hauptfolge von
Mediennutzung. Die Werbeblöcke in den privaten TV-Sendern, aber auch die
Formate und Mediengeräte selbst sind oder schaffen Besitzwünsche.
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Abb. 2: Beobachtete Medienreaktionen bei Kindern im letzten Kindergartenjahr, Antworten der
Eltern (N = 97, Mehrfachantworten möglich)
In einer qualitativen Studie, die bisher nur in Teilen innerhalb der
Forschungsstelle Jugend – Medien – Bildung der Pädagogischen Hochschule
Ludwigsburg, veröffentlicht wurde (vgl. Kittel 2008a; 2008b; 2008c), konnte
Kittel nachweisen, dass Eltern sich „durch Produktwünsche ihrer Kinder oder
von Werbestrategien bedrängt fühlen“ (Kittel 2008a, S. 17). Konsumwünsche
von Kindern – gerade solche nach Merchandising-Artikeln zu Heldenfiguren –
entstehen auch dann, wenn Kinder die entsprechenden Sendungen nach
Angabe der Eltern nie selbst gesehen haben. So erklärt die Mutter eines
Jungen S. dessen Präferenz für Helden so:
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Mutter:
„Der hat noch nie Spiderman oder so angeguckt, aber er
mag ihn über alles.“
Interviewerin:
„Das hat er noch nie angeguckt – aber woher kennt er
ihn dann?“
Mutter:
„Wieder von der Werbung! Und wir haben ihm auch viel
über ihn erzählt, wie der ist und was der macht, und so. Der
Anzug gefällt ihm. Superman findet er auch super, obwohl
er es noch nie angeguckt hat, weil es eben Helden sind.“
(Zitat aus Kittel 2008b, S. 87)
Auch die Mutter von N. – ebenfalls ein Junge – hat eine ähnliche Beobachtung
gemacht. Auf die Frage, was sich Niklas an Medien oder Artikeln, die mit
Medien zu tun haben, wünschen würde, antwortet die Mutter:
Mutter:
„Alles, egal ob er es kennt oder nicht, also ob er die
Geschichte kennt, oder nicht. …“
Interviewerin:
Mutter:
Gibt’s da was Bestimmtes?
„Also ‚Wilde Kerle’ ist schon ganz klar.“
Interviewerin:
„Zu den wilden Kerlen hat er ja das Buch dazu noch
nicht gelesen oder den Film gesehen – woher kennt er das
dann?“
Mutter:
„Keine Ahnung. Der kennt auch nicht die Geschichte. Er
weiß aber, dass es eine Fußballmannschaft ist und er kennt
alle Namen. Er weiß den Großen, wie der heißt und so. Und
wahrscheinlich kennt er auch Teile von der Geschichte eben
aus Erzählungen von anderen Kindern aus dem
Kindergarten, würde ich mal unterstellen. Aber wir haben
weder ein Buch noch sonst was davon angeguckt.“ (Zitat
aus Kittel 2008b, S. 87)
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Merchandise-Artikel bestimmen also die Agenda in der Kita. Sie setzen die
Themen, über die sich Kinder austauschen. Ein anderer Junge F. beispielsweise
besitzt eine Vielzahl von Merchandising-Artikeln von den Wilden Kerlen: TShirts, Socken, Pulli, Mütze, Rucksack, Schlüsselanhänger und Wilde-KerleBettwäsche. Beeinflusst wurde F. in seiner Begeisterung für diese
Medienhelden, die vorwiegend Jungen ansprechen, vor allem über Gleichaltrige
in der Kita. Seine Mutter erläutert, wie F. „angesteckt“ wurde:
Mutter:
„Naja, er hat ja das Hörspiel von ‚Wilde Kerle‘ gehabt, das
gab’s mal bei McDonalds. Dann war das mal eine Zeit lang
in und da ist er dann aufmerksam geworden. Aber die
Hinweise kamen dann schon über den Kindi, dann hat sein
Freund einen Wilde Kerle-Rucksack gehabt oder ein T-Shirt
und `nen Pulli, klar, … dann haben sich die Kinder wirklich
gegenseitig angesteckt, da hat man gesehen, wie jede
Woche mehr T-Shirts im Garten [der Kita] waren.“ (Zitat
aus Kittel 2008b, S. 85)
Konvergente Nutzungsformen im Medienverbund
Kinder verfolgen ihre Themen in verschiedenen Medien. Ihre Mediennutzung
erfolgt schon früh themenorientiert – nicht „endgeräteorientiert“. Es geht also
nicht darum, nur fern zu sehen, sondern Kinder wollen bestimmte Sendungen
sehen. Sie lernen – und das kann auch pädagogisch sehr positiv beurteilt
werden – auszuwählen. Kindersendungen bieten Identifikationsobjekte – wie
übrigens auch Bücher: Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Jim Knopf
sind als traditionelle Kinderheldenfiguren ebenso funktional wie heute Die
Wilden Fussballkerle, Kim Possible oder SpongeBob.
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Und auch in der Kindheit heutiger Eltern und Erzieher/innen gab es bereits
crossmediale Angebote: der Film zum Buch, Rätselhefte mit den beliebten
Serienfiguren. So hat der Schriftsteller Erich Kästner bereits selbst in den
1930er Jahren die Attraktivität seines Kinderromanhelden Emil aus der Berliner
Detektivgeschichte zu einer umfassenden Vermarktungskette genutzt.
Vor 1945
Nach 1945
-
Roman (1929)
-
2. Bühnenfassung (1998)
-
Film (1931)
-
Musical (2000)
-
Filmspiel
-
Hörspiel: CD, Kassette, LP
-
Gesellschaftsspiel (Jos. Scholz,
-
Lesung (CD)
1931)
-
Hörspiel Emil und die drei
-
Bühnenfassung(1930)
-
Nachfolgeroman Emil und die
Zwillinge: CD, Kassette, LP
-
Spiele)
drei Zwillinge (1933)
-
Bühnenfassung Emil und die
drei Zwillinge
Gesellschaftsspiel (Schmidt
-
Weitere Filmversionen
(DVD, VHS)
Tab. 1: Medienverbund bei Emil und die Detektive. Quellen: Pressemappe Erich Kästner;
www.amazon.de; Harbusch (1999)
Kästner hat sogar im wahrsten Sinn konvergent vermarktet, ohne allerdings
die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation nutzen zu können. In einer
anderen Arbeit an der Forschungsstelle Jugend – Medien – Bildung der
Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg wurde dies von Katharina Häfle (2008)
genauer untersucht:
Eine Möglichkeit der Vermarktung seines Romans fand Erich Kästner nämlich
mit der Kinderzeitung von Klaus und Kläre. Diese Kinderzeitung war Teil des
Familienblattes Beyers für alle, für das Kästner während seiner Berliner Zeit
neben der Neuen Leipziger Zeitung schrieb. Kästner erhielt zahlreiche Briefe
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und Anrufe von Kindern, die wissen wollten, ob die Geschichte von Emil
Tischbein wahr sei (vgl. im Folgenden Harbusch 1999). Diese Rückmeldung der
Kinder nutzte Kästner in Form von abgedruckten Leserbriefen strategisch, um
für seinen Roman zu werben. „Diese Kinderbeilage“ – so Harbusch (ebd., S.
10) – „ist das Musterbeispiel eines erfolgreichen Werbefeldzuges und dafür,
wie man Kinder als Käufer, Leser und Autoren mobilisiert.“ Immer wurden die
Leser der Kinderzeitung miteinbezogen, z.B. durch Umfragen und
Briefaktionen. Diese multimediale Art, Medienkonsumenten an sich zu binden,
wird heute mit dem Begriff „Medienkonvergenz“ (Marci-Boehncke [im Druck])
beschrieben. Insbesondere die Kommunikation zwischen Autor und/oder Verlag
und Rezipienten, die die Kinderzeitung über Leserbriefe ermöglichte, stellte
eine frühe Form der analogen Interaktivität dar. Sonstige push-Angebote
(Medien geben eine Information an die Rezipienten) wurden zu wechselseitig
funktionierenden push and pull-Medien erweitert. Kästner konnte den Markt
beeinflussen, aber nutzte auch die Rückkoppelung mit seinen Rezipienten, um
die Akzeptanz seines Romans zu erheben – also qualitative Marktforschung zu
betreiben.
Kommen wir nochmals auf die Begrifflichkeiten zu sprechen: Der Begriff
„Medienverbund“ ist vielfältig. Im einfachsten Fall kann Medienverbund die
Präsenz eines medialen Angebots in distinkten Medien meinen, z.B. der Wilden
Fußballkerle als Roman, als Film, als Computerspiel, als TV-Zeichentrickserie.
„Über den gemeinsamen Inhalt gibt es zwar ein enges Zusammenspiel
zwischen den verschiedenen Angeboten, aber die Funktion der einzelnen
Angebote bleibt klar unterschieden.“ (Hasebrink/Mikos/Prommer 2004, S. 11)
In der Medienökonomie spricht man in Anlehnung an die von Shapiro/Varan
(1999) in Zusammenhang mit der Vermarktung von Informationsgütern
beschriebene Marketingstrategie von „Versioning“ (vgl. auch
Siegbert/Hautzinger 2006, S. 123 ff.).
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Spezifischer ist die Verwendung dieses Begriffs im Sinne einer technischen
Verbindung distinkter Medien in ein neues Medium (vgl. Kittler 1986; Bolz
1993), z.B. die Interpretation des Tonfilms als Verbindung von Stummfilm und
Grammophon oder die Verbindung des Hörfunks, des Stummfilms und der
Telegrafie zum Fernsehgerät. Vor allem diese technische Bedeutung gewinnt
unter den Bedingungen der Digitalisierung und der Integration medialer
Angebote in das Hybrid-Medium Computer völlig neue Dimensionen.
Die Produktion, das Produkt selbst, die Distribution und die
Rezeptionsplattform sind in gewisser Weise digital gleichförmig geworden. Dies
hat Folgen für die Nutzungsmöglichkeiten und Nutzungsformen v.a. der
jüngeren Generation und wird daher auch zur pädagogischen Herausforderung
für die Bildungsinstitutionen. Im Folgenden wird daher neben Medienverbund
auch von Medienkonvergenz die Rede sein, da dieser Ausdruck der hohen
Integration medialer Angebote, Techniken und Rezeptionsformen eher
entsprechen kann als eine Formulierung, die mit dem bisherigen
Wortbestandteil „Verbund“ die Distinktivität der jeweiligen Medien nahe legt.
Beschreibt der Begriff des Medienverbundes die Organisationsstruktur solcher
medialen und ökonomischen Verschränkungen, ist der Begriff der
Medienkonvergenz weiter gefasst. Medienkonvergenz beschreibt sozusagen auf
der Produktoberfläche, was in der Bedeutungszuweisung beim Rezipienten als
Intermedialität erscheint (vgl. Marci-Boehncke 2008a). Es hängt jedoch vom
Verständnis der Begriffe „Text“ und „Medium“ ab, von welchem Zeitpunkt an
man historisch von Intermedialität und Medienverbund bzw. Medienkonvergenz
spricht.
Obwohl in seiner Ausrichtung zunächst technisch determiniert, scheint die
Definition von Göschka/Radinger (2006, S. 77) mit dem Blick auf den
Medienverbund weiterzuführen: „Konvergenz in der Technik ist die
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multidisziplinäre Annäherung oder Übereinstimmung von inhomogenen
Methoden, Systemen, Sichtweisen, Wissensgebieten oder anderen Disziplinen
der Technik, mit dem Ziel, einen Mehrwert zu erreichen.“ Dieser Mehrwert
ergibt sich nicht nur auf Seiten der Technik und Ökonomie, sondern ebenso auf
Seiten der Rezipienten. Wagner (2006, S. 31) formuliert so auch als ein
Ergebnis der Konvergenzstudie des JFF: „Heranwachsende folgen also dem
Markt bzw. vorgeschlagenen Nutzungsoptionen, solange diese für sie einen
Mehrwert, einen Zusatznutzen erbringen.“
Die Digitalisierung hat wesentliche Voraussetzungen geschaffen für diese
weitreichende Vernetzung der Industriezweige: Im digitalen Zeichencode von
„1“ und „0“ gibt es eine neue einheitliche Codierung für alle „Texte“. Nur die
Dekodierungssysteme auf der Ebene der Software, die die Umsetzung in einem
dann wieder distinkten peripheren Ausgabemedium (Bildschirm, Lautsprecher
etc.) steuert, sind noch unterschiedlich. So kann eine CD oder DVD
Datenträger sein für Filme, Audio-Texte oder Schrifttexte. Ähnliches gilt für
den MP3 Player als Trägermedium. Unter den Bedingungen dieser universalen
Währung digitaler Kommunikation werden ökonomisch wie technisch optimale
Synergieeffekte durch Firmenkooperation erreicht. So beobachten wir
Kooperationen oder Fusionen zwischen Konzernen, die auf die „Technik der
Vermittlung“ (networks) spezialisiert sind, mit Konzernen, die in Bezug auf
„Inhalte“ (content) besondere Ressourcen vorzuweisen haben – wie etwa
geschehen bei der Fusion von AOL und Time Warner, dem Kabelnetz-Giganten
und dem Film-Marktführer. Kinofilm, DVD-Vertrieb, TV-Lizenzen, Soundtrack
als CD, Zeitschriften, Zeitungen, Internetseiten, Internet-Foren, Filmshops –
das gesamte Spektrum crossmedialer Möglichkeiten wird so abgedeckt. Dazu
kommt der Bereich des Merchandisings mit interessierten Unternehmen, die
den „Inhalt“ oder auch nur den Namen der Marke kaufen und mit ihren
eigenen Produkten gemeinsam vertreiben (vgl. Marci-Boehncke 2007).
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Zum Beispiel bringt die Firma LEGO (www.lego.de) mehrere Baukästen heraus,
in denen Szenarien aus der eingangs erwähnten TV-Serie gespielt werden
können, natürlich mit SpongeBob im typischen Lego-Stil: Mit SpongeBob
Emergency Room – Fahrt im Krankenwagen lässt sich eine Unfallversorgung
mit SpongeBob spielen, in SpongeBob Chum Bucket kämpft SpongeBob gegen
Plankton, den Konkurrenten zu SpongeBobs Arbeitsplatz „Krosse Krabbe“, und
mit SpongeBob Raketenfahrt kann man mit SpongeBob auf die Suche nach
extraterrestrischen Quallen gehen. Doch auch in Marktsegmenten, die mit
SpongeBob wenig oder nichts gemein haben, wird die Marke SpongeBob als
Marketing-Instrument genutzt. Der Helmsystem-Hersteller KED (www.kedhelmsysteme.de ) gibt seinen Kinderfahrradhelm Meggy ein SpongeBob
Schwammkopf-Design (gelb und SpongeBob-Gesicht), die Firma Herding
(www.herding-heimtextil.de) vertreibt SpongeBob-Bettwäsche und ein
Schweizer Backform-Vermieter wirbt mit einer SpongeBob-Kuchenform
(www.bringbackform.ch).
Ziel dieser und vieler anderer Vermarktungen des Markennamens ist nicht nur
die direkte Einnahme, z.B. über Lizenzgebühren, sondern die vollständige
Abdeckung aller Stufen der Wertschöpfungskette. Das heißt, der gesamte Weg
von der Konzeption über Produktion, Distribution bis hin zum Rezipienten wird
integriert, um damit eine weitgehende Marktabdeckung sowohl auf dem
Endverbraucher als
auch dem Zuliefermarkt zu erreichen, und zwar nicht nur im primären Produkt
(hier dem TV-Format), sondern auch in allen medialen Nebenformaten und in
Produktlinien, die sich nur des Markennamens bedienen.
Im eingangs zitierten Beispiel zu SpongeBob werden zudem Prominente in die
Vermarktungskette einbezogen – mit dem doppelten Ziel, zum einen
SpongeBob mit den Personen aufzuwerten und andererseits die Personen über
SpongeBob populär zu machen – denn es mag immer noch Rezipienten geben,
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gerade unter den Jüngeren, die z.B. Gülcan Kamps noch nicht kennen. So
nutzen beide „Produkte“ (das Zeichentrick-Produkt SpongeBob und das
Medienprodukt TV-Moderatorin) wechselseitig den je anderen Markenträger zur
gegenseitigen Popularitäts- und damit Wertsteigerung.
Konvergente Formate als Identitätsangebote
Der Mehrwert für die Shareholder – also diejenigen, die die Anteile der
beteiligten Unternehmen halten – ist einleuchtend. Welchen Nutzen bringen
aber solche Medienverbünde und konvergente Nutzungsmöglichkeiten für die
Stakeholder, also die „Betroffenen“ von diesem Marktgeschehen (vgl. Karmasin
2006b), die Nutzer der medialen Themenangebote, hier die Kinder?
Kittel (2008b) verweist in ihrer Untersuchung darauf, dass es in allen ihrer
untersuchten Familien zu verschiedenen Themen unterschiedliche
Medienformate gibt. Auch diverse Merchandising-Artikel rund um einen oder
mehrere Medienhelden sind verbreitet. Vor allem werden hier Die Wilden Kerle
bei den Jungen genannt. Vereinzelt ist auch Die Wilde KerleKomplettausstattung zu finden: T-Shirt, Socken, Pulli, Mütze, Rucksack,
Schlüsselanhänger, Wilde Kerle-Bonbons für den Tag und für die Nacht noch
die passende Bettwäsche dazu. Gespielt wird mit Spielfiguren von Shrek oder
SpongeBob, gemalt mit Winnie Puh-Stiften und abends werden mit der Micky
Maus-Zahnbürste die Zähne geputzt – mit Pasta aus der Felix-Tube.
Bei Mädchen findet sich ebenfalls ein ganzes Sammelsurium an Produkten in
den Kinderzimmern wieder wie Spielfiguren, Sammelkarten, Plüschfiguren,
aber auch Bekleidungsstücke und Stifte sind in Kinderschränken zu Hause. Im
Bereich Körperpflege ist Lillifee bei den Mädchen häufig vertreten: Sie ziert
Shampoos, Zahnbürsten, Zahnpastatuben für Mädchen und sogar die Lillifee-
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Backmischung für rosarote Muffins wurde schon ausprobiert. SpongeBob, die
Maus oder Hase Felix müssen dann zum Kuscheln herhalten (vgl. ebd., S. 87).
Maiwald (2007, S. 40) verweist hier auf den Psychologen Donald Winnicott, der
im Hinblick auf kindliche Kuscheltiere von Übergangsobjekten gesprochen hat,
die zur Vermittlung zwischen Phantasiewelt und realer Welt gebraucht werden.
Entsprechend könnten mit der Theorie symbolischer Selbstergänzung von
Wicklung und Gollwitzer solche Mediengestalten als Überbrückungshilfe für die
Kluft zwischen realem, aber im Rahmen der Identitätsbildung immer auch
defizitärem Selbst und idealem Soll überbrückt werden. Bei den meisten
Kindern dürfte diese Art der Heldennutzung als unbedenklich eingeschätzt
werden. „Wir spielen mal, ich wäre…“ schafft ein kurzzeitiges „identity
hopping“, das jedoch nicht zur Identitätsdiffusion und Realitätsverlust führt.
Die Kinder wissen, dass die Superkräfte ihrer Helden in der realen Welt keinen
Bestand haben. Aber sie liebäugeln im Rahmen ihrer Identitätsentwicklung mit
der Fiktion – wie seinerzeit beim Spiel zu Pippi Langstrumpf. So konnte Weise
in ihrer qualitativen Untersuchung zur Medienrezeption von
Kindergartenkindern Aussagen finden, die auf eine z.T. klassische
Rollenklischees durchbrechende Identifikationsfantasie hindeuten. (Weise
2008, S. 12) Auch die nachfolgenden Zitate aus einer noch laufenden und
unveröffentlichten vergleichenden Studie von Weise zur „Mediatisierung“ und
Medienkompetenz von Vorschulkindern aus Deutschland und den USA deuten
in diese Richtung. Das Mädchen L. z. B. benennt als ihre Medienheldin die
Mutter „Elastigirl“ aus dem Zeichentrickfilm Die Unglaublichen.
Interviewerin:
Hast du denn auch einen Held, oder eine Lieblingsfigur,
also jemanden den du ganz toll findest?
L:
Von den Superhelden, die Frau.
Interviewerin:
L:
Warum findest du die denn so toll?
Weil die so tolle Stiefel anhat.
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Interviewerin:
L:
Kann die denn sonst noch was?
Ja, die kann sich lang machen (streckt ihren Körper vor, um
es zu zeigen). Die kann sich in ein Schiff verwandeln und in
einen Ballon. (Interviewmitschnitt Weise 2008)
Oder auf unser Medienthema SpongeBob bezogen: M. wählt ebenfalls eine
weibliche Heldin, Sandy aus SpongeBob ist ihre große Favoritin. Im Gegensatz
zu Klischee-Identifikationsobjekten wählt sie sich eine weibliche Tierfigur, die
aber alles andere als typisch „weiblich“ ist und genau dieser Aspekt fasziniert
Maria am meisten.
Interviewerin:
Ja und wenn du dir wünschen könntest, dass du
irgendjemand bist, auch was ganz verrücktes, wer wärst du
gerne?
M:
Sandy.
Interviewerin:
M:
Von SpongeBob, das ist seine Freundin, die heißt Sandy.
Interviewerin:
M:
Ja, wer ist denn das?
Warum wärst du die so gerne?
Die kann Karate und gut zu kämpfen. Und kann SpongeBob
besiegen und kann auch und Sandy hat mal so einen
riesigen Wurm besiegt.
Interviewerin:
M:
Wow, die ist stark. Wärst du auch gern wie sie?
Ja. (Interviewmitschnitt Weise 2008
Was Kinder allerdings nicht durchschauen sind die Werbestrategien der
Medien.
In der Studie von Kittel (2008b) berichtet die Mutter von S., dass ihr Sohn
zwischen zwei Sendungen von einem Gewinnspiel bei SuperRTL animiert
wurde, dort anzurufen. Hier wurden Fragen zu SpongeBob, einer seiner
Lieblingsfiguren, gestellt.
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Interviewerin:
Kommt es vor, dass er dazu was im Internet angucken
will?
Mutter:
Nein – aber der möchte seit kurzem bei einem Spiel
mitmachen. Die sagen, wer ist das Haustier beim
SpongeBob und sie sollen eine SMS schicken oder da
anrufen. Und da fragt er in letzter Zeit, ob er mitmachen
darf.
Interviewerin:
Dieser Hinweis kommt im Fernsehen – nach der
Sendung?
Mutter:
Nach der Sendung und das ist dann so wie Rätsel und die
Antworten werden ja vorgegeben, das ist ja klar. Und er
weiß das ja und er möchte ja unbedingt mitmachen, weil er
das weiß und er ist sich sicher, dass er das gewinnt. Und
dann hab ich ihm erklärt, das geht ja nicht. Weil das sind ja
so viele und das kann ja gar nicht funktionieren.
Interviewerin:
Er war sich sicher, dass er gewinnt ... ist ihm das dann
auch bewusst, dass das auch Geld kostet?
Mutter:
Das habe ich zu ihm gesagt, dass das Anrufen ja Geld kostet
und dann hat er gesagt: Ja, dann lügen sie die Menschen
an!
Dann habe ich gesagt, ja so sieht das wohl aus. Denn ich
kenne niemanden, der das mal gewonnen hat oder so. Dann
sagte er: ‚Dann ist das Lügerei!’ … Man weiß ja dann gar
nicht, was man sagen soll. Ja eigentlich sollte man nicht
lügen und wenn das durch’s Fernsehen vorkommt … (Zitat
aus Kittel 2008b, S.88)
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Nun hat SuperRTL auf seiner Homepage unter dem Link „Infos für Eltern“
bekannt gegeben, dass sie Heldenangebote machen – wenn auch entsprechend
verbrämt:
„Wir achten darauf, dass unsere Kindersendungen in Inhalt und
Gestaltung den Voraussetzungen und Bedürfnissen von Kindern
entsprechen, dass sie interessante Figuren enthalten, mit denen sich
Kinder im wahrsten Sinne des Wortes anfreunden können und dass sie
Bekanntes und Vertrautes zeigen, das Kinder aus ihrem Alltag wieder
erkennen.“ (www.superrtl.de/InfosfürEltern/tabid/302/Default.aspx
[Zugriffsdatum: 29.01.2009])
So kindgerecht dies auch klingen mag, angesichts einer medienkonvergenten
Verschränkung, wie wir sie bei SpongeBob jetzt beispielhaft verfolgt haben,
werden Unterhaltungsformate unter der Hand zu Werbeveranstaltungen. Es ist
daher nicht abwegig, darauf hinzuweisen, dass Sender im Bereich solcher
weitgehend durchkonvergierten Formate Gefahr laufen, mir den
„Verhaltensregeln des Deutschen Werberats für die Werbung mit und vor
Kindern in Hörfunk und Fernsehen“ von 1998 (www.werberat.de) in Konflikt zu
geraten. Dort steht unter Punkt 5, dass es solche Lockangebote, wie sie die
Kinder in Kittels Untersuchung schildern, eigentlich nicht geben dürfte. Jedoch
wird gerade diese Regel, v.a. im Zeitschriftenmarkt, aber nicht nur dort, am
häufigsten gebrochen (vgl. Römer/Steffensen 2007, S. 28).
TV und Comics in der Kita
Wie wir gesehen haben, sind TV und Comics die wichtigsten Lieferanten für
Identifikationsfiguren. Sie schaffen inhaltliche Orientierungen, die aber auch
über den Konsum von Kindern u.U. radikal weiter verfolgt werden. Mit dem
Erwerb der Produkte wird ein Erwerb der Eigenschaften im Sinn einer
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Identitätsübernahme erwartet. Dies muss pädagogisch Folgen haben. Solche
Formate sollten daher in Bildungsinstitutionen – jenseits bewahrpädagogischer
Medienabstinenzforderungen – thematisiert werden. Zum einen, um die
Identifikationsangebote und Wertpräsenz in diesen Formaten zu reflektieren,
zum anderen aber auch, um über diese Formate kreative Angebote zu machen,
die eine gestalterische Weiterentwicklung rezipierter Inhalte ermöglichen.
Allerdings sind die Kitas nicht auf diese Arbeit vorbereitet.
Medienerziehung in der Kita ist nicht überall selbstverständlich. Das hat
verschiedene Gründe. Strukturell liegt es teilweise an der Ausstattung der
Kitas. In einer eigenen Untersuchung zur Mediennutzung und pädagogischen
Einstellung zu Medien von insgesamt 102 Erzieherinnen und Erziehern (MarciBoehncke 2008b) wurde deutlich, dass sowohl Comics als auch Fernsehen für
Erzieherinnen und Erzieher in der medienerzieherischen Arbeit der Kita so gut
wie nicht auftauchen.
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Abb.3: Medienarbeit in der Kita – gesamt, N = 102
Gleichzeitig kann man nicht behaupten, Erzieherinnen und Erzieher würden die
Gefahren medialer Angebote generell überdramatisieren. In der gleichen
Untersuchung wurden die Erzieherinnen und Erzieher gebeten, ihre
Zustimmung bzw. Ablehnung zu medienbezogenen Aussagen zu
dokumentieren. Auf einer 5-stufigen Likert-Skala zeigten die Befragten
allerdings deutlich ihre Unsicherheit in Bezug auf Gefahrvermutungen.
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Abb. 4: „Aus meiner Sicht wird die Sorge um Mediengefahr bei Kindern übertrieben
dargestellt.“ (1 = trifft zu; 5 =trifft nicht zu), N = 102
Das Maß der medienerzieherischen Orientierung liegt, und das könnte als
Erklärung für diese Unsicherheit dienen, nicht in einer bestimmten
Orientierung, die in der Ausbildung erworben wird. Vielmehr zeigen die
Ergebnisse von Six und Gimmler (2007) ebenso wie die Antworten bei Kittel
(2008b), dass im Endeffekt die eigene Medienbiographie und die Erfahrungen
mit Medien in der eigenen Kindheit und Jugend für die Haltung des
pädagogischen Personals maßgebend sind. Dies ist jedoch nicht professionell,
sondern letztlich zufällig. Ein wichtiger Faktor mag dabei die Tatsache sein,
dass auch die in den letzten Jahren eingeführten Orientierungspläne und für
den Bereich der frühen Bildung Bildungspläne in den Ländern, Medien häufig
gar nicht oder nur einseitig thematisieren (Marci-Boehncke/Rath/Bromberger
2006).
Momentan sind noch viele Kitas „medienfreie Zonen“ – die Mediennutzung
findet nur zu Hause statt und dort vielfach unbegleitet. Auch dies scheint sozial
beeinflusst. Im Sinn einer Chancengleichheit für den Schulübergang muss eine
Thematisierung der Mediennutzung pädagogisch begleitet stattfinden. Gerade
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die Kinder, die Medien nutzen, ohne elterlich begleitet zu werden, brauchen
Unterstützung.
Fazit
Ziel sollte sein, Erzieherinnen in den Kitas zu aktiven Mittlern zwischen Kindern
und Eltern zu machen. Sie müssen – aus professionellen Gründen – die
Lebenswelt und Medienwelt ihrer Kunden kennen und pädagogisch anknüpfen
können. Und dazu gehört die empathische Beschäftigung mit aktuellen
Medienhelden unter der Fragestellung: Was bieten dieses Sendungen den Kids?
Wie kann ich diese Vorlieben in kreative Angebote oder Gesprächsangebote
übernehmen? Wo ist es sinnvoll, mit den Eltern Weiterbildungsangebote zu
machen, bei denen die Helden vorgestellt und die Nöte des Konsumwettstreits
diskutiert werden? Die Kita gilt auch nach Angabe der Eltern als der geeignete
Ort dafür – viel geeigneter, als das Internet oder auch Wartezimmer der
Kinderärzte. Diese Chance und Verantwortung sollte stärker wahrgenommen
werden.
Autorin
Gudrun Marci-Boehncke, Prof. Dr., Professorin für Deutsche Literatur und
ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, leitet dort die
Forschungsstelle Jugend – Medien – Bildung.
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Aspekte qualitativer Forschungsverfahren und -methoden mit dem
Schwerpunkt auf dem Puppet-Interview als Erhebungs- und
Vermittlungsinstrument. Unveröffentlichte Magisterarbeit. Ludwigsburg.
Bildnachweis:
Abb. 1:
www.marenga.com/marengashop.php?request=show_Produkt&ArtikelNr=
562065&last_line=40_ [Zugriffsdatum: 22.12.2008]