Von der Abwasser- reinigung zu süssen Ananas
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Von der Abwasser- reinigung zu süssen Ananas
Wasser Von der Abwasserreinigung zu süssen Ananas Früher wurde das bei der Abwasserreinigung anfallende Ammoniak direkt in die Atmosphäre freigesetzt. Mittlerweile haben Studien gezeigt, dass Ammoniakemissionen eine ernst zu nehmende Gefahr für die Luftqualität darstellen. Dies hat zu einem Umdenken geführt. Sulzer bietet moderne Systeme mit geschlossenem Luftkreislauf für die Abwasserreinigung an, die Ammoniak in Düngemittel verwandeln. Diese Wiederverwendung eines Abfallprodukts ist nachhaltig und kann schmackhafte Früchte hervorbringen, wie die folgende Geschichte zeigt. Ein multinationales Unternehmen mit einer Fermentationsanlage in Thailand stand vor der Aufgabe, Ammoniak aus seinem Abwasser zu entfernen. Abwässer von biologischen Fermentationsprozessen bzw. aus industriellen, landwirtschaftlichen oder kommunalen Quellen enthalten häufig hohe Konzentrationen von Ammoniak. Da es sich hierbei um ein starkes Biozid handelt, muss der Anteil an freiem Ammoniak im Abwasser auf ein vertretbares Mass gesenkt werden (typischerweise rund 100 Gew.-ppm oder weniger), bevor das Wasser biologisch gereinigt werden kann. In der Anlage in Thailand 4 Sulzer Technical Review 3/2014 betrug der Gehalt von freiem Ammoniak bis zu 3000 ppm. Ziel des Unternehmens war es, den Ammoniakgehalt auf 100 ppm oder darunter zu senken. Gängige Verfahren hierfür sind das Dampf- oder Luftstrippen. Die Überführung des Ammoniaks von der flüssigen Phase in die Dampfphase erzeugt jedoch ökologisch bedenkliche Gasemissionen (siehe Infobox) und ist daher heute keine akzeptable Lösung mehr. Kann das gestrippte Ammoniak nicht direkt wiederverwendet oder recycelt werden, muss es zusätzlich behandelt werden, um ein Entweichen in die Atmosphäre zu verhindern. Wasser «Wir bieten saubere und komplette Lösungen an.» Peter Fässler, Chemtech Process Technology Kombinierte Lösung Sulzer löst diese Aufgabe mit einem Komplettsystem, das zwei Prozesse kombiniert: •Ammoniak-Stripping •Ammoniak-Chemisorption Im Abwasser liegen Ammoniak-Ionen (NH4+) und Ammoniak (NH3) in einem Gleichgewicht vor. Das Verhältnis zwischen den beiden Komponenten verändert sich je nach Temperatur und pH-Wert. Beim Stripping werden der pH-Wert und die Temperatur so angepasst, dass in der Flüssigkeit ein höherer Anteil an freiem Ammoniak vorliegt. Das Ammoniak, ein gelöstes Gas, kann aus dem Wasser in die Luft gelangen und anschliessend durch Luftstrippen entfernt werden. Spezielle Packungen im Inneren der Strippkolonne verteilen das Wasser in dünne Schichten (Filme), um eine grosse Oberfläche zu erzeugen. Luft wird von unten in die Kolonne geblasen, so dass das Ammoniak aus dem herunterrieselnden Flüssigkeitsfilm gestrippt und mit dem Luftstrom mitgerissen wird (Bild 1). Die Hauptparameter für einen effizienten Strippvorgang sind: • Ein hoher Anteil von Ammoniak in der Dampfphase gegenüber der flüssigen Phase •Betriebstemperatur •Pfropfenströmungseigenschaft der Flüssigkeit und des Dampfs (d.h. Geschwindigkeitsprofile der Fluide in der Kolonnenpackung) • Grosse Stoffaustausch-Kontaktfläche zwischen den beiden Phasen Im zweiten Prozessschritt (Chemisorption) werden die ammoniakhaltigen Dämpfe mit einer verdünnten Schwefelsäurelösung behandelt. Diese absorbiert das Ammoniak und reagiert mit ihm zu einer Ammoniumsulfatlösung von ca. 40 Gew.-%, die (durch das spezifische Gewicht der Lösung) abgezogen und direkt als Flüssigdünger verwendet werden kann. Die verdünnte Schwefelsäurelösung wird umgewälzt, wobei die Reaktionswärme über einen externen Kühler abgeführt wird. Über eine pH-Regelung wird frische konzentrierte Schwefelsäure in den Umwälzkreislauf dosiert. Die praktisch ammoniakfreien Dämpfe werden wieder dem Ammoniak-Stripper zugeführt. Systemdesign mit fortschrittlichen Merkmalen Bild 2 zeigt das Prozessschema des Sulzer-Systems mit geschlossenem Luftkreislauf. Es besteht aus einer kombinierten Kolonne, die den Stripper und den Chemisorber beinhaltet. Bei grösseren Anlagen werden meistens zwei Kolonnen eingesetzt. Die Hauptmerkmale des Sulzer-Systems sind: •Die Dampfphase zirkuliert in einem vollständig geschlossenen Kreislauf, der typischerweise nahe bzw. bei Atmosphärendruck ohne Gasemissionen in die Umwelt betrieben wird. • Die Verwendung der MellapakPlus™-Hochleistungspackung sorgt für eine hohe Absorptionseffizienz bei einem kompakten Design und einer minimalen Luftzirkulationsrate. In der Regel wird die MellapakPlus™ 252Y aus rostfreiem Stahl für den Stripper und aus Polypropylen für den Chemisorber eingesetzt (Bild 3). • Ein geringer Druckabfall über der Packung und den Sulzer Technical Review 3/2014 5 Wasser Luft (mit Wasser gesättigt) zum Strippen des freien Ammoniaks Flüssigkeitsfilm auf der Packung Prozessparameter: T = Temperatur p = Druck pH = -Log10 (Aktivität H+) Verschiebung des Gleichgewichts: OHNH4+ AmmoniakIon NH3 Ammoniak Packung (MellapakPlusTM) H 2O NH3 in flüssiger Phase NH3 in Dampfphase Flüssigkeitsstrom Dampfstrom 1 Prinzip des Strippens von Ammoniak aus der flüssigen Phase in die Dampfphase. Niederdruckdampf Kombinierte Kolonne Zulauf Frisches H2SO4 (96%) Ammoniumsulfat (40%) Gestripptes Abwasser 2 Das Sulzer-System mit geschlossenem Luftkreislauf besteht aus: • Ammoniak-Stripper und Chemisorption-Abschnitt, letzterer als Umwälzsystem ausgelegt • Ein Direktdosiersystem für frische Schwefelsäure • Wärmeintegration mit gleichzeitiger Erwärmung des Rohabwassers und Kühlung des gestrippten Abwassers • Zusätzlicher Kühler und Erhitzer zur Erfüllung spezieller Aufbereitungsanforderungen der entsprechenden Ströme 6 Sulzer Technical Review 3/2014 Dampfleitungen sorgt für niedrige Betriebskosten. Dank des integrierten Economizer-Plattenwärmetauschers und des geschlossenen Luftkreislaufs ist nur eine geringe zusätzliche Erwärmung und Kühlung erforderlich. • Der Kolonnenmantel und die Hauptleitungen können aus rostfreiem Stahl, glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) und/oder Kohlenstoffstahl mit Gummiauskleidung hergestellt werden. • Die Verwendung von unverdünnter Schwefelsäure ist möglich. Mithilfe von Wärmetauschern wird die Konzentration der Ammoniumsulfatlösung gesteuert. Ein Economizer erwärmt bzw. kühlt den Zulauf zur Optimierung der Strippingtemperatur. Ein Erhitzer gleicht die verbleibende Temperaturlücke vom Economizer aus. Er kompensiert Wärmeverluste im Kreislauf, die durch das Strippen des Ammoniaks aus der flüssigen Phase entstehen. Ein Kühler führt die bei der Ammoniakneutralisation mit Schwefelsäure entstehende Reaktionswärme ab und steuert die Kondensation des Wasserdampfs vom gesättigten Luftkreislauf. Flexibler Betrieb und geringer Energieverbrauch Ein entscheidender Aspekt für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb ist neben der Effizienz des Strippvorgangs der Druckabfall über dem gesamten Luftkreislaufsystem einschliesslich der Stripper- und Absorberpackungen sowie der dazugehörigen Rohrleitungen. Der geringe Druckabfall der Sulzer-Packungen ermöglicht die Verwendung eines ökonomischen Lüfters für die Luftzirkulation. So können z.B. Standardlüfter – im aktuellen Beispiel mit einem Verbrauch von 3–5 kWh/m3 Abwasser – eingesetzt werden. Um auf Schwankungen in der Ammoniakkonzentration und der Zulaufmenge reagieren zu können, ist ein flexibler Betrieb erforderlich. Dank jahrzehntelanger Erfahrung ist es Sulzer gelungen, ein ebenso zuverlässiges wie kompaktes Anlagendesign zu entwickeln, das flexibel genug ist, um eine bestimmte Bandbreite von Ammoniakkonzentrationen zu verarbeiten. Der Hauptparameter, der eingestellt wird, ist die Betriebstemperatur (Bild 4). Bei der Chemisorption ist es wichtig, dass keine Flüssigkeitströpfchen in den Absorber mitgerissen werden, um mögliche Korrosionsprobleme zu verhindern. Daher wurde ein zusätzlicher, hocheffizienter Mellachevron™-Demister aus Polypropylen oben auf dem Flüssigkeitsverteiler installiert. Die Packungshöhe im Absorber ist sorgfältig gewählt: nicht zu hoch, um den Strippvorgang nicht zu beeinflussen, und niedrig genug, um eine gewisse Rest- Wasser 3 Abwasser neigt häufig zum Schäumen, was zu vorzeitigem Fluten führen kann. Die strukturierte Packung MellapakPlus™ (links: Polypropylen, rechts: Edelstahl) mit ihren laminaren Strömungseigenschaften auf der Flüssigkeitsseite verhindert bzw. reduziert die Schaumbildung. www.sulzer.com/mellapak konzentration von nichtabsorbiertem Ammoniak zu erlauben. Dies neutralisiert mögliche Schwefelsäuretropfen, die ihren Weg in den Absorber gefunden haben (Sicherheitsmerkmal). Die Anlage in Thailand läuft seit Herbst 2012 zur vollen Zufriedenheit des Kunden. Ihr Betrieb hat sich als einfach, zuverlässig und robust erwiesen. Die Kombination aus einem kompakten Kolonnendesign, hocheffizienten Packungen mit einem sehr geringen Gesamtdruckabfall, fortschrittlicher Wärmeintegration und einer zuverlässigen und einfachen Anlagensteuerung ist sowohl im Hinblick auf die Investitions- als auch auf die Betriebskosten eine wirtschaftlich attraktive Lösung. Durch die nicht vorhandenen Emissionen und die Möglichkeit zur direkten Nutzung des gestrippten Ammoniaks als Dünger in Form von Ammoniumsulfat ist sie zudem sehr umweltfreundlich. Seit der Installation des neuen Abwasserreinigungsprozesses gedeihen die Ananasfelder in der Nähe der Anlage dank des gewonnenen Düngers noch besser. Die Luft sauber halten Ammoniak, das in die Luft gelangt, bildet mit anderen Emissionen einen Feinstaub, der tief in die menschliche Lunge eindringen und die Gesundheit gefährden kann. Neben der Gesundheitsgefährdung können Ammoniakemissionen schädliche Folgen für natürliche Ökosysteme haben, da sie wesentlich zur Überdüngung und Versauerung von Böden und Gewässern beitragen. (Quelle: Schweizer Bundesamt für Umwelt) Mit fortschrittlichen Abwasserreinigungsverfahren hilft Sulzer, Ammoniak-Emissionen zu vermeiden. Kontakt: Peter Fässler sulzertechnicalreview@sulzer.com Ammoniakkonzentration (Gew.-ppm) 300 4 Durch Anpassen der Betriebstemperatur können verschiedene Ammoniakkonzentrationen im gestrippten Abwasser erreicht werden. Die Abbildung zeigt die Ammoniakkonzentration im Abwasser bei einem Gebläse-Saugvolumen von 500 m3 Luft pro Tonne Abwasser bei 1,013 bar. 250 0.15 Gew.-% Ammoniakkonzentration im Zulauf 0.2 Gew.-% 0.25 Gew.-% 0.30 Gew.-% 200 150 100 50 0 55 60 65 70 75 80 Temperatur (°C) Sulzer Technical Review 3/2014 7