Beeinflussung der Bodenpreise durch staatliche Tätigkeit [1]

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Beeinflussung der Bodenpreise durch staatliche Tätigkeit [1]
DISP 129
10
1997
Christian Hilber
Die unsichtbare Umverteilung:
Beeinflussung der Bodenpreise durch staatliche Tätigkeit
1. Einleitung
Raumplanerische und andere wirtschaftspolitische Ziele können nur effektiv und
effizient realisiert werden, wenn die
staatlichen Entscheidungsträger über
die Wirkungen von geplanten staatlichen Massnahmen informiert sind. Eine
Wirkung bleibt jedoch oft unberücksichtigt: die Beeinflussung der Bodenpreise
durch staatliche Tätigkeit. Der Staat ist
nämlich nicht nur aktiver Teilnehmer auf
dem Bodenmarkt, sondern beeinflusst
die Bodenpreise auch durch Raumplanung, durch Verkehrsinfrastruktur oder
durch Fiskalpolitik. Staatliche Massnahmen werden dabei gewissermassen in
den Bodenwerten kapitalisiert [2]. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit diesem
in der Schweiz bisher kaum untersuchten Phänomen. Zunächst wird generell
erläutert, wie staatliche Tätigkeit die
Bodenpreise und damit die Immobilienpreise und Mieten verändert und von
welchen Faktoren diese Beeinflussung
abhängt. Mit Hilfe von empirischen
Untersuchungen ist es möglich, das Ausmass der Beeinflussung abzuschätzen.
Die wichtigsten Ergebnisse der empirischen Kapitalisierungsforschung werden kurz zusammengefasst. Schliesslich
werden die negativen Konsequenzen
beleuchtet, welche sich aus der – unbeabsichtigten – staatlichen Beeinflussung
der Bodenpreise ergeben, und es wird
eine Strategie zur Lösung der daraus
resultierenden Probleme aufgezeigt.
2. Theoretische Überlegungen
zur Kapitalisierung
Individuen wählen ihren Wohnort nicht
zufällig. Sie vergleichen die positiven
Standorteigenschaften (wie Angebot an
lokalen öffentlichen Leistungen) mit den
standortgebundenen Kosten (wie Wohnkosten, lokale Steuerbelastung oder
Pendlerkosten zum Arbeitszentrum). Sie
wählen folglich diejenige Gemeinde
aus, die ihre Wünsche am besten befriedigt. [3] Wenn die Wirtschaftssubjekte
ihre wahren Präferenzen für die Standorteigenschaften durch ihre Wanderungsentscheidung offenbaren, so muss
sich dies ceteris paribus im Wert der
Liegenschaften widerspiegeln: Erhöhen
sich nämlich die Nutzungsmöglichkeiten
respektive die Attraktivität eines Standortes infolge einer staatlichen Massnahme, so steigt die Zahlungsbereitschaft
für die Liegenschaft, und es kommt in
der Regel zu einer Zuwanderung. Die
höhere Nachfrage nach Wohnraum(nutzung) wiederum erhöht die Boden- und
Immobilienpreise sowie die Mieten. In
einer Welt ohne Wanderungskosten lohnt
es sich dabei für ein Individuum solange
in «attraktivere» Standorte abzuwandern,
bis die objektiven Attraktivitätsvorteile
exakt durch höhere Mieten kompensiert
werden. Im Gleichgewicht müssten die
Bodenwerte ceteris paribus die Standortattraktivität widerspiegeln. In Realität
wird eine vollständige Kompensation
jedoch durch vier Faktoren verhindert:
• Wanderungshemmnisse: Überlegt
sich ein Individuum, ob es seinen Wohnort wechseln möchte, so berücksichtigt
es nicht nur die objektiven Eigenschaften der alternativen Standorte wie
Besonnung oder Hanglage, Steuerhöhe
oder Wegzeit zum Arbeitsplatz, sondern es bezieht auch die Umzugskosten
in sein Entscheidungskalkül ein. Eine
Wanderung unterbleibt so möglicherweise, obwohl alternative Standorte für
ein Individuum attraktiver wären. Eine
sehr wichtige Rolle spielen zudem die
Kosten der Aufgabe eines bestehenden
sozialen Beziehungsnetzes, welche mit
dem Umzug verbunden sind. Bei Wanderungen innerhalb einer Gemeinde
sind diese zwar meist gering, sie wachsen jedoch mit zunehmender Wanderungsdistanz stark an.
• Staatliche Regulierungen: Damit die
Bodenrente respektive die Miete die
Unterschiede in der Standortattraktivität
ausgleicht, müssen sich die Preise flexibel anpassen können. Dies wird jedoch
teilweise durch Regulierungen verhindert. So führt beispielsweise die Mietzinsüberwachung dazu, dass die Mieten nicht mehr notwendigerweise die
tatsächliche Knappheit widerspiegeln.
Staatliche Massnahmen können zudem
dazu führen, dass mit einer geänderten
Nutzungsform ein höherer Nutzen respektive höhere Erträge erzielt werden
könnten. Die dazu notwendigen Umnutzungen werden jedoch häufig durch
starre Nutzungsvorschriften im Rahmen
der Zonenplanung unterbunden.
•
[1]
Mangelhafte Information: Aufgrund
mangelhafter Information der Wirtschaftssubjekte werden Unterschiede in
den Standorteigenschaften zwischen
den verschiedenen Gebietskörperschaften oft nicht wahrgenommen. Staatlichen Massnahmen, welche eine Verbesserung der Standortattraktivität zur Folge haben, fehlt oft die Signalwirkung,
weshalb Wanderungen unterbleiben.
• Anpassungen auf dem Arbeitsmarkt:
Unterschiede in den Standorteigenschaften können auch zu Anpassungen
auf dem Arbeitsmarkt führen. Wie ROBACK (1982) anhand eines allgemeinen
Gleichgewichtsmodells zeigt, gibt es –
sofern Firmen und Arbeitnehmer mobil
sind – einen zweiten Kapitalisierungsprozess, der sowohl den Boden- als
auch den Arbeitsmarkt zum Ausgleich
bringt. Standortunterschiede zwischen
Gebietskörperschaften können sich demnach auch im Lohnniveau kapitalisieren;
relative Standortvorteile werden also
zum Teil durch ein tieferes Lohnniveau
ausgeglichen. Die empirische Untersuchung von VOITH (1991) gelangt zu folgendem Ergebnis: Regionale Standorteigenschaften haben einen signifikanten
Einfluss auf den Lohnsatz und die Mieten. Lokale Standorteigenschaften hingegen beeinflussen nur die Mieten.
Durch die Beschreibung der mikroökonomischen Zusammenhänge ist die Frage nach dem quantitativen Ausmass
der staatlichen Bodenpreisbeeinflussung
freilich noch nicht beantwortet. Das Ausmass hängt nicht nur von den oben
beschriebenen Faktoren ab. Es wird
zusätzlich auch durch die langfristige
Angebotselastizität des Bodens (Ausdehnung des Angebots infolge von Einzonungen) und die Erwartungen über
die Wirkung und die Dauer einer
geplanten Massnahme bestimmt (HILBER
1997). Die Theorie kann lediglich die
Einflussfaktoren identifizieren. Die Frage nach dem quantitativen Ausmass
des staatlichen Einflusses auf die
Bodenpreise lässt sich jedoch nur mit
Hilfe von empirischen Untersuchungen
beantworten.
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3. Ergebnisse empirischer
Untersuchungen
Der Einfluss des Staates auf die Bodenund Immobilienpreise ist in den Vereinigten Staaten – und in geringerem
Masse auch in Europa und in der
Schweiz [4] – seit Jahrzehnten Gegenstand der wirtschaftswissenschaftlichen
Forschung. Die Untersuchungen beschränken sich dabei vorwiegend auf
drei Fragestellungen:
a) Welchen Einfluss hat die Zonenplanung (englisch: zoning) auf die
Landpreise?
b) Welchen Einfluss hat der Bau oder
die Verbesserung von Verkehrsinfrastruktur auf die Bodenpreise?
c) Kapitalisieren sich fiskalische Unterschiede zwischen Gebietskörperschaften in den Häuserpreisen?
Im folgenden werden die wichtigsten
empirischen Ergebnisse zu jeder dieser
Fragestellungen zusammengefasst:
Zonenplanung
Der Staat definiert durch die Festlegung
von Zonen und Ausnützungsziffern die
Nutzungsrechte auf einem Grundstück.
Die Zonenart bestimmt den erzielbaren
Bodenertrag und damit den Bodenpreis.
[5] So übersteigt der Preis für Wohnbauland denjenigen für Landwirtschaftsland in der Schweiz um zirka das
50–100fache. Der Einfluss der Höhe
der Ausnützungsziffern auf den Bodenpreis ist dagegen nicht so eindeutig: Einerseits lassen hohe Ausnützungsziffern
eine höhere Nutzungsintensität und damit höhere Bodenerträge pro Quadratmeter zu. Andererseits können gegenseitige Beeinträchtigungen mit zunehmender Nutzungsintensität ansteigen.
Zudem besteht eine sehr hohe Zahlungsbereitschaft für Gebiete mit tiefen Ausnützungsziffern, da diese ein hohes
Mass an Wohnqualität und Exklusivität
garantieren; es besteht also kein linearer Zusammenhang zwischen zugelassener Nutzungsintensität und erzielbarer Rente. Aufgrund von Datenproblemen ist es jedoch äusserst schwierig,
den Zusammenhang empirisch zu ermitteln.
Dass der Staat die Bodenpreise durch
die Festlegung der Nutzungsrechte im
wesentlichen mitbestimmt ist offensicht-
lich. Schwieriger zu beantworten ist jedoch die Frage, ob staatliche Intervention im Sinne von Zonenplanung einer
Marktlösung ohne jegliche Festlegung
von Nutzungsrechten vorzuziehen ist.
Aus wohlfahrtstheoretischer Sicht ist
staatliche Intervention im allgemeinen
dann gerechtfertigt, wenn ein Marktversagen vorliegt und durch die staatliche
Intervention (hier: Zonenplanung) die
Wohlfahrtsverluste auch tatsächlich reduziert werden. Zonenplanung ermöglicht einerseits eine Reduktion von
Marktversagen durch die Vermeidung
von gegenseitigen Nutzungsbeeinträchtigungen (Schaffung von Nutzungssicherheit) und durch die Bereitstellung
von öffentlichen Gütern (wie z. B. Erholungsgebieten) und erhöht dadurch den
Bodenpreis. Andererseits schränkt die
Festlegung von Nutzungsrechten die
potentiellen Nutzungsmöglichkeiten jedes Einzelnen ein und reduziert dadurch den Bodenpreis. Welcher Effekt
überwiegt, ist eine empirische Frage.
Dazu existiert eine umfangreiche empirische Literatur. [6] Besonders interessant ist die Untersuchung von SPEYRER
(1989) über Houston (Texas). Diese
Untersuchung lässt einen direkten Vergleich zu: Dort existieren neben Gebieten mit Zonenplanung solche, in denen
der freie Markt ohne Einschränkungen
spielt. Die Grundstückpreise in der
zweiten Kategorie sind niedriger. Das
zeigt, dass eine Zahlungsbereitschaft für
Planung besteht respektive dass die
durch Planung geschaffene Nutzungssicherheit einen Marktwert hat. Auch
andere empirische Untersuchungen in
den Vereinigten Staaten, in England und
Korea deuten auf diesen Befund hin
(EVANS 1996). Die Empirie legt somit
den Schluss nahe, dass staatliche
Zonenplanung einer «reinen» Marktlösung ohne jegliche staatliche Eingriffe
aus wohlfahrtstheoretischer Sicht überlegen ist.
Erschliessung durch Verkehrsinfrastruktur
Weitreichende Nutzungsrechte alleine
haben noch nicht notwendigerweise
hohe Bodenpreise zur Folge. Entscheidend ist die Erreichbarkeit respektive
die Erschliessung durch Verkehrsinfra-
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struktur. So zeigen verschiedene ökonometrische Studien, dass Unterschiede im
Wohnbaulandpreis und im Immobilienpreis zu einem wesentlichen Teil durch
die Wegzeit zum (Arbeits-)Zentrum innerhalb eines Gebietes erklärt werden
können. Die meisten Querschnittsanalysen gelangen zu hochsignifikanten Ergebnissen. [7] Folglich müssten sich
auch einzelne staatliche Massnahmen
zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur (z. B. die Erschliessung durch eine
S-Bahn-Station) im Bodenpreis niederschlagen. Wobei die Bodenpreise in
den besser erschlossenen Gebieten steigen müssten, diejenigen im Zentrum
dagegen eher sinken. In Regionen, in
denen der Desurbanisationsprozess
und die Dezentralisierung der ökonomischen Aktivitäten hingegen weit fortgeschritten ist, ist zu erwarten, dass sich
die Verbesserung relativ gleichmässig,
aber in geringem Ausmass in den Bodenpreisen niederschlägt (ANAS 1995).
Die Frage, wie sich die Bodenpreise an
den verschiedenen Standorten infolge
der Verbesserung entwickeln, ist somit
eine empirische. Die Auswirkungen von
Verbesserungen in der Infrastruktur auf
den Bodenpreis sind jedoch bisher
kaum empirisch untersucht worden:
VOITH (1993) gelangt in einer Untersuchung zwischen 1970 –1988 für Philadelphia zum Ergebnis, dass Transportsystem-Verbesserungen in den Häuserpreisen kapitalisiert werden. Wobei die
Bodenpreise in der Peripherie infolge
der besseren Erreichbarkeit stark gestiegen sind. Auch ZEMBRI-MARY (1996) stellt
in einer Fallstudie für die Eröffnung
eines Autobahnteilstücks in Frankreich
eine Kapitalisierung in den Bodenpreisen fest, wobei die Bodenpreissteigerungen ebenfalls örtlich differieren.
Fiskalische Unterschiede
Fiskalische Variablen wie Steuerhöhe
oder Angebot an lokalen öffentlichen
Leistungen sind eine wesentliche Determinante der Standortattraktivität einer
Gebietskörperschaft. Je vorteilhafter das
«fiskalische Paket», desto attraktiver
wird der Standort bewertet. Dies müsste
sich ceteris paribus auch in den Liegenschaftspreisen niederschlagen. OATES
(1969) versuchte dies als erster empi-
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risch nachzuweisen. Er konnte anhand
einer Querschnittsanalyse von Gemeinden in New Jersey zeigen, dass fiskalische Variablen eine Rolle in der individuellen Wohnortentscheidung spielen –
allerdings im Konzert mit anderen Variablen. An die Studie des Urvaters der Kapitalisierungsforschung reihte sich eine
grosse Anzahl weiterer empirischer Untersuchungen: Die überwiegende Mehrzahl dieser Studien stammt aus den Vereinigten Staaten und hat die Kapitalisierung der Realvermögensteuer (property
tax) sowie des Angebots an öffentlichen
Leistungen (gemessen anhand der Ausgaben für Bildung pro Schüler) in den
Häuserpreisen zum Gegenstand. Die
meisten Schätzergebnisse deuten dabei
auf eine signifikant positive Beziehung
zwischen dem Umfang an öffentlichen
Leistungen und den Häuserpreisen und
auf eine signifikant negative Beziehung
zwischen letzteren und dem Ausmass
der Steuerlast hin. [8]
Im Unterschied zu den Vereinigten
Staaten wird in der Schweiz auf kommunaler Ebene eine Steuer auf das Einkommen erhoben. Die beiden Steuern
(property tax und Einkommensteuer)
haben unterschiedliche ökonomische
Wirkungsmechanismen, weshalb die
Ergebnisse der amerikanischen Studien
nicht per se auf die Schweiz übertragen werden können. Für die Schweiz
ist die Kapitalisierung von fiskalischen
Unterschieden zwischen Gemeinden in
den Bodenwerten bislang nicht untersucht worden, ist aber Gegenstand der
derzeitigen Forschungsarbeiten des
Autors: In einer Querschnittsanalyse für
den Kanton Zürich wird untersucht, ob
sich fiskalische Unterschiede zwischen
den Gemeinden in den Boden- und
Immobilienwerten sowie in den Mieten
kapitalisieren. Die Untersuchung zeigt,
dass das Mass für das lokale öffentliche Leistungsangebot (Ausgaben für
Kultur und Freizeit) signifikant positiv
mit dem Immobilienpreis und den Mieten, nicht aber mit dem Bodenpreis
zusammenhängt. Der Steuersatz hängt
signifikant negativ mit dem Boden- und
Immobilienpreis sowie mit den Mieten
zusammen. Das Ergebnis der Studie
lässt zudem folgenden Zusammenhang
vermuten: Für hohe Einkommensklassen
lohnt es sich – trotz tieferer Mieten und
Liegenschaftspreise in den Hochsteuergemeinden – in steuergünstigere
Gemeinden abzuwandern (Steuersatz
und Durchschnittseinkommen einer
Gemeinde pro Kopf sind stark negativ
korreliert). Das dadurch verringerte
Steueraufkommen zwingt die Abwanderungskommunen wiederum, die Steuersätze weiter zu erhöhen. Dieser «Teufelskreis» führt vermutlich zu den grossen beobachteten fiskalischen Unterschieden zwischen den Gemeinden
(HILBER 1997). [9]
4. Negative Folgen der staatlichen
Beeinflussung der Bodenpreise
Wie gezeigt wurde, schlägt sich ein
wesentlicher Teil der staatlichen Tätigkeit
in den Bodenpreisen nieder. Dabei handelt es sich einerseits um die Anpassung
der Märkte an Nachfrage- und Angebotsverschiebungen als Reaktion auf die
Staatseingriffe. Andererseits werden
dadurch auch Verteilungswirkungen
generiert. Durch die Verbesserung oder
Verschlechterung der Nutzungsrechte
und durch die Erhöhung oder Senkung
der Standortattraktivität verändert sich
der Wert des Grundstücks und damit das
Vermögen der Liegenschaftsbesitzer,
ohne dass diese dafür spezielle Abgaben entrichten müssten respektive für die
Wertminderung entschädigt würden.
Diese Vermögensumverteilung bringt
nachteilige Folgen mit sich:
• Unbeabsichtigte Verteilungswirkungen: Die Vermögensumverteilung über
die Veränderung des Grundstückwerts
ist eine unbeabsichtigte Folgewirkung
staatlicher Tätigkeit. Wertsteigerungen
oder -minderungen sind somit nicht
durch den Eigentümer «verdient» worden. Da staatliche Massnahmen in der
Regel darauf hinauslaufen, die Standortattraktivität zu erhöhen, werden durch
staatliche Tätigkeit die Eigentümer meistens bessergestellt. [10] Da vermögende Personen einen überproportional
hohen Anteil an Eigentum besitzen, läuft
die staatlich verursachte Verteilungswirkung tendenziell in Richtung einer Umverteilung zugunsten reicherer Bevölkerungsschichten.
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• Wohlfahrtsverluste infolge Rent-seeking-Verhaltens und suboptimalen staatlichen Mitteleinsatzes: Bereits bei der
Erörterung von staatlichen Massnahmen
werden Erwartungen über mögliche
Bodenwertsteigerungen erzeugt. Diese
führen zu sogenanntem rent-seeking.
Das bedeutet, dass es sich für die Eigentümer lohnt, Mittel einzusetzen, um
beim Staat planungs- und infrastrukturbedingte Wertsteigerungen ihrer Grundstücke durchzusetzen. Ist ein Grossteil
der Wähler schlecht über diese Wirkungen informiert, so kann durch gezieltes
Lobbying eine Bodenwertsteigerung erzielt werden, ohne dass dies durch die
benachteiligte Bevölkerungsmehrheit unterbunden wird. Dieses Verhalten ist mit
Wohlfahrtsverlusten verbunden: Die Lobbying-Aktivitäten stellen aus volkswirtschaftlicher Sicht Ressourcenverschwendung dar und es besteht zudem die
Gefahr, dass der Staat auf Druck der
Interessengruppen seine Mittel suboptimal einsetzt.
5. Mehrwertabschöpfung oder
Bodenwertsteuer als Ausweg?
Durch die Abschöpfung der staatlich generierten Mehrwerte (respektive durch
den Ausgleich der Wertminderung)
könnten die unbeabsichtigten Verteilungswirkungen, die Rent-seeking-Anreize und der suboptimale staatliche Mitteleinsatz vermindert werden. Dazu kommen grundsätzlich zwei Instrumente in
Frage [11]: ein massnahmenspezifischer
Wertausgleich (Mehrwertabschöpfung
respektive Mindertwertausgleich) oder
eine Besteuerung des Bodenwertes. Es
stellt sich nun die Frage, wie diese
Instrumente zu beurteilen sind und ob
eine Einführung auch praktikabel wäre:
• Massnahmenspezifischer Wertausgleich: Die staatlich erzeugten Mehrwerte oder Wertminderungen werden
im Einzelfall (für eine spezifische staatliche Massnahme) mit Hilfe bestehender
ökonometrischer Schätzgleichungen der
Einflussfaktoren auf die Bodenpreise
ermittelt. Um die Staatsquotenneutralität
zu gewährleisten, können die Nettoeinnahmen entweder pauschal an die Bevölkerung zurückerstattet oder zur Senkung anderer Steuern verwendet wer-
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den. Da mit der Berechnung der staatlich bedingten Bodenwertveränderung
(Informationsbeschaffung und -verarbeitung) und der Administrierung Kosten
verbunden sind, muss zwischen diesen
Kosten und dem Nutzen des Einsatzes
des Instrumentes abgewogen werden.
Der Einsatz ist vermutlich nur bei Grossprojekten (z. B. beim Bau von S-BahnStrecken) oder bei Massnahmen mit
ausgeprägter lokaler Wirkung auf die
Standorteigenschaften (z. B. beim Bau
einer Lärmschutzwand) sinnvoll.
• Bodenwertsteuer: Als Alternative dazu kommt die generelle Besteuerung des
tatsächlichen Bodenwertes in Betracht.
Die Idee ist folgende: Erhöht sich der
Bodenwert infolge staatlicher Tätigkeit,
so wird im Verlauf der Jahre die Wertsteigerung über die jährliche Besteuerung abgeschöpft, wobei der Grad der
Abschöpfung durch die Festlegung der
Höhe des Steuersatzes bestimmt werden
kann. Umgekehrt werden staatlich bedingte Wertminderungen des Bodens
durch eine tiefere Steuerbelastung ausgeglichen. Die Einnahmen der Steuer
können ebenfalls pauschal an die Bevölkerung zurückerstattet oder zur Senkung
anderer Steuern verwendet werden. Der
Vorteil der Bodenwertsteuer gegenüber
einem massnahmenspezifischen Instrument ist, dass sie «automatisch» – das
heisst ohne Berechnung im Einzelfall –
für eine Mehrwertabschöpfung respektive einen Minderwertausgleich sorgt. So
bestechend die Idee auf den ersten Blick
erscheinen mag, bei genauerer Analyse
zeigen sich gravierende Probleme:
Erstens werden die tatsächlichen Bodenwerte nur bei einer Handänderung
«sichtbar». Es müssten folglich mit Hilfe
von ökonometrischen Verfahren die Bodenwerte für alle Grundstücke geschätzt
werden, wozu ein erheblicher Informationsbeschaffungs- und -verarbeitungsaufwand erforderlich wäre. Ein weiteres
Problem ist, dass der Bodenpreis sowie
die Bodenpreisänderungen nicht ausschliesslich auf staatliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, sondern
auch durch private Akteure beeinflusst
werden. Ist der Zweck der Steuer die
Verhinderung der durch den Staat verursachten Umverteilung, so müsste nur
derjenige Anteil am Bodenwert respekti-
ve am Wertzuwachs besteuert werden,
der durch den Staat beeinflusst wird.
Die Bodenwertsteuer besteuert jedoch
auch
private
Anstrengungen
zur
Erhöhung des Bodenwertes und setzt
somit
negative
Verhaltensanreize.
Schliesslich muss bei der Festsetzung
des Steuersatzes (zur Vermeidung der
Umverteilungswirkungen) auch berücksichtigt werden, dass die Bodenwertsteuer selbst die Bodenpreise beeinflusst. Dies erschwert die Berechnung
des optimalen Steuersatzes. Die Einführung einer Bodenwertsteuer wäre
also nicht eine «erstbeste» Lösung. Trotz
aller Probleme ist die Bodenwertsteuer
jedoch nicht von vornherein abzulehnen. Die Steuer hat möglicherweise
andere – hier nicht besprochene – Vorteile (wie z. B. die steuerliche Entlastung
des Produktionsfaktors Arbeit), welche
die Einführung aus anderen Gründen
sinnvoll erscheinen lässt. [12]
Das grundsätzliche Problem, das sowohl mit dem massnahmenspezifischen
Wertausgleich als auch mit der Bodenwertsteuer verbunden ist, ist die mangelhafte Information. Es ist aus ökonomischer Sicht aber nicht sinnvoll (und infolge fehlenden Wissens auch nicht möglich), den Einfluss des Staates auf die
Bodenpreise absolut exakt zu ermitteln,
denn zusätzliche Genauigkeit wird
durch zusätzliche Informationsbeschaffungs- und -verarbeitungskosten erkauft.
Für die Einführung der Instrumente genügt es, wenn mit Hilfe von Schätzgleichungen zuverlässige Grössenordnungen über den Einfluss des Staates auf
die Bodenpreise ermittelt werden können. Voraussetzung dazu ist in jedem
Fall die Kenntnis von desaggregierten
Bodenpreisdaten. Gerade in diesem
Bereich kann jedoch in der Schweiz ein
gravierendes Problem geortet werden.
Lediglich sechs Kantone erheben Bodenpreisdaten, die mit wenigen Ausnahmen
nur hochaggregiert veröffentlicht werden. Die Öffentlichkeit und die staatlichen Entscheidungsträger sind somit –
im Gegensatz zu Hauseigentümer- und
Immobilienhändlerverbänden – nur sehr
ungenügend über die Bodenpreise informiert. Auch über die Wirkungen von
staatlichen Massnahmen auf die Bodenpreise ist der Allgemeinheit nur wenig
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bekannt – ideale Voraussetzungen also
für Rent-seeking-Aktivitäten.
6. Schlussfolgerung
Zusammenfassend kann festgehalten
werden, dass zur Behebung der Mängel, die sich aus der Kapitalisierung ergeben, geeignete Instrumente zwar existieren. Die Einführung scheitert jedoch
an der mangelhaften Information. In einer «zweitbesten» oder «realen» Welt
(in der Unsicherheit über die genauen
Auswirkungen von staatlicher Tätigkeit
besteht) sind aber trotzdem sinnvolle
Massnahmen denkbar, die zu einer Verringerung – wenn auch nicht zu einer
Beseitigung – der Wohlfahrtsverluste
führen können. Es kann nämlich sinnvoll
sein, «massvolle» Massnahmen zu ergreifen, die vorsichtig in die richtige
Richtung zielen und damit Effizienzverluste mit allergrösster Wahrscheinlichkeit vermindern. Wie ein solches Vorgehen aussehen könnte, wird im folgenden kurz skizziert: Die Datengrundlagen werden gesamtschweizerisch erheblich verbessert. Dabei werden nebst
den Bodenpreisdaten zusätzlich die
noch nicht vorhandenen Daten über die
relevanten Standorteigenschaften erhoben. Die Bodenpreisstatistik wird so
konzipiert, dass die Bodenpreisdaten
mit Daten anderer Statistiken verknüpft
werden können. Die Gesetze sollten so
geändert werden, dass der Zugang zu
diesen Informationen allen Interessierten
offen steht und auch desaggregierte
Daten veröffentlicht werden.
Bereits die Veröffentlichung kann zu
einer Verringerung von Rent-seeking-Aktivitäten beitragen. Durch die verbesserte Information der staatlichen Entscheidungsträger und der Wählerschaft wird
nämlich der Handlungsspielraum der
potentiellen Lobbyisten eingeschränkt.
Die bessere Zugänglichkeit zu Informationen erhöht darüber hinaus die Vergleichbarkeit verschiedener Standorte
und reduziert die Suchkosten der Individuen und Unternehmungen nach geeigneten Standorten. Dies erhöht die Allokationseffizienz, da vermehrt gegenseitig vorteilhafte Tauschhandlungen zustande kommen. Schliesslich ermöglicht
die Verbesserung der Datengrundlagen
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längerfristig, staatlich erzeugte Mehrwerte zuverlässiger zu ermitteln. Mit
Hilfe einer institutionalisierten massnahmenspezifischen Mehrwertabschöpfung
respektive eines Minderwertausgleichs,
allenfalls auch mit einer Bodenwertsteuer könnte sodann die Vermögensumverteilung als «Nebeneffekt staatlicher
Massnahmen», und als Folge davon
auch der Anreiz der Betroffenen, rentseeking zu betreiben, verringert werden. Dabei ist pragmatisch vorzugehen:
Die staatlich erzeugten Wertänderungen werden möglichst genau berechnet,
wobei auf absolute Exaktheit wegen
den damit verbundenen Informationskosten verzichtet wird. In einem zweiten
Schritt wird ein bestimmter Anteil der
berechneten Wertänderung (der deutlich unter 100 Prozent liegt) ausgeglichen. Den mit der Informationsbeschaffung verbundenen Erhebungs- und Verarbeitungskosten steht somit ein beträchtlicher Gegenwert gegenüber, nämlich
ein Beitrag zur effizienten Zuteilung und
Nutzung des Bodens als knapper Ressource.
Anmerkungen
[1] Dieser Beitrag entstand im Rahmen eines
Forschungsprojektes für das Bundesamt für
Raumplanung am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum WWZ. Ich danke René L.
Frey, der dieses Thema angeregt hat. Für
wertvolle Kommentare zu diesem Beitrag
danke ich Aymo Brunetti, Frank Dietler, Patricia Funk und Stefan Schaltegger. Die Diskussionen mit Sabine Mayer, die parallel einen
Beitrag in der vorliegenden Ausgabe des
DISP veröffentlicht, waren eine grosse Bereicherung.
[2] In der ökonomischen Literatur wird in
diesem Zusammenhang von Kapitalisierung
gesprochen. Dabei wird unterschieden zwischen Querschnittskapitalisierung (Unterschiede in den Standorteigenschaften kapitalisieren sich in unterschiedlichen Boden- und
Häuserpreisen) und komparativ-statischer
Kapitalisierung (Der Nutzen respektive die
Kosten, die durch eine staatliche Massnahme
verursacht werden, kapitalisieren sich in den
Boden- und Häuserpreisen). Eine Übersicht
über den Stand der theoretischen und empirischen Kapitalisierungsforschung vermittelt
Chaudry-Shah (1988).
[3] Diese Sichtweise geht auf Tiebout
(1956) zurück. Er wies als erster darauf hin,
dass Konsumenten ihre wahren Präferenzen
für lokale öffentliche Güter durch das «Abstimmen mit den Füssen» offenbaren.
[4] In der Schweiz existieren zwar einige
wenige Untersuchungen über die Bestimmungsfaktoren der Bodenpreise (siehe z. B.
Kuster-Langford 1989). Der Einfluss des Staates auf die Bodenpreise wird im Rahmen dieser Studien erörtert. Dagegen fehlen bisher
Untersuchungen, welche die Kapitalisierung
von fiskalischen Unterschieden oder von spezifischen staatlichen Massnahmen zum Gegenstand haben.
[5] Vergleiche dazu die empirischen Ergebnisse von Blaas & Davy (1997, 14 ff.) für
Österreich.
[6] Siehe z. B. Mills & Oates (1975). Eine
gute Übersicht über die neueren Entwicklungen gibt Evans (1996). Übersichten zur empirischen Literatur in den Vereinigten Staaten
vermittelt Pogodzinski & Sass (1991).
[7] Vgl.
beispielsweise
Kuster-Langford
(1989), Bökemann & Feilmayer (1994),
Bignasca et al. (1996) oder Hilber (1997).
[8] Siehe dazu z. B. King (1977) und Reinhard (1981). Diese Studien haben die Kapitalisierung der property tax in den Häuserpreisen zum Gegenstand. Das Ausmass der
Kapitalisierung der property tax in den Häuserpreisen reicht je nach Studie von 67 Prozent (King 1977) bis 145 Prozent (Reinhard
1981).
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[9] Vgl. dazu auch Frey (1995, 302 ff.).
[10] Falls sich jedoch durch staatliche Massnahmen verursachte Verbesserungen der
Standortattraktivität infolge strenger Mietzinsüberwachung nicht in den Mieten niederschlagen können, so werden die Mieter –
und nicht die Eigentümer – bessergestellt.
[11] Zur Idee der Bodenwertsteuer und
der Mehrwertabschöpfung siehe Andelson
(1992) und Albers (1996). Als Alternative
wäre auch eine «Planung durch Verhandlung» denkbar. Siehe dazu den Beitrag von
Mayer in diesem DISP.
[12] Die Frage nach der optimalen Höhe des
Steuersatzes sowie die Frage, wie eine solche
Steuer aus finanzwissenschaftlicher, wohlfahrtsökonomischer und politisch-ökonomischer Sicht zu beurteilen ist, ist Gegenstand
der gegenwärtigen Forschungsarbeiten des
Autors im Rahmen seiner Dissertation.
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