Erfahrungsbericht - Universität Heidelberg

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Erfahrungsbericht - Universität Heidelberg
Erfahrungsbericht
Austauschstudium am King’s College London
Studiengang: Rechtswissenschaften
Zeitraum: 2012/2013
Johannes Maurer
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Inhaltsverzeichnis
I.
Allgemeines .............................................................................................................. 1
1.
Motivation / Hintergrund ........................................................................................ 1
2.
ERASMUS oder LL.M.? ........................................................................................ 1
3.
ERASMUS in Großbritannien / London ................................................................. 2
4.
Bewerbung ............................................................................................................ 3
5.
Finanzierung / Stipendien...................................................................................... 4
6.
Anreise.................................................................................................................. 5
II.
Leben in London ....................................................................................................... 6
1.
Wohnungsmarkt .................................................................................................... 6
2.
Administratives...................................................................................................... 7
3.
Transport............................................................................................................... 8
4.
Freizeit .................................................................................................................. 8
III.
Studium / Universität ............................................................................................10
1.
Allgemeines..........................................................................................................10
2.
Einführungsveranstaltungen.................................................................................12
3.
Literatur / Bibliotheken..........................................................................................12
4.
Studienstruktur .....................................................................................................13
a)
Vorlesungen .....................................................................................................13
b)
Tutorials ...........................................................................................................13
c)
Research Seminars..........................................................................................13
d)
Prüfungen.........................................................................................................14
5.
Certificate in Legal Studies...................................................................................14
6.
Eigene Kurse........................................................................................................15
7.
IV.
a)
Public Law........................................................................................................16
b)
Contract Law ....................................................................................................17
c)
European Law ..................................................................................................18
d)
Competition Law...............................................................................................19
Clubs & Societies .................................................................................................19
Fazit .....................................................................................................................22
I.
Allgemeines
1.
Motivation / Hintergrund
Zu Beginn meines Studiums war ich persönlich etwas skeptisch, was die
Sinnhaftigkeit eines Austauschstudiums in meinem Studienfach angeht, zumal der
direkte fachliche Nutzen für das Jurastudium in Deutschland meistens gering ist
und oftmals auch kein irgendwie gearteter akademischer Titel erworben werden
kann. Je mehr ich mich jedoch mit der Sache befasste, desto schneller wurden
meine anfänglichen Vorbehalte widerlegt. Dennoch war es mir stets ein Anliegen,
mein Auslandsstudium möglichst sinnvoll zu nutzen. Aus diesem Grund war für
mich relativ schnell klar, dass ich in ein englischsprachiges Land gehen wollte, da
eine fundierte Englischkenntnis insbesondere für wirtschaftsrechtlich interessierte
Juristen heutzutage unerlässlich ist. Hinzu kommt, dass ein nicht unwesentlicher
Teil der Rechtssysteme dieser Welt dem common law entstammt, so dass
zumindest eine Grundkenntnis desselben sehr von Vorteil sein kann. Und
schließlich hatte ich auch schon in der Vergangenheit Gefallen an der
angelsächsischen Mentalität und Lebensweise gefunden. Aus diesen Gründen fiel
meine Wahl schließlich auf das King’s College London, für das von der
Juristischen Fakultät Heidelberg zwei1 Austauschstudienplätze angeboten werden.
Und natürlich hatte dies für mich auch den besonderen Reiz, vor der
Examensvorbereitung ein unverbindliches und entspanntes Studienjahr in der
Weltstadt London verbringen zu können.
2.
ERASMUS oder LL.M.?
Insbesondere im Hinblick auf ein Auslandsstudium in einem englischsprachigen
Land stellt sich für Juristen die Frage, ob man noch während des Studiums etwa
über das ERASMUS-Programm dort hingeht oder ob man lieber bis nach dem 1.
Staatsexamen wartet, um dann gleich einen Master of Laws (LL.M.) zu
absolvieren. Auch ich habe mir vor allem zu Beginn meiner
Auslandsstudienplanungen diese Frage gestellt. Als Orientierungshilfe dürften
folgende Überlegungen hilfreich sein:
Bei beiden Optionen dürften wohl in erster Linie der Erwerb einer
(fachspezifischen) Englischkenntnis sowie ein Kennenlernen des common law im
Vordergrund stehen. Eine vertiefte dauerhafte Fachkenntnis im jeweiligen
ausländischen Recht wird man hingegen wohl in keinem der beiden Fälle
erlangen, sofern man nicht ein spezialisiertes LL.M.-Programm belegt oder gar
einen Berufseinstieg im entsprechenden Land anstrebt. Allerdings lässt sich
sicherlich sagen, dass ein LL.M.-Titel mehr Prestige aber auch höhere Kosten mit
1
Zumindest wurden damals für das Jahr 2012/2013 zwei Plätze ausgeschrieben. Letztendlich
wurden aber drei Leute aus Heidelberg nach London geschickt.
1
sich bringt. Meine (theoretischen) Studiengebühren von immerhin 9.000 GBP pro
Jahr wurden hingegen vollständig durch das ERASMUS-Programm finanziert.
Auch dürfte das Niveau der LL.M.-Kurse eher auf die Bedürfnisse von
fortgeschrittenen Studenten zugeschnitten sein. Als ERASMUS-Austauschstudent
kann man hingegen nur die regulären Undergraduate-Kurse belegen, in denen
man unter Umständen mit Erstsemestern zusammensitzt.
Rückblickend bin ich persönlich mit meiner Wahl durchaus zufrieden, da ich über
die ERASMUS-Option vergleichsweise günstig ein Jahr in England studieren
konnte. Zwar habe ich keinen LL.M. erworben, dafür bekommt man als
Austauschstudent am King’s College London aber immerhin ein Certificate in
Legal Studies (siehe unten). Und letztendlich schließt ein Austauschstudium einen
späteren LL.M.-Erwerb auch keineswegs aus – im Gegenteil: die zuvor
erworbenen Erkenntnisse könnten im Hinblick auf die Wahl eines speziellen
LL.M.-Programms mitunter sehr hilfreich sein.2
3.
ERASMUS in Großbritannien / London
Während man sich in Kontinentaleuropa zumindest bis vor ein paar Jahren noch
irgendwie als europäische Familie gefühlt hatte, haben die Briten seit jeher ein
sehr viel weniger emotionales Verhältnis zu Europa und insbesondere der
Europäischen Union. Mit der Eskalation des Streits um das EU-Budget sowie die
aufflammende Debatte über einen möglichen EU-Austritt des Vereinigten
Königreichs gab es dann auch während der Dauer meines ERASMUS-Studiums
einige Dinge, die es zumindest fraglich erscheinen ließen, ob selbiges Programm
in Zukunft (in Großbritannien) noch existieren würde. Interessanterweise nimmt
man aber auch selbst mit der Zeit eine etwas weniger europafixierte Perspektive
ein. Dies mag mit der in Großbritannien und insbesondere in London
allgegenwärtigen Internationalität zu tun haben, wodurch man sich beispielsweise
den USA oder den Ländern des Commonwealth zumindest gleich nahe fühlt wie
dies in Bezug auf andere europäische Staaten der Fall sein mag. Zudem ist es
auch rein gar nichts Besonderes, als Ausländer in Großbritannien zu studieren entsprechend international war die Studienatmosphäre am King’s College London.
Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass man dort als Austauschstudent keinerlei
Bonus oder Sonderbehandlung erfährt - man studiert im Prinzip ganz regulär für
zwei Semester dort. Dass man am Ende dieser Zeit dann ein Certificate in Legal
Studies erhält, macht die Sache zudem noch etwas verbindlicher und sorgt für
zusätzliche Motivation.
2
Vgl. hierzu insbesondere Hies, M. (Hrsg.), Der LL.M. – Das Expertenbuch zum Master of Laws
(2013).
2
Hinzu kommt, dass es jedenfalls in London keine wirkliche ERASMUS-Community
– d.h. eine mehr oder weniger etablierte Gruppe von Austauschstudenten, die sich
fortlaufend trifft und gemeinsame Aktivitäten unternimmt – gibt. Dies mag vor
allem daran liegen, dass London an sich einfach zu groß ist und sich daher alles
recht schnell verläuft. Zudem lädt das englische Wetter - im Gegensatz zu
demjenigen in südeuropäischen Ländern - nicht gerade dazu ein, abends in
gemütlicher Runde auf einem belebten öffentlichen Platz den Sonnenuntergang zu
genießen. Dafür gibt es in London sehr viele andere Dinge, die man anderswo in
dieser Form wohl kaum vorfinden wird.
Das typische ERASMUS-Studentenleben, wie man es vielleicht aus diversen
Geschichten und Erzählungen zu kennen meint, hat man aber in London
jedenfalls nicht.
4.
Bewerbung
Die zwei Austauschplätze am King’s College London dürften wohl eine der
attraktivsten Optionen unter den in Heidelberg für Juristen zur Auswahl stehenden
ERASMUS-Plätzen darstellen. Sicherlich kann man auch an vielen anderen
Studienorten gewinnbringende Erfahrungen sammeln – die eingangs genannten
Punkte machen ein Studium in England dann aber noch einmal besonders
attraktiv. Dementsprechend sind die Hürden, die es für eine erfolgreiche
Bewerbung zu nehmen gilt, auch recht hoch. Von den vier Teilen der Bewerbung
(Abiturzeugnis, Sprachtest, Motivationsschreiben, Studiumsnoten) dürften Letztere
dürften meiner Erfahrung nach am wichtigsten sein. Dies liegt wohl daran, dass
das Abiturzeugnis und der Sprachtest3 oftmals ohnehin im oberen Bereich der
Notenskala angesiedelt sein dürften. Das Motivationsschreiben ist wiederum sehr
subjektiv und kann vermutlich nur bei besonders qualifizierenden Aspekten einen
zusätzlichen positiven Ausschlag geben. Nichtsdestotrotz sollte aber auch hier
einiges an Arbeit investiert werden.
Zudem sollte man sich des Umstands bewusst sein, dass die ERASMUS-Plätze
an der Juristischen Fakultät nach einem Modus vergeben werden, der einen unter
Umständen zum Zocken zwingt. Die Zweitwahlen werden nämlich erst dann
berücksichtigt, nachdem alle Erstwahlen zugeteilt wurden. Da jedoch für die
attraktiven Studienorte meist alle Plätze per Erstwahl vergeben werden, kann es
passieren, dass man mit an sich guten Noten nicht einmal mehr in eines seiner
3
Sofern man eine Bewerbung für einen Studienplatz an einer der englischen Universitäten in
Erwägung zieht, sollte man den Sprachtest lieber heute als morgen ablegen. Vom ERASMUS-Büro
wird nur das DAAD-Sprachzeugnis akzeptiert, das an einem der in der Ausschreibung genannten
Einrichtungen in Heidelberg erlangt werden kann. Meistens gibt es hier für die Englischtests recht
lange Wartefristen – der Test an sich ist hingegen recht einfach und sollte auch mit
Abiturientenenglisch gut machbar sein.
3
Wunschländer kann, sofern man mit seiner Erstwahl auch nur knapp gescheitert
ist.
Als Alternative käme grundsätzlich noch in Frage, sich als Freemover direkt an
einer englischen Universität zu bewerben. Die Studiengebühren könnte man dann
gegebenenfalls über Stipendien abdecken. Allerdings dürfte diese Option seit
deren Anhebung auf 9.000 GBP pro Jahr recht unattraktiv geworden sein, zumal
insofern der finanzielle Unterschied zum LL.M. auch nicht mehr groß ist. Daneben
besteht meines Wissens grundsätzlich noch die Möglichkeit, sich über das
ERASMUS-Programm einer anderen Fakultät seiner Heimatuniversität nominieren
zu lassen. Allerdings geht dies wohl erst, nachdem allen eigenen Bewerbern der
jeweiligen Fakultät ein Platz zugeteilt wurde.
Hat man einen der Heidelberger ERASMUS-Plätze ergattert, so bekommt man ca.
Anfang/Mitte April vom King’s College eine Kurswahlbroschüre sowie ein
entsprechendes Formular dazu. Ende August folgt dann noch eine E-Mail mit den
Login-Daten für die student records, über die man sich vorab online
immatrikulieren kann.
Für reichlich Verwirrung sorgte in meinem Fall eine E-Mail des King’s College
Anfang Mai, in der ich noch einmal zu einer formalen Bewerbung samt transcript
of records, letter of motivation und letter of recommendation innerhalb kürzester
Frist aufgefordert wurde. Zwar konnte ich dies mit großem Aufwand letztendlich
bewerkstelligen – zu meiner Überraschung ließ mich das admissions office dann
aber wissen, dass diese zusätzliche Bewerbung gar nicht mehr nötig gewesen
wäre. Auf meine Rückfrage, warum ich dann überhaupt per E-Mail dazu
aufgefordert worden war, habe ich bis heute keine schlüssige Antwort erhalten.
Auch im ERASMUS-Büro in Heidelberg hat die ganze Sache mehr Durcheinander
als Klarheit geschaffen - letzten Endes hat dann aber doch alles irgendwie
geklappt. Sollte dasselbe Problem also auch in Zukunft auftreten, so würde ich
empfehlen, zunächst eine definitive Klärung von Seiten des admissions office des
King’s College einzufordern.
5.
Finanzierung / Stipendien
Da ein Studienjahr in London trotz Studiengebührenerlass und ERASMUSZuschuss nach wie vor eine kostspielige Angelegenheit ist, sollte man sich nach
zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten umsehen. Allerdings gilt es hierbei zu
beachten, dass viele Stipendien entweder mit dem ERASMUS-Programm
unvereinbar sind oder zumindest auf dieses angerechnet werden.
Meinen Nachfolgern würde ich persönlich eine Bewerbung um ein Stipendium
eines der deutschen Begabtenförderwerke (Studienstiftung des deutschen Volkes
/ partei- und wirtschaftsnahe bzw. konfessionelle Stiftungen etc.) sehr empfehlen.
4
Bei diesen erhält man zusätzlich zum Büchergeld von monatlich 300 € noch einen
Auslandszuschlag, der den ERASMUS-Zuschuss auf insgesamt 300 € monatlich
erhöht. Daneben gibt es auch noch Stipendien des DAAD sowie eine Reihe
anderer Förderprogramme, bei denen man eine Bewerbung nicht unversucht
lassen sollte.
Zusätzlich haben solche Stipendien den Vorteil, dass man neben der finanziellen
Unterstützung auch gleich eine persönliche Anbindung an die Stipendiatengruppe
vor Ort erhält. Diese unternimmt in regelmäßigen Abständen gemeinsame
Aktivitäten in und um London. Zudem gibt es einmal jährlich ein Auslandstreffen
aller Stipendiaten des jeweiligen Förderwerkes, die in Großbritannien studieren.
Ich selbst konnte diese Vorteile über die Konrad-Adenauer-Stiftung und die
Studienstiftung des deutschen Volkes gleich in zweifacher Hinsicht auskosten,
was meinen Auslandsaufenthalt durch sehr viele Facetten und Erlebnisse
bereichert hat, die ich im Nachhinein nicht missen möchte.
6.
Anreise
Neben der naheliegenden Anreisemöglichkeit per Flugzeug möchte ich nur kurz
auf Folgendes hinweisen: Mit dem London Spezial der Deutschen Bahn kann man
unter Umständen schon ab 59 € nach London reisen. Das kann sich vor allem für
die An- und Abreise lohnen, da man bei einer Zugfahrt naturgemäß keine
Gewichtsbeschränkung beim Gepäck hat.
5
II.
Leben in London
1.
Wohnungsmarkt
Eine brauchbare Unterkunft in London zu finden kann mitunter äußerst schwierig
sein. In den letzten Jahren hat sich die ohnehin schon angespannte Lage auf dem
Londoner Wohnungsmarkt noch weiter verschärft. Zudem sind die Mietpreise und
übrigen Lebenshaltungskosten4 nochmals eine Dimension höher, als man das
beispielsweise aus Heidelberg kennt. Andererseits ist der Wohnungsmarkt aber
auch recht schnelllebig, sodass man innerhalb kurzer Zeit ein Zimmer oder eine
Wohnung finden kann, sofern man entsprechend flexibel ist. Angebote sind über
die einschlägigen Internetseiten zu finden (z.B. www.spareroom.co.uk /
www.gumtree.com).
Als Alternative kommen die Wohnheime des King’s College London sowie die
Intercollegiate Halls der University of London in Betracht, von denen viele sehr
zentral gelegen sind. Hierfür kann man sich über ein Online-Portal des King’s
College bewerben, wobei man eine Präferenzauflistung der Wohnheime (und ggf.
Zimmertypen) anzugeben hat. Als ERASMUS-Student hat man hier jedoch keinen
garantierten Anspruch auf einen Platz, sodass man sicherheitshalber schon einen
Alternativplan parat haben sollte. Preislich gesehen dürfte ein Wohnheimszimmer
die günstigste Möglichkeit sein, vergleichsweise zentral in London zu wohnen.
Allerdings sind manche der Wohnheime schon etwas älter und dementsprechend
abgewohnt.5
Zudem sollte man bedenken, dass in den Wohnheimen fast ausschließlich first
year students (bzw. „Freshers“) wohnen, da dies in Großbritannien im ersten
Studienjahr so üblich ist. Da diese meist erst 17 oder 18 Jahre alt und mit der
neugewonnen Unabhängigkeit insbesondere zu Beginn des Studienjahres noch
sehr überfordert sind, sollte man sich auf dementsprechend turbulente Situationen
gefasst machen. Andererseits bieten die Wohnheime aber auch eine gute
Möglichkeit, um andere Studenten aus der ganzen Welt kennenzulernen - meine
4
Kleiner Vorgeschmack: Cziesche, D., Was kostet die Welt? London, toll und teuer, UNISpiegel
vom 07.08.2007 (http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/was-kostet-die-welt-london-toll-undteuer-a-498084.html).
5
Am beliebtesten dürfte wohl das Wohnheim Stamford Street Apartments sein, da sich dieses
direkt gegenüber dem Waterloo Campus befindet. Das Wolfson House befindet sich hingegen am
Guy’s Campus in der Nähe der London Bridge.. Ich selbst habe in Moonraker Point gewohnt, das
nagelneu aber auch dementsprechend teuer war. Die übrigen KCL-Wohnheime dürften auch alle
mehr oder weniger zentral gelegen sein – nur Hamstead Residence befindet sich etwas weiter
weg. Die Intercollegiate Halls der University of London sollte man ernsthaft in Erwägung ziehen, da
manche von diesen äußerst zentral gelegen sind. Hier muss man aber beachten, dass viele von
diesen catered halls sind – d.h. man hat keine eigene Küche sondern bekommt seine Mahlzeiten
zu bestimmten Tageszeiten im Speisesaal.
6
Mitbewohner stammten beispielsweise aus China, Singapur, Finnland und
Griechenland.
Alles in allem sollte man wohnungstechnisch in London nicht allzu wählerisch sein
und nehmen, was man bekommen kann. Preislich muss man wohl mit ca. 150
GBP pro Woche rechnen.
2.
Administratives
Gleich nach dem Einzug sollte man sich schleunigst um eine Befreiung von der
council tax kümmern, da man ansonsten ca. 2.000 GBP zusätzlich zu bezahlen
hat. Sofern man im Wohnheim wohnt genügt es meistens, an der dortigen
Rezeption einen confirmation of study letter einzureichen. Sofern man in einer
privaten Unterkunft wohnt, müssen zusätzlich noch einige andere Formulare
ausgefüllt und beim Council des jeweiligen Boroughs eingereicht werden. Den
bereits erwähnten confirmation of study letter sowie alle anderen etwa für die
ERASMUS-Förderung
notwendigen
Dokumente
bekommt
man
beim
Servicecenter The Compass, das auf jedem Campus des King’s College London
ein Büro unterhält.
Diese Studienbescheinigung ist zudem notwendig, um ein Bankkonto zu eröffnen.
Bei The Compass gibt es auch eine Broschüre, in der einige kostenlose
Bankkonten aufgelistet werden. Zur Eröffnung des Kontos braucht man dann
unbedingt den besagten confirmation of study letter, um seine Adresse
nachzuweisen. In Großbritannien gibt es nämlich kein dem deutschen
Personalausweis vergleichbares Dokument. Dass man seine Londoner Anschrift
zuvor selbst über die student records angegeben hat und die Bescheinigung
letztendlich nur Selbiges bestätigt, macht die ganze Sache zwar etwas widersinnig
– notwendig ist die Bescheinigung aber trotzdem. Bei der Wahl des Bankkontos
sollte man unbedingt darauf achten, dass man keine monatliche Gebühr zu zahlen
hat. Ansonsten dürfte die bei Auslandsabhebungen vom deutschen Bankkonto zu
zahlende Gebühr mitunter niedriger sein. Gegebenenfalls besteht bei der
deutschen Heimatbank auch eine Kooperation mit einer britischen Bank, sodass
dies völlig kostenfrei möglich ist und somit erst gar kein separates britisches
Bankkonto eröffnet werden muss.
Um während seines Großbritannienaufenthaltes Krankenversicherungsschutz zu
genießen, muss man sich beim National Health Service (NHS) registrieren. Da
dieser aus Steuermitteln finanziert wird, hat man als EU-Bürger auch keinerlei
Gebühr zu entrichten. Alle notwendigen Informationen hierzu erhält man direkt im
King’s College NHS Health Centre am Strand Campus.
7
3.
Transport
Als Student kann man sich unter www.tfl.gov.uk eine Student Oyster Card
beantragen, mit der man vergünstigte Dauerkarten6 für die öffentlichen
Verkehrsmittel erhält. Daneben gibt es seit einiger Zeit an fast jeder Straßenecke
im Zentrum Londons Dockingstationen, an denen die sog. Barclays Bikes (auch:
Boris Bikes7) gemietet werden können. Gegebenenfalls kann sich hier auch ein
Jahresabo für derzeit 90 GBP lohnen.
Außerhalb Londons und innerhalb Großbritanniens ist meiner Meinung nach der
Zug das vorzugswürdige Transportmittel. Von London aus gibt es in alle größeren
Städte Direktverbindungen. Sofern man längere Zugfahrten plant, empfiehlt es
sich, die Tickets rechtzeitig vorher zu buchen, da die Preise in den Wochen vor
der geplanten Reise deutlich niedriger sind. Unabhängig davon ist es sehr zu
empfehlen, sich unter www.railcard.co.uk eine Railcard 19-25 zu bestellen, mit der
man generell 1/3 Rabatt auf den Fahrpreis erhält. Über www.thetrainline.com
können wiederum die einzelnen Verbindungen der verschiedenen Anbieter in
Erfahrung gebracht werden.
4.
Freizeit
Die Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung in London sind fast unerschöpflich. Auch
nach meinem neunmonatigen Aufenthalt dort habe ich noch lange nicht alle
Museen und Sehenswürdigkeiten besucht. Besonders von Vorteil ist hierbei, dass
fast alle der wichtigen Museen keinen Eintritt kosten, sodass man mitunter auch
spontan dort vorbeischauen kann. Für die übrigen Sehenswürdigkeiten kann ich
als Geheimtipp die Society Unlocking London der King’s College London Student
Union (KCLSU) empfehlen (es gibt dafür auch jedes Jahr eine eigene FacebookGruppe). Von dieser werden in regelmäßigen Abständen stark subventionierte
Events angeboten. Hierdurch hatte ich die Möglichkeit, im Laufe der Zeit z.B.
London Eye, The Shard, Tower Bridge und viele andere Sehenswürdigkeiten
vergleichsweise günstig zu besuchen.
Ansonsten kann es gut und gerne vorkommen, dass man sich auch unter der
Woche noch mit Freunden auf eine Runde im Pub trifft. In London (bzw. England
generell) bildet sich meistens schon ab 17 Uhr eine Traube von Leuten rund um
die Pubs. Allerdings schließen diese unter der Woche auch schon relativ früh.
Sehr empfehlen kann ich die ebenfalls von der KCLSU betriebene Waterfront Bar
6
Die Vergünstigung gilt nicht für den pay as you go-Modus, bei dem man die Karte mit einem
bestimmten Betrag auflädt und dann bei jeder Fahrt abbucht. Die Student Oyster Card lohnt sich
also nur, sofern man sich regelmäßig eine Dauerkarte holt.
7
In Anspielung auf den ein klein wenig exzentrischen Londoner Bürgermeister Boris Johnson,
welcher einer der größten Fürsprecher dieser Transportmittel ist.
8
am Strand Campus des King’s College. Von dort hat man einen beeindruckenden
Panoramablick über die Themse und die Preise sind für Londoner Verhältnisse
auch noch äußerst reasonable.
An den Wochenenden sollte man sich unbedingt Zeit nehmen, um ein paar andere
englische Städte zu besuchen. Sehr zu empfehlen sind natürlich Oxford und
Cambridge – sofern man dort Leute kennt, kann man als Gast an einem formal
dinner teilnehmen, was ich sehr empfehlen kann. Dergleichen wird aber auch im
Rahmen der mehrmals jährlich stattfindenden gegenseitigen Besuche der German
Societies der Londoner Universitäten (LSE, KCL, UCL & Imperial) bzw. der
Universitäten Cambridge und Oxford angeboten. Und auch in London finden
insbesondere gegen Ende des Studienjahres einige Bälle der verschiedensten
Fachbereiche und Societies statt.
Schließlich kann ich es persönlich nur sehr empfehlen, an einem
Sonntagnachmittag mit Fotoapparat, Regenschirm und coffe-to-go bewaffnet
einfach drauflos zu spazieren und sich durch die verschiedenen Boroughs von
London treiben zu lassen. Wenn man dann auch noch zufällig an einer
Straßenecke beobachtet, wie der Verkehr von Polizeimotorrädern zur Seite
gedrängt wird und sich ein olivgrüner Bentley, aus dem einem Queen Elizabeth II.
freundlich zuwinkt, durch die entstandene Lücke schiebt, dürfte sich der
Spaziergang gelohnt haben!
9
III.
Studium / Universität
1.
Allgemeines
Das King’s College London ist eine der großen Volluniversitäten innerhalb der
University of London.8 Insbesondere an der School of Law des King’s College hat
sich in den letzten Jahren Einiges getan: So erhielt die nunmehr in The Dickson
Poon School of Law umbenannte Juristische Fakultät im Jahr 2012 vom
gleichnamigen Geschäftsmann und Philanthropen aus Hong Kong eine Spende
über 20 Mio. GBP. Nicht zuletzt deswegen konnte die School of Law in den direkt
an den Innenhof des Strand Campus angrenzenden East Wing des Somerset
House umziehen. Hier befinden sich vor allem die Fakultätsverwaltung sowie die
Büros der Professoren und übrigen Mitarbeiter. Aber auch einen Common Room
for Law Students sowie eine ganze Reihe repräsentativer Räumlichkeiten, in
denen über das Jahr verschiedene Feierlichkeiten stattfinden, sind vorhanden.
Besonders bekannt ist die Fakultät für das Fach Competition Law, da mit
Professor Richard Whish eine der Koryphäen dieses Fachgebiets am King’s
College London lehrt. Aber auch der generelle Fokus der School of Law liegt auf
dem Gebiet der transnational studies – sei es nun European Law, Public
International Law, Human Rights Law oder ähnliches. Zudem erreicht mich
während ich diesen Bericht schreibe die Nachricht, dass die School of Law von
der Familie eines malaysischen Alumnus eine weitere Spende in Höhe von 7 Mio.
GBP erhalten hat, mit der in Zukunft das Yeoh Tiong Lay Centre for Politics,
Philosophy & Law finanziert werden soll. Man darf also gespannt sein, wie sich die
School of Law in Zukunft noch entwickelt.
Zum Studium an sich lässt sich sagen, dass es sehr viel verschulter ist, als man
das aus Deutschland und insbesondere dem Heidelberger Jurastudium gewohnt
ist. Charakteristisch ist ebenfalls die bereits erwähnte internationale Atmosphäre.
Den Anteil der Briten in meinem dortigen Jahrgang würde ich auf höchstens 30-40
% schätzen. Der Rest der Studenten kommt zum einen aus Ländern wie z.B.
Singapur, Hong Kong, Australien oder Kanada, die ohnehin dem Rechtskreis des
common law angehören. Zum anderen gibt es aber auch eine beträchtliche Anzahl
von Studenten aus südeuropäischen Ländern wie z.B. Griechenland, Zypern oder
Spanien, die aufgrund der dortigen wirtschaftlichen Lage auch langfristig in
Großbritannien bzw. London bleiben wollen. Unabhängig davon gibt es –
abgesehen von den ERASMUS-Studenten - jeweils noch eine stattliche Anzahl
8
Die University of London (UoL) erfüllt lediglich formale und administrative Zwecke und ist eher ein
föderaler Dachverband. Die einzelnen Schools, Colleges und Universities, welche ihrerseits unter
dem Dach der UoL zusammengefasst sind, entsprechen hingegen den deutschen Universitäten.
Daneben gibt es in London aber auch einige eigenständige Universitäten wie z.B. das Imperial
College, welches vor ein paar Jahren aus der UoL austrat.
10
von französischen und deutschen9 Studenten, die einen vierjährigen LL.B. in
English Law & French Law bzw. English Law & German Law am King’s College
und einer der jeweiligen Partneruniversitäten absolvieren.
Interessant zu erwähnen ist zudem, dass das Rechtsstudium in England10 nicht
unbedingt die akademische Paradedisziplin ist, als die das Jurastudium in
Deutschland bisweilen hingestellt wird. Dies liegt daran, dass ein vorheriges
Rechtsstudium dort keine notwendige Voraussetzung für die Zulassung zum
Rechtsanwalt (Solicitor oder Barrister) ist. Das Studium dient grundsätzlich nur
zum Erwerb von key skills – ob man nun Law, History, Classics, English Literature
oder sonst was studiert hat, ist ziemlich egal. Die Ausbildung zum Solicitor oder
Barrister erfolgt dann anschließend praxisbezogen im Rahmen eines Legal
Practice Course (LPC) oder Bar Vocational Course (BVC), sofern man bereits
einen LL.B. erworben hat. Andernfalls muss zuvor noch eine Common
Professional Examination (CPE) absolviert werden, die im Übrigen auch
deutschen Juraabsolventen offensteht.11 Letztere Variante – d.h. Ergreifung des
Rechtsanwaltsberufs ohne vorheriges Rechtsstudium – ist auch nicht nur eine rein
theoretische Möglichkeit: die law/non-law ratio bei den großen city law firms liegt
typischerweise bei 60:40.
Zudem ist es im Unterschied zu Deutschland in England so, dass die
Juristenausbildung im Wesentlichen mit einer Ausbildung zum Rechtsanwalt
gleichzusetzen ist. Der Richterberuf kann erst nach langjähriger Tätigkeit und
Erfahrung als Barrister (Prozessanwalt) ergriffen werden. Und für die Arbeit im
öffentlichen Dienst (civil service) sind Juristen dortzulande aufgrund des nicht
wirklich existenten Verwaltungsrechts auch nicht unbedingt prädestiniert.
Jedenfalls wurde solch ein Berufsweg zu keinem Zeitpunkt beworben und ich
hatte auch keine Studenten getroffen, die dies ernsthaft in Erwägung zogen. Dafür
sind die großen Londoner Wirtschaftskanzleien für viele Studenten der
9
Die Londoner Universitäten (bzw. die britischen Universitäten insgesamt) werden in letzter Zeit
von deutschen Studenten regelrecht überrannt, sodass man mit dem Prädikat „in England studiert“
inzwischen nicht mehr wirklich hausieren gehen kann. Dies gilt insbesondere für
Masterstudiengänge, die viele deutsche Studenten an einer prestigeträchtigen Universität
absolvieren wollen. An der LSE stellen die Deutschen sogar eine der größten Gruppen an
ausländischen Studenten. Man läuft daher leicht Gefahr, in der German Bubble hängen zu bleiben.
Entkommen kann man dieser vor allem durch die Mitgliedschaft in verschiedenen Clubs &
Societies.
10
In Bezug auf das Rechtsstudium bzw. die Juristenausbildung ist innerhalb des Vereinigten
Königreichs zu differenzieren: England & Wales bilden eine einheitliche Rechtsordnung. Schottland
und Nordirland sind hingegen teilweise eigenständig. Daher wird in diesem Zusammenhang der
Begriff „England“ anstatt „Großbritannien“ verwendet.
11
Ausführlich hierzu: de Paoli, N., Solicitor (England & Wales) – Umweg, Irrweg, Köngisweg?,
Anwaltsblatt Karriere 06/2009, S. 84 – 87 (http://anwaltsblatt-karriere.anwaltverein.de/tl_files
/anwaltsblatt-karriere/files/downloads/Heft6/LLM-Report6.pdf).
11
Wunscharbeitgeber schlechthin. Diese Kanzleien veranstalten insbesondere zu
Semesterbeginn zahlreiche opening days und workshops. Den Besuch einiger
dieser Veranstaltungen kann ich allen, die sich grundsätzlich für eine spätere
Tätigkeit im Bereich des Wirtschaftsrechts interessieren, nur wärmstens
empfehlen. Dass man dabei als deutscher Jurastudent nicht unbedingt zur
Zielgruppe der Londoner Kanzleien gehört, ist ebenfalls kein Hindernis. Die
Eindrücke, die ich im Rahmen von Gesprächen mit den Anwälten und Mitarbeitern
solcher Kanzleien gewinnen konnte, waren für mich dennoch äußerst interessant.
2.
Einführungsveranstaltungen
In der Woche vor dem eigentlichen Semesterbeginn findet eine Einführungswoche
(induction week) statt. Den Terminplan hierfür erhält man wenige Wochen vorher
per E-Mail. Neben der allgemeinen Begrüßung durch den Dean der Law School
sowie die Professoren und lecturer der first year-Kurse gibt es noch allerhand
andere Informationsveranstaltungen. Speziell für die ERASMUS-Studenten gibt es
dann noch eine separate Begrüßungsveranstaltung mit anschließender wine
reception im Gebäude der School of Law. Gegen Ende der Woche findet
schließlich noch die Freshers’ Fair im Barbican-Messezentrum statt, bei der sich
alle Clubs und Societies präsentieren.
Sehr empfehlen möchte ich an dieser Stelle, die ebenfalls in den ersten Wochen
angebotenen Tutorien, in deren Rahmen der Umgang mit den juristischen
Datenbanken Westlaw, LexisNexis sowie JustCite erläutert wird. Dies kann einem
am Ende des Jahres bei der Anfertigung der Seminararbeiten sehr von Vorteil
sein.
3.
Literatur / Bibliotheken
Zu Beginn des Studienjahres werden in der course outline für jeden Kurs ein oder
zwei Bücher empfohlen. Da die wöchentliche reading list auf diese abgestimmt ist,
empfiehlt es sich sehr, mit einem dieser Bücher zu arbeiten. Die KCL Law Society
veranstaltet in der ersten oder zweiten Vorlesungswoche eine book fair, in deren
Rahmen die Studenten aus dem zweiten und dritten Studienjahr ihre gebrauchten
Bücher verkaufen. Daneben können die Bücher auch über diverse Online-Händler
kostengünstig(er) bezogen werden.
Die Maughan Library (Hauptbibliothek des King’s College London), in der auch die
wesentliche juristische Literatur vorgehalten wird, befindet sich an der Chancery
Lane unweit des Strand Campus. Leider kann deren Einrichtung und Ausstattung
– im Gegensatz zum imposanten Äußeren – ganz und gar nicht überzeugen.12
12
Für deutsche Studenten dürfte es etwas gewöhnungsbedürftig sein, dass man sämtliche
Bibliotheken mit „Sack und Pack“ – d.h. Jacke, Tasche, Mittagessen, Kaffeebecher etc. – betreten
12
Deutlich moderner ist hingegen die Franklin-Wilkins Library am Waterloo Campus,
wo sich neuerdings auch eine kleine Law Section befindet. Alternativ kann man
sich auch einen Besucherpass für die Bibliothek der LSE beantragen, die sich
ebenfalls in unmittelbarer Nähe des Strand Campus befindet.
4.
Studienstruktur
Zu Beginn des Semesters bekommt man für jeden belegten Kurs eine course
outline, auf der die zu lesenden Lehrbuchkapitel sowie die relevanten Fälle
aufgelistet sind. Sofern man diese „Hausaufgaben“ mit seriösem Aufwand
regelmäßig erledigt, sollte man am Ende des Jahres in den Prüfungen ohne
Weiteres gute Noten bekommen können.
a)
Vorlesungen
Die Vorlesungen sind im Prinzip mit denen an deutschen Universitäten
vergleichbar, wobei – bedingt durch das common law – sehr viel ausführlicher auf
einzelne Fälle aus der Rechtsprechung eingegangen wird. Auffällig ist zudem,
dass viele Studenten versuchen, auf ihren Laptops nicht nur den wesentlichen
Inhalt, sondern die gesamte Vorlesung mitzuschreiben. Dies ist meines Erachtens
jedoch in keiner Weise erforderlich, da sämtliche Informationen nochmals in den
online verfügbaren lecture materials enthalten sind. Ansonsten kann ohnehin auf
die einschlägige Literatur zurückgegriffen werden.
b)
Tutorials
In den Tutorials wird der in den Vorlesungen behandelte Stoff nochmals
ausführlich besprochen und nachbearbeitet. Etwas gestört hat mich hieran, dass
der Vorlesungsstoff samt den relevanten Fällen lediglich abgeklappert jedoch nicht
wirklich vertieft wird. Dies liegt vermutlich auch daran, dass die zumeist im
Ausland graduierten PhD-Studenten, von denen die Tutorien geleitet werden, sich
den Stoff oftmals selbst nur angelesen haben. Im Rahmen der Tutorials sind pro
Semester zwei Essays einzureichen. Diese sind zwar nicht verpflichtend – allein
der Übung wegen ist dies aber sehr empfehlenswert.
c)
Research Seminars
Schließlich gibt es in allen first year subjects sogenannte Research Seminars, in
denen ein bestimmtes Themengebiet exemplarisch vertieft wird. Diese Seminare
werden meistens von den Professoren selbst geleitet, was etwas mehr
akademischen Tiefgang mit sich bringt. Insbesondere die ERASMUS-Studenten
waren in diesen Veranstaltungen immer sehr engagiert und bei den Professoren
darf. Zwar mag dies bisweilen recht praktisch sein – der Studienatmosphäre ist das stetige
Chipstütenrascheln und Kaffegeschlürfe hingegen ganz und gar nicht zuträglich.
13
dementsprechend beliebt, da hier auch über
Vorlesungscurriculums hinaus gedacht werden muss.
d)
den
Tellerrand
des
Prüfungen
Am Ende des zweiten Semesters werden in den Research Seminars Themen für
Seminararbeiten ausgegeben, die 30% der Endnote ausmachen. Die restlichen
70% der Endnote entfallen auf die Klausuren (bei Kursen ohne Research Seminar
100%), die am Ende des Studienjahres geschrieben werden. Diese bestehen im
Regelfall aus zwei Fragetypen - problem questions und essay questions. Während
erstere in etwa einer deutschen Juraklausur entsprechen, wird bei letzteren ein
(abstrakter) Aufsatz zu einem bestimmten Thema verlangt. Sofern man über das
Jahr regelmäßig seine „Hausaufgaben“ erledigt hat, sollten die Klausuren gut zu
bestehen sein. Erleichtert wird dies zudem durch einen Auswahlmodus, bei dem je
nach Fach 6-8 Fragen gestellt werden, von denen dann letztendlich nur 2-4
bearbeitet werden müssen.
5.
Certificate in Legal Studies
Wie bereits erwähnt besteht für ERASMUS- bzw. Austauschstudenten am King’s
College London die Möglichkeit, ein Certificate in Legal Studies zu erwerben. Die
insgesamt 10 Studenten von der HU Berlin haben zudem die Möglichkeit, sich
dieses auf ihr Schwerpunktstudium anrechnen zu lassen. Ob diese Option auch
Heidelberger Studenten im Fall eines anschließenden Wechsels nach Berlin
offensteht, sollte bei ernsthaftem Interesse am Besten noch vor Beginn des
Studiums in London bei den jeweiligen Prüfungsämtern in Erfahrung gebracht
werden.
Im Rahmen des Certificate in Legal Studies kann man sich aus (fast) allen LL.B.Kursen sein eigenes Curriculum aus 4 Kursen zusammenstellen. Feste
Kurskombinationen oder sonstige Beschränkungen gibt es grundsätzlich nicht –
allerdings muss auf der module choice form für den Fall kollidierender
Vorlesungszeiten in der Wunschkombination ein Reservekurs angegeben werden.
Zudem kann die Kurswahl zumindest in den ersten Semesterwochen noch im
Rahmen der module surgery nachträglich geändert werden, sofern freie
Kapazitäten vorhanden sind.
Welche Kurse man wählt, hängt letztendlich wohl von den eigenen Interessen ab.
Allerdings bietet es sich meiner Meinung nach an, zumindest Elements of the Law
of Contract und Public Law zu wählen, da diese einem die Grundlagen des
englischen Rechts vermitteln und als first year-Kurse mit vergleichsweise
geringem Aufwand gut zu bewältigen sind. Andere Kurse im englischen Recht wie
etwa Tort Law, Property Law oder Land Law sollte man – meines Erachtens –
eher wählen, sofern man ein gesteigertes akademisches Interesse an der
14
jeweiligen Materie hat. Ansonsten wird man als deutscher Jurastudent, der das
Studienfach aus Freude am logischen Denken und stringenten Argumentieren
gewählt hat, wohl wenig Freude daran haben, mitunter hunderte Seiten lange, in
sich unschlüssige und widersprüchliche sowie offensichtlich auf ein gerecht
erscheinendes (aber in keiner Hinsicht systematisch fundiertes) Ergebnis
hinargumentierte Urteile lesen zu müssen.
Aus diesen Gründen bietet es sich an, Fächer mit supranationalen Rechtsinhalten
wie z.B. European Law, Competition Law, Public International Law, Human Rights
Law etc. zu wählen. Ich selbst habe die ersten beiden belegt und bin mit der
hälftigen Mischung aus englischem Recht und Europarecht sehr gut gefahren.
Zudem lassen sich hieraus zum Teil auch Synergieeffekte für das deutsche
Jurastudium
ziehen,
sofern
man
plant
einen
korrespondierenden
Schwerpunktbereich zu wählen oder dies bereits getan hat.
6.
Eigene Kurse
In diesem Abschnitt möchte ich einen Überblick über die Inhalte der von mir
belegten Kurse geben und dem Leser hierdurch einen unmittelbaren Eindruck vom
dortigen fachlichen Studienalltag verschaffen. Insbesondere bei den ersten beiden
Kursen ist dabei stets zu bedenken, dass man mit der Überquerung des
Ärmelkanals nicht nur den europäischen Kontinent, sondern auch den
kontinentaleuropäischen Rechtskreis (civil law-Rechtskreis) verlässt. Deshalb
sollte man keineswegs den Fehler machen, die in Kontinentaleuropa durch den
Prozess der Rezeption erfolgte Systematisierung des Rechts auch in England zu
erwarten. Das dortige common law folgt seit jeher seinen ganz eigenen Regeln
und Grundsätzen, die sich im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet haben und
bis heute Bestand haben.1314
13
Einen guten Überblick über die Grundzüge und Besonderheiten des englischen Rechts bietet
von Bernstorff, C., Einführung in das englische Recht (2011).
14
Zwar wird man vor allem zu Beginn des Studienjahres nicht umhin kommen, sich über einige
Besonderheiten und Absurditäten des common law – wie z.B. die seitenlangen, in Ich-Form
verfassten Urteilsmonologe der Richter oder deren mitunter kaum logisch nachvollziehbaren
Argumentationsmuster wie etwa den „warum-nicht-Schluss“ (im Gegensatz zum deutschen „erstrecht-Schluss“) – zu amüsieren. Mit der Zeit gelangt man dann jedoch zu der Erkenntnis, dass
jedes Rechtssystem auf seine Weise unvollkommen und auch unser deutsches Recht nicht
unbedingt in jeder Hinsicht das non plus ultra ist: So dürfte es einem Juristen aus dem common
law-Rechtskreis beispielsweise nur schwer zu vermitteln sein, warum zu manchen
Rechtsproblemen, die im kodifizierten Recht offensichtlich nicht berücksichtigt wurden, zig
Kommentarmeinungen und Aufsätze verfasst werden, obwohl die Rechtsprechung dafür doch
schon eine pragmatische und für die Praxis brauchbare Lösung geschaffen hat.
15
a)
Public Law
Der Kurs Public Law umfasst einen Überblick über das Staats- und
Verwaltungsrecht des Vereinigten Königreichs.15 Dabei werden die Verfassung
des Vereinigten Königreichs, deren Elemente Parlament, Regierung & Monarchie,
das Verwaltungsrecht sowie die Civil Liberties behandelt. Charakteristisches
Merkmal ist dabei, dass es im Vereinigten Königreich keine kodifizierte Verfassung
gibt, sondern selbige aus einer Zusammenschau von Einzeldokumenten (z.B.
Magna Carta, Act of Union, European Communities Act 1972, Human Rights Act
1998 etc.), königlichen Vollmachten und Erlässen (royal prerogatives),
Verfassungsgewohnheitsrecht (constitutional conventions), Rechtsprechung zu
einzelnen Aspekten (case law) sowie einigen wenigen Lehrmeinungen besteht.
Entsprechend ist zu Beginn des Studienjahres auch die Frage „What is the
Constitution of the United Kingdom?“ das bestimmende Thema. Hinzu kommt die
Besonderheit der Parlamentssouveränität, wonach allen Parlamentsgesetzen dem
Grunde nach Verfassungsrang zukommt und dessen Kompetenzen durch (fast)
keinerlei Verfassungsgrundsätze beschränkt sind. Außerdem gab es bis vor
einigen Jahren keine wirklichen Grundrechte im Vereinigten Königreich. Vielmehr
wurden die Interessen von Staat und Bürgern nach den in Jahrhunderten von case
law ausgearbeiteten Prinzipien abgewogen, was auf die dreistufige
Grundrechtsdogmatik gewohnte deutsche Juristen zunächst äußerst befremdlich
wirkt. Nunmehr sind die in der EGMR enthaltenen Menschenrechte durch den
Human Rights Act 1998 zumindest einfach-rechtlicher Bestandteil der
Rechtsordnung des Vereinigten Königreichs.16 Auch das Verwaltungsrecht (sofern
man überhaupt davon sprechen kann) ist äußerst speziell. So gibt es nur äußerst
wenige positiv-rechtliche Bestimmungen, die die Organisation und das Handeln
der Verwaltung (civil service) festlegen. Vielmehr wurden auch hier die
wesentlichen Grundsätze durch die Rechtsprechung der obersten Gerichte
festgelegt. Dies geschieht im Zuge eines Verfahrens (judicial review), das in etwa
mit der deutschen Anfechtungsklage vergleichbar ist. Hierbei erkennt man dann
auch wieder dem deutschen Recht sehr ähnliche Rechtsfiguren und Wertungen
was z.B. die Ermessensausübung angeht.
15
Im öffentlich-rechtlichen Kontext ist der Begriff „Vereinigtes Königreich“ (United Kingdom of
Great Britain and Northern Ireland) vorzuziehen, da die hierin behandelten Aspekte dem Grunde
nach für das gesamte Vereinigte Königreich gelten.
16
Als Korrektiv hierzu hat sich im common law das Konzept der rule of law herausgebildet, die mit
dem deutschen Rechtsstaatsprinzip nur eingeschränkt vergleichbar ist. Eine wirklich griffige
Definition dafür hat sich bisher leider nicht durchsetzen können. Und so schwammig dieses
Konzept auch sein mag – für das Verständnis des common law ist es unerlässlich.
16
b)
Contract Law
Im Fach Contract Law (genauer: Elements of the Law of Contract)17 werden die
Grundzüge des englischen Vertragsrechts behandelt. Besonders dieses
Rechtsgebiet ist sehr gut geeignet um die Hauptcharakteristik des englischen
Rechts, das primär auf Fallrecht basiert und in dem Normtexte nur als Lückenfüller
fungieren, kennenzulernen.18 Zu Beginn des Kurses werden die für das
Zustandekommen eines Vertrages wesentlichen Voraussetzungen behandelt:
offer & acceptance, intention to be legally bound sowie consideration. Während
die ersten beiden Elemente auch im deutschen Recht existieren, ist Letzteres eine
Besonderheit des englischen Rechts. Um einen rechtlich bindenden Vertrag zu
schließen, muss stets eine consideration (Gegenleistung) vereinbart werden. Wie
so oft im englischen Recht hat sich auch dieses Erfordernis in Jahrhunderten von
case law herausgebildet wobei dessen Erforderlichkeit heutzutage oftmals nicht
mehr wirklich einleuchtet. Dementsprechend hat sich die jüngere Rechtsprechung
in einigen Fällen auch mit recht abenteuerlichen Konstruktionen und
Argumentationen beholfen, um diesem Erfordernis auch in Fällen gerecht zu
werden, in denen ein gerechtes Urteil nur bei Vorliegen einer consideration gefällt
werden konnte.19 Im weiteren Verlauf werden dann noch die Themengebiete
mistake und misrepresentation (in etwa vergleichbar mit der Irrtumsanfechtung im
deutschen Recht) sowie interpretation (Vertragsauslegung und Klauselkontrolle)
behandelt. Insbesondere bei Letzterem ist abermals ein Umdenken erforderlich,
da dem englischen Recht das Konzept der Willenserklärung ganz und gar fremd
ist und demzufolge ein Vertrag nicht subjektiv nach dem Willen der Parteien
sondern anhand objektiver Kriterien ausgelegt wird. Schließlich wird noch der
Themenkomplex damages und contractual remedies behandelt. Hier besteht die
Besonderheit, dass bei Vertragsbruch nach englischem Recht grundsätzlich nur
17
Wie der offizielle Name schon verdeutlicht, werden in diesem Kurs lediglich einzelne Aspekte
des Vertragsrechts behandelt. Eine allumfassende Kenntnis des Rechtsgebiets wird man hierdurch
nicht erlangen.
18
Die wichtigsten Fälle sind in sogenannten casebooks zusammengefasst. Ganze Entscheidungen
(erhältlich etwa über Westlaw) sollte man schon aus Zeitgründen nur in Ausnahmefällen lesen. Als
Gedächtnisstütze eignen sich zudem die für viele Rechtsgebiete erhältlichen Taschenbücher Nut
Cases, in denen die wichtigsten Fälle in wenigen Sätzen zusammengefasst sowie deren
wesentliche Aussage dargestellt werden. Für die Klausur erhält man schließlich als weiteres
Hilfsmittel eine case list, auf der alle für die Prüfung relevanten Fälle – nach Themengebieten
geordnet – aufgelistet sind.
19
Als Schulbeispiel wird oftmals die sogenannte peppercorn rent genannt. Hierbei wird die
Gegenleistung für die Gebrauchüberlassung in Form eines Pfefferkorns erbracht, das immerhin
irgendeine Gegenleistung darstellt. Würde diese fehlen, wäre der Vertrag hingegen rechtlich
unwirksam (zumindest sofern er nicht schriftlich als deed geschlossen würde).
17
Schadensersatz verlangt, jedoch nur unter ganz bestimmten Umständen auf
Erfüllung (specific performance) geklagt werden kann.20
c)
European Law
In European Law wird nahezu das gesamte Europarecht behandelt. Daher eignet
sich dieser Kurs auch vortrefflich für deutsche Studenten, bei denen in ihrem
bisherigen Studium das Europarecht immer irgendwie auf der Strecke geblieben
ist. Allerdings sollte man keine vertiefte dogmatische Auseinandersetzung mit der
Rechtsmaterie erwarten, wie dies etwa in Deutschland der Fall ist (da man
hierzulande versucht, auch das Europarecht als System zu verstehen). In
Großbritannien wird hingegen ein sehr viel pragmatischerer Ansatz verfolgt: Dem
gewohnten case law-Ansatz folgend liegt das Hauptaugenmerk auf der
Rechtsprechung des EuGH und den hierin vorgebrachten Argumenten. Aus
britischer Perspektive macht dies auch durchaus Sinn, da letztendlich auch nur
diese
rechtlich
bindend
sind.
Andere
Auslegungsund
Argumentationsmöglichkeiten werden zwar bisweilen behandelt und diskutiert –
letzten Endes findet jedoch keine selbstständige handwerkliche Auslegung der
Vertragstexte statt, wie man dies aus Deutschland gewohnt ist. Den Kauf des
statute books kann man sich daher eigentlich sparen, sofern man es nicht in der
Klausur am Ende des Jahres als Nachschlagewerk verwenden möchte (was aber
auch nicht wirklich erforderlich ist, da man die wenigen für die Klausur relevanten
Bestimmungen irgendwann auch auswendig kann).21 Diese case law-orientierte
Herangehensweise hat für deutsche Studenten jedoch letzten Endes den Vorteil,
20
Mir und ein paar anderen deutschen Austauschstudenten kam irgendwann etwas arg „englisch“
vor, da zu keinem Zeitpunkt das auf einer EU-Richtlinie basierende (und somit auch für das
Vereinigte Königreich gültige) Sachmängelgewährleistungsrecht auch nur erwähnt wurde. Eine
eigenständige Recherche ergab schließlich, dass die Richtlinie sehr wohl ins englische Recht
umgesetzt wurde. Jedoch wurde weder in den Lehrveranstaltungen noch in den Lehrbüchern ein
einziges Wort darüber verloren! Auch an solch kleinen Dingen kann man also die unterschwellige
Europaskepsis in Großbritannien erkennen.
21
Hierzu gleich zwei lustige Anekdoten: (1) In unserem Europarechtstutorium, das von einer
türkischen PhD-Studentin geleitet wurde, machten ein Kommilitone aus Berlin und ich uns
manchmal einen Spaß daraus, die behandelte Rechtsprechung des EuGH auf Grundlage einer
eigenen Auslegung des Vertragstextes (so wie es in Deutschland in den Arbeitsgemeinschaften
Gang und Gäbe ist) zu kritisieren. Da außer uns nicht einmal die Tutorin das statute book dabei
hatte, war die Verwirrung nach unseren kritischen Einwürfen oftmals komplett, da es offensichtlich
niemand gewohnt war, rechtliche Probleme durch eigenständige Auslegung und Anwendung des
Vertragstextes zu lösen. (2) Die Vorlesungen im zweiten Semester wurden von Professor
Alexander Türk gehalten. Zu Beginn seiner ersten Vorlesungsstunde wusste von uns
Austauschstudenten zunächst niemand, dass dieser selbst Deutscher ist. Als er jedoch neben den
PowerPoint-Folien auch noch den Vertragstext in PDF-Form an die Wand projizierte, war
zumindest den deutschen Studenten schnell klar, woher der besagte Professor kam – ein britischer
Professor hätte wohl nur über den Vertragstext geredet, jedoch nicht selbst damit gearbeitet.
18
dass man nach Abschluss des Kurses viele Leitendscheidungen des EuGH auf
dem Kasten hat.
d)
Competition Law
Competition Law dürfte wohl – wie oben bereits erwähnt – einer der
renommiertesten Kurse an der School of Law des King’s College London sein. Die
Vorlesungen werden von Richard Whish, Alison Jones sowie Chris Townley
gehalten, welche allesamt selbst in großen Londoner Wirtschaftskanzleien
Comeptiton Law praktiziert haben bzw. dies auch weiterhin tun. Entsprechend ist
der Kurs auch sehr praxisnah ausgestaltet und es werden sehr viele aktuelle Fälle
ausgiebig behandelt. Das Curriculum teilt sich in die drei Themenbereiche Art. 101
TFEU (Kartellverbot), Art. 102 TFEU (Missbrauch marktbeherrschender
Stellungen) sowie die EUMR (EU merger regulation – Fusionskontrolle) auf. Für
mich persönlich war dieser Kurs sehr reizvoll, da hier ökonomische und juristische
Aspekte miteinander kombiniert werden. Allerdings wurden viele interessante
Themengebiete oftmals nur oberflächlich und einzelfallorientiert behandelt. Eine
vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Materie fand auch in den
Seminaren nicht statt. Nachdem ich zu Beginn des Jahres oftmals noch mit
kritischen Zwischenfragen und eigenständigen Lösungsansätzen versucht hatte,
die übrigen Kursteilnehmer aus ihrer Lethargie zu erwecken, hatte ich irgendwann,
nachdem ich mir der Aussichtslosigkeit solcher Versuche bewusst geworden war,
auch nur noch das Standardprogramm mitgemacht. Insbesondere hierdurch hat
meine Motivation und Begeisterung für den Kurs im Laufe der Zeit einen Dämpfer
erlitten, was ich äußerst schade fand. Sicherlich hatte dies auch mit der
didaktischen Unfähigkeit der Seminarleiterin zu tun, sodass sich hieraus nur
begrenzt Schlüsse auf die allgemeine Qualität der Lehre schließen lassen können.
Insgesamt habe ich durch diesen Kurs einen recht breiten Überblick über das EUWettbewerbsrecht erlangt, der mir sicherlich auch weiterhin sehr nützlich sein
wird. Wer sich für dieses Fach interessiert, wird sicher auch Gefallen an dem Kurs
finden. Eine vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Kursinhalten
kann und sollte man jedoch nicht erwarten!22
7.
Clubs & Societies
Am King’s College gibt es eine Vielzahl von Clubs und Societies, die unter dem
Dach der KCLSU zusammengefasst sind. Während sich die Bezeichnung „Club“
im Wesentlichen auf Sportmannschaften bezieht, umfasst der Begriff „Society“ alle
22
Dies gilt dem Grunde nach auch für alle anderen Kurse. Das Studiensystem ist in England alles
in allem eben sehr verschult und nicht sehr auf eigenständiges (wissenschaftliches) Arbeiten
ausgelegt. Ob dies gut oder schlecht ist mag jeder für sich unterschiedlich beurteilen. Für mich war
dieser Eindruck jedenfalls im Nachhinein betrachtet ebenso eine meiner vielen Erfahrungen, die ich
im Laufe des Jahres gesammelt habe.
19
übrigen Aktivitäten. Über das vorhandene Angebot kann man sich bei Interesse
schon vor Beginn des Studiums über die Website der Student Union
(www.kclsu.org) informieren. Im Rahmen der Freshers Fair sowie der
Kennenlernveranstaltungen in den ersten Semesterwochen besteht dann reichlich
Gelegenheit, die einzelnen Clubs und Societies näher kennenzulernen. Wo und in
welchem Umfang man sich letztendlich einbringt, hängt ganz von den eigenen
Interessen ab. Allgemein kann solch ein Engagement jedoch eine sehr gute
Gelegenheit sein, mit „regulären Studenten“ in Kontakt zu kommen, da man
ansonsten recht schnell in der ERASMUS-Gruppe bzw. German Bubble versackt.
Aus eigener Erfahrung muss ich allerdings sagen, dass dies oftmals leichter
gesagt als getan ist. In vielen Societies besteht für Austauschstudenten, die nur
ein Jahr am King’s College studieren, von vornherein keine Möglichkeit, sich aktiv
einzubringen, da alle Committee Members schon im vorherigen Semester
bestimmt wurden. Man kann aber immerhin an den verschiedenen
Veranstaltungen und Workshops teilnehmen. Besonders aufgefallen ist mir
zudem, dass viele Studenten sehr darauf bedacht sind, Engagements und
Aktivitäten zu verfolgen, die sich letztendlich auch positiv in ihrem Lebenslauf
niederschlagen. Entsprechend wurden viele Veranstaltungen mit der Floskel „(G)
and, of course, this would be a nice thing to mention on your CV!“ angepriesen.
Ich selbst hatte mir am Anfang eine Reihe von Societies angeschaut und mir über
das Jahr hinweg die „Rosinen“ von den jeweiligen Veranstaltungen herausgepickt.
Auf diese Weise war ich zwar in keiner Society vollständig integriert – andererseits
hatte ich so aber die Möglichkeit sehr viele verschiedene Eindrücke zu gewinnen
und eine Vielzahl von Leuten zu treffen.
Besonders empfehlen möchte ich die Teilnahme an den Mooting Competitions, bei
denen Gerichtsverhandlungen simuliert werden. Solche Veranstaltungen werden
insbesondere zu Beginn des Studienjahres von zahlreichen Londoner
Wirtschaftskanzleien angeboten. Dass man zu diesem Zeitpunkt noch recht wenig
Ahnung vom englischen Recht hat und auch die eigene Sprachkenntnis noch
ausbaufähig erscheint, sollte einen nicht abschrecken. In die verhandelten
Themen kann man sich ohne Weiteres innerhalb kurzer Zeit einarbeiten und in
puncto Sprachkenntnis muss man sich vor den vielen anderen internationalen
Studenten keineswegs verstecken. Als Einstieg eignet sich die non-native-speaker
Mooting Competition, die von der Anglo-German Law Society (AGLS) sowie der
Association des juristes de Paris 1 Panthéon-Sorbonne et de King's College
London (AJPK) angeboten wird.
Sofern man eine Mannschaftssportart in einem der Clubs auszuüben gedenkt,
muss man sich darüber im Klaren sein, dass dies unter Umständen sehr
verbindlich und zeitintensiv werden kann. Die Teams werden nämlich im Regelfall
von extra engagierten Trainern betreut, die bei den jeweiligen Wettkämpfen gegen
die Teams anderer Universitäten auch entsprechende Leistung verlangen. Ob sich
20
eine derartige Verpflichtung in Anbetracht der begrenzten Dauer des
Austauschstudiums für einen persönlich lohnt, muss jeder selbst entscheiden.
Viele meiner dortigen ERASMUS-Kommilitonen hatten ihre jeweilige Sportart
jedoch nach anfänglicher Euphorie recht schnell wieder aufgegeben, als das
Trainingspensum anzog. Ich selbst war zunächst im Ruderteam des KCL Boat
Clubs. Da ich bereits in Heidelberg gerudert hatte, wurde ich auch gleich in das
senior squad aufgenommen. Da dies jedoch 8 Trainingseinheiten pro Woche
bedeutet hätte und die Anfahrt zum Bootshaus vom Stadtzentrum aus ca. 1
Stunde pro Weg gedauert hätte, zog auch ich irgendwann die Reißleine. Zwar
hätte ich diese für Großbritannien so typische Sportart gerne weiter verfolgt –
allerdings hätte ich dann fast keine Zeit mehr für die vielen anderen Dinge gehabt,
die ich im Laufe des Jahres unternommen habe.
21
IV.
Fazit
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mein einjähriger AustauschStudienaufenthalt in London eine sehr gelungene Sache war. Vor allem meine
Englischkenntnisse haben sich drastisch verbessert, sodass ich nun ganz
selbstverständlich auch über komplexere (juristische) Themen diskutieren kann.
Mit dem Certificate in Legal Studies kann ich außerdem glaubhaft nachweisen,
dass ich das Studienjahr dort sinnvoll genutzt habe. Und schließlich haben mich
meine Studienerfahrungen im englischen Recht eine sehr viel pragmatischere
Sichtweise auf den juristischen Diskurs in Deutschland gelehrt:
Zwar gibt es im englischen Recht keine wirkliche Systematik oder irgendeine
verbindliche Methodik und viele Entscheidungen sind offensichtlich auf ein
bestimmtes Ergebnis hinargumentiert. Zudem kann der Umgang mit den
existierenden Normtexten wohlwollend allenfalls noch als „rabiat“ beschrieben
werden. Allerdings funktioniert auch dieses „Rechtssystem“ im Alltag, ohne dass
die Welt dabei untergeht, da es nun einmal von Praktikern für die Praxis gemacht
ist.
In Deutschland wird hingegen bisweilen versucht, aus dem Gesetzestext eine
Weisheit herauszulesen, die darin schlechterdings nicht enthalten ist. Umgekehrt
habe ich aber auch meine im deutschen Jurastudium erworbene juristische
Methodik vor allem im Rahmen der europarechtlichen Kurse sehr zu schätzen
gelernt.23 Und auch nach hierzulande so selbstverständlichen Dingen wie einem
juristischen Kommentar habe ich mich, als ich während der Anfertigung meiner
Seminararbeiten in den Fluten des case law zu ertrinken drohte, fast schon
gesehnt.
Alles in allem dürfte die Wahrheit wohl irgendwo in der Mitte zwischen den beiden
Rechtssystemen liegen. Und so hat es mich nach einiger Zeit auch kaum
gewundert, als ich englischen Urteilen dem deutschen Recht sehr ähnliche oder
sogar identische Wertungen entnehmen konnte – nur der Weg dorthin war etwas
anders.
All diese Erfahrungen und Eindrücke lassen mich daher die heiß diskutierten und
mit viel Tinte bearbeiteten Probleme des deutschen Rechts insgesamt sehr viel
gelassener und pragmatischer sehen.
23
Eine letzte Anmerkung hierzu: Insbesondere der dortige Umgang mit dem - dem deutschen
Recht entstammenden - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist mitunter sehr abenteuerlich. Während
man es als deutscher Jurist gewohnt ist, den vierstufigen Test minutiös durchzuexerzieren, wird
diese Aufgabe von ausländischen (und insbesondere englischen) Juristen oftmals vorschnell mit
der „Verhältnismäßigkeits-Bazooka“ angegangen („I think the measure is un-/proportional, because
U“).
22
Und so schließe ich diesen Bericht mit einem Zitat von Lord Hobhouse of
Woodborough, welches dieser in seiner Urteilsbegründung in Shogun Finance Ltd
v Hudson zum Besten gab und das meinen Eindruck vom englischen Recht
vortrefflich auf den Punkt bringt:
„Inevitably over the course of time there have been decisions on the
facts of individual (G) cases which seem now to be inconsistent; the
further learned, but ultimately unproductive, discussion of them will
warm academic hearts. But what matters is the principles of law. They
are clear and sound and need no revision. To cast doubt upon them
can only be a disservice to English law.”
Johannes Maurer
23