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Neue Z}rcer Zeitung
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Donnerstag, 15.06.2000 Nr.137
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Rückkehr des Papstattentäters in die Türkei
Eine Ausschaffung von politischer Brisanz
Nach 19-jähriger Haft in italienischen Gefängnissen ist der Papstattentäter Mehmet Ali
Agca am Mittwoch an die Türkei ausgeliefert worden, wo andere Strafen hängig sind. Die
Ausschaffung Agcas, der für die rechtsnationalistische Bewegung eine Symbolfigur ist,
könnte in der türkischen Koalitionsregierung zu einer Kraftprobe führen.
it. Istanbul, 14. Juni
Der türkische Papstattentäter Mehmet Ali Agca
ist nach seiner Begnadigung durch den italienischen Präsidenten Ciampi am frühen Mittwochmorgen auf dem Istanbuler Flughafen eingetroffen. Dort wurde er von einem starken Aufgebot
von Sicherheitskräften empfangen und ins Hochsicherheitsgefängnis Kartal auf der asiatischen
Seite der Stadt gebracht. Der 43-jährige Agca
muss in der Türkei wegen Mordes eine fast zehnjährige Haftstrafe absitzen. Zudem läuft gegen ihn
ein Prozess wegen bewaffneten Diebstahls, was
nach Angaben der Presse eine Haft von weiteren
zehn Jahren bedeuten könnte. Dennoch zeigte
sich Mehmet Ali Agca glücklich. Ein Traum sei
Wirklichkeit geworden, sagte er, nachdem seine
Begnadigung durch Italien bekannt gemacht worden war.
Unklare Hintergründe
Der aus der zentralanatolischen Provinz Malatya stammende Agca hatte am 13. Mai 1981 Papst
Johannes Paul II. auf dem Petersplatz in Rom
durch mehrere Schüsse lebensgefährlich verletzt.
Spekulationen, wonach östliche Geheimdienste
wie das sowjetische KGB den Auftrag zum Mord
gegeben hatten, machten damals die Runde. Die
Rede war von einer sogenannten Bulgarian Connection. Schlüssige Beweise konnten allerdings
nie vorgelegt werden. Agcas Aussagen vor Gericht seien nichts als Lügen gewesen, befand vor
kurzem ein italienischer Staatsanwalt. Der Papst
verzieh aber dem zu lebenslänglicher Haft verurteilten Täter und setzte sich für dessen Begnadigung ein. Am Dienstag hat der italienische Präsident Ciampi den Begnadigungsantrag unterzeichnet und die sofortige Ausweisung Agcas in die
Türkei angeordnet. Für die Mehrheit der Italiener
bleiben Agca sowie die Hintergründe seiner Tat
nach wie vor ein Rätsel.
Für viele Türken ist Agca lediglich ein ruchloser Mörder. Als aktives Mitglied der rechtsextremistischen Organisation der Grauen Wölfe
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liess er sich Ende der siebziger Jahre immer wieder für politisch motivierte Taten einspannen. Gemäss der Tageszeitung «Milliyet», die am Mittwoch die Akte Agcas veröffentlicht, wird Agca in
der Türkei bezichtigt, mehrmals an bewaffneten
Raubüberfällen teilgenommen, illegalen Waffenhandel betrieben und wiederholt Reisedokumente
gefälscht zu haben. Er soll 1980 am Mord des
rechtsextremistischen Abtrünnigen Ramazan Gürbüz beteiligt gewesen sein. Agca wurde in der
Türkei aber vor allem wegen des 1979 begangenen Mordes an Abdi Ipekci, dem liberalen Chefredaktor der Tageszeitung «Milliyet», bekannt.
Für diese Tat wurde er zu einer lebenslänglichen
Haft verurteilt. Dank der Hilfe rechtsextremer
Freunde gelang ihm noch vor dem Urteil die
Flucht aus einem Istanbuler Hochsicherheitsgefängnis. Im Rahmen einer Amnestie 1991
wurde die lebenslängliche Strafe Agcas in eine
10-jährige Haft umgewandelt.
Politische Konsequenzen
Agcas Ausschaffung in die Türkei ist nicht ohne
politische Brisanz. Der ermordete Journalist Abdi
Ipekci war für seine politische Nähe zum Chef
der Demokratischen Linkspartei, Bülent Ecevit,
bekannt. Agca hatte sich stets damit gebrüstet,
Mitglied der rechtsstehenden Nationalistischen
Aktionspartei (MHP) zu sein. Ecevits Demokratische Linkspartei und die MHP bilden heute aber
die zwei stärksten Glieder der Koalitionsregierung in Ankara. Die Ausschaffung des Täters
könnte nun für die ideologisch ungleiche Koalition zu einer Kraftprobe werden, die seit zwei
Wochen ohnehin vom Streit zwischen der MHP
und dem Parteichef des dritten Koalitionspartners, Mesut Yilmaz, erschüttert wird. Agca müsse
seine Strafe verbüssen und könne auch bei einer
künftigen Amnestie nicht begünstigt werden, erklärte der Justizminister Türk. Schon jetzt machen
sich aber Zweifel breit. In der Türkei gebe es noch
immer Leute, die auch heute noch Agca beschützen wollten, erklärte der Anwalt der Ipekci-Familie. Agca wird im Kartal-Gefängnis mit Häftlingen
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zusammentreffen, die in Zusammenhang mit dem
Susurluk-Skandal stehen. Bei diesem Skandal
wurde die enge Verfilzung zwischen hochrangigen
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Staatsbeamten, der Drogenmafia und Grössen
der rechtsextremistischen Bewegung aufgedeckt.
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