Kinderspielanlagen

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Kinderspielanlagen
Spielanlagen für Kinder und Jugendliche
0. Einleitung
"Die Spiele der Kindheit sind die Keimblätter allen späteren Lebens,
denn der gesamte Mensch wird entwickelt und zeigt sich in ihnen."
[Friedrich Froebel (1782-1852), dt. Pädagoge, gründete 1839 die „Kindergartenbewegung“]
Das Spielen ist für die Entwicklung des heranwachsenden Menschen unverzichtbar:
● Im Spiel übt das Kind den Umgang mit den es umgebenden Dingen; es entwickelt
dabei zugleich seine physischen und geistigen Fähigkeiten, praktischen Fertigkeiten
und seine schöpferische Phantasie.
● Im Spiel erkundet das Kind seine Umwelt; es lernt, sie bewusst sinnlich wahrzunehmen und zu begreifen, selbst gestaltend auf sie einzuwirken wie auch ihre Gefahren zu
meiden.
● Im Spiel lernt das Kind sich selbst kennen; es erfährt Erfolg und Misserfolg, wodurch
es zunehmend seine Leistungsfähigkeit bzw. -grenzen abzuschätzen vermag und zur
eigenständigen Persönlichkeit wird.
● Im Spiel lernt das Kind seinesgleichen kennen; es wird mit Gefühlen und Handlungsweisen anderer konfrontiert, wodurch sein eigenes Denken und Fühlen beeinflusst und
letztlich Psyche und soziales Verhalten für sein ganzes Leben vorgeprägt werden.
Die vier einleitenden Kernsätze enthalten 7 wichtige Teilaspekte, welche die Bedeutung
des Spiels für den heranwachsenden Menschen ausmachen:
- Entwicklung der sinnlichen Wahrnehmung
- Entwicklung der körperlichen Verfassung
- Entwicklung der praktischen Fertigkeiten
- Entwicklung der schöpferischen Veranlagungen
- Entwicklung der geistigen Fähigkeiten
- Entwicklung der seelischen Grundstruktur
- Entwicklung der sozialen Verhaltensweisen
Spielen ist ein eher instinktives Bedürfnis - zweckfrei, aber nicht sinnlos! Das Spiel ist
eine wesentliche Form der Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt, mit der
realen Wirklichkeit, aber es ist ein unbewusstes und freiwilliges Training für den "Ernst
des Lebens". Spiel braucht man deshalb nicht zu verordnen und man sollte es nicht
vordergründig für das Lernen funktionalisieren. Es muss dem Spieltrieb einfach nur genügend Zeit und Raum gegeben und die Spielfreude mit geeigneten Mitteln und Methoden gefördert werden. Ungeeignet, weil der Ausprägung schöpferischer Phantasie abträglich, ist u.a. die Überfrachtung der Kinderzimmer mit klischeehaften Fertigprodukten.
1
1. Spielarten und Spielgattungen
In der angegebenen Literatur finden sich die unterschiedlichsten Versuche, die Spiele
nach gemeinsamen Merkmalen, nach entwicklungsphysiologischen bzw. sozialpädagogischen Aspekten zu ordnen. Bei kritischem Vergleich stellt man fest, dass es offenbar
sehr schwierig ist, ein hinlänglich abgerundetes und begrifflich wie inhaltlich stimmiges
Ordnungssystem zu erstellen. Das dürfte in erster Linie dadurch begründet sein, dass
die meisten spielerischen Aktivitäten in ihrer Bedeutung für die Entwicklung des Kindes
komplexer Natur sind.
Die Mehrzahl der Klassifizierungsansätze unterscheidet zwischen
- Spielarten (Spielaktivitäten), unter denen die jeweiligen spielerischen Betätigungen
verstanden werden und
- Spielgattungen (Spielkategorien), unter denen Spielarten zusammengefasst werden,
welche funktionell einen vergleichbaren Effekt für die Entwicklung des Kindes haben.
Tabelle 1 ist der Versuch einer begrifflichen Präzisierung und sinnvollen Sortierung von
Definitions- und Ordnungsansätzen verschiedener Autoren. Anzumerken ist, dass bei
den Spielarten z.T. Sammelbegriffe, statt einzelner Spielaktivitäten aufgeführt sind (z.B.
"freie Bewegungsaktivitäten" statt Krabbeln, Laufen, Hüpfen, ...).
Einige Autoren verwenden "Einzelspiel" und "Gruppenspiel" quasi als Gattungsbegriff;
das ist sachlich unangebracht, weil der Beteiligtenkreis nichts aussagt über die Funktion
bzw. den Effekt. Nicht unwesentlich ist hingegen die Tatsache, dass gemeinsames
Spielen normalerweise einen größeren Lerneffekt zeitigt und mit zunehmendem Alter
vor allem für die Entwicklung des Sozialverhaltens an Bedeutung gewinnt.
Der Altersaspekt hat in der Tabelle insofern Berücksichtigung gefunden, als tatsächlich
die Entwicklung der Wahrnehmungsfähigkeit und Motorik am Anfang steht und die Prägung des Sozialverhaltens erst viel später zum Tragen kommt.
Die eingangs angedeutete Schwierigkeit einer Kategorisierung liegt eben darin begründet, dass manche Spielarten einen mehrfachen Effekt haben und somit mehreren
Spielgattungen zugeordnet werden könnten. So ist zum Beispiel das Mannschaftsspiel
"Räuber und Gendarm" zugleich Bewegungs-, Rollen- und Regelspiel.
Auch die Spielgattungen1) sind untereinander nicht eindeutig abzugrenzen, weil eine
Kategorie durchaus zugleich Bedeutung für die andere haben kann bzw. mit Lerneffekten der anderen behaftet ist.
1)
alle Oberbegriffe der linken Spalte in Tab. 1 – vom Verfasser (nicht in der angegebenen Literatur)
2. Spielangebote im Freiraum
Die wichtigsten „Spielwelten“ für Vorschulkinder sind die Freiräume an Kindergärten
und das unmittelbare Wohnumfeld (max. 100 m v. d. Wohnung), für die Schulkinder
sind es die Schulfreiräume und das sog. engere Wohnumfeld (bis 500 m v. d. Wohnung) und Jugendliche, die ihren Aktionsradius bereits weiter ausdehnen, nutzen auch
Spielangebote in Grün- oder Parkanlagen im weiteren Wohnumfeld (bis 1000 m v. d.
Wohnung, d.h. ca. 10-15 Min. Fußweg).
Das Hauptproblem ist hier der „Nutzungskonflikt“ Kind-Auto; Blockinnenbereiche sind
nach Möglichkeit autofrei zu halten. Falls in der Nachbarschaft von Spielanlagen die
Unterbringung von Pkw-Stellplätzen unvermeidlich ist, sollten diese gegen „fliegende
Objekte“ abgeschirmt werden (Ballfangzaun, hohe Sträucher), doch müssen alle Zugangsbereiche zur Fahrbahn übersichtlich sein.
Anzustreben ist eine sinnvolle Verteilung von Spielangeboten statt räumlicher Konzentration. Ein Fernhalten der Kinder von empfindlichen oder gefährlichen Bereichen durch
attraktive Angebote andernorts ist das bessere Konzept, – Angebot statt Gebot oder
Verbot!
2
Spielgattung/ -bedeutung
Sensorisch-motorisches Spiel
Entwicklung der Sinneswahrnehmungen und der Körperbeherrschung
(Tastsinn, Gleichgewichtssinn,
Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit,
Reaktionsvermögen)
Technisch-konstruktives Spiel
Entwicklung praktischer Fertigkeiten und des Begreifens funktionaler Zusammenhänge
(Fingerfertigkeit, Geschicklichkeit
in d. Handhabung v. Materialien u.
Geräten, technisches Verständnis)
Künstlerisch-kreatives Spiel
Förderung schöpferischer Veranlagungen und Entwicklung kreativer
Phantasie
(bildkünstlerische, musikalische,
poetische Befähigungen u. Kreativität)
Rezeptiv-kognitives Spiel
Aneignung von Wissen, Entwicklung der Auffassungsgabe und des
logischen Denkens
(Wissbegierde, Lernfähigkeit, Beobachtungsgabe, Zusammenhangsdenken)
Fiktiv-szenisches Spiel
Entwicklung der psychischen Persönlichkeitsstruktur und der moralischen Werthaltungen
(Unterscheidung von Gut u. Böse,
Recht u. Unrecht, Erlernen v. Umgangsformen, Verhaltensmustern)
Sozial-integratives Spiel
Entwicklung des Sozialverhaltens,
Erlernen von Umgangs- und Verhaltensnormen
(Akzeptanz v. funktionalen u. soziaSachzwängen, Fairness, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, Teamgeist)
Spielart/ -inhalt
Spiel mit natürlichen u. künstlichen Materialien, mit beweglichen Spielzeugen,
Spiel an oder mit Sportgeräten, freie
Bewegungsaktivitäten
Formung bzw. Bearbeitung v. natürlichen
u. künstlichen Materialien, Umgang mit
Geräten u. Werkzeugen, Spiel mit Bauu. Konstruktionssätzen
Zeichnen, Malen, Modellieren,
Tanzen, Singen, Musizieren,
Schreiben, Dichten, Komponieren,
Deklamieren, Rezitieren
Lern- u. Wissensspiele, Rate- u. Knobelspiele, Denk- u. Kombinationsspiele,
Lesen, Bildungssendungen (Radio/ TV)
Computerspiele, Naturbeobachtung
Nachahmung des Verhaltens von
Mensch u. Tier, Puppentheater,
Verkleidungs- u. Rollenspiel,
Playback-Auftritte
Gemeinschaftsspiel auf Spielplätzen u.
in Spielzimmern, Ballspiele, Versteckspiel, Gesellschaftsspiele nach festen
Regeln, sportliche Mannschaftsspiele
© Lauenstein, RWTH Aachen
Tab 1: Spielgattungen und Spielarten
3
Öffentliche Grünanlagen wie Parks, größere Stadtgrünplätze, Anlagen für den Breitensport, Freibäder, Campingplätze sollten grundsätzlich mit Spielbereichen für Kinder und
Jugendliche ausgestattet sein (Erwachsene und ältere Menschen dabei nicht gänzlich
vergessen!).
Auch in öffentlichen Stadträumen, wie Plätzen und Fußgängerzonen, sollten Spielmöglichkeiten allgegenwärtig sein. In Aachen z.B. erfreuen sich die Springbrunnen, Wasserrinnen und etliche gut gestaltete Spielpunkte großer Beliebtheit bei Jung und Alt.
Die Spielangebote im Freiraum müssen bezüglich ihrer Lage, Größe und Ausstattung
natürlich auf die Ansprüche der jeweiligen Altersgruppe abgestimmt sein.
Bis 6 Jahre:
Spieleinrichtungen für Kinder im Vorschulalter gehören – der Beaufsichtigung wegen –
vorrangig ins engere Wohnumfeld ("engeres WU" - bis 100 m). Hier gilt ganz besonders
die Forderung nach Vielfältigkeit und Allgegenwärtigkeit von Spielmöglichkeiten! Wichtige Planungsaspekte: Einsehbarkeit, hinreichende Besonnung, Windschutz.
6 bis 12 Jahre:
Dieser Altersgruppe können schon größere Aktionsradien ("weiteres WU" - bis 500 m)
eingeräumt werden. Hier sind dann auch konzentriertere Spielangebote in Rückzugsbereichen angebracht. Das können z.B. Spielbereiche mit Gerätespielplatz, Ballspielplatz,
Wasserspielplatz u.ä. sein.
Über 12 Jahre:
Der Aktionsradius dieser Altersgruppe ist quasi unbegrenzt; größere Entfernungen als
1000 m werden allerdings nur in Kauf genommen, wenn das Angebot attraktiv genug
ist, z.B. Skateboard-Anlage, Abenteuer- oder Bauspielplatz, Kinderbauernhof u.ä.
Einige der o.g. Anlagen bedürfen der Aufsicht bzw. pädagogischen Betreuung und sind
zudem so unterzubringen, dass davon ausgehende Störungen nicht belastend für umliegende Nutzungen sind. Wegen der hohen Anforderungen an den Immissionsschutz
sind z.B. lärmintensive Anlagen wie Bolzplätze nur zulässig, wenn sie – nach gründlicher Abwägung – im Bebauungsplan ausgewiesen wurden.
In größeren Freizeitanlagen sollte es altersspezifische und gemischte Spiel- und Aufenthaltsangebote gleichermaßen geben, – Thema: „Generationenspielplatz“.
Die „Teens“ z.B. brauchen einerseits Rückzugsorte an denen sie ungestört „abhängen“
können (Wetterschutz nicht vergessen!), andererseits wollen sie gesehen werden, wenn
sie mit dem Ball, dem Bike oder dem Skateboard in Aktion treten und ältere Menschen
haben Freude daran, von einem angenehmen Sitzplatz aus dem bunten Treiben zuzusehen. Bei der Planung ist jedoch darauf zu achten, dass keine gegenseitige Beeinträchtigung oder Gefährdung „vorprogrammiert“ wird.
Das Thema Sicherheit betrifft auch
Mehr Aufmerksamkeit muss den geschlechtsspezifisch bedingten Interessen und Ansprüchen von Mädchen ab etwa dem 12. Lebensjahr zukommen.
Mädchen bevorzugen – aus einem instinktiven Sicherheitsbedürfnis heraus – die vertraute Umgebung und ihre „Klönecke“, Ballspielfläche, Tischtennisplatte, … sollte nicht
in einem Bereich liegen, der sich sozialer Kontrolle gänzlich entzieht. Wichtig in diesem
Zusammenhang – die Vermeidung unübersichtlicher „Angstecken“ und eine hinreichende Beleuchtung in den Abendstunden.
Mädchen sind im Allgemeinen empfänglicher für die ästhetischen Reize guter Gestaltung und vor allem Naturnähe „kommt gut an“: blühende Pflanzen, belebtes Wasser, …
4
Begriffklärungen:
In der Bauleitplanung ist es üblich, für die Ausweisung von Gelände, das dem Spiel
vorbehalten werden soll, den Begriff "Spielfläche" zu verwenden. Zu berücksichtigen ist
jedoch der unten dargelegte eingeschränkte Inhalt des Begriffes bei dessen Verwendung als Objektplanungskategorie, d.h. als Bezeichnung in einem Entwurf.
Die DIN 18034 „Spielplätze und Freiräume zum Spielen“ (Oktober 1988) unterscheidet
und definiert (wenig zufriedenstellend!) "Spielbereich", "Spielplatz", "Spielfläche".
In der Literatur wie auch in Fachplanungsentwürfen tauchen die Begriffe Fläche, Platz
Bereich immer wieder in Verbindung mit einer funktionellen Spezifikation auf:
Sandspielfläche/ -platz/- bereich, Gerätespielfläche/ -platz/ -bereich u.a.m.
Jeder dieser Begriffe kann zutreffend sein, wenn er folgendes berücksichtigt:
1. Die "Fläche" hat keine hinreichend deutliche Begrenzung in der 3. Dimension, welche
sie zum "Raum" machen würde. Folglich kann der Flächenbegriff in der Objektplanung
lediglich eine mit einer Funktion belegte Teileinheit meinen, welcher nicht zwingend
Raumqualität zukommt.
2. Der "Platz" ist – auch im Städtebau! – eine räumlich gefasste Fläche. Folglich dürfte
ein Volleyballfeld in einer Rasenfläche (das durch Ständer und Netz allein ja nicht zum
Raum wird) eigentlich nicht als "Volleyballplatz" bezeichnet werden, wohingegen "Bolzplatz" für eine mit einem Ballfangzaun eingefasste Spielfläche gerechtfertigt ist.
3. Der "Bereich" umfasst mehrere Flächen oder/ und Plätze und somit i.d.R. auch mehrere verschiedene Funktionseinheiten. Folglich kann von einem "Spielbereich" nur die
Rede sein, wenn er wenigstens Flächen mit unterschiedlicher Funktionsbestimmung
aufweist oder z.B. von einem "Sandspielbereich", wenn er deutlich in verschiedene
Sandspielflächen oder/ und -plätze gegliedert ist.
Die Ausstattung einer Spielfläche bzw. eines Spielplatzes betreffend verwendet die seit
1998 gültige DIN EN 1177 den Begriff „Spielplatzgerät“ und meint damit Karussells,
Rutschen, Schaukeln, Seilbahnen, Wippgeräte.
Etwas umfassender ist der in der DIN 18034 verwendete Begriff "Spieleinrichtung" gemeint, denn als solche werden – über die o.g. „Spielplatzgeräte“ hinaus – alle ortsfesten
Ausstattungselemente bzw. Geräte angesehen, wie z.B. Balancierbalken, Klettereinrichtungen, Malwände, Sandkästen, Spielhäuschen, Tischtennisplatten, ...., aber auch nur
temporär fest installierte Spielhilfseinrichtungen wie Ballspieltore oder Volleyballständer
u.ä.
Verstehen Sie also "Spieleinrichtung" bzw. „Spielplatzgerät“ – im Gegensatz zu mobilen
Spielgeräten oder Spielzeugen – als fest installiert, wenn auch in Teilen eventuell beweglich oder veränderbar.
3. Planungsgrundlagen für Spielflächen
3.1 Flächenbedarf
Der Flächenbedarf wie auch der qualitative Anspruch an die Ausstattung von Spielflächen ist umso höher, je höher die Bebauungs- und Einwohnerdichte (GFZ u. EW/ha), je
höher die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, je schlechter die Ausstattung der Wohnungen, je niedriger der Lebensstandard und je denaturierter das weitere Wohnumfeld.
5
Um Richtwerte für die Bereitstellung von Spielflächen hatten sich in der Vergangenheit
besonders die Deutsche Olympische Gesellschaft und der Deutsche Städtetag verdient
gemacht. Deren Forderungen hatten sich dann 1971 in der DIN 18034 „Spielplätze für
Wohnanlagen“ niedergeschlagen und sollten der Sicherung von Spielgelände im Zuge
der Bauleitplanung dienen (Tab. 2).
1915: Martin Wagner1)
1920: Entwurf Reichsspielplatzgesetz2)
1950: Deutscher Städtetag
1960: Goldener Plan der DOG
1967: Goldener Plan der DOG
1968: DIN 18034
1969: Deutscher Städtetag (s. 1950!)
1971: DIN 18034 (s. 1968!)
1975: Goldener Plan der DOG (s. 1967!)
1987: Mustererlass der ARGEBAU
2,4
3,0
5,0
1,5
2,0
3,0
2,5
2,5
1,5
2-4
Tab. 2: Geschichtliche Entwicklung der Richtwerte
für die Bereitstellung von Spielflächen
(m2 Nettospielfläche3) pro EW)
1)
in: Das sanitäre Grün der Städte. Diss. Berlin, 1915
nicht als Gesetz verabschiedet worden
3)
Die Nettospielfläche ist mit ca. 75% der Bruttofläche zu veranschlagen; die Bruttofläche beinhaltet Erschließungs- und Vegetationsflächen sowie nicht nutzbare Anlagenteile des ausgewiesenen Bereiches.
2)
Die letzte Fassung der DIN 18034 enthält sich dann jeglicher Flächenforderung, weil die
2,5 m² pro EW (Fassung v. 11/71) offenbar in der städtebaulichen Praxis nicht in jedem
Falle durchsetzbar und somit zu konfliktträchtig waren; verwiesen wird lediglich auf den
"Mustererlass der ARGEBAU" von 1987, in welchem 2-4 m² Nettospielfläche pro Einwohner als Richtgröße genannt werden.
Dieser "Mustererlass" der Länderminister für Bau- und Wohnwesen legt zwar die Übernahme seiner Empfehlungen in Landesrecht nahe, aber nur in 3 Bauordnungen (Berlin,
Hamburg, Schleswig-Holstein) finden sich konkrete Flächenforderungen (s. Punkt 4.1).
Anhaltspunkte bietet allerdings ein offenbar noch immer gültiger3) Runderlass des Innenministers NW vom 31.07.1974, welcher neben dezidierten Planungshinweisen auch
Richtwerte für den Spielflächenbedarf enthält (Tab. 3).
3)
siehe z.B. Website Stadt Bergheim, „Kinder, Jugend & Bildung“
Bebauungsdichte
Netto-EWdichte
Bruttospielfläche
(GFZ)
(EW/ ha)
(m / EW)
0,4
0,8
1,0
1,2
1,4
1,6
160
280
350
420
455
490
2,4
3,0
3,3
3,6
4,2
4,5
2
Tab. 3: Richtwerte für den Spielflächenbedarf (s. Rd.Erl. d. Innenmin. v. 31.07.1974)
Diese Richtwerte erscheinen durchaus angemessen, aber als Berechnungsgrundlage
für die Planungspraxis ist eine solch differenzierte Aufschlüsselung doch ziemlich „unhandlich“ und zudem – wie gesagt – konfliktträchtig.
6
Da sich die meisten Bauordnungen „bedeckt“ halten, bleiben konkrete Festlegungen
den kommunalen Satzungen überlassen.
Das Aachener Jugendamt z.B. bringt pragmatisch für dicht bebaute Gebiete eine Mindestforderung von 10 m2 Spielfläche pro Kind (bis 14 Jahre) in Ansatz.
Wenn der FNP einer Kommune nicht genug Spielfläche hergibt, bleibt immer noch die
Möglichkeit, bisher ungenutzte Reserven zu aktivieren, wie z.B.:
-
Freigabe öffentlicher Grünanlagen für Spielnutzung,
Interimsnutzung von Brachen und Baulücken,
Schaffung verkehrsberuhigter Bereiche nach StVO
Mehrfachnutzung von Spiel- und Sportflächen der Schulen und Vereine,
Schaffung von Spielpunkten in Fußgängerzonen,
Nutzung freier Dachflächen (Tiefgaragen/ öffentliche Gebäude),
Einsatz mobiler Spieleinrichtungen (Spielmobil/ Spielbus).
3.2 Lagewahl
Wichtige Gesichtspunkte für die Lagewahl sind die Erreichbarkeit und Sicherheit des
infrage kommenden Areals, die dort eventuell nutzbaren Baustrukturen und Naturgegebenheiten sowie die eine Spielnutzung möglicherweise beeinträchtigenden bzw. ausschließenden Störfaktoren.
a. Erreichbarkeit
Die bereits genannten "Aktionsradien" der Kinder (Wohnung – Spielanlage) sind zu berücksichtigen. Die Wege für Kinder sollen gefahrlos nutzbar und bespielbar sein!
- bis 6 Jahre 100 m
- bis 12 Jahre 500 m
- ab 12 Jahre - 1000 m
b. Baustrukturen
Gebäude(-reste), Keller, Schuppen, Mauern, Zäune, befestigte Flächen, Wege, Rampen, Treppen, Stege, Brücken, ... können interessante Spielelemente bzw. "Spieleinrichtungen" sein.
Deshalb: Vorhandene Baustrukturen bzw. bauliche Elemente auf oder im Umfeld der
infrage kommenden Fläche auf Spielwert und Brauchbarkeit für eine interessante räumlich-funktionelle Strukturierung untersuchen!
c. Naturgegebenheiten
Naturnähe des Spielumfeldes ist besonders im innerstädtischen Raum für das Kind von
besonderem Spiel- bzw. Erfahrungswert (Naturerscheinungen/ Entwicklungszyklen).
Pflanzen Tiere Relief Gestein Boden Wasser 1)
Bäume - Spielwert!/ Giftpflanzen?!/ geschützte Arten?1)
Erfahrungswert!/ Vertreibung geschützter Arten?1)
Hänge/ Kuppen/ Senken - hoher Spielwert!
Baumaterial/ Kletterfelsen
Spieleignung?, s. Störfaktoren
Gewässer - hoher Spielwert!, s. Störfaktoren
In naturnahen Bereichen ist zu prüfen, ob geschützte Pflanzen- o. Tierarten gefährdet werden
7
d. Störfaktoren
Eine Reihe von Störfaktoren kann die Spielfunktion erheblich beeinträchtigen bzw. die
Einrichtung einer Spielanlage u. U. gänzlich ausschließen:
Wind Kaltluft Verschattung Überhitzung Vernässung Lärm Luftverunreinigung Bodenverunreinigung Wasserverunreinigung Gefahrenquellen 1)
2)
Abhilfe durch Windschutz?!1)
Umleitung/ Abfluss möglich?1)
keine Sandkästen/ keine bewegungsarmen Spielfunktionen!
nur bewegungsarmes Spiel/ Sitz- u. Liegebereiche2)
Ausschlussfaktor!/ allenfalls als Biotop Spiel- bzw. Lernwert
Ausschlussfaktor für Kleinkinderspiel u. Ruhebereiche
Ausschlussfaktor/ Gegenmaßnahmen – beim Emittenten
durch Bodenaustausch behebbar (aber: Kosten?!)
keine Spiele mit intensivem Wasserkontakt!
gefährl. Gelände o. Gewässer/ ober- u. unterird. Leitungen
Belüftung/ Durchlüftung der Wohngebiete darf durch Schutzmaßnahmen nicht beeinträchtigt werden
Überhitzung tritt vor allem in südwestlich orientierten Eckbereichen auf
3.3 Ausstattung
Die DIN 18034 unterscheidet unter Punkt 3 zwischen Spielbereichen A, B und C:
A-
Zentrale Versorgungsfunktion im Wohngebiet, Ortsteil, Ort mit Spielangeboten für
alle Altersgruppen (i.d.R. Betreuung erforderlich!).
Ausstattung z.B.: - Gebäude m. Spiel-, Kultur-, Werkräumen
- Abenteuerspielplatz/ Bauspielplatz/ Wasserspielplatz
- Gärtnerei/ Tierfarm
B-
Versorgungsfunktion im Wohnbereich mit Spielangeboten für schulpflichtige Kin
der und Jugendliche sowie angemessenen Angeboten für Kleinkinder.
Ausstattung z.B.: - Sand-/ Gerätespielplatz
- Ballspiel-/ Bolzplatz
- Rollschuh-/ Skateboardbahn
C-
Versorgungsfunktion im wohnungsnahen Bereich mit Spielangeboten für Kinder
im Vorschulalter.
Ausstattung z.B.: - Sandkästen m. Spieltischen, kl. Klettergeräte, Balancierbalken, Wackeltiere, Wippen, Schaukeln, Hüpfspiele, ...
Zu den Anforderungen an Ausstattung und Funktion gibt die DIN 18034 unter Punkt 4
für die Objektplanung dezidierte Hinweise.
Aussagen zur Ausstattung finden sich teilweise auch in den kommunalen Spielplatzsatzungen. Beispiel Aachen: „Spielflächen sollen mit mindestens drei ortsfesten Sitzgelegenheiten ausgestattet sein.“
Ausstattung und Funktion betreffend – 10 wichtige allgemeine Prinzipien:
1.
2.
3.
4.
Kindgerechter Maßstab für alle Raumeinheiten, Spieleinrichtungen und baulichen
Elemente (z.B. für Sitzhöhen, Schrittmaß von Treppenstufen etc.)
Vielgestaltiges, gut strukturiertes Raumangebot mit kleineren Rückzugsräumen
u. größeren Bereichen für Kontakt zwischen verschiedenen Altersgruppen
Sinnvoll benachbarte, inhaltlich aufeinander abgestimmte Funktionsbereiche
Altersspezifisches Spielangebot in den jeweiligen Funktionseinheiten
8
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Vielfältige, variantenreiche Benutzbarkeit der Spieleinrichtungen
Austauschbare, umrüstbare bzw. auch beim Spiel veränderbare Geräte
Robuste, ungefährliche Materialien und Konstruktionen
Mannigfaltige Sinnesreize durch Farben, Formen u. Materialien
Uneingeschränkte Bespielbarkeit der Flächen und Einrichtungen
- Nutzungsangebote für Winterhalbjahr
(Ski, Rodeln, Eislauf, .../ Beleuchtung!/ Feuerstelle?)
- Nutzungsmöglichkeiten bei Regen
(Unterstände, Überdachungen/ Spiel mit Regenwasser!)
Zufahrtmöglichkeit für Wartungs- u. Notdienstfahrzeuge muss gegeben sein!
4. Rechtliche Grundlagen
4.1 Spielflächenausweisung
a. Öffentliche Spielflächen
Nach § 1 Abs. 5 Baugesetzbuch (BauGB) sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne u.a.
die "Belange ... von Sport, Freizeit und Erholung" zu berücksichtigen.
Diese Grundsätze verpflichten die Kommunen, ausreichende Spielflächen für Kinder
und Jugendliche zu schaffen.
In Nordrhein-Westfalen gelten nach wie vor die Vorgaben und Hinweise des bereits genannten Runderlasses des Innenministers vom 31.07.1974.
b. Private Spielflächen
Nach § 9 Abs. 2 der Landesbauordnung von Nordrhein-Westfalen (BauO NW) sind private Bauherren verpflichtet, bei der Errichtung von Gebäuden mit mehr als drei Wohnungen ausreichende Spielflächen für Kleinkinder (Vorschulalter) zur Verfügung zu stellen, sofern nicht in unmittelbarer Nähe (bis 100m) geeignete öffentliche Spielanlagen
mit entsprechendem Spielangebot vorhanden sind.
Laut Verwaltungsvorschrift zur Landesbauordnung (VV BauO NW) ist mit dem Bauantrag Nachweis über Vorhandensein solcher Ausweichflächen zu führen.
Achtung: Berücksichtigen Sie die jeweiligen "Ortsatzungen"!
4.2 Haftung
In der DIN 7926, Teil 1 - 5, sind die sicherheitstechnischen Mindestanforderungen an
Kinderspielgeräte, d.h. deren Konstruktion, Installation und Anordnung aus sicherheitstechnischen Erfahrungen bzw. Erwägungen heraus festgelegt worden.
Die Kommunen als Träger öffentlicher Spielanlagen werden im Schadensfalle haftbar
gemacht, wenn nachweislich o.g. sicherheitstechnische Vorschriften der DIN 7926 nicht
eingehalten wurden.
Das gilt auch für das Spielgelände im Allgemeinen: Fehlende Abgrenzung zu stark befahrener Straße, schadhafte Wegebefestigung, giftige Pflanzen o. kontaminierter Boden
auf dem Spielplatzgelände sind z.B. Haftungsgründe.
Jegliche Verletzungsgefahr, jegliches Risiko beim Spiel ausschalten zu wollen, kann
allerdings aus pädagogischer Sicht eigentlich nicht im Interesse des Kindes liegen ...
Die Gerichte entscheiden letztlich darüber, ob ein Sicherheitsrisiko unzumutbar war und
der Träger der Einrichtung haftbar zu machen ist.
9
LITERATUR:
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Spielanlagen für Kinder und Jugendliche. VEB Verlag f. Bauwesen, Berlin.
BELTZIG, G., 1987:
Kinderspielplätze mit hohem Spielwert - planen, bauen, erhalten.
Bauverlag Wiesbaden, Berlin.
BENGTSSON, A., 1971:
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BOEMINGHAUS, D., 1973:
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BUNDESMINISTER FšR JUGEND, FAMILIE UND GESUNDHEIT (Hrsg.), 1977:
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Kohlhammer-Verlag, Stuttgart.
BUNDESMINISTER FÜR RAUMORDNUNG. BAUWESEN U. STÄDTEBAU (Hrsg.), 1979:
Kinderfreundliche Umwelt.
Schr.reihe "Städtebauliche Forschung", Bonn.
DEUTSCHE OLYMPISCHE GESELLSCHAFT (Hrsg.), 1975:
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Frankfurt/M., Rheinstr. 23
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Heft 3/1989, Callwey-Verlag, München.
INST. F. LANDES- U. STADTENTWICKLUNGSFORSCHG. D. LANDES NW (Hrsg.):
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Schriftenreihe Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Bd. 2.001,
Dortmund, 1974
KINDERHILFSWERK E.V. (Hrsg.), 1980:
Umwelt und Spiel, Bd.4: Recht und Spiel. Callwey-Verlag München.
MINISTERIUM FÜR ARBEIT, GESUNDHEIT UND SOZIALES NW (Hrsg.), 1985:
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Düsseldorf, Horionplatz 1
MINISTER FÜR LANDES- U. STADTENTWICKLUNG NW, 1984:
Rd.Erl. v. 29.11.1984 - VA 1.100/80; Verwaltungsvorschrift zur Landesbauordnung NW
- VV BauO NW.
MINISTER FÜR INNERES NW, 1974:
Rd.Erl. v. 31.07.1974 - VC2-901.11 - Bauleitplanung; Hinweise für die Planung von Kinderspielplätzen.
NIERMANN, J., 1976:
Der Kinderspielplatz. DuMont Buchverlag Köln.
NOHL, W., 1984:
Städtischer Freiraum und Reproduktion der Arbeitskraft. IMU-Institut München
10
NORMENAUSSCHUSS BAUWESEN IM DT. INSTITUT FÜR NORMUNG E. V.:
DIN 18034, Spielplätze und Freiflächen zum Spielen.
DIN 7926 (Teil 1 - 5), Kinderspielgeräte.
Beuth-Verlag Berlin.
RICHTER, G., 1981:
Handbuch Stadtgrün. BLV Verlagsgesellschaft München, Wien, Zürich.
RIETDORF, W. u. H. BAESELER, 1979:
Freizeitanlagen. VEB Verlag f. Bauwesen, Berlin.
SCHULZ-DORNBURG, U. et. al., 1972:
Abenteuerspielplätze - Ein Plädoyer für wilde Spiele. Econ-Verl. Düsseldorf und Wien.
SIN-STÄDTEBAUINSTITUT-FORSCHUNGSGESELLSCH. MBH Nürnberg (Hrsg.), 1974:
Die Stadt - Kinderspielplätze; Grundlagen, Analysen empirischer Befunde und Planungsempfehlungen.
Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart.
WOHLIN, H., 1972:
Freiflächen für Kinder. Callwey-Verlag München.
FLADE, A. u. B. KUSTOR-HÜTTL (Hrsg.): Mädchen in der Stadtplanung. Dt. Studien-Verlag, Weinheim,
1993
11