AfRIKA – EINE NAch - hAlTIGE
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AfRIKA – EINE NAch - hAlTIGE
Afrika Afrika Afrika – Nachhaltige – Nachhaltige Afrika – Nachhaltige – Nachhaltige Partnerschaft Partnerschaft Partnerschaft Partnerschaft auf auf Augenhöhe?! Augenhöhe?! auf Augenhöhe?! auf Augenhöhe Afrika – Eine nach und Anforderungen Anforderungen Anforderungen Anforderungen anan Wirtschaft Wirtschaft an Wirtschaft an-Wirtschaft und Politik und Politik Politik und Politik haltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Fähigkeiten Fähigkeiten und und Ressourcen Fähigkeiten Ressourcen und Ressourcen Afrikas und Afrikas eine Ressourcen eine Afrikas eine Afrik „Die„Die langanhaltende langanhaltende „Die langanhaltende „Die Verhinderung Verhinderung langanhaltende Verhinderung einer einer Verhinderung einer Fähigkeiten einer dynamische dynamische dynamische Balance Balance dynamische anstrebt? Balance anstrebt? anstrebt? 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Klaus Klaus vonvon Bismarck Klaus Bismarck vonKlaus Bismarck von Bismarck Podiumsdiskussion Podiumsdiskussion Podiumsdiskussion Podiumsdiskussio Eintritt Eintritt Eintritt frei! frei!Eintritt frei! frei! (Geschäftsführer (Geschäftsführer AMS (Geschäftsführer Beverage AMS Beverage Engineering (Geschäftsführer AMS Engineering Beverage and Services) AMS and Engineering Services) Beverage and Engineering Services) and Services) HamburgerUnternehmeninOstafrika HamburgerUnternehmeninOstafrika HamburgerUnternehmeninOstafrika HamburgerUnternehmeninOstafrika Prof.Prof. Dr. Louis Dr.Prof. Louis Henri Dr. Henri Louis Prof. Seukwa Seukwa Dr. Henri Louis Seukwa Henri Seukwa (Erziehungswissenschaftler (Erziehungswissenschaftler (Erziehungswissenschaftler und Postkolonialtheoretiker, und (Erziehungswissenschaftler Postkolonialtheoretiker, und Postkolonialtheoretiker, HAWund Hamburg) HAW Postkolonialtheoretiker, Hamburg) HAW Hamburg) HAW Hamburg) Voraussetzungenfüreinenachhaltige Voraussetzungenfüreinenachhaltige Voraussetzungenfüreinenachhaltige Voraussetzungenfüreinenachhaltige PartnerschaftaufAugenhöhe PartnerschaftaufAugenhöhe PartnerschaftaufAugenhöhe PartnerschaftaufAugenhöhe KurtKurt Hirschler Hirschler Kurt Hirschler Kurt Hirschler Anmeldungerbetenbei: Anmeldungerbetenbei: Anmeldungerbetenbei: Anmeldungerbetenbei: KritischeAnmerkungenzumStatusQuoder KritischeAnmerkungenzumStatusQuoder KritischeAnmerkungenzumStatusQuoder KritischeAnmerkungenzumStatusQuoder Mittelweg Mittelweg 21 20148 21Mittelweg 20148 Hamburg Hamburg 21 Mittelweg 20148 Hamburg 21 20148 Hamburg 373 000 Gäste wegen der WM nach Südafrika. geplantenStädtepartnerschaft geplantenStädtepartnerschaft geplantenStädtepartnerschaft geplantenStädtepartnerschaft Foto: Photocase.de Gestaltung: mebusplus.de Foto: Photocase.de 39 10 / 39 97 10 31 T 97 04031/ 39 10 97 T 040 31 / 39 10 97 31 ppKurzum: Gewonnen hat Südafrikas weltweites Image, und da- T 040 T/ 040 info@zukunftsrat.de info@zukunftsrat.de info@zukunftsrat.de info@zukunftsrat.de Moderation: Moderation: Anke Moderation: Anke Butscher Moderation: AnkeDarüber Butscher Anke mit ganzButscher Afrika. gibt esButscher seriöse Untersuchungen wie (Politikwissenschaftlerin (Politikwissenschaftlerin (Politikwissenschaftlerin und ehem. und(Politikwissenschaftlerin ehem. Geschäftsführerin Geschäftsführerin und ehem.EWNW Geschäftsführerin und EWNW Hamburg) ehem.Hamburg) Geschäftsführerin EWNW Hamburg) EWNW Hamburg) www.zukunftsrat.de www.zukunftsrat.de www.zukunftsrat.de www.zukunftsrat.de die des unabhängigen „Reputation Instituts“ in New York. Anschließend Anschließend Diskussion Anschließend Diskussion bis Anschließend circa Diskussion bis circa 21.30 21.30 bis Diskussion Uhrcirca Uhr21.30 bis circa Uhr 21.30 Uhr Gestaltung: mebusplus.de Foto: Photocase.de Gestaltung: mebusplus.de (Politikwissenschaftler (Politikwissenschaftler (Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt mit Schwerpunkt (Politikwissenschaftler deutsch-tansanische mit Schwerpunkt deutsch-tansanische mitdeutsch-tansanische Schwerpunkt Kooperationen) Kooperationen) deutsch-tansanische Kooperationen)Kooperationen) Zukunftsrat Hamburg Hamburg Zukunftsrat Hamburg Zukunftsrat Hamburg ppp Statt der prognostizierten 483 000 Touristen kamen nur Zukunftsrat Verloren haben die Südafrikaner, die zu große Erwar-tungen in dieses sportliche Großereignis gesetzt haben. Projekt Dieses wurde Projekt gefördert wurde durch: gefördert Dieses Projekt durch:wurde gefördert Diesesdurch: Projekt wurde gefördert durch: Eine Veranstaltung Eine Veranstaltung von: von:Eine Veranstaltung von: Eine Veranstaltung von: Gefördert von InWEnt aus Mitteln des BMZ © der Einzelbeiträge liegt bei den Autor_innen Herausgeber: Zukunftsrat Hamburg Auflage: 100 Stück Hamburg 2010 Afrika – Eine nach- haltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Eine Veranstaltungsreihe des Zukunftsrats Hamburg Seite 2 Projekt: Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe Einleitung >> Ulf Skirke | Zukunftsrat Hamburg Es ist seit längerem an der Zeit, das verfestigte Negativ-Bild Afrikas als krisengeschüttelten und auf Dauerhilfe ausgerichteten Kontinent neu zu diskutieren und zu korrigieren. Gerade im letzten Jahrzehnt weist Afrika trotz bestimmter Probleme vielfältige positive Entwicklungen in den Bereichen Ökonomie, Ökologie, soziale Entwicklung und demokratische Stabilisierung auf. Sowohl aus europäischer als auch aus afrikanischer Sicht zeigen jüngere Forschungsergebnisse und Sichtweisen neue Erkenntnisse über Geschichte und Kultur Afrikas – mit weitreichenden Konsequenzen für die Möglichkeiten zukünftiger Entwicklung des Kontinents. Zu Recht kann man von einer „Wiederentdeckung Afrikas“ sprechen, die eine neue ‚Ära‘ partnerschaftlicher Kooperation zwischen Europa und Afrika für eine gemeinsame nachhaltige Entwicklung befördert. In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich das herkömmliche auf linear-mechanistisches Wachstum ausgerichtete westliche Industrie- und ‚Fortschritts‘-Modell in Frage zu stellen. Insbesondere auf dem Weg zu nachhaltigen, „gleichgewichtssuchenden Prozessen“(Aalborg-Charta) können die in der afrikanischen Kultur tief verankerten komplex-dynamischen, multikulturellen und selbstorganisierenden Weltbilder äußerst hilfreich sein und als Vorbilder dienen. Nur wenn wir bereit und in der Lage sind, von der Einzigartigkeit und Vielfalt afrikanischer Kultur und damit deren Problemlösungsansätzen zu lernen, besteht die Chance für eine gleichberechtigte Partnerschaft auf Augenhöhe. Dabei sollten wir uns nicht nur auf die globale oder internationale Ebene beschränken, sondern gezielte Projekte und Initiativen auf regionaler und lokaler Ebene voranbringen. Insofern stellte sich für den Zukunftsrat Hamburg die Frage: Was können wir auf dieser ‚Entdeckungsreise‘ an wichtigen Erkenntnissen und Handlungsoptionen für eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe hier wie dort beitragen? Wie kann in Hamburg praktisch mit einer so verstandenen beiderseitigen „Entwicklungs“-Partnerschaft umgegangen werden? Wie kann die in Hamburg lebende afrikanische ‚Community‘ einbezogen werden? Wie lassen sich Medien, Wirtschaft oder Forschungsinstitute erreichen und zur Kooperation für Nachhaltigkeit gewinnen? Wie lässt sich die neu aufgebaute Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Dar es Salaam produktiv nutzen und mit neuen Impulsen versehen? Das hier beschriebene Projekt kann keine abschließenden Antworten geben, sondern möchte einen Prozess anstoßen, der gewohnte Denk- und Handlungsmuster in Bezug auf Afrika in Frage stellt und mit Hilfe von öffentlichen Veranstaltungen, Workshops, Konzepten und Projekten beispielhaft neue Wege beschreitet. Seite 3 Inhalt Vorwort >> Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg....................................................................................................................................................................... 03 1. Ratstreffen am 15.09.2008 „Die Wiederentdeckung Afrikas-Partnerschaft auf Augenhöhe für eine nachhaltige Entwicklung“ Gäste ........................................................................................................................................................................................................................................... 08 Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg ............................................................................................................................................................................................... 10 Karin Heuer im Gespräch mit Louis Henri Seukwa, HAW Hamburg.........................................................................................................................................12 Klaus Milke, Germanwatch e.V....................................................................................................................................................................................................14 Heiko Möhle, Eine Welt Netzwerk ............................................................................................................................................................................................ 20 Tanja Neubüser, Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V. ....................................................................................................................................................... 22 2. Sondierungsworkshop am 27.05.2009 „Die Wiederentdeckung Afrikas – Partnerschaft auf Augenhöhe“ Gäste ........................................................................................................................................................................................................................................... 26 Pressemitteilung . ....................................................................................................................................................................................................................... 27 Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg ............................................................................................................................................................................................... 28 Veye Tatah, Africa Positive e.V. ................................................................................................................................................................................................. 30 Diskussionsergebnisse ............................................................................................................................................................................................................... 32 3. Podiumsdiskussion am 3.11.2009 „Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Anforderungen an Wirtschaft und Politik“ Gäste ........................................................................................................................................................................................................................................... 36 Karin Heuer, umdenken.............................................................................................................................................................................................................. 37 Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Stadt Dar es Salaam (2009 -2010) .............................................................................................................................................................................. 38 Seite 4 Ulrich van der Heyden, Afrika- und Kolonialhistoriker ............................................................................................................................................................ 40 Louis Henri Seukwa, HAW Hamburg ......................................................................................................................................................................................... 42 Kurt Hirschler, Tanzania-Koordination Hamburg ...................................................................................................................................................................... 44 Pressemitteilung, Eine Welt Netzwerk ..................................................................................................................................................................................... 48 Pressestimme, Neues Deutschland .......................................................................................................................................................................................... 50 4. Podiumsdiskussion am 26.11.2009 „Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Kultur und Sport“ Gäste ........................................................................................................................................................................................................................................... 54 Kocra Assoua, Universität Bayreuth........................................................................................................................................................................................... 56 Michel Dinzey, Fußballprofi und Trainer ................................................................................................................................................................................... 58 Harald Stutte, Hamburger Morgenpost .................................................................................................................................................................................... 60 Veye Tatah, Africa Positive e.V. ................................................................................................................................................................................................. 61 5. Abschlussveranstaltung am 29.11.2010 „Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Konsequenzen und Perspektiven“ Gäste ........................................................................................................................................................................................................................................... 64 Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg ............................................................................................................................................................................................... 66 Kocra Assoua, Universität Bayreuth........................................................................................................................................................................................... 68 Harald Stutte, Hamburger Morgenpost .................................................................................................................................................................................... 70 Michael Hoppe, steps for children ............................................................................................................................................................................................ 72 Mete Odabasi (10B) und Paul Pörksen (10B), Helene Lange Gymnasium .............................................................................................................................74 Han Tran (10d/S1), Helene Lange Gymnasium......................................................................................................................................................................... 76 Seite 5 1. Ratstreffen – 15.09.2008 1. Die Wiederentdeckung Afrikas – Partnerschaft auf Augenhöhe für eine nachhaltige Entwicklung Seite 6 Einladung Wir laden Sie herzlich ein zum 35. Ratstreffen am 15 September, 16.00 bis 19.00 Uhr Patriotische Gesellschaft, Trostbrücke 4-6, Kirchhofsaal „Die Wiederentdeckung AfrikasPartnerschaft auf Augenhöhe für eine nachhaltige Entwicklung“ Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Globalisierung vor Ort Vielfach wird in der Öffentlichkeit das Bild von Afrika als krisengeschüttelter Kontinent vermittelt. Wird diese einseitige Sichtweise wirklich den langjährigen Traditionen und Potentialen dieses Kultur- und Lebensraumes gerecht? Trotz bestimmter Probleme weist Afrika gerade in den letzten Jahren eine Reihe positiver Entwicklungen in den Bereichen Ökonomie, soziale Entwicklung und demokratischer Stabilisierung auf … Europa trägt eine erhebliche Mitverantwortung an Fehlentwicklungen, Missverständnissen und Missachtungen gegenüber dem afrikanischen Kontinent. Gerade vor dem Hintergrund des Zieles einer globalen Nachhaltigkeit reicht eine bloße Entwicklungs“hilfe“ Europas für Afrika nicht aus, sondern es bedarf einer neuen gleichberechtigten Partnerschaft für eine gemeinsame nachhaltige Zukunft. Dazu gehört auch, „schlummernde Potentiale“ Afrikas in ökonomischer, ökologischer, sozialer und kultureller Hinsicht wiederzuentdecken. Was können wir zu dieser Entdeckungsreise und für eine solche Partnerschaft auf Augenhöhe hier und dort vor Ort beitragen…? Programm 16:00 Uhr Begrüßung Dr. Dirka Grießhaber, Zukunftsrat Hamburg 16:10 Uhr Die Wiederentdeckung eines Kontinents – Erinnerungen an eine nachhaltige Zukunft Dr. Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg 16:30 Uhr Für ein anderes Afrika-Bild Prof. Louis Henri Seukwa, HAW Hamburg / Erz.Wiss. im Gespräch mit Karin Heuer, umdenken 16:50 Uhr Perspektiven für die Zukunft: Klimawandel, Erneuerbare Energien, Landwirtschaft etc. Klaus Milke, Germanwatch 17:10 Uhr Koloniale Vergangenheit als bleibende Hypothek? Heiko Möhle, Eine Welt Netzwerk Hamburg 17:20 Uhr Voneinander lernen: interkultureller Freiwilligendienst Tanja Neubüser, Deutsch-Tansanische-Partnerschaft 17:30 Uhr Pause 17:40 Uhr Afrikanische Kultur in einer globalisierten Welt Angelina Akpovo (angefragt), Alafia e.V. Afrikafestival Hamburg 18:00 Uhr Podiumsdiskussion mit dem Publikum Mit freundlichen Grüßen, Dr. Dirka Grießhaber 19.00 Uhr Ende Seite 7 1. Ratstreffen – 15.09.2008 Gäste Angelina Akpovo stammt aus Benin und wuchs in der Tradition der Fon-Kultur auf. Nach der Schule begann sie eine Hebammenausbildung, war aber zugleich am College von Zongo die Leiterin des Tanzensembles. 1980 kam Angelina Akpovo nach Deutschland und begann hier 1983 ihre Laufbahn als Tanzlehrerin und Künstlerin. Seitdem lebt sie mit kurzen Unterbrechungen in Hamburg. Sie begreift ihren Tanz in Deutschland als Entwicklungshilfe an Leib, Seele und Körper in direkter Umkehr der ökonomischen Entwicklungshilfe Europas in Afrika. Mittlerweile ist Angelina Akpovo in Deutschland die avancierteste Interpretin westafrikanischer Frauentänze, mit ihren Musikgruppen Black WoMen Power und Yakawumbu auf zahlreichen Bühnen Europas zuhause, erfolgreiche Tanzlehrerin und Leiterin des Hamburger Afrikafestes Alafia. Klaus Milke ( Jahrgang 1950) ist Diplom-Kaufmann, Entwicklungs- und umweltpolitischer Berater und Mitbegründer von Germanwatch e.V. Seit 1991 ist er dort Vorstandsmitglied und Vorsitzender der Germanwatch-nahen Stiftung Zukunftsfähigkeit. Germanwatch engagiert sich für globale Gerechtigkeit und den Erhalt der Lebensgrundlagen. Dabei konzentriert sich der Verein auf die Politik und Wirtschaft des Nordens mit ihren weltweiten Auswirkungen. Die Lage der besonders benachteiligten Menschen im Süden bildet den Ausgangspunkt seiner Arbeit. Gemeinsam mit den Mitgliedern und Förderern und mit anderen Akteuren der Zivilgesellschaft will Germanwatch eine starke Lobby für eine nachhaltige Entwicklung sein. Heiko Möhle (1962-2010) studierte nach seiner Ausbildung zum Buchhändler Geographie, Geschichte, Soziologie und Erziehungswissenschaft in Hamburg und Yaoundé (Kamerun). Nach Stationen als Bildungs- und Öffentlichkeitsreferent des Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) in Hamburg und als Koordinator des Sonderforschungsbereichs 520 „Umbrüche in afrikanischen Gesellschaften“ an der Universität Hamburg wurde er 2005 Geschäftsführer des „Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V.“, der Dachverband entwicklungspolitischer Initiativen in Hamburg. Er forschte – zuletzt an der Humboldt-Universität Berlin – unter anderem zu folgenden Themen: Deutscher Kolonialismus mit Schwerpunkt Kamerun, Kolonialismus und Erinnerungspolitik, Afrikanische Diaspora in Deutschland, Internationale Flüchtlingsund Migrationspolitik, Kolonial- und Globalisierungsgeschichte europäischer Hafenstädte, insbesondere Hamburg, und Kolonialgeschichte des norddeutschen Raums. Prof. Dr. Henri Louis Seukwa ( Jahrgang 1967) stammt ursprünglich aus Kamerun. Er hat 2005 am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg promoviert und ist seit 2007 Professor für Erziehungswissenschaften an der Fakultät Wirtschaft und Soziales der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Er wurde unter anderem durch sein Buch „Der Habitus der Überlebenskunst: Zum Verhältnis von Kompetenz und Migration im Spiegel von Flüchtlingsbiographien“ (2006) bekannt, das 2007 mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Kompetenz und den Karl-Dietze Wissenschaftspreis ausgezeichnet wurde. Am 29. Oktober erhielt Seukwa den Höffmann-Wissenschaftspreises Interkulturelle Kompetenz. Mit dem Preis wurden seine Forschungsleistungen in diesem Gebiet gewürdigt. Seite 8 Tanja Neubüser ( Jahrgang 1975) ist Geschäftsführerin des Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V., dessen Aufbau sie maßgeblich mitgestaltete. Nach einer Ausbildung zur Ver- und Entsorgerin bei Beiersorf, einem Studium der Diplom-Umweltwissenschaften mit den Schwerpunkten „Bildung für Nachhaltigkeit“ und „Umweltmanagement“ in Lüneburg, Seminarleitungen seit 15 Jahren, mehrmonatigen Auslandsaufenthalte in Frankreich, England und Nepal, und mehrjähriger Berufserfahrung im Umweltbildungsbereich, war Tanja Neubüser in 2004 für sieben Monate zum Leben und Mitarbeiten an einer Secondary School am Victoriasee in Tansania, bevor sie zum Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V. kam. Der Verein widmet sich folgenden Themen: Partnerschaft auf Augenhöhe, Völkerverständigung durch gemeinsame Arbeit, Ausbildungshilfe für Kinder, Jugendliche und Frauen sowie Klimaschutz durch Förderung der erneuerbaren Energien. Seit Anfang 2008 entsendet er seine Freiwilligen als „Weltwärtsler“ nach Tansania. Dieser fließende Übergang vom FÖJ zu „weltwärts für Völkerverständigung und Klimaschutz in Tansania“ wurde durch die Mitfinanzierung des BMZ beim weltwärtsFreiwilligendienst ermöglicht. Dr. Ulf Skirke ( Jahrgang 1949) ist DiplomPhysiker und Dr. phil. Er ist beruflich im Klimaschutz und der ökologischen Stadtentwicklung in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt tätig. Ehrenamtlich ist er im Zukunftsrat Hamburg als Mitglied im Koordinierungskreis engagiert. Er hat in den letzten zwanzig Jahren eine Vielzahl von Ländern des afrikanischen Kontinents bereist. Karin Heuer ( Jahrgang 1954) arbeitet seit 1993 für umdenken e.V., das Politische Bildungswerk Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg, als Referentin für Umwelt und Bildung. Sie ist zuständig für den Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung und zusätzlich seit 2002 für die Geschäftsführung. Davor war sie als Landwirtschaftlich-technische Assistentin u. a. im Bereich Meeresforschung und Umweltschutztechnik tätig. In der Bundestagsfraktion der Grünen hat sie von 1987-1989 als wissenschaftliche Mitarbeiterin zu den Themen Datenschutz sowie Gen- und Reproduktionstechnologie gearbeitet. Sie ist gewähltes Mitglied im Beirat der Landeszentrale für politische Bildung. Außerdem engagiert sie sich u. a. im BUND, der Deutsch-Tansanischen-Partnerschaft und im Zukunftsrat Hamburg. Seite 9 1. Ratstreffen – 15.09.2008 Wiederentdeckung eines Kontinents – Erinnerungen an eine nachhaltige Zukunft >> Ulf Skirke Afrika als „blinder Fleck“: zwischen Irrtum und Ignoranz pp„Schwarzer Kontinent“? ppGeschichtslosigkeit? (Hegel) ppKulturlosigkeit? ppPolitische Bedeutungslosigkeit? ppMedienbild: Kriege, Krisen, Katastrophen? ppKeine eigene Zukunftsperspektive? „Mit solch einseitig verzerrter Wahrnehmung eines Erdteils und seiner Bewohner wird ein selbstverschuldetes Chaos suggeriert, das letztlich auch entlastende Wirkung für diejenigen besitzt, die historische Mitverantwortung an den vom Kolonialismus geschaffenen gesellschaftlichen Strukturen tragen“ (Henning Melber) Abb 1 Wie weit zur Nachhaltigkeit? Abb 2 Die vollständige Originalpräsentation kann im Internet unter http://www.zukunftsrat.de unter dem Menüpunkt „Themen“ abgerufen werden. Seite 10 A Affrika rika als ‚blinder Fleck‘: Zwischen Irrtum und Ignoranz Ignoranz � � � � � � „Schwarzer Kontinent“ Kontinent“? Geschichtslosigkeit? (Hegell)) Kulturlosigkeit? Politische Bedeutungslosigkeitt? ? Medienbild: Kriege, Krisen, Katastrophen? Keine eigene Zukunftsperspektiven? „Mit solch einseitig verzerrter Wahrnehmung eines Erdteils und seineerr Bewohner wird ein selbstverschuldetes Chaos suggeriert, das letztlich auch entlastende Wirkung fü für diejenigen besitzt, die historische Mitverantwortung an den om vvo m Kolonialismus geschaffenen gesellschaftlichen Strukturen tragen.“ tragen.“ (Henning Melber) Melber) Wie weit zur Nachhaltigkeit…..? Seite 11 1. Ratstreffen – 15.09.2008 Karin Heuer im Gespräch mit Prof. Dr. Henri Louis Seukwa 1.Welches sind aus Ihrer Sicht hier bei uns die vorherrschenden Bilder vom afrikanischen Kontinent? Wenn wir unter dem Begriff Bilder nicht nur die piktographischen Elemente sondern alle diskursiven Produktionen d.h. einen Wissenskorpus verstehen, der durch diverse mediale Darstellungen, gesellschaftliche Praktiken sowie politisches Handeln über Afrika als Kontinent und die Afrikaner in Deutschland produziert wird, dann müssen wir feststellen, dass diese Bilder überwiegend negativ sind. Die Stichwörter, die aus diesen Bildern hervorgehen, womit Afrika in der Imagination der Öffentlichkeit assoziiert wird, sind wohlbekannt: Armut, Hunger, HIV, Analphabetismus, Korruption, Diktatur, Bürgerkriege, Staatzerfall, Naturkatastrophen etc. Kurzum kristallisieren die Gesellschaften Afrikas in dieser diskursiven Produktion nahezu all das heraus, was für die hiesige Gesellschaft zu vermeiden gilt bzw. im Prozess ihrer Entwicklung schon überwunden wurde. 2.Inwieweit – oder besser gesagt wie – formen und prägen diese Bilder unsere Beziehungen zu Afrika? Die diskursiven Produktionen über Afrika (Bilder) lassen sich unter zwei Kategorien subsumieren: Afro-Romantismus und AfroPessimismus. Die eine, apologetisch, naturalisierend und kulturalisierend, hebt die positiven Eigenschaften der originellen „Afrikanischen Traditionen“ hervor (was auch immer diese sein mögen) und fokussiert dabei vornehmlich das Vor-Koloniale Afrika, wobei der „Afrikaner“ als „edler Wilder“ bzw. „Naturmensch“ dargestellt wird. Die andere, pejorativ, rassistisch und arrogant, stellt den Afrikanischen Kontinent als Sammelbecken von Mängeln an zivilisatorischen und kulturellen Eigenschaften dar, die im Besitz der sog. entwickelten Gesellschaften sind, wobei der „Afrikaner“ als Seite 12 „böse, bzw. Taugenichts Wilder“ präsentiert wird. Konstant in diesen beiden Positionen ist jedoch der „Wilde Afrikaner“ sei er edel, böse oder unfähig. Diesem und seiner Gesellschaft kann fortan zum Eintritt, Verbleib und Weiterentwicklung in die menschliche Geschichte nur durch „Entwicklungshilfe“ des Westens verholfen werden; so wie es früher schon mit der christlichen Missionierung und der Kolonisierung des afrikanischen Kontinents der Fall war. Bekanntlich positioniert sich der Westen selbst auf der Entwicklungsleiter ganz oben. Diese Bilder sind sehr mächtig. Sie sind die Kategorien, d.h. die Brille, wodurch viele Europäer Afrika und die dort stammenden Menschen wahrnehmen und betrachten. Anders formuliert, erst durch diese Bilder wird „ein Afrika“ konstruiert, das als legitimes Objekt der europäischen Intervention erscheint, nämlich das „unterentwickelte“ Afrika. Die unverschämten Bilder, womit die sog. Entwicklungshilfe Organisationen um Spenden der deutschen Öffentlichkeit für „gute Zwecke“ in ihren verschiedenen Interventionsgebieten in Afrika werben sind u. a. eine Parade-Illustration einer solchen Konstruktion. 3.Sie und ich und wahrscheinlich alle anderen Anwesenden auch, wünschen sich ein möglichst gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Europa und Afrika. Dazu gehört auch das Voneinanderlernen. Was können wir hier aus Ihrer Sicht z.B. aus der Kulturgeschichte Afrikas lernen? Die Formulierung „Kulturgeschichte“ gefällt mir! Denn sie suggeriert zweierlei: Zunächst, dass Afrika mehr als ein rohstoffreicher Kontinent ist. Es dürfte eine Binsenweisheit sein, dass kein Land der Welt nachhaltig im Konzert der Nationen mächtig geworden ist allein, weil es im Besitz von großen Mengen an natür- Wir können uns jedoch exemplarisch auf ein Beispiel beschränken: den Bildungsbereich. Angesichts der Misere der schulischen oder formellen Bildung in Deutschland, wie die wiederholt beschämenden Ergebnisse im internationalen Vergleich es bewiesen haben sowie die daraus entfachte Debatte über die Fähigkeit dieser Institution, den Heranwachsenden allein mit Kompetenzen auszustatten, die notwendig sind für ihre gesellschaftliche Teilhabe und Weiterentwicklung, können wir in der Tat eine Menge von der sog. afrikanischen „traditionellen Erziehung“ lernen. Diese war, um es mit vertrauten Begriffen zusammenzufassen, nicht nur ganzheitlich im Sinne Pestalozzis sondern auch und vor allem Lebenswelt-, Sozialraum- und Kompetenz- orientiert. In dieser Weise wurde die Klippe der Vermittlung von fragmentiertem und abstraktem Wissen ohne Bezug zur Lebenswelt der Lernenden, – was heutzutage im hiesigen Bildungssystem stark kritisiert wird – umschifft. Beispiele wie diese können wir sind ebenfalls in anderen kulturellen Gebieten wie Medizin, Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion etc. zu finden. 4. Was also müssen wir bzw. muss Europa tun oder vor allem lassen, um wirkliche, echte Partner Afrikas zu werden? Wo sehen Sie hierfür die größten Chancen? lichem Reichtum ist. Im spezifischen Fall Afrikas sind sich inzwischen alle seriösen historischen Beobachter sogar darüber einig, dass diese natürlichen Reichtümer aufgrund ihrer strategischen Bedeutung im Kontext der globalen Marktwirtschaft zum großen Teil Ursache vieler politischer Konflikte und menschlichen Elends dort sind. In diesem Zusammenhang wird von dem „Paradox of Plenty“ gesprochen. Dies gesagt, ist es anderseits aufgrund der schon erwähnten negativen Konstruktionen Afrikas im europäischen Kontext bzw. in Deutschland (Konstruktionen, die übrigens schon auf die Periode der Aufklärung mit Autoren wie Hegel, Montesquieu etc. zurückzuführen sind) nicht selbstverständlich, hier ohne weiteres diesen Kontinent mit dem Begriff „Kulturgeschichte“ in Verbindung zu bringen. Wenn wir jedoch davon ausgehen, dass Afrika nicht nur die Wiege der Menschheit ist sondern auch eine der ersten, längsten und mächtigsten Zivilisation, der menschlichen Geschichte, nämlich die ägyptische Zivilisation hervorgebracht hat und dass diese Zivilisation keine spontane Genesis war sondern Produkt der Diffusions- und Kristallisationsprozesse innerhalb afrikanischer Kulturen, die in ihren Entstehungsgebieten auf verschiedene Art und Weise u. a. in der Gestalt von großen Reichen wie Songhai, Gao etc. bis ins 18 Jh. blühten, dann und nur dann wird es nachvollziehbar, gar selbstverständlich, dass Afrika eine Kulturgeschichte produziert hat, die für Europa lernenswert ist. Nun bin ich der Meinung, dass es nicht einfach ist, in diesem Rahmen mit der uns knapp zur Verfügung stehenden Zeit die Frage, unter welchen Aspekten diese facettenreiche Kulturgeschichte Afrikas für Europa bzw. Deutschland heutzutage von Interesse sein kann, zu beantworten. Es ist sehr schwierig sich unter den heutigen Bedingungen eine „echte“ Partnerschaft zwischen Afrika und Europa vorzustellen, denn die Machtverhältnisse sind so ungleich zum Vorteil Europas, dass es nur irrealistisch sein kann sich Gedanken über nicht asymmetrische Beziehungen zu machen und dies umso mehr, als die Geschichte uns lehrt, dass es in den internationalen Beziehungen nicht um Freundschaft, Philanthropie und ähnliches geht sondern um eigene Interessen, die die Mächtigsten bekanntlich rücksichtslos zu vertreten vermögen. Realitätsnäher wäre in diesem Zusammenhang eher die Frage welches Interesse Europa an der Beendigung des Elends in Afrika haben kann. Die Antwort unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsperspektive dürfte in diesem Kreis naheliegend sein. Denn viele lokal auftretende Probleme wie Flüchtlingsströmungen, Klimawandel, Terrorismus etc. sind global verursacht und ihre nachhaltige Bewältigung auch nur global möglich. 5. Und zu guter Letzt: Wenn sie Marketing-Chef der Afrikanische Union wären, mit welchen Bildern würden Sie dann für diesen Kontinent werben? Mit den Bildern von Millionen Frauen und Männern in Afrika auf unterschiedlicher gesellschaftlicher Ebene, die in extrem schwierigen Bedingungen alltäglich mit unglaublichem Einfallsreichtum den Widrigkeiten des Lebens trotzen. Diese Überlebenskünstler sind meines Erachtens der gute Samen, aus dem heute eine hoffnungsvolle Zukunft Afrikas erwachsen kann. Seite 13 1. Ratstreffen – 15.09.2008 Afrika: Perspektiven für die Zukunft Klimawandel, Erneuerbare Energien, Ernährung und Landwirtschaft >> Klaus Milke Vorstandsvorsitzender von Germanwatch Afrika und Klimawandel: ppWas ist das Problem: 2-Grad und Anpassung ppDie besondere Betroffenheit Afrikas ppAfrika und Agrofuels ppDie Bedrohung des afrikanischen Regenwaldes ppAfrika und das Öl ppNordafrika und das „SuperSmartGrid“-Projekt ppDie Klimaverhandlungen und die Rolle der afrikanischen Staaten: positiver Fall Südafrika Climate Change die Herausforderung: nicht über 2° Celsius (Abb. 1) Abb. 1 Die Tipping-Points ppMeeresspiegelanstieg ppMehr Trockenheit in der Sahara ppVersteppung des Amazonas-Regenwaldes ppInstabilität des asiatischen Monsun ppGletscherschmelze im Himalaja und Wassernot in Indien, China ... ppVersauerung der Weltmeere ppRückkopplungseffekte unterschätzt??? Tipping Points in the Earth System (Abb. 2) Wer sitzt auf den oberen Decks ? Bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels sitzen zwar arme und reiche Länder in einem Boot. Aber die einfachen und ärmeren Passagiere übernachten auf den unteren Decks, die Rettungsboote liegen auf den oberen. Die Erreichung der Ziele der weltweiten Armutsbekämpfung bis 2015 (MDG) sind schon jetzt erheblich infrage gestellt ! Seite 14 Abb. 2 Notwendige Strategie 1.Vermeiden des Nicht-Unbewältigbaren CO2-Reduktion – Wer sind die Verursacher ? 2.Bewältigung des Unvermeidbaren Anpassung – Wer sind die Opfer ? Impressionen zum Klimawandel aus Afrika „Das Wetter ändert sich. Früher haben wir heftigen Regen gehabt, als die Winde aus dem Westen kamen und und dann 2-3 Tage später mit Regen zurückkamen. Jetzt kommt der Wind aus dem Osten und bringt wenig oder gar keinen Regen. Ich weiß nicht, was dies verursacht. Vielleicht die Kriege im Irak und im Iran, all die Bomben und die Verschmutzung, der Rauch, der von den zerbombten Ölfeldern zu uns herüber weht. Wir sind nicht sehr weit weg davon.“ Paul Mayan Mariao, Chief Kaikor, Turkana „Die veränderten Niederschlagsmuster tragen zu der zunehmenden Wüstenbildung bei. Die verringerte Produktion von Gras bedeutet, dass weniger Tiere versorgt werden können. Trockenheit führt zum deutlichen Verlust an Tieren. Dies hat verheerende Folgen auf die Hirten, sowohl Tuareg wie auch Wodaabe, deren Existenz von der Tierhaltung abhängt. Es schafft chronische Probleme der Ernährungssicherheit, und große soziale auch.“ Jeff Woodke of JEMED (Youth with a Mission) „Die Auswirkungen des Klimawandels treffen überproportional die ärmsten Länder der Welt, viele davon in Afrika. Arme Menschen leben heute schon an der Front von Verschmutzung, Katastrophen und dem Verlust von Ressourcen und Land. Für sie ist Anpassung eine Frage des Überlebens.“ Kofi Annan Beispiel: Particularly vulnerable rural areas in the Suda Source: NAPA Sudan IPCC-Kernaussagen für Afrika (I) ppAfrika ist einer der gegenüber den Folgen des Klimawandels anfälligsten Kontinente; diese Situation wird durch das Zusammenspiel von verschiedenen Stressfaktoren verschärft ppdie landwirtschaftliche Produktion und Ernährungssicherheit in vielen afrikanischen Ländern und Regionen wird durch den Klimawandel wahrscheinlich stark gefährdet werden ppDer Klimawandel wird die Wasserknappheit in einigen Ländern Seite 15 1. Ratstreffen – 15.09.2008 erhöhen; in einigen Ländern, die heute noch über genügend Wasser verfügen, wird es zu Knappheiten kommen; Quelle: IPCC (2007): Climate Change 2007: Climate Change Impacts, Adaptation and Vulnerability. Summary for Policymakers. http://www. ipcc.ch ppDie menschliche Gesundheit, die bereits heute durch eine Reihe von Faktoren negativ beeinflusst wird, kann noch weiter negative betroffen sein durch den Klimawandel (z.B. durch Ausbreitung der Malaria im Hochland) Quelle: IPCC (2007): Climate Change 2007: Climate Change Impacts, Adaptation and Vulnerability. Summary for Policymakers. http://www. IPCC-Kernaussagen für Afrika (II) ppVeränderungen in einer Vielfalt von Ökosystemen sind bereits sichtbar, vor allem im Südlichen Afrika; schneller als erwartet; ppDer Klimawandel kann zur dauerhaften Überflutung niedrig Landgebiete führen, mit sich daraus ergebenden Folgen für Siedlungen im Küstenbereich; ipcc.ch Auswirkungen des Klimawandels auf die Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) (siehe Tabelle) Auswirkungen des Klimawandels auf die Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) MDGs 1. Bekämpfung der extremen Armut und des Hungers 2. Verwirklichung der allgemeinen Primärschulbildung Auswirkungen des Klimawandels Afrika • Verringerung der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche • Rückgang der auf Regen basierenden Erträge um bis zu 50% bis 2020 in manchen Regionen • Abnehmende Fischvorkommen in großen Seen durch steigende Temperaturen 3. Förderung der Gleichheit der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frauen • in manchen Regionen (z.B. in Gebirgen) erhöhte, in anderen Regionen verringerte Ausbreitungsrate von Malaria 4. Senkung der Kindersterblichkeit •bis 2020 könnten 75 bis 250 Millionen Menschen allein durch den Klimawandel unter Trinkwassermangel leiden • Zerstörung von Mangrovengürteln und Korallenriffen wird sowohl für die Fischerei als auch für den Fremdenverkehr negative Folgen haben 5. Verbesserung der Gesundheit von Müttern 6. Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen Krankheiten 7. Sicherung Nachhaltigkeit der ökologischen 8. Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft Quelle: eigene Zusammenstellung Seite 16 • Meeresspiegelanstieg und intensivere Stürme bedrohen Millionen mehr Menschen durch Überflutungen, insbesondere in den dicht besiedelten Flussdeltas Entwicklungsländer als Hauptbetroffene Source: McMichael et al.,1996:128 Klimawandel als Bedrohung für Ernährungssicherheit und Landwirtschaft Insbesondere in Afrika- Extremwettereignisse ppZunahme von Dürren ppZunahme von Hochwassern Afrika und das Öl Hauptförderländer südlich der Sahara sind Nigeria, Angola und Sudan mit einer durchschnittlichen Förderung von 2,15 bzw. 1,65 und fast 0,5 Mio Barrel pro Tag (mbd) im Jahr 2007. Zum Vergleich: Die USA förderten 4,34 mbd, Saudi-Arabien 8,68 mbd. Nigeria und Angola sind OPEC-Mitglieder, Sudan strebt die Mitgliedschaft an. Neben diesen Ländern haben in den letzten Jahren besonders auch Äquatorialguinea, Kongo, Gabun, Elfenbeinküste, Kamerun und Ghana in die Ölförderung investiert. Der Eigenverbrauch in Afrika ist sehr gering, sodass praktisch die gesamte Produktion exportiert wird. China bezieht schon 27 Prozent seiner Öleinfuhren aus Äquatorialguinea, Angola, Kongo, Nigeria und Sudan, und 12 Prozent der gesamten US-Ölimporte kommen aus Nigeria und Angola. Diese Anteile dürften noch steigen. So hoffen die USA, in fünf bis zehn Jahren rund 25 Prozent der Importe aus Afrika zu beziehen. (Quelle:Wirtschaftsdienst der BHF-BANK vom 21.1.08) Die Potentiale der Sonne Eine positive Option? Afrika und Agrofuels Westliche Firmen wollen riesige Farmen für Energiepflanzen betreiben, um Öl zu gewinnen. Die einheimischen Bauern und Regierungen werden mit zweifelhaften Versprechen geködert. Alles wird gut, alles soll besser werden. Neue Straßen soll es geben, eine neue Schule, eine Apotheke, auch eine richtige Wasserversorgung. Und Jobs dürften entstehen, mindestens 5000. „Wenn es Arbeitsplätze für uns gibt, ist es eine gute Sache.“ Aus dem Artikel zu AFRIKA: „Sturm auf die Scholle“ von Horand Knaup Spiegel 36/2008 – 01.09.2008 http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,576541,00. html Bedrohung des afrikanischen Regenwaldes Supergrid zwischen EU und Nordafrika (MENA = Middle East and North Africa) Seite 17 1. Ratstreffen – 15.09.2008 Erster Energieaktionsplan EU-Afrika Meldung der Europäischen Union vom 8. September 2008: Die Elektrifizierung und Kapazitätenerschließung Afrikas sollen künftig verstärkt vorangetrieben werden. Aus diesem Grund haben EU-Entwicklungskommissar Louis Michel, EU-Energiekommissar Andris Piebalgs und der Kommissar der Afrikanischen Union für Infrastruktur und Energie, Elham Mahmoud Ahmed Ibrahim in Addis Abeba heute eine Gemeinsame Erklärung unterschrieben. Damit soll der erste Aktionsplan der Energiepartnerschaft EU-Afrika und die vereinbarten Maßnahmen zügig umgesetzt werden. Ziel ist es, einen Elektrizitätsgesamtplan für Afrika auszuarbeiten und die Möglichkeiten der afrikanischen Stromlieferanten zu fördern. Vorgesehen sind darüber hinaus Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz und der Verbindungsleitungen innerhalb Afrikas sowie zur EU. Im Bereich erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparungen wird es ebenfalls eine verstärkte Kooperation geben. Vor diesem Hintergrund werden die EU-Mitgliedstaaten und die Privatwirtschaft aufgefordert, weitere Mittel für Investitionen in den Energiebereich auf Angebots- und Nachfrageseite bereitzustellen. Aber auch die EU-Kommission hat erklärt, ihre technische Hilfe aufzustocken und ihre Förderprogramme mit zusätzlichen Finanzmitteln versehen zu wollen. Auf der Gegenseite wird die Afrikanische Union als treibende Kraft die an der Energiepartnerschaft Beteiligten zu mehr aktiven Bemühungen an der Umsetzung der Förderprogramme antreiben Der internationale Verhandlungsprozess um das Klima UNCED 1992 Brasilien (Rio-Konferenz) Klima-Konvention p Ratifikation COP 1 1995 Deutschland (Berlin) p Berliner Mandat COP 2 1996 Schweiz (Genf) COP 3 1997 Japan (Kyoto) p KyotoProtokoll (2008-12) COP 4 1998 Argentinien (Buenos Aires) COP 5 1999 Deutschland (Bonn) COP 6 2000 Niederlande (Den Haag) COP 6b 2001 Deutschland (Bonn)p Durchbruch für Kyoto COP 7 2001 Marokko (Marrakesch) COP 8 2002 Italien (Mailand) COP 9 2003 Indien (Neu Dehli) COP 10 2004 Argentinien (Buenos Aires) COP 11 2005 Kanada (Montreal) p Kyoto tritt 2005 in Kraft COP 12 2006 Kenia (Nairobi) COP 13 2007 Indonesien (Bali ) COP 14 2008 Polen (Poznan) COP 15 2009 Dänemark (Kopenhagen) p neues Protokoll ? nach 2012 COP = Conference of the Parties (Vertragsstaatenkonferenz) Zur Rolle der +5-Staaten BRASILIEN, CHINA, MEXIKO, INDIEN, SÜDAFRIKA ppRealize efficiency potentials in their own economies ppReceive institutional and financial support to decarbonize their development pp Participate in new mechanisms to effect technology and finance transfer and to support sustainable development G8 Thema „Africa and Climate Change“ Wirtschafts- und Finanzgipfel ppKlima ist mittlerweile ein Wirtschaftsthema ppAfrika ebenfalls ... und was macht Germanwatch ? Das Unbewältigbare vermeiden (Treibhausgase reduzieren) Das Zwei-Grad-Limit bedeutet: CO2-Reduktionen bis 2050: Weltweit - 50 % Industrieländer - 80-95 % bis 2020: EU-Zielsetzung - 30 % Deutschland - 40 % Das Kyoto-Protokoll von 1997 sieht lediglich eine Reduzierung von – 5,2 % für die Industrieländer vor Seite 18 Climate Action Network International << In dem Beitrag sind die wichtigsten Folien aus dem frei gehaltenen Vortrag wiedergegeben, es lag kein ausformulierter Beitrag zugrunde. Seite 19 1. Ratstreffen – 15.09.2008 Zukunft braucht Erinnerung Hamburg postkolonial >> Heiko Möhle Welche Bedeutung hat die koloniale Vergangenheit Hamburgs, und wie geht die Stadt mit ihrem „kolonialen Erbe“ um? Wenn ich von Hamburgs Rolle als Kolonialmetropole rede, dann geht es nicht nur um die dreißig Jahre von 1884 bis zum Ersten Weltkrieg, in denen Deutschland Kolonialmacht war. Hamburgs Kolonialgeschichte beginnt wesentlich früher, und sie ist mit dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft keineswegs abgeschlossen. Schon früh profitierte Hamburg vom Sklavenhandel: Um 1650 wurden die sogenannten Guinea-Kompanien in Stade und in Glückstadt gegründet- unter schwedischer und dänischer Flagge, aber mit hamburgischem Kapital. Um 1760 ließ sich Heinrich Carl Schimmelmann in Hamburg und Wandsbek nieder. Schimmelmann wurde zur Nr. 1 im transatlantischen Sklavenhandel. Die Verarbeitung von „Kolonialwaren“ ließ nicht nur Hamburg, sondern auch die Umlandgemeinden erblühen. Hundert Jahre später erkannten Hamburger Kaufleute, dass Afrika nicht nur Sklaven liefern konnte, sondern auch begehrte Rohstoffvorkommen bereithielt: Elfenbein, Palmöl, Kautschuk. 1883 richte die Hamburger Handelskammer eine Denkschrift an den Reichstag, mit der sie ihre Forderung nach deutschem Kolonialbesitz in Afrika begründete. Bismarcks Annexionen erfolgten insbesondere im Interesse der hanseatischen Kaufleute. Man hat später immer wieder gesagt, die Kolonien seien ein Verlustgeschäft gewesen. Das mag für das Reich stimmen, das Militärexpeditionen und Eisenbahnbauten aus Steuergeldern finanzierte. Das trifft mit Sicherheit für die Kolonisierten zu, die Land und Vieh an die Kolonialherren verloren und Zwangsarbeit leisteten. Profitiert haben aber Hamburger Unternehmer durch eine oft rücksichtslose Ausbeutung von Mensch und Umwelt, sei es in den Diamantenminen von Deutsch-Südwest oder in den Kakakoplantagen von Kamerun, wo man von den zu Tode gekommenen Arbeitskräften zynisch als „Kulturdünger“ sprach. Seite 20 Neben der Hauptstadt Berlin wurde Hamburg zur wichtigsten deutschen Kolonialmetropole. Hier inszenierte Hagenbeck seine großen Völkerschauen, in denen Menschen öffentlich ausgestellt wurden, von hier stachen die Truppentransporte zur Niederschlagung antikolonialer Aufstaände in See. Der Senat förderte gezielt die Ansiedlung prestigeträchtiger, kolonialer Einrichtungen: 1908 wurde das Kolonialinstitut, gegründet, aus dem erst 1919 die Universität Hamburg hervorging ( Jubiläumsjahr!) Im Dritten Reich plante der nationalsozialistische Reichstatthalter Karl Kaufmann, aus Hamburg ein Zentrum deutscher Kolonialaktivitäten zu machen. 1934 wurde der Afrikaverein gegründet, der „Unterstützung der von der nationalen Regierung betriebenen Kolonialpolitik“ in seiner Satzung verankerte. Der Afrika-Verein tat sich in der Folge vor allem dadurch hervor, dass er die Wirtschaftsbeziehungen zum Apartheidssystem in Südafrika förderte. Wohlgemerkt, auch noch nach 1945. Kommendes Jahr, 2009, wird der Afrika-Verin sein 75. Jubiläum begehen. Nach dem Krieg wollte man von kolonialer Herrlichkeit nichts mehr wissen. Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit erschien schwierig genug. Wer es da wagte, nun auch noch die Politik des wilhelminischen Kaiserreichs ins Licht der Kritik zu zerren, musste sich sehr schnell den Ruf des „Nestbeschmutzers“ gefallen lassen – oder Schlimmeres, wie der Hamburger Journalist Ralph Giordano, der 1966 nach einer kritischen Fernsehdokumentation über die deutsche Kolonialzeit sogar Morddrohungen erhielt. 1967 stürzten Hamburger Studierende das koloniale WissmannDenkmal vor der Universität, um ein Zeichen zu setzen gegen die nicht nur an der Uni herrschende Weigerung, sich der eigenen Geschichte zu stellen. Wirklich geklappt hat das leider nicht: Das Denkmal wurde in der Bergedorfer Sternwarte eingelagert, und seitdem hat Hamburg buchstäblich eine Leiche im Keller. Seither herrscht im Umgang der Hamburger Politik und der Wirt schaft mit ihrer Kolonialgeschichte „beredtes Schweigen“. Es wird gern über die traditionsreichen Hamburger Afrikabeziehungen gesprochen, das Wort „Kolonialismus“ wird aber tunlichst vermieden. Beispiel aus einem Antrag der CDU-Bürgerschaftsfraktion von 2006: „Die Kontakte der Hansestadt nach Afrika reichen bis zurück ins 19. Jahrhundert. (…) Als Welthafen versteht sich die Hansestadt seit jeher als Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern Warum sollen wir uns überhaupt mit dieser Geschichte beschäftigen? Weil sie nicht erledigt ist. Beginnen wir mit dem, was in Hamburg immer an erster Stelle steht: die Wirtschaft. Der Kolonialismus hat in Afrika Strukturen geschaffen, unter denen der Kontinent bis heute zu leiden hat. Das gilt für die Einführung ökonomischer Monostrukturen, die dazu führen, dass bis heute viele afrikanische Länder vom Export eines oder weniger Rohstoffe abhängig sind. Aber die europäische und auch die Hamburgische Wirtschaft nehmen kaum noch etwas von den afrikanischen Produzenten ab. Erst hat man ihnen eine Wirtschaftsweise aufgezwungen, jetzt lässt man sie damit sitzen. Schlimmer noch: Anstatt die kleinbäuerliche Landwirtschaft zum Erhalt der Ernähungssouveränität zu fördern, exportiert Europa seine subventionierten Getreideüberschüsse – auch vom Hamburger Hafen aus! Die Migration von Menschen aus Afrika nach Hamburg ist eine logische Folge dieser Politik der ungleichen Chancen. In Hamburg leben zehntausende Afriner und AfrikanerInnen, aber sind sie hier willkommen? In den vergangenen Jahren hat Hamburg immer wieder durch seine rigide Abschiebungspolitik, durch Botschaftsanhörungen und Sammeltransporte von sich reden gemacht. Es geht mir aber nicht nur um Flüchtlinge ohne Aufenthaltspapiere, es geht generell um das Verhältnis zwischen Schwarz und Weiss in Deutschlands Tor zur Welt. In Martin Baers Film „Weiße Geister“ kommt ein seit vierzig Jahren in Deutschland lebender Herero zu Wort: „Einen schwarzen Deutschen gibt es eigentlich nicht. Du kannst tausend deutsche Pässe haben, die Deutschen werden dich nie als Deutschen akzeptieren.“ Dass in den letzten Jahren dieses Thema etwas präsenter geworden ist, liegt allein an dem Engagement von Hamburger Initiativen und Einzelpersonen, die durch Publikationen, Ausstellungen usw. immer wieder den Finger in die Wunde gelegt haben. ppSpuren sichtbar machen ppZusammenhänge verdeutlichen ppDebatten anregen ppIntervenieren Das EWNW hat in seiner Publikation „Hamburg entwickeln!“ eine Reihe von Forderungen aufgestellt, die sich teils an die Politik, teils aber auch an die gesamte Hamburger Gesellschaft richtem: ppDen Kolonialismus als Teil unserer Geschichte akzeptieren ppErinnerungsorte schaffen. Es gibt in Hamburg noch eine ganze Menge Straßennamen, die Kolonialherren ehren, aber keinen einzigen, der einen jener schwarzen Immigranten ehrt, die von Hamburg aus gegen den Kolonialismus kämpften. ppKolonialgeschichte und Antidiskriminierungsarbeit gehören in die Schulen ppGrundlage für Versöhnung ist es, eine Entschuldigung auszusprechen. Wie kann die eine Seite der anderen vergeben, wenn diese sich nicht entschuldigt hat? Nicht jeder einzelne von uns, aber die Hamburger Bürgerschaft sollte eine entsprechende Erklärung abgeben. ppDie heikle Frage der Entschädigungszahlungen Sollen wir Entschädigungszahlungen für koloniales Unrecht leisten? Ja! Den Herero in Namibia, die unter deutscher Kolonialherrschaft ihren gesamten Landbesitz verloren, ist mit Worten allein nicht geholfen. Hier geht es ganz konkret um Geld, damit Land zurückgekauft werden kann, um begangenes Unrecht wenigstens in seinen langfristigen Folgen zu korrigieren. Hamburg sollte sich an einem von der Bundesregierung einzurichtenden Entschädigungsfonds beteiligen. Nun ist es ja immer leicht, die anderen zu kritisieren und zu ermahnen, wenn man sich selbst zu den „Guten“ zählt. Deswegen noch zum Schluss ein Wort an die Adresse der hier anwesenden Menschen aus Entwicklungszusammenarbeit und Partnerschaftsprojekten. Alle Begegnungen, gerade auch in Tansania, das in Hamburgs Afrikabeziehungen solch eine herausragende Rolle spielt, finden immer vor dem Hintergrund einer geteilten kolonialen Vergangenheit statt. Ich sage bewusst nicht „gemeinsame“, sondern „geteilte“ Vergangenheit, denn der Kolonialismus hat Gräben gerissen, die bis heute nicht geschlossen sind, auch wenn sich diejenigen, die sich heute begegnen, dessen oft gar nicht bewusst sind. Eine wesentliche Wurzel der nichtstaatlichen Entwicklungszusammenarbeit liegt in der christlichen Missionsgeschichte, und die ist untrennbar mit der Geschichte des Kolonialismus verbunden. Im Breklumer Stannhaus des Nordelbischen Missionszentrums findet sich noch heute das Motto: „Gehet hinaus in alle Welt und helfet den Völkern“ (oder so ähnlich). So etwas sitzt tief. Viele Projekte gründen in einer Kultur des Helfens und der Hilfsbedürftigkeit entwickelt, in der sich beide Seiten eingerichtet haben. Ist ja auch schön, wenn der eine abgibt und der andere sich dankbar zeigt, aber emanzipatorisch ist das nicht. Wir müssen uns also selbstkritisch fragen: Wie gleichberechtigt sind unsere Partnerschaften wirklich? Hier ist meines Erachtens eine kritische Überprüfung und Neubesinnung der Partnerschaftsarbeit notwendig. Sie muss immer primär die Überwindung von Ungleichheit zum Ziel haben, und sie sollte deshalb in erster Linie afrikanischen Organisationen und Gruppen zugute kommen, die in eigener Regie für ihre Rechte kämpfen. Das kann eine Organisation wie das internationale Kleinbauern-Netzwerk „Via Campesina“ sein. Wir brauchen gar nicht so weit zu gucken: in Hamburg gibt es das Akonda-Café und neben ihm eine ganze Reihe afrikanischer Zentren, wo afrikanische Menschen für ihre Rechte streiten. Nur wenn wir uns der geteilten Vergangenheit erinnern und uns ihre Bedeutung für die Gegenwart verdeutlichen, wird es möglich sein, eine gemeinsame Zukunft zwischen Partnern zu gestalten. Seite 21 1. Ratstreffen – 15.09.2008 Gemeinsam Brücken bauen >> Tanja Neubüser Lernen, helfen und Verantwortung übernehmen ppWunsch immer mehr junger Menschen in Deutschland nach Frei- willigendienst in Afrika, Lateinamerika, Osteuropa oder Asien ppDienst in einem Entwicklungsland hat unschätzbaren Wert ppfür viele junge Menschen ist notwendige Kostenbeteiligung hohe Hürde ppab Januar 2008: Förderprogramm weltwärts (www.weltwaerts. de) ppjährlich vom BMZ: 70 Millionen €, bis zu 10.000 Plätze pro Jahr ppFörderung pro Freiwilligenplatz: ca. 75% der Gesamtkosten. Verbleibende 25 %: durch Entsende-Organisation und Teilnehmer ppVorgeschriebene Richtlinien: z.B. pädagogische Betreuung, Qualität Einsatzstellen, Kooperationsverträge etc. ppZiel: junge Erwachsene gehen mit Offenheit, Freude und Neugier hinaus in die Welt und bringen ihre Erfahrungen in Deutschland ein Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V. www.d-t-p-ev.de pp2004 startete Pilotprojekt „Freiwilliges Ökologisches Jahr in Tansania – Völkerverständigung und Entwicklung durch gemeinsame Arbeit Jugendlicher für Klimaschutz und Erneuerbare Energien“ ppSeit August 2006 arbeiten jedes Jahr 15 deutsche Freiwillige und ein Tansanier in acht Einsatzstellen in Tansania verteilt ppAb August 2008 Reverse-Programm: Zwei Tansanier arbeiten für ein Jahr im Freiwilligen Ökologischen Jahr in SchleswigHolstein mit Bewerbung und Auswahl ppAnfang November bis Ende Januar: Bundesweites Bewerbungsverfahren der Deutsch-Tansanischen Seite 22 Partnerschaft e.V. für „weltwärts für Völkerverständigung und Klimaschutz in Tansania“ 2008: 277 Bewerbungenfür 15 Plätze ppAnfang März: Auswahlwochenende. Komitee: Mitglieder des DTP-Vorstands und ehemalige Freiwillige Auswahl auch in enger Abstimmung mit Partnern in Tansania, um aktuelle Situation der Einsatzstellen einzubeziehen Die Bewerber ppsind bei Start des Freiwilligendienstes zwischen 18 und 28 Jahre alt ppHaupt-oder Realschulabschluss mit abgeschlossener Berufsaus bildung; Fachhochschulreife, allg. Hochschulreife oder Vergleich- bares ppfür anerkannte Zivildienstleistende: ADiA nach §14 b ppAnspruch auf Kindergeld ppAnrechnung von zwei Wartesemestern bei 1 Jahr Kosten Teilnehmer/innen ppKiswahili-Sprachkurs inkl. Anreise, Verpflegung und Unterkunft ppmedizinische Vorsorge (Impfungen, Medikamente) ppVisum und Resident Permit (Arbeits-und Aufenthaltserlaubnis) ppangestrebter Beitrag durch Spendenakquisevon 1.800 € Leistung DTP ppBegleitete Vorbereitungsphase pp40 Seminartage inkl. Anfahrten ppHin-und Rückflug mit Klimaausgleichsabgabe ppUnterkunft und Verpflegung in den Einsatzstellen ppTaschengeld 100 €/Monat ppganzjährige Betreuung durch Projektkoordinatorin Olivia Lyimo ppAuslandskranken-, Unfall-, Invaliditäts-, Haftpflichtversicherung Pädagogische Begleitung ppVorbereitungsphase April bis August ppMitte Juli: 11 Tage Vorbereitungsseminar ppMitte August: Abreise nach Tansania ppMitte August: 11 Tage Einarbeitungszeit ppEnde August: Einsatzstellen-Leiter Seminar ppAnfang September: Begleitungund Einführungin Einsatzorte ppVon September bis August: enge Zusammenarbeit mit den EST ppAnfang Januar: 7 Tage Zwischenseminar ppMitte August: Rückkehr nach Deutschland ppMitte September: 5 Tage Rückkehrseminar ppFolgende Zeit: Weitergabe der Erfahrungen „Ich glaube, es war für viele Tansanier, die wir kennengelernt haben, wichtig zu sehen, dass wir als Lernende kamen. Wir waren weder als potente, weiße Profis da, die schauen wollten, in welches Projekt sie ihr Geld investieren, noch als Touristen, die sich oft mehr für Flora und Fauna als für das Leben der Tansanier interessieren. Zu sehen, dass wir bereit waren, von ihnen zu lernen und mit ihnen zu arbeiten, war, denke ich, eine andere Erfahrung, als die meisten, die sie sonst mit Weißen gemachthatten.“ (Lotte S.) Bereits seit 2004 … pp40 Seminartagen während des gesamten Tansania Freiwilligendienstes ppGewährleistung von intensiver Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung Ganzjährige Begleitung in Tansania ppDurch Vorbereitung, Austausch und Reflexion mit Fokus auf Bedürfnisse der Freiwilligen: – starke Auseinandersetzung mit Erlebnissen sowie – Erwerb von Handlungskompetenz, um Erfahrungen aktiv zu nutzen und später weiter zu geben „Was die Vorfreude auf Land und Leute betrifft, so lag ich damit sehr richtig. Alles, was ich in Tansania in Freundschaften und Interesse „investiert“ habe, habe ich doppelt und dreifach zurück bekommen. Das ist vielleicht die Kernaussage dazu, was ich gerne aus Tansania mit nach Deutschland übernehmen möchte. Es lohnt sich ganz offenbar, offen im Umgang mit anderen Menschen zu sein, aufeinanderzuzugehen ... überhaupt, dieser positive Umgang mit anderen, die Zeit, die sich in Tansania jeder für andere nimmt – wenn es mir gelänge, in Deutschland genauso offen zu sein, dann wäre mein Leben sicherlich ein glückliches. Offen zu sein bedeutet ja auch, keine Vorurteile zu haben, Menschen nicht wegen ein paar Eigenschaften vorschnell kategorisieren – das sind Richtlinien, nach denen ich mein Leben auch in Deutschland gerne gestalten würde. Einfach wieder mehr miteinander leben, mehr miteinander reden und kommunizieren.“ ( Joschka F.) „Was Entwicklungszusammenarbeit wie bei der DTP angeht, so bin ich von ihrem Nutzen überzeugt. Junge Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammen zu bringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, gemeinsam zu arbeiten, ist ein lohnenswertes Ziel, zumal ich hier in den ersten Monaten in Deutschland tatsächlich das Gefühl habe, bereits jetzt schon das Bild von Afrika vieler Bekannter verändert zu haben oder zumindest ändern zu können. Ich glaube, in dieser Form ist Entwicklungszusammenarbeit eine Bereicherung für alle Seiten.“ (Frieda S.) Seite 23 2. Die Wiederentdeckung Afrikas – Partnerschaft auf Augenhöhe Seite 24 Einladung Wir laden Sie herzlich ein am 27. Mai, 16.00 bis 18.00 Uhr Konferenzraum Rudolf-Steiner-Haus Mittelweg 11-12, 20148 Hamburg „Die Wiederentdeckung Afrikas – Partnerschaft auf Augenhöhe“ Sondierungsworkshop Im September letzten Jahres fand in der Patriotischen Gesellschaft ein sehr gut besuchtes Ratstreffen mit dem Titel „Die Wiederentdeckung Afrikas – Partnerschaft auf Augenhöhe“ statt. Bereits damals kündigten wir an, dass wir die dort angefangenen Diskussionen gerne weiter vertiefen würden. Zwischenzeitlich konnten wir beim BMZ Mittel für eine komplette Veranstaltungsreihe einwerben. Wie angekündigt, wollen wir aber nicht alleine entscheiden, wie und was diskutiert wird. Wir laden alle Interessierten zu einem ersten Sondierungsworkshop ein, auf dem wir gemeinsam erarbeiten wollen, welche Aspekte einer möglichen „Partnerschaft auf Augenhöhe“ wir vertiefen werden. Zu den jeweiligen Themenfeldern werden wir dann hochkarätige ExpertInnen nach Hamburg einladen. Als Impulsgeberin für den Sondierungsworkshop konnten wir Frau Veye Tatah vom Verein Africa Positive e.V. aus Dortmund gewinnen. Wir freuen uns auf eine spannende Diskussion mit Ihnen. Programm 16.00 Uhr Begrüßung und Vorstellung der Projektstruktur Dr. Dirka Grießhaber, Geschäftsführerin Zukunftsrat Hamburg 16.10 Uhr „Afrikas Rolle für eine nachhaltige Entwicklung Dr. Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg 16.20 Uhr „Partnerschaft auf Augenhöhe“ – wie kann das gehen? Veye Tatah, Vorsitzende Africa Positive e.V., Dortmund 16.40 Uhr Diskussion Welche Aspekte einer möglichen „Partnerschaft auf Augenhöhe“ sollten in Hamburg vorrangig thematisiert werden? Mit freundlichen Grüßen, Dr. Dirka Grießhaber Geschäftsführerin Seite 25 2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009 Gäste Veye Tatah ( Jahrgang 1971) wurde in Kamerun geboren. Nach dem Abitur nahmen die deutschen Nachbarn ihrer Eltern die damals 19-Jährige als Au-pair-Mädchen mit nach Bremerhaven, wo Tatah eineinhalb Jahre für die Familie arbeitete und die deutsche Sprache lernte. Bereits während ihres darauffolgenden Informatikstudiums an der Technischen Universität gründete sie den Verein „Africa Positive“ und das gleichnamige Magazin. Ihr Ziel: den Deutschen ein realistischeres Afrikabild vermitteln und so die Integration der Afrikaner, die in Deutschland leben, fördern. Nach dem Studium arbeitete Tatah sieben Jahre als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für praktische Informatik der TU Dortmund. Nebenbei rief sie den afrikanischen CateringService „Kilimanjaro Food“ ins Leben, um ihr ehrenamtliches Engagement zu finanzieren. Seit Anfang 2008 ist sie selbständige Beraterin und Projektmanagerin mit Fokus Afrika. Politik, Wirtschaft und die Medien fragen sie regelmäßig als Afrika-Expertin an. Am 25. Februar 2010 erhielt Veye Tatah das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland für ihr besonderes soziales Engagement. Seite 26 Dr. Ulf Skirke ( Jahrgang 1949) ist DiplomPhysiker und Dr. phil. Er ist beruflich im Klimaschutz und der ökologischen Stadtentwicklung in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt tätig. Ehrenamtlich ist er im Zukunftsrat Hamburg als Mitglied im Koordinierungskreis engagiert. Er hat in den letzten zwanzig Jahren eine Vielzahl von Ländern des afrikanischen Kontinents bereist. Projektstart: Die Wiederent deckung Afrikas >> Pressemitteilung Morgen findet im Völkerkundemuseum der Hamburger AfrikaEmpfang statt. Beim traditionellen Jahrestreffen der in Hamburg akkreditierten afrikanischen Konsulate werden neben dem ersten Bürgermeister rund 350 Gäste aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik erwartet. Auch beim Zukunftsrat Hamburg steht Afrika derzeit im Mittelpunkt. Am Mittwoch, den 27. Mai startet ein neues Projekt mit dem Titel „Die Wiederentdeckung Afrikas – Partnerschaft auf Augenhöhe“. Am 27. Mai findet ein erster öffentlicher Workshop dazu statt, welche Themen mit Bezug zu Afrika wir in Hamburg intensiver diskutieren sollten und welche GesprächspartnerInnen wir uns dafür wünschen. Frau Veye Tatah, Gründerin des Vereins Afrika Positive, wird als Impulsgeberin zu Gast sein. 27. Mai, 16-18 Uhr, Rudolf-Steiner-Haus, Mittelweg 11-12, 20148 Hamburg Gerade vor dem Hintergrund des Zieles einer globalen Nachhaltigkeit reicht eine bloße Entwicklungs „-hilfe“ Europas für Afrika nicht aus, sondern es bedarf einer gleichberechtigten Partnerschaft für eine gemeinsame nachhaltige Zukunft. Dazu gehört auch, „schlummernde Potentiale“ Afrikas in ökonomischer, ökologischer, sozialer und kultureller Hinsicht wieder zu entdecken. Der Zukunftsrat Hamburg fragt: was können wir zu dieser Entdeckungsreise und für eine solche Partnerschaft auf Augenhöhe hier und dort beitragen? „Vielfach wird in der Öffentlichkeit das Bild von Afrika als krisengeschütteltem Kontinent vermittelt. Diese Sichtweise wird den langjährigen Traditionen und Potentialen dieses Kultur- und Lebensraumes nicht gerecht. Trotz bestimmter Probleme weist Afrika gerade in den letzten Jahren eine Reihe positiver Entwicklungen in den Breichen Ökonomie, soziale Entwicklung und demokratische Stabilisierung auf,“ sagt Dirka Grießhaber, Geschäftsführerin des Zukunftsrates Hamburg. Es ist nötig, einerseits die globale Perspektive in Frage zu stellen, und andererseits auch vor Ort, in Hamburg, zu reflektieren: wie begegnen wir Afrika? Welche Ansätze gibt es, um Beziehungen aufzubauen? Wie positionieren sich Entwicklungs- und Partnerschaftsorganisationen? Auf welcher Basis wird z.B. die Städtepartnerschaft mit Dar es Salaam entwickelt? Wie positionieren sich die Medien, die Wirtschaft und die Forschungsinstitute? Es soll es eine Auseinandersetzung mit dem Verständnis von Entwicklung und der Möglichkeit einer Nachhaltigkeitsorientierten „Partnerschaft auf Augenhöhe“ mit Afrika geben. Dr. Dirka Grießhaber, Zukunftsrat Hamburg Seite 27 2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009 Sondierungs workshop „Die Wiederentdeckung Afrikas – Partnerschaft auf Augenhöhe“ >> Dr. Ulf Skirke Einleitende Bemerkungen und Vorschläge (Zusammenfassung) I. Vorbemerkung Das allgemeine „Negativbild“ Afrikas lässt sich nicht einfach positiv umkehren, sondern es gilt, positive Entwicklungspotentiale aufzudecken oder wiederzuentdecken. Frage: Was ist das größte Problem Afrikas? Meine Antwort: Die lang anhaltende Behinderung (oftmals Verhinderung) einer eigenständigen Entwicklung Afrikas – vor allem von außen (Industrieländer), aber auch von innen (eigene „Eliten“). Es geht daher nicht um die Anpassung an Wachstumsmodelle westlicher Prägung – siehe die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise, Klimaproblematik, soziale Probleme etc. – , sondern um die Möglichkeit eines anderen, eigenen Entwicklungs- und Partnerschaftskonzeptes, das auf der Basis eigener Fähigkeiten und Ressourcen Afrikas eine dynamische Balance lokal, regional und global (Nachhaltigkeit) anstrebt. Dazu zwei ausgewählte Stimmen: „Afrika will nicht gerettet werden. Der Kontinent verlangt von der Welt Anerkennung und Wertschätzung der eigenen Kapazitäten auf der Basis einer wahren und aufrichtigen Partnerschaft mit den anderen Mitgliedern der globalen Gemeinschaft.“ (Uzodinma Iweala, afroamerikanischer Schriftsteller). „Afrika ist nicht arm und hilflos – wir müssen nur die wertvollen natürlichen Ressourcen und unsere menschlichen Fähigkeiten besser für die eigene Entwicklung nutzen.“ (Generalsekretär der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), Juma Mwapachu). II. Nachhaltige Entwicklung ?! Die Grenzen des Wachstums1 sind nach wie vor augenfällig und die Frage: Kollaps oder Balance bzw. ‚Weiter So’ oder nachhalti- ges Umsteuern sind reale Entwicklungsmöglichkeiten zukünftiger planetarer Entwicklung. 2 Frage: Wie weit sind Europa/Hamburg und Afrika von einer nachhaltigen Gesellschaft entfernt? Meine Antwort: Beide auf unterschiedliche Weise noch weit!3 Daher beginnt die Möglichkeit einer gemeinsamen Nachhaltigkeitsstrategie bzw. einer wirklichen Partnerschaft mit der Analyse einer vergleichbaren Ausgangslage. Dazu stellt sich die übergeordnete Frage für dieses Projekt bzw. die geplanten Afrika-Veranstaltungen des Zukunftsrates: ppWie und wo treffen sich die (Wieder)Entdeckung von Afrikas Potentialen für Nachhaltigkeit mit Europas/Hamburgs Nachhaltigkeitsbedingungen und -möglichkeiten? ppWie ist auf einer solchen gemeinsamen, korrespondierenden Basis ein partnerschaftlicher Dialog möglich? Suchen wir also gemeinsam nach Lösungen aus unterschiedlicher, aber vergleichbarer Perspektive. Ich sehe fünf Dimensionen der Nachhaltigkeit, die zugleich fünf Themencluster für unsere Afrika-Veranstaltungen des Zukunftsrates liefern können: die historische, die kulturelle, die ökologische, die ökonomische und die politische Dimension III. Themencluster/Veranstaltungsvorschläge 1. Wiederentdeckung der eigenen Geschichte Für die zukünftige und zukunftsfähige Entwicklung ist eine authentische Analyse der eigenen Geschichte unumgänglich. Dies ist bei Vorurteilen, wie: Afrika sei ein „geschichtsloser Kontinent“, oder die geschichtliche Entwicklung Afrikas sei „von außen“ er2 Afrika ist in den letzten 500 Jahren des Öfteren vor allem durch Übergriffe von außen in kollapsähnliche Situationen gebracht worden … 1 Donella Meadows, Dennis Meadows, Jorgen Randers, Grenzen des Wachstums. 3 Afrika ist mit 1,1 ha pro Person und einer Biokapazität mit 1,3 ha der einzige Konti- Das 30-Jahre Update. Signal zum Kurswechsel (2006, 2007) nent mit einem akzeptablen Ökologischen Fußabdruck Seite 28 zeugt worden, keineswegs selbstverständlich. Dabei geht es weniger um die moralische Aufrechnung und Schuldzuweisung, sondern um historisches Selbstbewusstsein jenseits kolonialer Geschichtsverzerrung.4 Wie und wo existieren angemessene Geschichtsdarstellungen der afrikanisch/europäischen sowie der vorkolonialen Epoche, in denen interkulturelle, partnerschaftliche Ansätze zum Tragen kommen? 5 Hier bietet sich z.B. eine Kooperation mit der Universität Hamburg und dem Heinrich Barth Institut e.V. an. Der Hamburger „Verein für Geschichte des Weltsystems e.V.“ hat bereits seine Unterstützung für die Vorbereitung einer Veranstaltung zu dieser Thematik angeboten. 2. Das Kultur-Erbe Afrikas Über das UNESCO Welterbeprogramm hinaus6 sollten Eigenwerte afrikanischer vorkolonialer und gegenwärtiger Kultur betrachtet werden,7 die auch bedeutsam für eine nachhaltige Entwicklung sind. Dabei geht es nicht nur um Traditionspflege, sondern auch um lebendige Weiterentwicklungen einer vielfältigen afrikanischen Kultur, von Musik, Tanz, Rhythmen über Heilverfahren bis hin zu fraktalem Raumverständnis und komplexem Weltbild, die Einfluss auf die übrige Welt nimmt. Von Interesse sind insbesondere die ganzheitlichen Ansätze afrikanischer Kultur, die nicht nur ein kognitives, sondern ein umfassendes Umwelt- und Weltverständnis fördern. Dieses könnte als Grundlage für andere, nachhaltige Bildungskonzepte in Schule und Wissenschaft dienen. Darüber hinaus sind die „Angewandten Kulturwissenschaften“ als dritte Kraft neben wirtschaftlicher und technischer Zusammenarbeit von großer Bedeutung.8 3. Das Natur-Erbe Afrikas Afrika weist nicht nur den geringsten Ökologischen Fußabdruck, sondern eine der weltweit höchsten Biodiversität auf. Es geht um Schutz, Pflege und Entwicklung dieses Naturschatzes – auch über den UNESCO Welterbe-Ansatz hinaus. Dazu bieten sich Kooperationen im Bereich lokaler und regionaler Öko-Projekte, wie z.B. Ökodörfer, an. Des Weiteren sind Kooperationen bei der angemessenen Weiterentwicklung von Subsistenz – Landwirtschaft zu bio-ökologischem Landbau. In diesem Zusammenhang wäre auch die regenerative (Energie)-Nutzung von Biomasse und Biogas (nicht Biodiesel!) von großer Bedeutung. Ein in der bisherigen Diskussion unterschätztes Thema ist der Öko-Tourismus. Zum einen geht es hier um sinnvolle Kooperationen zwischen einheimischer Bevölkerung, lokalen Kommunen und Reiseunternehmen im Umfeld von Naturparks, und zum anderen um die weitere Einrichtung nachhaltiger, ökologischer Hotels, Lodges oder Camps. Ein herausragendes Vorbild ist das Renaturierungs4 Ich suche seit Jahren vergeblich nach einem vernünftigen Schul- oder Lehrbuch über projekt der Bamburi Cement Fabrik (Mombasa), wo der sog. „Haller Park“ (Bamburi nature trails)9 mit Hilfe von selbsterhaltenden Biotopen, Sekundärwäldern, Tierzucht, Gemüsefarmen und Tourismus eine einmalige Verbindung von Ökologie und nachhaltiger Ökonomie geschaffen wurde. 4. Nachhaltiges Wirtschaften Im Zentrum steht hier: Afrika auf dem Weg zum Solar-Kontinent! Es gibt starke Plädoyers, dass Afrika ein sog. „leapfrogging“ (‚Bockspringen’) vornimmt, d.h. das fossil-atomare Zeitalter überspringt und unmittelbar eine Solar-Epoche ansteuert. Insgesamt geht es um eine neue Balance zwischen Mensch-Natur-Technik: Dazu gehört die Initiative des ‚Club of Rome’ und des Hamburger Klimaschutz Fonds, Photovoltaik-Strom von Afrika nach Europa zu liefern.10 Erwähnenswert ist auch das Solarlampen-Projekt am Viktoria-See. Ebenfalls ist auf Projekte der Universität Hamburg/ Institut für Geographie (Prof. Oßenbrügge) hinzuweisen.11 Es gilt möglichst den gesamten IT-Bereich, wie z.B. Computer, Telekommunikation, Internet, Medientechnik insgesamt auf eine solare Basis zu stellen. Dies gilt ebenso für die (Weiter)Entwicklung solarer Verkehrssysteme, wie Pkw, Schiffsverkehr oder Luftschiffe. Zentral ist der Aufbau eines afrikanischen Regional- und Binnenmarktes in nachhaltiger Wirtschaftsweise.12,13 Als weiteres Themenbeispiel ist die Vergabe von Mikrokrediten – vor allem an Produzentinnen. 5. Politische Nachhaltigkeit Afrika muss seine eigenen Formen und Wege zur Demokratie finden. Die nationalstaatlichen Parteiendemokratien westlicher Prägung sind keineswegs die alleinigen Vorbilder. Vielmehr gilt es, eigene gesellschaftliche afrikanische Traditionen wiederzuentdecken und weiter zu entwickeln. Insbesondere seien die lang andauernden Erfahrungen mit selbstorganisierten Zivilgesellschaften, komplexen regionalen Einheiten sowie kommunaler Selbstverwaltung und vernetzten Dorfgemeinschaften hervorgehoben. Inwieweit sind eigene Formen afrikanischer Konfliktlösungen, wie z.B. das Palaver oder eigene Rechtsprechung (z.B. „Wahrheitskommissionen“ in Südafrika oder modernisierte Gacaca Gerichte in Ruanda) aufzugreifen? Wie lassen sich weiterhin Menschenrechte oder Geschlechtergerechtigkeit mit den Wurzeln afrikanischer Traditionen vereinbaren und ggf. neu gestalten? Schließlich gilt es einen afrikanisch-europäischen Dialog über die Zukunft der Demokratie zu führen, z.B. über Formen der Rückkopplung der Zivilgesellschaft an politische Systeme hin zur Nachhaltigkeitsdemokratie (vgl. das umfassende Konzept von Mohssen Massarrat, Demokratisierung der Demokratie (2003)). Die Veranstaltung wurde gefördert von Inwent gGmbH aus Mitteln des BMZ. afrikanische Geschichte 9 Mit wesentlicher Unterstützung des Schweizer Agronomen Dr. Rene Haller entstanden 5 Beispiele wären die interkulturellen und interdisziplinären Forschungen im 19. Jahr- 10 Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC) hundert von Heinrich Barth oder von Mary Kingsley, die Afrikaner und Europäer gegen 11 z.B. die Studie: „ Probleme der Energieversorgung und nachhaltige Entwicklung im den damaligen Zeitgeist als gleichwertige Partner betrachteten. südlichen Afrika“ 6 Das Welterbeprogramm umfasst Kulturdenkmäler und Naturdenkmäler 12 Europa wickelt knapp 70% seiner Wirtschaft im europäischen Binnenmarkt ab, der 7 Die Ergänzung des Welterbeprogramms „Meisterwerke des mündlichen und immate- afrikanische „Binnenmarkt“ beträgt nicht mehr als 15%. riellen Erbes der Menschheit“ geht in eine solche Richtung 13 Hier gilt es auch die „Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD)“ für eine 8 Dazu sind die Forschungsprojekte des Heinrich Barth Institutes (Köln) hervorzuheben. nachhaltige Entwicklung zu nutzen Seite 29 2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009 Partnerschaft auf Augenhöhe – wie kann das gehen? >> Dipl. Inf. Veye Tatah Die Wiederentdeckung Afrikas! ppAls eigenständige und souveräne Länder mit eigenen Interessen und Recht auf eigene Meinung? ppAls Spielfeld von westlichen Machtexperimenten? ppAngst vor China, Brasilien und Indien? ppMit neuen Ansätzen in der Entwicklungspolitik zwecks Absicherung des Zugangs zu Ressourcen ppKulturelle Vielfalt –Das wäre mit Sicherheit eine Art der Annäherung an die afrikanische Kultur, mit dem Ziel, zu verstehen, was für eine besondere Rolle sie in der Gesellschaft und bei der Entwicklung spielt ppMit seiner wahren Geschichte? ppWem gehört Afrika? Bestandsaufnahmen ppEntwicklungsdilemmata –Von einer historische Perspektive her –Warum wurde eine Grundlage für die Industrialisierung des Kontinents von den damaligen Kolonialherren nicht gelegt? ppWurde Afrika nicht absichtlich von den Kolonialländern unterentwickelt? –Konzentration von wirtschaftlichen Aktivitäten auf den Export von natürlichen Ressourcen –Anbau von „Cash Crops“ anstatt Nahrungsmittel für den Eigenbedarf ppDestabilisierung von afrikanischen Regierungen durch Staatsstreiche –Mit Unterstützung von westlichen Geheimdiensten –Durch IMF und World Bank ppWarum wurden keine sinnvollen Rahmenbedingungen für eine Seite 30 friedliche und nachhaltige Nationenbildung vor der Unabhängigkeit angelegt? ppWenn man es ernsthaft mit der Entwicklungshilfe meint, warum hat sich die Entwicklung Afrikas bis jetzt dadurch nicht deutlich verbessert? ppUrsache der Entwicklungsdilemmata in Afrika –Korruption, politische Instabilität –falsche Beratung von IMF und World Bank ppAbwertung von afrikanischen Währungen –Interesse und Ausbeutung von natürlichen Ressourcen durch die multinationalen Firmen –Fehlende demokratische Praktiken –Verschwenderische Ausgaben der Eliten –Andauernde Kriege ppWaren die Meinungen der Afrikaner und deren Interesse irgendwann mal wichtig für die Industrieländer? –Erst in den Momenten, wenn es um westliche Interessen geht –„ Ja-sagende“ afrik. Regierungen, die ihre Nationen an den Westen ausgeliefert haben, aufgrund von Entwicklungshilfe und Krediten –Wer sich dagegen stellt wird entthront oder durch Wirtschaftssanktionen in die Knie gezwungen ppDie Bedrohung Europas durch die wirtschaftliche Entwicklung und Industrialisierung Afrikas –Würde Afrika selbst produzieren, wo nähme Europa dann die natürlichen Ressourcen für seine eigene Industrie her? –Wenige Exporte nach Afrika bedeuten hohe Arbeitslosigkeit ppÜberwiegend Gelder an Sektoren, die keine Wertschöpfung in Afrika erzielen ppKeine erkennbare Investitionen in Infrastrukturen ppKein Technologie-Transfer im Agrarsektor, aber immer bereit, Nahrungsmittel für die Armen zu geben ppAgrarsubventionen zu Lasten der Länder ppKein „Ownership“ von eigenen Lösungsansätzen ppEPA-Abkommen Kann es eine Partnerschaft auf Augenhöhe geben? ppAnerkennung des Unrechts an die Afrikaner und die Ausbeutung des Kontinents ppFinanzielle Wiedergutmachung ppGemeinsame Ansätze zur realistischen Darstellung der Geschichte Afrikas durch Afrikaner und Europäer –Eurozentrische Geschichtsschreibung verfälschte das Bild Afrikas –Mittlerweile Revidierung dieser Sicht –jedoch muss dies verstärkt unternommen und in die Öffentlichkeit gebracht werden –Widerfindung der historischen Identität und einer Selbstidentifikation über die eigene Geschichte ist ppwesentlich für die Entwicklung der Menschen in Afrika ppKolonialismus und Imperialismus hat die geistige, kulturelle und Geschichte Afrikas getötet –und somit die Würde des Menschen –Gehirnwäsche und Minderwertigkeitskomplexe pp–Hass auf die eigenen Länder und sich selbst ppMentale Revolution und afrikanische Renaissance –Neue Ansätze in der formellen und informellen Bildung –Schwerpunkt auf Praktische Ausbildung legen ppNachhaltige Entwicklung –Braucht langfristige Perspektiven, basiert auf maximaler lokaler Wertschöpfung –Soziale und Umweltentwicklung ppWüstenbildung, Abholzungen und Erosion –Traditionelle Demokratie muss in Nationenbildung eingebunden werden –Traditionelle bewährte Rechtssysteme integrieren –Traditionelle Medizin und die westliche Medizin harmonisieren ppWem nutzt die Entwicklungshilfe? –den deutschen Unternehmern oder den Afrikanern? ppBeendigung von Spendenkampagnen seitens der großen NGOs und gewisser Prominenter ppVerstärkte Forderungen in Bezug auf die Rückführung gestohlener Gelder durch Diktatoren und deren Zusammenarbeit mit Europa ppDemokratien SOLLEN Demokratien unterstützen! ppDie Rolle der westlichen Medien –Objektive Berichte über die verschiedenen Akteure, die die Entwicklung Afrikas verhindern –Offenlegung der Rolle von Industrieländern und Unternehmen in der Verarmung des Kontinents –Unterstützung bei der Aufdeckung und Verfolgung von Korruptionsfällen zu Lasten der afrikanischen Bürger –Realistische Darstellung des modernen und traditionellen Afrikas Seite 31 2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009 Diskussions ergebnisse In der Diskussion wurden folgende Fragen/Themen besprochen, die in den zu planenden Vorträgen aufgegriffen werden sollen: Ziel des Projektes: ppWas wollen wir mit dem Projekt erreichen? ppWarum wollen wir etwas erreichen? Inhaltliche Fragestellung ppWas ist nachhaltige Entwicklung? ppWir alle können so nicht weiter machen ppWelchen Beitrag können wir von hier leisten? ppUnsere Verantwortung für Eine Welt Methodische Herangehensweise ppWer entscheidet, wie Afrika sich entwickelt? ppWas bedeutet „Partnerschaft auf Augenhöhe?“ ppDialog von Mensch zu Mensch ppRegionale Eingrenzung? Konkrete Themen: ppGeschichte aufarbeiten ppKritik an der Entwicklungshilfe ppStädtepartnerschaft Dar es Salaam ppSolarkontinent Seite 32 Seite 33 3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009 3. Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Anforderungen an Wirtschaft und Politik Seite 34 Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Anforderungen an Wirtschaft und Politik „Die langanhaltende Verhinderung einer Fähigkeiten und Ressourcen Afrikas eine eigenständigen Entwicklung – von außen dynamische Balance anstrebt? (Industrieländer) aber auch von innen („Eliten“) – ist das größte Problem Afri- Im Juni 2009 unterzeichnete Hamburgs kas“, so Dr. Ulf Skirke vom Zukunftsrat zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch Hamburg. die Vereinbarung über eine vertiefte Zu- Wie könnte aber eine Partnerschaft auf sammenarbeit zwischen Hamburg und der Augenhöhe aussehen? Ist es die Anpassung tansanischen Hafenstadt Dar es Salaam. an Wachstumsmodelle westlicher Prägung Ein Beispiel für Partnerschaft auf Augen- oder eher ein Konzept, das auf Basis der höhe? Wir wollen mit Ihnen diskutieren! Begrüßung Veranstaltungsort: DeutscheZentralbibliothek fürWirtschaftswissenschaften NeuerJungfernstieg21 20354Hamburg Dr. Ulf Skirke (Zukunftsrat Hamburg) Karin Heuer (umdenken Heinrich Böll Stiftung e.V.) Podiumsdiskussion Christa Goetsch (Zweite Bürgermeisterin, Präses der Behörde für Schule und Berufsbildung, Hamburg) BestehendeKooperationenzwischenHamburg undDaresSalaam,Tansania PD Dr. Dr. Ulrich van der Heyden (Afrika- und Kolonialhistoriker, Humboldt Universität Berlin) WaskannHamburgausderKolonialgeschichte fürdieZukunftlernen? Klaus von Bismarck Am Dienstag, den 3.11.2009 um 19.30 Uhr Podiumsdiskussion Eintritt frei! (Geschäftsführer AMS Beverage Engineering and Services) HamburgerUnternehmeninOstafrika Prof. Dr. Louis Henri Seukwa (Erziehungswissenschaftler und Postkolonialtheoretiker, HAW Hamburg) Voraussetzungenfüreinenachhaltige PartnerschaftaufAugenhöhe Kurt Hirschler Anmeldungerbetenbei: KritischeAnmerkungenzumStatusQuoder geplantenStädtepartnerschaft Zukunftsrat Hamburg Moderation: Anke info@zukunftsrat.de Butscher (Politikwissenschaftlerin und ehem. Geschäftsführerin EWNW Hamburg) Foto: Photocase.de Gestaltung: mebusplus.de (Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt deutsch-tansanische Kooperationen) Mittelweg 21 20148 Hamburg T 040 / 39 10 97 31 www.zukunftsrat.de Anschließend Diskussion bis circa 21.30 Uhr Dieses Projekt wurde gefördert durch: Eine Veranstaltung von: Seite 35 3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009 Gäste Dr. Ulrich van der Heyden ( Jahrgang 1954) ist Afrika- und Kolonialhistoriker sowie Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Afrika. Er lehrt am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Missions- und Religionswissenschaft sowie Ökumenik der Humboldt-Universität zu Berlin. Van der Heyden studierte Geschichte und Asienwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin und war von 1984 bis 1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften der DDR, von 1992-1994 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum Moderner Orient und am Seminar für Afrikawissenschaften and der Humboldt-Universität Berlin. Er ist (Mit-)Herausgeber von vier wissenschaftlichen Buchreihen; zahlreichen Büchern und wissenschaftlichen Beiträgen zur Afrika- und Kolonialgeschichte. Karin Heuer ( Jahrgang 1954) arbeitet seit 1993 für umdenken e.V., das Politische Bildungswerk Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg, als Referentin für Umwelt und Bildung. Sie ist zuständig für den Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung und zusätzlich seit 2002 für die Geschäftsführung. Davor war sie als Landwirtschaftlich-technische Assistentin u. a. im Bereich Meeresforschung und Umweltschutztechnik tätig. In der Bundestagsfraktion der Grünen hat sie von 1987-1989 als wissenschaftliche Mitarbeiterin zu den Themen Datenschutz sowie Gen- und Reproduktionstechnologie gearbeitet. Sie ist gewähltes Mitglied im Beirat der Landeszentrale für politische Bildung. Außerdem engagiert sie sich u. a. im BUND, der Deutsch-Tansanischen-Partnerschaft und im Zukunftsrat Hamburg. Klaus von Bismarck ist Hamburger Unternehmer und Geschäftsführer der AMS Beverage Engineering and Services. Durch verschiedene Kooperationen vor allem mit ostafrikanischen Ländern gilt er als Kenner der arikanischen Wirtschaft. Seite 36 Prof. Dr. Henri Louis Seukwa ( Jahrgang 1967) stammt ursprünglich aus Kamerun. Er hat 2005 am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg promoviert und ist seit 2007 Professor für Erziehungswissenschaften an der Fakultät Wirtschaft und Soziales der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Er wurde unter anderem durch sein Buch „Der Habitus der Überlebenskunst: Zum Verhältnis von Kompetenz und Migration im Spiegel von Flüchtlingsbiographien“ (2006) bekannt, das 2007 mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Kompetenz und den Karl-Dietze Wissenschaftspreis ausgezeichnet. Am 29. Oktober erhielt Seukwa den Höffmann-Wissenschaftspreises Interkulturelle Kompetenz. Mit dem Preis wurden seine Forschungsleistungen in diesem Gebiet gewürdigt. Kurt Hirschler ist freiberuflicher Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt deutsch-tanzanische Kooperationsbeziehungen und arbeitet in der politischen und interkulturellen Bildung und Beratung. Die Kooperation zwischen Hamburg und Dar es Salaam hat er mehrere Jahre intensiv begleitet. Die von ihm mitbegründete Tanzania-Koordination Hamburg beschäftigt sich mit folgenden Themen und Projekten: Partnerschaften zwischen Organisationen in Tanzania und dem Hamburger Raum, wissenschaftliche Forschung, Erneuerbare Energien, Gesundheitspartnerschaft, Schulpartnerschaften, Kirchenpartnerschaften und Medienkooperation. Seite 37 3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009 Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Stadt Dar es Salaam (2009 -2010) Die Freie und Hansestadt Hamburg und die Stadt Dar es Salaam haben mit einer ersten Erklärung am 20. März 2007 ihre Zusammenarbeit formal begründet und dabei acht Handlungsfelder ausdrücklich benannt. Die Erklärung sollte die Zeit bis Ende 2008 erfassen. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg und der Stadtrat von Dar es Salaam stimmen darin überein, dass sich die Zusammenarbeit bewährt hat und zunächst für die Jahre 2009 und 2010 fortgesetzt, erweitert und vertieft werden soll. Sie stellen mit Genugtuung fest, dass sich der Kreis der öffentlichen und nichtstaatlichen Akteure in beiden Städten, die an einer Zusammenarbeit auf ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld interessiert sind, stark vergrößert hat und bereits ein großes Spektrum des gesellschaftlichen Lebens abbildet. Sie bekräftigen, dass die Zusammenarbeit in der Hauptsache folgenden Zielen dienen soll: ppVerbesserung der städtischen Dienstleistungen in Dar es Salaam zur Erhöhung der Lebensqualität der Bevölkerung ppWissensaustausch im Bereich von Forschung und Lehre ppKulturelle Verständigung und Lernen voneinander Im Einzelnen vereinbaren Dar es Salaam und Hamburg für die Jahre 2009 und 2010 Folgendes: 1. Die Zusammenarbeit umfasst folgende Felder: 1.1 Abfallbehandlung (Partner: Stadtreinigung Hamburg /Dar es Salaam City Council, Solid Waste Management): Expertenaustausch; technische und organisatorische Beratung zu den folgenden Themen: Sammlung und Ablagerung von Abfall, Bau und Betrieb einer ordnungs- und zeitgemäßen Deponie für Siedlungsabfälle, Pilotprojekt zur Erfassung von organischen Abfällen und deren Aufbereitung zu hochwertigem Kompost 1.2Abwasserbehandlung (Partner: Hamburg Wasser /DAWASA Dar Seite 38 es Salaam Water and Sewerage Authority sowie Tanzanian Ministry of Water and Irrigation): Unterstützung von organisatorischen und kaufmännischen Prozessen, insbesondere Erstellung von Finanzplanung, Abrechnungssystem, Controlling und Gebührenerhebungen; Management-Schulungen; Expertenaustausch; technische Unterstützung bei Brunnenbohrungen, Ingenieurplanungen für Wasserwerke, Kläranlagen und Netze 1.3Feuerwehr (Partner: Feuerwehr Hamburg /City Fire Brigade Department of Dar es Salaam): Expertenaustausch; fachliche Beratung in Belangen der Brandbekämpfung und des vorbeugenden Brandschutzes; Schulung für die Feuerwehr Dar es Salaam. 1.4Hafen und Logistik a. (Partner: HPA - Hamburg Port Authority /TPA – Tanzania Ports Authority): Unterstützung bei der Erstellung eines Konzepts zum Aufbau einer Hafenbahn-Infrastruktur b. (Partner: Uniconsult GmbH, Hamburg, Hamburg Port Consult GmbH /Tanzania Ports Authority, Port of Dar es Salaam): Angebot von Workshops für tansanische Hafen und Transportexperten in Hamburg und Dar es Salaam; gemeinsame Entwicklung von Förderkonzepten und -projekten, speziell im Schnittstellenbereich Hafen /Schiene (Hinterlandtransport) 1.5Hochschulen (Partner: HafenCity Universität Hamburg /ARU Ardhi University, Dar es Salaam): Wissenschaftlicher Austausch zu Fragen der Stadtplanung, Architektur, des Bau und Umweltingenieurwesens 1.6Museen (Partner: Hamburgisches Museum für Völkerkunde / National Museum of Tanzania): Expertenaustausch; Beratung für Hamburg hinsichtlich der Präsentation afrikanischer Exponate; Beratung für Dar es Salaam hinsichtlich MuseumsManagement 1.7 Jugendarbeit (Partner: Jugendfeuerwehr Hamburg und Kawaida e.V. /City Fire Brigade Department of Dar es Salaam und Dogodogo Center): Regelmäßiger Austausch von Jugendlichen, Aufbau einer Internats-Feuerwehr im Dogodogo Center; Ausbildung von Jugendbetreuern für die Jugendarbeit in Dar es Salaam 1.8Schulen: Angestrebt werden weitere Partnerschaften zwischen weiterführenden Schulen beider Städte, die der interkulturellen Verständigung und der Bildung für nachhaltige Entwicklung dienen. 1.9 Gesundheitsversorgung (VIMZ – Verein für Internationale Medizinische Zusammenarbeit e.V., Hamburg /Amana Hospital, Dar es Salaam): Erfahrungsaustausch und Beratung in Fragen der Gesundheitsversorgung, Austausch von Ärzten und Pflegepersonal zur Weiterbildung, finanzielle Unterstützung bei der Verwirklichung ausgewählter Projekte im Amana-Hospital 1.10Erneuerbare Energien (DTP – Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V., Hamburg / TASEA – Tanzania Solar Energy Association, Dar es Salaam): Entwicklung und Verbreitung der Nutzung erneuerbarer Energien, Unterstützung bei Klimaschutzprojekten in Dar es Salaam 1.11Sonderpädagogik (Evangelische Stiftung Alsterdorf, Hamburg) – Berufliches Training für junge Menschen mit geistiger Behinderung (Partner: Einrichtungen der Evangelic Lutheran Church of Tanzania, Eastern and Coastal Diocese, Dar es Salaam) – Implementierung von Ausbildungsinhalten der Sonderpädagogik in die Ausbildung tansanischer Sozialarbeiter (Partner: Institute of Social Work, Dar es Salaam) 1.12.Freiwilligendienste a.Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V., Hamburg / Tanzania Solar Energy Association, Dar es Salaam b.Kawaida - Sozialer Dienst in Afrika e.V, Hamburg / Community Based Child Care Trust Fund, Dar es Salaam Einrichtung langfristiger Partnerschaften mit Trägern von Bildungs-, Sozial- und Umweltprojekten in Dar es Salaam im Rahmen bestehender Entsendeprogramme deutscher Freiwilligendienste. Dabei streben die Partner auch die Möglichkeit der Entsendung tansanischer Freiwilliger nach Hamburg (Reverse-Programm) an. 1.13.Rotkreuz-Zusammenarbeit (Partner: Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Hamburg / Tanzanian Red Cross, Dar es Salaam branch): Beratung und Unterstützung beim Auf- und Ausbau von Rotkreuz-Strukturen in Dar es Salaam; Beratung und materielle Unterstützung der im Katastrophenschutz tätigen schnellen Einsatzgruppe des Roten Kreuzes in Dar es Salaam; Patenschaft für einen Kindergarten des Roten Kreuzes in Dar es Salaam; Unterstützung eines Landwirtschaftsprojektes zur Verbesserung der Einkommenssituation von HIV-Infizierten und Aidskranken; Jugendaustauschprogramm 2. Beide Städte fördern die genannten Aktivitäten und die Aktivitäten Dritter (private Organisationen und Initiativen, Religionsgemeinschaften, Wirtschaft, Handwerk, Kunst und Kultur, Medien etc.) im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Möglichkeiten. Soweit für den Erfolg der Zusammenarbeit die Mitwirkung von Stellen der jeweiligen nationalen Regierung erforderlich ist, werden sich beide Städte um deren Unterstützung bemühen. 3. Jede der Städte ernennt eine Person, die mit der Koordination der Zusammenarbeit beauftragt wird. Dies sind – für Hamburg: Herr Stefan Herms – für Dar es Salaam: N.N. Jede der Städte stattet ihren Koordinator mit den erforderlichen Mitteln zur Erfüllung seiner Aufgaben aus (Büromittel, Reisekosten). 4. Diese Erklärung gilt für die Jahre 2009 und 2010. Spätestens im Juni 2010 treten die beiden Koordinatoren miteinander in Verbindung, um zu erörtern, wie die Zusammenarbeit fortgeführt werden soll. 5. Beide Städte werden ihre jeweilige gewählte Volksvertretung (Hamburgische Bürgerschaft, Dar es Salaam City Council) über den Stand der Zusammenarbeit in Kenntnis setzen. Dar es Salaam, den 12. Juni 2009 Adam O. Kimbisa Christa Goetsch Bürgermeister der Zweite Bürgermeisterin der Stadt Dar es Salaam Freien und Hansestadt Hamburg Seite 39 3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009 Was kann Hamburg aus der Kolonial geschichte lernen? >> Dr. Ulrich van der Heyden Als Politikwissenschaftler und vor allem als Historiker frage ich mich immer, wenn es um eine Fragestellung zu vergangenen überseeischen Beziehungen geht, auf welchen Grundlagen solche Beziehungen, etwa zwischen Europa und Afrika, fundamentiert sind. In diesem heute hier zu diskutierenden Falle zwischen der Hansestadt Hamburg und der tansanischen Hauptstadt Dar es Salaam. Und bei solchem Nachdenken stößt man auf interessante und zum Teil schockierende historische Zusammenhänge. Denn Deutschland gehörte zu denjenigen europäischen Kolonialmächten, die seit der sogenannten Berliner Kongo-Konferenz von 1884/85 den afrikanischen Kontinent unter sich aufteilten. Eine der vier zu Deutschland gehörenden afrikanischen Kolonien war das damalige Deutsch-Ostafrika, welches hauptsächlich aus dem heutigen Staat Tansania bestand. Aufgrund dieser kolonialen Beziehungen, die im höchsten Maße ungleiche waren, erwächst für uns heute in Deutschland Lebende eine besondere Verpflichtung. Auf einige dieser historischen Ereignisse, die uns eine besondere moralische Verantwortung auferlegen, gehört der aufgeklärte, kritische und dennoch zukunftsorientierte Blick auf die zuweilen Jahrhunderte alten Beziehungen zweier mehr oder minder homogener Völkerschaften und ihrer politischen Führungen einer bestimmten Region. In diesem Sinne hätte fast jede Kommune in Deutschland, bei genauer historischer Recherche, solche besonderen Beziehungen nach Übersee aufzuarbeiten und sich damit auseinanderzusetzen.1 Aber kaum eine andere Stadt in Deutschland hat solch intensive Kontakte zu Afrika und demzufolge zur Kolonialdiktatur auf dem afrikanischen Kontinent, wie die Hansestadt Hamburg. Diese besonderen Beziehungen ergeben sich vor allem daraus, dass Hamburg eine Hafenstadt ist; von hier aus wurde schon recht frühzeitig Überseehandel betrieben. 2 Schon vor Beginn der direkten deutschen Kolonialherrschaft in Afrika 1884/85 gab es Kontakte zum „schwarzen Nachbarkontinent“. Auf einige, wenige solcher Beziehungen möchte ich hinweisen. So gehörten die Hamburger Kaufleute zu den größten Profiteuren des transatlantischen Sklavenhandels in Deutschland. Ich nenne nur die Firma Schimmelmann, über die in der Vergangenheit einige wichtige Forschungsergebnisse vorgelegt wurden. Auch an dem Handel mit Öl und Gewürzen aus der Fremde hatten Hamburger Kaufleute immer großes Interesse und erwirtschafteten nicht unbedeutende Profite. Viele eingehende Informationen über diese „kolonialen Beziehungen“ zwischen Hamburg und Übersee vermittelt eine interessante von Heiko Möhle herausgegebene Broschüre3, die ich allen Interessierten empfehlen möchte. In der Zeit der direkten deutschen Kolonialherrschaft profitierte Hamburg in herausgehobenem Maße vom kolonialen Handel und demzufolge vom deutschen Kolonialismus. Der Hamburger Hafen war der größte Umschlagplatz für Kolonialwaren. Von Hamburg aus organisierte zunächst der Tierparkbesitzer Carl Hagenbeck die verabscheuungswürdigen Völkerschauen.4 Hamburg war auch ein herausragender Ort der Entstehung sogenannter Kolonialwissenschaften, wovon die Gründung des Kolonialinstituts5 im Jahre 1908 Zeugnis ablegt; auch andere Wissenschaftsdisziplinen hatten ihren Ursprung während der Zeit des Kolonialismus, wie 1 Vgl. van der Heyden, Ulrich/Zeller, Joachim (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande. Eine 5 Vgl. Ruppenthal, Jens: Das Hamburgische Kolonialinstitut als verdeckter Erinnerungs- Spurensuche in Deutschland, Erfurt 2007. ort, in: van der Heyden/Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 161-165. Seite 40 2 Vgl. Plagemann, Volker (Hrsg.): Übersee. Seefahrt und Seemacht im deutschen Kaiserreich, München 1988. 3 Vgl. Möhle, Heiko (Hrsg.): Bibeln, Branntwein und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika. Eine Spurensuche in Hamburg, Hamburg 1999. 4 Vgl. Thode-Aurora, Hilke: Für 50 Pfennig um die Welt. Die Hagenbeckschen Völkerschauen, Frankfurt am Main/New York 1989. beispielsweise die Afrikanistik6 oder die Tropenmedizin. Nicht unbedeutend ist auch die Tatsache, dass an der Hamburger Universität im Jahre 1911 die erste Professur für Kolonialrecht an einer deutschen Hochschule eingerichtet wurde.7 Im Hamburger Straßenbild finden sich heute noch viele Zeugnisse aus der kolonialen Vergangenheit. Ich erinnere nur an den sogenannten Tansania-Park8, an Straßennamen und sonstige steinerne Erinnerungsorte, die sich in Denkmälern und in der Architektur manifestieren. Aber Hamburg war – auch dies sollte nicht vergessen werden – ebenso eines der Zentren des Widerstandes gegen den Kolonialismus. Ich verweise nur auf das hier vorhandene Büro des „Internationalen Komitees der Negerarbeiter“. Außerdem ist Hamburg wohl eine jener deutschen Städte, in der die afrikanische Diaspora wohl am vehementesten bis in die heutigen Tage angewachsen ist.9 In Hamburg wurde im Jahre 1967 zum ersten Mal in Deutschland ein koloniales Denkmal gestürzt, das Wissmann-Denkmal vor der Hamburger Universität.10 Wenn die Stadt Hamburg vor diesem historischen Hintergrund eine neue, gleichberechtigte Beziehung zu einer Partnerstadt in Afrika anstrebt, die auch noch zu den exponierten Kolonialstädten des deutschen Kolonialreichen gehört,11 sollten sich die Akteure der ungleichen Beziehungen zwischen Deutschland und Afrika in den vergangenen Jahrhunderten bewusst sein. Denn dies waren alles andere als freundschaftliche oder partnerschaftliche Kontakte. Allein während des Maji-Maji-Krieges töteten im Jahre 1907 die deutschen Kolonialtruppen etwa 120 000 Afrikaner in Ostafrika.12 Nicht unerwähnt sollte die unwürdige Geschichte über den abgeschlagenen Kopf des Häuptling Kwawa sein, der jahrzehntelang in einem westdeutschen Museum aufbewahrt wurde, bevor er Ende der 1950er Jahre nach Tansania zurückgeführt wurde.13 Auch außerhalb der Zeiten, in denen völkermordähnliche Exzesse von den Deutschen verübt wurden, herrschten die deutschen Kolonialherren in den von ihnen beanspruchten Herrschaftsgebieten mit Gewehr und Peitsche.14 Dieser Traditionen sollten sich alle Deutschen, die gedenken, in Tansania Handel zu treiben oder die dort eine partnerschaftliche Zusammenarbeit su6 Vgl. Meyer-Bahlberg, Hilke/Wolff, Ekkehard (Hrsg.): Afrikanische Sprachen in Forschung und Lehre. 75 Jahre Afrikanistik in Hamburg (1909-1984), Berlin/Hamburg 1986. 7 Vgl. Sippel, Harald: Hamburg. Koloniale Rechtsforschung im Deutschen Reich, in: van der Heyden/Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 166-170. 8 Vgl. Möhle, Heiko: Hamburg-Jerfeld. Von der Traditionspflege zum postkolonialen Erinnerungsort? Der „Tansania-Park“ in der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne, in: van der Heyden/Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 275-280. 9 Vgl. Dettmar, Erika: Rassismus, Vorurteile, Kommunikation. Afrikanisch-europäische Begegnung in Hamburg, Berlin/Hamburg 1989. 10 Vgl. Uhlmann, Gordon: Das Hamburger Wissmann-Denkmal. Von der kolonialen Weihestätte zum postkolonialen Debatten-Mahnmal, in: van der Heyden/Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 281-285. 11 Vgl. Becher, Jürgen: Dar-es-Salaam, Tanga und Tabora. Stadtentwicklung in Tansania chen, bewusst sein. Wir können nicht über solche Grausamkeiten der Vergangenheit einfach hinweggehen, solange die Wunden nicht vernarbt sind. Nun können wir Deutsche uns nicht pausenlos Asche aufs Haupt streuen, aber wir heutige Lebenden sollten uns aufgrund der Handlungen unserer Altvordern unserer moralischen Verantwortung bewusst sein. Was kann man diesbezüglich vor allem von der historischen Wissenschaft erwarten? Zum einen geht es um die wissenschaftliche Aufarbeitung des Kolonialismus in Afrika, seiner bis in die Gegenwart andauernden Folgen und der kolonialen Beziehungen zwischen Deutschland und seinen afrikanischen Kolonie. Da ist zunächst einiges Beachtliches zu Zeiten der DDR im Ostteil Deutschlands15 sowie in den vergangenen zwei Jahrzehnten im vereinten Deutschland geschehen. Die Aufarbeitung der Geschichte des Kolonialismus ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Des Weiteren sollten, und dies ist bisweilen viel zu wenig geschehen, die in den deutschen Archiven lagernden historischen Quellen den betroffenen afrikanischen Staaten zugänglich gemacht werden. Das heißt nicht, dass ganze Archivbestände nach Afrika transportiert werden sollen, sondern ich meine vielmehr dass relevante Akten in Kopie ihren Weg in die nationalen Archive der ehemaligen Kolonien finden sollten. Entsprechende Absichtserklärungen sind zwischen Politikern ausgetauscht, aber kaum in die Praxis umgesetzt worden. Lediglich einige kirchliche Institutionen haben sich ihrer Verantwortung für die Vergangenheit gestellt und haben afrikanischen Staaten in Kopien relevante Akten zur Auswertung zur Verfügung gestellt. Da die Editionen von Archivdokumenten ein recht kostenaufwändiges Unternehmen ist, könnten z. B. auf diesem Gebiet Wirtschaft und Wissenschaft in Deutschland zusammenarbeiten. Denn eine Dokumentenpublikation beispielsweise, die den Afrikanern etwa bei der Identitätsfindung und -stärkung behilflich ist oder hilft, Landgerechtigkeit herzustellen, könnte auch „Türöffner“ für Handelsgeschäfte sein. Es geht mir also darum aufzuzeigen, dass wir uns bei jeder Form der Ausgestaltung von Beziehungen bewusst sein müssen, auf welchen konkreten historischen Grundlagen neue, selbstverständlich positiv zu sehende Partnerschaften zu errichten sind. Es gilt genau zu prüfen, ob es historische Fundamente gibt, auf die man aufbauen kann, oder ob es solche sind, die man lieber als Gedenkstätte nutzen sollte. Andere Fundamente oder Mauerreste sollte man ein für alle Male beseitigen. In diesem Sinne hoffe ich, dass sich alle Akteure bei der Ausgestaltung der Partnerschaft zwischen Hamburg und Dar es Salaam nicht zuletzt ihrer aus der Vergangenheit übernommenen Verantwortung bewusst sind. unter deutscher Kolonialherrschaft (1885-1914) (=Missionsgeschichtliches Archiv, Bd. 3), Stuttgart 1997. 12 Vgl. Becker, Felicitas/Beez, Jigal (Hrsg.): Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika 1905-1907, Berlin 2005. 13 Vgl. Baer, Martin/Schröter, Olaf: Eine Kopfjagd. Deutsche in Ostafrika. Spuren kolo- 15 Vgl. van der Heyden, Ulrich: Tansania in der DDR-Wissenschaft. Eine paradigmati- nialer Herrschaft, Berlin 2001. sche Untersuchung der Afrika- und Kolonialgeschichtsschreibung in der DDR, in: ders./ 14 Vgl. Müller, Fritz-Ferdinand: Kolonien unter der Peitsche. Eine Dokumentation, Benger, Franziska: Kalter Krieg in Ostafrika. Die Beziehungen der DDR zu Sansibar und Berlin 1962. Tansania (=Die DDR und die Dritte Welt, Bd. 8), Berlin 2009, S. 149-168. Seite 41 3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009 Voraussetzungen für eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe >> Prof. Dr. Henri Louis Seukwa Fakultät für Wirtschaft und Soziales der HAW Hamburg Sehr geehrte Damen und Herren, ich wurde gebeten, maximal 10 Minuten die Voraussetzungen für eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe zu erörtern. Da Gegenstand und Form einer Partnerschaft vielfältig sind (wie Liebesbeziehungen, Wirtschaftsbeziehungen, etc.) werde ich mich hier vom Titel der Veranstaltung ausgehend ausschließlich mit den Voraussetzungen für eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe bezogen auf den hier postulierten Partner „Afrika“ beschränken. Dabei möchte ich den Begriff Partnerschaft als zentrale Kategorie des Titels ernst nehmen um mich an die Aufgabe heranzutasten. 0)Was ist eine Partnerschaft? Eine Partnerschaft kann im weiteren Sinne als eine gleichwertige Gemeinschaften von Menschen oder auch Gruppen – seien sie politischer, sozialer, ökonomischer oder religiöser Natur – verstanden werden, die sich zur Vertretung gemeinsamer oder eigener Interessen freiwillig zusammenschließen. Ausgehend von dieser Definition können wir zwei Hauptcharakteristika der Partnerschaft erkennen, die zugleich als notwendige Voraussetzungen für eine Partnerschaft gelten, nämlich: a. Die Freiwilligkeit und Autonomie in der Entscheidung eine Partnerschaft einzugehen oder nicht b. Die Gleichwertigkeit der involvierten Partner, d.h. die symmetrische, also gegenseitige, Wertschätzung basierend auf der Qualität und Quantität des Beitrags des jeweiligen Partners, um aus der Partnerschaft einen Mehrwert zu erzielen, der von dem einzelnen Partner nicht oder nur schwer erreicht werden kann. Diese Charakteristika der Partnerschaft weisen darauf hin, dass eine Partnerschaft per Definition grundsätzlich immer auf Augen- Seite 42 höhe stattfindet, denn sie ist ein Zweckbündnis, um Schwäche durch ein gegenseitiges Geben und Nehmen zu kompensieren sowie Stärke zu optimieren, was die Erkennung und Anerkennung solcher Schwäche und Stärke bei jedem der involvierten Partner voraussetzt. 1)Verräterische oder programmatische Tautologie? Von diesem Standpunkt aus ist die Formulierung „Partnerschaft auf Augenhöhe“ im Titel der Veranstaltung tautologisch, d.h. eine überflüssige Wiederholung. Diese Wiederholung scheint mir jedoch in einem Zusammenhang, in dem es um die Partnerschaft zwischen Deutschland und Afrika geht, bedeutungsvoll zu sein. Anders formuliert ist die Wiederholung hier ein Indiz dafür, dass es zwischen beiden Protagonisten Partnerschaften gab und gibt, die nicht auf Augenhöhe stattfinden. Der Titel der Veranstaltung ist in dieser Hinsicht verräterisch, die Wiederholung „Partnerschaft auf Augenhöhe“ kann hier aber auch als programmatisch betrachtet werden; nämlich als ein Wunsch, künftig partnerschaftlich mit „Afrika“ umzugehen. Wie man auch die Tautologie „Partnerschaft auf Augenhöhe“ im Titel der Veranstaltung interpretiert, als verräterisch oder als programmatisch, gilt es in jedem Fall festzuhalten, dass bezogen auf „Afrika“ eine Partnerschaft mit Deutschland im besten Fall eine Wunschvorstellung ist. 2)Das Problem Warum nun ist eine Partnerschaft, wie eben definiert, zwischen Deutschland und „Afrika“ schwer vorstellbar? a) Aufgrund einer problematischen begrifflichen Homogenisierung Afrikas mit praktischen Folgen. Afrika geographisch, politisch, soziologisch und kulturell betrachtet ist ein immenser, vielfältiger und komplexer Kontinent. „Afrika“ wird jedoch in unserem Sprachgebrauch pauschal, homogenisiert verwendet; was nicht nur ein Ausdruck von Ignoranz ist, sondern vielmehr ein hegemonialer Anspruch, besser eine Mischung vor dem Hintergrund einer Geschichte, nämlich der Kolonialgeschichte. Denn von Kairo bis Kapstadt, von der Kalahariwüste bis zum äquatorialen Regenwald – was Afrika gemeinsam ist, ist seine Kolonisierbarkeit. Afrika bildet in dieser Hinsicht eine Schicksalsgemeinschaft von Besiegten und Verlierern in einer entscheidenden historischen Begegnung mit den Europäern. Diese Tatsache ermöglicht und befugt heute noch die Sieger, die Besiegten unter den Allgemeinbegriff „Afrika“ zu subsumieren und mit ihnen entsprechend umzugehen; d.h. je nach Interessenslage mit mehr oder weniger Arroganz und Missachtung oder mit Paternalismus, Gnade und Helferattitüde des Siegers. b) Aufgrund der postkolonialen Gouvernementalität. Wenn wir jetzt vor diesem Hintergrund unseren Blick nach Afrika wenden, dann ist festzustellen, dass wir dort politisch, ökonomisch uns strukturell in den meisten Ländern mit postkolonialen Verhältnissen zu tun haben. Dies sind Verhältnisse, die knapp formuliert durch eine chaotische Pluralität und nahezu anomische Zustände gekennzeichnet und so für keine der schon erwähnten Bedingungen für eine Partnerschaft günstig sind; denn werden die Bedingungen für Bürgerfreiheit und gesellschaftliche Partizipation, noch die Grundlage für eine Autonomie im Sinne von politisch, ökonomisch und kulturell selbstständigen Staaten, die etwas Wertvolles und Begehrbares in einer Partnerschaft anbieten können, werden dadurch gefördert. Die Geschichte lehrt uns, dass es in den internationalen Beziehungen nicht um Hilfe, Philanthropie und anderes geht, sondern um eigenen Interessen, die die Mächtigsten bekanntlich rücksichtslos zu vertreten vermögen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welches Interesse Europa an einer Partnerschaft auf Augenhöhe als Instrument zur Beendigung des Elends in Afrika haben kann. Allein die Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsperspektive scheint mir ein realistischer Ausweg aus der Logik des Egoismus einzelner mächtiger Staaten oder Staatsgemeinschaften zu sein. Denn viele lokal auftretende Probleme wie Flüchtlingsströmungen, Klimawandel, Terrorismus, etc. sind global verursacht , und ihre nachhaltige Bewältigung ist auch nur global möglich. Mit anderen Worten sitzt die Menschheit in einem Boot auf stürmischer See. Die Mächtigen mögen sich zurzeit noch sicher fühlen, weil sie sich auf der Brücke aufhalten. Sinkt das Schiff, sind jedoch alle gleichermaßen verloren. Das Nachhaltigkeitsgebot lautet also: Wir werden gemeinsam die globalen Probleme bewältigen oder egoistisch individuell sterben. 3)Was bleibt? Was bleibt sind asymmetrische Beziehungen, in der Gestalt eines merkwürdigen und moralisch verwerflichen Arrangements zwischen den europäischen Siegern und den afrikanischen postkolonialen Potentaten mit Segnung der internationalen Organisationen, wobei Partnerschaft mit der so genannten „Entwicklungshilfe“ implizit oder explizit gleichgesetzt wird. Diese Gleichsetzung ist eine begriffliche Täuschung mit verheerenden praktischen Folgen für die arme Bevölkerung in vielen afrikanischen Ländern, deren Verarmung und strukturelle Abhängigkeit dadurch vorangetrieben wird. Die Gewinner sind – wie die zirka 50-jährige Geschichte solcher „Entwicklungspartnerschaften“ mit Afrika uns zeigt – die postkolonialen afrikanischen Potentaten und die europäischen Partner. Die Talmi-Tyrannen Afrikas können sich dadurch ihrer Verpflichtung, endogene Lösungen zum Wohl der eigenen Bevölkerung zu finden, entziehen und ihre Staaten somit in Bettlerstaaten verwandeln. Im gleiche Zug sichern die afrikanischen Machthaben dem europäischen Partner – sei dieser in Gestalt von klassischen Entwicklungshilfeorganisationen, der Politik oder Wirtschaftskonzernen – unter dem Deckmantel der Entwicklungszusammenarbeit den Zugang zu wichtigen natürlichen und strategischen Ressourcen in ihren Ländern und erkaufen sich dadurch auch mächtige Verbündete, die fortan zur Sicherung der eigenen Wirtschaftsinteressen großes Interesse am Machterhalt der afrikanischen Interessensvertreter haben. Seite 43 3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009 Kritische Anmerkungen zum Status Quo der geplanten Städtepartnerschaft >> Kurt Hirschler Moin Moin und Guten Abend! Es beruhigt mich, dass ich nicht der Einzige bin, der Schwierigkeiten mit dem Begriff der „Partnerschaft auf Augenhöhe“ hat. Ich frage mich auch, was eigentlich der Unterschied ist zwischen einer Städtepartnerschaft, wie Hamburg sie mit Chicago oder Marseille unterhält und einer Städtepartnerschaft auf Augenhöhe, wie sie nun mit Dar es Salaam beabsichtigt ist. Ich denke, der Unterschied liegt weniger im Charakter der Partnerschaft, sondern er hat etwas mit der jeweiligen Stadt zu tun, mit der die Partnerschaft angestrebt wird. Das heisst, eigentlich weniger mit der jeweiligen Stadt selbst, sondern vielmehr mit unserer Wahrnehmung dieser Stadt - und unserer Wahrnehmung des Verhältnisses der Stadt zu Hamburg. Und ich möchte wetten, wenn Hamburgs neue Partnerstadt in Nordamerika oder Europa läge – niemand käme auf die Idee, von einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ zu sprechen; es wäre selbstverständlich. Denn in einer Partnerschaft begegnet man sich „auf Augenhöhe“. Dass man bei der Beziehung zu Dar es Salaam die „Augenhöhe“ so sehr betont, weist darauf hin, dass man es eben nicht für selbstverständlich hält; dass man hier in Hamburg die beiden Städte und die Menschen beider Städte offensichtlich NICHT auf gleicher Augenhöhe wähnt. Es ist in der Tat in Deutschland weit verbreitet, Afrika, Afrika nerinnen und Afrikanern die ‚Augenhöhe‘ abzusprechen; Man blickt hierzulande nur zu schnell auf Afrika herunter – und folgt dabei einigen typischen, sich wiederholenden Mustern: „Die langanhaltende Verhinderung einer eigenständigen Entwicklung [...] ist das größte Problem Afrikas“ – vielleicht haben Sie das Zitat erkannt; Es stammt aus der Einladung zu dieser Veranstaltung. Wenn in Deutschland allgemein über Afrika gesprochen wird, findet meist eine Reduzierung auf „Armut“ und vermeintliche oder tatsächliche „Unterentwicklung“ statt. Auch Seite 44 hier – und das ist ja kein Kongress von Entwicklungsfachleuten, sondern eine Veranstaltung zum Thema Partnerschaft – „auf Augenhöhe“! – wird der Fokus sofort und ausschließlich auf ausbleibende „Entwicklung“ und „Probleme“ gelenkt. Hier wird sogar soweit gegangen, ganz Afrika eine „eigenständige Entwicklung“ abzusprechen! Was für ein Unsinn. Man muss sich nur mal Hamburgs zukünftige Partnerstadt Dar es Salaam ansehen. Diese ausgesprochen dynamische Metropole hat sich allein in den vergangenen acht, zehn Jahren enorm verändert, „entwickelt“. Das mögen Entwicklungen sein, die man aus europäischen Blickwinkeln nicht erkennt oder nicht gelten lassen will – weil sie unseren Vorstellungen von „Entwicklung“ nicht entsprechen; eben WEIL es eigenständige Entwicklungen sind. Aber auch das ist eine verbreitete Wahrnehmung: In dem Zitat wird implizit behauptet, ganz Afrika ließe sich unter einem „größten Problem“ subsumieren. Egal ob nun Eritrea oder Botswana; Mali oder Burundi – eine Differenzierung scheint nicht notwendig. Dieser große und komplexe Kontinent wird meist behandelt, als sei es ein einziges, zudem zurückgebliebenes, in erster Linie problematisches Land. Und noch eines fällt bei dem Zitat auf: Es geht ja eigentlich um PARTNERSCHAFT „mit Afrika“ (auch wenn Hamburg wohl kaum mit ganz Afrika kooperieren will und kann). Man zeigt auf das Objekt der Begierde und stellt fest: „keine Entwicklung!“, „Probleme!“. Und in den anschließenden Fragen der Einladung wird deutlich, worum es geht: Um die Frage, wie sich „Afrika“ entwickeln und verändern muss. Aber eine Partnerschaft ist ein gegenseitiger Prozess und setzt auch die Reflexion über sich selbst voraus. Und bekanntlich zeigen drei Finger auf einen selbst zurück, wenn man mit einem Finger auf die anderen zeigt. Und diese drei Finger sollten wir dazu nutzen, nicht immer nur fordernd zu fragen, was Afrika, was die Afrikanerinnen und Afrikaner zu leisten haben, sondern uns selbst zu hinterfragen: Haben WIR vielleicht ein Problem? Warum wähnen wir Afrika, Afrikanerinnen und Afrikaner nicht auf einer Augenhöhe, als gleichberechtigte Partnerinnen und Partner? Warum meinen wir immer, Afrika helfen, retten, verändern, entwickeln zu müssen? Im Übrigen: JEDE partnerschaftliche Beziehung setzt ein gewisses Maß an Selbstreflexion voraus! Die Frage, ob Hamburgs Beziehung zu Dar es Salaam den Anforderungen an eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“ erfüllt, ist so einfach nicht zu beantworten. Das liegt auch daran, dass zwar in den etwa fünf Jahren, in denen Hamburg nun intensivere Kontakte zu Dar es Salaam unterhält, ständig von der „Augenhöhe“ geredet wird – aber eine Diskussion, was man darunter verstehen soll, wurde nie geführt; Ansätze für eine solche Diskussion wurden teilweise sogar explizit blockiert. Und ich habe im Laufe der Jahre den Eindruck gewonnen, dass jede und jeder der Beteiligten ganz unterschiedliche Vorstellungen davon hat, was mit dieser „Augenhöhe“ nun eigentlich gemeint ist. Partnerschaft oder Entwicklungszusammenarbeit? Daher bin ich den beiden Organisationen, die diesen Abend veranstalten auch sehr dankbar, dass sie diese Diskussion anregen und ermöglichen! Doch sehen wir uns die Beziehung zwischen den beiden Städten einmal genauer an. Dazu möchte ich zwei Ebenen unterscheiden: Die Ebene der zuerst acht und mittlerweile 14 konkreten Kooperationsfelder und die Ebene des ‚Gesamtprojekts‘, das beim Senat als Träger der Kooperation Hamburg – Dar es Salaam angesiedelt ist. Von den 14 Kooperationsfeldern scheinen mir vier tatsächlich partnerschaftlich aufgestellt zu sein. Hier scheint eine Balance von ‚Geben‘ und ‚Nehmen‘ gegeben zu sein. Ein partnerschaftlicher Austausch ebenso wie ein gleichberechtigtes, respektvolles Miteinander ist zumindest angestrebt. Ein weiterer Kooperationsbereich ist zwar grundsätzlich asymmetrisch ausgerichtet, hat aber das Potential, dennoch Begegnungen auf „gleicher Augenhöhe“ zu ermöglichen. Ob das geschieht, wird davon abhängen, wie die Beteiligten die Vorhaben umsetzen. Die verbleibenden neun Kooperationsfelder – und das sind etwa 2/3 der Kooperationsfelder - sind klassische Geber-Nehmer-Beziehungen, in denen Hamburg „berät“, „unterstützt“, „schult“, „aufbaut“, „ausbildet“, und eine „Patenschaft“ übernimmt. Benefizveranstaltungen laufen an, Spendenkonten sind eingerichtet. Man fragt sich manchmal wirklich, wie Dar es Salaam nur all die Jahre existieren konnte, bevor sich das Füllhorn der Hamburgischen Wohltaten über der Stadt ausschüttete. Ich will das aber nicht grundsätzlich schlecht machen. Da ist viel persönliches Engagement dabei und viel guter Wille. Aber leider mangelt es oft an den spezifischen Kenntnissen der NordSüd-Kooperation und es ist auch eine ganze Menge neomissionarischer Geist dabei: Man will wieder Fortschritt und Entwicklung nach Afrika tragen! Manches davon mögen sogar sinnvolle Projekte der Entwicklungszusammenarbeit sein. Dann ist es jedoch Entwicklungszusammenarbeit – und definitiv keine Partnerschaft! Was die Ebene des ‚Gesamtprojekts‘ angeht, kann man verschiedene Aspekte betrachten. Ich möchte drei hervorheben. Zum einen, wie die Kooperation mit Dar es Salaam der Öffentlichkeit gegenüber kommuniziert wird. Da lässt sich feststellen: Sie wird kaum kommuniziert. Eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit, eine Informationspolitik, die der Bevölkerung die neue Kooperation vorstellt und für sie wirbt, gibt es nicht. Wenn man etwas erfahren möchte, muss man sich an das halten, was hin und wieder bei besonderen Anlässen in der Presse steht. Der letzte solche Anlass war die Delegationsreise der zweiten Bürgermeisterin nach Dar es Salaam im Juni dieses Jahres. Ich habe mir die Presseberichterstattung von dieser Reise sehr genau angesehen und ich habe ein Zitat gefunden, das den Tenor der Berichterstattung über den Charakter dieser angepeilten „Partnerschaft auf Augenhöhe“ sehr gut wiedergibt. In einer der Hamburger Zeitungen heißt es: „Für Christa Goetsch (GAL) war es nur eine Unterschrift. Für Dar es Salaams Bürgermeister Adam O. Kimbisa dagegen ein Meilenstein auf dem Weg in eine bessere Zukunft!“ Ein zweiter Aspekt betrifft die Form der Zusammenarbeit mit dem direkten Kooperationspartner, dem Dar es Salaam City Council. Leider ist die Zweite Bürgermeisterin erkrankt und kann deswegen heute hierzu keine näheren Auskünfte geben. So kann ich hier nur meine – unbestätigten – Eindrücke wiedergeben. Ich meine, dass zu einem partnerschaftlichen Ansatz auch gehören würde, dass die zentralen Dokumente gemeinsam mit der Partnerinstitution ausgearbeitet würden. Wie gesagt, ich habe keine eindeutigen Informationen, aber den Eindruck, dass die beiden bisherigen Kooperationsvereinbarungen hier in Hamburg geschrieben und übersetzt wurden und dann allenfalls den ‚Partnern‘ in Dar es Salaam zur Kommentierung vorgelegt wurden. Und ich fürchte, dass es im nächsten Jahr mit der Städtepartnerschaftsvereinbarung nicht viel anders laufen wird. Ausrichtung und Tempo, Gegenstände und Inhalte der Kooperation scheinen mir von Hamburg vorgegeben zu werden; einen kontinuierlichen Dialog mit den Partnern in Dar es Salaam kann ich nicht erkennen. Keine Einbeziehung der Fachöffentlichkeit Zu einer partnerschaftlichen Beziehung gehört für mich auch ein partnerschaftlicher Umgang mit der interessierten Fachöffentlichkeit in Hamburg. In Hamburg gibt es eine überschaubare, kompetente und kooperationsbereite Fachöffentlichkeit. Bedauerlicher Weise wird dieses Potential von Seiten der Stadt kaum genutzt; Allenfalls holt man sich dann und wann ein paar Informationen – aber eine kontinuierliche Information, Konsultation und Kooperation – ein Dialog mit der Fachöffentlichkeit – findet leider nicht statt. Zusammengefasst lässt sich also eine deutliche Diskrepanz zwischen den verbalen Beteuerungen einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ und dem tatsächlichen Vorgehen feststellen. Wie lässt sich diese Diskrepanz auflösen? Grundsätzlich in zwei Richtungen. Entweder man passt den Anspruch dem Handeln an oder umgekehrt das Handeln dem Anspruch. Im ersten Falle könnte man sich die Sonntagsworte von der „Partnerschaft auf Augenhöhe“ sparen und ehrlicher Weise das Ding als das benennen was es in der Realität ist: Eine Wohltätigkeitsveranstaltung für Dar es Salaam. Dann sollte man es auch nicht „Städtepartnerschaft“ Seite 45 3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009 nennen, sondern vielleicht „Aktion Hamburg hilft Dar es Salaam – Auf Augenhöhe!“ Das wäre das einfachste. Und es wäre ehrlich. Weitaus schwieriger wäre der Versuch, das Handeln dem An spruch anzunähern. Es ist auch deswegen schwieriger, weil schon sehr viel Zeit verloren wurde und sich in den Kooperationsbeziehungen Denkweisen, Erwartungen und Verhaltensmuster verfestigt haben, die nur sehr schwer zu beeinflussen sein werden. Zumal sie mit dem zweiten Kooperationsabkommen erneut bestätigt wurden. Um das Handeln dem Anspruch anzunähern, müsste vor allem das einsetzen, wofür eine der Veranstalterinnen des heutigen Abends wirbt: UMDENKEN! Dieses Umdenken setzt jedoch Einsicht und politischen Willen voraus. Umdenken und danach das Umsteuern muss man aktiv organisieren und gestalten und ich sehe hier in erster Linie die Stadt Hamburg als Trägerin der Kooperation mit Dar es Salaam in der Verantwortung. Um das Handeln dem Anspruch anzunähern, müsste man in allen drei Aspekten von Politik umdenken: Policy – also den Inhalten, Politics – den Verfahren und Prozessen sowie der Polity, den Strukturen. Was will Hamburg in Dar es Salaam? Was die Inhalte angeht, müssen wir in Hamburg dringend die Debatte führen, was wir eigentlich in Dar es Salaam wollen: Eine Städtepartnerschaft? Professionelle Entwicklungszusammenarbeit – können wir das überhaupt leisten, haben wir die finanziellen und personellen Ressourcen? Oder wollen wir eine Wohltätigkeitsbeziehung, garniert mit ein paar schönen, exotischen Reisen? Die Kooperation mit Dar es Salaam ist im Referat Entwicklungspolitik angesiedelt. Welchem Konzept von „Entwicklung“ und Entwicklungspolitik wollen wir dabei folgen? Weiterhin den veralteten Konzepten der nachholenden Entwicklung, bei der die ‚zu entwickelnde‘ Stadt dem Vorbild der ‚entwickelten‘ Stadt folgt, oder eher einem zeitgemäßeren Konzept der nachhaltigen Entwicklung, bei dem keine der beiden Städte als das glänzende Modell gilt und in dem beide gemeinsam erarbeiten, wie ein inter- und intragenerationell gerechtes Zusammenleben auf diesem Planeten ermöglicht werden kann. Diese Debatte müsste in einem Konzept münden – nicht im Sinne eines starren Korsetts, aber doch in Grundsätzen und Leitlinien, in Zielen und Perspektiven. In diese Diskussion müssen die bisherigen Aktivisten eingebunden werden, aber sie darf nicht in erster Linie von den Aktivisten geführt werden, sondern von kompetenten Fachleuten. Selbstverständlich müsste dazu die bisherige Kooperation evaluiert werden und die Erkenntnisse müssten in die Debatte einfließen. Die Ergebnisse dieses Prozesses müssten mit den Partnerinnen und Partnern in Dar es Salaam erörtert werden um zu sehen, ob sie mit den dortigen Konzepten anschlussfähig sind und ob die Übereinstimmungen groß genug sind, den Weg einer Partnerschaft zu beschreiten. Diese Diskussion hätte längst auf den Weg gebracht werden müssen – eingefordert wird sie ja schon seit Jahren. In etwa einem Jahr soll die Partnerschaftsurkunde mit Dar es Salaam unterzeichnet werden. Und Hamburg wird bis dahin immer noch keine Ahnung haben, was man da eigentlich will, Seite 46 und weiterhin ‚Charity auf Augenhöhe‘ betreiben. Die Vorstellung, dass der noch nicht einmal konstituierte ehrenamtliche „Rat für nachhaltige Entwicklung“ bis dahin ein Konzept entwickelt haben könnte, ist illusorisch. Was das Umdenken in Bezug auf Verfahren und Prozesse betrifft, habe ich schon einiges implizit angesprochen. Ein intensiver und dauerhafter Dialog mit den Partnerinnen und Partnern in Dar es Salaam wäre die Grundlage einer Partnerschaft, die den Namen auch verdient. Aber auch der ständige Dialog mit der Hamburger Bevölkerung, den in den Kooperationsbereichen aktiven ‚stakeholder‘ und der Fachöffentlichkeit müsste organisiert und betrieben werden. Offenheit, partizipative, transparente Prozesse, Mut zu Kritik und Selbstkritik, die Bereitschaft zu Lernen und sich und die Kooperation mit Dar es Salaam weiter zu entwickeln, wären Voraussetzungen dafür, solche eine Partnerschaft sinnvoll gestalten zu können. Die Realität ist derzeit von diesem Anspruch jedoch meilenweit entfernt. Umdenken auf Strukturebene Das sind hohe Ansprüche, und sie sind nicht einfach zu erreichen. Um sie überhaupt erreichbar zu machen, ist auch auf der Strukturebene ein Umdenken notwendig. Transparente, partizipative und professionelle Strukturen sind bislang in Hamburg (in Bezug auf die Kooperation mit Dar es Salaam) nicht vorhanden. Es ist nicht klar, wer nun eigentlich Hamburgs Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner für die Kooperation mit Dar es Salaam ist. An wen sollen sich interessierte Hamburgerinnen und Hamburger wenden? Wer ist mit dem Dar es Salaam City Council im dauerhaften Kontakt? Es ist auch nicht nachvollziehbar, wo Entscheidungen in Bezug auf die Kooperation mit Dar es Salaam getroffen werden. Bislang wurde dies hauptsächlich außerhalb des Rathauses in privaten Zirkeln gemacht. Das ist aber nur ein problematischer Punkt. Ein zweites Problem ist, dass sich die Stadt bisher darauf beschränkt hat, die Koope ration mit Dar es Salaam zu verwalten. Dringend notwendig wäre jedoch, sie zu gestalten. Durch die 14 Kooperationsbereiche gibt es mittlerweile einen Kreis von – wie anzunehmen ist – hochkompeten Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen, die an der Kooperation mit Dar es Salaam mitarbeiten. Aber faszinierender Weise ist im Zentrum dieses Kreises die wichtigste Kompetenz dauerhaft unbesetzt! Bei all der versammelten Fachkompetenz hat man darauf verzichtet, jemanden mit den notwendigen Kenntnissen in Bezug auf Dar es Salaam und Tanzania, aber vor allem den notwendigen Kompetenzen in interkultureller Begegnung, Entwicklungspolitik und Nord-Süd-Kooperation einzubinden. Man denkt immer, Nord-Süd-Kooperation kann doch jeder! Aber auch dabei handelt es sich um spezifische Fachkompetenzen. Und nicht jede und jeder, die oder der Brände bekämpfen kann oder Krankheiten, eine Schule leiten kann oder ein Museum, ist automatisch mit den Erkenntnissen der letzten 40 Jahre Entwicklungspolitik, Nord-Süd-Kooperation etc. vertraut. Das wäre ja auch ein bisschen viel verlangt. Doch bei der Kooperation Hamburg – Dar es Salaam geht es eben primär um diese Themen. Und genau in dieser zentralen Position leistet sich die Stadt Ham- burg ein Kompetenzvakuum. Es ist kein Wunder, dass dann solche Blüten herauskommen, wie wir sie seit Jahren beobachten können. Städtepartnerschaft als Projekt statt Verwaltungsangelegenheit Eine funktionierende Struktur ist die Voraussetzung um das Umdenken und Umsteuern bei den Inhalten sowie den Prozessen und Verfahren organisieren zu können. Schlicht und einfach: Irgendwer muss das ja machen. Will die Stadt wirklich weg vom Spenden-und Projekte-Paternalismus und hin zu stärker partnerschaftlichen Ansätzen, dann wird es nicht genügen, vom Umdenken zu reden oder einen Paradigmenwechsel zu postulieren. Man muss das organisieren. Auch die Entwicklung eines Konzeptes für die Partnerschaft allein genügt nicht. Will man das Konzept realisieren, muss man mit den beteiligten Akteuren arbeiten. Auch hier ist klar: Dafür braucht man jemanden, die oder der das machen kann! Das Eine-Welt-Netzwerk fordert seit langem die Einrichtung einer in vielerlei Hinsicht kompetenten Koordinationsstelle um die Kooperation mit Dar es Salaam gestalten zu können. Sicherlich muss man dazu auch bei der Stadt umdenken, und die Kooperation mit Dar es Salaam als Projekt betrachten und nicht als Verwaltungsangelegenheit. Und dann wird auch klar, dass ein Projekt – zumal ein neues Projekt und zumal ein internationales Projekt dieser Größenordnung – nicht ohne eine kompetente Projektleitung bewerkstelligt werden kann. Und dann wird auch deutlich, dass das weder mit einer Minijobstelle gemacht werden kann, noch irgendwann mit einer rein verwaltenden Planstelle in der Stadtverwaltung. Die Städtepartnerschaft mit Dar es Salaam bietet die Chance zu neuen, unkonventionellen und innovativen Formen und Inhalten der Kooperation. Hamburg könnte ein Beispiel geben, dass Kooperation mit Afrika nicht automatisch bedeutet, Spenden zu sammeln und Container mit allerlei Sinnvollem und Sinnlosen zu packen. Vor allem aber könnte Hamburg lernen, dass wir auch viel von Afrikanerinnen und Afrikanern lernen können; dass wir langjährige gute Freundschaften eingehen können, und dass die Menschen in Afrika, in Dar es Salaam auch einfach nur Menschen sind und nicht zu entwickelnde Objekte unserer mitunter etwas selbstgerechten Mildtätigkeit. Wir könnten diese Chancen ergreifen. Aber dafür wäre der Wille zum Umdenken notwendig. Um ehrlich zu sein, ich bin nicht allzu optimistisch, dass diese Bereitschaft bei den Akteuren in Hamburg vorhanden ist. Vielen Dank! Seite 47 3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009 Hamburg – Dar es Salaam: Eine Welt Netzwerk Hamburg bemängelt Konzeptlosigkeit Altes Denken prägt Aktivitäten Hamburgs in der Städtekooperation >> Presse-Information 22. Januar 2009 Hamburg und Dar es Salaam haben 2007 eine Städtekooperation vereinbart. Diese soll nach dem Willen der schwarz-grünen Koalition in nächster Zeit in eine feste Städtepartnerschaft umgewandelt werden. Schon jetzt gibt es zahlreiche Projekte in diesem Bereich. Doch anstatt diese Aktivitäten durch ein Konzept zu unterstützen, setzt der Senat an dieser Stelle auf unkoordinierte Vielfalt. „Hamburg muss sich endlich über das Ziel und den Zweck der Kooperation klar werden“, sagt Rebecca Lohse. So lange dies fehle, hingen die Form und der Inhalt der Aktivitäten allein von der Kompetenz und dem Willen der einzelnen Akteure ab, so die Geschäftsführerin des Eine Welt Netzwerks Hamburg e.V. (EWNW), dem Dachverband entwicklungspolitischer Initiativen in Hamburg. Es fehlten nicht nur Leitlinien. Es bedürfe auch dringend eines Koordinators in der Senatskanzlei, der verbindlicher Ansprechpartner für Aktive hier wie in Dar es Salaam ist und der die Hamburger Öffentlichkeit mit Informationen versorgt, sagt Lohse. „Viele entwicklungspolitische Initiativen wundern sich besonders über das mangelnde Engagement und die Uninformiertheit der GAL in dieser Frage“, so die Geschäftsführerin des EWNW. „Hamburg verspielt gerade eine große Chance. Die erste Städtepartnerschaft mit einer afrikanischen Metropole bietet gute Möglichkeiten endlich neue Wege zu gehen. Statt technokratischer Entwicklungshilfe könnte die Stadt, die sich gerne so modern und weltoffen präsentiert, ein innovatives Lernprojekt aufbauen“ so Lohse. So sind beispielsweise die Gedankenwelten der Menschen beider Städte geprägt von Kolonialismus und Rassismus – auch wenn sich einige bereits kritisch damit auseinandergesetzt haben. Zudem besteht ein enormes Ungleichgewicht zwischen den beiden Metropolen, was die materiellen Ressourcen anbelangt. Es ist nicht leicht, eine Partnerschaft auf Augenhöhe aufzubauen. Dies erfordert die Bereitschaft der Aktiven – vor Seite 48 allem in Hamburg, aber auch in Dar es Salaam - die eigenen Annahmen, Ansätze und Vorgehensweisen zu hinterfragen. „Die Stadt sollte größeren Wert auf eine kompetente Vorbereitung und interkulturelles Training der Partner legen“, sagt die Geschäftsführerin des EWNW. Fragwürdige Ehrung von Kolonialakteuren Bei offiziellen Feierlichkeiten verweisen Vertreter der Stadt nicht selten unkritisch auf die „traditionellen Beziehungen“ der Hansestadt zu den ländlichen Gebieten Tanzanias im 19. Jahrhundert. Kolonialismus, Ausbeutung, eine Politik der „verbrannten Erde“ und der Maji-Maji-Krieg werden mit keinem Wort erwähnt. Anlässlich des 150. Jahrestages der Akkreditierung des Ersten Hanseatischen Honorarkonsuls der Städte Bremen, Hamburg und Lübeck beim Sultan von Sansibar, die im Februar und Juni dieses Jahres stattfinden, werden zum Beispiel der „Afrika-Forscher“ Albrecht Roscher und der Hamburger Großkolonialkaufmann und Zweite Bürgermeister William Henry O‘Swald mit zwei Veranstaltungen bedacht. Wie kritisch die Vorträge ausfallen, wird sich zeigen. Informationen jenseits deutscher Kolonialakteure sind Mangelware. Wer weiß schon etwas über Sultan Mkwawa (18551898), den Kämpfer gegen die deutsche Kolonialherrschaft? „Kommunale Partnerschaften sollten auch Lerngemeinschaften sein“, so Lohse. Jugendliche wie Erwachsene wüssten viel zu wenig über Hamburgs Kolonialgeschichte in Ostafrika. Und auch der offene und verdeckte Rassismus, der immer noch in den Köpfen sitze, werde viel zu wenig kritisch reflektiert, bemängelt Lohse. Im Rahmen von Schulpartnerschaften könnte zum Beispiel Unterrichtsmaterial zur Kolonialgeschichte erstellt werden. „Wenn Hamburg eine Städtepartnerschaft plant, so sollte diese auch Leitlinien und ein Konzept beinhalten. Dies wäre der Hamburger Entwicklungspolitik insgesamt zu wünschen!“, so Lohse. Für weitere Informationen: Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V. (EWNW) Anke Schwarzer und Renate Grunert Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, Große Bergstraße 255, 22767 Hamburg Tel.: 040 - 358 93 86, anke.schwarzer@ewnw.de, www.ewnw.de Seite 49 3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009 Afrika und Deutschland – Partnerschaft auf Augenhöhe? Diskussion über eine schwierige Beziehung Von Reinhard Schwarz, Neues deutschland Wie soll eine »Partnerschaft auf Augenhöhe« zwischen Deutschland und Afrika aussehen? Darüber debattierten dieser Tage in Hamburg Afrika-Experten. Dabei kam auch die von Gewalt geprägte Kolonialherrschaft Deutschlands zur Sprache. Die Podiumsdiskussion hielt nicht, was sie zu versprechen drohte. »Afrika – nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe? Anforderungen an Wirtschaft und Politik.« Das klingt nach Langeweile und Sitzfleischmassage. Dass die Diskussion nicht in der erwarteten Ödnis mit den üblichen Absichtserklärungen über gegenseitige Verständigung, Vorurteile abbauen und Aufeinanderzugehen dahinplätscherte, war vor allem dem Erziehungswissenschaftler Prof. Louis Henri Seukwa von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften zu verdanken. Er stellte klar, dass allein die Fragestellung eine »verräterische oder programmatische Tautologie« bedeute: »Partnerschaft findet per Definition grundsätzlich immer auf Augenhöhe statt.« Das heutige Afrika sei hingegen »eine Schicksalsgemeinschaft von Besiegten und Verlierern«, während die reichen Staaten Europas die »Attitüde des Siegers« einnähmen. Gewinner seien weiterhin »postkoloniale Potentaten und deren europäische Partner«. In internationalen Beziehungen gehe es »nicht um Philanthropie«, so Seukwa, »sondern um Interessen«. Entsprechend müsse die Frage gestellt werden: »Welches Interesse kann Europa an einer Partnerschaft mit Afrika haben?« Leider wurde diese berechtigte Frage während der Debatte nicht beantwortet. Einige der Teilnehmer beschäftigten sich mit eigenen Befindlichkeiten der – zumeist gut gemeinten – kirchlichen Afrika-Hilfe, während die Rolle der multinationalen Konzerne, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds nicht beleuchtet wurde. So war es denn der Afrika- und Kolonialhistoriker Professor Ulrich van der Heyden von der Humboldt Universität Berlin, der die Rolle der Gewalt in den Beziehungen zwischen Afrika und Seite 50 Deutschland erläuterte. Van der Heyden nannte als Beispiel die Person Carl Peters, ein »Abenteurer und Verbrecher«, der in den Jahren 1884/1885 mit »Mord und Gewalt für die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft« Land zusammenraubte. 1890 wurde das von ihm eroberte Gebiet in Ostafrika der Schutzherrschaft des Deutschen Reiches unterstellt. Widerstand wie etwa beim MajiMaji-Krieg in Tansania vor mehr als hundert Jahren wurde niedergemetzelt. In der anschließenden, durchaus emotional geführten Debatte um die »Partnerschaft auf Augenhöhe« mischten sich auch Afrikaner aus dem Publikum ein. »Sie reden über Afrika, obwohl hier niemand aus Afrika auf dem Podium sitzt«, kritisierte einer. »Afrika denkt komplett anders, man muss erst mal die Kultur und Religion kennen lernen«, forderte er. Zudem bestehe Afrika wie Europa auch aus unterschiedlichen Staaten, das werde hier im Norden komplett ignoriert. Eine Afrikanerin erklärte: »Afrika hat unter der Versklavung und dem Kolonialismus gelitten. Auch heute noch ist Afrika unterjocht.« Es sei auch nicht richtig zu sagen, Europa sei entwickelt, Afrika hingegen nicht: »Afrika hat seine eigene Kultur und Geschichte.« Eingeladen hatte der Zukunftsrat Hamburg, ein Zusammenschluss von Initiativen und Gruppen auf der Basis der 1992 in Rio de Janeiro verabschiedeten Agenda 21. Vier Afrika-Experten sollten mit der schließlich wegen Grippe verhinderten stellvertretenden Hamburger Bürgermeisterin Christa Goetsch (Grüne) über die Kooperation zwischen der Hansestadt und der Hauptstadt Tansanias, Dar es Salaam, diskutieren, zumal seit Jahren über eine offizielle Städtepartnerschaft nachgedacht wird. Die wird weiter ebenso Thema bleiben wie die schwierige Beziehung zwischen Deutschland und Afrika. Der Artikel wurde am 10.11.2009 auf www.neues-deutschland.de veröffentlicht. Seite 51 4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009 4. Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Kultur und Sport Seite 52 Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Foto: © SIEME Was macht die vorkoloniale Kultur Afrikas gen der Fußball WM 2010 in Südafrika ein- aus? Wie gestaltet sich heute das Zusam- zuschätzen? Über diese und weitere Fragen menspiel zwischen Kultur, Sport und Poli- diskutieren unsere Gäste untereinander tik in den Ländern Afrikas? Welchen Stel- und mit Ihnen im Publikum. lenwert haben Sport und Kultur dort im Vergleich zu Europa? Welche Dynamiken Die Veranstaltungsreihe „Afrika - Nachhal- gibt es zwischen Kultur und Entwicklung? tige Partnerschaft auf Augenhöhe?!“ will zu Wie werden Kultur und Sport aus den Län- einer lebendigen Diskussion über partner- dern Afrikas in der hiesigen Öffentlichkeit schaftliche Entwicklung zwischen Europa wahrgenommen? Wie sind die Auswirkun- und Afrika beitragen. Kultur und Sport Veranstaltungsort: Freie Akademie der Künste Klosterwall 23 Foto: © Bitburger 20095 Hamburg (Eingang auf der Bahnseite) Am Donnerstag, den 26.11.2009 um 18.00 Uhr Podiumsdiskussion Eintritt frei! Anmeldung erbeten bei: Zukunftsrat Hamburg Teilnehmende Mittelweg 21 Jun.-Prof. Dr. Kocra Assoua 20148 Hamburg (Lehrstuhl für Entwicklungssoziologie, Universität Bayreuth) info@zukunftsrat.de Nana Abrokwa (Musiker, Produzent, Musikmanager) Anja Kuhr (CulturCooperation e.V.) Foto: © Nana Moderation: Veye Tatah (Chefredakteurin Africa Positive) Weitere Podiumsteilnehmende aus Sport und Kultur sind angefragt. Dieses Projekt wurde gefördert durch: Eine Veranstaltung von: Seite 53 4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009 Gäste Prof. Dr. Kocra Assoua ( Jahrgang 1973) stammt aus der Côte d’Ivoire. Er lebt seit 1996 in Deutschland und studierte von 1997 bis 2002 an der Universität Siegen Politikwissenschaft, Wirtschaft und Anglistik. Assoua promovierte zu einer empirischen bzw. vergleichenden Untersuchung zu Dezentralisierungsreformen in Afrika. Seit 2007 ist er Dozent für Entwicklungspolitik am Lehrstuhl für Entwicklungssoziologie, Universität Bayreuth, seit November 2009 hat er dort eine Juniorprofessur. Thematisch beschäftigt er sich unter anderem mit Entwicklungspolitik / Entwicklungssoziologie, Technischer und wirtschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit, Budgetfinanzierung / Projektfinanzierung, Projektkonzipierung, -bearbeitung & -auswertung, Analyse und Auswertung von Entwicklungsprojekten, Internationalen Wirtschaftsbeziehungen / EU-AKP Abkommen / NEPAD, Public Private Partnerships, Kommunalpolitik / Dezentralisierungspolitik und Umweltpolitik. Michel Dinzey ( Jahrgang 1972) begann im Alter von sechs Jahren mit dem Fußballspielen beim SpVgg. Schöneberg Berlin. Seine Profikarriere begann er 1994 beim Bundesligisten VfB Stuttgart. Am 2. August gab er im Auswärtsspiel beim TSV 1860 München sein Debüt in der Bundesliga. Nach insgesamt 14 Einsätzen für den VfB verpflichtete ihn 1995 zur Saison 1995/96 der FC St. Pauli mit der Aussicht, dort Stammspieler zu werden, für den er 30 Spiele absolvierte bevor er in die kongolesische Fußballnationalmannschaft einberufen wurde. Nach Stationen in Norwegen, Braunschweig und München zog es ihn 2004wieder zurück zum FC St. Pauli , mit dem er 2007 in die 2. Bundesliga aufstieg. Insgesamt bestritt Michel Dinzey in seiner Karriere als Profi 90 Bundesliga-Spiele, 77 Spiele in der 2. Bundesliga und 220 Regionalliga-Spiele. Dazu kommen 33 A-Länderspiele für den Kongo. Die Fans des FC St. Pauli wählten Dinzey anlässlich des Vereinsjubiläums 2010 in die Jahrhundertelf. Heute arbeitet er als Trainer. Anja Kuhr ist aktiv in der CulturCooperation, die sich Seit 1986 in der Förderung des internationalen Kulturaustausches engagiert. Dabei gilt ihr besonderes Interesse innovativen Produktionen aus den Bereichen Bildende Kunst, Tanz, Theater, Literatur, Film und Performances. Vielen Hundert Künstlerinnen und Künstler aus Asien, Afrika und Lateinamerika hat die CulturCooperation eine Bühne geboten, ihre Produktionen, künstlerischen Statements und Visionen zu präsentieren. Das Spektrum der Themen reicht dabei von der europäischen Kolonialgeschichte bis zur Avantgarde des afrikanischen Modedesigns. Zum Selbstverständnis der Cultur Cooperation gehört es auch, sich an politischen Kampagnen zur Unterstützung von verfolgten Künstlern zu beteiligen. Neben Fachtagungen zu kulturpolitischen Themen bilden Programme zur entwicklungspolitischen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit einen zentralen Schwerpunkt ihrer Arbeit. Aktuelle Projekte: ppKunsthandwerk und Entwicklung Die Bedeutung des Afrikanischen Kunsthandwerks und des Handels für eine nachhaltige Entwicklung (seit 2008) ppCulture and Development Kunst und Kultur in der Entwicklungszusammenarbeit (2005-2008 ppNofretete geht auf Reisen Kampagne und Debatte über eine Ausleihe der Nofretete-Büste an Ägypten (2007) ppKrieg ist kein Kinderspiel Veranstaltungsreihe über die Ursachen und Folgen des weltweiten Kriegsgeschehens (2000-2003) Seite 54 Harald Stutte ( Jahrgang 1964) ist in seinem „ersten Leben“ Redakteur bei der Hamburger Morgenpost. In seinem „anderen Leben“ beschäftigt sich der Politikwissenschaftler und Historiker mit dem südlichen Afrika, das er seine zweite Heimat nennt. Nicht nur, weil seine Frau eine gebürtige Kapstädterin ist und er fast jedes Jahr das Land an Afrikas Südspitze besucht. Für zahlreiche Publikationen hat er Analysen und Berichte aus und über die Region verfasst, außerdem war er mehrfach für die staatliche Entwicklungsgesellschaft Inwent als Dozent in Durban und Hamburg tätig. Bedauernswert findet er, dass in den deutschen und europäischen Medien negative Stereotypen über Afrika dominieren und positive Entwicklungen, die es zweifelsfrei auch gibt, oft nicht genug gewürdigt werden. Veye Tatah ( Jahrgang 1971) wurde in Kamerun geboren. Nach dem Abitur nahmen die deutschen Nachbarn ihrer Eltern die damals 19-Jährige als Au-pair-Mädchen mit nach Bremerhaven, wo Tatah eineinhalb Jahre für die Familie arbeitete und die deutsche Sprache lernte. Bereits während ihres darauffolgenden Informatikstudiums an der Technischen Universität gründete sie den Verein „Africa Positive“ und das gleichnamige Magazin. Ihr Ziel: den Deutschen ein realistischeres Afrikabild vermitteln und so die Integration der Afrikaner, die in Deutschland leben, fördern. Nach dem Studium arbeitete Tatah sieben Jahre als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für praktische Informatik der TU Dortmund. Nebenbei rief sie den afrikanischen CateringService „Kilimanjaro Food“ ins Leben, um ihr ehrenamtliches Engagement zu finanzieren. Seit Anfang 2008 ist sie selbständige Beraterin und Projektmanagerin mit Fokus Afrika. Politik, Wirtschaft und die Medien fragen sie regelmäßig als Afrika-Expertin an. Am 25. Februar 2010 erhielt Veye Tatah das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland für ihr besonderes soziales Engagement. Nana Kwame Abrokwa ( Jahrgang 1968), bekannt unter seinem Pseudonym Nana (dabei handelt es sich hier nicht um seinen Vornamen, „Nana“ ist ein Verehrungsname der ghanaischen Akanvölker) oder dem Künstlernamen Darkman Nana, ist ein deutscher Rapper und DJ. Er stammt aus Accra, Ghana und zog im Alter von zwölf Jahren mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Hamburg. Nach seinem Schulabschluss war Nana zunächst als DJ in Hip-Hop-Clubs aktiv und wirkte Anfang der 90er Jahre bei einigen Songs von DJ David Fascher als Rapper und Co-Produzent mit, damals noch unter dem Pseudonym MC Africa True. Bekannt wurde er in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Seine Texte befassen sich mit seiner Beziehung zu Gott und seiner Familie, behandeln aber auch Themen wie Rassismus und den Holocaust. Seite 55 4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009 Vorkoloniale Kultur und ihre Bedeutung für Afrika heute >> Prof. Dr. Kocra Assoua Sehr geehrte Damen und Herren, ich bedanke mich ganz herzlich bei den Organisatoren dieser Veranstaltung für die Einladung. Ich habe mich ganz besonders über die Einladung gefreut, da dieses Thema zu meinen liebsten Forschungsschwerpunkten gehört: „Die Bedeutung vorkolonialer Kultur für die Entwicklung Afrikas“. Die Auseinandersetzung mit dem Entwicklungspotential von Kultur ist insofern so wichtig, da sie meiner Meinung nach die Kernfrage des Entwicklungsdilemmas Afrikas berüht. Die Frage des wirtschaftlichen und technologischen Rückstands Afrikas steht seit langer Zeit im Mittelpunkt entwicklungspolitischer Diskussionen. Afrika befindet sich, trotz intensiver Einsätze von enormen finanziellen Mitteln, Entwicklungsexperten und Forschern immer noch in einer chronischen politischen und wirtschaftlichen Krise. Nach dem Scheitern des Modells des „development state“ und der absteigenden monozentrischen Entwicklungspolitik der 1960er und 1970er Jahre, bezogen sich die entwicklungspolitischen Strategien der 1980er und 1990er Jahren auf modernisierungstheoretische Ansätze, welche die Strukturanpassungsprogramme als Königsweg zur Entwicklung propagierten. Hinter dieser Entwicklungsvision standen orthodoxen Theorien wirtschaftlicher Entwicklung, die lediglich wirtschaftliches Wachstum, hohe Produktivität, Rationalisierung und Modernisierung als Maßstab für Entwicklung postulieren. Nach den Erfahrungen von mehr 5 Dekaden der Entwicklungspolitik kann heute jedoch festgestellt werden, dass diese Ansätze keineswegs zur Lösung des „Entwicklungsproblems“ Afrikas beigetragen haben. Die Krise hat sich im Gegenteil verschärft: Politische Instabilität und schwere Wirtschaftskrisen herrschen immer noch vor. Angesichts des Misserfolges der bisherigen Entwicklungszusammenarbeit stellt sich daher die Frage, ob diese richtig konzipiert war. Worin liegt ihr Versagen? Seite 56 Als Antwort auf diese Fragen wird häufig u. a. der starke Einfluss von traditionellen und kulturellen Werten als Hauptstörfaktor angeführt. Sie gelten als altmodisch und werden als Hindernisse für den Entwicklungsprozess betrachtet. Andere Entwicklungstheoretiker teilen diese Meinung nicht. Sie glauben, die Unwirksamkeit der bisherigen Entwicklungsprojekte und -programme liege darin, dass die Arbeitsmethoden und Grundfragestellungen der „Entwicklungsexperten“ nicht den soziokulturellen Realitäten angepasst seien. Kultur sei nicht wie oft behauptet ein Hindernis für die Entwicklung. Sie gilt als Baustein oder Basis aller sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Um dies bereits zu Beginn dieses Beitrages festzuhalten: Es geht in dieser Analyse weder darum, die These der Traditionalisten oder so genannten Afrozentristen1 zu unterstützen, die Afrika, besonders das traditionelle Afrika, als verlorenes Paradies bezeichnen, noch darum, die rassistischen oder eurozentristischen2 Gedanken zu kritisieren, die die afrikanischen Gesellschaften als zivilisationslose Gesellschaften betrachten. Die wesentliche Intention meines Beitrages besteht darin, die Interdependenzen zwischen soziokulturellen Werten und der Problematik wirtschaftlicher und politischer Entwicklung herauszustellen. Ich bin der Meinung, dass die Grundlage und Voraussetzung jeder Entwicklung die Berücksichtigung kultureller und lokaler Werte ist. Kultur ist der Baustein, auf dem jede Gesellschaft ihre Gegenwart und Zukunft baut. Dazu schrieb Jean Gray (zit. in: UNESCO 1 Afrozentrismus ist eine pseudohistorische politische Bewegung, die behauptet, AfroAmerikaner sollten ihre Wurzeln zurück zum alten Ägypten verfolgen, das wiederum angeblich von schwarzen Afrikanern bewohnt wurde. Einige der Behauptungen des Afrozentrismus sind, dass die alten Griechen ihre kulturellen Haupterrungenschaften von schwarzen Ägyptern stahlen, dass Jesus, Sokrates und Kleopatra - neben anderen - schwarz waren und dass Juden den schwarzafrikanischen Sklavenhandel schufen, in: http://www.skeptischeecke.de/Worterbuch/Afrozentrismus/afrozentrismus.html 2 Vgl. ebd. 8 1990: 23): „The people best equipped for successful development is a people prepared to draw deeply on its own resources, through its roots in its own land and culture”. Wenn man davon ausgeht, dass Kultur als die Gesamtheit der Lebensformen einer Gesellschaft zu verstehen ist, dann muss „Kultur“ als „Impuls“ allen menschlichen Handelns und Verhaltens betrachtet werden. Die Rückbesinnung auf Kultur bzw. auf eigene Werte bedeutet die Erfassung des eigenen „Daseins“, der eigenen Identität. Sich selber zu kennen ist erforderlich, denn nur so kann man die eigenen Bedürfnisse erkennen und befriedigen; sich nicht zu kennen könnte tödlich sein. Dieser Sachverhalt wird in einem berühmten Bambara-Spruch wiedergegeben: „Yè Yèrè don“ „Kunfinya yèbana yé“. Übersetzt bedeutet dies: „Kenne dich selber, weil die Unwissenheit eine tödliche Krankheit ist“. Aus diesen Überlegungen sollten sich Afrikaner mit den folgenden Fragestellungen auseinander setzen: Wer sind wir? Wohin wollen wir? Und was wollen wir werden? Zur Erfassung der genauen Bedeutung von „Kultur“ im gesellschaftlichen Entwicklungsprozess möchte ich nun ihre wesentlichen Funktionen kurz darstellen und klassifizieren. Kultur dient dazu: 1.das Identitätsbewusstsein einer Bevölkerung zu wecken; dabei kann die Bevölkerung Stellung und Beziehungen gegenüber anderen Bevölkerungsteilen in der Welt nachvollziehen; 2.das Gemeinschaftsleben zu gestalten, wobei die einen wissen, was sie von anderen erwarten können; 3.zu lernen, eigene Probleme mit eigenen Methoden zu lösen; 4.die eigene Zukunft auf der Basis der eigenen Identität aufzubauen (ebd.: 78 & Gieler 1989: 101-121). Drei wesentliche spezifische Funktionen können an dieser Stelle festgestellt werden: Die soziale Funktion, die psychische Funktion und die Anpassungsfunktion der Kultur: ppAuf sozialer Ebene spielt Kultur eine überwiegende Rolle bei der Schaffung und Gestaltung einer bestimmten Gemeinschaft, die sich von anderen durch ihre Normen unterscheidet ppAus psychischer Sicht ist Kultur der Raum durch den die psychische Persönlichkeit der Individuen geformt wird; das Denksystem, Glaubensvorstellungen, Gefühle und die psychologischen Bedürfnisse des Individuums oder / und der ganzen Gesellschaft werden dabei gebildet. Dies ist der Grund dafür, dass es unterschiedliche Kulturen gibt, und dass Normen und Werte einer Gesellschaft nicht als universal betrachtet werden können. ppDie Anpassungsfunktion von Kultur ist die Wichtigste. In diesem Sinne ist Kultur das wesentliche Element, durch das Mensch und Gesellschaft sich an ihr Umfeld anpassen. Bezogen auf ihre Funktionen in der gesellschaftlichen Entwicklung, symbolisiert Kultur die Kräfte der Gesellschaft. Das Wirtschaftpotential einer Bevölkerung kann verloren gehen, materielles Eigentum kann zerstört werden, doch diese Bevölkerung wird nie ihre Persönlichkeit, ihren eigenen „intellektuellen“ Fähigkeiten und ihr Selbstvertrauen verlieren. Diese Bevölkerung kann immer wieder auf eigenen Füßen stehen und ihre Entwicklung in die Hand nehmen. Ein konkretes Beispiel ist der Fall Deutschlands und Japans nach dem zweiten Weltkrieg. Wenn hingegen die Bevölkerung ihre Kultur, d.h. ihre eigene Persönlichkeit und ihr Selbstvertrauen verliert, wird der Weg zum Wiederaufbau erschwert, selbst wenn enorme Mengen an Geld, Technik und Wissen ins Land gebracht werden. Solch eine Bevölkerung verliert nicht nur ihre eigene Dynamik, sondern auch ihre Fähigkeit, über sich selber nachzudenken und dementsprechend eigene Entwicklungspläne zu gestalten. Sie verliert ihre Anpassungsfähigkeit. Sie kann nicht mehr unterscheiden, was positive oder negative Auswirkungen auf sie haben könnte. Dies ist der Fall in den meisten afrikanischen Länder und vor allem den jungen westafrikanischen Staaten. Um sich anpassen zu können, müssen sie einen Blick in ihre Vergangenheit werfen, wie Attoh Ahuma es hier verdeutlicht: „Intelligent Retrogression is the only progression that will save our beloved country (continent). This may sound a perfect paradox, but it is, nevertheless, the truth; and if all educated West Africans could be forced by moral suasion and personal conviction to realize that “Back to the Land” signifies a step forward, that “Back to the Simple Life” of our progenitors expresses a burning wish to advance…” (SRB. Attoh Ahuma, zit. nach Ayittey 1991: xiii.). Rückbesinnung auf Kultur meint hier nicht einen „systematischen Rückzug“ der Afrikas auf ihre Vergangenheit oder „alte Traditionen“. Es geht hier nicht darum, alle äußeren Einflüsse systematisch abzulehnen und zu versuchen das so genannte „verlorene Paradies“ wieder zu erschaffen. Denn die Kultur einer Gesellschaft ist nicht statisch. Sie ist im Gegenteil konstant, flexibel und unterliegt dem Einfluss anderer Kulturen. Die hier gemeinte Rückbesinnung auf kulturelle Werte bedeutet im Grunde genommen für Afrikaner: 1.ihre Vergangenheit zu erforschen und die wertwollen kulturellen Normen und Organisationsformen wieder zu entdecken. 2.durch kritische Überlegungen die kulturellen Strukturen zu bewerten und zu aktualisieren, so dass die Diskrepanz zwischen „alten“ und „modernen“ Strukturen gemindert werden kann. Im Zusammenhang zur Aktualisierung oder Anpassung der wieder entdeckten kulturellen Elemente sollten sich die Überlegungen auf drei wesentliche Handlungsbereiche beziehen: politische, soziale und wirtschaftliche Strukturen. Welche Reformen oder kulturelle Anpassungen sind hier erforderlich? Die entscheidenden Fragestellungen bei der Rückbesinnung auf kulturelle Faktoren im wirtschaftlichen Entwicklungsprozess sind: Wie können afrikanische kulturelle Werte in der Praxis im wirtschaftlichen Bereich eingesetzt werden? Sind alle kulturellen Elemente einsetzbar? Wenn nicht, welche können tatsächlich zum Motor einer endogenen Entwicklung gemacht werden? Seite 57 4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009 Wortbeitrag >> Michel Dinzey Bei der WM in Südafrika ging es im Vorfeld viel um Sicherheit – ich sehe das gar icht als großes Problem. Ich habe 1996 den Afrika Cup dort gespielt, und was uns anging hatten wir keine Befürchtungen bezüglich der Kriminalität. Meiner Meinung nach wird das Thema ziemlich hochgespielt. Solange es in Afrika noch die Diktatoren gibt, wird es Ausbeutung der Länder an Mineralien geben und die Menschen werden weiterhin sehr arm leben. Aufklärung in Schwarzafrika ist zwar da, aber die finanziellen Mittel eben nicht. Ich denke, dass die Leute, die wirklich etwas bewegen können, sich mit Menschen zusammensetzen sollten, die helfen wollen und gemeinsam Konzepte erarbeiten, um diese dann auch in den Regionen umzusetzen. Aktuell ist die Lage meiner Ansicht nach sehr komplex und nicht zu bewältigen – die Probleme sind nach wie vor zu groß. Im Fußball werden dann 90 Minuten die ganzen Probleme vergessen und die Aggressionen abgebaut – das ist in Deutschland auch nicht anders. Danach kehrt der Alltag wieder ein. Aber die Menschen machen irgendwie das Beste daraus, um zu überleben – und das Tag für Tag. Seite 58 Seite 59 4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009 Kultur und Sport – eine Chance, in Europa ein anderes AfrikaBild zu verbreiten >> Harald Stutte Bekanntermaßen wird das Afrika-Bild in der deutschen Öffentlichkeit von negativen Stereotypen beherrscht: Krieg, Korruption, Aids Hunger. Positive Entwicklungen – wirtschaftliches Wachstum , demokratische Wechsel nach Wahlen, regionale Erfolge im Kampf gegen Aids oder Malaria – werden in deutschen Medien indes kaum wahrgenommen. Sport und Kultur bieten die einmalige Chance, in Europa ein anderes Afrika-Bild zu vermitteln. Wenn beispielsweise der Hamburger SV ein Fußball-Profi wie Collin Benjamin verpflichtet, wird selbst in Medien wie Bild oder Morgenpost, die sonst kaum über Afrika berichten, über Kultur und Bräuche in dessen Heimatland Namibia informiert. Ein anderes Beispiel: Wenn in Hamburg der Soweto Gospel Choir oder ein Gumboots Ensemble gastieren, wird eine Begeisterung für Afrika bei Hamburgern geweckt, die normalerweise keinen Zugang zu afrikanischer Kultur haben. Künstler und Sportler sind so stets auch Übermittler und Botschafter eines positiven Afrika-Bildes. Und das ist bitter nötig. Natürlich dürfen solche positiven Afrika-Bilder nicht ausschließlich aus den Nischen Sport oder Kultur bedient werden. Hier sehe ich durchaus eine Gefahr. Afrika darf nicht als Kontinent bewunderter Sportler, Tänzer und Trommler einerseits, korrupter Politiker und militanter Milizchefs andererseits wahrgenommen werden. Das entspräche dem antiquierten und rassistischen Bild europäischer Kolonialherren. Ich verstehe durchaus auch Kritiker, die sagen, singende und tanzende Afrikaner bedienen ein bei vielen Europäern vorherrschendes Bild anspruchsloser weil traditioneller afrikanischer Kultur. Auch Deutsche sind nicht immer glücklich, wenn sie vom Ausland als schuhplattlernde Lederhosenträger dargestellt werden. Doch ich verstehe Afrikas Sport und Kultur als eine Art „Entrée“, um in Europa Menschen für Afrika zu interessieren, eventuell zu begeistern, die sonst keinen Zugang haben. Ich bin so kühn zu Seite 60 behaupten, dass ein Junge, der ein Poster des Chelsea-Superstars Didier Drogba in seinem Zimmer hängen hat, in seiner späteren Jugend weniger empfänglich für rassistische Thesen ist. Zugegeben: Von der Bewunderung für einen afrikanischen Fußballer bis hin zur Selbstverständlichkeit, auch in Deutschland von einem schwarzen Politiker regiert, von einem schwarzen Polizisten kontrolliert, von einem schwarzen Arzt untersucht zu werden, ist es noch ein langer Weg. Aber es gibt hoffnungsvolle Anfänge. Kultur und Sport bauen hier Brücken über Gräben, die in der politischen beziehungsweise Krisenberichterstattung aus/über Afrika gerissen wurden. Wobei ich aber auch der Meinung bin, Deutsche mit schwarzer Hautfarbe sollten sich nicht über ihre „afrikanische Herkunft“ definieren (oft genug haben sie nie in ihrem Leben einen Fuß auf afrikanischen Boden gesetzt). Sondern sollten viel selbstverständlicher ihren Platz in der Mitte der deutschen Gesellschaft suchen. Kultur und Sport >> Veye Tatah Kultur gestaltet Gesellschaften und beeinflusst das Leben von Einzelnen und ist in den Werten unserer Ahnen verwurzelt. Kultur dient auch als eine Quelle zum Dialog, zur Innovation, für Kreativität. Kultur ist die Basis für endogene Systeme von Solidarität, für Ausdrucksformen und ist Mittel zur Wissensvermittlung. Insofern dient Kultur in der heutigen Welt als ein Mittel, um mehr zufriedenstellende Intellektualität, um moralische und spirituelle Existenz zu erlangen. Dabei hat Kultur unerkannte Potentiale in Bezug auf wirtschaftliche Entwicklung und bei Bemühungen zur Bekämpfung von Armut. Die Auswirkung der transatlantischen Sklaverei auf die afrikanischen Gesellschaften und die Entwicklung ihrer Kultur und ihre ethischen Werte war besonderes stark. Das hat zur Entwürdigung von kulturellen Werten in Afrika geführt, zur Ablehnung der zahlreichen Einflüsse besonders auf Kulturen und Zivilisationen Europas, Amerikas und der Karibik. Sportliche Aktivitäten waren in Afrika schon lange vorhanden. Aber Fußball ist in Afrika extrem populär und kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Die Verbreitung von Fußball in dieser Form wurde gezielt von den Kolonialherren gefördert. Um europäische Vorstellungen von Fairplay, Teamgeist, Disziplin, Pünktlichkeit und Hierarchie zu vermitteln. 1960 als Nkwame Nkrumah ein Neue Stadium in Kumasi/Ghana eröffnete, sagte er: „Sport kann zur „Entwicklung der Nation“, zum gegenseitigen Verständnis verschiedener Regionen untereinander und zur Verwirklichung einer „afrikanische Einheit“ beitragen. Heutzutage wird Fußball in vielen Ländern politisiert und kann dadurch zu ethnischen Konflikten führen. Heute sind afrikanische Fußballspieler regelrechte Exportschlager in allen Ländern in Europa: Man denke nur an Samuel Etoó aus Kamerun, Demba Mba aus Senegal, Didier Drogba aus der Elfenbeinküste usw. Einige der großen Zivilisationen der Welt gab es in Afrika wie das Mali-Reich, Great Zimbabwe, Königreiche in Ghana, Axum (Norden Äthiopiens), die mit ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen lange vor Europa bekannt waren. Es ist höchste Zeit, dass Europa sich mit mehr Sachverstand auf die Wirklichkeit und die Bedürfnisse Afrikas einlässt. Im Rahmen der heutigen Veranstaltung werden wir versuchen, die Frage zu beantworten, wie eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe aussehen kann. Seite 61 5. Abschlussveranstaltung 5. Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Konsequenzen und Perspektiven Seite 62 Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Als vorläufigen Abschluss der Afrika-Veranstal- Kultur für eine zukunftsfähige Zusammenar- tungen des Zukunftsrates Hamburg möchten beit zwischen Europa und Afrika? Hat sich das wir über Konsequenzen und Perspektiven ei- Afrika-Bild in den deutschen Medien insbe- ner nachhaltigen Kooperation mit Afrika dis- sondere nach der Fußball-Weltmeisterschaft kutieren. Dazu sollen beispielhafte Themen in Südafrika verändert? und beispielhafte Projekte vorgestellt werden. Welche Möglichkeiten ergeben sich aus der Insbesondere unsere Bereitschaft, von der kul- neu vereinbarten Städtepartnerschaft zwi- turellen Identität und Vielfalt Afrikas zu lernen, schen Hamburg und Dar es Salaam? ist eine wichtige Grundlage für eine nachhalti- Wie wollen wir eine nachhaltige Kooperation ge Partnerschaft auf Augenhöhe. mit Afrika in Hamburg weiter bewegen und Welche Bedeutung haben Geschichte und entwickeln? Foto: © SIEME Konsequenzen und Perspektiven Am Montag, den Veranstaltungsort: Rudolf Steiner Haus Hamburg Mittelweg 11-12 20148 Hamburg 29.11.2010 um 18.00 Uhr Podiumsdiskussion Eintritt frei! Foto: © tanzaniatouristboard.com Teilnehmende Anmeldung erbeten bei: Jun.-Prof. Dr. Kocra Assoua Zukunftsrat Hamburg Harald Stutte Mittelweg 21 (Lehrstuhl für Entwicklungssoziologie, Universität Bayreuth) (Journalist, Hamburger Morgenpost) 20148 Hamburg Simone Damak, Dr. Michael Hoppe info@zukunftsrat.de Jörn Serbser (Steps for Children, Hamburg) (Koordinator der Dar es Salaam-Partnerschaft am Helene-Lange-Gymnasium) Künstlerische Begleitung: Oumar Koita & friends Moderation: Dr. Ulf Skirke Foto: © tanzaniatouristboard.c (Zukunftsrat Hamburg) Dieses Projekt wurde gefördert durch: Eine Veranstaltung des Zukunftsrates Hamburg Seite 63 5. Abschlussveranstaltung Gäste Dr. Ulf Skirke ( Jahrgang 1949) ist Diplom-Physiker und Dr. phil. Er ist beruflich im Klimaschutz und der ökologischen Stadtentwicklung in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt tätig. Ehrenamtlich ist er im Zukunftsrat Hamburg als Mitglied im Koordinierungskreis engagiert. Er hat in den letzten zwanzig Jahren eine Vielzahl von Ländern des afrikanischen Kontinents bereist. Prof. Dr. Kocra Assoua ( Jahrgang 1973) stammt aus der Côte d’Ivoire. Er lebt seit 1996 in Deutschland und studierte von 1997 bis 2002 an der Universität Siegen Politikwissenschaft, Wirtschaft und Anglistik. Assoua promovierte zu einer empirischen bzw. vergleichenden Untersuchung zu Dezentralisierungsreformen in Afrika. Seit 2007 ist er Dozent für Entwicklungspolitik am Lehrstuhl für Entwicklungssoziologie, Universität Bayreuth, seit November 2009 hat er dort eine Juniorprofessur. Thematisch beschäftigt er sich unter anderem mit Entwicklungspolitik / Entwicklungssoziologie, Technischer und wirtschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit, Budgetfinanzierung / Projektfinanzierung, Projektkonzipierung, -bearbeitung & -auswertung, Analyse und Auswertung von Entwicklungsprojekten, Internationalen Wirtschaftsbeziehungen / EU-AKP Abkommen / NEPAD, Public Private Partnerships, Kommunalpolitik / Dezentralisierungspolitik und Umweltpolitik. Harald Stutte ( Jahrgang 1964) ist in seinem „ersten Leben“ Redakteur bei der Hamburger Morgenpost. In seinem „anderen Leben“ beschäftigt sich der Politikwissenschaftler und Historiker mit dem südlichen Afrika, das er seine zweite Heimat nennt. Nicht nur, weil seine Frau eine gebürtige Kapstädterin ist und er fast jedes Jahr das Land an Afrikas Südspitze besucht. Für zahlreiche Publikationen hat er Analysen und Berichte aus und über die Region verfasst, außerdem war er mehrfach für die staatliche Entwicklungsgesellschaft InWent als Dozent in Durban und Hamburg tätig. Bedauernswert findet er, dass in den deutschen und europäischen Medien negative Stereotypen über Afrika dominieren und positive Entwicklungen, die es zweifelsfrei auch gibt, oft nicht genug gewürdigt werden. Dr. Michael Hoppe ist Gründer der Stiftung steps for children in Hamburg, die bedürftige Kinder und Jugendliche, hauptsächlich Aids-Waisen, in Afrika, Asien und Südamerika unterstützt. Seine Vision ist die dauerhafte Selbstversorgung der Kinder ohne fremde Mittel. Als erstes Projekt hat die Stiftung zusammen mit den Mitgliedern der Gemeinde in Okakarara, Namibia, die Errichtung einer Vorschule und Suppenküche ebenso wie einer Nähstube initiiert, weitere soziale Projekte sind im Aufbau. Der Diplom-Kaufmann mit Schwerpunkten Recht, Steuern und Controlling hat umfangreiche Unternehmens- und Managementerfahrungen in internationalen Unternehmen gesammelt, bevor er sich als Coach selbstständig machte. Seite 64 Oumar Koita stammt aus einer sehr musikalischen Familie aus Mali. Nach seiner Ankunft in Deutschland spielte er in mehreren Gruppen. Seine Erfahrung erweiterte er durch einen Aufenthalt in Amerika und Jamaika, nachdem er seine erste MC „Be Yourself“ aufzeichnete. Im Jahre 1994 veröffentliche er seine zweite CD, und seitdem nimmt er teil an Festivals und Veranstaltungen in Europa und Afrika u.a. Echo sida, Action Unesco in Bamako, Kieler Woche, Ottensen Sampler. Seine Musik ist ein musikalischer Austausch zwischen Afrika, der Karibik und Deutschland, der den Einfluss von Reggae- und Jazzelementen eindeutig erkennen lässt. In seinen selbstkomponierten Songs zelebriert er den Afro-Pop und erzählt die Geschichten vom Leben der Menschen seiner Heimat. . Jörn Serbser ist Koordinator der Partnerschaft Helene Lange Gymnasium – Kiluvya Secondary School. Seit 2006 unterhält das Helene Lange Gymnasium Kontakte zur koedukativen, staatlichen Kiluvya Secondary School in Dar es Salaam. Von Anfang an stand der Gedanke der Begegnung und des gemeinsamen (Kennen-) Lernens im Vordergrund der Verbindung. Bei gegenseitigen Besuchen von Schüler-Lehrer-Gruppen konnten Einblicke in den jeweiligen schulischen und persönlichen Alltag genommen werden. Stets wurden Projekte durchgeführt, etwa zum Thema Globalisierung, zu kreativem Schreiben oder es wurde ein Theaterstück inszeniert und ein interkultureller Fotoworkshop durchgeführt. So war es uns in diesem Jahr eine Ehre, anlässlich der Hundertjahrfeiern erneut eine Delegation aus Dar es Salaam begrüßen zu können! Seite 65 5. Abschlussveranstaltung BegrüSSung >> Dr. Ulf Skirke Meine Damen und Herren, liebe Freunde, die vor zwei Jahren begonnene Reihe von Afrika-Veranstaltungen soll nun heute zu einem vorläufigen Abschluss kommen. Ziel dieser Afrika-Reihe war, neue Impulse für eine nachhaltige Kooperation mit Afrika zu geben und dazu beispielhaft Themen und Projekte vorzustellen. Heute wollen wir über Konsequenzen und Perspektiven diskutieren. Und das war und ist unsere Leitidee: Eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe kann nur dann wirklich zustande kommen, wenn wir bereit sind, von der kulturellen Einzigartigkeit und Vielfalt Afrikas zu lernen. Von daher haben wir besonders die Frage ins Zentrum gerückt: Welche Bedeutung haben Geschichte und Kultur für eine zukunftsfähige Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika? Die kenianische Nobelpreisträgerin Wangari Maathai hat in ihrer jüngsten Veröffentlichung: „The Challenge for Africa. A new Vision.“ (2009) diese Frage für die Entwicklung Afrikas besonders hervorgehoben. Sie schreibt: „Seit fünf Jahrhunderten hat die außenstehende Welt den Afrikanern erklärt, wer sie sind … Afrikanern wurde gesagt, ihre Gesellschaften seien rückständig, ihre religiösen Traditionen sündig, ihre landwirtschaftlichen Praktiken primitiv, ihre Regierungssysteme unbedeutend und ihre kulturellen Normen barbarisch.“ Diese ‚Kolonisierung des Geistes‘ hat Afrikaner von sich selbst und ihren Fähigkeiten entfremdet – so als schaue man in einen „zerbrochenen Spiegel“. Dennoch hält sie es für unerlässlich, in die (Kultur)-Geschichte zurückzuschauen, um sich nach vorn in die Zukunft bewegen und entwickeln zu können. Wangari Maathai ist dafür der beste Beweis, wenn sie an alte, vorkoloniale kulturelle Traditionen anknüpft, um soziale und ökologische Zukunftsprojekte in Gang zu bringen. Sie ist ein Vorbild für eine nachhaltige Entwicklung Afrikas, und wir müssen uns deutlich strecken, um ihre Augenhöhe zu erreichen. Die Vielfalt traditioneller ‚Ethnien‘ (von Wangari Maathai besser Seite 66 als „Mikro-Nationen“ bezeichnet) ist nicht einfach rückständig, sondern bietet große Potentiale für eine produktive ‚Bottom-up‘Strategie von Zivilgesellschaft und Demokratie: nämlich wenn aus den ‚Mikro-Nationen‘ von unten nach oben tragfähige Makro-Nationen entstehen … Genau in diese Richtung verweist z.B. das Verfassungsreferendum in Kenia dieses Jahr, wenn erstmals in der Geschichte eine Zweite Kammer, ein Senat mit knapp 50 Vertretern aus regionalen Verwaltungskreisen (‚Mikro-Nationen‘) neben dem Parlament eingesetzt wird. Ich hoffe, beispielhaft die enorme Bedeutung der Kultur für den Entwicklungsprozess Afrikas sowie für eine nachhaltige Kooperation auf Augenhöhe verdeutlicht zu haben. Weitere konkrete Beispiele werden wir heute Abend hören, zunächst Grundsätzliches von Prof. Assoua, dann von Harald Stutte über die Frage, ob sich das Afrika-Bild nach der Fußball-Weltmeisterschaft positiv verändert hat. Im Folgenden wird Dr. Hoppe über sozio-kulturelle Probleme und Lösungen für ein Entwicklungsprojekt in Namibia berichten und Herr Serbser mit Frau Tran über die Schulpartnerschaft des Helene Lange Gymnasiums mit der Kiluvya Secondary School in Dar es Salaam. Insgesamt wollen wir heute über Konsequenzen, Perspektiven und zukünftige Handlungsmöglichkeiten in Hamburg zur nachhaltigen Kooperation mit Afrika diskutieren. Bevor wir in den sprachlichen Teil einsteigen, freue ich mich, den aus Mali stammenden Gitarristen und Sänger Oumar Koita mit zwei Kollegen für eine musikalische Einleitung des heutigen Abends begrüßen zu dürfen. Seite 67 5. Abschlussveranstaltung Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! >> Prof. Dr. Kocra Assoua Das Thema der heutigen Podiumsdiskussion wirft im Grunde genommen auch die Frage nach dem Sinn bzw. Unsinn von Entwicklungszusammenarbeit auf. Diese Frage steht seit einigen Jahren im Mittelpunkt der entwicklungspolitischen Debatte. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage erfordert einen fachübergreifenden Ansatz, weil die Problematik der Entwicklungspolitik ein Querschnittthema ist, das aus verschiedenen Per spektiven behandelt werden kann bzw. soll. Daher begrüße ich auch, dass diese Vielfältigkeit bei der Auswahl der Referenten hier berücksichtigt wurde. Als Ausgangspunkt würde ich gleich zu Beginn meines Vortrags auf die Frage eingehen: Wo steht Afrika heute über 60 Jahre nach der erlangten Unabhängigkeit? 60 Jahre nach der Unabhängigkeit sind viele Länder Afrikas südlich der Sahara in einer desolateren Lage als je zuvor. Selbstverständlich gibt es nicht nur negative Nachrichten aus Afrika zu berichten, aber die Folgen der oben genannten Faktoren sind so verheerend, dass positive Entwicklungen kaum in den Medien erwähnt werden. Über die Ursache dieser Entwicklung herrscht unter Wissenschaftlern, Entwicklungsexperten und Regierungen keine Übereinstimmung. Eins ist aber klar: Es gibt bzw. es kann keine monodimensionale Erklärung für diese Fehlentwicklung geben. Die Gründe sind vielfältig und lassen sich auch manchmal je nach Fachschwerpunkte bzw. Ansatzpunkte aufführen. Was auch immer zu Ursachen der Entwicklungsprobleme Afrikas gesagt wird, die historische Dimension kann nicht außer Acht gelassen werden. Die ersten Kontakte zwischen dem Westen und Afrika haben schwere psychische Belastungen hinterlassen, die die „Pubertätsphase“ der afrikanischen Nationen stark geprägt haben. Infolge dieser ersten Berührungen verloren Afrikaner ihr Dasein, ihr Selbstvertrauen und kulturelles Selbstbewusstsein. Man könnte in diesem Kontext von einer harten bzw. gestörten Seite 68 Kindheit sprechen. Eine Kindheit der Nationen, die sich genau so wie die Kindheit vieler afrikanischer Kinder in Kriegs- und instabilen Regionen verläuft. Eine harte und gestörte Kindheit, geprägt aber auch von bereichernden Erfahrungen, die heute von der jungen Generation kapitalisiert werden müsste. Der Vergleich der Entwicklung afrikanischer Nationen mit der eines Kindes soll hier nicht als eine Infantilisierung der Afrikaner interpretiert werden. Wir sollen uns hier nicht missverstehen. Es geht hier ausschließlich um die Beschreibung des Entwicklungsprozesses einer Gesellschaft, die sich aufgrund ihrer ungünstigen historischen Entwicklung noch in der primären Phase des Sozialisationsprozesses befindet. Die Verwendung des Begriffs „Kindheit“ bezieht sich hier also auf diese prekäre Form des politischen Sozialisationsprozesses. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass die vor kurzem beschriebene desolate Lage Afrikas seit 60 Jahren andauert. 60 Jahre sind relativ viel für eine Lebensdauer. 60 Jahre sind gerade das Grenzalter der „Pubertät“ für eine Nation. Die afrikanischen Nationen und Staaten befinden sich also am Ende der Pubertätsphase und bereiten sich vor, ihre Jugendphase im neuen Jahrhundert zu erleben. Im politikwissenschaftlichen Sprachgebrauch wird der Begriff Nation-Bildung-Prozess verwendet um diese Entwicklung zu bezeichnen. Die Staaten Afrikas befinden sich also in einem Lernprozess und eine Kapitalisierung dieses Lernprozesses ist eine unabdingbare Voraussetzung, eine gute Basis, für einen Neuanfang im Rahmen der internationalen Beziehungen. Das Problem Afrikas ist, dass es gerade in dieser „Pubertätsphase“ schlecht gefüttert wird bzw. „totgefüttert wird“ und daher nicht wachstumsfähig sein kann. Was impliziert aber diese Aussage? „Afrika wird totgefüttert oder schlecht gefüttert“. Womit und wie wird Afrika eigentlich gefüttert? Warum wird Afrika gefüttert? Wieso braucht Afrika gefüttert zu werden? Wie lange braucht Afrika gefüttert zu werden? Wird Afrika irgendwann satt? Diese Fragestellungen mögen vielleicht banal klingen, sie verschaffen uns aber einen besseren Zugang zu der Problematik der nachhaltigen Entwicklung und führen uns (hoffe ich zumindest) auch leichter in diese Thematik ein. Ich fand es ganz wichtig diese Fragestellungen in meinem Statement aufzuwerfen, in der Hoffnung, dass wir gleich im Rahmen der Podiumsdiskussion gemeinsam auf sie eingehen. Womit wird Afrika gefüttert? Afrika wird politisch, wirtschaftlich und kulturell „gefüttert“. Afrika wird mit importierten bzw. etablierten Ideen, Konzepten, Normen und Regel gefüttert, die oft mit den kulturellen Werten oder lokalen Realitäten in Konflikt geraten bzw. Konflikte auslösen. Zu nennen sind u.a. Demokratie-Konzepte westlicher Prägung, politische Systeme bzw. Regierungssysteme in Form von Präsidialsystemen, Rechtssysteme, Gesundheitspolitik, Bildungspolitik etc. Ich bin der Meinung, dass der Beitrag von Kultur zum Entwicklungsprozess Afrikas bisher zu wenig thematisiert wurde. Grundlage und Voraussetzung jeder Entwicklung ist jedoch die Berücksichtigung kultureller und lokaler Werte. Kultur ist der Baustein, auf dem jede Gesellschaft ihre Gegenwart und Zukunft baut. Wenn man davon ausgeht, dass Kultur als die Gesamtheit der Lebensformen einer Gesellschaft zu verstehen ist, dann muss „Kultur“ als „Impuls“ allen menschlichen Handelns und Verhaltens betrachtet werden. Die Rückbesinnung auf Kultur bzw. auf eigene Werte bedeutet die Erfassung des eigenen „Daseins“, der eigenen Identität. Sich selber zu kennen ist erforderlich, denn nur so kann man die eigenen Bedürfnisse erkennen und befriedigen; sich nicht zu kennen könnte tödlich sein. Dieser Sachverhalt wird in einem berühmten Bambara Spruch wiedergegeben: „Yè Yèrè don“ „Kunfinya yèbana yé“ Übersetzt bedeutet dies: „kenne dich selber, weil die Unwissenheit eine tödliche Krankheit ist“. Aus diesen Überlegungen sollten sich Afrikaner mit den folgenden Fragestellungen auseinander setzen: Wer sind wir? Wohin wollen wir? Und was wollen wir werden? Seite 69 5. Abschlussveranstaltung Die FuSSball-WM in Südafrika – Versuch einer Bilanz >> Harald Stutte Ein halbes Jahr nach Anpfiff der WM – Zeit für eine Bilanz. Die Bilanz kann es eigentlich nicht geben, vielmehr gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen. Die gab es bereits vor der WM: Ich habe es beinahe schon als unerhört empfunden, mit welchen Befürchtungen und Zweifeln die WM-Vorbereitung bei uns im Westen begleitet wurde. Wir hatten das ja bereits bei der Veranstaltung vor einem Jahr erläutert: Nach dem grundlegenden Zweifel, ob ein afrikanisches Land überhaupt so ein Großereignis ausrichten kann, ging man ins Detail: Da wurde der Zeitplan in Frage gestellt – schaffen die das überhaupt? Als der Zeitplan keinen Anlass zur Besorgnis mehr bot, ging es um die Infrastruktur, dann um die innere Sicherheit, zugegebenermaßen ein großes Problem in Südafrika. Dennoch war es unverantwortlich, dass Sportfunktionäre wie der damalige Bayern-Präsident Uli Hoeness ganz grundsätzlich die Vergabe der WM an Südafrika als Fehler bezeichneten. Kurzum: Fast sechs Monate nach der Beginn der WM können wir aus der Sicht einer großen Fußball-Nation konstatieren, dass keine der Befürchtungen eingetroffen ist: Es war eine phantastische WM, wir haben tolle Spiele, großartige Stadien, einen sympathischen, leidenschaftlichen und fußballbegeisterten Gastgeber gesehen. Waren das nun ein afrikanisches Fest? Vermutlich weniger als zuvor erhofft. Zumal die Afrikaner immer schon ein Problem mit ihren Brüdern im Süden haben: Ist Afrikas einziger Industriestaat Südafrika nicht ein Sonderfall, ein Stück afrikanisches Europa, das mit der Realität im Rest des Kontinents kaum zu vergleichen ist? Doch mein Eindruck war, dass das sehr wohl eine afrikanische WM war, trotz der Auflagen, mit denen die mächtige FIFA solch ein Ereignis okkupiert. Die Fans, der Sound der Vuvuzelas, die explodierende Lebensfreude prägten dieses Sportereignis für uns Zuschauer weltweit auf ganz besondere Weise. Seite 70 Doch es gab auch Enttäuschung über diese Fußball WM. Enttäuschung vor allem bei den Menschen, die sich seit der Vergabe der WM an Südafrika im Juli 2000 uneingeschränkt gefreut hatten: bei den Südafrikanern. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Erwartungen schlicht zu hoch waren. Die Südafrikaner haben unterschätzt, wie stark die FIFA eine WM dominiert und wirtschaftlich ausbeutet. Die Menschen hatten sich von dieser WM die Lösung für fast alle ihre Probleme versprochen: Jobs, neue Großprojekte, bleibende Veränderungen im Land. Dem Partyrausch folgte schnell der Kater. Auch mit Blick auf das lange Stillhalten in der Zeit vor der WM lähmt heute eine Streikserie das Land, die sehr rebellische Gewerkschaft COSATU fordert eine Art „WM-Bonus“ für die Arbeitnehmer im Land ein. Neben dieser gefühlten Enttäuschung gibt es auch ganz handfeste Sorgen, die die FIFA dem Land hinterlassen hat: ppDrei gigantische Stadien-Neubauten (Greenpoint in Kapstadt, Durban und Soccer City in Johannesburg), deren weitere Nutzung nicht gesichert ist und deren Unterhalt die klammen Kommunen viel Geld kostet. ppStatt prognostizierter Einnahmen in Höhe von 500 Millionen Euro bleiben die Südafrikaner auf 2 Milliarden Euro WM-bedingter Schulden sitzen. Die Fifa indes konnte ihre Einnahmen verdoppeln, auch weil man das afrikanische Land unter Druck gesetzt hatte und eine Steuerbefreiung für alle FIFA-Einnahmen durchgesetzt hatte. ppDauerhafte Jobs entstanden nicht, bereits Ende Juli 2010 brach die Beschäftigung gegenüber dem Vorjahr um 4,7 Prozent ab ppStatt der prognostizierten 483 000 Touristen kamen nur 373 000 Gäste wegen der WM nach Südafrika. Kurzum: Gewonnen hat Südafrikas weltweites Image, und damit ganz Afrika. Darüber gibt es seriöse Untersuchungen wie die des unabhängigen „Reputation Instituts“ in New York. Verloren haben die Südafrikaner, die zu große Erwartungen in dieses sportliche Großereignis gesetzt haben. Seite 71 5. Abschlussveranstaltung steps for children >> Dr. Michael Hoppe Die Stiftung steps for children in Hamburg unterstützt täglich über 100 bedürftige Kinder und Jugendliche in dem Projekt steps for children in Okakarara im nördlichen Namibia. Ihre Vision ist die dauerhafte Selbstversorgung der Kinder ohne fremde Hilfe. Projektbeschreibung Durch den Aufbau von Unternehmungen, die Einkommen erzielen und von den Menschen vor Ort selbständig betrieben werden können, sollen langfristig die sozialen Teilprojekte (steps) finanziert werden, die der Versorgung der Kinder dienen. Dadurch wird das Projekt unabhängig von Spenden. Auf einem eigenen Grundstück (1.700 m²) mit einem festen und drei mobilen Häusern wurden bereits folgende steps (Teilprojekte) aufgebaut: Soziale steps (die der Betreuung von Kindern und Jugendlichen dienen) ppVorschule für ca. 100 Kinder ppSuppenküche für ca. 100 Kinder und 20 MitarbeiterInnen ppNachmittagsbetreuung für ca.50 Kinder ppSchulgeld, Schulkleidung und Schulbücher für 25 Kinder pp20 Computer, Drucker und Internet für zwei Schulen der Waterberg-Gemeinde Einkommen erzielende steps (die der Finanzierung der sozialen steps und der Verwaltung dienen) ppNäh- und Handarbeitsraum für mehrere Näherinnen ppComputerschule/Internet Cafè ppFahrradverkauf und -reparaturwerkstatt ppTheatervorstellung ppGästehaus ppOlivenbaumplantage mit 1.664 Bäumen Seite 72 ppGemüsegarten ppHühnerfarm Bau/in Betriebnahme März 2011 ppEin festes Vorschulhaus mit fünf Klassenräumen für mehr als 100 Kinder zuzüglich eines Küchenkomplexes In Planung/Vorbereitung ppBridge School (Schulunterricht für Kinder ab 8/9 Jahren, die in diesem Alter nicht mehr eingeschult werden und ohne Förderung nicht in den regulären Unterricht eintreten können) ppHIV/Aidsberatung ppProjekttransfer nach Gobabis/Namibia, Aufbau in Kooperation mit dem bereits bestehenden Projekt Light for the Children Projektziele Das Besondere an steps for children sind die Einkommen erzielenden steps, die sich finanziell selbst tragen und zusätzlich einen Beitrag für die sozialen steps erwirtschaften. So wird das Projekt auf Dauer unabhängig von Spenden und Entwicklungshilfe. Nachhaltigkeit, Hilfe zur Selbsthilfe und Professionalität stehen im Vordergrund. Hauptzielgruppe des Projektes sind Waisen und andere traumatisierte und sozial gefährdete Kinder und Jugendliche, die in diese Situation ursächlich in Auswirkung von HIV/Aids gekommen sind (HIV/Aids-Rate in Okakarara: 35%). steps for children entwickelt Maßnahmen, welche die Erziehung sowie die ganzheitliche Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen nachhaltig unterstützen. Durch die Einbeziehung einer möglichst großen Anzahl von Jugendlichen und Erwachsenen aus der Gemeinde als Erzieher, Betreuer, Hilfs- und Fachkräfte schafft das Projekt steps for child- ren in Okakarara Arbeitsplätze und gibt den MitarbeiternInnen (bereits 20) die Chance auf Fortbildung, um später auch anderswo Arbeit zu finden. Die hohe Arbeitslosigkeit (65% in Okakarara) wird so verringert. Durch die Einbeziehung von Deutschen, sowohl in die Entwicklungs- und Bauphase als auch in die laufende Phase, fördert das Projekt den Austausch und den Dialog zwischen den beiden Völkern bzw. beteiligten Volksgruppen. Es ist ein Beitrag zur Verständigung. Was uns besonders wichtig ist… Ohne das Engagement von steps for children würden die betroffenen Kinder in Okakarara mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keine Schulbildung erhalten und damit in den üblichen Kreislauf von Arbeitslosigkeit, Armut, Alkohol und Aids geraten. Steps for children trägt dazu bei, die Selbsthilfekräfte der Kindern und Jugendlichen zu stärken, um ihre Lebenssituation verändern zu können. Neben Bildung für die Jüngsten vermittelt es unternehmerisches Handeln und Denken, ein wichtiges Element der Hilfe zur Selbsthilfe. Hauptfinanzierer des Projektes in Okakarara/Namibia ist die Hamburger Stiftung steps for children, gegründet von Dr. Michael Hoppe. Sie wird unterstützt von zahlreichen Spendern aus der Wirtschaft und aus privaten Haushalten. Mit größeren finanziellen Beiträgen wird das Projekt auch unterstützt von den Augsburger Freunden Namibia. Michael Hoppe startete das Pilotprojekt 2006 mit einer Suppenküche und Vorschule für 30 Kinder und initiierte die NGO steps for children in Windhoek. Er arbeitet in seiner Funktion als General Manager mehrfach im Jahr vor Ort. Ansprechpartner: Dr. Michael Hoppe Stiftung steps for children c/o CFP Große Elbstraße 86, 22767 Hamburg T 040 21 10 766-42 F 0180 522 1040 414 info@stepsforchildren.de www.stepsforchildren.de Seite 73 5. Abschlussveranstaltung Der Besuch unserer Partnerschule, Kiluvya Secondary School, in Tansania >> Mete Odabasi (10B) und Paul Pörksen (10B) Helene Lange Gymnasium Am 16. Oktober machte sich eine Reisegruppe von zwei Lehrern und sechs Schülern auf in Richtung Tansania. Mit von der Partie waren Herr Serbser, Frau Behnke, Linn, Han, Rosa, Carlotta, Paul und Mete (alle 10. Klasse). Wir alle waren gespannt, was uns in Tansania erwarten würde und mit welchen Eindrücken wir nach Deutschland zurückkommen würden. Unser Flug begann am Hamburger Flughafen, ging mit einem zehnstündigem Stopp in Dubai weiter und endete am Samstag, den 17. Oktober, am Flughafen von Dar es Salaam. Dort wurden wir von 25 Schülern der UNESCO-Gruppe sehr herzlich und stürmisch empfangen. Mit den tansanischen Schülern ging es dann per Dalla Dalla (kleiner, alter Minibus) zu unserem Hotel, wo wir mit den tansanischen Schülern reden und sie kennen lernen konnten. Das erste Aufeinandertreffen verlief sehr unkompliziert und wir waren erstaunt, wie gut die Tansanier Englisch sprachen. Den ersten Tag beendeten wir mit einem Abendessen im Hotel, bei dem wir unsere ersten Eindrücke austauschten. Wir alle hatten schon nach der ersten Fahrt vom Flughafen zum Hotel den Eindruck, in einer völlig anderen Welt zu sein. Der Sonntag stand ganz im Zeichen von Dar es Salaam. Wir erkundeten die Stadt und besichtigten die wenigen Sehenswürdigkeiten. Wir besichtigten unter anderem die Lutherische Kirche Azania, das Nationalmuseum und den Fischmarkt an der Küste von Dar es Salaam. Beim Erkunden der Straßen fiel uns die Armut der Bevölkerung auf, von der wir zwar schon gehört und gelesen hatten, aber diese mit eigenen Augen zu sehen, war für uns alle ein Schock. Am Montag besuchten wir das erste Mal die Kiluvya Secondary School und wurden dort mit einer Willkommensfeier begrüßt. Im Laufe des Tages hatten wir Zeit, die Schule kennenzulernen und auch den Kontakt mit den Schülern zu verstärken. Außerdem erlebten wir eine tansanische Geography-Stunde zum Thema Seite 74 „vulcanicity“, während der wir auch erfuhren, dass eine Stunde ausschließlich daraus besteht, dem Lehrer zuzuhören. Den Dienstag verbrachten wir ebenfalls mit den Schülern. Wir unternahmen mit ihnen einen Ausflug an die Küste, wo uns der Geography-Lehrer Dinge über Strand und Meer erzählte. Der Ausflug war etwas anstrengend, trotzdem hat es uns Spaß gemacht, denn wir verstanden uns von Tag zu Tag besser mit den tansanischen Schülern und mit vielen bauten wir richtige Freundschaften auf, die wir auch nach unserer Rückkehr nach Deutschland weiterführen wollen. Den Mittwoch und Donnerstag verbrachten wir wieder in der Schule zusammen mit der UNESCO-Gruppe. Frau Behnke und Herr Serbser hatten einen Workshop zu einem tansanischen Märchen vorbereitet. Der Workshop beinhaltete das Lesen des Märchens, das Erstellen eines Drehbuchs und kleinerer Requisiten sowie das Einproben und Vorführen des Theaterstücks. Dabei gestaltete sich das Erstellen des Drehbuchs deutlich schwieriger als das Spielen des Theaterstücks, da die tansanischen Schüler es aus der Schule offenbar nicht so sehr gewohnt sind, Aufgaben eigenständig zu bearbeiten. Von Mittwoch auf Donnerstag hatten wir außerdem unseren ersten Homestay. Für uns alle war die Zeit bei den tansanischen Familien eine ganz besondere Erfahrung, die wir so noch nicht in unserem Leben gemacht hatten. Entgegen unserer Erwartungen waren die meisten Familien wirklich arm, was uns jedoch die Möglichkeit gab, die enormen Unterschiede zwischen Tansania und Deutschland zu sehen. Um ein Beispiel zu geben: Die Toilette, die mit löchrigem Wellblech umgeben war, bestand aus einem winzigem Loch im Boden und abends war nahezu durchgehend Stromausfall. Doch die Familien der Schüler haben uns sehr herzlich willkommen geheißen und uns sehr gut aufgenommen. Wir konnten viele interessante Gespräche führen und dadurch das Leben und die Probleme der Tansanier kennenlernen und auch verstehen. Eine Frage, die sehr einfach klingt, aber genau zutrifft, haben wir uns nach den Homestays und immer wieder in Tansania gestellt: Warum ist unsere Welt so ungerecht? Am Freitag und Samstag bekamen wir das andere Gesicht Afrikas zu sehen. Wir fuhren in den Mikumi National Park, um dort eine Safari zu machen. Dies war ein Teil der Reise, auf den wir uns alle besonders gefreut hatten. Und wir wurden nicht enttäuscht: Wir bekamen fast alle typisch afrikanischen Tiere zu Gesicht: Giraffe, Flusspferd, Elefant, Zebra, Krokodil, Antilope, Gnu, Wasserbüffel, Geier und den berühmt-berüchtigten Blackberry Bastard. All diese Tiere zeigten sich uns in ihrem natürlichen Lebensraum. Die Safari war ein voller Erfolg und gab uns die Möglichkeit, großartige Fotos zu schießen. Am Samstag stand der zweite Homestay an. Dieser Homestay verdeutlichte uns noch einmal die Armut der Menschen in Tansania. Trotzdem war es unglaublich, was für eine Gastfreundlichkeit uns entgegengebracht wurde. Besonders das Essen war, vielleicht mit Ausnahme des Fleisches, sehr lecker. Es bestand meist aus Früchten, die viel besser schmeckten als in Deutschland, Reis – oder besser gesagt „Pilau“ –, Bohnen, Kartoffeln und Ugali, einem Brei aus Mais, der einen etwas pappigen Geschmack hat. Am Sonntag trafen wir uns alle bei Pili, einer Lehrerin der Kiluvya Secondary School, um dort traditionelles tansanisches Essen zuzubereiten. Die tansanischen Schüler zeigten uns, wie man in Tansania kocht und wie man beispielsweise Kokosnüsse aushöhlt und Chapati (eine Art herzhafter Pfannkuchen aus Blätterteig) zubereitet. Am Ende des Tages genossen wir das selbstzubereitete Buffet und hatten noch eine Menge Spaß mit den Tansaniern. Am frühen Montagmorgen machten wir uns per Fähre auf den Weg nach Sansibar. Die Einfahrt in den Hafen von Sansibar war einer der unvergesslichen Momente unserer Reise. Nach längerem Suchen und zwischenzeitlichem Verlaufen fanden wir in einer kleinen Seitengasse unser Hostel. Während unserer zwei Tage auf Sansibar unternahmen wir viele unterschiedliche Dinge. Am Montag machten wir eine sehr interessante Spice-Tour, bei der wir die typisch sansibarischen Früchte und Gewürze näher kennenlernten und uns mit Gewürzen als Mitbringsel für unsere Familien eindeckten. Überdies verbrachten wir den Nachmittag an einem kleinen, verlassenen Fischerstrand, an dem wir das erste Mal die Möglichkeit hatten, im Meer zu baden. Den Abend verbrachten wir zusammen mit Sophie, einer Ex-Schülerin des HGL, die zurzeit ein Freiwilligen-Jahr bei einer Solarenergiefirma auf Sansibar verbringt. Sie zeigte uns die Plaza in Stone Town, der Hauptstadt Sansibars, wo abends die Fischer ihre frisch gefischten Fische und andere Spezialitäten verkauften. Wäre Sophie nicht gewesen, hätten wir für unseren Abendsnack mit Sicherheit den doppelten Preis bezahlt! Am zweiten Tag auf Sansibar wanderten wir erst ein wenig durch die Altstadt (Stone Town) und erlebten das sansibarische Marktleben. Den Großteil des Tages verbrachten wir an einem wundervollen weißen Sandstrand, welcher auf der einen Seite von türkisfarbenem Meerwasser und auf der anderen Seite von Kokosnusspalmen eingeschlossen war. Wir genossen es, im warmen Wasser zu baden und uns von der Sonne bräunen zu lassen. Für eine kurze Zeit fühlten wir uns wie im Paradies. Doch am Nachmittag stachen wir wieder in See mit Kurs auf Dar es Salaam. Die zweistündige Überfahrt verlief diesmal nicht ganz so unkompliziert wie der Hinweg, denn der Wellengang war um einiges höher. Dies schüttelte uns und unsere Mägen ordentlich durch, was uns alle um einiges bleicher werden ließ. Deshalb verschwanden auch alle schnell auf ihren Zimmer, als wir im Hotel ankamen. Am Mittwoch sollten wir noch einmal die Möglichkeit bekommen, den paradiesischen Strand von Tansania zu genießen. Wir fuhren hinaus nach Bongoyo Island, um dort noch einmal am Strand zu liegen, im Meer zu schnorcheln und frischgefangene Fische und Krebse zu essen. Ein rundum gelungener Tag, der uns wie schon die Safari-Tour die paradiesische Seite Tansanias offenbarte. Am nächsten Tag war es dann Zeit Kwa-Heri zu sagen. Wir fuhren ein letztes Mal mit dem Taxi zur Kiluvya Secondary School, um dort an der Farewell-Party teilzunehmen. Wegen einiger Verzögerung hatten wir nach den Proben noch Gelegenheit uns ein letztes Mal mit den Schülern zu unterhalten, Fotos zu machen und Kontaktdaten auszutauschen. Die Farewell-Party bestand aus der Aufführung unseres mit den tansanischen Schülern geprobten Theaterstücks, der Übergabe von Schulbüchern, die das HLG mit Basargeldern finanziert hat, verschiedenen Reden der jeweiligen Schulsprecher und Lehrer, der Übergabe von Abschiedsgeschenken und dem Singen eines Abschiedssongs. Dann hieß es für uns alle Abschied nehmen. Wir alle spürten wirklich eine Art Trauer, weil wir eine sehr schöne Zeit mit den Schülern verbracht hatten und zu vielen, wie bereits gesagt, eine Freundschaft aufgebaut hatten. Es war außerdem sehr schwer Abschied zu nehmen, weil wir alle wussten, dass wir den Großteil der Schüler nie wieder sehen würden. Am Freitag brachen wir, nachdem alle Sachen verstaut waren, zum Flughafen auf, um dort den Flieger zurück in Richtung Hamburg zu nehmen. Als wir wieder im kalten und regnerischen Hamburg angekommen waren, ließen wir die Reise noch einmal Revue passieren. Wir alle sind sehr froh an dieser Reise teilgenommen zu haben, da wir unglaublich viele Erfahrungen sammelten und eine völlig andere und neue Welt zu Gesicht bekamen. Wir hoffen, dass die Partnerschaft mit der Kiluvya Secondary School noch lange bestehen bleibt. Seite 75 5. Abschlussveranstaltung Der Gegenbesuch in Hamburg >> Han Tran (10d/S1) Helene Lange Gymnasium On 24th April we, that is Mr. Serbser, a few parents, the host families and a few students, among them also the ones who had once been to Kiluvya, were standing at the airport, awaiting the arrival of two teachers, Luce E. Mushi, former headmistress of Kiluvya Secodary School and Franco M. Mavunde, new headmaster of Kiluvya Secondary School and two students, head girl Nuha I. Meena and head boy Erick C. Nyoni. Finally they appeared and we welcomed them, trying to give them the same kindness and warmth that they had given us back in Tanzania. Looking into their eyes, we could see a mixture of amazement, curiosity and admiration of what they had already seen and what they were going to see. After a hearty welcome they went home to their host families in order to get to know them and rest a bit. As it was still weekend, so the next day we went to the Hamburg Marathon and in the evening we had a great barbecue in a park with everyone, the perfect opportunity to get to know each other even better and to leave the Tanzanian visitors a little time to relax. It was the starting shot for two memorable and eventful weeks. During the first week a lot of school activities were under way since the centenary week of festivities ( Jubiläumswoche) was in full swing. On Monday the Tanzanian delegation was cordially welcomed by Mrs. Blütener, they got to know our school and helped some classes with their project work. The first day ended with a gorgeous concert: “Songs of the Century”, which, according to Erick, all Tanzanians really enjoyed. The next day started with the project work and went on with the official reception at the town hall, which the whole delegation attended. The day finished with a bus tour through Hamburg, which every one of them truly enjoyed. Without doubt, they thought that Hamburg was a beautiful and magnificent city, but one opinion all of them shared Seite 76 was that: Hamburg was too cold. In fact, it was so cold that Erick had to wear gloves, even though for us it was the first warm week after the long and extremely cold winter. On Wednesday, our guests from Kiluvya met the two teachers from Chicago, Pat and July, at Hadley’s for lunch. The representatives from Chicago and of Kiluvya could exchange their views on what they had seen so far of Hamburg and the centenary festivities. It was the perfect opportunity for the Tanzanians and the Americans to get to know each others´ lifestyle and culture. After the flea market we all had a meeting because of our newspaper project. During the festivity week all of us (some of the students who had been to Tanzania and some members of the Unesco – Group) were supposed to write articles about all the events or make interviews, but all this in cooperation with Erick and Nuha, so that in the end we could all could produce a festivities week’s newspaper together. Until late in the evening we were all at school, trying to give our articles the final touch, working on the layout or searching for the right pictures in order to publish the newspaper on Friday. Honestly, it was a lot of stress, though, it was a lot of fun, too. Admittedly, even though it was all pretty hectic, we all made a smashing newspaper and were definitely a grandiose team. On Sunday morning the delegation made a trip to the fish market, where they could take a look at the crowd and the shouting people, trying to sell their fish. Besides, they could also see the impressive scenery of Hamburg’s harbour – an important place to have been, when you are visiting Hamburg. With that, the week of centenary festivities and therefore the first week for the Tanzanians in Hamburg came quickly to its end. The next week was less “haraka, haraka” (hectic or quick) as the guests described it, considering the fact that in Tanzania everything is much more “pole, pole” – meaning life is slower and not as hectic. During the next three days, they all could experience typical German lessons as they all went to different classes. It was immediately clear to Erick and Nuha that the lessons and the way the teachers teach were completely different to what they were used to. When I asked Nuha after a History lesson, what her impression was, she replied: “I really liked it. It is so different compared to Tanzania.” Unfortunately, it was a pity that Nuha and Erick could not always join bilingual lessons, but they also had to join lessons taught in German, where they could not follow as easily. Apart from attending classes, we showed our guests more of Hamburg, for instance they had a guided tour with Hintz and Kuntz, exploring Hamburg from a completely different view: the views of homeless people and their daily life. Additionally, our guests visited the Miniatur Wunderland exhibition where they also had the chance to take a look at the Speicherstadt. In fact, they were incredibly fascinated by the exhibition and the Speicherstadt. On Wednesday afternoon, we split up: Erick went with some of us to the cinema, watching “I love you, Phillip Morris”, whereas Nuha and I went to the waxworks museum Panoptikum and subsequently took a walk through Planten un Blomen. It was amazing to see how happy and dazzled Nuha was by all the flowers. She appreciated all the plants so much more than we normally do and that was so noticeable. It was really surprising for me to see how such “normal things” could make someone so happy. The next day we all had a farewell party together at the bowling alley Klinker. We all had a lot of fun together and it was clear that none of us would ever forget these two weeks. Only two days afterwards, very early in the morning, our guests´ plane took off and they started on their way back home. Without doubt, this trip did not only broaden their horizon and change their views on a lot of things, but the way I see things as well. Whatever the future of our school partnership will be, one thing is clear: this return visit of our friends in Dar es Salaam definitely both strengthens our partnership and will last in our individual memories. On 1st July, the official partnership (Städtepartnerschaft) between the cities of Dar es Salaam and Hamburg was signed by the cities´ respective mayors, Adam Omary Kimbisa and Ole von Beust, in Hamburg’s town hall. Certainly, this was a big step for the relationship between Dar es Salaam and Hamburg, boosting our school partnership as well. On the next day, our school was honoured to welcome Mayor Kimbisa and Deputy Mayor Goetsch. They took part in a panel discussion. Every student could ask questions about the city partnership like “What is the aim of this partnership?” or general questions about Tanzania “What is difference between schools in Dar es Salaam and Hamburg?” About 150 students sat in the assembly hall and listened attentively to what Mayor Kimbisa in particular said. In only 60 minutes Mayor Kimbisa really managed to captivate us – all of us! He spoke with such conviction that we were all swept of our feet: “This partnership does not depend on me or Mrs. Goetsch or on our governments! It is up to you! This partnership depends on you – all of you. Because you are the next generation – you are the future!” It was obvious that he believed in what he was saying. Frankly, he achieved something that hardly any politician can do nowadays, especially in the case of young people like us: he reached us! I am pretty sure that every student sitting there in this hall felt closer to Tanzania then ever before after these 60 minutes. And even though after the end of the panel discussion all the students rushed out of the assembly hall, it was still apparent that none of them had not been moved by Mayor Kimbisa’s words. Afterwards, the two mayors undertook an act of friendship and understanding: They planted a Gingko tree in front of our school. According to Deputy Mayor Goetsch it might grow slowly, though continuously – in analogy to the partnership between Dar es Salaam and Hamburg. Johann Wolfgang von Goethe once wrote in his poem “Gingko Biloba” the following words that suit this partnership: Ist es ein lebendig Wesen, Das sich in sich selbst getrennt? Sind es zwei, die sich erlesen, Dass man sie als eines kennt? So, in conclusion, one can surely state that these events have been a milestone both for the partnership between Kiluvya Secondary School and Helene Lange Gymnasium as well as the partnership between Dar es Salaam and Hamburg. Seite 77