AfRIKA – EINE NAch - hAlTIGE

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AfRIKA – EINE NAch - hAlTIGE
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– Nachhaltige
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Eine Veranstaltungsreihe des Zukunftsrats Hamburg
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Podiumsdiskussion
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Eintritt
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Foto: Photocase.de
Gestaltung: mebusplus.de
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Statt der prognostizierten 483 000 Touristen kamen nur Zukunftsrat
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dieses sportliche Großereignis gesetzt haben.
Projekt
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gefördert
Dieses Projekt
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Eine Veranstaltung
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Gefördert von InWEnt aus Mitteln des BMZ
© der Einzelbeiträge liegt bei den Autor_innen
Herausgeber: Zukunftsrat Hamburg Auflage: 100 Stück
Hamburg 2010
Afrika – Eine nach­-
haltige Partnerschaft auf Augenhöhe?!
Eine Veranstaltungsreihe des Zukunftsrats Hamburg
Seite 2
Projekt: Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe
Einleitung
>> Ulf Skirke | Zukunftsrat Hamburg
Es ist seit längerem an der Zeit, das verfestigte Negativ-Bild Afrikas als krisengeschüttelten und auf Dauerhilfe ausgerichteten Kontinent neu zu diskutieren und zu korrigieren. Gerade im letzten Jahrzehnt weist
Afrika trotz bestimmter Probleme vielfältige positive Entwicklungen in den Bereichen Ökonomie, Ökologie,
soziale Entwicklung und demokratische Stabilisierung auf. Sowohl aus europäischer als auch aus afrikanischer
Sicht zeigen jüngere Forschungsergebnisse und Sichtweisen neue Erkenntnisse über Geschichte und Kultur
Afrikas – mit weitreichenden Konsequenzen für die Möglichkeiten zukünftiger Entwicklung des Kontinents.
Zu Recht kann man von einer „Wiederentdeckung Afrikas“ sprechen, die eine neue ‚Ära‘ partnerschaftlicher
Kooperation zwischen Europa und Afrika für eine gemeinsame nachhaltige Entwicklung befördert. In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich das herkömmliche auf linear-mechanistisches Wachstum ausgerichtete
westliche Industrie- und ‚Fortschritts‘-Modell in Frage zu stellen. Insbesondere auf dem Weg zu nachhaltigen,
„gleichgewichtssuchenden Prozessen“(Aalborg-Charta) können die in der afrikanischen Kultur tief verankerten
komplex-dynamischen, multikulturellen und selbstorganisierenden Weltbilder äußerst hilfreich sein und als
Vorbilder dienen. Nur wenn wir bereit und in der Lage sind, von der Einzigartigkeit und Vielfalt afrikanischer
Kultur und damit deren Problemlösungsansätzen zu lernen, besteht die Chance für eine gleichberechtigte
Partnerschaft auf Augenhöhe.
Dabei sollten wir uns nicht nur auf die globale oder internationale Ebene beschränken, sondern gezielte
Projekte und Initiativen auf regionaler und lokaler Ebene voranbringen. Insofern stellte sich für den Zukunftsrat
Hamburg die Frage: Was können wir auf dieser ‚Entdeckungsreise‘ an wichtigen Erkenntnissen und Handlungsoptionen für eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe hier wie dort beitragen? Wie kann in Hamburg
praktisch mit einer so verstandenen beiderseitigen „Entwicklungs“-Partnerschaft umgegangen werden? Wie
kann die in Hamburg lebende afrikanische ‚Community‘ einbezogen werden? Wie lassen sich Medien, Wirtschaft oder Forschungsinstitute erreichen und zur Kooperation für Nachhaltigkeit gewinnen? Wie lässt sich die
neu aufgebaute Städtepartnerschaft zwischen Hamburg und Dar es Salaam produktiv nutzen und mit neuen
Impulsen versehen?
Das hier beschriebene Projekt kann keine abschließenden Antworten geben, sondern möchte einen Prozess
anstoßen, der gewohnte Denk- und Handlungsmuster in Bezug auf Afrika in Frage stellt und mit Hilfe von
öffentlichen Veranstaltungen, Workshops, Konzepten und Projekten beispielhaft neue Wege beschreitet.
Seite 3
Inhalt
Vorwort >> Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg....................................................................................................................................................................... 03
1. Ratstreffen am 15.09.2008
„Die Wiederentdeckung Afrikas-Partnerschaft auf Augenhöhe für eine nachhaltige Entwicklung“
Gäste ........................................................................................................................................................................................................................................... 08
Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg ............................................................................................................................................................................................... 10
Karin Heuer im Gespräch mit Louis Henri Seukwa, HAW Hamburg.........................................................................................................................................12
Klaus Milke, Germanwatch e.V....................................................................................................................................................................................................14
Heiko Möhle, Eine Welt Netzwerk ............................................................................................................................................................................................ 20
Tanja Neubüser, Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V. ....................................................................................................................................................... 22
2. Sondierungsworkshop am 27.05.2009
„Die Wiederentdeckung Afrikas – Partnerschaft auf Augenhöhe“
Gäste ........................................................................................................................................................................................................................................... 26
Pressemitteilung . ....................................................................................................................................................................................................................... 27
Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg ............................................................................................................................................................................................... 28
Veye Tatah, Africa Positive e.V. ................................................................................................................................................................................................. 30
Diskussionsergebnisse ............................................................................................................................................................................................................... 32
3. Podiumsdiskussion am 3.11.2009
„Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?!
Anforderungen an Wirtschaft und Politik“
Gäste ........................................................................................................................................................................................................................................... 36
Karin Heuer, umdenken.............................................................................................................................................................................................................. 37
Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg
und der Stadt Dar es Salaam (2009 -2010) .............................................................................................................................................................................. 38
Seite 4
Ulrich van der Heyden, Afrika- und Kolonialhistoriker ............................................................................................................................................................ 40
Louis Henri Seukwa, HAW Hamburg ......................................................................................................................................................................................... 42
Kurt Hirschler, Tanzania-Koordination Hamburg ...................................................................................................................................................................... 44
Pressemitteilung, Eine Welt Netzwerk ..................................................................................................................................................................................... 48
Pressestimme, Neues Deutschland .......................................................................................................................................................................................... 50
4. Podiumsdiskussion am 26.11.2009
„Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Kultur und Sport“
Gäste ........................................................................................................................................................................................................................................... 54
Kocra Assoua, Universität Bayreuth........................................................................................................................................................................................... 56
Michel Dinzey, Fußballprofi und Trainer ................................................................................................................................................................................... 58
Harald Stutte, Hamburger Morgenpost .................................................................................................................................................................................... 60
Veye Tatah, Africa Positive e.V. ................................................................................................................................................................................................. 61
5. Abschlussveranstaltung am 29.11.2010
„Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?! Konsequenzen und Perspektiven“
Gäste ........................................................................................................................................................................................................................................... 64
Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg ............................................................................................................................................................................................... 66
Kocra Assoua, Universität Bayreuth........................................................................................................................................................................................... 68
Harald Stutte, Hamburger Morgenpost .................................................................................................................................................................................... 70
Michael Hoppe, steps for children ............................................................................................................................................................................................ 72
Mete Odabasi (10B) und Paul Pörksen (10B), Helene Lange Gymnasium .............................................................................................................................74
Han Tran (10d/S1), Helene Lange Gymnasium......................................................................................................................................................................... 76
Seite 5
1. Ratstreffen – 15.09.2008
1. Die Wiederentdeckung Afrikas –
Partnerschaft auf Augenhöhe für eine nachhaltige Entwicklung
Seite 6
Einladung
Wir laden Sie herzlich ein
zum 35. Ratstreffen
am 15 September, 16.00 bis 19.00 Uhr
Patriotische Gesellschaft, Trostbrücke 4-6, Kirchhofsaal
„Die Wiederentdeckung AfrikasPartnerschaft auf Augenhöhe für eine nachhaltige Entwicklung“
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe
„Globalisierung vor Ort
Vielfach wird in der Öffentlichkeit das Bild von Afrika als krisengeschüttelter Kontinent vermittelt. Wird diese einseitige Sichtweise wirklich den langjährigen Traditionen und Potentialen dieses
Kultur- und Lebensraumes gerecht? Trotz bestimmter Probleme
weist Afrika gerade in den letzten Jahren eine Reihe positiver
Entwicklungen in den Bereichen Ökonomie, soziale Entwicklung
und demokratischer Stabilisierung auf …
Europa trägt eine erhebliche Mitverantwortung an Fehlentwicklungen, Missverständnissen und Missachtungen gegenüber dem
afrikanischen Kontinent. Gerade vor dem Hintergrund des Zieles
einer globalen Nachhaltigkeit reicht eine bloße Entwicklungs“hilfe“ Europas für Afrika nicht aus, sondern es bedarf einer neuen
gleichberechtigten Partnerschaft für eine gemeinsame nachhaltige Zukunft. Dazu gehört auch, „schlummernde Potentiale“ Afrikas
in ökonomischer, ökologischer, sozialer und kultureller Hinsicht
wiederzuentdecken. Was können wir zu dieser Entdeckungsreise
und für eine solche Partnerschaft auf Augenhöhe hier und dort
vor Ort beitragen…?
Programm
16:00 Uhr Begrüßung
Dr. Dirka Grießhaber, Zukunftsrat Hamburg
16:10 Uhr Die Wiederentdeckung eines Kontinents –
Erinnerungen an eine nachhaltige Zukunft
Dr. Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg
16:30 Uhr Für ein anderes Afrika-Bild
Prof. Louis Henri Seukwa, HAW Hamburg / Erz.Wiss.
im Gespräch mit Karin Heuer, umdenken
16:50 Uhr Perspektiven für die Zukunft:
Klimawandel, Erneuerbare Energien, Landwirtschaft etc.
Klaus Milke, Germanwatch
17:10 Uhr Koloniale Vergangenheit als bleibende Hypothek?
Heiko Möhle, Eine Welt Netzwerk Hamburg
17:20 Uhr Voneinander lernen: interkultureller Freiwilligendienst
Tanja Neubüser, Deutsch-Tansanische-Partnerschaft
17:30 Uhr Pause
17:40 Uhr Afrikanische Kultur in einer globalisierten Welt
Angelina Akpovo (angefragt), Alafia e.V. Afrikafestival
Hamburg
18:00 Uhr Podiumsdiskussion mit dem Publikum
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Dirka Grießhaber
19.00 Uhr Ende
Seite 7
1. Ratstreffen – 15.09.2008
Gäste
Angelina Akpovo stammt aus Benin und
wuchs in der Tradition der Fon-Kultur auf. Nach
der Schule begann sie eine Hebammenausbildung, war aber zugleich am College von Zongo die
Leiterin des Tanzensembles. 1980 kam Angelina Akpovo nach
Deutschland und begann hier 1983 ihre Laufbahn als Tanzlehrerin und Künstlerin. Seitdem lebt sie mit kurzen Unterbrechungen
in Hamburg. Sie begreift ihren Tanz in Deutschland als Entwicklungshilfe an Leib, Seele und Körper in direkter Umkehr der
ökonomischen Entwicklungshilfe Europas in Afrika.
Mittlerweile ist Angelina Akpovo in Deutschland die avancierteste Interpretin westafrikanischer Frauentänze, mit ihren Musikgruppen Black WoMen Power und Yakawumbu auf zahlreichen
Bühnen Europas zuhause, erfolgreiche Tanzlehrerin und Leiterin
des Hamburger Afrikafestes Alafia.
Klaus Milke ( Jahrgang 1950) ist Diplom-Kaufmann, Entwicklungs- und umweltpolitischer
Berater und Mitbegründer von Germanwatch
e.V. Seit 1991 ist er dort Vorstandsmitglied und Vorsitzender der Germanwatch-nahen Stiftung Zukunftsfähigkeit.
Germanwatch engagiert sich für globale Gerechtigkeit und den
Erhalt der Lebensgrundlagen. Dabei konzentriert sich der Verein
auf die Politik und Wirtschaft des Nordens mit ihren weltweiten Auswirkungen. Die Lage der besonders benachteiligten
Menschen im Süden bildet den Ausgangspunkt seiner Arbeit.
Gemeinsam mit den Mitgliedern und Förderern und mit anderen
Akteuren der Zivilgesellschaft will Germanwatch eine starke
Lobby für eine nachhaltige Entwicklung sein.
Heiko Möhle (1962-2010) studierte nach seiner
Ausbildung zum Buchhändler Geographie, Geschichte, Soziologie und Erziehungswissenschaft
in Hamburg und Yaoundé (Kamerun). Nach Stationen
als Bildungs- und Öffentlichkeitsreferent des Bundeskongress
entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) in Hamburg und
als Koordinator des Sonderforschungsbereichs 520 „Umbrüche in
afrikanischen Gesellschaften“ an der Universität Hamburg wurde
er 2005 Geschäftsführer des „Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V.“,
der Dachverband entwicklungspolitischer Initiativen in Hamburg.
Er forschte – zuletzt an der Humboldt-Universität Berlin – unter
anderem zu folgenden Themen: Deutscher Kolonialismus mit
Schwerpunkt Kamerun, Kolonialismus und Erinnerungspolitik,
Afrikanische Diaspora in Deutschland, Internationale Flüchtlingsund Migrationspolitik, Kolonial- und Globalisierungsgeschichte
europäischer Hafenstädte, insbesondere Hamburg, und Kolonialgeschichte des norddeutschen Raums.
Prof. Dr. Henri Louis Seukwa ( Jahrgang
1967) stammt ursprünglich aus Kamerun. Er
hat 2005 am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg promoviert und
ist seit 2007 Professor für Erziehungswissenschaften an der
Fakultät Wirtschaft und Soziales der Hochschule für Angewandte
Wissenschaften Hamburg. Er wurde unter anderem durch sein
Buch „Der Habitus der Überlebenskunst: Zum Verhältnis von
Kompetenz und Migration im Spiegel von Flüchtlingsbiographien“ (2006) bekannt, das 2007 mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Kompetenz und den Karl-Dietze
Wissenschaftspreis ausgezeichnet wurde. Am 29. Oktober erhielt
Seukwa den Höffmann-Wissenschaftspreises Interkulturelle
Kompetenz. Mit dem Preis wurden seine Forschungsleistungen
in diesem Gebiet gewürdigt.
Seite 8
Tanja Neubüser ( Jahrgang 1975) ist
Geschäftsführerin des Deutsch-Tansanische
Partnerschaft e.V., dessen Aufbau sie maßgeblich mitgestaltete. Nach einer Ausbildung
zur Ver- und Entsorgerin bei Beiersorf, einem Studium der
Diplom-Umweltwissenschaften mit den Schwerpunkten „Bildung
für Nachhaltigkeit“ und „Umweltmanagement“ in Lüneburg,
Seminarleitungen seit 15 Jahren, mehrmonatigen Auslandsaufenthalte in Frankreich, England und Nepal, und mehrjähriger
Berufserfahrung im Umweltbildungsbereich, war Tanja Neubüser
in 2004 für sieben Monate zum Leben und Mitarbeiten an einer
Secondary School am Victoriasee in Tansania, bevor sie zum
Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V. kam.
Der Verein widmet sich folgenden Themen: Partnerschaft auf
Augenhöhe, Völkerverständigung durch gemeinsame Arbeit,
Ausbildungshilfe für Kinder, Jugendliche und Frauen sowie Klimaschutz durch Förderung der erneuerbaren Energien.
Seit Anfang 2008 entsendet er seine Freiwilligen als „Weltwärtsler“ nach Tansania. Dieser fließende Übergang vom FÖJ zu
„weltwärts für Völkerverständigung und Klimaschutz in Tansania“
wurde durch die Mitfinanzierung des BMZ beim weltwärtsFreiwilligendienst ermöglicht.
Dr. Ulf Skirke ( Jahrgang 1949) ist DiplomPhysiker und Dr. phil. Er ist beruflich im Klimaschutz und der ökologischen Stadtentwicklung
in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt
tätig. Ehrenamtlich ist er im Zukunftsrat Hamburg als Mitglied
im Koordinierungskreis engagiert. Er hat in den letzten zwanzig
Jahren eine Vielzahl von Ländern des afrikanischen Kontinents
bereist.
Karin Heuer ( Jahrgang 1954) arbeitet seit
1993 für umdenken e.V., das Politische Bildungswerk Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg, als
Referentin für Umwelt und Bildung. Sie ist zu­ständig für den Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung
und zusätzlich seit 2002 für die Geschäftsführung. Davor war sie
als Landwirtschaftlich-technische Assistentin u. a. im Bereich
Meeresforschung und Umweltschutztechnik tätig. In der Bundestagsfraktion der Grünen hat sie von 1987-1989 als wissenschaftliche Mitarbeiterin zu den Themen Datenschutz sowie Gen- und
Reproduktionstechnologie gearbeitet.
Sie ist gewähltes Mitglied im Beirat der Landeszentrale für
politische Bildung. Außerdem engagiert sie sich u. a. im BUND,
der Deutsch-Tansanischen-Partnerschaft und im Zukunftsrat
Hamburg.
Seite 9
1. Ratstreffen – 15.09.2008
Wiederentdeckung eines Kontinents –
Erinnerungen an eine nachhaltige Zukunft
>> Ulf Skirke
Afrika als „blinder Fleck“: zwischen Irrtum und Ignoranz
pp„Schwarzer Kontinent“?
ppGeschichtslosigkeit? (Hegel)
ppKulturlosigkeit?
ppPolitische Bedeutungslosigkeit?
ppMedienbild: Kriege, Krisen, Katastrophen?
ppKeine eigene Zukunftsperspektive?
„Mit solch einseitig verzerrter Wahrnehmung eines Erdteils und
seiner Bewohner wird ein selbstverschuldetes Chaos suggeriert,
das letztlich auch entlastende Wirkung für diejenigen besitzt, die
historische Mitverantwortung an den vom Kolonialismus geschaffenen gesellschaftlichen Strukturen tragen“ (Henning Melber)
Abb 1
Wie weit zur Nachhaltigkeit?
Abb 2
Die vollständige Originalpräsentation kann im Internet unter
http://www.zukunftsrat.de unter dem Menüpunkt „Themen“
abgerufen werden.
Seite 10
A
Affrika
rika als ‚blinder Fleck‘:
Zwischen Irrtum und Ignoranz
Ignoranz
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„Schwarzer Kontinent“
Kontinent“?
Geschichtslosigkeit? (Hegell))
Kulturlosigkeit?
Politische Bedeutungslosigkeitt?
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Kriege, Krisen, Katastrophen?
Keine eigene Zukunftsperspektiven?
„Mit solch einseitig verzerrter
Wahrnehmung eines Erdteils und seineerr
Bewohner wird ein selbstverschuldetes
Chaos suggeriert, das letztlich auch
entlastende Wirkung fü
für diejenigen besitzt,
die historische Mitverantwortung an den
om
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m Kolonialismus geschaffenen
gesellschaftlichen Strukturen tragen.“
tragen.“
(Henning Melber)
Melber)
Wie weit zur Nachhaltigkeit…..?
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1. Ratstreffen – 15.09.2008
Karin Heuer im Gespräch mit Prof. Dr. Henri Louis Seukwa
1.Welches sind aus Ihrer Sicht hier bei uns die vorherrschenden Bilder vom afrikanischen Kontinent?
Wenn wir unter dem Begriff Bilder nicht nur die piktographischen Elemente sondern alle diskursiven Produktionen d.h. einen
Wissenskorpus verstehen, der durch diverse mediale Darstellungen, gesellschaftliche Praktiken sowie politisches Handeln über
Afrika als Kontinent und die Afrikaner in Deutschland produziert
wird, dann müssen wir feststellen, dass diese Bilder überwiegend
negativ sind. Die Stichwörter, die aus diesen Bildern hervorgehen, womit Afrika in der Imagination der Öffentlichkeit asso­ziiert
wird, sind wohlbekannt: Armut, Hunger, HIV, An­alphabetismus,
Korruption, Diktatur, Bürgerkriege, Staat­zerfall, Naturkatastrophen
etc. Kurzum kristallisieren die Gesellschaften Afrikas in dieser diskursiven Produktion nahezu all das heraus, was für die hiesige
Gesellschaft zu vermeiden gilt bzw. im Prozess ihrer Entwicklung
schon überwunden wurde.
2.Inwieweit – oder besser gesagt wie – formen und prägen
diese Bilder unsere Beziehungen zu Afrika?
Die diskursiven Produktionen über Afrika (Bilder) lassen sich
unter zwei Kategorien subsumieren: Afro-Romantismus und AfroPessimismus.
Die eine, apologetisch, naturalisierend und kulturalisierend,
hebt die positiven Eigenschaften der originellen „Afri­kanischen
Traditionen“ hervor (was auch immer diese sein mögen) und fokussiert dabei vornehmlich das Vor-Koloniale Afrika, wobei der
„Afrikaner“ als „edler Wilder“ bzw. „Naturmensch“ dargestellt
wird. Die andere, pejorativ, rassistisch und arrogant, stellt den
Afrikanischen Kontinent als Sammelbecken von Mängeln an zivilisatorischen und kulturellen Eigenschaften dar, die im Besitz der
sog. entwickelten Gesellschaften sind, wobei der „Afrikaner“ als
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„böse, bzw. Taugenichts Wilder“ präsentiert wird. Konstant in diesen beiden Positionen ist jedoch der „Wilde Afrikaner“ sei er edel,
böse oder unfähig. Diesem und seiner Gesellschaft kann fortan
zum Eintritt, Verbleib und Weiterentwicklung in die menschliche
Geschichte nur durch „Entwicklungshilfe“ des Westens verholfen
werden; so wie es früher schon mit der christlichen Missionierung
und der Kolonisierung des afrikanischen Kontinents der Fall war.
Bekanntlich positioniert sich der Westen selbst auf der Entwicklungsleiter ganz oben.
Diese Bilder sind sehr mächtig. Sie sind die Kategorien, d.h. die
Brille, wodurch viele Europäer Afrika und die dort stammenden
Menschen wahrnehmen und betrachten. Anders formuliert, erst
durch diese Bilder wird „ein Afrika“ konstruiert, das als legitimes
Objekt der europäischen Intervention erscheint, nämlich das „unterentwickelte“ Afrika.
Die unverschämten Bilder, womit die sog. Ent­wicklungshilfe
Organisationen um Spenden der deutschen Öffentlichkeit für
„gute Zwecke“ in ihren verschiedenen Interventionsgebieten in
Afrika werben sind u. a. eine Parade-Illustration einer solchen
Konstruktion.
3.Sie und ich und wahrscheinlich alle anderen An­wesenden
auch, wünschen sich ein möglichst gleich­berechtigtes Verhältnis zwischen Europa und Afrika. Dazu gehört auch das
Voneinanderlernen. Was können wir hier aus Ihrer Sicht
z.B. aus der Kul­turgeschichte Afrikas lernen?
Die Formulierung „Kulturgeschichte“ gefällt mir! Denn sie suggeriert zweierlei: Zunächst, dass Afrika mehr als ein rohstoffreicher Kontinent ist. Es dürfte eine Binsenweisheit sein, dass kein
Land der Welt nachhaltig im Konzert der Nationen mächtig geworden ist allein, weil es im Besitz von großen Mengen an natür-
Wir können uns jedoch exemplarisch auf ein Beispiel beschränken: den Bildungsbereich. Angesichts der Misere der schulischen
oder formellen Bildung in Deutschland, wie die wiederholt beschämenden Ergebnisse im internationalen Vergleich es bewiesen haben sowie die daraus entfachte Debatte über die Fähigkeit
dieser Institution, den Heranwachsenden allein mit Kompetenzen
auszustatten, die notwendig sind für ihre gesellschaftliche Teilhabe und Weiterentwicklung, können wir in der Tat eine Menge
von der sog. afrikanischen „traditionellen Erziehung“ lernen. Diese war, um es mit vertrauten Be­griffen zusammenzufassen, nicht
nur ganzheitlich im Sinne Pestalozzis sondern auch und vor allem
Lebenswelt-, Sozialraum- und Kompetenz- orientiert. In dieser
Weise wurde die Klippe der Vermittlung von fragmentiertem und
abstraktem Wissen ohne Bezug zur Lebenswelt der Lernenden,
– was heutzutage im hiesigen Bildungssystem stark kritisiert
wird – umschifft. Beispiele wie diese können wir sind ebenfalls in
anderen kulturellen Gebieten wie Medizin, Politik, Wissenschaft,
Kunst, Religion etc. zu finden.
4. Was also müssen wir bzw. muss Europa tun oder vor allem
lassen, um wirkliche, echte Partner Afrikas zu werden? Wo
sehen Sie hierfür die größten Chancen?
lichem Reichtum ist. Im spezifischen Fall Afrikas sind sich inzwischen alle seriösen historischen Beobachter sogar darüber einig,
dass diese natürlichen Reichtümer aufgrund ihrer strategischen
Bedeutung im Kontext der globalen Marktwirtschaft zum großen
Teil Ursache vieler politischer Konflikte und menschlichen Elends
dort sind. In diesem Zusammenhang wird von dem „Paradox of
Plenty“ gesprochen.
Dies gesagt, ist es anderseits aufgrund der schon er­wähnten
negativen Konstruktionen Afrikas im europäischen Kontext bzw.
in Deutschland (Konstruktionen, die übrigens schon auf die Periode der Aufklärung mit Autoren wie Hegel, Montesquieu etc.
zurückzuführen sind) nicht selbstverständlich, hier ohne weiteres
diesen Kontinent mit dem Begriff „Kulturgeschichte“ in Verbindung zu bringen.
Wenn wir jedoch davon ausgehen, dass Afrika nicht nur die
Wiege der Menschheit ist sondern auch eine der ersten, längsten und mächtigsten Zivilisation, der menschlichen Geschichte,
nämlich die ägyptische Zivilisation hervor­gebracht hat und dass
diese Zivilisation keine spontane Genesis war sondern Produkt
der Diffusions- und Kris­tallisationsprozesse innerhalb afrikanischer Kulturen, die in ihren Entstehungsgebieten auf verschiedene Art und Weise u. a. in der Gestalt von großen Reichen wie
Songhai, Gao etc. bis ins 18 Jh. blühten, dann und nur dann wird
es nachvollziehbar, gar selbstverständlich, dass Afrika eine Kulturgeschichte produziert hat, die für Europa lernenswert ist. Nun
bin ich der Meinung, dass es nicht einfach ist, in diesem Rahmen
mit der uns knapp zur Verfügung stehenden Zeit die Frage, unter
welchen Aspekten diese facettenreiche Kulturgeschichte Afrikas
für Europa bzw. Deutschland heutzutage von Interesse sein kann,
zu beantworten.
Es ist sehr schwierig sich unter den heutigen Bedingungen eine
„echte“ Partnerschaft zwischen Afrika und Europa vorzustellen,
denn die Machtverhältnisse sind so ungleich zum Vorteil Europas, dass es nur irrealistisch sein kann sich Gedanken über nicht
asymmetrische Beziehungen zu machen und dies umso mehr, als
die Geschichte uns lehrt, dass es in den internationalen Beziehungen nicht um Freundschaft, Philanthropie und ähnliches geht
sondern um eigene Interessen, die die Mächtigsten bekanntlich
rücksichtslos zu vertreten vermögen.
Realitätsnäher wäre in diesem Zusammenhang eher die Frage
welches Interesse Europa an der Beendigung des Elends in Afrika
haben kann. Die Antwort unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsperspektive dürfte in diesem Kreis naheliegend sein. Denn
viele lokal auftretende Probleme wie Flüchtlingsströmungen, Klimawandel, Terrorismus etc. sind global verursacht und ihre nachhaltige Bewältigung auch nur global möglich.
5. Und zu guter Letzt: Wenn sie Marketing-Chef der Afrikanische Union wären, mit welchen Bildern würden Sie dann
für diesen Kontinent werben?
Mit den Bildern von Millionen Frauen und Männern in Afrika auf
unterschiedlicher gesellschaftlicher Ebene, die in extrem schwierigen Bedingungen alltäglich mit unglaublichem Einfallsreichtum
den Widrigkeiten des Lebens trotzen. Diese Überlebenskünstler
sind meines Erach­­tens der gute Samen, aus dem heute eine hoffnungsvolle Zukunft Afrikas erwachsen kann.
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1. Ratstreffen – 15.09.2008
Afrika: Perspektiven für die Zukunft
Klimawandel, Erneuerbare Energien, Ernährung und Landwirtschaft
>> Klaus Milke
Vorstandsvorsitzender von Germanwatch
Afrika und Klimawandel:
ppWas ist das Problem: 2-Grad und Anpassung
ppDie besondere Betroffenheit Afrikas
ppAfrika und Agrofuels
ppDie Bedrohung des afrikanischen Regenwaldes
ppAfrika und das Öl
ppNordafrika und das „SuperSmartGrid“-Projekt
ppDie Klimaverhandlungen und die Rolle der afrikanischen Staaten: positiver Fall Südafrika
Climate Change
die Herausforderung: nicht über 2° Celsius (Abb. 1)
Abb. 1
Die Tipping-Points
ppMeeresspiegelanstieg
ppMehr Trockenheit in der Sahara
ppVersteppung des Amazonas-Regenwaldes
ppInstabilität des asiatischen Monsun
ppGletscherschmelze im Himalaja und Wassernot in Indien, China
...
ppVersauerung der Weltmeere
ppRückkopplungseffekte unterschätzt???
Tipping Points in the Earth System (Abb. 2)
Wer sitzt auf den oberen Decks ?
Bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels sitzen zwar
arme und reiche Länder in einem Boot. Aber die einfachen und
ärmeren Passagiere übernachten auf den unteren Decks, die Rettungsboote liegen auf den oberen.
Die Erreichung der Ziele der weltweiten Armutsbekämpfung
bis 2015 (MDG) sind schon jetzt erheblich infrage gestellt !
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Abb. 2
Notwendige Strategie
1.Vermeiden des Nicht-Unbewältigbaren
CO2-Reduktion – Wer sind die Verursacher ?
2.Bewältigung des Unvermeidbaren
Anpassung – Wer sind die Opfer ?
Impressionen zum Klimawandel aus Afrika
„Das Wetter ändert sich. Früher haben wir heftigen Regen gehabt, als die Winde aus dem Westen kamen und und dann 2-3
Tage später mit Regen zurückkamen. Jetzt kommt der Wind aus
dem Osten und bringt wenig oder gar keinen Regen. Ich weiß
nicht, was dies verursacht. Vielleicht die Kriege im Irak und im
Iran, all die Bomben und die Verschmutzung, der Rauch, der von
den zerbombten Ölfeldern zu uns herüber weht. Wir sind nicht
sehr weit weg davon.“
Paul Mayan Mariao, Chief Kaikor, Turkana
„Die veränderten Niederschlagsmuster tragen zu der zunehmenden Wüstenbildung bei. Die verringerte Produktion von Gras bedeutet, dass weniger Tiere versorgt werden können. Trockenheit
führt zum deutlichen Verlust an Tieren. Dies hat verheerende Folgen auf die Hirten, sowohl Tuareg wie auch Wodaabe, deren Existenz von der Tierhaltung abhängt. Es schafft chronische Probleme
der Ernährungssicherheit, und große soziale auch.“
Jeff Woodke of JEMED (Youth with a Mission)
„Die Auswirkungen des Klimawandels treffen überproportional
die ärmsten Länder der Welt, viele davon in Afrika. Arme Menschen leben heute schon an der Front von Verschmutzung, Katastrophen und dem Verlust von Ressourcen und Land. Für sie ist
Anpassung eine Frage des Überlebens.“
Kofi Annan
Beispiel: Particularly vulnerable rural areas in the Suda
Source: NAPA Sudan
IPCC-Kernaussagen für Afrika (I)
ppAfrika ist einer der gegenüber den Folgen des Klimawandels
anfälligsten Kontinente; diese Situation wird durch das Zusammenspiel von verschiedenen Stressfaktoren verschärft
ppdie landwirtschaftliche Produktion und Ernährungssicherheit in
vielen afrikanischen Ländern und Regionen wird durch den Klimawandel wahrscheinlich stark gefährdet werden
ppDer Klimawandel wird die Wasserknappheit in einigen Ländern
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1. Ratstreffen – 15.09.2008
erhöhen; in einigen Ländern, die heute noch über genügend
Wasser verfügen, wird es zu Knappheiten kommen;
Quelle: IPCC (2007): Climate Change 2007: Climate Change Impacts,
Adaptation and Vulnerability. Summary for Policymakers. http://www.
ipcc.ch
ppDie menschliche Gesundheit, die bereits heute durch eine Reihe von Faktoren negativ beeinflusst wird, kann noch weiter
negative betroffen sein durch den Klimawandel (z.B. durch
Ausbreitung der Malaria im Hochland)
Quelle: IPCC (2007): Climate Change 2007: Climate Change Impacts,
Adaptation and Vulnerability. Summary for Policymakers. http://www.
IPCC-Kernaussagen für Afrika (II)
ppVeränderungen in einer Vielfalt von Ökosystemen sind bereits
sichtbar, vor allem im Südlichen Afrika; schneller als erwartet;
ppDer Klimawandel kann zur dauerhaften Überflutung niedrig
Landgebiete führen, mit sich daraus ergebenden Folgen für
Siedlungen im Küstenbereich;
ipcc.ch
Auswirkungen des Klimawandels auf die Millennium-Entwicklungsziele (MDGs)
(siehe Tabelle)
Auswirkungen des Klimawandels auf die
Millennium-Entwicklungsziele (MDGs)
MDGs
1. Bekämpfung der extremen Armut
und des Hungers
2. Verwirklichung der allgemeinen
Primärschulbildung
Auswirkungen des Klimawandels Afrika
• Verringerung der landwirtschaftlich nutzbaren
Fläche
• Rückgang der auf Regen basierenden Erträge um
bis zu 50% bis 2020 in manchen Regionen
• Abnehmende Fischvorkommen in großen Seen
durch steigende Temperaturen
3. Förderung der Gleichheit der
Geschlechter und Stärkung der Rolle
der Frauen
• in manchen Regionen (z.B. in Gebirgen) erhöhte,
in anderen Regionen verringerte Ausbreitungsrate
von Malaria
4. Senkung der Kindersterblichkeit
•bis 2020 könnten 75 bis 250 Millionen Menschen
allein
durch
den
Klimawandel
unter
Trinkwassermangel leiden
• Zerstörung von Mangrovengürteln und
Korallenriffen wird sowohl für die Fischerei als
auch für den Fremdenverkehr negative Folgen
haben
5. Verbesserung der Gesundheit von
Müttern
6. Bekämpfung von HIV/AIDS,
Malaria und anderen Krankheiten
7. Sicherung
Nachhaltigkeit
der
ökologischen
8. Aufbau einer weltweiten
Entwicklungspartnerschaft
Quelle: eigene Zusammenstellung
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• Meeresspiegelanstieg und intensivere Stürme
bedrohen Millionen mehr Menschen durch
Überflutungen, insbesondere in den dicht
besiedelten Flussdeltas
Entwicklungsländer als Hauptbetroffene
Source: McMichael et al.,1996:128
Klimawandel als Bedrohung für Ernährungssicherheit und
Landwirtschaft
Insbesondere in Afrika- Extremwettereignisse
ppZunahme von Dürren
ppZunahme von Hochwassern
Afrika und das Öl
Hauptförderländer südlich der Sahara sind Nigeria, Angola und
Sudan mit einer durchschnittlichen Förderung von 2,15 bzw. 1,65
und fast 0,5 Mio Barrel pro Tag (mbd) im Jahr 2007. Zum Vergleich:
Die USA förderten 4,34 mbd, Saudi-Arabien 8,68 mbd. Nigeria
und Angola sind OPEC-Mitglieder, Sudan strebt die Mitgliedschaft
an. Neben diesen Ländern haben in den letzten Jahren besonders
auch Äquatorialguinea, Kongo, Gabun, Elfenbeinküste, Kamerun
und Ghana in die Ölförderung investiert. Der Eigenverbrauch in
Afrika ist sehr gering, sodass praktisch die gesamte Produktion
exportiert wird. China bezieht schon 27 Prozent seiner Öleinfuhren aus Äquatorialguinea, Angola, Kongo, Nigeria und Sudan, und
12 Prozent der gesamten US-Ölimporte kommen aus Nigeria und
Angola. Diese Anteile dürften noch steigen. So hoffen die USA,
in fünf bis zehn Jahren rund 25 Prozent der Importe aus Afrika zu
beziehen. (Quelle:Wirtschaftsdienst der BHF-BANK vom 21.1.08)
Die Potentiale der Sonne
Eine positive Option? Afrika und Agrofuels
Westliche Firmen wollen riesige Farmen für Energiepflanzen betreiben, um Öl zu gewinnen. Die einheimischen Bauern und Regierungen werden mit zweifelhaften Versprechen geködert. Alles
wird gut, alles soll besser werden. Neue Straßen soll es geben,
eine neue Schule, eine Apotheke, auch eine richtige Wasserversorgung. Und Jobs dürften entstehen, mindestens 5000. „Wenn es
Arbeitsplätze für uns gibt, ist es eine gute Sache.“
Aus dem Artikel zu AFRIKA: „Sturm auf die Scholle“ von Horand Knaup Spiegel 36/2008 – 01.09.2008 http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,576541,00.
html
Bedrohung des afrikanischen Regenwaldes
Supergrid zwischen EU und Nordafrika (MENA = Middle East and North Africa)
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1. Ratstreffen – 15.09.2008
Erster Energieaktionsplan EU-Afrika
Meldung der Europäischen Union vom 8. September 2008: Die
Elektrifizierung und Kapazitätenerschließung Afrikas sollen künftig verstärkt vorangetrieben werden. Aus diesem Grund haben
EU-Entwicklungskommissar Louis Michel, EU-Energiekommissar
Andris Piebalgs und der Kommissar der Afrikanischen Union für
Infrastruktur und Energie, Elham Mahmoud Ahmed Ibrahim in Addis Abeba heute eine Gemeinsame Erklärung unterschrieben. Damit soll der erste Aktionsplan der Energiepartnerschaft EU-Afrika
und die vereinbarten Maßnahmen zügig umgesetzt werden. Ziel
ist es, einen Elektrizitätsgesamtplan für Afrika auszuarbeiten und
die Möglichkeiten der afrikanischen Stromlieferanten zu fördern.
Vorgesehen sind darüber hinaus Maßnahmen zur Verbesserung
der Transparenz und der Verbindungsleitungen innerhalb Afrikas
sowie zur EU. Im Bereich erneuerbare Energien, Energieeffizienz
und Energieeinsparungen wird es ebenfalls eine verstärkte Kooperation geben.
Vor diesem Hintergrund werden die EU-Mitgliedstaaten und die
Privatwirtschaft aufgefordert, weitere Mittel für Investitionen in
den Energiebereich auf Angebots- und Nachfrageseite bereitzustellen. Aber auch die EU-Kommission hat erklärt, ihre technische
Hilfe aufzustocken und ihre Förderprogramme mit zusätzlichen
Finanzmitteln versehen zu wollen. Auf der Gegenseite wird die
Afrikanische Union als treibende Kraft die an der Energiepartnerschaft Beteiligten zu mehr aktiven Bemühungen an der Umsetzung der Förderprogramme antreiben
Der internationale Verhandlungsprozess um das Klima
UNCED 1992
Brasilien (Rio-Konferenz)
Klima-Konvention p Ratifikation
COP 1
1995
Deutschland (Berlin)
p Berliner
Mandat
COP 2 1996
Schweiz (Genf)
COP 3 1997
Japan (Kyoto)
p KyotoProtokoll
(2008-12)
COP 4 1998
Argentinien (Buenos Aires)
COP 5 1999
Deutschland (Bonn)
COP 6 2000
Niederlande (Den Haag)
COP 6b 2001
Deutschland (Bonn)p Durchbruch für Kyoto
COP 7 2001
Marokko (Marrakesch)
COP 8 2002
Italien (Mailand)
COP 9 2003
Indien (Neu Dehli)
COP 10 2004
Argentinien (Buenos Aires)
COP 11 2005
Kanada (Montreal) p Kyoto tritt
2005 in
Kraft
COP 12 2006
Kenia (Nairobi)
COP 13 2007 Indonesien (Bali ) COP 14 2008
Polen (Poznan)
COP 15 2009 Dänemark (Kopenhagen)
p neues
Protokoll ?
nach 2012
COP = Conference of the Parties (Vertragsstaatenkonferenz)
Zur Rolle der +5-Staaten
BRASILIEN, CHINA, MEXIKO, INDIEN, SÜDAFRIKA
ppRealize efficiency potentials in their own economies
ppReceive institutional and financial support to decarbonize their
development
pp Participate in new mechanisms to effect technology and finance transfer and to support sustainable development
G8 Thema
„Africa and Climate Change“
Wirtschafts- und Finanzgipfel
ppKlima ist mittlerweile ein Wirtschaftsthema
ppAfrika ebenfalls
... und was macht Germanwatch ?
Das Unbewältigbare vermeiden (Treibhausgase reduzieren)
Das Zwei-Grad-Limit bedeutet:
CO2-Reduktionen
bis 2050: Weltweit - 50 %
Industrieländer
- 80-95 %
bis 2020: EU-Zielsetzung - 30 % Deutschland - 40 %
Das Kyoto-Protokoll von 1997 sieht lediglich eine Reduzierung von
– 5,2 % für die Industrieländer vor
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Climate Action Network International
<< In dem Beitrag sind die wichtigsten Folien aus dem frei gehaltenen Vortrag wiedergegeben, es lag kein ausformulierter Beitrag zugrunde.
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1. Ratstreffen – 15.09.2008
Zukunft braucht Erinnerung Hamburg postkolonial
>> Heiko Möhle
Welche Bedeutung hat die koloniale Vergangenheit Hamburgs,
und wie geht die Stadt mit ihrem „kolonialen Erbe“ um?
Wenn ich von Hamburgs Rolle als Kolonialmetropole rede, dann
geht es nicht nur um die dreißig Jahre von 1884 bis zum Ersten
Weltkrieg, in denen Deutschland Kolonialmacht war. Hamburgs
Kolonialgeschichte beginnt wesentlich früher, und sie ist mit dem
Ende der deutschen Kolonialherrschaft keineswegs abgeschlossen.
Schon früh profitierte Hamburg vom Sklavenhandel: Um 1650
wurden die sogenannten Guinea-Kompanien in Stade und in
Glückstadt gegründet- unter schwedischer und dänischer Flagge,
aber mit hamburgischem Kapital. Um 1760 ließ sich Heinrich Carl
Schimmelmann in Hamburg und Wandsbek nieder. Schimmelmann wurde zur Nr. 1 im transatlantischen Sklavenhandel. Die
Verarbeitung von „Kolonialwaren“ ließ nicht nur Hamburg, sondern auch die Umlandgemeinden erblühen.
Hundert Jahre später erkannten Hamburger Kaufleute, dass
Afrika nicht nur Sklaven liefern konnte, sondern auch begehrte
Rohstoffvorkommen bereithielt: Elfenbein, Palmöl, Kautschuk.
1883 richte die Hamburger Handelskammer eine Denkschrift an
den Reichstag, mit der sie ihre Forderung nach deutschem Kolonialbesitz in Afrika begründete. Bismarcks Annexionen erfolgten
insbesondere im Interesse der hanseatischen Kaufleute.
Man hat später immer wieder gesagt, die Kolonien seien ein
Verlustgeschäft gewesen. Das mag für das Reich stimmen, das
Militärexpeditionen und Eisenbahnbauten aus Steuergeldern finanzierte. Das trifft mit Sicherheit für die Kolonisierten zu, die
Land und Vieh an die Kolonialherren verloren und Zwangsarbeit
leisteten. Profitiert haben aber Hamburger Unternehmer durch
eine oft rücksichtslose Ausbeutung von Mensch und Umwelt, sei
es in den Diamantenminen von Deutsch-Südwest oder in den
Kakakoplantagen von Kamerun, wo man von den zu Tode gekommenen Arbeitskräften zynisch als „Kulturdünger“ sprach.
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Neben der Hauptstadt Berlin wurde Hamburg zur wichtigsten deutschen Kolonialmetropole. Hier inszenierte Hagenbeck
seine großen Völkerschauen, in denen Menschen öffentlich
ausgestellt wurden, von hier stachen die Truppentransporte zur
Niederschlagung antikolonialer Aufstaände in See. Der Senat
förderte gezielt die Ansiedlung prestigeträchtiger, kolonialer
Einrichtungen: 1908 wurde das Kolonialinstitut, gegründet, aus
dem erst 1919 die Universität Hamburg hervorging ( Jubiläumsjahr!)
Im Dritten Reich plante der nationalsozialistische Reichstatthalter Karl Kaufmann, aus Hamburg ein Zentrum deutscher Kolonialaktivitäten zu machen. 1934 wurde der Afrikaverein gegründet,
der „Unterstützung der von der nationalen Regierung betriebenen
Kolonialpolitik“ in seiner Satzung verankerte. Der Afrika-Verein
tat sich in der Folge vor allem dadurch hervor, dass er die Wirtschaftsbeziehungen zum Apartheidssystem in Südafrika förderte.
Wohlgemerkt, auch noch nach 1945. Kommendes Jahr, 2009, wird
der Afrika-Verin sein 75. Jubiläum begehen.
Nach dem Krieg wollte man von kolonialer Herrlichkeit nichts
mehr wissen. Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit erschien
schwierig genug. Wer es da wagte, nun auch noch die Politik des
wilhelminischen Kaiserreichs ins Licht der Kritik zu zerren, musste
sich sehr schnell den Ruf des „Nestbeschmutzers“ gefallen lassen
– oder Schlimmeres, wie der Hamburger Journalist Ralph Giordano, der 1966 nach einer kritischen Fernsehdokumentation über
die deutsche Kolonialzeit sogar Morddrohungen erhielt.
1967 stürzten Hamburger Studierende das koloniale WissmannDenkmal vor der Universität, um ein Zeichen zu setzen gegen die
nicht nur an der Uni herrschende Weigerung, sich der eigenen
Geschichte zu stellen. Wirklich geklappt hat das leider nicht: Das
Denkmal wurde in der Bergedorfer Sternwarte eingelagert, und
seitdem hat Hamburg buchstäblich eine Leiche im Keller.
Seither herrscht im Umgang der Hamburger Politik und der Wirt­
schaft mit ihrer Kolonialgeschichte „beredtes Schweigen“. Es wird
gern über die traditionsreichen Hamburger Afrikabeziehungen
gesprochen, das Wort „Kolonialismus“ wird aber tunlichst vermieden. Beispiel aus einem Antrag der CDU-Bürgerschaftsfraktion von
2006: „Die Kontakte der Hansestadt nach Afrika reichen bis zurück
ins 19. Jahrhundert. (…) Als Welthafen versteht sich die Hansestadt
seit jeher als Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern
Warum sollen wir uns überhaupt mit dieser Geschichte beschäftigen? Weil sie nicht erledigt ist.
Beginnen wir mit dem, was in Hamburg immer an erster Stelle
steht: die Wirtschaft. Der Kolonialismus hat in Afrika Strukturen
geschaffen, unter denen der Kontinent bis heute zu leiden hat.
Das gilt für die Einführung ökonomischer Monostrukturen, die
dazu führen, dass bis heute viele afrikanische Länder vom Export
eines oder weniger Rohstoffe abhängig sind. Aber die europäische und auch die Hamburgische Wirtschaft nehmen kaum noch
etwas von den afrikanischen Produzenten ab. Erst hat man ihnen
eine Wirtschaftsweise aufgezwungen, jetzt lässt man sie damit
sitzen. Schlimmer noch: Anstatt die kleinbäuerliche Landwirtschaft zum Erhalt der Ernähungssouveränität zu fördern, exportiert Europa seine subventionierten Getreideüberschüsse – auch
vom Hamburger Hafen aus!
Die Migration von Menschen aus Afrika nach Hamburg ist eine
logische Folge dieser Politik der ungleichen Chancen. In Hamburg
leben zehntausende Afriner und AfrikanerInnen, aber sind sie hier
willkommen? In den vergangenen Jahren hat Hamburg immer
wieder durch seine rigide Abschiebungspolitik, durch Botschaftsanhörungen und Sammeltransporte von sich reden gemacht. Es
geht mir aber nicht nur um Flüchtlinge ohne Aufenthaltspapiere,
es geht generell um das Verhältnis zwischen Schwarz und Weiss
in Deutschlands Tor zur Welt. In Martin Baers Film „Weiße Geister“
kommt ein seit vierzig Jahren in Deutschland lebender Herero zu
Wort: „Einen schwarzen Deutschen gibt es eigentlich nicht. Du
kannst tausend deutsche Pässe haben, die Deutschen werden
dich nie als Deutschen akzeptieren.“
Dass in den letzten Jahren dieses Thema etwas präsenter geworden ist, liegt allein an dem Engagement von Hamburger Initiativen und Einzelpersonen, die durch Publikationen, Ausstellungen usw. immer wieder den Finger in die Wunde gelegt haben.
ppSpuren sichtbar machen
ppZusammenhänge verdeutlichen
ppDebatten anregen
ppIntervenieren
Das EWNW hat in seiner Publikation „Hamburg entwickeln!“ eine
Reihe von Forderungen aufgestellt, die sich teils an die Politik,
teils aber auch an die gesamte Hamburger Gesellschaft richtem:
ppDen Kolonialismus als Teil unserer Geschichte akzeptieren
ppErinnerungsorte schaffen. Es gibt in Hamburg noch eine ganze
Menge Straßennamen, die Kolonialherren ehren, aber keinen
einzigen, der einen jener schwarzen Immigranten ehrt, die von
Hamburg aus gegen den Kolonialismus kämpften.
ppKolonialgeschichte und Antidiskriminierungsarbeit gehören in
die Schulen
ppGrundlage für Versöhnung ist es, eine Entschuldigung auszusprechen. Wie kann die eine Seite der anderen vergeben,
wenn diese sich nicht entschuldigt hat? Nicht jeder einzelne
von uns, aber die Hamburger Bürgerschaft sollte eine entsprechende Erklärung abgeben.
ppDie heikle Frage der Entschädigungszahlungen Sollen wir Entschädigungszahlungen für koloniales Unrecht leisten? Ja! Den
Herero in Namibia, die unter deutscher Kolonialherrschaft ihren
gesamten Landbesitz verloren, ist mit Worten allein nicht geholfen. Hier geht es ganz konkret um Geld, damit Land zurückgekauft werden kann, um begangenes Unrecht wenigstens in
seinen langfristigen Folgen zu korrigieren. Hamburg sollte sich
an einem von der Bundesregierung einzurichtenden Entschädigungsfonds beteiligen.
Nun ist es ja immer leicht, die anderen zu kritisieren und zu
ermahnen, wenn man sich selbst zu den „Guten“ zählt. Deswegen noch zum Schluss ein Wort an die Adresse der hier anwesenden Menschen aus Entwicklungszusammenarbeit und Partnerschaftsprojekten. Alle Begegnungen, gerade auch in Tansania,
das in Hamburgs Afrikabeziehungen solch eine herausragende
Rolle spielt, finden immer vor dem Hintergrund einer geteilten
kolonialen Vergangenheit statt. Ich sage bewusst nicht „gemeinsame“, sondern „geteilte“ Vergangenheit, denn der Kolonialismus
hat Gräben gerissen, die bis heute nicht geschlossen sind, auch
wenn sich diejenigen, die sich heute begegnen, dessen oft gar
nicht bewusst sind.
Eine wesentliche Wurzel der nichtstaatlichen Entwicklungszusammenarbeit liegt in der christlichen Missionsgeschichte, und
die ist untrennbar mit der Geschichte des Kolonialismus verbunden. Im Breklumer Stannhaus des Nordelbischen Missionszentrums findet sich noch heute das Motto: „Gehet hinaus in alle Welt
und helfet den Völkern“ (oder so ähnlich). So etwas sitzt tief. Viele
Projekte gründen in einer Kultur des Helfens und der Hilfsbedürftigkeit entwickelt, in der sich beide Seiten eingerichtet haben. Ist
ja auch schön, wenn der eine abgibt und der andere sich dankbar
zeigt, aber emanzipatorisch ist das nicht. Wir müssen uns also
selbstkritisch fragen: Wie gleichberechtigt sind unsere Partnerschaften wirklich? Hier ist meines Erachtens eine kritische Überprüfung und Neubesinnung der Partnerschaftsarbeit notwendig.
Sie muss immer primär die Überwindung von Ungleichheit zum
Ziel haben, und sie sollte deshalb in erster Linie afrikanischen
Organisationen und Gruppen zugute kommen, die in eigener Regie für ihre Rechte kämpfen. Das kann eine Organisation wie das
internationale Kleinbauern-Netzwerk „Via Campesina“ sein. Wir
brauchen gar nicht so weit zu gucken: in Hamburg gibt es das
Akonda-Café und neben ihm eine ganze Reihe afrikanischer Zentren, wo afrikanische Menschen für ihre Rechte streiten.
Nur wenn wir uns der geteilten Vergangenheit erinnern und
uns ihre Bedeutung für die Gegenwart verdeutlichen, wird es
möglich sein, eine gemeinsame Zukunft zwischen Partnern zu
gestalten.
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1. Ratstreffen – 15.09.2008
Gemeinsam Brücken bauen
>> Tanja Neubüser
Lernen, helfen und Verantwortung übernehmen
ppWunsch immer mehr junger Menschen in Deutschland nach Frei­-
willigendienst in Afrika, Lateinamerika, Osteuropa oder Asien
ppDienst in einem Entwicklungsland hat unschätzbaren Wert
ppfür viele junge Menschen ist notwendige Kostenbeteiligung
hohe Hürde
ppab Januar 2008: Förderprogramm weltwärts (www.weltwaerts.
de)
ppjährlich vom BMZ: 70 Millionen €, bis zu 10.000 Plätze pro Jahr
ppFörderung pro Freiwilligenplatz: ca. 75% der Gesamtkosten. Verbleibende 25 %: durch Entsende-Organisation und Teilnehmer
ppVorgeschriebene Richtlinien: z.B. pädagogische Betreuung,
Qualität Einsatzstellen, Kooperationsverträge etc.
ppZiel: junge Erwachsene gehen mit Offenheit, Freude und
Neugier hinaus in die Welt und bringen ihre Erfahrungen in
Deutschland ein
Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V.
www.d-t-p-ev.de
pp2004 startete Pilotprojekt „Freiwilliges Ökologisches Jahr in Tansania – Völkerverständigung und Entwicklung durch gemeinsame Arbeit Jugendlicher für Klimaschutz und Erneuerbare
Energien“
ppSeit August 2006 arbeiten jedes Jahr 15 deutsche Freiwillige
und ein Tansanier in acht Einsatzstellen in Tansania verteilt
ppAb August 2008 Reverse-Programm: Zwei Tansanier arbeiten
für ein Jahr im Freiwilligen Ökologischen Jahr in SchleswigHolstein mit
Bewerbung und Auswahl
ppAnfang November bis Ende Januar:
Bundesweites Bewerbungsverfahren der Deutsch-Tansanischen
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Partnerschaft e.V. für „weltwärts für Völkerverständigung und
Klimaschutz in Tansania“ 2008: 277 Bewerbungenfür 15 Plätze
ppAnfang März:
Auswahlwochenende. Komitee: Mitglieder des DTP-Vorstands
und ehemalige Freiwillige Auswahl auch in enger Abstimmung
mit Partnern in Tansania, um aktuelle Situation der Einsatzstellen einzubeziehen
Die Bewerber
ppsind bei Start des Freiwilligendienstes zwischen 18 und 28 Jahre
alt
ppHaupt-oder Realschulabschluss mit abgeschlossener Berufsaus­
bildung; Fachhochschulreife, allg. Hochschulreife oder Vergleich­-
bares
ppfür anerkannte Zivildienstleistende: ADiA nach §14 b
ppAnspruch auf Kindergeld
ppAnrechnung von zwei Wartesemestern bei 1 Jahr
Kosten Teilnehmer/innen
ppKiswahili-Sprachkurs inkl. Anreise, Verpflegung und Unterkunft
ppmedizinische Vorsorge (Impfungen, Medikamente)
ppVisum und Resident Permit (Arbeits-und Aufenthaltserlaubnis)
ppangestrebter Beitrag durch Spendenakquisevon 1.800 €
Leistung DTP
ppBegleitete Vorbereitungsphase
pp40 Seminartage inkl. Anfahrten
ppHin-und Rückflug mit Klimaausgleichsabgabe
ppUnterkunft und Verpflegung in den Einsatzstellen
ppTaschengeld 100 €/Monat
ppganzjährige Betreuung durch Projektkoordinatorin Olivia Lyimo
ppAuslandskranken-, Unfall-, Invaliditäts-, Haftpflichtversicherung
Pädagogische Begleitung
ppVorbereitungsphase April bis August
ppMitte Juli: 11 Tage Vorbereitungsseminar
ppMitte August: Abreise nach Tansania
ppMitte August: 11 Tage Einarbeitungszeit
ppEnde August: Einsatzstellen-Leiter Seminar
ppAnfang September: Begleitungund Einführungin Einsatzorte
ppVon September bis August: enge Zusammenarbeit mit den EST
ppAnfang Januar: 7 Tage Zwischenseminar
ppMitte August: Rückkehr nach Deutschland
ppMitte September: 5 Tage Rückkehrseminar
ppFolgende Zeit: Weitergabe der Erfahrungen
„Ich glaube, es war für viele Tansanier, die wir kennengelernt
haben, wichtig zu sehen, dass wir als Lernende kamen. Wir waren weder als potente, weiße Profis da, die schauen wollten, in
welches Projekt sie ihr Geld investieren, noch als Touristen, die
sich oft mehr für Flora und Fauna als für das Leben der Tansanier interessieren. Zu sehen, dass wir bereit waren, von ihnen zu
lernen und mit ihnen zu arbeiten, war, denke ich, eine andere
Erfahrung, als die meisten, die sie sonst mit Weißen gemachthatten.“ (Lotte S.)
Bereits seit 2004 …
pp40 Seminartagen während des gesamten Tansania Freiwilligendienstes
ppGewährleistung von intensiver Vorbereitung, Begleitung und
Nachbereitung Ganzjährige Begleitung in Tansania
ppDurch Vorbereitung, Austausch und Reflexion mit Fokus auf Bedürfnisse der Freiwilligen:
– starke Auseinandersetzung mit Erlebnissen sowie
– Erwerb von Handlungskompetenz, um Erfahrungen aktiv zu
nutzen und später weiter zu geben
„Was die Vorfreude auf Land und Leute betrifft, so lag ich damit
sehr richtig. Alles, was ich in Tansania in Freundschaften und Interesse „investiert“ habe, habe ich doppelt und dreifach zurück bekommen. Das ist vielleicht die Kernaussage dazu, was ich gerne
aus Tansania mit nach Deutschland übernehmen möchte. Es lohnt
sich ganz offenbar, offen im Umgang mit anderen Menschen zu
sein, aufeinanderzuzugehen ... überhaupt, dieser positive Umgang mit anderen, die Zeit, die sich in Tansania jeder für andere
nimmt – wenn es mir gelänge, in Deutschland genauso offen zu
sein, dann wäre mein Leben sicherlich ein glückliches. Offen zu
sein bedeutet ja auch, keine Vorurteile zu haben, Menschen nicht
wegen ein paar Eigenschaften vorschnell kategorisieren – das
sind Richtlinien, nach denen ich mein Leben auch in Deutschland
gerne gestalten würde. Einfach wieder mehr miteinander leben,
mehr miteinander reden und kommunizieren.“ ( Joschka F.)
„Was Entwicklungszusammenarbeit wie bei der DTP angeht,
so bin ich von ihrem Nutzen überzeugt. Junge Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammen zu bringen und ihnen die Möglichkeit zu geben, gemeinsam zu arbeiten, ist ein lohnenswertes
Ziel, zumal ich hier in den ersten Monaten in Deutschland tatsächlich das Gefühl habe, bereits jetzt schon das Bild von Afrika
vieler Bekannter verändert zu haben oder zumindest ändern zu
können. Ich glaube, in dieser Form ist Entwicklungszusammenarbeit eine Bereicherung für alle Seiten.“ (Frieda S.)
Seite 23
2. Die Wiederentdeckung Afrikas –
Partnerschaft auf Augenhöhe Seite 24
Einladung
Wir laden Sie herzlich ein
am 27. Mai, 16.00 bis 18.00 Uhr
Konferenzraum
Rudolf-Steiner-Haus
Mittelweg 11-12, 20148 Hamburg
„Die Wiederentdeckung Afrikas –
Partnerschaft auf Augenhöhe“
Sondierungsworkshop
Im September letzten Jahres fand in der Patriotischen Gesellschaft ein sehr gut besuchtes Ratstreffen mit dem Titel „Die
Wiederentdeckung Afrikas – Partnerschaft auf Augenhöhe“ statt.
Bereits damals kündigten wir an, dass wir die dort angefangenen
Diskussionen gerne weiter vertiefen würden. Zwischenzeitlich
konnten wir beim BMZ Mittel für eine komplette Veranstaltungsreihe einwerben. Wie angekündigt, wollen wir aber nicht alleine
entscheiden, wie und was diskutiert wird. Wir laden alle Interessierten zu einem ersten Sondierungsworkshop ein, auf dem wir
gemeinsam erarbeiten wollen, welche Aspekte einer möglichen
„Partnerschaft auf Augenhöhe“ wir vertiefen werden. Zu den jeweiligen Themenfeldern werden wir dann hochkarätige ExpertInnen nach Hamburg einladen.
Als Impulsgeberin für den Sondierungsworkshop konnten wir
Frau Veye Tatah vom Verein Africa Positive e.V. aus Dortmund gewinnen. Wir freuen uns auf eine spannende Diskussion mit Ihnen.
Programm
16.00 Uhr Begrüßung und Vorstellung der Projektstruktur
Dr. Dirka Grießhaber, Geschäftsführerin Zukunftsrat
Hamburg
16.10 Uhr „Afrikas Rolle für eine nachhaltige Entwicklung
Dr. Ulf Skirke, Zukunftsrat Hamburg
16.20 Uhr „Partnerschaft auf Augenhöhe“ – wie kann das gehen?
Veye Tatah, Vorsitzende Africa Positive e.V., Dortmund
16.40 Uhr Diskussion
Welche Aspekte einer möglichen „Partnerschaft auf
Augenhöhe“ sollten in Hamburg vorrangig thematisiert
werden?
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Dirka Grießhaber
Geschäftsführerin
Seite 25
2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009
Gäste
Veye Tatah ( Jahrgang 1971) wurde in Kamerun
geboren. Nach dem Abitur nahmen die deutschen Nachbarn ihrer Eltern die damals 19-Jährige
als Au-pair-Mädchen mit nach Bremerhaven, wo
Tatah eineinhalb Jahre für die Familie arbeitete und die deutsche
Sprache lernte. Bereits während ihres darauffolgenden Informatikstudiums an der Technischen Universität gründete sie den
Verein „Africa Positive“ und das gleichnamige Magazin. Ihr Ziel:
den Deutschen ein realistischeres Afrikabild vermitteln und so
die Integration der Afrikaner, die in Deutschland leben, fördern.
Nach dem Studium arbeitete Tatah sieben Jahre als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für praktische Informatik
der TU Dortmund. Nebenbei rief sie den afrikanischen CateringService „Kilimanjaro Food“ ins Leben, um ihr ehrenamtliches Engagement zu finanzieren. Seit Anfang 2008 ist sie selbständige
Beraterin und Projektmanagerin mit Fokus Afrika. Politik, Wirtschaft und die Medien fragen sie regelmäßig als Afrika-Expertin
an. Am 25. Februar 2010 erhielt Veye Tatah das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik
Deutschland für ihr besonderes soziales Engagement.
Seite 26
Dr. Ulf Skirke ( Jahrgang 1949) ist DiplomPhysiker und Dr. phil. Er ist beruflich im Klimaschutz und der ökologischen Stadtentwicklung
in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt
tätig. Ehrenamtlich ist er im Zukunftsrat Hamburg als Mitglied
im Koordinierungskreis engagiert. Er hat in den letzten zwanzig
Jahren eine Vielzahl von Ländern des afrikanischen Kontinents
bereist.
Projektstart:
Die Wiederent­
deckung Afrikas
>> Pressemitteilung
Morgen findet im Völkerkundemuseum der Hamburger AfrikaEmpfang statt. Beim traditionellen Jahrestreffen der in Hamburg
akkreditierten afrikanischen Konsulate werden neben dem ersten
Bürgermeister rund 350 Gäste aus Wirtschaft, Gesellschaft und
Politik erwartet. Auch beim Zukunftsrat Hamburg steht Afrika derzeit im Mittelpunkt. Am Mittwoch, den 27. Mai startet ein neues
Projekt mit dem Titel „Die Wiederentdeckung Afrikas – Partnerschaft auf Augenhöhe“.
Am 27. Mai findet ein erster öffentlicher Workshop dazu statt,
welche Themen mit Bezug zu Afrika wir in Hamburg intensiver
diskutieren sollten und welche GesprächspartnerInnen wir uns
dafür wünschen. Frau Veye Tatah, Gründerin des Vereins Afrika
Positive, wird als Impulsgeberin zu Gast sein.
27. Mai, 16-18 Uhr, Rudolf-Steiner-Haus, Mittelweg 11-12, 20148
Hamburg
Gerade vor dem Hintergrund des Zieles einer globalen Nachhaltigkeit reicht eine bloße Entwicklungs „-hilfe“ Europas für Afrika nicht aus, sondern es bedarf einer gleichberechtigten Partnerschaft für eine gemeinsame nachhaltige Zukunft. Dazu gehört
auch, „schlummernde Potentiale“ Afrikas in ökonomischer, ökologischer, sozialer und kultureller Hinsicht wieder zu entdecken.
Der Zukunftsrat Hamburg fragt: was können wir zu dieser Entdeckungsreise und für eine solche Partnerschaft auf Augenhöhe
hier und dort beitragen?
„Vielfach wird in der Öffentlichkeit das Bild von Afrika als krisengeschütteltem Kontinent vermittelt. Diese Sichtweise wird
den langjährigen Traditionen und Potentialen dieses Kultur- und
Lebensraumes nicht gerecht. Trotz bestimmter Probleme weist
Afrika gerade in den letzten Jahren eine Reihe positiver Entwicklungen in den Breichen Ökonomie, soziale Entwicklung und
demokratische Stabilisierung auf,“ sagt Dirka Grießhaber, Geschäftsführerin des Zukunftsrates Hamburg.
Es ist nötig, einerseits die globale Perspektive in Frage zu stellen, und andererseits auch vor Ort, in Hamburg, zu reflektieren:
wie begegnen wir Afrika? Welche Ansätze gibt es, um Beziehungen aufzubauen? Wie positionieren sich Entwicklungs- und Partnerschaftsorganisationen? Auf welcher Basis wird z.B. die Städtepartnerschaft mit Dar es Salaam entwickelt? Wie positionieren
sich die Medien, die Wirtschaft und die Forschungsinstitute? Es
soll es eine Auseinandersetzung mit dem Verständnis von Entwicklung und der Möglichkeit einer Nachhaltigkeitsorientierten
„Partnerschaft auf Augenhöhe“ mit Afrika geben.
Dr. Dirka Grießhaber, Zukunftsrat Hamburg
Seite 27
2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009
Sondierungs­
workshop
„Die Wiederentdeckung Afrikas – Partnerschaft auf Augenhöhe“
>> Dr. Ulf Skirke
Einleitende Bemerkungen und Vorschläge (Zusammenfassung)
I. Vorbemerkung
Das allgemeine „Negativbild“ Afrikas lässt sich nicht einfach positiv umkehren, sondern es gilt, positive Entwicklungspotentiale
aufzudecken oder wiederzuentdecken.
Frage: Was ist das größte Problem Afrikas?
Meine Antwort: Die lang anhaltende Behinderung (oftmals Verhinderung) einer eigenständigen Entwicklung Afrikas – vor allem
von außen (Industrieländer), aber auch von innen (eigene „Eliten“). Es geht daher nicht um die Anpassung an Wachstumsmodelle westlicher Prägung – siehe die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise, Klimaproblematik, soziale Probleme etc. – , sondern
um die Möglichkeit eines anderen, eigenen Entwicklungs- und
Partnerschaftskonzeptes, das auf der Basis eigener Fähigkeiten
und Ressourcen Afrikas eine dynamische Balance lokal, regional
und global (Nachhaltigkeit) anstrebt.
Dazu zwei ausgewählte Stimmen:
„Afrika will nicht gerettet werden. Der Kontinent verlangt von
der Welt Anerkennung und Wertschätzung der eigenen Kapazitäten auf der Basis einer wahren und aufrichtigen Partnerschaft mit
den anderen Mitgliedern der globalen Gemeinschaft.“ (Uzodinma
Iweala, afroamerikanischer Schriftsteller).
„Afrika ist nicht arm und hilflos – wir müssen nur die wertvollen natürlichen Ressourcen und unsere menschlichen Fähigkeiten
besser für die eigene Entwicklung nutzen.“ (Generalsekretär der
Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), Juma Mwapachu).
II. Nachhaltige Entwicklung ?!
Die Grenzen des Wachstums1 sind nach wie vor augenfällig und
die Frage: Kollaps oder Balance bzw. ‚Weiter So’ oder nachhalti-
ges Umsteuern sind reale Entwicklungsmöglichkeiten zukünftiger
planetarer Entwicklung. 2
Frage: Wie weit sind Europa/Hamburg und Afrika von einer
nachhaltigen Gesellschaft entfernt?
Meine Antwort: Beide auf unterschiedliche Weise noch weit!3
Daher beginnt die Möglichkeit einer gemeinsamen Nachhaltigkeitsstrategie bzw. einer wirklichen Partnerschaft mit der Analyse
einer vergleichbaren Ausgangslage. Dazu stellt sich die übergeordnete Frage für dieses Projekt bzw. die geplanten Afrika-Veranstaltungen des Zukunftsrates:
ppWie und wo treffen sich die (Wieder)Entdeckung von Afrikas
Potentialen für Nachhaltigkeit mit Europas/Hamburgs Nachhaltigkeitsbedingungen und -möglichkeiten?
ppWie ist auf einer solchen gemeinsamen, korrespondierenden
Basis ein partnerschaftlicher Dialog möglich?
Suchen wir also gemeinsam nach Lösungen aus unterschiedlicher, aber vergleichbarer Perspektive. Ich sehe fünf Dimensionen
der Nachhaltigkeit, die zugleich fünf Themencluster für unsere
Afrika-Veranstaltungen des Zukunftsrates liefern können: die historische, die kulturelle, die ökologische, die ökonomische und die
politische Dimension
III. Themencluster/Veranstaltungsvorschläge
1. Wiederentdeckung der eigenen Geschichte
Für die zukünftige und zukunftsfähige Entwicklung ist eine authentische Analyse der eigenen Geschichte unumgänglich. Dies
ist bei Vorurteilen, wie: Afrika sei ein „geschichtsloser Kontinent“,
oder die geschichtliche Entwicklung Afrikas sei „von außen“ er2 Afrika ist in den letzten 500 Jahren des Öfteren vor allem durch Übergriffe von
außen in kollapsähnliche Situationen gebracht worden …
1 Donella Meadows, Dennis Meadows, Jorgen Randers, Grenzen des Wachstums.
3 Afrika ist mit 1,1 ha pro Person und einer Biokapazität mit 1,3 ha der einzige Konti-
Das 30-Jahre Update. Signal zum Kurswechsel (2006, 2007)
nent mit einem akzeptablen Ökologischen Fußabdruck
Seite 28
zeugt worden, keineswegs selbstverständlich. Dabei geht es
weniger um die moralische Aufrechnung und Schuldzuweisung,
sondern um historisches Selbstbewusstsein jenseits kolonialer
Geschichtsverzerrung.4 Wie und wo existieren angemessene
Geschichtsdarstellungen der afrikanisch/europäischen sowie der
vorkolonialen Epoche, in denen interkulturelle, partnerschaftliche Ansätze zum Tragen kommen? 5 Hier bietet sich z.B. eine
Kooperation mit der Universität Hamburg und dem Heinrich Barth
Institut e.V. an. Der Hamburger „Verein für Geschichte des Weltsystems e.V.“ hat bereits seine Unterstützung für die Vorbereitung
einer Veranstaltung zu dieser Thematik angeboten.
2. Das Kultur-Erbe Afrikas
Über das UNESCO Welterbeprogramm hinaus6 sollten Eigenwerte
afrikanischer vorkolonialer und gegenwärtiger Kultur betrachtet
werden,7 die auch bedeutsam für eine nachhaltige Entwicklung
sind. Dabei geht es nicht nur um Traditionspflege, sondern auch
um lebendige Weiterentwicklungen einer vielfältigen afrikanischen Kultur, von Musik, Tanz, Rhythmen über Heilverfahren bis
hin zu fraktalem Raumverständnis und komplexem Weltbild, die
Einfluss auf die übrige Welt nimmt. Von Interesse sind insbesondere die ganzheitlichen Ansätze afrikanischer Kultur, die nicht nur
ein kognitives, sondern ein umfassendes Umwelt- und Weltverständnis fördern.
Dieses könnte als Grundlage für andere, nachhaltige Bildungskonzepte in Schule und Wissenschaft dienen. Darüber hinaus sind
die „Angewandten Kulturwissenschaften“ als dritte Kraft neben
wirtschaftlicher und technischer Zusammenarbeit von großer Bedeutung.8
3. Das Natur-Erbe Afrikas
Afrika weist nicht nur den geringsten Ökologischen Fußabdruck,
sondern eine der weltweit höchsten Biodiversität auf. Es geht
um Schutz, Pflege und Entwicklung dieses Naturschatzes – auch
über den UNESCO Welterbe-Ansatz hinaus. Dazu bieten sich Kooperationen im Bereich lokaler und regionaler Öko-Projekte, wie
z.B. Ökodörfer, an. Des Weiteren sind Kooperationen bei der angemessenen Weiterentwicklung von Subsistenz – Landwirtschaft
zu bio-ökologischem Landbau. In diesem Zusammenhang wäre
auch die regenerative (Energie)-Nutzung von Biomasse und Biogas (nicht Biodiesel!) von großer Bedeutung. Ein in der bisherigen
Diskussion unterschätztes Thema ist der Öko-Tourismus.
Zum einen geht es hier um sinnvolle Kooperationen zwischen
einheimischer Bevölkerung, lokalen Kommunen und Reiseunternehmen im Umfeld von Naturparks, und zum anderen um die
weitere Einrichtung nachhaltiger, ökologischer Hotels, Lodges
oder Camps. Ein herausragendes Vorbild ist das Renaturierungs4 Ich suche seit Jahren vergeblich nach einem vernünftigen Schul- oder Lehrbuch über
projekt der Bamburi Cement Fabrik (Mombasa), wo der sog. „Haller Park“ (Bamburi nature trails)9 mit Hilfe von selbsterhaltenden
Biotopen, Sekundärwäldern, Tierzucht, Gemüsefarmen und Tourismus eine einmalige Verbindung von Ökologie und nachhaltiger
Ökonomie geschaffen wurde.
4. Nachhaltiges Wirtschaften
Im Zentrum steht hier: Afrika auf dem Weg zum Solar-Kontinent!
Es gibt starke Plädoyers, dass Afrika ein sog. „leapfrogging“
(‚Bockspringen’) vornimmt, d.h. das fossil-atomare Zeitalter überspringt und unmittelbar eine Solar-Epoche ansteuert. Insgesamt
geht es um eine neue Balance zwischen Mensch-Natur-Technik:
Dazu gehört die Initiative des ‚Club of Rome’ und des Hamburger
Klimaschutz Fonds, Photovoltaik-Strom von Afrika nach Europa zu
liefern.10 Erwähnenswert ist auch das Solarlampen-Projekt am
Viktoria-See. Ebenfalls ist auf Projekte der Universität Hamburg/
Institut für Geographie (Prof. Oßenbrügge) hinzuweisen.11
Es gilt möglichst den gesamten IT-Bereich, wie z.B. Computer,
Telekommunikation, Internet, Medientechnik insgesamt auf eine
solare Basis zu stellen. Dies gilt ebenso für die (Weiter)Entwicklung solarer Verkehrssysteme, wie Pkw, Schiffsverkehr oder Luftschiffe. Zentral ist der Aufbau eines afrikanischen Regional- und
Binnenmarktes in nachhaltiger Wirtschaftsweise.12,13 Als weiteres
Themenbeispiel ist die Vergabe von Mikrokrediten – vor allem an
Produzentinnen.
5. Politische Nachhaltigkeit
Afrika muss seine eigenen Formen und Wege zur Demokratie
finden. Die nationalstaatlichen Parteiendemokratien westlicher
Prägung sind keineswegs die alleinigen Vorbilder. Vielmehr gilt
es, eigene gesellschaftliche afrikanische Traditionen wiederzuentdecken und weiter zu entwickeln. Insbesondere seien die
lang andauernden Erfahrungen mit selbstorganisierten Zivilgesellschaften, komplexen regionalen Einheiten sowie kommunaler
Selbstverwaltung und vernetzten Dorfgemeinschaften hervorgehoben. Inwieweit sind eigene Formen afrikanischer Konfliktlösungen, wie z.B. das Palaver oder eigene Rechtsprechung (z.B.
„Wahrheitskommissionen“ in Südafrika oder modernisierte Gacaca Gerichte in Ruanda) aufzugreifen? Wie lassen sich weiterhin
Menschenrechte oder Geschlechtergerechtigkeit mit den Wurzeln
afrikanischer Traditionen vereinbaren und ggf. neu gestalten?
Schließlich gilt es einen afrikanisch-europäischen Dialog über die
Zukunft der Demokratie zu führen, z.B. über Formen der Rückkopplung der Zivilgesellschaft an politische Systeme hin zur
Nachhaltigkeitsdemokratie (vgl. das umfassende Konzept von
Mohssen Massarrat, Demokratisierung der Demokratie (2003)).
Die Veranstaltung wurde gefördert von Inwent gGmbH aus Mitteln des BMZ.
afrikanische Geschichte
9 Mit wesentlicher Unterstützung des Schweizer Agronomen Dr. Rene Haller entstanden
5 Beispiele wären die interkulturellen und interdisziplinären Forschungen im 19. Jahr-
10 Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC)
hundert von Heinrich Barth oder von Mary Kingsley, die Afrikaner und Europäer gegen
11 z.B. die Studie: „ Probleme der Energieversorgung und nachhaltige Entwicklung im
den damaligen Zeitgeist als gleichwertige Partner betrachteten.
südlichen Afrika“
6 Das Welterbeprogramm umfasst Kulturdenkmäler und Naturdenkmäler
12 Europa wickelt knapp 70% seiner Wirtschaft im europäischen Binnenmarkt ab, der
7 Die Ergänzung des Welterbeprogramms „Meisterwerke des mündlichen und immate-
afrikanische „Binnenmarkt“ beträgt nicht mehr als 15%.
riellen Erbes der Menschheit“ geht in eine solche Richtung
13 Hier gilt es auch die „Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD)“ für eine
8 Dazu sind die Forschungsprojekte des Heinrich Barth Institutes (Köln) hervorzuheben.
nachhaltige Entwicklung zu nutzen
Seite 29
2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009
Partnerschaft auf
Augenhöhe – wie kann das gehen?
>> Dipl. Inf. Veye Tatah
Die Wiederentdeckung Afrikas!
ppAls eigenständige und souveräne Länder mit eigenen Interessen und Recht auf eigene Meinung?
ppAls Spielfeld von westlichen Machtexperimenten?
ppAngst vor China, Brasilien und Indien?
ppMit neuen Ansätzen in der Entwicklungspolitik zwecks Absicherung des Zugangs zu Ressourcen
ppKulturelle Vielfalt
–Das wäre mit Sicherheit eine Art der Annäherung an die afrikanische Kultur, mit dem Ziel, zu verstehen, was für eine besondere Rolle sie in der Gesellschaft und bei der Entwicklung
spielt
ppMit seiner wahren Geschichte?
ppWem gehört Afrika?
Bestandsaufnahmen
ppEntwicklungsdilemmata
–Von einer historische Perspektive her
–Warum wurde eine Grundlage für die Industrialisierung des
Kontinents von den damaligen Kolonialherren nicht gelegt?
ppWurde Afrika nicht absichtlich von den Kolonialländern unterentwickelt?
–Konzentration von wirtschaftlichen Aktivitäten auf den Export
von natürlichen Ressourcen
–Anbau von „Cash Crops“ anstatt Nahrungsmittel für den Eigenbedarf
ppDestabilisierung von afrikanischen Regierungen durch Staatsstreiche
–Mit Unterstützung von westlichen Geheimdiensten
–Durch IMF und World Bank
ppWarum wurden keine sinnvollen Rahmenbedingungen für eine
Seite 30
friedliche und nachhaltige Nationenbildung vor der Unabhängigkeit angelegt?
ppWenn man es ernsthaft mit der Entwicklungshilfe meint, warum hat sich die Entwicklung Afrikas bis jetzt dadurch nicht
deutlich verbessert?
ppUrsache der Entwicklungsdilemmata in Afrika
–Korruption, politische Instabilität
–falsche Beratung von IMF und World Bank
ppAbwertung von afrikanischen Währungen
–Interesse und Ausbeutung von natürlichen Ressourcen durch
die multinationalen Firmen
–Fehlende demokratische Praktiken
–Verschwenderische Ausgaben der Eliten
–Andauernde Kriege
ppWaren die Meinungen der Afrikaner und deren Interesse irgendwann mal wichtig für die Industrieländer?
–Erst in den Momenten, wenn es um westliche Interessen geht
–„ Ja-sagende“ afrik. Regierungen, die ihre Nationen an den
Westen ausgeliefert haben, aufgrund von Entwicklungshilfe
und Krediten
–Wer sich dagegen stellt wird entthront oder durch Wirtschaftssanktionen in die Knie gezwungen
ppDie Bedrohung Europas durch die wirtschaftliche Entwicklung
und Industrialisierung Afrikas
–Würde Afrika selbst produzieren, wo nähme Europa dann die
natürlichen Ressourcen für seine eigene Industrie her?
–Wenige Exporte nach Afrika bedeuten hohe Arbeitslosigkeit
ppÜberwiegend Gelder an Sektoren, die keine Wertschöpfung in
Afrika erzielen
ppKeine erkennbare Investitionen in Infrastrukturen
ppKein Technologie-Transfer im Agrarsektor, aber immer bereit,
Nahrungsmittel für die Armen zu geben
ppAgrarsubventionen zu Lasten der Länder
ppKein „Ownership“ von eigenen Lösungsansätzen
ppEPA-Abkommen
Kann es eine Partnerschaft auf Augenhöhe geben?
ppAnerkennung des Unrechts an die Afrikaner und die Ausbeutung des Kontinents
ppFinanzielle Wiedergutmachung
ppGemeinsame Ansätze zur realistischen Darstellung der Geschichte Afrikas durch Afrikaner und Europäer
–Eurozentrische Geschichtsschreibung verfälschte das Bild Afrikas
–Mittlerweile Revidierung dieser Sicht –jedoch muss dies verstärkt unternommen und in die Öffentlichkeit gebracht werden
–Widerfindung der historischen Identität und einer Selbstidentifikation über die eigene Geschichte ist
ppwesentlich für die Entwicklung der Menschen in Afrika
ppKolonialismus und Imperialismus hat die geistige, kulturelle
und Geschichte Afrikas getötet
–und somit die Würde des Menschen
–Gehirnwäsche und Minderwertigkeitskomplexe
pp–Hass auf die eigenen Länder und sich selbst
ppMentale Revolution und afrikanische Renaissance
–Neue Ansätze in der formellen und informellen Bildung
–Schwerpunkt auf Praktische Ausbildung legen
ppNachhaltige Entwicklung
–Braucht langfristige Perspektiven, basiert auf maximaler lokaler Wertschöpfung
–Soziale und Umweltentwicklung
ppWüstenbildung, Abholzungen und Erosion
–Traditionelle Demokratie muss in Nationenbildung eingebunden werden
–Traditionelle bewährte Rechtssysteme integrieren
–Traditionelle Medizin und die westliche Medizin harmonisieren
ppWem nutzt die Entwicklungshilfe?
–den deutschen Unternehmern oder den Afrikanern?
ppBeendigung von Spendenkampagnen seitens der großen NGOs
und gewisser Prominenter
ppVerstärkte Forderungen in Bezug auf die Rückführung gestohlener Gelder durch Diktatoren und deren Zusammenarbeit mit
Europa
ppDemokratien SOLLEN Demokratien unterstützen!
ppDie Rolle der westlichen Medien
–Objektive Berichte über die verschiedenen Akteure, die die
Entwicklung Afrikas verhindern
–Offenlegung der Rolle von Industrieländern und Unternehmen in der Verarmung des Kontinents
–Unterstützung bei der Aufdeckung und Verfolgung von Korruptionsfällen zu Lasten der afrikanischen Bürger
–Realistische Darstellung des modernen und traditionellen Afrikas
Seite 31
2. Sondierungsworkshop – 27.05.2009
Diskussions­
ergebnisse
In der Diskussion wurden folgende Fragen/Themen besprochen,
die in den zu planenden Vorträgen aufgegriffen werden sollen:
Ziel des Projektes:
ppWas wollen wir mit dem Projekt erreichen?
ppWarum wollen wir etwas erreichen?
Inhaltliche Fragestellung
ppWas ist nachhaltige Entwicklung?
ppWir alle können so nicht weiter machen
ppWelchen Beitrag können wir von hier leisten?
ppUnsere Verantwortung für Eine Welt
Methodische Herangehensweise
ppWer entscheidet, wie Afrika sich entwickelt?
ppWas bedeutet „Partnerschaft auf Augenhöhe?“
ppDialog von Mensch zu Mensch
ppRegionale Eingrenzung?
Konkrete Themen:
ppGeschichte aufarbeiten
ppKritik an der Entwicklungshilfe
ppStädtepartnerschaft Dar es Salaam
ppSolarkontinent
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Seite 33
3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009
3. Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?!
Anforderungen an Wirtschaft und Politik
Seite 34
Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?!
Anforderungen an Wirtschaft und Politik
„Die langanhaltende Verhinderung einer
Fähigkeiten und Ressourcen Afrikas eine
eigenständigen Entwicklung – von außen
dynamische Balance anstrebt?
(Industrieländer) aber auch von innen
(„Eliten“) – ist das größte Problem Afri-
Im Juni 2009 unterzeichnete Hamburgs
kas“, so Dr. Ulf Skirke vom Zukunftsrat
zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch
Hamburg.
die Vereinbarung über eine vertiefte Zu-
Wie könnte aber eine Partnerschaft auf
sammenarbeit zwischen Hamburg und der
Augenhöhe aussehen? Ist es die Anpassung
tansanischen Hafenstadt Dar es Salaam.
an Wachstumsmodelle westlicher Prägung
Ein Beispiel für Partnerschaft auf Augen-
oder eher ein Konzept, das auf Basis der
höhe? Wir wollen mit Ihnen diskutieren!
Begrüßung
Veranstaltungsort:
DeutscheZentralbibliothek
fürWirtschaftswissenschaften
NeuerJungfernstieg21
20354Hamburg
Dr. Ulf Skirke (Zukunftsrat Hamburg)
Karin Heuer (umdenken Heinrich Böll Stiftung e.V.)
Podiumsdiskussion
Christa Goetsch
(Zweite Bürgermeisterin, Präses der Behörde für Schule und Berufsbildung, Hamburg)
BestehendeKooperationenzwischenHamburg
undDaresSalaam,Tansania
PD Dr. Dr. Ulrich van der Heyden
(Afrika- und Kolonialhistoriker, Humboldt Universität Berlin)
WaskannHamburgausderKolonialgeschichte
fürdieZukunftlernen?
Klaus von Bismarck
Am Dienstag, den
3.11.2009
um 19.30 Uhr
Podiumsdiskussion
Eintritt frei!
(Geschäftsführer AMS Beverage Engineering and Services)
HamburgerUnternehmeninOstafrika
Prof. Dr. Louis Henri Seukwa
(Erziehungswissenschaftler und Postkolonialtheoretiker, HAW Hamburg)
Voraussetzungenfüreinenachhaltige
PartnerschaftaufAugenhöhe
Kurt Hirschler
Anmeldungerbetenbei:
KritischeAnmerkungenzumStatusQuoder
geplantenStädtepartnerschaft
Zukunftsrat Hamburg
Moderation: Anke
info@zukunftsrat.de
Butscher
(Politikwissenschaftlerin und ehem. Geschäftsführerin EWNW Hamburg)
Foto: Photocase.de
Gestaltung: mebusplus.de
(Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt deutsch-tansanische Kooperationen)
Mittelweg 21 20148 Hamburg
T 040 / 39 10 97 31
www.zukunftsrat.de
Anschließend Diskussion bis circa 21.30 Uhr
Dieses Projekt wurde gefördert durch:
Eine Veranstaltung von:
Seite 35
3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009
Gäste
Dr. Ulrich van der Heyden ( Jahrgang 1954) ist
Afrika- und Kolonialhistoriker sowie Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Afrika. Er lehrt
am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und
ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Missions- und
Religionswissenschaft sowie Ökumenik der Humboldt-Universität zu Berlin. Van der Heyden studierte Geschichte und Asienwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin und war von
1984 bis 1991 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie
der Wissenschaften der DDR, von 1992-1994 wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Zentrum Moderner Orient und am Seminar für
Afrikawissenschaften and der Humboldt-Universität Berlin. Er
ist (Mit-)Herausgeber von vier wissenschaftlichen Buchreihen;
zahlreichen Büchern und wissenschaftlichen Beiträgen zur Afrika- und Kolonialgeschichte.
Karin Heuer ( Jahrgang 1954) arbeitet seit
1993 für umdenken e.V., das Politische Bildungswerk Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg, als
Referentin für Umwelt und Bildung. Sie ist zu­ständig für den Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung
und zusätzlich seit 2002 für die Geschäftsführung. Davor war sie
als Landwirtschaftlich-technische Assistentin u. a. im Bereich
Meeresforschung und Umweltschutztechnik tätig. In der Bundestagsfraktion der Grünen hat sie von 1987-1989 als wissenschaftliche Mitarbeiterin zu den Themen Datenschutz sowie Gen- und
Reproduktionstechnologie gearbeitet.
Sie ist gewähltes Mitglied im Beirat der Landeszentrale für
politische Bildung. Außerdem engagiert sie sich u. a. im BUND,
der Deutsch-Tansanischen-Partnerschaft und im Zukunftsrat
Hamburg.
Klaus von Bismarck ist Hamburger Unternehmer und Geschäftsführer der AMS Beverage Engineering and Services. Durch verschiedene Kooperationen vor allem mit ostafrikanischen Ländern
gilt er als Kenner der arikanischen Wirtschaft.
Seite 36
Prof. Dr. Henri Louis Seukwa ( Jahrgang
1967) stammt ursprünglich aus Kamerun. Er
hat 2005 am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg promoviert und ist
seit 2007 Professor für Erziehungswissenschaften an der Fakultät
Wirtschaft und Soziales der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Er wurde unter anderem durch sein Buch
„Der Habitus der Überlebenskunst: Zum Verhältnis von Kompetenz und Migration im Spiegel von Flüchtlingsbiographien“
(2006) bekannt, das 2007 mit dem Augsburger Wissenschaftspreis für Interkulturelle Kompetenz und den Karl-Dietze Wissenschaftspreis ausgezeichnet. Am 29. Oktober erhielt Seukwa den
Höffmann-Wissenschaftspreises Interkulturelle Kompetenz. Mit
dem Preis wurden seine Forschungsleistungen in diesem Gebiet
gewürdigt.
Kurt Hirschler ist freiberuflicher Politikwissenschaftler mit
Schwerpunkt deutsch-tanzanische Kooperationsbeziehungen
und arbeitet in der politischen und interkulturellen Bildung
und Beratung. Die Kooperation zwischen Hamburg und Dar es
Salaam hat er mehrere Jahre intensiv begleitet. Die von ihm
mitbegründete Tanzania-Koordination Hamburg beschäftigt sich
mit folgenden Themen und Projekten: Partnerschaften zwischen
Organisationen in Tanzania und dem Hamburger Raum, wissenschaftliche Forschung, Erneuerbare Energien, Gesundheitspartnerschaft, Schulpartnerschaften, Kirchenpartnerschaften und
Medienkooperation.
Seite 37
3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009
Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit
zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg
und der Stadt Dar es Salaam (2009 -2010)
Die Freie und Hansestadt Hamburg und die Stadt Dar es Salaam haben mit einer ersten Erklärung am 20. März 2007 ihre
Zusammenarbeit formal begründet und dabei acht Handlungsfelder ausdrücklich benannt. Die Erklärung sollte die Zeit bis Ende
2008 erfassen. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg
und der Stadtrat von Dar es Salaam stimmen darin überein, dass
sich die Zusammenarbeit bewährt hat und zunächst für die Jahre
2009 und 2010 fortgesetzt, erweitert und vertieft werden soll.
Sie stellen mit Genugtuung fest, dass sich der Kreis der öffentlichen und nichtstaatlichen Akteure in beiden Städten, die an einer
Zusammenarbeit auf ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld interessiert
sind, stark vergrößert hat und bereits ein großes Spektrum des
gesellschaftlichen Lebens abbildet.
Sie bekräftigen, dass die Zusammenarbeit in der Hauptsache
folgenden Zielen dienen soll:
ppVerbesserung der städtischen Dienstleistungen in Dar es Salaam zur Erhöhung der Lebensqualität der Bevölkerung
ppWissensaustausch im Bereich von Forschung und Lehre
ppKulturelle Verständigung und Lernen voneinander
Im Einzelnen vereinbaren Dar es Salaam und Hamburg für die
Jahre 2009 und 2010 Folgendes:
1. Die Zusammenarbeit umfasst folgende Felder:
1.1 Abfallbehandlung (Partner: Stadtreinigung Hamburg /Dar es
Salaam City Council, Solid Waste Management): Expertenaustausch; technische und organisatorische Beratung zu den folgenden Themen: Sammlung und Ablagerung von Abfall, Bau
und Betrieb einer ordnungs- und zeitgemäßen Deponie für
Siedlungsabfälle, Pilotprojekt zur Erfassung von organischen
Abfällen und deren Aufbereitung zu hochwertigem Kompost
1.2Abwasserbehandlung (Partner: Hamburg Wasser /DAWASA Dar
Seite 38
es Salaam Water and Sewerage Authority sowie Tanzanian
Ministry of Water and Irrigation): Unterstützung von organisatorischen und kaufmännischen Prozessen, insbesondere Erstellung von Finanzplanung, Abrechnungssystem, Controlling
und Gebührenerhebungen; Management-Schulungen; Expertenaustausch; technische Unterstützung bei Brunnenbohrungen, Ingenieurplanungen für Wasserwerke, Kläranlagen und
Netze
1.3Feuerwehr (Partner: Feuerwehr Hamburg /City Fire Brigade
Department of Dar es Salaam): Expertenaustausch; fachliche
Beratung in Belangen der Brandbekämpfung und des vorbeugenden Brandschutzes; Schulung für die Feuerwehr Dar es
Salaam.
1.4Hafen und Logistik
a. (Partner: HPA - Hamburg Port Authority /TPA – Tanzania Ports
Authority): Unterstützung bei der Erstellung eines Konzepts
zum Aufbau einer Hafenbahn-Infrastruktur
b. (Partner: Uniconsult GmbH, Hamburg, Hamburg Port Consult GmbH /Tanzania Ports Authority, Port of Dar es Salaam):
Angebot von Workshops für tansanische Hafen und Transportexperten in Hamburg und Dar es Salaam; gemeinsame
Entwicklung von Förderkonzepten und -projekten, speziell im
Schnittstellenbereich Hafen /Schiene (Hinterlandtransport)
1.5Hochschulen (Partner: HafenCity Universität Hamburg /ARU
Ardhi University, Dar es Salaam): Wissenschaftlicher Austausch zu Fragen der Stadtplanung, Architektur, des Bau und
Umweltingenieurwesens
1.6Museen (Partner: Hamburgisches Museum für Völkerkunde /
National Museum of Tanzania): Expertenaustausch; Beratung
für Hamburg hinsichtlich der Präsentation afrikanischer Exponate; Beratung für Dar es Salaam hinsichtlich MuseumsManagement
1.7 Jugendarbeit (Partner: Jugendfeuerwehr Hamburg und Kawaida e.V. /City Fire Brigade Department of Dar es Salaam und
Dogodogo Center): Regelmäßiger Austausch von Jugendlichen, Aufbau einer Internats-Feuerwehr im Dogodogo Center;
Ausbildung von Jugendbetreuern für die Jugendarbeit in Dar
es Salaam
1.8Schulen: Angestrebt werden weitere Partnerschaften zwischen weiterführenden Schulen beider Städte, die der interkulturellen Verständigung und der Bildung für nachhaltige
Entwicklung dienen.
1.9 Gesundheitsversorgung (VIMZ – Verein für Internationale Medizinische Zusammenarbeit e.V., Hamburg /Amana Hospital,
Dar es Salaam): Erfahrungsaustausch und Beratung in Fragen
der Gesundheitsversorgung, Austausch von Ärzten und Pflegepersonal zur Weiterbildung, finanzielle Unterstützung bei
der Verwirklichung ausgewählter Projekte im Amana-Hospital
1.10Erneuerbare Energien (DTP – Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V., Hamburg / TASEA – Tanzania Solar Energy Association,
Dar es Salaam): Entwicklung und Verbreitung der Nutzung erneuerbarer Energien, Unterstützung bei Klimaschutzprojekten
in Dar es Salaam
1.11Sonderpädagogik (Evangelische Stiftung Alsterdorf, Hamburg)
– Berufliches Training für junge Menschen mit geistiger Behinderung (Partner: Einrichtungen der Evangelic Lutheran
Church of Tanzania, Eastern and Coastal Diocese, Dar es Salaam)
– Implementierung von Ausbildungsinhalten der Sonderpädagogik in die Ausbildung tansanischer Sozialarbeiter (Partner: Institute of Social Work, Dar es Salaam)
1.12.Freiwilligendienste
a.Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V., Hamburg / Tanzania
Solar Energy Association, Dar es Salaam
b.Kawaida - Sozialer Dienst in Afrika e.V, Hamburg / Community Based Child Care Trust Fund, Dar es Salaam Einrichtung
langfristiger Partnerschaften mit Trägern von Bildungs-, Sozial- und Umweltprojekten in Dar es Salaam im Rahmen
bestehender Entsendeprogramme deutscher Freiwilligendienste. Dabei streben die Partner auch die Möglichkeit
der Entsendung tansanischer Freiwilliger nach Hamburg
(Reverse-Programm) an.
1.13.Rotkreuz-Zusammenarbeit (Partner: Deutsches Rotes Kreuz
Landesverband Hamburg / Tanzanian Red Cross, Dar es Salaam
branch): Beratung und Unterstützung beim Auf- und Ausbau
von Rotkreuz-Strukturen in Dar es Salaam; Beratung und
materielle Unterstützung der im Katastrophenschutz tätigen
schnellen Einsatzgruppe des Roten Kreuzes in Dar es Salaam;
Patenschaft für einen Kindergarten des Roten Kreuzes in Dar
es Salaam; Unterstützung eines Landwirtschaftsprojektes zur
Verbesserung der Einkommenssituation von HIV-Infizierten
und Aidskranken; Jugendaustauschprogramm
2. Beide Städte fördern die genannten Aktivitäten und die Aktivitäten Dritter (private Organisationen und Initiativen, Religionsgemeinschaften, Wirtschaft, Handwerk, Kunst und Kultur,
Medien etc.) im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Möglichkeiten. Soweit für den Erfolg der Zusammenarbeit die Mitwirkung von Stellen der jeweiligen nationalen Regierung erforderlich ist, werden sich beide Städte um deren Unterstützung
bemühen.
3. Jede der Städte ernennt eine Person, die mit der Koordination
der Zusammenarbeit beauftragt wird. Dies sind
– für Hamburg: Herr Stefan Herms
– für Dar es Salaam: N.N.
Jede der Städte stattet ihren Koordinator mit den erforderlichen Mitteln zur Erfüllung seiner Aufgaben aus (Büromittel,
Reisekosten).
4. Diese Erklärung gilt für die Jahre 2009 und 2010. Spätestens
im Juni 2010 treten die beiden Koordinatoren miteinander in
Verbindung, um zu erörtern, wie die Zusammenarbeit fortgeführt werden soll.
5. Beide Städte werden ihre jeweilige gewählte Volksvertretung
(Hamburgische Bürgerschaft, Dar es Salaam City Council)
über den Stand der Zusammenarbeit in Kenntnis setzen.
Dar es Salaam, den 12. Juni 2009
Adam O. Kimbisa
Christa Goetsch
Bürgermeister der
Zweite Bürgermeisterin der
Stadt Dar es Salaam Freien und Hansestadt Hamburg
Seite 39
3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009
Was kann Hamburg aus der Kolonial­
geschichte lernen?
>> Dr. Ulrich van der Heyden
Als Politikwissenschaftler und vor allem als Historiker frage ich
mich immer, wenn es um eine Fragestellung zu vergangenen
überseeischen Beziehungen geht, auf welchen Grundlagen solche Beziehungen, etwa zwischen Europa und Afrika, fundamentiert sind. In diesem heute hier zu diskutierenden Falle zwischen
der Hansestadt Hamburg und der tansanischen Hauptstadt Dar
es Salaam. Und bei solchem Nachdenken stößt man auf interessante und zum Teil schockierende historische Zusammenhänge.
Denn Deutschland gehörte zu denjenigen europäischen Kolonialmächten, die seit der sogenannten Berliner Kongo-Konferenz von
1884/85 den afrikanischen Kontinent unter sich aufteilten. Eine
der vier zu Deutschland gehörenden afrikanischen Kolonien war
das damalige Deutsch-Ostafrika, welches hauptsächlich aus dem
heutigen Staat Tansania bestand.
Aufgrund dieser kolonialen Beziehungen, die im höchsten
Maße ungleiche waren, erwächst für uns heute in Deutschland
Lebende eine besondere Verpflichtung. Auf einige dieser historischen Ereignisse, die uns eine besondere moralische Verantwortung auferlegen, gehört der aufgeklärte, kritische und dennoch
zukunftsorientierte Blick auf die zuweilen Jahrhunderte alten Beziehungen zweier mehr oder minder homogener Völkerschaften
und ihrer politischen Führungen einer bestimmten Region.
In diesem Sinne hätte fast jede Kommune in Deutschland, bei
genauer historischer Recherche, solche besonderen Beziehungen
nach Übersee aufzuarbeiten und sich damit auseinanderzusetzen.1 Aber kaum eine andere Stadt in Deutschland hat solch intensive Kontakte zu Afrika und demzufolge zur Kolonialdiktatur
auf dem afrikanischen Kontinent, wie die Hansestadt Hamburg.
Diese besonderen Beziehungen ergeben sich vor allem daraus,
dass Hamburg eine Hafenstadt ist; von hier aus wurde schon
recht frühzeitig Überseehandel betrieben. 2 Schon vor Beginn der
direkten deutschen Kolonialherrschaft in Afrika 1884/85 gab es
Kontakte zum „schwarzen Nachbarkontinent“. Auf einige, wenige
solcher Beziehungen möchte ich hinweisen.
So gehörten die Hamburger Kaufleute zu den größten Profiteuren des transatlantischen Sklavenhandels in Deutschland. Ich
nenne nur die Firma Schimmelmann, über die in der Vergangenheit einige wichtige Forschungsergebnisse vorgelegt wurden.
Auch an dem Handel mit Öl und Gewürzen aus der Fremde hatten Hamburger Kaufleute immer großes Interesse und erwirtschafteten nicht unbedeutende Profite.
Viele eingehende Informationen über diese „kolonialen Beziehungen“ zwischen Hamburg und Übersee vermittelt eine interessante von Heiko Möhle herausgegebene Broschüre3, die ich allen
Interessierten empfehlen möchte.
In der Zeit der direkten deutschen Kolonialherrschaft profitierte
Hamburg in herausgehobenem Maße vom kolonialen Handel und
demzufolge vom deutschen Kolonialismus. Der Hamburger Hafen
war der größte Umschlagplatz für Kolonialwaren. Von Hamburg
aus organisierte zunächst der Tierparkbesitzer Carl Hagenbeck
die verabscheuungswürdigen Völkerschauen.4 Hamburg war auch
ein herausragender Ort der Entstehung sogenannter Kolonialwissenschaften, wovon die Gründung des Kolonialinstituts5 im
Jahre 1908 Zeugnis ablegt; auch andere Wissenschaftsdisziplinen
hatten ihren Ursprung während der Zeit des Kolonialismus, wie
1 Vgl. van der Heyden, Ulrich/Zeller, Joachim (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande. Eine
5 Vgl. Ruppenthal, Jens: Das Hamburgische Kolonialinstitut als verdeckter Erinnerungs-
Spurensuche in Deutschland, Erfurt 2007.
ort, in: van der Heyden/Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 161-165.
Seite 40
2 Vgl. Plagemann, Volker (Hrsg.): Übersee. Seefahrt und Seemacht im deutschen
Kaiserreich, München 1988.
3 Vgl. Möhle, Heiko (Hrsg.): Bibeln, Branntwein und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika. Eine Spurensuche in Hamburg, Hamburg 1999.
4 Vgl. Thode-Aurora, Hilke: Für 50 Pfennig um die Welt. Die Hagenbeckschen Völkerschauen, Frankfurt am Main/New York 1989.
beispielsweise die Afrikanistik6 oder die Tropenmedizin. Nicht unbedeutend ist auch die Tatsache, dass an der Hamburger Universität im Jahre 1911 die erste Professur für Kolonialrecht an einer
deutschen Hochschule eingerichtet wurde.7
Im Hamburger Straßenbild finden sich heute noch viele Zeugnisse aus der kolonialen Vergangenheit. Ich erinnere nur an den
sogenannten Tansania-Park8, an Straßennamen und sonstige
steinerne Erinnerungsorte, die sich in Denkmälern und in der Architektur manifestieren.
Aber Hamburg war – auch dies sollte nicht vergessen werden
– ebenso eines der Zentren des Widerstandes gegen den Kolonialismus. Ich verweise nur auf das hier vorhandene Büro des
„Internationalen Komitees der Negerarbeiter“.
Außerdem ist Hamburg wohl eine jener deutschen Städte, in
der die afrikanische Diaspora wohl am vehementesten bis in die
heutigen Tage angewachsen ist.9 In Hamburg wurde im Jahre
1967 zum ersten Mal in Deutschland ein koloniales Denkmal gestürzt, das Wissmann-Denkmal vor der Hamburger Universität.10
Wenn die Stadt Hamburg vor diesem historischen Hintergrund
eine neue, gleichberechtigte Beziehung zu einer Partnerstadt in
Afrika anstrebt, die auch noch zu den exponierten Kolonialstädten
des deutschen Kolonialreichen gehört,11 sollten sich die Akteure
der ungleichen Beziehungen zwischen Deutschland und Afrika in
den vergangenen Jahrhunderten bewusst sein. Denn dies waren
alles andere als freundschaftliche oder partnerschaftliche Kontakte. Allein während des Maji-Maji-Krieges töteten im Jahre 1907
die deutschen Kolonialtruppen etwa 120 000 Afrikaner in Ostafrika.12 Nicht unerwähnt sollte die unwürdige Geschichte über den
abgeschlagenen Kopf des Häuptling Kwawa sein, der jahrzehntelang in einem westdeutschen Museum aufbewahrt wurde, bevor
er Ende der 1950er Jahre nach Tansania zurückgeführt wurde.13
Auch außerhalb der Zeiten, in denen völkermordähnliche Exzesse von den Deutschen verübt wurden, herrschten die deutschen Kolonialherren in den von ihnen beanspruchten Herrschaftsgebieten mit Gewehr und Peitsche.14 Dieser Traditionen
sollten sich alle Deutschen, die gedenken, in Tansania Handel zu
treiben oder die dort eine partnerschaftliche Zusammenarbeit su6 Vgl. Meyer-Bahlberg, Hilke/Wolff, Ekkehard (Hrsg.): Afrikanische Sprachen in
Forschung und Lehre. 75 Jahre Afrikanistik in Hamburg (1909-1984), Berlin/Hamburg
1986.
7 Vgl. Sippel, Harald: Hamburg. Koloniale Rechtsforschung im Deutschen Reich, in: van
der Heyden/Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 166-170.
8 Vgl. Möhle, Heiko: Hamburg-Jerfeld. Von der Traditionspflege zum postkolonialen
Erinnerungsort? Der „Tansania-Park“ in der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne, in:
van der Heyden/Zeller (Hrsg.): Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 275-280.
9 Vgl. Dettmar, Erika: Rassismus, Vorurteile, Kommunikation. Afrikanisch-europäische
Begegnung in Hamburg, Berlin/Hamburg 1989.
10 Vgl. Uhlmann, Gordon: Das Hamburger Wissmann-Denkmal. Von der kolonialen Weihestätte zum postkolonialen Debatten-Mahnmal, in: van der Heyden/Zeller (Hrsg.):
Kolonialismus hierzulande, a.a.O., S. 281-285.
11 Vgl. Becher, Jürgen: Dar-es-Salaam, Tanga und Tabora. Stadtentwicklung in Tansania
chen, bewusst sein. Wir können nicht über solche Grausamkeiten
der Vergangenheit einfach hinweggehen, solange die Wunden
nicht vernarbt sind.
Nun können wir Deutsche uns nicht pausenlos Asche aufs
Haupt streuen, aber wir heutige Lebenden sollten uns aufgrund
der Handlungen unserer Altvordern unserer moralischen Verantwortung bewusst sein.
Was kann man diesbezüglich vor allem von der historischen
Wissenschaft erwarten?
Zum einen geht es um die wissenschaftliche Aufarbeitung des
Kolonialismus in Afrika, seiner bis in die Gegenwart andauernden Folgen und der kolonialen Beziehungen zwischen Deutschland und seinen afrikanischen Kolonie. Da ist zunächst einiges
Beachtliches zu Zeiten der DDR im Ostteil Deutschlands15 sowie
in den vergangenen zwei Jahrzehnten im vereinten Deutschland
geschehen. Die Aufarbeitung der Geschichte des Kolonialismus
ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen.
Des Weiteren sollten, und dies ist bisweilen viel zu wenig geschehen, die in den deutschen Archiven lagernden historischen
Quellen den betroffenen afrikanischen Staaten zugänglich gemacht werden. Das heißt nicht, dass ganze Archivbestände nach
Afrika transportiert werden sollen, sondern ich meine vielmehr
dass relevante Akten in Kopie ihren Weg in die nationalen Archive
der ehemaligen Kolonien finden sollten. Entsprechende Absichtserklärungen sind zwischen Politikern ausgetauscht, aber kaum in
die Praxis umgesetzt worden. Lediglich einige kirchliche Institutionen haben sich ihrer Verantwortung für die Vergangenheit gestellt und haben afrikanischen Staaten in Kopien relevante Akten
zur Auswertung zur Verfügung gestellt.
Da die Editionen von Archivdokumenten ein recht kostenaufwändiges Unternehmen ist, könnten z. B. auf diesem Gebiet
Wirtschaft und Wissenschaft in Deutschland zusammenarbeiten.
Denn eine Dokumentenpublikation beispielsweise, die den Afrikanern etwa bei der Identitätsfindung und -stärkung behilflich ist
oder hilft, Landgerechtigkeit herzustellen, könnte auch „Türöffner“
für Handelsgeschäfte sein.
Es geht mir also darum aufzuzeigen, dass wir uns bei jeder
Form der Ausgestaltung von Beziehungen bewusst sein müssen,
auf welchen konkreten historischen Grundlagen neue, selbstverständlich positiv zu sehende Partnerschaften zu errichten sind. Es
gilt genau zu prüfen, ob es historische Fundamente gibt, auf die
man aufbauen kann, oder ob es solche sind, die man lieber als
Gedenkstätte nutzen sollte. Andere Fundamente oder Mauerreste
sollte man ein für alle Male beseitigen.
In diesem Sinne hoffe ich, dass sich alle Akteure bei der Ausgestaltung der Partnerschaft zwischen Hamburg und Dar es Salaam
nicht zuletzt ihrer aus der Vergangenheit übernommenen Verantwortung bewusst sind.
unter deutscher Kolonialherrschaft (1885-1914) (=Missionsgeschichtliches Archiv, Bd. 3),
Stuttgart 1997.
12 Vgl. Becker, Felicitas/Beez, Jigal (Hrsg.): Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika
1905-1907, Berlin 2005.
13 Vgl. Baer, Martin/Schröter, Olaf: Eine Kopfjagd. Deutsche in Ostafrika. Spuren kolo-
15 Vgl. van der Heyden, Ulrich: Tansania in der DDR-Wissenschaft. Eine paradigmati-
nialer Herrschaft, Berlin 2001.
sche Untersuchung der Afrika- und Kolonialgeschichtsschreibung in der DDR, in: ders./
14 Vgl. Müller, Fritz-Ferdinand: Kolonien unter der Peitsche. Eine Dokumentation,
Benger, Franziska: Kalter Krieg in Ostafrika. Die Beziehungen der DDR zu Sansibar und
Berlin 1962.
Tansania (=Die DDR und die Dritte Welt, Bd. 8), Berlin 2009, S. 149-168.
Seite 41
3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009
Voraussetzungen für eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe
>> Prof. Dr. Henri Louis Seukwa
Fakultät für Wirtschaft und Soziales der HAW Hamburg
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich wurde gebeten, maximal 10 Minuten die Voraussetzungen
für eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe zu erörtern.
Da Gegenstand und Form einer Partnerschaft vielfältig sind (wie
Liebesbeziehungen, Wirtschaftsbeziehungen, etc.) werde ich
mich hier vom Titel der Veranstaltung ausgehend ausschließlich
mit den Voraussetzungen für eine nachhaltige Partnerschaft auf
Augenhöhe bezogen auf den hier postulierten Partner „Afrika“
beschränken.
Dabei möchte ich den Begriff Partnerschaft als zentrale Kategorie des Titels ernst nehmen um mich an die Aufgabe heranzutasten.
0)Was ist eine Partnerschaft?
Eine Partnerschaft kann im weiteren Sinne als eine gleichwertige
Gemeinschaften von Menschen oder auch Gruppen – seien sie
politischer, sozialer, ökonomischer oder religiöser Natur – verstanden werden, die sich zur Vertretung gemeinsamer oder eigener
Interessen freiwillig zusammenschließen.
Ausgehend von dieser Definition können wir zwei Hauptcharakteristika der Partnerschaft erkennen, die zugleich als notwendige Voraussetzungen für eine Partnerschaft gelten, nämlich:
a. Die Freiwilligkeit und Autonomie in der Entscheidung eine
Partnerschaft einzugehen oder nicht
b. Die Gleichwertigkeit der involvierten Partner, d.h. die symmetrische, also gegenseitige, Wertschätzung basierend auf
der Qualität und Quantität des Beitrags des jeweiligen Partners, um aus der Partnerschaft einen Mehrwert zu erzielen,
der von dem einzelnen Partner nicht oder nur schwer erreicht
werden kann.
Diese Charakteristika der Partnerschaft weisen darauf hin, dass
eine Partnerschaft per Definition grundsätzlich immer auf Augen-
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höhe stattfindet, denn sie ist ein Zweckbündnis, um Schwäche
durch ein gegenseitiges Geben und Nehmen zu kompensieren
sowie Stärke zu optimieren, was die Erkennung und Anerkennung solcher Schwäche und Stärke bei jedem der involvierten
Partner voraussetzt.
1)Verräterische oder programmatische Tautologie?
Von diesem Standpunkt aus ist die Formulierung „Partnerschaft
auf Augenhöhe“ im Titel der Veranstaltung tautologisch, d.h. eine
überflüssige Wiederholung. Diese Wiederholung scheint mir jedoch in einem Zusammenhang, in dem es um die Partnerschaft
zwischen Deutschland und Afrika geht, bedeutungsvoll zu sein.
Anders formuliert ist die Wiederholung hier ein Indiz dafür, dass
es zwischen beiden Protagonisten Partnerschaften gab und gibt,
die nicht auf Augenhöhe stattfinden. Der Titel der Veranstaltung
ist in dieser Hinsicht verräterisch, die Wiederholung „Partnerschaft
auf Augenhöhe“ kann hier aber auch als programmatisch betrachtet werden; nämlich als ein Wunsch, künftig partnerschaftlich mit
„Afrika“ umzugehen. Wie man auch die Tautologie „Partnerschaft
auf Augenhöhe“ im Titel der Veranstaltung interpretiert, als verräterisch oder als programmatisch, gilt es in jedem Fall festzuhalten, dass bezogen auf „Afrika“ eine Partnerschaft mit Deutschland
im besten Fall eine Wunschvorstellung ist.
2)Das Problem
Warum nun ist eine Partnerschaft, wie eben definiert, zwischen
Deutschland und „Afrika“ schwer vorstellbar?
a) Aufgrund einer problematischen begrifflichen Homogenisierung Afrikas mit praktischen Folgen.
Afrika geographisch, politisch, soziologisch und kulturell betrachtet ist ein immenser, vielfältiger und komplexer Kontinent. „Afrika“ wird jedoch in unserem Sprachgebrauch
pauschal, homogenisiert verwendet; was nicht nur ein Ausdruck von Ignoranz ist, sondern vielmehr ein hegemonialer
Anspruch, besser eine Mischung vor dem Hintergrund einer
Geschichte, nämlich der Kolonialgeschichte. Denn von Kairo
bis Kapstadt, von der Kalahariwüste bis zum äquatorialen Regenwald – was Afrika gemeinsam ist, ist seine Kolonisierbarkeit. Afrika bildet in dieser Hinsicht eine Schicksalsgemeinschaft von Besiegten und Verlierern in einer entscheidenden
historischen Begegnung mit den Europäern. Diese Tatsache
ermöglicht und befugt heute noch die Sieger, die Besiegten
unter den Allgemeinbegriff „Afrika“ zu subsumieren und mit
ihnen entsprechend umzugehen; d.h. je nach Interessenslage
mit mehr oder weniger Arroganz und Missachtung oder mit
Paternalismus, Gnade und Helferattitüde des Siegers.
b) Aufgrund der postkolonialen Gouvernementalität.
Wenn wir jetzt vor diesem Hintergrund unseren Blick nach
Afrika wenden, dann ist festzustellen, dass wir dort politisch,
ökonomisch uns strukturell in den meisten Ländern mit postkolonialen Verhältnissen zu tun haben. Dies sind Verhältnisse,
die knapp formuliert durch eine chaotische Pluralität und nahezu anomische Zustände gekennzeichnet und so für keine
der schon erwähnten Bedingungen für eine Partnerschaft
günstig sind; denn werden die Bedingungen für Bürgerfreiheit und gesellschaftliche Partizipation, noch die Grundlage
für eine Autonomie im Sinne von politisch, ökonomisch und
kulturell selbstständigen Staaten, die etwas Wertvolles und
Begehrbares in einer Partnerschaft anbieten können, werden
dadurch gefördert.
Die Geschichte lehrt uns, dass es in den internationalen Beziehungen nicht um Hilfe, Philanthropie und anderes geht, sondern um eigenen Interessen, die die Mächtigsten bekanntlich
rücksichtslos zu vertreten vermögen. In diesem Zusammenhang
stellt sich die Frage, welches Interesse Europa an einer Partnerschaft auf Augenhöhe als Instrument zur Beendigung des Elends
in Afrika haben kann. Allein die Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsperspektive scheint mir ein realistischer Ausweg aus der
Logik des Egoismus einzelner mächtiger Staaten oder Staatsgemeinschaften zu sein. Denn viele lokal auftretende Probleme
wie Flüchtlingsströmungen, Klimawandel, Terrorismus, etc. sind
global verursacht , und ihre nachhaltige Bewältigung ist auch nur
global möglich. Mit anderen Worten sitzt die Menschheit in einem Boot auf stürmischer See. Die Mächtigen mögen sich zurzeit
noch sicher fühlen, weil sie sich auf der Brücke aufhalten. Sinkt
das Schiff, sind jedoch alle gleichermaßen verloren. Das Nachhaltigkeitsgebot lautet also: Wir werden gemeinsam die globalen
Probleme bewältigen oder egoistisch individuell sterben.
3)Was bleibt?
Was bleibt sind asymmetrische Beziehungen, in der Gestalt eines merkwürdigen und moralisch verwerflichen Arrangements
zwischen den europäischen Siegern und den afrikanischen postkolonialen Potentaten mit Segnung der internationalen Organisationen, wobei Partnerschaft mit der so genannten „Entwicklungshilfe“ implizit oder explizit gleichgesetzt wird.
Diese Gleichsetzung ist eine begriffliche Täuschung mit verheerenden praktischen Folgen für die arme Bevölkerung in vielen
afrikanischen Ländern, deren Verarmung und strukturelle Abhängigkeit dadurch vorangetrieben wird. Die Gewinner sind – wie die
zirka 50-jährige Geschichte solcher „Entwicklungspartnerschaften“
mit Afrika uns zeigt – die postkolonialen afrikanischen Potentaten
und die europäischen Partner. Die Talmi-Tyrannen Afrikas können
sich dadurch ihrer Verpflichtung, endogene Lösungen zum Wohl
der eigenen Bevölkerung zu finden, entziehen und ihre Staaten
somit in Bettlerstaaten verwandeln. Im gleiche Zug sichern die
afrikanischen Machthaben dem europäischen Partner – sei dieser in Gestalt von klassischen Entwicklungshilfeorganisationen,
der Politik oder Wirtschaftskonzernen – unter dem Deckmantel
der Entwicklungszusammenarbeit den Zugang zu wichtigen natürlichen und strategischen Ressourcen in ihren Ländern und erkaufen sich dadurch auch mächtige Verbündete, die fortan zur
Sicherung der eigenen Wirtschaftsinteressen großes Interesse am
Machterhalt der afrikanischen Interessensvertreter haben.
Seite 43
3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009
Kritische Anmerkungen zum Status Quo
der geplanten Städtepartnerschaft
>> Kurt Hirschler
Moin Moin und Guten Abend!
Es beruhigt mich, dass ich nicht der Einzige bin, der Schwierigkeiten mit dem Begriff der „Partnerschaft auf Augenhöhe“ hat.
Ich frage mich auch, was eigentlich der Unterschied ist zwischen
einer Städtepartnerschaft, wie Hamburg sie mit Chicago oder
Marseille unterhält und einer Städtepartnerschaft auf Augenhöhe, wie sie nun mit Dar es Salaam beabsichtigt ist. Ich denke,
der Unterschied liegt weniger im Charakter der Partnerschaft,
sondern er hat etwas mit der jeweiligen Stadt zu tun, mit der
die Partnerschaft angestrebt wird. Das heisst, eigentlich weniger
mit der jeweiligen Stadt selbst, sondern vielmehr mit unserer
Wahrnehmung dieser Stadt - und unserer Wahrnehmung des Verhältnisses der Stadt zu Hamburg. Und ich möchte wetten, wenn
Hamburgs neue Partnerstadt in Nordamerika oder Europa läge
– niemand käme auf die Idee, von einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ zu sprechen; es wäre selbstverständlich. Denn in einer
Partnerschaft begegnet man sich „auf Augenhöhe“. Dass man bei
der Beziehung zu Dar es Salaam die „Augenhöhe“ so sehr betont,
weist darauf hin, dass man es eben nicht für selbstverständlich
hält; dass man hier in Hamburg die beiden Städte und die Menschen beider Städte offensichtlich NICHT auf gleicher Augenhöhe
wähnt.
Es ist in der Tat in Deutschland weit verbreitet, Afrika, Afrika­
nerinnen und Afrikanern die ‚Augenhöhe‘ abzusprechen; Man
blickt hierzulande nur zu schnell auf Afrika herunter – und
folgt dabei einigen typischen, sich wiederholenden Mustern:
„Die langanhaltende Verhinderung einer eigenständigen Entwicklung [...] ist das größte Problem Afrikas“ – vielleicht haben
Sie das Zitat erkannt; Es stammt aus der Einladung zu dieser
Veranstaltung. Wenn in Deutschland allgemein über Afrika gesprochen wird, findet meist eine Reduzierung auf „Armut“ und
vermeintliche oder tatsächliche „Unterentwicklung“ statt. Auch
Seite 44
hier – und das ist ja kein Kongress von Entwicklungsfachleuten,
sondern eine Veranstaltung zum Thema Partnerschaft – „auf Augenhöhe“! – wird der Fokus sofort und ausschließlich auf ausbleibende „Entwicklung“ und „Probleme“ gelenkt. Hier wird sogar
soweit gegangen, ganz Afrika eine „eigenständige Entwicklung“
abzusprechen! Was für ein Unsinn. Man muss sich nur mal Hamburgs zukünftige Partnerstadt Dar es Salaam ansehen. Diese
ausgesprochen dynamische Metropole hat sich allein in den vergangenen acht, zehn Jahren enorm verändert, „entwickelt“. Das
mögen Entwicklungen sein, die man aus europäischen Blickwinkeln nicht erkennt oder nicht gelten lassen will – weil sie unseren Vorstellungen von „Entwicklung“ nicht entsprechen; eben
WEIL es eigenständige Entwicklungen sind. Aber auch das ist eine
verbreitete Wahrnehmung: In dem Zitat wird implizit behauptet,
ganz Afrika ließe sich unter einem „größten Problem“ subsumieren. Egal ob nun Eritrea oder Botswana; Mali oder Burundi – eine
Differenzierung scheint nicht notwendig. Dieser große und komplexe Kontinent wird meist behandelt, als sei es ein einziges,
zudem zurückgebliebenes, in erster Linie problematisches Land.
Und noch eines fällt bei dem Zitat auf: Es geht ja eigentlich um
PARTNERSCHAFT „mit Afrika“ (auch wenn Hamburg wohl kaum
mit ganz Afrika kooperieren will und kann). Man zeigt auf das
Objekt der Begierde und stellt fest: „keine Entwicklung!“, „Probleme!“. Und in den anschließenden Fragen der Einladung wird
deutlich, worum es geht: Um die Frage, wie sich „Afrika“ entwickeln und verändern muss.
Aber eine Partnerschaft ist ein gegenseitiger Prozess und setzt
auch die Reflexion über sich selbst voraus. Und bekanntlich zeigen drei Finger auf einen selbst zurück, wenn man mit einem
Finger auf die anderen zeigt. Und diese drei Finger sollten wir
dazu nutzen, nicht immer nur fordernd zu fragen, was Afrika, was
die Afrikanerinnen und Afrikaner zu leisten haben, sondern uns
selbst zu hinterfragen: Haben WIR vielleicht ein Problem? Warum
wähnen wir Afrika, Afrikanerinnen und Afrikaner nicht auf einer
Augenhöhe, als gleichberechtigte Partnerinnen und Partner? Warum meinen wir immer, Afrika helfen, retten, verändern, entwickeln zu müssen? Im Übrigen: JEDE partnerschaftliche Beziehung
setzt ein gewisses Maß an Selbstreflexion voraus! Die Frage, ob
Hamburgs Beziehung zu Dar es Salaam den Anforderungen an
eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“ erfüllt, ist so einfach nicht zu
beantworten. Das liegt auch daran, dass zwar in den etwa fünf
Jahren, in denen Hamburg nun intensivere Kontakte zu Dar es Salaam unterhält, ständig von der „Augenhöhe“ geredet wird – aber
eine Diskussion, was man darunter verstehen soll, wurde nie geführt; Ansätze für eine solche Diskussion wurden teilweise sogar
explizit blockiert. Und ich habe im Laufe der Jahre den Eindruck
gewonnen, dass jede und jeder der Beteiligten ganz unterschiedliche Vorstellungen davon hat, was mit dieser „Augenhöhe“ nun
eigentlich gemeint ist.
Partnerschaft oder Entwicklungszusammenarbeit?
Daher bin ich den beiden Organisationen, die diesen Abend
veranstalten auch sehr dankbar, dass sie diese Diskussion anregen und ermöglichen! Doch sehen wir uns die Beziehung zwischen den beiden Städten einmal genauer an. Dazu möchte ich
zwei Ebenen unterscheiden: Die Ebene der zuerst acht und mittlerweile 14 konkreten Kooperationsfelder und die Ebene des ‚Gesamtprojekts‘, das beim Senat als Träger der Kooperation Hamburg – Dar es Salaam angesiedelt ist.
Von den 14 Kooperationsfeldern scheinen mir vier tatsächlich
partnerschaftlich aufgestellt zu sein. Hier scheint eine Balance
von ‚Geben‘ und ‚Nehmen‘ gegeben zu sein. Ein partnerschaftlicher Austausch ebenso wie ein gleichberechtigtes, respektvolles
Miteinander ist zumindest angestrebt. Ein weiterer Kooperationsbereich ist zwar grundsätzlich asymmetrisch ausgerichtet, hat
aber das Potential, dennoch Begegnungen auf „gleicher Augenhöhe“ zu ermöglichen. Ob das geschieht, wird davon abhängen,
wie die Beteiligten die Vorhaben umsetzen. Die verbleibenden
neun Kooperationsfelder – und das sind etwa 2/3 der Kooperationsfelder - sind klassische Geber-Nehmer-Beziehungen, in denen
Hamburg „berät“, „unterstützt“, „schult“, „aufbaut“, „ausbildet“, und
eine „Patenschaft“ übernimmt. Benefizveranstaltungen laufen an,
Spendenkonten sind eingerichtet. Man fragt sich manchmal wirklich, wie Dar es Salaam nur all die Jahre existieren konnte, bevor
sich das Füllhorn der Hamburgischen Wohltaten über der Stadt
ausschüttete.
Ich will das aber nicht grundsätzlich schlecht machen. Da ist
viel persönliches Engagement dabei und viel guter Wille. Aber
leider mangelt es oft an den spezifischen Kenntnissen der NordSüd-Kooperation und es ist auch eine ganze Menge neomissionarischer Geist dabei: Man will wieder Fortschritt und Entwicklung
nach Afrika tragen! Manches davon mögen sogar sinnvolle Projekte der Entwicklungszusammenarbeit sein. Dann ist es jedoch
Entwicklungszusammenarbeit – und definitiv keine Partnerschaft!
Was die Ebene des ‚Gesamtprojekts‘ angeht, kann man verschiedene Aspekte betrachten. Ich möchte drei hervorheben. Zum
einen, wie die Kooperation mit Dar es Salaam der Öffentlichkeit
gegenüber kommuniziert wird. Da lässt sich feststellen: Sie wird
kaum kommuniziert. Eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit, eine Informationspolitik, die der Bevölkerung die neue Kooperation vorstellt und für sie wirbt, gibt es nicht. Wenn man etwas erfahren
möchte, muss man sich an das halten, was hin und wieder bei
besonderen Anlässen in der Presse steht. Der letzte solche Anlass
war die Delegationsreise der zweiten Bürgermeisterin nach Dar
es Salaam im Juni dieses Jahres. Ich habe mir die Presseberichterstattung von dieser Reise sehr genau angesehen und ich habe
ein Zitat gefunden, das den Tenor der Berichterstattung über den
Charakter dieser angepeilten „Partnerschaft auf Augenhöhe“ sehr
gut wiedergibt. In einer der Hamburger Zeitungen heißt es: „Für
Christa Goetsch (GAL) war es nur eine Unterschrift. Für Dar es Salaams Bürgermeister Adam O. Kimbisa dagegen ein Meilenstein
auf dem Weg in eine bessere Zukunft!“
Ein zweiter Aspekt betrifft die Form der Zusammenarbeit mit
dem direkten Kooperationspartner, dem Dar es Salaam City Council. Leider ist die Zweite Bürgermeisterin erkrankt und kann deswegen heute hierzu keine näheren Auskünfte geben. So kann
ich hier nur meine – unbestätigten – Eindrücke wiedergeben. Ich
meine, dass zu einem partnerschaftlichen Ansatz auch gehören
würde, dass die zentralen Dokumente gemeinsam mit der Partnerinstitution ausgearbeitet würden. Wie gesagt, ich habe keine
eindeutigen Informationen, aber den Eindruck, dass die beiden
bisherigen Kooperationsvereinbarungen hier in Hamburg geschrieben und übersetzt wurden und dann allenfalls den ‚Partnern‘ in Dar es Salaam zur Kommentierung vorgelegt wurden.
Und ich fürchte, dass es im nächsten Jahr mit der Städtepartnerschaftsvereinbarung nicht viel anders laufen wird. Ausrichtung
und Tempo, Gegenstände und Inhalte der Kooperation scheinen
mir von Hamburg vorgegeben zu werden; einen kontinuierlichen
Dialog mit den Partnern in Dar es Salaam kann ich nicht erkennen.
Keine Einbeziehung der Fachöffentlichkeit
Zu einer partnerschaftlichen Beziehung gehört für mich auch
ein partnerschaftlicher Umgang mit der interessierten Fachöffentlichkeit in Hamburg. In Hamburg gibt es eine überschaubare,
kompetente und kooperationsbereite Fachöffentlichkeit. Bedauerlicher Weise wird dieses Potential von Seiten der Stadt kaum
genutzt; Allenfalls holt man sich dann und wann ein paar Informationen – aber eine kontinuierliche Information, Konsultation
und Kooperation – ein Dialog mit der Fachöffentlichkeit – findet
leider nicht statt.
Zusammengefasst lässt sich also eine deutliche Diskrepanz
zwischen den verbalen Beteuerungen einer „Partnerschaft auf
Augenhöhe“ und dem tatsächlichen Vorgehen feststellen. Wie
lässt sich diese Diskrepanz auflösen? Grundsätzlich in zwei Richtungen. Entweder man passt den Anspruch dem Handeln an oder
umgekehrt das Handeln dem Anspruch. Im ersten Falle könnte
man sich die Sonntagsworte von der „Partnerschaft auf Augenhöhe“ sparen und ehrlicher Weise das Ding als das benennen
was es in der Realität ist: Eine Wohltätigkeitsveranstaltung für Dar
es Salaam. Dann sollte man es auch nicht „Städtepartnerschaft“
Seite 45
3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009
nennen, sondern vielleicht „Aktion Hamburg hilft Dar es Salaam
– Auf Augenhöhe!“ Das wäre das einfachste. Und es wäre ehrlich.
Weitaus schwieriger wäre der Versuch, das Handeln dem An­
spruch anzunähern. Es ist auch deswegen schwieriger, weil schon
sehr viel Zeit verloren wurde und sich in den Kooperationsbeziehungen Denkweisen, Erwartungen und Verhaltensmuster verfestigt haben, die nur sehr schwer zu beeinflussen sein werden.
Zumal sie mit dem zweiten Kooperationsabkommen erneut bestätigt wurden.
Um das Handeln dem Anspruch anzunähern, müsste vor allem
das einsetzen, wofür eine der Veranstalterinnen des heutigen
Abends wirbt: UMDENKEN! Dieses Umdenken setzt jedoch Einsicht und politischen Willen voraus. Umdenken und danach das
Umsteuern muss man aktiv organisieren und gestalten und ich
sehe hier in erster Linie die Stadt Hamburg als Trägerin der Kooperation mit Dar es Salaam in der Verantwortung.
Um das Handeln dem Anspruch anzunähern, müsste man in
allen drei Aspekten von Politik umdenken: Policy – also den Inhalten, Politics – den Verfahren und Prozessen sowie der Polity,
den Strukturen.
Was will Hamburg in Dar es Salaam?
Was die Inhalte angeht, müssen wir in Hamburg dringend die
Debatte führen, was wir eigentlich in Dar es Salaam wollen: Eine
Städtepartnerschaft? Professionelle Entwicklungszusammen­arbeit
– können wir das überhaupt leisten, haben wir die finanziellen und
personellen Ressourcen? Oder wollen wir eine Wohltätigkeitsbeziehung, garniert mit ein paar schönen, exotischen Reisen? Die
Kooperation mit Dar es Salaam ist im Referat Entwicklungspolitik
angesiedelt. Welchem Konzept von „Entwicklung“ und Entwicklungspolitik wollen wir dabei folgen? Weiterhin den veralteten
Konzepten der nachholenden Entwicklung, bei der die ‚zu entwickelnde‘ Stadt dem Vorbild der ‚entwickelten‘ Stadt folgt, oder
eher einem zeitgemäßeren Konzept der nachhaltigen Entwicklung, bei dem keine der beiden Städte als das glänzende Modell
gilt und in dem beide gemeinsam erarbeiten, wie ein inter- und
intragenerationell gerechtes Zusammenleben auf diesem Planeten ermöglicht werden kann. Diese Debatte müsste in einem
Konzept münden – nicht im Sinne eines starren Korsetts, aber
doch in Grundsätzen und Leitlinien, in Zielen und Perspektiven.
In diese Diskussion müssen die bisherigen Aktivisten eingebunden werden, aber sie darf nicht in erster Linie von den Aktivisten
geführt werden, sondern von kompetenten Fachleuten. Selbstverständlich müsste dazu die bisherige Kooperation evaluiert
werden und die Erkenntnisse müssten in die Debatte einfließen.
Die Ergebnisse dieses Prozesses müssten mit den Partnerinnen
und Partnern in Dar es Salaam erörtert werden um zu sehen, ob
sie mit den dortigen Konzepten anschlussfähig sind und ob die
Übereinstimmungen groß genug sind, den Weg einer Partnerschaft zu beschreiten. Diese Diskussion hätte längst auf den Weg
gebracht werden müssen – eingefordert wird sie ja schon seit
Jahren. In etwa einem Jahr soll die Partnerschaftsurkunde mit Dar
es Salaam unterzeichnet werden. Und Hamburg wird bis dahin
immer noch keine Ahnung haben, was man da eigentlich will,
Seite 46
und weiterhin ‚Charity auf Augenhöhe‘ betreiben. Die Vorstellung,
dass der noch nicht einmal konstituierte ehrenamtliche „Rat für
nachhaltige Entwicklung“ bis dahin ein Konzept entwickelt haben
könnte, ist illusorisch.
Was das Umdenken in Bezug auf Verfahren und Prozesse betrifft, habe ich schon einiges implizit angesprochen. Ein intensiver
und dauerhafter Dialog mit den Partnerinnen und Partnern in Dar
es Salaam wäre die Grundlage einer Partnerschaft, die den Namen auch verdient. Aber auch der ständige Dialog mit der Hamburger Bevölkerung, den in den Kooperationsbereichen aktiven
‚stakeholder‘ und der Fachöffentlichkeit müsste organisiert und
betrieben werden. Offenheit, partizipative, transparente Prozesse, Mut zu Kritik und Selbstkritik, die Bereitschaft zu Lernen und
sich und die Kooperation mit Dar es Salaam weiter zu entwickeln,
wären Voraussetzungen dafür, solche eine Partnerschaft sinnvoll
gestalten zu können. Die Realität ist derzeit von diesem Anspruch
jedoch meilenweit entfernt.
Umdenken auf Strukturebene
Das sind hohe Ansprüche, und sie sind nicht einfach zu erreichen. Um sie überhaupt erreichbar zu machen, ist auch auf der
Strukturebene ein Umdenken notwendig. Transparente, partizipative und professionelle Strukturen sind bislang in Hamburg (in
Bezug auf die Kooperation mit Dar es Salaam) nicht vorhanden.
Es ist nicht klar, wer nun eigentlich Hamburgs Ansprechpartnerin
oder Ansprechpartner für die Kooperation mit Dar es Salaam ist.
An wen sollen sich interessierte Hamburgerinnen und Hamburger
wenden? Wer ist mit dem Dar es Salaam City Council im dauerhaften Kontakt? Es ist auch nicht nachvollziehbar, wo Entscheidungen in Bezug auf die Kooperation mit Dar es Salaam getroffen
werden. Bislang wurde dies hauptsächlich außerhalb des Rathauses in privaten Zirkeln gemacht.
Das ist aber nur ein problematischer Punkt. Ein zweites Problem
ist, dass sich die Stadt bisher darauf beschränkt hat, die Koope­
ration mit Dar es Salaam zu verwalten. Dringend notwendig wäre
jedoch, sie zu gestalten. Durch die 14 Kooperationsbereiche gibt
es mittlerweile einen Kreis von – wie anzunehmen ist – hochkompeten Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen, die an der
Kooperation mit Dar es Salaam mitarbeiten. Aber faszinierender
Weise ist im Zentrum dieses Kreises die wichtigste Kompetenz
dauerhaft unbesetzt! Bei all der versammelten Fachkompetenz
hat man darauf verzichtet, jemanden mit den notwendigen
Kenntnissen in Bezug auf Dar es Salaam und Tanzania, aber vor
allem den notwendigen Kompetenzen in interkultureller Begegnung, Entwicklungspolitik und Nord-Süd-Kooperation einzubinden. Man denkt immer, Nord-Süd-Kooperation kann doch jeder!
Aber auch dabei handelt es sich um spezifische Fachkompetenzen. Und nicht jede und jeder, die oder der Brände bekämpfen
kann oder Krankheiten, eine Schule leiten kann oder ein Museum, ist automatisch mit den Erkenntnissen der letzten 40 Jahre Entwicklungspolitik, Nord-Süd-Kooperation etc. vertraut. Das
wäre ja auch ein bisschen viel verlangt. Doch bei der Kooperation
Hamburg – Dar es Salaam geht es eben primär um diese Themen.
Und genau in dieser zentralen Position leistet sich die Stadt Ham-
burg ein Kompetenzvakuum. Es ist kein Wunder, dass dann solche
Blüten herauskommen, wie wir sie seit Jahren beobachten können.
Städtepartnerschaft als Projekt statt Verwaltungsangelegenheit
Eine funktionierende Struktur ist die Voraussetzung um das
Umdenken und Umsteuern bei den Inhalten sowie den Prozessen und Verfahren organisieren zu können. Schlicht und einfach:
Irgendwer muss das ja machen.
Will die Stadt wirklich weg vom Spenden-und Projekte-Paternalismus und hin zu stärker partnerschaftlichen Ansätzen, dann
wird es nicht genügen, vom Umdenken zu reden oder einen Paradigmenwechsel zu postulieren. Man muss das organisieren.
Auch die Entwicklung eines Konzeptes für die Partnerschaft allein genügt nicht. Will man das Konzept realisieren, muss man
mit den beteiligten Akteuren arbeiten. Auch hier ist klar: Dafür
braucht man jemanden, die oder der das machen kann! Das
Eine-Welt-Netzwerk fordert seit langem die Einrichtung einer in
vielerlei Hinsicht kompetenten Koordinationsstelle um die Kooperation mit Dar es Salaam gestalten zu können. Sicherlich muss
man dazu auch bei der Stadt umdenken, und die Kooperation
mit Dar es Salaam als Projekt betrachten und nicht als Verwaltungsangelegenheit. Und dann wird auch klar, dass ein Projekt
– zumal ein neues Projekt und zumal ein internationales Projekt
dieser Größenordnung – nicht ohne eine kompetente Projektleitung bewerkstelligt werden kann. Und dann wird auch deutlich,
dass das weder mit einer Minijobstelle gemacht werden kann,
noch irgendwann mit einer rein verwaltenden Planstelle in der
Stadtverwaltung.
Die Städtepartnerschaft mit Dar es Salaam bietet die Chance
zu neuen, unkonventionellen und innovativen Formen und Inhalten der Kooperation. Hamburg könnte ein Beispiel geben, dass
Kooperation mit Afrika nicht automatisch bedeutet, Spenden zu
sammeln und Container mit allerlei Sinnvollem und Sinnlosen zu
packen. Vor allem aber könnte Hamburg lernen, dass wir auch
viel von Afrikanerinnen und Afrikanern lernen können; dass wir
langjährige gute Freundschaften eingehen können, und dass die
Menschen in Afrika, in Dar es Salaam auch einfach nur Menschen
sind und nicht zu entwickelnde Objekte unserer mitunter etwas
selbstgerechten Mildtätigkeit.
Wir könnten diese Chancen ergreifen. Aber dafür wäre der Wille
zum Umdenken notwendig. Um ehrlich zu sein, ich bin nicht allzu
optimistisch, dass diese Bereitschaft bei den Akteuren in Hamburg vorhanden ist.
Vielen Dank!
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3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009
Hamburg – Dar es Salaam: Eine Welt Netzwerk Hamburg bemängelt Konzeptlosigkeit Altes Denken prägt Aktivitäten Hamburgs in der Städte­kooperation
>> Presse-Information 22. Januar 2009
Hamburg und Dar es Salaam haben 2007 eine Städtekooperation vereinbart. Diese soll nach dem Willen der schwarz-grünen
Koalition in nächster Zeit in eine feste Städtepartnerschaft umgewandelt werden. Schon jetzt gibt es zahlreiche Projekte in diesem Bereich. Doch anstatt diese Aktivitäten durch ein Konzept zu
unterstützen, setzt der Senat an dieser Stelle auf unkoordinierte
Vielfalt. „Hamburg muss sich endlich über das Ziel und den Zweck
der Kooperation klar werden“, sagt Rebecca Lohse. So lange
dies fehle, hingen die Form und der Inhalt der Aktivitäten allein
von der Kompetenz und dem Willen der einzelnen Akteure ab,
so die Geschäftsführerin des Eine Welt Netzwerks Hamburg e.V.
(EWNW), dem Dachverband entwicklungspolitischer Initiativen in
Hamburg.
Es fehlten nicht nur Leitlinien. Es bedürfe auch dringend eines
Koordinators in der Senatskanzlei, der verbindlicher Ansprechpartner für Aktive hier wie in Dar es Salaam ist und der die Hamburger Öffentlichkeit mit Informationen versorgt, sagt Lohse.
„Viele entwicklungspolitische Initiativen wundern sich besonders
über das mangelnde Engagement und die Uninformiertheit der
GAL in dieser Frage“, so die Geschäftsführerin des EWNW.
„Hamburg verspielt gerade eine große Chance. Die erste
Städtepartnerschaft mit einer afrikanischen Metropole bietet
gute Möglichkeiten endlich neue Wege zu gehen. Statt technokratischer Entwicklungshilfe könnte die Stadt, die sich gerne so
modern und weltoffen präsentiert, ein innovatives Lernprojekt
aufbauen“ so Lohse. So sind beispielsweise die Gedankenwelten
der Menschen beider Städte geprägt von Kolonialismus und Rassismus – auch wenn sich einige bereits kritisch damit auseinandergesetzt haben. Zudem besteht ein enormes Ungleichgewicht
zwischen den beiden Metropolen, was die materiellen Ressourcen anbelangt. Es ist nicht leicht, eine Partnerschaft auf Augenhöhe aufzubauen. Dies erfordert die Bereitschaft der Aktiven – vor
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allem in Hamburg, aber auch in Dar es Salaam - die eigenen
Annahmen, Ansätze und Vorgehensweisen zu hinterfragen. „Die
Stadt sollte größeren Wert auf eine kompetente Vorbereitung und
interkulturelles Training der Partner legen“, sagt die Geschäftsführerin des EWNW.
Fragwürdige Ehrung von Kolonialakteuren
Bei offiziellen Feierlichkeiten verweisen Vertreter der Stadt nicht
selten unkritisch auf die „traditionellen Beziehungen“ der Hansestadt zu den ländlichen Gebieten Tanzanias im 19. Jahrhundert.
Kolonialismus, Ausbeutung, eine Politik der „verbrannten Erde“
und der Maji-Maji-Krieg werden mit keinem Wort erwähnt. Anlässlich des 150. Jahrestages der Akkreditierung des Ersten Hanseatischen Honorarkonsuls der Städte Bremen, Hamburg und
Lübeck beim Sultan von Sansibar, die im Februar und Juni dieses
Jahres stattfinden, werden zum Beispiel der „Afrika-Forscher“ Albrecht Roscher und der Hamburger Großkolonialkaufmann und
Zweite Bürgermeister William Henry O‘Swald mit zwei Veranstaltungen bedacht. Wie kritisch die Vorträge ausfallen, wird sich
zeigen. Informationen jenseits deutscher Kolonialakteure sind
Mangelware. Wer weiß schon etwas über Sultan Mkwawa (18551898), den Kämpfer gegen die deutsche Kolonialherrschaft?
„Kommunale Partnerschaften sollten auch Lerngemeinschaften sein“, so Lohse. Jugendliche wie Erwachsene wüssten viel zu
wenig über Hamburgs Kolonialgeschichte in Ostafrika. Und auch
der offene und verdeckte Rassismus, der immer noch in den
Köpfen sitze, werde viel zu wenig kritisch reflektiert, bemängelt
Lohse. Im Rahmen von Schulpartnerschaften könnte zum Beispiel
Unterrichtsmaterial zur Kolonialgeschichte erstellt werden. „Wenn
Hamburg eine Städtepartnerschaft plant, so sollte diese auch
Leitlinien und ein Konzept beinhalten. Dies wäre der Hamburger
Entwicklungspolitik insgesamt zu wünschen!“, so Lohse.
Für weitere Informationen:
Eine Welt Netzwerk Hamburg e.V. (EWNW)
Anke Schwarzer und Renate Grunert
Presse- & Öffentlichkeitsarbeit,
Große Bergstraße 255, 22767 Hamburg
Tel.: 040 - 358 93 86, anke.schwarzer@ewnw.de, www.ewnw.de
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3. Podiumsdiskussion – 3.11.2009
Afrika und Deutschland – Partnerschaft auf Augenhöhe?
Diskussion über eine schwierige Beziehung
Von Reinhard Schwarz, Neues deutschland
Wie soll eine »Partnerschaft auf Augenhöhe« zwischen Deutschland und Afrika aussehen? Darüber debattierten dieser Tage in
Hamburg Afrika-Experten. Dabei kam auch die von Gewalt geprägte Kolonialherrschaft Deutschlands zur Sprache.
Die Podiumsdiskussion hielt nicht, was sie zu versprechen
drohte. »Afrika – nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe? Anforderungen an Wirtschaft und Politik.« Das klingt nach Langeweile und Sitzfleischmassage. Dass die Diskussion nicht in der
erwarteten Ödnis mit den üblichen Absichtserklärungen über
gegenseitige Verständigung, Vorurteile abbauen und Aufeinanderzugehen dahinplätscherte, war vor allem dem Erziehungswissenschaftler Prof. Louis Henri Seukwa von der Hochschule für
Angewandte Wissenschaften zu verdanken. Er stellte klar, dass
allein die Fragestellung eine »verräterische oder programmatische Tautologie« bedeute: »Partnerschaft findet per Definition
grundsätzlich immer auf Augenhöhe statt.« Das heutige Afrika
sei hingegen »eine Schicksalsgemeinschaft von Besiegten und
Verlierern«, während die reichen Staaten Europas die »Attitüde
des Siegers« einnähmen. Gewinner seien weiterhin »postkoloniale Potentaten und deren europäische Partner«. In internationalen Beziehungen gehe es »nicht um Philanthropie«, so Seukwa,
»sondern um Interessen«. Entsprechend müsse die Frage gestellt
werden: »Welches Interesse kann Europa an einer Partnerschaft
mit Afrika haben?« Leider wurde diese berechtigte Frage während der Debatte nicht beantwortet. Einige der Teilnehmer beschäftigten sich mit eigenen Befindlichkeiten der – zumeist gut
gemeinten – kirchlichen Afrika-Hilfe, während die Rolle der multinationalen Konzerne, der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds nicht beleuchtet wurde.
So war es denn der Afrika- und Kolonialhistoriker Professor
Ulrich van der Heyden von der Humboldt Universität Berlin, der
die Rolle der Gewalt in den Beziehungen zwischen Afrika und
Seite 50
Deutschland erläuterte. Van der Heyden nannte als Beispiel die
Person Carl Peters, ein »Abenteurer und Verbrecher«, der in den
Jahren 1884/1885 mit »Mord und Gewalt für die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft« Land zusammenraubte. 1890 wurde das
von ihm eroberte Gebiet in Ostafrika der Schutzherrschaft des
Deutschen Reiches unterstellt. Widerstand wie etwa beim MajiMaji-Krieg in Tansania vor mehr als hundert Jahren wurde niedergemetzelt.
In der anschließenden, durchaus emotional geführten Debatte um die »Partnerschaft auf Augenhöhe« mischten sich auch
Afrikaner aus dem Publikum ein. »Sie reden über Afrika, obwohl
hier niemand aus Afrika auf dem Podium sitzt«, kritisierte einer.
»Afrika denkt komplett anders, man muss erst mal die Kultur und
Religion kennen lernen«, forderte er. Zudem bestehe Afrika wie
Europa auch aus unterschiedlichen Staaten, das werde hier im
Norden komplett ignoriert. Eine Afrikanerin erklärte: »Afrika hat
unter der Versklavung und dem Kolonialismus gelitten. Auch heute noch ist Afrika unterjocht.« Es sei auch nicht richtig zu sagen,
Europa sei entwickelt, Afrika hingegen nicht: »Afrika hat seine
eigene Kultur und Geschichte.«
Eingeladen hatte der Zukunftsrat Hamburg, ein Zusammenschluss von Initiativen und Gruppen auf der Basis der 1992 in Rio
de Janeiro verabschiedeten Agenda 21. Vier Afrika-Experten sollten mit der schließlich wegen Grippe verhinderten stellvertretenden Hamburger Bürgermeisterin Christa Goetsch (Grüne) über die
Kooperation zwischen der Hansestadt und der Hauptstadt Tansanias, Dar es Salaam, diskutieren, zumal seit Jahren über eine
offizielle Städtepartnerschaft nachgedacht wird. Die wird weiter
ebenso Thema bleiben wie die schwierige Beziehung zwischen
Deutschland und Afrika.
Der Artikel wurde am 10.11.2009 auf www.neues-deutschland.de
veröffentlicht.
Seite 51
4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009
4. Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?!
Kultur und Sport
Seite 52
Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?!
Foto: © SIEME
Was macht die vorkoloniale Kultur Afrikas
gen der Fußball WM 2010 in Südafrika ein-
aus? Wie gestaltet sich heute das Zusam-
zuschätzen? Über diese und weitere Fragen
menspiel zwischen Kultur, Sport und Poli-
diskutieren unsere Gäste untereinander
tik in den Ländern Afrikas? Welchen Stel-
und mit Ihnen im Publikum.
lenwert haben Sport und Kultur dort im
Vergleich zu Europa? Welche Dynamiken
Die Veranstaltungsreihe „Afrika - Nachhal-
gibt es zwischen Kultur und Entwicklung?
tige Partnerschaft auf Augenhöhe?!“ will zu
Wie werden Kultur und Sport aus den Län-
einer lebendigen Diskussion über partner-
dern Afrikas in der hiesigen Öffentlichkeit
schaftliche Entwicklung zwischen Europa
wahrgenommen? Wie sind die Auswirkun-
und Afrika beitragen.
Kultur und Sport
Veranstaltungsort:
Freie Akademie der Künste
Klosterwall 23
Foto: © Bitburger
20095 Hamburg
(Eingang auf der Bahnseite)
Am Donnerstag, den
26.11.2009
um 18.00 Uhr
Podiumsdiskussion
Eintritt frei!
Anmeldung erbeten bei:
Zukunftsrat Hamburg
Teilnehmende
Mittelweg 21
Jun.-Prof. Dr. Kocra Assoua
20148 Hamburg
(Lehrstuhl für Entwicklungssoziologie, Universität Bayreuth)
info@zukunftsrat.de
Nana Abrokwa
(Musiker, Produzent, Musikmanager)
Anja Kuhr
(CulturCooperation e.V.)
Foto: © Nana
Moderation: Veye Tatah (Chefredakteurin Africa Positive)
Weitere Podiumsteilnehmende aus Sport und Kultur sind angefragt.
Dieses Projekt wurde gefördert durch:
Eine Veranstaltung von:
Seite 53
4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009
Gäste
Prof. Dr. Kocra Assoua ( Jahrgang 1973)
stammt aus der Côte d’Ivoire. Er lebt seit 1996
in Deutschland und studierte von 1997 bis 2002
an der Universität Siegen Politikwissenschaft, Wirtschaft und Anglistik. Assoua promovierte zu einer empirischen
bzw. vergleichenden Untersuchung zu Dezentralisierungsreformen in Afrika. Seit 2007 ist er Dozent für Entwicklungspolitik am
Lehrstuhl für Entwicklungssoziologie, Universität Bayreuth, seit
November 2009 hat er dort eine Juniorprofessur. Thematisch
beschäftigt er sich unter anderem mit Entwicklungspolitik / Entwicklungssoziologie, Technischer und wirtschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit, Budgetfinanzierung / Projektfinanzierung,
Projektkonzipierung, -bearbeitung & -auswertung, Analyse und
Auswertung von Entwicklungsprojekten, Internationalen Wirtschaftsbeziehungen / EU-AKP Abkommen / NEPAD, Public Private
Partnerships, Kommunalpolitik / Dezentralisierungspolitik und
Umweltpolitik.
Michel Dinzey ( Jahrgang 1972) begann im
Alter von sechs Jahren mit dem Fußballspielen beim SpVgg. Schöneberg Berlin. Seine
Profikarriere begann er 1994 beim Bundesligisten
VfB Stuttgart. Am 2. August gab er im Auswärtsspiel beim TSV
1860 München sein Debüt in der Bundesliga. Nach insgesamt 14
Einsätzen für den VfB verpflichtete ihn 1995 zur Saison 1995/96
der FC St. Pauli mit der Aussicht, dort Stammspieler zu werden,
für den er 30 Spiele absolvierte bevor er in die kongolesische
Fußballnationalmannschaft einberufen wurde. Nach Stationen in
Norwegen, Braunschweig und München zog es ihn 2004wieder
zurück zum FC St. Pauli , mit dem er 2007 in die 2. Bundesliga
aufstieg. Insgesamt bestritt Michel Dinzey in seiner Karriere als
Profi 90 Bundesliga-Spiele, 77 Spiele in der 2. Bundesliga und
220 Regionalliga-Spiele. Dazu kommen 33 A-Länderspiele für
den Kongo. Die Fans des FC St. Pauli wählten Dinzey anlässlich
des Vereinsjubiläums 2010 in die Jahrhundertelf. Heute arbeitet
er als Trainer.
Anja Kuhr ist aktiv in der CulturCooperation, die sich Seit 1986 in
der Förderung des internationalen Kulturaustausches engagiert.
Dabei gilt ihr besonderes Interesse innovativen Produktionen
aus den Bereichen Bildende Kunst, Tanz, Theater, Literatur, Film
und Performances. Vielen Hundert Künstlerinnen und Künstler
aus Asien, Afrika und Lateinamerika hat die CulturCooperation
eine Bühne geboten, ihre Produktionen, künstlerischen Statements und Visionen zu präsentieren. Das Spektrum der Themen
reicht dabei von der europäischen Kolonialgeschichte bis zur
Avantgarde des afrikanischen Modedesigns.
Zum Selbstverständnis der Cultur Cooperation gehört es auch,
sich an politischen Kampagnen zur Unterstützung von verfolgten
Künstlern zu beteiligen. Neben Fachtagungen zu kulturpolitischen Themen bilden Programme zur entwicklungspolitischen
Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit einen zentralen Schwerpunkt
ihrer Arbeit.
Aktuelle Projekte:
ppKunsthandwerk und Entwicklung
Die Bedeutung des Afrikanischen Kunsthandwerks und des
Handels für eine nachhaltige Entwicklung (seit 2008)
ppCulture and Development
Kunst und Kultur in der Entwicklungszusammenarbeit
(2005-2008
ppNofretete geht auf Reisen
Kampagne und Debatte über eine Ausleihe der Nofretete-Büste
an Ägypten (2007)
ppKrieg ist kein Kinderspiel
Veranstaltungsreihe über die Ursachen und Folgen des weltweiten Kriegsgeschehens (2000-2003)
Seite 54
Harald Stutte ( Jahrgang 1964) ist in
seinem „ersten Leben“ Redakteur bei der
Hamburger Morgenpost. In seinem „anderen
Leben“ beschäftigt sich der Politikwissenschaftler und
Historiker mit dem südlichen Afrika, das er seine zweite Heimat
nennt. Nicht nur, weil seine Frau eine gebürtige Kapstädterin
ist und er fast jedes Jahr das Land an Afrikas Südspitze besucht.
Für zahlreiche Publikationen hat er Analysen und Berichte aus
und über die Region verfasst, außerdem war er mehrfach für
die staatliche Entwicklungsgesellschaft Inwent als Dozent in
Durban und Hamburg tätig. Bedauernswert findet er, dass in den
deutschen und europäischen Medien negative Stereotypen über
Afrika dominieren und positive Entwicklungen, die es zweifelsfrei auch gibt, oft nicht genug gewürdigt werden.
Veye Tatah ( Jahrgang 1971) wurde in Kamerun
geboren. Nach dem Abitur nahmen die deutschen Nachbarn ihrer Eltern die damals 19-Jährige
als Au-pair-Mädchen mit nach Bremerhaven, wo
Tatah eineinhalb Jahre für die Familie arbeitete und die deutsche
Sprache lernte. Bereits während ihres darauffolgenden Informatikstudiums an der Technischen Universität gründete sie den
Verein „Africa Positive“ und das gleichnamige Magazin. Ihr Ziel:
den Deutschen ein realistischeres Afrikabild vermitteln und so
die Integration der Afrikaner, die in Deutschland leben, fördern.
Nach dem Studium arbeitete Tatah sieben Jahre als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für praktische Informatik
der TU Dortmund. Nebenbei rief sie den afrikanischen CateringService „Kilimanjaro Food“ ins Leben, um ihr ehrenamtliches Engagement zu finanzieren. Seit Anfang 2008 ist sie selbständige
Beraterin und Projektmanagerin mit Fokus Afrika. Politik, Wirtschaft und die Medien fragen sie regelmäßig als Afrika-Expertin
an. Am 25. Februar 2010 erhielt Veye Tatah das Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik
Deutschland für ihr besonderes soziales Engagement.
Nana Kwame Abrokwa ( Jahrgang 1968),
bekannt unter seinem Pseudonym Nana
(dabei handelt es sich hier nicht um seinen Vornamen, „Nana“ ist ein Verehrungsname der ghanaischen Akanvölker) oder dem Künstlernamen Darkman Nana,
ist ein deutscher Rapper und DJ. Er stammt aus Accra, Ghana
und zog im Alter von zwölf Jahren mit seiner Mutter und seinen
Geschwistern nach Hamburg. Nach seinem Schulabschluss war
Nana zunächst als DJ in Hip-Hop-Clubs aktiv und wirkte Anfang
der 90er Jahre bei einigen Songs von DJ David Fascher als Rapper und Co-Produzent mit, damals noch unter dem Pseudonym
MC Africa True. Bekannt wurde er in der zweiten Hälfte der 90er
Jahre. Seine Texte befassen sich mit seiner Beziehung zu Gott
und seiner Familie, behandeln aber auch Themen wie Rassismus
und den Holocaust.
Seite 55
4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009
Vorkoloniale Kultur und ihre Bedeutung für Afrika heute
>> Prof. Dr. Kocra Assoua
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bedanke mich ganz herzlich bei den Organisatoren dieser
Veranstaltung für die Einladung. Ich habe mich ganz besonders
über die Einladung gefreut, da dieses Thema zu meinen liebsten
Forschungsschwerpunkten gehört: „Die Bedeutung vorkolonialer
Kultur für die Entwicklung Afrikas“.
Die Auseinandersetzung mit dem Entwicklungspotential von
Kultur ist insofern so wichtig, da sie meiner Meinung nach die
Kernfrage des Entwicklungsdilemmas Afrikas berüht. Die Frage
des wirtschaftlichen und technologischen Rückstands Afrikas
steht seit langer Zeit im Mittelpunkt entwicklungspolitischer Diskussionen. Afrika befindet sich, trotz intensiver Einsätze von enormen finanziellen Mitteln, Entwicklungsexperten und Forschern
immer noch in einer chronischen politischen und wirtschaftlichen
Krise. Nach dem Scheitern des Modells des „development state“ und der absteigenden monozentrischen Entwicklungspolitik
der 1960er und 1970er Jahre, bezogen sich die entwicklungspolitischen Strategien der 1980er und 1990er Jahren auf modernisierungstheoretische Ansätze, welche die Strukturanpassungsprogramme als Königsweg zur Entwicklung propagierten.
Hinter dieser Entwicklungsvision standen orthodoxen Theorien
wirtschaftlicher Entwicklung, die lediglich wirtschaftliches Wachstum, hohe Produktivität, Rationalisierung und Modernisierung als
Maßstab für Entwicklung postulieren.
Nach den Erfahrungen von mehr 5 Dekaden der Entwicklungspolitik kann heute jedoch festgestellt werden, dass diese Ansätze
keineswegs zur Lösung des „Entwicklungsproblems“ Afrikas beigetragen haben. Die Krise hat sich im Gegenteil verschärft: Politische Instabilität und schwere Wirtschaftskrisen herrschen immer
noch vor. Angesichts des Misserfolges der bisherigen Entwicklungszusammenarbeit stellt sich daher die Frage, ob diese richtig
konzipiert war. Worin liegt ihr Versagen?
Seite 56
Als Antwort auf diese Fragen wird häufig u. a. der starke Einfluss von traditionellen und kulturellen Werten als Hauptstörfaktor
angeführt. Sie gelten als altmodisch und werden als Hindernisse
für den Entwicklungsprozess betrachtet.
Andere Entwicklungstheoretiker teilen diese Meinung nicht.
Sie glauben, die Unwirksamkeit der bisherigen Entwicklungsprojekte und -programme liege darin, dass die Arbeitsmethoden und
Grundfragestellungen der „Entwicklungsexperten“ nicht den soziokulturellen Realitäten angepasst seien. Kultur sei nicht wie oft
behauptet ein Hindernis für die Entwicklung. Sie gilt als Baustein
oder Basis aller sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen.
Um dies bereits zu Beginn dieses Beitrages festzuhalten: Es
geht in dieser Analyse weder darum, die These der Traditionalisten oder so genannten Afrozentristen1 zu unterstützen, die Afrika,
besonders das traditionelle Afrika, als verlorenes Paradies bezeichnen, noch darum, die rassistischen oder eurozentristischen2
Gedanken zu kritisieren, die die afrikanischen Gesellschaften
als zivilisationslose Gesellschaften betrachten. Die wesentliche
Intention meines Beitrages besteht darin, die Interdependenzen zwischen soziokulturellen Werten und der Problematik wirtschaftlicher und politischer Entwicklung herauszustellen.
Ich bin der Meinung, dass die Grundlage und Voraussetzung jeder Entwicklung die Berücksichtigung kultureller und lokaler Werte
ist. Kultur ist der Baustein, auf dem jede Gesellschaft ihre Gegenwart und Zukunft baut. Dazu schrieb Jean Gray (zit. in: UNESCO 1 Afrozentrismus ist eine pseudohistorische politische Bewegung, die behauptet, AfroAmerikaner sollten ihre Wurzeln zurück zum alten Ägypten verfolgen, das wiederum
angeblich von schwarzen Afrikanern bewohnt wurde. Einige der Behauptungen des
Afrozentrismus sind, dass die alten Griechen ihre kulturellen Haupterrungenschaften
von schwarzen Ägyptern stahlen, dass Jesus, Sokrates und Kleopatra - neben anderen
- schwarz waren und dass Juden den schwarzafrikanischen Sklavenhandel schufen, in:
http://www.skeptischeecke.de/Worterbuch/Afrozentrismus/afrozentrismus.html
2 Vgl. ebd.
8 1990: 23): „The people best equipped for successful development is a people prepared to draw deeply on its own resources,
through its roots in its own land and culture”.
Wenn man davon ausgeht, dass Kultur als die Gesamtheit der
Lebensformen einer Gesellschaft zu verstehen ist, dann muss
„Kultur“ als „Impuls“ allen menschlichen Handelns und Verhaltens
betrachtet werden. Die Rückbesinnung auf Kultur bzw. auf eigene
Werte bedeutet die Erfassung des eigenen „Daseins“, der eigenen
Identität.
Sich selber zu kennen ist erforderlich, denn nur so kann man
die eigenen Bedürfnisse erkennen und befriedigen; sich nicht zu
kennen könnte tödlich sein. Dieser Sachverhalt wird in einem berühmten Bambara-Spruch wiedergegeben: „Yè Yèrè don“ „Kunfinya yèbana yé“. Übersetzt bedeutet dies: „Kenne dich selber, weil
die Unwissenheit eine tödliche Krankheit ist“.
Aus diesen Überlegungen sollten sich Afrikaner mit den folgenden Fragestellungen auseinander setzen: Wer sind wir? Wohin
wollen wir? Und was wollen wir werden?
Zur Erfassung der genauen Bedeutung von „Kultur“ im gesellschaftlichen Entwicklungsprozess möchte ich nun ihre wesentlichen Funktionen kurz darstellen und klassifizieren. Kultur dient
dazu:
1.das Identitätsbewusstsein einer Bevölkerung zu wecken; dabei
kann die Bevölkerung Stellung und Beziehungen gegenüber
anderen Bevölkerungsteilen in der Welt nachvollziehen;
2.das Gemeinschaftsleben zu gestalten, wobei die einen wissen,
was sie von anderen erwarten können;
3.zu lernen, eigene Probleme mit eigenen Methoden zu lösen;
4.die eigene Zukunft auf der Basis der eigenen Identität aufzubauen (ebd.: 78 & Gieler 1989: 101-121).
Drei wesentliche spezifische Funktionen können an dieser Stelle
festgestellt werden: Die soziale Funktion, die psychische Funktion
und die Anpassungsfunktion der Kultur:
ppAuf sozialer Ebene spielt Kultur eine überwiegende Rolle bei
der Schaffung und Gestaltung einer bestimmten Gemeinschaft,
die sich von anderen durch ihre Normen unterscheidet
ppAus psychischer Sicht ist Kultur der Raum durch den die psychische Persönlichkeit der Individuen geformt wird; das Denksystem, Glaubensvorstellungen, Gefühle und die psychologischen
Bedürfnisse des Individuums oder / und der ganzen Gesellschaft werden dabei gebildet. Dies ist der Grund dafür, dass es
unterschiedliche Kulturen gibt, und dass Normen und Werte einer Gesellschaft nicht als universal betrachtet werden können.
ppDie Anpassungsfunktion von Kultur ist die Wichtigste. In diesem
Sinne ist Kultur das wesentliche Element, durch das Mensch
und Gesellschaft sich an ihr Umfeld anpassen.
Bezogen auf ihre Funktionen in der gesellschaftlichen Entwicklung, symbolisiert Kultur die Kräfte der Gesellschaft. Das Wirtschaftpotential einer Bevölkerung kann verloren gehen, materielles Eigentum kann zerstört werden, doch diese Bevölkerung wird
nie ihre Persönlichkeit, ihren eigenen „intellektuellen“ Fähigkeiten und ihr Selbstvertrauen verlieren. Diese Bevölkerung kann
immer wieder auf eigenen Füßen stehen und ihre Entwicklung in
die Hand nehmen.
Ein konkretes Beispiel ist der Fall Deutschlands und Japans
nach dem zweiten Weltkrieg. Wenn hingegen die Bevölkerung
ihre Kultur, d.h. ihre eigene Persönlichkeit und ihr Selbstvertrauen verliert, wird der Weg zum Wiederaufbau erschwert, selbst
wenn enorme Mengen an Geld, Technik und Wissen ins Land
gebracht werden. Solch eine Bevölkerung verliert nicht nur ihre
eigene Dynamik, sondern auch ihre Fähigkeit, über sich selber
nachzudenken und dementsprechend eigene Entwicklungspläne
zu gestalten. Sie verliert ihre Anpassungsfähigkeit. Sie kann nicht
mehr unterscheiden, was positive oder negative Auswirkungen
auf sie haben könnte.
Dies ist der Fall in den meisten afrikanischen Länder und vor
allem den jungen westafrikanischen Staaten. Um sich anpassen
zu können, müssen sie einen Blick in ihre Vergangenheit werfen,
wie Attoh Ahuma es hier verdeutlicht: „Intelligent Retrogression
is the only progression that will save our beloved country (continent). This may sound a perfect paradox, but it is, nevertheless,
the truth; and if all educated West Africans could be forced by
moral suasion and personal conviction to realize that “Back to the
Land” signifies a step forward, that “Back to the Simple Life” of our
progenitors expresses a burning wish to advance…” (SRB. Attoh
Ahuma, zit. nach Ayittey 1991: xiii.).
Rückbesinnung auf Kultur meint hier nicht einen „systematischen Rückzug“ der Afrikas auf ihre Vergangenheit oder „alte
Traditionen“. Es geht hier nicht darum, alle äußeren Einflüsse systematisch abzulehnen und zu versuchen das so genannte „verlorene Paradies“ wieder zu erschaffen. Denn die Kultur einer Gesellschaft ist nicht statisch. Sie ist im Gegenteil konstant, flexibel
und unterliegt dem Einfluss anderer Kulturen. Die hier gemeinte
Rückbesinnung auf kulturelle Werte bedeutet im Grunde genommen für Afrikaner:
1.ihre Vergangenheit zu erforschen und die wertwollen kulturellen Normen und Organisationsformen wieder zu entdecken.
2.durch kritische Überlegungen die kulturellen Strukturen zu bewerten und zu aktualisieren, so dass die Diskrepanz zwischen
„alten“ und „modernen“ Strukturen gemindert werden kann.
Im Zusammenhang zur Aktualisierung oder Anpassung der wieder entdeckten kulturellen Elemente sollten sich die Überlegungen auf drei wesentliche Handlungsbereiche beziehen: politische, soziale und wirtschaftliche Strukturen. Welche Reformen
oder kulturelle Anpassungen sind hier erforderlich?
Die entscheidenden Fragestellungen bei der Rückbesinnung
auf kulturelle Faktoren im wirtschaftlichen Entwicklungsprozess
sind: Wie können afrikanische kulturelle Werte in der Praxis im
wirtschaftlichen Bereich eingesetzt werden? Sind alle kulturellen Elemente einsetzbar? Wenn nicht, welche können tatsächlich
zum Motor einer endogenen Entwicklung gemacht werden?
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4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009
Wortbeitrag
>> Michel Dinzey
Bei der WM in Südafrika ging es im Vorfeld viel um Sicherheit
– ich sehe das gar icht als großes Problem. Ich habe 1996 den
Afrika Cup dort gespielt, und was uns anging hatten wir keine
Befürchtungen bezüglich der Kriminalität. Meiner Meinung nach
wird das Thema ziemlich hochgespielt.
Solange es in Afrika noch die Diktatoren gibt, wird es Ausbeutung der Länder an Mineralien geben und die Menschen werden
weiterhin sehr arm leben.
Aufklärung in Schwarzafrika ist zwar da, aber die finanziellen
Mittel eben nicht. Ich denke, dass die Leute, die wirklich etwas
bewegen können, sich mit Menschen zusammensetzen sollten,
die helfen wollen und gemeinsam Konzepte erarbeiten, um diese
dann auch in den Regionen umzusetzen.
Aktuell ist die Lage meiner Ansicht nach sehr komplex und
nicht zu bewältigen – die Probleme sind nach wie vor zu groß.
Im Fußball werden dann 90 Minuten die ganzen Probleme vergessen und die Aggressionen abgebaut – das ist in Deutschland
auch nicht anders.
Danach kehrt der Alltag wieder ein. Aber die Menschen machen irgendwie das Beste daraus, um zu überleben – und das
Tag für Tag.
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4. Podiumsdiskussion – 26.11.2009
Kultur und Sport –
eine Chance, in Europa ein anderes AfrikaBild zu verbreiten
>> Harald Stutte
Bekanntermaßen wird das Afrika-Bild in der deutschen Öffentlichkeit von negativen Stereotypen beherrscht: Krieg, Korruption,
Aids Hunger. Positive Entwicklungen – wirtschaftliches Wachstum , demokratische Wechsel nach Wahlen, regionale Erfolge im
Kampf gegen Aids oder Malaria – werden in deutschen Medien
indes kaum wahrgenommen. Sport und Kultur bieten die einmalige Chance, in Europa ein anderes Afrika-Bild zu vermitteln.
Wenn beispielsweise der Hamburger SV ein Fußball-Profi wie
Collin Benjamin verpflichtet, wird selbst in Medien wie Bild oder
Morgenpost, die sonst kaum über Afrika berichten, über Kultur
und Bräuche in dessen Heimatland Namibia informiert. Ein anderes Beispiel: Wenn in Hamburg der Soweto Gospel Choir oder ein
Gumboots Ensemble gastieren, wird eine Begeisterung für Afrika bei Hamburgern geweckt, die normalerweise keinen Zugang
zu afrikanischer Kultur haben. Künstler und Sportler sind so stets
auch Übermittler und Botschafter eines positiven Afrika-Bildes.
Und das ist bitter nötig.
Natürlich dürfen solche positiven Afrika-Bilder nicht ausschließlich aus den Nischen Sport oder Kultur bedient werden. Hier sehe
ich durchaus eine Gefahr. Afrika darf nicht als Kontinent bewunderter Sportler, Tänzer und Trommler einerseits, korrupter Politiker
und militanter Milizchefs andererseits wahrgenommen werden.
Das entspräche dem antiquierten und rassistischen Bild europäischer Kolonialherren. Ich verstehe durchaus auch Kritiker, die
sagen, singende und tanzende Afrikaner bedienen ein bei vielen
Europäern vorherrschendes Bild anspruchsloser weil traditioneller
afrikanischer Kultur. Auch Deutsche sind nicht immer glücklich,
wenn sie vom Ausland als schuhplattlernde Lederhosenträger
dargestellt werden.
Doch ich verstehe Afrikas Sport und Kultur als eine Art „Entrée“,
um in Europa Menschen für Afrika zu interessieren, eventuell zu
begeistern, die sonst keinen Zugang haben. Ich bin so kühn zu
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behaupten, dass ein Junge, der ein Poster des Chelsea-Superstars
Didier Drogba in seinem Zimmer hängen hat, in seiner späteren
Jugend weniger empfänglich für rassistische Thesen ist. Zugegeben: Von der Bewunderung für einen afrikanischen Fußballer bis
hin zur Selbstverständlichkeit, auch in Deutschland von einem
schwarzen Politiker regiert, von einem schwarzen Polizisten kontrolliert, von einem schwarzen Arzt untersucht zu werden, ist es
noch ein langer Weg. Aber es gibt hoffnungsvolle Anfänge. Kultur
und Sport bauen hier Brücken über Gräben, die in der politischen
beziehungsweise Krisenberichterstattung aus/über Afrika gerissen wurden. Wobei ich aber auch der Meinung bin, Deutsche
mit schwarzer Hautfarbe sollten sich nicht über ihre „afrikanische
Herkunft“ definieren (oft genug haben sie nie in ihrem Leben
einen Fuß auf afrikanischen Boden gesetzt). Sondern sollten viel
selbstverständlicher ihren Platz in der Mitte der deutschen Gesellschaft suchen.
Kultur und Sport >> Veye Tatah
Kultur gestaltet Gesellschaften und beeinflusst das Leben von
Einzelnen und ist in den Werten unserer Ahnen verwurzelt. Kultur
dient auch als eine Quelle zum Dialog, zur Innovation, für Kreativität. Kultur ist die Basis für endogene Systeme von Solidarität,
für Ausdrucksformen und ist Mittel zur Wissensvermittlung.
Insofern dient Kultur in der heutigen Welt als ein Mittel, um
mehr zufriedenstellende Intellektualität, um moralische und spirituelle Existenz zu erlangen. Dabei hat Kultur unerkannte Potentiale in Bezug auf wirtschaftliche Entwicklung und bei Bemühungen zur Bekämpfung von Armut.
Die Auswirkung der transatlantischen Sklaverei auf die afrikanischen Gesellschaften und die Entwicklung ihrer Kultur und ihre
ethischen Werte war besonderes stark. Das hat zur Entwürdigung
von kulturellen Werten in Afrika geführt, zur Ablehnung der zahlreichen Einflüsse besonders auf Kulturen und Zivilisationen Europas, Amerikas und der Karibik.
Sportliche Aktivitäten waren in Afrika schon lange vorhanden.
Aber Fußball ist in Afrika extrem populär und kann auf eine lange
Geschichte zurückblicken. Die Verbreitung von Fußball in dieser
Form wurde gezielt von den Kolonialherren gefördert. Um europäische Vorstellungen von Fairplay, Teamgeist, Disziplin, Pünktlichkeit und Hierarchie zu vermitteln. 1960 als Nkwame Nkrumah
ein Neue Stadium in Kumasi/Ghana eröffnete, sagte er: „Sport
kann zur „Entwicklung der Nation“, zum gegenseitigen Verständnis verschiedener Regionen untereinander und zur Verwirklichung
einer „afrikanische Einheit“ beitragen.
Heutzutage wird Fußball in vielen Ländern politisiert und kann
dadurch zu ethnischen Konflikten führen. Heute sind afrikanische
Fußballspieler regelrechte Exportschlager in allen Ländern in Europa: Man denke nur an Samuel Etoó aus Kamerun, Demba Mba
aus Senegal, Didier Drogba aus der Elfenbeinküste usw.
Einige der großen Zivilisationen der Welt gab es in Afrika wie
das Mali-Reich, Great Zimbabwe, Königreiche in Ghana, Axum
(Norden Äthiopiens), die mit ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen lange vor Europa bekannt waren.
Es ist höchste Zeit, dass Europa sich mit mehr Sachverstand auf
die Wirklichkeit und die Bedürfnisse Afrikas einlässt. Im Rahmen
der heutigen Veranstaltung werden wir versuchen, die Frage zu
beantworten, wie eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf
Augenhöhe aussehen kann.
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5. Abschlussveranstaltung
5. Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?!
Konsequenzen und Perspektiven
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Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe?!
Als vorläufigen Abschluss der Afrika-Veranstal-
Kultur für eine zukunftsfähige Zusammenar-
tungen des Zukunftsrates Hamburg möchten
beit zwischen Europa und Afrika? Hat sich das
wir über Konsequenzen und Perspektiven ei-
Afrika-Bild in den deutschen Medien insbe-
ner nachhaltigen Kooperation mit Afrika dis-
sondere nach der Fußball-Weltmeisterschaft
kutieren. Dazu sollen beispielhafte Themen
in Südafrika verändert?
und beispielhafte Projekte vorgestellt werden.
Welche Möglichkeiten ergeben sich aus der
Insbesondere unsere Bereitschaft, von der kul-
neu vereinbarten Städtepartnerschaft zwi-
turellen Identität und Vielfalt Afrikas zu lernen,
schen Hamburg und Dar es Salaam?
ist eine wichtige Grundlage für eine nachhalti-
Wie wollen wir eine nachhaltige Kooperation
ge Partnerschaft auf Augenhöhe.
mit Afrika in Hamburg weiter bewegen und
Welche Bedeutung haben Geschichte und
entwickeln?
Foto: © SIEME
Konsequenzen und Perspektiven
Am Montag, den
Veranstaltungsort:
Rudolf Steiner Haus Hamburg
Mittelweg 11-12
20148 Hamburg
29.11.2010
um 18.00 Uhr
Podiumsdiskussion
Eintritt frei!
Foto: © tanzaniatouristboard.com
Teilnehmende
Anmeldung erbeten bei:
Jun.-Prof. Dr. Kocra Assoua
Zukunftsrat Hamburg
Harald Stutte
Mittelweg 21
(Lehrstuhl für Entwicklungssoziologie, Universität Bayreuth)
(Journalist, Hamburger Morgenpost)
20148 Hamburg
Simone Damak, Dr. Michael Hoppe
info@zukunftsrat.de
Jörn Serbser
(Steps for Children, Hamburg)
(Koordinator der Dar es Salaam-Partnerschaft am Helene-Lange-Gymnasium)
Künstlerische Begleitung:
Oumar Koita & friends
Moderation: Dr. Ulf Skirke
Foto: © tanzaniatouristboard.c
(Zukunftsrat Hamburg)
Dieses Projekt wurde gefördert durch:
Eine Veranstaltung des Zukunftsrates Hamburg
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5. Abschlussveranstaltung
Gäste
Dr. Ulf Skirke ( Jahrgang 1949) ist
Diplom-Physiker und Dr. phil. Er ist beruflich im Klimaschutz und der ökologischen
Stadtentwicklung in der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt tätig. Ehrenamtlich ist er im Zukunftsrat
Hamburg als Mitglied im Koordinierungskreis engagiert. Er hat
in den letzten zwanzig Jahren eine Vielzahl von Ländern des
afrikanischen Kontinents bereist.
Prof. Dr. Kocra Assoua ( Jahrgang 1973) stammt
aus der Côte d’Ivoire. Er lebt seit 1996 in Deutschland und studierte von 1997 bis 2002 an der
Universität Siegen Politikwissenschaft, Wirtschaft und
Anglistik. Assoua promovierte zu einer empirischen bzw. vergleichenden Untersuchung zu Dezentralisierungsreformen in Afrika.
Seit 2007 ist er Dozent für Entwicklungspolitik am Lehrstuhl für
Entwicklungssoziologie, Universität Bayreuth, seit November
2009 hat er dort eine Juniorprofessur. Thematisch beschäftigt er
sich unter anderem mit Entwicklungspolitik / Entwicklungssoziologie, Technischer und wirtschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit, Budgetfinanzierung / Projektfinanzierung, Projektkonzipierung, -bearbeitung & -auswertung, Analyse und Auswertung
von Entwicklungsprojekten, Internationalen Wirtschaftsbeziehungen / EU-AKP Abkommen / NEPAD, Public Private Partnerships,
Kommunalpolitik / Dezentralisierungspolitik und Umweltpolitik.
Harald Stutte ( Jahrgang 1964) ist in seinem
„ersten Leben“ Redakteur bei der Hamburger
Morgenpost. In seinem „anderen Leben“ beschäftigt sich der Politikwissenschaftler und Historiker mit
dem südlichen Afrika, das er seine zweite Heimat nennt. Nicht
nur, weil seine Frau eine gebürtige Kapstädterin ist und er fast
jedes Jahr das Land an Afrikas Südspitze besucht. Für zahlreiche
Publikationen hat er Analysen und Berichte aus und über die
Region verfasst, außerdem war er mehrfach für die staatliche
Entwicklungsgesellschaft InWent als Dozent in Durban und
Hamburg tätig. Bedauernswert findet er, dass in den deutschen
und europäischen Medien negative Stereotypen über Afrika
dominieren und positive Entwicklungen, die es zweifelsfrei auch
gibt, oft nicht genug gewürdigt werden.
Dr. Michael Hoppe ist Gründer der Stiftung
steps for children in Hamburg, die bedürftige
Kinder und Jugendliche, hauptsächlich Aids-Waisen, in Afrika, Asien und Südamerika unterstützt.
Seine Vision ist die dauerhafte Selbstversorgung der Kinder
ohne fremde Mittel. Als erstes Projekt hat die Stiftung zusammen mit den Mitgliedern der Gemeinde in Okakarara, Namibia,
die Errichtung einer Vorschule und Suppenküche ebenso wie
einer Nähstube initiiert, weitere soziale Projekte sind im Aufbau.
Der Diplom-Kaufmann mit Schwerpunkten Recht, Steuern und
Controlling hat umfangreiche Unternehmens- und Managementerfahrungen in internationalen Unternehmen gesammelt, bevor
er sich als Coach selbstständig machte.
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Oumar Koita stammt aus einer sehr
musikalischen Familie aus Mali. Nach seiner
Ankunft in Deutschland spielte er in mehreren
Gruppen. Seine Erfahrung erweiterte er durch einen
Aufenthalt in Amerika und Jamaika, nachdem er seine erste MC
„Be Yourself“ aufzeichnete. Im Jahre 1994 veröffentliche er seine
zweite CD, und seitdem nimmt er teil an Festivals und Veranstaltungen in Europa und Afrika u.a. Echo sida, Action Unesco
in Bamako, Kieler Woche, Ottensen Sampler. Seine Musik ist
ein musikalischer Austausch zwischen Afrika, der Karibik und
Deutschland, der den Einfluss von Reggae- und Jazzelementen
eindeutig erkennen lässt. In seinen selbstkomponierten Songs
zelebriert er den Afro-Pop und erzählt die Geschichten vom
Leben der Menschen seiner Heimat. .
Jörn Serbser ist Koordinator der Partnerschaft
Helene Lange Gymnasium – Kiluvya Secondary
School. Seit 2006 unterhält das Helene Lange
Gymnasium Kontakte zur koedukativen, staatlichen
Kiluvya Secondary School in Dar es Salaam. Von Anfang an stand
der Gedanke der Begegnung und des gemeinsamen (Kennen-)
Lernens im Vordergrund der Verbindung. Bei gegenseitigen
Besuchen von Schüler-Lehrer-Gruppen konnten Einblicke in den
jeweiligen schulischen und persönlichen Alltag genommen
werden. Stets wurden Projekte durchgeführt, etwa zum Thema
Globalisierung, zu kreativem Schreiben oder es wurde ein
Theaterstück inszeniert und ein interkultureller Fotoworkshop
durchgeführt. So war es uns in diesem Jahr eine Ehre, anlässlich
der Hundertjahrfeiern erneut eine Delegation aus Dar es Salaam
begrüßen zu können!
Seite 65
5. Abschlussveranstaltung
BegrüSSung
>> Dr. Ulf Skirke
Meine Damen und Herren, liebe Freunde,
die vor zwei Jahren begonnene Reihe von Afrika-Veranstaltungen soll nun heute zu einem vorläufigen Abschluss kommen.
Ziel dieser Afrika-Reihe war, neue Impulse für eine nachhaltige
Kooperation mit Afrika zu geben und dazu beispielhaft Themen
und Projekte vorzustellen. Heute wollen wir über Konsequenzen
und Perspektiven diskutieren. Und das war und ist unsere Leitidee: Eine nachhaltige Partnerschaft auf Augenhöhe kann nur
dann wirklich zustande kommen, wenn wir bereit sind, von der
kulturellen Einzigartigkeit und Vielfalt Afrikas zu lernen. Von daher haben wir besonders die Frage ins Zentrum gerückt: Welche
Bedeutung haben Geschichte und Kultur für eine zukunftsfähige
Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika?
Die kenianische Nobelpreisträgerin Wangari Maathai hat in ihrer jüngsten Veröffentlichung: „The Challenge for Africa. A new
Vision.“ (2009) diese Frage für die Entwicklung Afrikas besonders
hervorgehoben. Sie schreibt: „Seit fünf Jahrhunderten hat die außenstehende Welt den Afrikanern erklärt, wer sie sind … Afrikanern wurde gesagt, ihre Gesellschaften seien rückständig, ihre
religiösen Traditionen sündig, ihre landwirtschaftlichen Praktiken
primitiv, ihre Regierungssysteme unbedeutend und ihre kulturellen Normen barbarisch.“ Diese ‚Kolonisierung des Geistes‘ hat
Afrikaner von sich selbst und ihren Fähigkeiten entfremdet – so
als schaue man in einen „zerbrochenen Spiegel“. Dennoch hält
sie es für unerlässlich, in die (Kultur)-Geschichte zurückzuschauen, um sich nach vorn in die Zukunft bewegen und entwickeln
zu können. Wangari Maathai ist dafür der beste Beweis, wenn
sie an alte, vorkoloniale kulturelle Traditionen anknüpft, um soziale und ökologische Zukunftsprojekte in Gang zu bringen. Sie
ist ein Vorbild für eine nachhaltige Entwicklung Afrikas, und wir
müssen uns deutlich strecken, um ihre Augenhöhe zu erreichen.
Die Vielfalt traditioneller ‚Ethnien‘ (von Wangari Maathai besser
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als „Mikro-Nationen“ bezeichnet) ist nicht einfach rückständig,
sondern bietet große Potentiale für eine produktive ‚Bottom-up‘Strategie von Zivilgesellschaft und Demokratie: nämlich wenn
aus den ‚Mikro-Nationen‘ von unten nach oben tragfähige Makro-Nationen entstehen … Genau in diese Richtung verweist z.B.
das Verfassungsreferendum in Kenia dieses Jahr, wenn erstmals
in der Geschichte eine Zweite Kammer, ein Senat mit knapp 50
Vertretern aus regionalen Verwaltungskreisen (‚Mikro-Nationen‘)
neben dem Parlament eingesetzt wird.
Ich hoffe, beispielhaft die enorme Bedeutung der Kultur für den
Entwicklungsprozess Afrikas sowie für eine nachhaltige Kooperation auf Augenhöhe verdeutlicht zu haben. Weitere konkrete
Beispiele werden wir heute Abend hören, zunächst Grundsätzliches von Prof. Assoua, dann von Harald Stutte über die Frage,
ob sich das Afrika-Bild nach der Fußball-Weltmeisterschaft positiv
verändert hat. Im Folgenden wird Dr. Hoppe über sozio-kulturelle
Probleme und Lösungen für ein Entwicklungsprojekt in Namibia
berichten und Herr Serbser mit Frau Tran über die Schulpartnerschaft des Helene Lange Gymnasiums mit der Kiluvya Secondary
School in Dar es Salaam.
Insgesamt wollen wir heute über Konsequenzen, Perspektiven
und zukünftige Handlungsmöglichkeiten in Hamburg zur nachhaltigen Kooperation mit Afrika diskutieren.
Bevor wir in den sprachlichen Teil einsteigen, freue ich mich,
den aus Mali stammenden Gitarristen und Sänger Oumar Koita
mit zwei Kollegen für eine musikalische Einleitung des heutigen
Abends begrüßen zu dürfen.
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5. Abschlussveranstaltung
Afrika – Nachhaltige Partnerschaft auf
Augenhöhe?!
>> Prof. Dr. Kocra Assoua
Das Thema der heutigen Podiumsdiskussion wirft im Grunde genommen auch die Frage nach dem Sinn bzw. Unsinn von Entwicklungszusammenarbeit auf. Diese Frage steht seit einigen Jahren
im Mittelpunkt der entwicklungspolitischen Debatte.
Die Auseinandersetzung mit dieser Frage erfordert einen fachübergreifenden Ansatz, weil die Problematik der Entwicklungspolitik ein Querschnittthema ist, das aus verschiedenen Per­
spektiven behandelt werden kann bzw. soll. Daher begrüße ich
auch, dass diese Vielfältigkeit bei der Auswahl der Referenten
hier berücksichtigt wurde. Als Ausgangspunkt würde ich gleich zu
Beginn meines Vortrags auf die Frage eingehen: Wo steht Afrika
heute über 60 Jahre nach der erlangten Unabhängigkeit?
60 Jahre nach der Unabhängigkeit sind viele Länder Afrikas
südlich der Sahara in einer desolateren Lage als je zuvor. Selbstverständlich gibt es nicht nur negative Nachrichten aus Afrika zu
berichten, aber die Folgen der oben genannten Faktoren sind so
verheerend, dass positive Entwicklungen kaum in den Medien
erwähnt werden.
Über die Ursache dieser Entwicklung herrscht unter Wissenschaftlern, Entwicklungsexperten und Regierungen keine Übereinstimmung. Eins ist aber klar: Es gibt bzw. es kann keine monodimensionale Erklärung für diese Fehlentwicklung geben. Die
Gründe sind vielfältig und lassen sich auch manchmal je nach
Fachschwerpunkte bzw. Ansatzpunkte aufführen. Was auch immer zu Ursachen der Entwicklungsprobleme Afrikas gesagt wird,
die historische Dimension kann nicht außer Acht gelassen werden. Die ersten Kontakte zwischen dem Westen und Afrika haben schwere psychische Belastungen hinterlassen, die die „Pubertätsphase“ der afrikanischen Nationen stark geprägt haben.
Infolge dieser ersten Berührungen verloren Afrikaner ihr Dasein,
ihr Selbstvertrauen und kulturelles Selbstbewusstsein.
Man könnte in diesem Kontext von einer harten bzw. gestörten
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Kindheit sprechen. Eine Kindheit der Nationen, die sich genau so
wie die Kindheit vieler afrikanischer Kinder in Kriegs- und instabilen Regionen verläuft. Eine harte und gestörte Kindheit, geprägt
aber auch von bereichernden Erfahrungen, die heute von der jungen Generation kapitalisiert werden müsste.
Der Vergleich der Entwicklung afrikanischer Nationen mit der
eines Kindes soll hier nicht als eine Infantilisierung der Afrikaner
interpretiert werden. Wir sollen uns hier nicht missverstehen. Es
geht hier ausschließlich um die Beschreibung des Entwicklungsprozesses einer Gesellschaft, die sich aufgrund ihrer ungünstigen
historischen Entwicklung noch in der primären Phase des Sozialisationsprozesses befindet. Die Verwendung des Begriffs „Kindheit“ bezieht sich hier also auf diese prekäre Form des politischen
Sozialisationsprozesses.
Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass die vor kurzem beschriebene desolate Lage Afrikas seit 60 Jahren andauert. 60 Jahre sind relativ viel für eine Lebensdauer. 60 Jahre sind gerade das
Grenzalter der „Pubertät“ für eine Nation. Die afrikanischen Nationen und Staaten befinden sich also am Ende der Pubertätsphase
und bereiten sich vor, ihre Jugendphase im neuen Jahrhundert zu
erleben.
Im politikwissenschaftlichen Sprachgebrauch wird der Begriff
Nation-Bildung-Prozess verwendet um diese Entwicklung zu bezeichnen. Die Staaten Afrikas befinden sich also in einem Lernprozess und eine Kapitalisierung dieses Lernprozesses ist eine
unabdingbare Voraussetzung, eine gute Basis, für einen Neuanfang im Rahmen der internationalen Beziehungen.
Das Problem Afrikas ist, dass es gerade in dieser „Pubertätsphase“ schlecht gefüttert wird bzw. „totgefüttert wird“ und daher
nicht wachstumsfähig sein kann.
Was impliziert aber diese Aussage? „Afrika wird totgefüttert
oder schlecht gefüttert“. Womit und wie wird Afrika eigentlich
gefüttert? Warum wird Afrika gefüttert? Wieso braucht Afrika gefüttert zu werden? Wie lange braucht Afrika gefüttert zu werden?
Wird Afrika irgendwann satt?
Diese Fragestellungen mögen vielleicht banal klingen, sie verschaffen uns aber einen besseren Zugang zu der Problematik der
nachhaltigen Entwicklung und führen uns (hoffe ich zumindest)
auch leichter in diese Thematik ein. Ich fand es ganz wichtig diese Fragestellungen in meinem Statement aufzuwerfen, in der
Hoffnung, dass wir gleich im Rahmen der Podiumsdiskussion gemeinsam auf sie eingehen.
Womit wird Afrika gefüttert? Afrika wird politisch, wirtschaftlich
und kulturell „gefüttert“. Afrika wird mit importierten bzw. etablierten Ideen, Konzepten, Normen und Regel gefüttert, die oft mit
den kulturellen Werten oder lokalen Realitäten in Konflikt geraten
bzw. Konflikte auslösen. Zu nennen sind u.a. Demokratie-Konzepte westlicher Prägung, politische Systeme bzw. Regierungssysteme in Form von Präsidialsystemen, Rechtssysteme, Gesundheitspolitik, Bildungspolitik etc.
Ich bin der Meinung, dass der Beitrag von Kultur zum Entwicklungsprozess Afrikas bisher zu wenig thematisiert wurde. Grundlage und Voraussetzung jeder Entwicklung ist jedoch die Berücksichtigung kultureller und lokaler Werte. Kultur ist der Baustein,
auf dem jede Gesellschaft ihre Gegenwart und Zukunft baut.
Wenn man davon ausgeht, dass Kultur als die Gesamtheit der
Lebensformen einer Gesellschaft zu verstehen ist, dann muss
„Kultur“ als „Impuls“ allen menschlichen Handelns und Verhaltens
betrachtet werden. Die Rückbesinnung auf Kultur bzw. auf eigene
Werte bedeutet die Erfassung des eigenen „Daseins“, der eigenen
Identität.
Sich selber zu kennen ist erforderlich, denn nur so kann man
die eigenen Bedürfnisse erkennen und befriedigen; sich nicht zu
kennen könnte tödlich sein. Dieser Sachverhalt wird in einem berühmten Bambara Spruch wiedergegeben: „Yè Yèrè don“ „Kunfinya yèbana yé“ Übersetzt bedeutet dies: „kenne dich selber, weil
die Unwissenheit eine tödliche Krankheit ist“.
Aus diesen Überlegungen sollten sich Afrikaner mit den folgenden Fragestellungen auseinander setzen: Wer sind wir? Wohin
wollen wir? Und was wollen wir werden?
Seite 69
5. Abschlussveranstaltung
Die FuSSball-WM in Südafrika – Versuch
einer Bilanz
>> Harald Stutte
Ein halbes Jahr nach Anpfiff der WM – Zeit für eine Bilanz. Die
Bilanz kann es eigentlich nicht geben, vielmehr gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen. Die gab es bereits vor der WM:
Ich habe es beinahe schon als unerhört empfunden, mit welchen Befürchtungen und Zweifeln die WM-Vorbereitung bei uns
im Westen begleitet wurde. Wir hatten das ja bereits bei der Veranstaltung vor einem Jahr erläutert: Nach dem grundlegenden
Zweifel, ob ein afrikanisches Land überhaupt so ein Großereignis
ausrichten kann, ging man ins Detail: Da wurde der Zeitplan in
Frage gestellt – schaffen die das überhaupt? Als der Zeitplan keinen Anlass zur Besorgnis mehr bot, ging es um die Infrastruktur,
dann um die innere Sicherheit, zugegebenermaßen ein großes
Problem in Südafrika. Dennoch war es unverantwortlich, dass
Sportfunktionäre wie der damalige Bayern-Präsident Uli Hoeness
ganz grundsätzlich die Vergabe der WM an Südafrika als Fehler
bezeichneten. Kurzum: Fast sechs Monate nach der Beginn der
WM können wir aus der Sicht einer großen Fußball-Nation konstatieren, dass keine der Befürchtungen eingetroffen ist: Es war
eine phantastische WM, wir haben tolle Spiele, großartige Stadien, einen sympathischen, leidenschaftlichen und fußballbegeisterten Gastgeber gesehen.
Waren das nun ein afrikanisches Fest? Vermutlich weniger als
zuvor erhofft. Zumal die Afrikaner immer schon ein Problem mit
ihren Brüdern im Süden haben: Ist Afrikas einziger Industriestaat
Südafrika nicht ein Sonderfall, ein Stück afrikanisches Europa, das
mit der Realität im Rest des Kontinents kaum zu vergleichen ist?
Doch mein Eindruck war, dass das sehr wohl eine afrikanische
WM war, trotz der Auflagen, mit denen die mächtige FIFA solch
ein Ereignis okkupiert. Die Fans, der Sound der Vuvuzelas, die
explodierende Lebensfreude prägten dieses Sportereignis für uns
Zuschauer weltweit auf ganz besondere Weise.
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Doch es gab auch Enttäuschung über diese Fußball WM. Enttäuschung vor allem bei den Menschen, die sich seit der Vergabe
der WM an Südafrika im Juli 2000 uneingeschränkt gefreut hatten: bei den Südafrikanern. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die
Erwartungen schlicht zu hoch waren. Die Südafrikaner haben unterschätzt, wie stark die FIFA eine WM dominiert und wirtschaftlich ausbeutet.
Die Menschen hatten sich von dieser WM die Lösung für fast
alle ihre Probleme versprochen: Jobs, neue Großprojekte, bleibende Veränderungen im Land. Dem Partyrausch folgte schnell
der Kater. Auch mit Blick auf das lange Stillhalten in der Zeit vor
der WM lähmt heute eine Streikserie das Land, die sehr rebellische Gewerkschaft COSATU fordert eine Art „WM-Bonus“ für die
Arbeitnehmer im Land ein.
Neben dieser gefühlten Enttäuschung gibt es auch ganz handfeste Sorgen, die die FIFA dem Land hinterlassen hat:
ppDrei gigantische Stadien-Neubauten (Greenpoint in Kapstadt,
Durban und Soccer City in Johannesburg), deren weitere Nutzung nicht gesichert ist und deren Unterhalt die klammen
Kommunen viel Geld kostet.
ppStatt prognostizierter Einnahmen in Höhe von 500 Millionen
Euro bleiben die Südafrikaner auf 2 Milliarden Euro WM-bedingter Schulden sitzen. Die Fifa indes konnte ihre Einnahmen
verdoppeln, auch weil man das afrikanische Land unter Druck
gesetzt hatte und eine Steuerbefreiung für alle FIFA-Einnahmen
durchgesetzt hatte.
ppDauerhafte Jobs entstanden nicht, bereits Ende Juli 2010 brach
die Beschäftigung gegenüber dem Vorjahr um 4,7 Prozent ab
ppStatt der prognostizierten 483 000 Touristen kamen nur
373 000 Gäste wegen der WM nach Südafrika.
Kurzum: Gewonnen hat Südafrikas weltweites Image, und
damit ganz Afrika. Darüber gibt es seriöse Untersuchungen wie
die des unabhängigen „Reputation Instituts“ in New York. Verloren haben die Südafrikaner, die zu große Erwartungen in dieses
sportliche Großereignis gesetzt haben.
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5. Abschlussveranstaltung
steps for children
>> Dr. Michael Hoppe
Die Stiftung steps for children in Hamburg unterstützt täglich über
100 bedürftige Kinder und Jugendliche in dem Projekt steps for
children in Okakarara im nördlichen Namibia. Ihre Vision ist die
dauerhafte Selbstversorgung der Kinder ohne fremde Hilfe.
Projektbeschreibung
Durch den Aufbau von Unternehmungen, die Einkommen erzielen und von den Menschen vor Ort selbständig betrieben werden
können, sollen langfristig die sozialen Teilprojekte (steps) finanziert werden, die der Versorgung der Kinder dienen. Dadurch wird
das Projekt unabhängig von Spenden.
Auf einem eigenen Grundstück (1.700 m²) mit einem festen
und drei mobilen Häusern wurden bereits folgende steps (Teilprojekte) aufgebaut:
Soziale steps (die der Betreuung von Kindern und Jugendlichen dienen)
ppVorschule für ca. 100 Kinder
ppSuppenküche für ca. 100 Kinder und 20 MitarbeiterInnen
ppNachmittagsbetreuung für ca.50 Kinder
ppSchulgeld, Schulkleidung und Schulbücher für 25 Kinder
pp20 Computer, Drucker und Internet für zwei Schulen der Waterberg-Gemeinde
Einkommen erzielende steps (die der Finanzierung der sozialen steps und der Verwaltung dienen)
ppNäh- und Handarbeitsraum für mehrere Näherinnen
ppComputerschule/Internet Cafè
ppFahrradverkauf und -reparaturwerkstatt
ppTheatervorstellung
ppGästehaus
ppOlivenbaumplantage mit 1.664 Bäumen
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ppGemüsegarten
ppHühnerfarm
Bau/in Betriebnahme März 2011
ppEin festes Vorschulhaus mit fünf Klassenräumen für mehr als
100 Kinder zuzüglich eines Küchenkomplexes
In Planung/Vorbereitung
ppBridge School (Schulunterricht für Kinder ab 8/9 Jahren, die in
diesem Alter nicht mehr eingeschult werden und ohne Förderung nicht in den regulären Unterricht eintreten können)
ppHIV/Aidsberatung
ppProjekttransfer nach Gobabis/Namibia, Aufbau in Kooperation
mit dem bereits bestehenden Projekt Light for the Children
Projektziele
Das Besondere an steps for children sind die Einkommen erzielenden steps, die sich finanziell selbst tragen und zusätzlich einen
Beitrag für die sozialen steps erwirtschaften. So wird das Projekt auf Dauer unabhängig von Spenden und Entwicklungshilfe.
Nachhaltigkeit, Hilfe zur Selbsthilfe und Professionalität stehen
im Vordergrund.
Hauptzielgruppe des Projektes sind Waisen und andere traumatisierte und sozial gefährdete Kinder und Jugendliche, die in
diese Situation ursächlich in Auswirkung von HIV/Aids gekommen
sind (HIV/Aids-Rate in Okakarara: 35%). steps for children entwickelt Maßnahmen, welche die Erziehung sowie die ganzheitliche
Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen nachhaltig unterstützen.
Durch die Einbeziehung einer möglichst großen Anzahl von
Jugendlichen und Erwachsenen aus der Gemeinde als Erzieher,
Betreuer, Hilfs- und Fachkräfte schafft das Projekt steps for child-
ren in Okakarara Arbeitsplätze und gibt den MitarbeiternInnen
(bereits 20) die Chance auf Fortbildung, um später auch anderswo Arbeit zu finden. Die hohe Arbeitslosigkeit (65% in Okakarara)
wird so verringert.
Durch die Einbeziehung von Deutschen, sowohl in die Entwicklungs- und Bauphase als auch in die laufende Phase, fördert
das Projekt den Austausch und den Dialog zwischen den beiden
Völkern bzw. beteiligten Volksgruppen. Es ist ein Beitrag zur Verständigung.
Was uns besonders wichtig ist…
Ohne das Engagement von steps for children würden die betroffenen Kinder in Okakarara mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
keine Schulbildung erhalten und damit in den üblichen Kreislauf
von Arbeitslosigkeit, Armut, Alkohol und Aids geraten. Steps for
children trägt dazu bei, die Selbsthilfekräfte der Kindern und Jugendlichen zu stärken, um ihre Lebenssituation verändern zu
können. Neben Bildung für die Jüngsten vermittelt es unternehmerisches Handeln und Denken, ein wichtiges Element der Hilfe
zur Selbsthilfe.
Hauptfinanzierer des Projektes in Okakarara/Namibia ist die
Hamburger Stiftung steps for children, gegründet von Dr. Michael
Hoppe. Sie wird unterstützt von zahlreichen Spendern aus der
Wirtschaft und aus privaten Haushalten. Mit größeren finanziellen
Beiträgen wird das Projekt auch unterstützt von den Augsburger
Freunden Namibia.
Michael Hoppe startete das Pilotprojekt 2006 mit einer Suppenküche und Vorschule für 30 Kinder und initiierte die NGO steps
for children in Windhoek. Er arbeitet in seiner Funktion als General Manager mehrfach im Jahr vor Ort.
Ansprechpartner: Dr. Michael Hoppe
Stiftung steps for children
c/o CFP
Große Elbstraße 86, 22767 Hamburg
T 040 21 10 766-42
F 0180 522 1040 414
info@stepsforchildren.de
www.stepsforchildren.de
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5. Abschlussveranstaltung
Der Besuch unserer Partnerschule,
Kiluvya Secondary School, in Tansania
>> Mete Odabasi (10B) und Paul Pörksen (10B)
Helene Lange Gymnasium
Am 16. Oktober machte sich eine Reisegruppe von zwei Lehrern
und sechs Schülern auf in Richtung Tansania. Mit von der Partie
waren Herr Serbser, Frau Behnke, Linn, Han, Rosa, Carlotta, Paul
und Mete (alle 10. Klasse). Wir alle waren gespannt, was uns in
Tansania erwarten würde und mit welchen Eindrücken wir nach
Deutschland zurückkommen würden.
Unser Flug begann am Hamburger Flughafen, ging mit einem
zehnstündigem Stopp in Dubai weiter und endete am Samstag,
den 17. Oktober, am Flughafen von Dar es Salaam. Dort wurden
wir von 25 Schülern der UNESCO-Gruppe sehr herzlich und stürmisch empfangen. Mit den tansanischen Schülern ging es dann
per Dalla Dalla (kleiner, alter Minibus) zu unserem Hotel, wo wir
mit den tansanischen Schülern reden und sie kennen lernen
konnten. Das erste Aufeinandertreffen verlief sehr unkompliziert
und wir waren erstaunt, wie gut die Tansanier Englisch sprachen.
Den ersten Tag beendeten wir mit einem Abendessen im Hotel,
bei dem wir unsere ersten Eindrücke austauschten. Wir alle hatten schon nach der ersten Fahrt vom Flughafen zum Hotel den
Eindruck, in einer völlig anderen Welt zu sein.
Der Sonntag stand ganz im Zeichen von Dar es Salaam. Wir
erkundeten die Stadt und besichtigten die wenigen Sehenswürdigkeiten. Wir besichtigten unter anderem die Lutherische Kirche
Azania, das Nationalmuseum und den Fischmarkt an der Küste
von Dar es Salaam. Beim Erkunden der Straßen fiel uns die Armut
der Bevölkerung auf, von der wir zwar schon gehört und gelesen
hatten, aber diese mit eigenen Augen zu sehen, war für uns alle
ein Schock.
Am Montag besuchten wir das erste Mal die Kiluvya Secondary School und wurden dort mit einer Willkommensfeier begrüßt.
Im Laufe des Tages hatten wir Zeit, die Schule kennenzulernen
und auch den Kontakt mit den Schülern zu verstärken. Außerdem
erlebten wir eine tansanische Geography-Stunde zum Thema
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„vulcanicity“, während der wir auch erfuhren, dass eine Stunde
ausschließlich daraus besteht, dem Lehrer zuzuhören.
Den Dienstag verbrachten wir ebenfalls mit den Schülern. Wir
unternahmen mit ihnen einen Ausflug an die Küste, wo uns der
Geography-Lehrer Dinge über Strand und Meer erzählte. Der Ausflug war etwas anstrengend, trotzdem hat es uns Spaß gemacht,
denn wir verstanden uns von Tag zu Tag besser mit den tansanischen Schülern und mit vielen bauten wir richtige Freundschaften
auf, die wir auch nach unserer Rückkehr nach Deutschland weiterführen wollen.
Den Mittwoch und Donnerstag verbrachten wir wieder in der
Schule zusammen mit der UNESCO-Gruppe. Frau Behnke und Herr
Serbser hatten einen Workshop zu einem tansanischen Märchen
vorbereitet. Der Workshop beinhaltete das Lesen des Märchens,
das Erstellen eines Drehbuchs und kleinerer Requisiten sowie das
Einproben und Vorführen des Theaterstücks. Dabei gestaltete sich
das Erstellen des Drehbuchs deutlich schwieriger als das Spielen
des Theaterstücks, da die tansanischen Schüler es aus der Schule
offenbar nicht so sehr gewohnt sind, Aufgaben eigenständig zu
bearbeiten.
Von Mittwoch auf Donnerstag hatten wir außerdem unseren
ersten Homestay. Für uns alle war die Zeit bei den tansanischen
Familien eine ganz besondere Erfahrung, die wir so noch nicht in
unserem Leben gemacht hatten. Entgegen unserer Erwartungen
waren die meisten Familien wirklich arm, was uns jedoch die
Möglichkeit gab, die enormen Unterschiede zwischen Tansania
und Deutschland zu sehen. Um ein Beispiel zu geben: Die Toilette, die mit löchrigem Wellblech umgeben war, bestand aus einem
winzigem Loch im Boden und abends war nahezu durchgehend
Stromausfall. Doch die Familien der Schüler haben uns sehr herzlich willkommen geheißen und uns sehr gut aufgenommen. Wir
konnten viele interessante Gespräche führen und dadurch das
Leben und die Probleme der Tansanier kennenlernen und auch
verstehen. Eine Frage, die sehr einfach klingt, aber genau zutrifft,
haben wir uns nach den Homestays und immer wieder in Tansania gestellt: Warum ist unsere Welt so ungerecht?
Am Freitag und Samstag bekamen wir das andere Gesicht Afrikas zu sehen. Wir fuhren in den Mikumi National Park, um dort
eine Safari zu machen. Dies war ein Teil der Reise, auf den wir uns
alle besonders gefreut hatten. Und wir wurden nicht enttäuscht:
Wir bekamen fast alle typisch afrikanischen Tiere zu Gesicht: Giraffe, Flusspferd, Elefant, Zebra, Krokodil, Antilope, Gnu, Wasserbüffel, Geier und den berühmt-berüchtigten Blackberry Bastard.
All diese Tiere zeigten sich uns in ihrem natürlichen Lebensraum.
Die Safari war ein voller Erfolg und gab uns die Möglichkeit, großartige Fotos zu schießen.
Am Samstag stand der zweite Homestay an. Dieser Homestay
verdeutlichte uns noch einmal die Armut der Menschen in Tansania. Trotzdem war es unglaublich, was für eine Gastfreundlichkeit
uns entgegengebracht wurde. Besonders das Essen war, vielleicht mit Ausnahme des Fleisches, sehr lecker. Es bestand meist
aus Früchten, die viel besser schmeckten als in Deutschland, Reis
– oder besser gesagt „Pilau“ –, Bohnen, Kartoffeln und Ugali, einem Brei aus Mais, der einen etwas pappigen Geschmack hat.
Am Sonntag trafen wir uns alle bei Pili, einer Lehrerin der Kiluvya Secondary School, um dort traditionelles tansanisches Essen
zuzubereiten. Die tansanischen Schüler zeigten uns, wie man in
Tansania kocht und wie man beispielsweise Kokosnüsse aushöhlt
und Chapati (eine Art herzhafter Pfannkuchen aus Blätterteig) zubereitet. Am Ende des Tages genossen wir das selbstzubereitete
Buffet und hatten noch eine Menge Spaß mit den Tansaniern.
Am frühen Montagmorgen machten wir uns per Fähre auf den
Weg nach Sansibar. Die Einfahrt in den Hafen von Sansibar war
einer der unvergesslichen Momente unserer Reise. Nach längerem Suchen und zwischenzeitlichem Verlaufen fanden wir in
einer kleinen Seitengasse unser Hostel. Während unserer zwei
Tage auf Sansibar unternahmen wir viele unterschiedliche Dinge.
Am Montag machten wir eine sehr interessante Spice-Tour, bei
der wir die typisch sansibarischen Früchte und Gewürze näher
kennenlernten und uns mit Gewürzen als Mitbringsel für unsere
Familien eindeckten. Überdies verbrachten wir den Nachmittag
an einem kleinen, verlassenen Fischerstrand, an dem wir das
erste Mal die Möglichkeit hatten, im Meer zu baden. Den Abend
verbrachten wir zusammen mit Sophie, einer Ex-Schülerin des
HGL, die zurzeit ein Freiwilligen-Jahr bei einer Solarenergiefirma
auf Sansibar verbringt. Sie zeigte uns die Plaza in Stone Town, der
Hauptstadt Sansibars, wo abends die Fischer ihre frisch gefischten
Fische und andere Spezialitäten verkauften. Wäre Sophie nicht
gewesen, hätten wir für unseren Abendsnack mit Sicherheit den
doppelten Preis bezahlt!
Am zweiten Tag auf Sansibar wanderten wir erst ein wenig
durch die Altstadt (Stone Town) und erlebten das sansibarische
Marktleben. Den Großteil des Tages verbrachten wir an einem
wundervollen weißen Sandstrand, welcher auf der einen Seite von türkisfarbenem Meerwasser und auf der anderen Seite
von Kokosnusspalmen eingeschlossen war. Wir genossen es, im
warmen Wasser zu baden und uns von der Sonne bräunen zu
lassen. Für eine kurze Zeit fühlten wir uns wie im Paradies. Doch
am Nachmittag stachen wir wieder in See mit Kurs auf Dar es
Salaam. Die zweistündige Überfahrt verlief diesmal nicht ganz
so unkompliziert wie der Hinweg, denn der Wellengang war um
einiges höher. Dies schüttelte uns und unsere Mägen ordentlich
durch, was uns alle um einiges bleicher werden ließ. Deshalb
verschwanden auch alle schnell auf ihren Zimmer, als wir im Hotel ankamen.
Am Mittwoch sollten wir noch einmal die Möglichkeit bekommen, den paradiesischen Strand von Tansania zu genießen. Wir
fuhren hinaus nach Bongoyo Island, um dort noch einmal am
Strand zu liegen, im Meer zu schnorcheln und frischgefangene
Fische und Krebse zu essen. Ein rundum gelungener Tag, der uns
wie schon die Safari-Tour die paradiesische Seite Tansanias offenbarte.
Am nächsten Tag war es dann Zeit Kwa-Heri zu sagen. Wir fuhren ein letztes Mal mit dem Taxi zur Kiluvya Secondary School,
um dort an der Farewell-Party teilzunehmen. Wegen einiger Verzögerung hatten wir nach den Proben noch Gelegenheit uns ein
letztes Mal mit den Schülern zu unterhalten, Fotos zu machen
und Kontaktdaten auszutauschen. Die Farewell-Party bestand aus
der Aufführung unseres mit den tansanischen Schülern geprobten Theaterstücks, der Übergabe von Schulbüchern, die das HLG
mit Basargeldern finanziert hat, verschiedenen Reden der jeweiligen Schulsprecher und Lehrer, der Übergabe von Abschiedsgeschenken und dem Singen eines Abschiedssongs.
Dann hieß es für uns alle Abschied nehmen. Wir alle spürten
wirklich eine Art Trauer, weil wir eine sehr schöne Zeit mit den
Schülern verbracht hatten und zu vielen, wie bereits gesagt, eine
Freundschaft aufgebaut hatten. Es war außerdem sehr schwer
Abschied zu nehmen, weil wir alle wussten, dass wir den Großteil der Schüler nie wieder sehen würden. Am Freitag brachen
wir, nachdem alle Sachen verstaut waren, zum Flughafen auf,
um dort den Flieger zurück in Richtung Hamburg zu nehmen. Als
wir wieder im kalten und regnerischen Hamburg angekommen
waren, ließen wir die Reise noch einmal Revue passieren.
Wir alle sind sehr froh an dieser Reise teilgenommen zu haben,
da wir unglaublich viele Erfahrungen sammelten und eine völlig
andere und neue Welt zu Gesicht bekamen. Wir hoffen, dass die
Partnerschaft mit der Kiluvya Secondary School noch lange bestehen bleibt.
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5. Abschlussveranstaltung
Der Gegenbesuch
in Hamburg
>> Han Tran (10d/S1)
Helene Lange Gymnasium
On 24th April we, that is Mr. Serbser, a few parents, the host families and a few students, among them also the ones who had
once been to Kiluvya, were standing at the airport, awaiting the
arrival of two teachers, Luce E. Mushi, former headmistress of Kiluvya Secodary School and Franco M. Mavunde, new headmaster
of Kiluvya Secondary School and two students, head girl Nuha I.
Meena and head boy Erick C. Nyoni.
Finally they appeared and we welcomed them, trying to give
them the same kindness and warmth that they had given us back
in Tanzania. Looking into their eyes, we could see a mixture of
amazement, curiosity and admiration of what they had already
seen and what they were going to see. After a hearty welcome
they went home to their host families in order to get to know
them and rest a bit.
As it was still weekend, so the next day we went to the Hamburg Marathon and in the evening we had a great barbecue in a
park with everyone, the perfect opportunity to get to know each
other even better and to leave the Tanzanian visitors a little time
to relax.
It was the starting shot for two memorable and eventful weeks.
During the first week a lot of school activities were under way
since the centenary week of festivities ( Jubiläumswoche) was
in full swing. On Monday the Tanzanian delegation was cordially
welcomed by Mrs. Blütener, they got to know our school and
helped some classes with their project work. The first day ended
with a gorgeous concert: “Songs of the Century”, which, according
to Erick, all Tanzanians really enjoyed. The next day started with
the project work and went on with the official reception at the
town hall, which the whole delegation attended. The day finished with a bus tour through Hamburg, which every one of them
truly enjoyed. Without doubt, they thought that Hamburg was a
beautiful and magnificent city, but one opinion all of them shared
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was that: Hamburg was too cold. In fact, it was so cold that Erick
had to wear gloves, even though for us it was the first warm
week after the long and extremely cold winter. On Wednesday,
our guests from Kiluvya met the two teachers from Chicago, Pat
and July, at Hadley’s for lunch. The representatives from Chicago
and of Kiluvya could exchange their views on what they had seen
so far of Hamburg and the centenary festivities. It was the perfect
opportunity for the Tanzanians and the Americans to get to know
each others´ lifestyle and culture.
After the flea market we all had a meeting because of our
newspaper project. During the festivity week all of us (some of
the students who had been to Tanzania and some members of
the Unesco – Group) were supposed to write articles about all
the events or make interviews, but all this in cooperation with
Erick and Nuha, so that in the end we could all could produce a
festivities week’s newspaper together. Until late in the evening
we were all at school, trying to give our articles the final touch,
working on the layout or searching for the right pictures in order to publish the newspaper on Friday. Honestly, it was a lot of
stress, though, it was a lot of fun, too. Admittedly, even though
it was all pretty hectic, we all made a smashing newspaper and
were definitely a grandiose team.
On Sunday morning the delegation made a trip to the fish market, where they could take a look at the crowd and the shouting
people, trying to sell their fish. Besides, they could also see the
impressive scenery of Hamburg’s harbour – an important place to
have been, when you are visiting Hamburg. With that, the week
of centenary festivities and therefore the first week for the Tanzanians in Hamburg came quickly to its end.
The next week was less “haraka, haraka” (hectic or quick) as
the guests described it, considering the fact that in Tanzania everything is much more “pole, pole” – meaning life is slower and not
as hectic. During the next three days, they all could experience
typical German lessons as they all went to different classes. It
was immediately clear to Erick and Nuha that the lessons and the
way the teachers teach were completely different to what they
were used to. When I asked Nuha after a History lesson, what
her impression was, she replied: “I really liked it. It is so different
compared to Tanzania.”
Unfortunately, it was a pity that Nuha and Erick could not always join bilingual lessons, but they also had to join lessons
taught in German, where they could not follow as easily.
Apart from attending classes, we showed our guests more of
Hamburg, for instance they had a guided tour with Hintz and
Kuntz, exploring Hamburg from a completely different view: the
views of homeless people and their daily life. Additionally, our
guests visited the Miniatur Wunderland exhibition where they
also had the chance to take a look at the Speicherstadt. In fact,
they were incredibly fascinated by the exhibition and the Speicherstadt. On Wednesday afternoon, we split up: Erick went with
some of us to the cinema, watching “I love you, Phillip Morris”,
whereas Nuha and I went to the waxworks museum Panoptikum
and subsequently took a walk through Planten un Blomen. It was
amazing to see how happy and dazzled Nuha was by all the
flowers. She appreciated all the plants so much more than we
normally do and that was so noticeable. It was really surprising
for me to see how such “normal things” could make someone
so happy.
The next day we all had a farewell party together at the bowling alley Klinker. We all had a lot of fun together and it was
clear that none of us would ever forget these two weeks. Only
two days afterwards, very early in the morning, our guests´ plane took off and they started on their way back home. Without
doubt, this trip did not only broaden their horizon and change
their views on a lot of things, but the way I see things as well.
Whatever the future of our school partnership will be, one thing
is clear: this return visit of our friends in Dar es Salaam definitely
both strengthens our partnership and will last in our individual
memories.
On 1st July, the official partnership (Städtepartnerschaft) between the cities of Dar es Salaam and Hamburg was signed by
the cities´ respective mayors, Adam Omary Kimbisa and Ole von
Beust, in Hamburg’s town hall. Certainly, this was a big step for
the relationship between Dar es Salaam and Hamburg, boosting
our school partnership as well. On the next day, our school was
honoured to welcome Mayor Kimbisa and Deputy Mayor Goetsch.
They took part in a panel discussion. Every student could ask
questions about the city partnership like “What is the aim of this
partnership?” or general questions about Tanzania “What is difference between schools in Dar es Salaam and Hamburg?” About
150 students sat in the assembly hall and listened attentively to
what Mayor Kimbisa in particular said. In only 60 minutes Mayor
Kimbisa really managed to captivate us – all of us! He spoke with
such conviction that we were all swept of our feet: “This partnership does not depend on me or Mrs. Goetsch or on our governments! It is up to you! This partnership depends on you – all of
you. Because you are the next generation – you are the future!” It
was obvious that he believed in what he was saying. Frankly, he
achieved something that hardly any politician can do nowadays,
especially in the case of young people like us: he reached us! I
am pretty sure that every student sitting there in this hall felt
closer to Tanzania then ever before after these 60 minutes. And
even though after the end of the panel discussion all the students
rushed out of the assembly hall, it was still apparent that none of
them had not been moved by Mayor Kimbisa’s words.
Afterwards, the two mayors undertook an act of friendship
and understanding: They planted a Gingko tree in front of our
school. According to Deputy Mayor Goetsch it might grow slowly, though continuously – in analogy to the partnership between
Dar es Salaam and Hamburg. Johann Wolfgang von Goethe once
wrote in his poem “Gingko Biloba” the following words that suit
this partnership:
Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Dass man sie als eines kennt?
So, in conclusion, one can surely state that these events have
been a milestone both for the partnership between Kiluvya Secondary School and Helene Lange Gymnasium as well as the
partnership between Dar es Salaam and Hamburg.
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