redaktionsbeilage zum stadtjubiläum

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redaktionsbeilage zum stadtjubiläum
REDAKTIONSBEILAGE ZUM STADTJUBILÄUM
AUSGABE VOM 24. JANUAR 2007
2
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
766
Im „Codex Laureshamensis“, der
Urkundensammlung des Klosters
Lorsch, wird „Mannenheim“ im
Zusammenhang mit einer Schenkung erstmals erwähnt. Der Ortsname leitet sich – wie bei vielen
fränkischen Gründungen – von
einer Person her (Heim des Manno;
„Manno“ ist vermutlich eine Kurzform von Hartmannn oder
Hermann). Bis 899 gehen mehr als
40 Besitztitel im Dorf Mannheim an
das Lorscher
Kloster. Der Gesamtumfang wird
auf ca. 620 Morgen
Land (206 ha) geschätzt. 28 Männer, neun Frauen
sowie sechs Ehepaare sind namentlich als Stifter bekannt.
1606
Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz
legt den Grundstein zum Bau der
Festung Friedrichsburg. Das gitterförmige Straßennetz für die mit der
Festung verbundene, neu geplante
Bürgerstadt ist bis heute erhalten
geblieben. Die Baublöcke von ungefähr gleicher Größe werden
„Quadrate“ genannt. Darauf ist die
Bezeichnung „Quadratestadt“ zurückzuführen. Sie sind bis zum Beginn des 30-jährigen Kriegs 1618
jedoch nur teilweise bebaut.
1607
Kurfürst Friedrich IV. stellt erste
Stadtprivilegien aus. Sie werden in
vier Sprachen (deutsch, lateinisch,
französisch, niederländisch) gedruckt, um Zuwanderer aus ganz
Europa anzuziehen. Mit dem Namen
Mannheim lebt der alte Dorfname
fort; auch stellt die vormalige Dorfbewohnerschaft sowohl die zahlenmäßige Mehrheit wie auch die Führung im Rat. Bis 1618 steigt die Einwohnerzahl lediglich um rund ein
Drittel auf höchstens 1500.
1613
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
„Ich werde Mannheim immer lieben“
Eine ganz persönliche Hommage von Filmproduzent Nico Hofmann an die Quadratestadt
annheim wird 400 Jahre alt. Das
ist noch kein Alter für eine Stadt,
und daher möchte ich meiner Heimatstadt lieber dazu gratulieren, dass sie
400 Jahre jung ist!
Ich wünsche Mannheim eine gute Zukunft, ich wünsche der Stadt die Kraft und
die Klugheit, ihre großartigen Potentiale
voll auszuschöpfen und zu zeigen, was
Mannheim kann.
Auch als Wahl-Berliner verfolge ich die
Vorgänge in Mannheim aufmerksam, zumal meine Mutter Ulla Hofmann hier lebt.
Mein Leben und mein beruflicher Werdegang sind eng mit unserer Stadt verknüpft.
Mein allererster Film, aufgenommen mit
einer Super-8-Kamera nach einem Text
aus dem Lesebuch, entstand in der Quinta c
des Moll-Gymnasiums – „Kapitän Frisell
operiert“ wurde 1971 in einem Beiprogramm der Internationalen Filmwoche
Mannheim gezeigt als Beispiel dafür, dass
auch Elfjährige mit diesem Medium arbeiten können. Was wären die Filme gewesen,
die ich als Heranwachsender gedreht habe,
ohne die brillanten Schauspieler des Nationaltheaters wie Gabriele Badura, Adi
Laimböck, Rosemarie Reimann und viele
ten aus dem Fundus des Nationaltheaters.
Aber wir hatten nicht damit gerechnet,
dass Spaziergänger aus Terroristenfurcht –
es war die Zeit der Ermordung Schleyers
und Herrhausens – die Polizei alarmieren
würden. Als ein Polizeihubschrauber neben uns landete, war der von langer Hand
vorbereitete Dreh minutenschnell beendet.
Dass der „Mannheimer Morgen“ darüber
schmunzelnd einen Bericht schrieb „Wildweststory geriet zur Krimi-Komödie –
Hubschrauber und Streifenwagen jagen
Trapper auf der Reiss-Insel“ hat mich damals wenig getröstet. Die Kostüme und Requisiten für meine ersten Filme konnte ich
beim Nationaltheater und seinem Verwaltungsdirektor Hannes Maier ausleihen.
Als ich dann Student der Filmhochschule
München geworden war und wieder beim
Nationaltheater anklopfte, meinte der Intendant Petersen, jetzt allmählich könnte
ich für die Ausleihung ja auch mal etwas
bezahlen … (was aber nicht geschah.)
Das alles vergisst man nicht. Ich liebe
Mannheim noch immer und werde es immer lieben. Ich bin Mannheimer, ich bin
Pfälzer, und ich denke nicht daran, die
Dialektfärbung meiner Aussprache abzustreifen. Mich ärgert nur, wenn man in
Norddeutschland meint, ich sei Frankfurter oder, noch schlimmer, Schwabe.
Kino in der Garage
des Elternhauses
„Ich hoffe, dass sich
ein Aufbruch ankündigt“
andere mehr, die ohne einen Pfennig Gage
für mich gespielt haben. Aufgeführt wurden diese Filme in der Garage meines Elternhauses auf dem Lindenhof und später,
als dort der Platz nicht mehr reichte, im
Gemeindesaal der evangelischen Markuskirche. Meine Mutter hat mir mehr als einmal lachend erzählt, dass sie sich hier einem Chefarzt, dort einem Kommunalpolitiker vorgestellt habe und dass der dann erwiderte: „Ja, erinnern Sie sich denn nicht
daran, dass ich beim Nico in der Garage gesessen habe?“
Auf der Reiss-Insel sollte 1976 oder 1977
ein Wild-West-Film entstehen, natürlich
mit Genehmigung des Grünflächenamts.
Die Spieler waren entsprechend wild kostümiert, die hölzernen Vorderlader stamm-
Über die Entwicklung meiner Heimatstadt in den letzten Jahrzehnten bin ich nur
partiell glücklich. Mannheim war in meinen Augen schon spannender, lebendiger,
großzügiger als heute. Ich hoffe, dass mit
der Oberbürgermeisterwahl im Sommer
und mit dem zu erwartenden Generationswechsel sich auch ein Aufbruch in der
Stadtentwicklung ankündigt. Meine Urgroßeltern und meine Großeltern lebten in
der Neckarstadt, meine Mutter ist dort aufgewachsen, und auch meine erste eigene
Kleinstwohnung in Studentenzeiten wie
auch die meiner Schwester Simone lag
dort. Vor allem der Neckarstadt würde ich
eine Aufwertung wünschen! Am Alten
Messplatz hat sie ja glücklicherweise begonnen.
Von Nico Hofmann
M
Pfalzgraf Johann von Zweibrücken,
Vormund des minderjährigen Kurfürsten Friedrich V., verleiht der
Stadt zwei Jahrmärkte auf 1. Mai
und 22. September. In dieser Tradition stehen der heutige Maimarkt
und die beiden Vergnügungsmessen.
1652
Nico Hofmann ist viel auf Reisen – und deshalb auch
häufig auf dem Mannheimer Hauptbahnhof.
Das Bild wurde von der Fotografin Nicole Simon für ihren Band
„Gesichter Mannheims“ aufgenommen, der am 10. Februar erscheint.
Die von Kurfürst Karl Ludwig von
der Pfalz verliehenen neuen Privilegien begründen eine Stadtverfassung. Unter maßgeblicher Beteiligung französischer, wallonischer
und flämischer Kolonisten wird
Mannheim wieder aufgebaut.
1679
Der wallonische Bierbrauer Jean de
Chèsne (Chaine) erhält die Konzession zur Führung der Brauerei und
Schankwirtschaft „Zum Aichbaum“ im heutigen Quadrat Q 5.
1685
Philipp Wilhelm aus der katholischen Linie der Pfalzgrafen zu Neuburg tritt die Erbfolge als Kurfürst
von der Pfalz an. Durch die Gleichberechtigung der christlichen Konfessionen gelangen Katholiken in
den Stadtrat.
Zur Person
Nico Hofmann
Der 1959 in Heidelberg geborene Nico Hofmann wurde bekannt als Filmregisseur, hat sich seit seinem „Solo für Klarinette“ (1998) aber ganz aufs Produzieren verlegt. Der in Mannheim Aufgewachsene begann seine berufliche Laufbahn mit einem Volontariat beim „Mannheimer Morgen“ und
wechselte dann zum Studium an die Münchner Filmhochschule. Der Durchbruch gelang dem Regisseur und Autor 1987 mit seinem international preisgekrönten ersten Kinofilm „Land der Väter, Land
der Söhne“. Erfolgreich war er außerdem mit der Bernhard-Schlink-Verfilmung „Der Tod kam als
Freund“ (1990) und dem Fernsehfilm „Der Sandmann“ (1995).
Vor fünf Jahren bot die Ufa Hofmann, der auch als Professor für Regie an der Filmakademie in
Ludwigsburg lehrt, die Möglichkeit zur Gründung einer Produktionsfirma. Seine Firma teamWorx
beschäftigt an den Standorten Berlin, Köln, München, Leipzig, Ludwigsburg und Potsdam über 30
Mitarbeiter. Erfolgreiche TV-Produktionen von teamWorx sind etwa der TV-Zweiteiler „Der Tunnel“, „Stauffenberg“ und „Dresden“. Derzeit arbeitet Hofmann an einem Projekt über Helmut
Kohl.
tog
. . . ist für mich eine
Stadt mit einem guten Schulangebot,
herausragenden
Hochschulen
und
einer breit diversifizierten Wirtschaft.
Die landschaftliche
Schönheit der Region, ihr reiches historisches Erbe sowie das vielfältige
und
hochwertige
Kulturangebot machen das Leben hier
ebenso angenehm
wie es das Naturell
Manfred Fuchs
der Kurpfälzer und
die „menschliche“ Dimension Mannheims
tun: keine Provinzstadt und keine gesichtslose „Mega-Stadt“.
❋
Dr. Manfred Fuchs,
Hauptaktionär
des Fuchs-Petrolub-Konzerns
Qualität und Tradition
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Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
STADTJUBILÄUM 2007
3
Tief, breit und sinnlich
Für Mundart-Poet Schwöbel ist „unser Schbrooch“ das echte Wahr-Zeichen
den wir die Quadrate abschaffen oder das
Schloss abreißen.
Zu Unrecht gilt die Hochsprache als intellektuell und die Muttersprache stattdesannheims Wahrzeichen ist der sen als provinziell. Als Team sind sie sensaWasserturm. Das weiß jedes Kind tionell. Denken wir nur daran, dass es für
in der Kurpfalz. Für den Mund- einen Friedrich Schiller – dessen Räuber in
art-Poet mit Professorentitel ist hingegen Mannheim eine grandiose Uraufführung
die „Schbrooch“ das eigentliche Wahr– erlebten – selbstverständlich war, seine
Zeichen – im Sinne eines Alleinstellungs- Dramen zwar in Schriftsprache zu Papier
merkmals, wie Marketingexperten neu- zu bringen, aber in seiner vertrauten
deutsch zu sagen pflegen. Ob Barock- (schwäbischen) Mundart vorzulesen. Drum
schloss, Wasserturm oder Nationaltheater hat Bloomaul Hans-Peter Schwöbel seine
– als Mannheim vor 400 Jahren gegründet Hommage an Mannheim sozusagen „zweiwurde, waren sie noch in weiter Ferne. sprachig“ verfasst:
„Den Strom wollen wir feiern und den
„Aber unsere Mundart, die gab es, und sie
war damals schon über Jahrhunderte ge- Fluss. In ihren Armen wiegen wollen wir
wachsen“, erklärt der Sozialwissenschaft- uns wie seit Jahrhunderten. Die Ebene, in
der wir leben wie
ler und Lehrdozent
am Grunde eines
Hans-Peter SchwöMeeres, wollen wir
bel, der sich seit
Vokale füllen den ganzen Mund,
feiern,
und
die
Jahrzehnten
als
Schriftsteller und Konsonanten zischen auf der Zunge dunklen Berge an
ihren Ufern. Wir
Kabarettist mit dem
wollen das Licht
Mannheimer Diafeiern, das am Morlekt beschäftigt, –
der „tief, breit, sinnlich, guttural, nasal“ gen aus den Tälern des Odenwaldes in die
über die Lippen und vor allem aus dem Stadt fließt. Wir wollen den Wein feiern,
Herzen kommt. Schwöbel sinniert: Wie fri- der die Osthänge der Haardt leuchten lässt.
sches Bier und kühler Wein nach einer
Die Quadrate wollen wir feiern, das
Wanderung zischen die Konsonanten auf Schloss, die Filsbach, den Jungbusch, die
der Zunge, füllen die Vokale den ganzen Neckarstadt, den Waldhof, die Rheinau,
Mund.
den Hafen, die Synagoge im Herzen der
Von unserem Redaktionsmitglied
Waltraud Kirsch-Mayer
M
Mit Mannheim jubiliert ein Multi-Kulti Dialekt, der von Völkerwanderungen geprägt ist. Da Rhein und Neckar nicht nur
Handelsbeziehungen befördert haben, war
in unserer Region auch verbal alles im
Fluss. In Zeiten der Globalisierung – in der
die Menschen heute hier, morgen dort sind
– drohen regionale Dialekte vom Winde
verweht zu werden. Vor allem in Großstädten. Schwöbel setzt diese Entwicklung mit
dem Artensterben in der Natur gleich.
Drum wünscht er Mannheim das Geburstagsgelöbnis: „Wir werden unseren Kindern und Enkeln und allen, die Wohnung
nehmen in unserer Stadt, unsa Muddaschbrooch vortanzen, vorsingen und vorsprechen, dass sie ihnen unter die Haut gehen
wird. Auf dass sie weiterlebt. 400 Jahre
und mehr.“ Denn unser Mannemerisch mit
dem speziellen Blues als Sprechmelodie
versiegen zu lassen, wäre etwa so, als wür-
schdeig ma de Buggl
nuff, grie un bloo,
frooch misch nädd,
Kärweschlumbl,
rachdada, die gonz
Bloos, gugg ämool,
Schobbe bärschde, Worschd un
Dorschd, Schnuud un Schobbe,
Färz im Kobb
un Färz mid
Grigge, flenne,
groine, Ongschd,
weeß de Deifl,
fresch wie Rotz,
isch free misch
druff, Schdrooßekonnl,
allaa
donn ...“
Stadt, die Jesuitenkirche, die Christuskirche, die Moscheen und den Frieden,
der zwischen ihnen wohnt. Am Wasserturm wollen wir tanzen, schunkeln und Fahnen schwingen. In
den Parks wollen wir im Sonnenschein baden.
Die Menschen wollen wir feiern: Die da waren und geschaffen
haben, worin wir leben: Mannheim.
Die da sind, nämlich uns selbst, und die
da sein werden, denen wir das Haus bereiten: Mannheim.
Die Sprache wollen wir feiern und ihren
Klang: Allaa, hea, Muddaschbrooch, dahääm, mach kä Bosse, drääme, donze,
schdromble, batsche, babble, schdumbe,
Honnebombl un Labbeduddl, Monnem,
Gorgl, Schlunz, Blunz, Schnuud, schmuuse, Bleedsinn, Bimbes, Hea ma uff, Bobbele, Ääma, Fleesch, alle Ridd, Bongad,
„Wubbwubbwubb, alle Daach Kardofflsubb“
Bekanntlich tragen die Menschen an
Rhein und Neckar ihr Herz auf der Zunge
– schließlich trinkt ein echtes „Mannemer
Bobbele“ mit der Muttermilch auch
gleich „Babbelwasser“. Von wegen
„Quasslschdribbe“ seien nur weiblichen
Geschlechts! „Mannomeeder“, was für
ein „Kees – en durschener“ noch dazu. Ob
„Mordsschlaggl“ oder „Labbeduddl“, in
den Quadraten ist das „Schlappmaul“ geschlechtsneutral – weil hier die Fähigkeit,
jemanden „das Ohr dro und widder weg
zu redde“ zur genetischen Grundausstattung gehört.
Unsere Mundart, die mit dem Rheinfränkischen anbandelte, ein Verhältnis
mit dem Pfälzischen einging, im Jiddischen wie in der Gaunersprache Rot-
welsch Begriffe „mobbste“ und auch bei
den Franzosen klaute, liebt Übertreibungen. Beispielsweise mit der verstärkenden Vorsilbe „mords“ oder „sau“: Wenn
ein Mannheimer
„Mordskohldampf“
schiebt oder „Sauhunger“ hat, dann verdrückt er ganze Berge Kadoffle – mal als
„Gequellte“, dann wieder als „Gereeeschdene“. Die Liebe zur „Grumbeer“
bekundet ein alter Kindervers: „Mannemer, Mannemer Wubbwubbwubb, alle
Daach Kadofflsubb, alle Daach Kadofflbrei, sind die Mannemer glei dabei!“
Das „a“ pflegt der Einheimische mit einem Hauch von „o“ auszusprechen, und
deshalb ist es „schnurzegal“, ob von
„Mannem“ oder „Monnem“ die Rede ist.
Um so etwas wird „kä Ferds“ und schon
gar „kä Fissemadende“ gemacht. Ohnehin gilt für alle die Losung: „Mannem
vorne!“ Und die „hot ä gloore Gschicht“:
Als bei der ersten Eisenbahnlinie Frankfurt und Heidelberg die Schaffner „Mannem hinne!“ riefen – weil nur der hintere
Waggon nach Mannheim führte - wurde
der Zuruf kess umgekehrt.
Deftig, aber liebenswert ist unser
„Schbrooch“: Jemanden „de Grumbler
noimache“ klingt doch viel anschaulicher
als schelten. Und „Gliggerleswasser“
sprudelt Selters ganz schön was vor. Oder
das herrliche Wort „verbumbeidelt“ –
was für so ziemlich alles steht, das schief
geht. Und gegen „puddlnaggisch“ mutet
die hochdeutsche Entsprechung geradezu
nackt an.
wam
Denkmal für einen Blumenverkäufer
Blumepeter, Bloomaulorden – Beispiele der besonderen Mannheimer Lebensart
Von unserem Redaktionsmitglied
Peter W. Ragge
Einem Verrückten ein Denkmal setzen?
Manche halten die Mannheimer deswegen ja für verrückt. Aber tatsächlich
steht auf den Kapuzinerplanken seit 40
Jahren die Bronzeskulptur eines Mannes,
der ein kauziger, körperlich wie geistig
zurückgebliebener Blumenverkäufer war
und, als er immer absonderlicher wurde,
in die Psychiatrie nach Wiesloch abgeschoben wurde, wo er 1940 auch
starb: der Blumepeter.
Dass man „so jemand“ ein
Denkmal widmet, in seinem
Namen noch ein Fest feiert,
dazu eine ähnliche Skulptur
als Orden verleiht – das ist
eine typische Mannheimer
Besonderheit, passend zur
anderswo eher mit Kopfschütteln quittierten kurpfälzer Lebensart.
Der Blumepeter war zu Lebzeiten weder schlau noch sonderlich witzig, und
selbst hatte er eh nie etwas zu Lachen höchstens lachte man über ihn. Doch
nach seinem Tod hat man ihn immer mehr zum etwa skurrilen,
pfiffig-bauernschlauen Mannheimer Original („Kaaf mer
ebbes ab“) gemacht, ihm
viele Anekdoten und Witze einfach zugeschrieben.
Daher war er eben die
richtige
Symbolfigur,
wenn nicht ihm direkt,
dann doch der Kurpfälzer
Lebensart, der teils etwas
aufmüpfigen Lebensphi-
losophie, der Schlagfertigkeit, dem
manchmal urwüchsig-derben Mutterwitz
der Mannheimer an sich ein Denkmal zu
setzen, weshalb der „Mannheimer Morgen“ 1966 zu seinem 20. Geburtstag diese
Skulptur spendete.
Damit war zugleich der Grundstein gelegt für zwei weitere Traditionen. Seit
der Einweihung des Denkmals wird jährlich ein Blumepeterfest gefeiert – initiiert und organisiert von der großen
Karnevalsgesellschaft Feuerio. Der
Erlös kommt über die „MM“-Aktion „Wir wollen helfen“ in Not geratenen Mannheimern zugute –
und der Erlös ist hoch, weil alle
Getränke, das ganze Essen vom
Ochs bis zum Kuchen, gespendet werden, alle Künstler ohne
Gage auftreten – nur für den
guten Zweck.
Und dann gibt es in Mannheim noch einen Orden, der
offiziell keiner ist – aber der
seltener verliehen wird als
das Bundesverdienstkreuz
und in Mannheim angesehener ist: der Bloomaulorden.
Es ist auch eine Bronzefigur
vom Blumepeter, eine frechere Variante, die ihr Hinterteil herausstreckt. Gestiftet hat die zwar augenzwinkernd gemeinte, doch längst
hoch angesehene Auszeichnung für engagierte
Menschen, die das Herz
auf dem rechten Fleck
tragen,
Rainer
von
Schilling, als er 1970
Fasnachtsprinz war.
Hans-Peter Schwöbel:
Ein saustarker Babbler, der sich mit Kobb und
Schnuud für unsere Mundart einsetzt.
Karikatur: Eckert-Stahl
4
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
1689
Im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstören französische Truppen Mannheim. Zu dieser Zeit leben einschließlich der Besatzung der Friedrichsburg hier rund 6500 Menschen.
„Im Schloss soll eine Prinzessin wohnen“
Von der Spielwiese bis zum Aufstieg des SV Waldhof in die Bundesliga: Geburtstagswünsche von Mannheimern für ihre Stadt
Von unserem Redaktionsmitglied
Timo Schmidhuber
1692
Auf dem rechten Neckarufer errichten zurückgekehrte Bürger die
Siedlung Neu-Mannheim, die 1697
durch Brand größtenteils vernichtet
wird.
1697
Kurfürst Johann Wilhelm fordert
zum Wiederaufbau der Stadt auf.
Um die geflohenen Bürger zur
Rückkehr zu bewegen und neue
Zuwanderer anzuziehen, erlässt
der Kurfürst 1698 erweiterte
Privilegien.
G
ute Wünsche gehören zu einem Geburtstag wie die Geschenke. Und
deshalb haben auch die Mannheimer die unterschiedlichsten Wünsche für
ihre Stadt zum 400. Wiegenfest, wie unsere
Umfrage zum Jubiläum zeigt. Der eine
möchte für seine Stadt, dass das Herschelbad endlich saniert wird – „auch wenn das
Millionen kostet“. Der andere hofft, dass
seiner Heimatstadt der Wandel vom Industriestandort zum Zentrum für Dienstleistungen und neue Technologien auch weiterhin erfolgreich gelingt – „wir sind auf
einem guten Weg“, findet er. Ein Dritter
will, dass der alte Erfindergeist in der
Stadt wieder auflebt, „und viele nützliche
Dinge von Mannheim aus in alle Welt gehen“. Andere wiederum möchten einfach,
dass alles so bleibt wie es ist: „Dass die
Mannheimer einfach ihr sonniges Gemüt
behalten, genauso wie ihre enge Verbundenheit mit der Stadt, der Region und der
Sprache.“
❋
Den
vielleicht
außergewöhnlichsten
Wunsch hat die sechsjährige Stella John.
1700
Für das neue Rathaus in F 1 wird
der Grundstein gelegt. Seit 1705
finden dort die Ratssitzungen statt.
1720
Kurfürst Karl Philipp verlegt Hofhaltung und Staatsverwaltung von
Heidelberg nach Mannheim und befiehlt den Bau eines Schlosses (Ende
der Bautätigkeit 1760).
Sie fände es toll für ihre Stadt, „wenn ins Was kann man einer Perle wie Mannheim
Schloss endlich wieder eine richtige Prin- noch wünschen? Das fragt sich Elisabeth
zessin einziehen würde“. Bis es soweit ist, Gabrisch. „Ich liebe Mannheim“, sagt die
muss die Zweitklässlerin wohl mit der Fas- 75-Jährige, die schon 40 Jahre hier lebt.
nachtsprinzessin und ihrer Residenz im „Die Menschen sind freundlich, die Stadt
Maritim-Hotel vorlieb nehmen. Doch Stel- ist groß, aber die Wege sind kurz, alles ist
la hat noch Wünsche, die leichter zu erfül- schnell erreichbar. Ich wünsche mir, dass
len sind: Die Toiletten in der Schule müss- das alles so bleibt“, sagt die Frau aus der
Oststadt. Zwei kleiten wieder mal sane „Verbesserungsniert werden, findet
vorschläge“ hat sie
das Mädchen. Os„Einen großen Musiker
dann doch. Verkar, ihr ein Jahr
ständlichere Strajüngerer
Bruder,
hervorbringen“
ßenbahnpläne und
hat einen Wunsch,
sicherere Übergänvon dem er selbst
ge über die Schiebesonders profitieren würde: „In unserem Kinderhaus müsste nen. „Vor allem für ältere Menschen ist das
es eine Wiese geben mit einer Schaukel und mitunter sehr gefährlich.“
einem Sandkasten.“ Heike John, die Mut❋
ter der beiden, hat ebenfalls eine Idee, was
Mannheim zum Geburtstag bekommen Kurz und knapp fällt der Geburtstagsmüsste: „Bezahlbare Kinderbetreuung für wunsch des Studenten Daniel Zedelmaier
alle von null bis 14 Jahren. Und mehr Mög- aus: Die Stadt soll nach Xavier Naidoo
lichkeiten, Familie und Beruf zu vereinba- endlich mal wieder einen großen Musiker
ren.“ Die einjährige Franka, jüngstes Mit- hervorbringen, wünscht sich der 26-Jähriglied der Familie, kann noch keinen ge. „Dann würde aus der heimlichen Popeigenen Wunsch nennen. Aber sie hauptstadt endlich die wirkliche werden.“
wird sich freuen, wenn die Wünsche
❋
der anderen in Erfüllung gehen.
Vielen Sportfans dürfte Mustafa Atci aus
der Seele sprechen: „Ich wünsche mir für
Mannheim, dass der SV Waldhof wieder in
die Bundesliga kommt. Eine große Stadt
muss dort vertreten sein“, findet der Inhaber eines Kebap-Hauses. Außerhalb
Deutschlands sei die Quadratestadt relativ
unbekannt, erklärt der Türke. „Das kleine
Kaiserslautern dagegen, das kennt man
wegen des Fußballs überall.“ Und wenn
Mustafa Atci schon beim Thema Sport ist:
„Bei den Adlern soll am besten alles so erfolgreich bleiben wie in dieser Saison.“
1725
In N 1 am Paradeplatz wird mit dem
Bau des Kaufhauses nach Plänen
von Alessandro Galli da Bibiena
begonnen.
❋
Dass hier Menschen aus über 100 Ländern
der Welt friedlich zusammenleben, schätzt
Alexander Bob besonders an seiner Stadt.
Der Wunsch des 47-jährigen Vorstandssprechers: Dass Mannheim sein „kosmopolitisches Flair“ behält.
Haben spezielle Geburtstagswünsche
für ihre Stadt (von oben):
Alexander Bob,
Heike John mit ihren Kindern Stella,
Oskar und der einjährigen Franka sowie
Elisabeth Gabrisch.
Bilder: imo/zg
Anzeige
Mustafa Atci (links)
will Erfolg für
den SV Waldhof,
Student
Daniel Zedelmaier
einen neuen Popstar.
Bilder: imo
. . . ist für mich die Stadt, in der die Menschen freundlich, offenherzig und vor allem aufgeschlossen für Entwicklungen
sind. Diese in Mannheim tief verwurzelte
Mentalität gepaart mit einem großen kul-
turellen Angebot in Kultur, guter Gastronomie, guter Gestaltungsmöglichkeiten für
die Freizeit und eben allem, was das Leben
lebenswert macht, erzeugt eine exzellente
Lebensqualität. Mannheim lässt auf diese
Art und Weise seine Neubürger wie mich
innerhalb kürzester Zeit heimisch werden.
Mannheim ist eine Stadt, mit der man sich
identifiziert und die sich gleichzeitig mit
Ihren Bürgerinnen und Bürgern identifiziert. Am Schönsten aber ist für mich: Das
Nationaltheater ist ein Lebensmittelpunkt
der Mannheimer. Ein Besuch des Nationaltheaters ist für viele Menschen in dieser
Stadt ein Lebensmittel im wahrsten Sinne
des Wortes. Die enorme Identifikation der
Mannheimer mit ihrem Theater strahlt von
den Theaterleuten ins Publikum zurück.
Das begeistert mich jeden Abend aufs
Neue.
❋
Regula Gerber
Bild: Tröster
Regula Gerber,
Generalintendantin des Nationaltheaters
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
5
STADTJUBILÄUM 2007
. . . ist „meine
Stadt“,
sie
wurde meiner
Familie
und
mir zum Mittelpunkt unseres Lebens! Ich
liebe
diese
Stadt,
und
wenn ich den
Wasserturm
nicht sehe, bin
ich krank . . .
Strahlen fürs Familienalbum:
Wilhelm und Irmgard Mahr
sowie ihre Schwester
Margot mit Mann
Hans Weigel (v. li.)
freuen sich doppelt
aufs Jubiläumsjahr. Bilder: zg
❋
Richard Grimminger
Richard Grimminger,
Großbäcker
60 Jahre Miteinander – und mit Mannem
Vor sechs Jahrzehnten haben die Schwestern Irmgard und Margot ihre Ehemänner kennen gelernt – beim Tanzen im „Blauen Mond“
Von unserem Redaktionsmitglied
Simone Kiß-Epp
E
s ist wirklich „eine goldische Episod’“, die Irmgard und Wilhelm
Mahr zu erzählen haben: „Seit 60
Jahren sind wir jetzt beisammen“, berichten die beiden, welches Jubiläum sie 2007
zu feiern haben. Das
Besondere
daran:
Irmgard
Mahrs
Schwester Margot hat
ihren Mann Hans
Weigel im gleichen
Jahr kennen gelernt.
Und seit 1947 ist das
Quartett unzertrennlich – und natürlich
auch untrennbar mit
seiner
Heimatstadt
Mannheim
verbunden. „Wir sind eine
verschworene
Gemeinschaft“, betont
Wilhelm Mahr.
Es war der 13. Juli
1947, als er abends im
„Blauen Mond“ in Seckenheim auf seine
Hochzeit 1951: Margot und Hans Weigel.
Zukünftige und ihre
Schwester aufmerksam wurde. „Die saßen
sich gegenüber“, erinnert sich Wilhelm
Mahr noch genau. Mehrmals habe ein anderer Herr Irmgard zum Tanz auffordern
wollen. „Aber der war einen Kopf kleiner
als ich, mit dem wollt’ ich nicht tanzen“,
berichtet sie schmunzelnd. „Da hab’ ich
eingegriffen“, erzählt der spätere Gatte,
„kurz bevor der andere seine Verbeugung
vor ihr machen
konnte – so wie man
das früher noch geKilometerlanger
tan hat – bin ich
Hause – der
aufgesprungen und
ihm zuvor gekommen. Dann haben
wir getanzt.“ Und seine Liebste fügt hinzu:
„Das war dann für immer.“ Dafür hat Wilhelm Mahr auch so einiges in Kauf genommen, denn pünktlich um 22 Uhr mussten
die jungen Leute damals eigentlich zuhause sein. „An diesem Abend hab’ ich allerdings nur noch die Rücklichter der OEG
gesehen“, erinnert er sich. „Deshalb musste
ich dann heimlaufen nach Feudenheim. Da
bin ich aber mehr gesprungen als gelaufen.
Das ist ja allerdings keine Entfernung,
wenn man jung und verliebt ist.“
in Margot verguckt – natürlich beim Tanzen. „Ich hab’ mich getraut, sie aufzufordern, weil ich daheim mit meiner Schwester geübt hatte. Am besten konnte ich Walzer“, erzählt der heute 76-Jährige. Aber
auch Swing war in – diesen Tanz hatten die
Amerikaner gerade in Mode gebracht.
„Wenn wir gehen wollten, und es wurde
Swing gespielt, dann sind wir noch da geblieben und haben
getanzt – oft schon
Fußmarsch nach mit der Jacke an
und der Tasche unLiebe wegen
term Arm“, berichten die Vier lächelnd.
Zwei Monate später stieß dann Hans
Weigel zu dem munteren Trio, er hatte sich
Für ihre Heimatstadt haben sich die Familien immer eingesetzt. „Wir haben ver-
Seit 1947 hat das Quartett vieles gemeinsam unternommen. „Der Rosengarten ist
seit dieser Zeit unser Wohnzimmer geworden“, sagt Margot Weigel, „der hat’s uns
besonders angetan.“ Früher besuchten sie
dort die Faschingsbälle, heute geht’s vor
allem in klassische Konzerte. „Dort haben
wir nach dem Krieg angefangen, richtig zu
leben und so viele tolle Tage erlebt“, erzählt Wilhelm Mahr. 1955 hat er schließlich
seine Irmgard geheiratet, Margot und Hans
Weigel hatten’s schon 1951 vorgemacht.
sucht, dabei mitzuhelfen, Mannheim wieder so aufzubauen, wie’s mal war“, so Hans
Weigel. Ob Marktplatz oder Paradeplatz –
diese Orte sollten wieder so ursprünglich
wie möglich werden. „Deshalb haben wir
auch Unterschriften gegen das neue Kaufhaus in N 1 gesammelt: Wir wollten die Arkaden wieder haben“, berichtet Mahr vom
Engagement des Clans. Ihr großer Wunsch
fürs Jubiläumsjahr
ist deswegen ein politischer: „Wir wollen, dass Mannheim
einen guten Oberbürgermeister bekommt.“
Ihr eigenes Jubiläum feiern Mahrs
und Weigels im
Sommer natürlich
zusammen.
Und
wahrscheinlich genauso wie bereits
vor zehn Jahren den
„goldenen Kennenlern-Tag“: bei einem
Essen
im
„Blauen Mond“ –
der natürlich längst
nicht mehr so heißt. Hochzeit 1955: Irmgard und Wilhelm Mahr.
400 Jahre Stadt Mannheim. Herzlichen Glückwunsch!
Baden-Württembergische Bank
Vom 1000-Seelen-Dorf zur zweitgrößten Stadt Baden-Württembergs: Wir gratulieren Mannheim in traditioneller Verbundenheit
zur Verleihung der Stadtprivilegien vor 400 Jahren. Die BW-Bank ist tief in der Geschichte Mannheims verwurzelt: Hier wurde mit
der Badischen Bank bereits 1870 eines unserer entscheidenden Vorgängerinstitute gegründet. So sind wir seit weit über 130 Jahren
eine treibende Kraft im Zentrum der europäischen Metropolregion Rhein-Neckar und freuen uns darauf, Mannheims Bürgerinnen
und Bürger auch künftig als vertrauensvoller Bankpartner aktiv und kundennah zu begleiten.
Baden-Württembergische Bank. Nah dran.
6
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
1728
Für Krämer und Handelsleute wird
eine Zunftordnung erlassen. Sie
sieht die Gründung einer „Handlungsinnung“ vor, in deren Tradition die heutige Industrie- und Handelskammer steht.
1733
Mit den geänderten Stadtprivilegien erfolgt eine Neuorganisation
der Stadtverwaltung. Der Grundstein zur Jesuitenkirche, der größten Barockkirche am Oberrhein,
wird gelegt (vollendet 1760).
1763
Kurfürst Karl Theodor stiftet die
kurpfälzische Akademie der Wissenschaften und 1775 die Deutsche
Gesellschaft.
1774
Christian Meyer bezieht die neu
erbaute Sternwarte.
Steine fliegen und Hass lodert auf
Die heißen Tage vor der Stadtgründung: Mannheimer Dorfbewohner wenden sich gegen Festungspläne
Von unserem Redaktionsmitglied
Susanne Räuchle
S
peichel lecken und Steigbügel halten
war nicht Mannheimer Art, dann lieber aufbegehren und sich wehren! Mit
einer Mordswut im Bauch schrie das kleine
Volk auf, als es von den hoheitlichen Vertreibungs-Plänen Wind bekam: Auf dem
Dorfgrund eine Festung
bauen, alle Häuser abreißen, die Bewohner
umsetzen, verjagen von
Hof und Hütte, wo sie
seit Generationen wurzelten? Da riskierten die
kleinen Leute den großen Aufstand: Am 28.
Januar 1606 kam es zum
Showdown in Mannheim, man rottete sich
zusammen, als die Unterhändler des Kurfürsten und Pfalzgrafen
Friedrich IV an jenem
denkwürdigen Tag mit
den besten Absichten
aus Heidelberg eintrafen, um mit den Betroffenen Entschädigungen
für die Umsiedlung auszuhandeln.
Doch
„süße,
geschmierte“ Rede der geschmeidigen
Beamten
ging im Krakeel unter,
die
aufgebrachten
Mannheimer begannen
„zu schwätzen und zu
schreien“, berichteten
die Gesandten des Herrschers über den Tumult.
Als Wortführer zündete
ein gewisser Hans Lehr
die Fackel des Zornes
an: Der besitzlose, versoffene Fischer heizte ein und hetzte ab. Die Situation eskalierte, Steine flogen auf die Unterhändler des
Herrschers und die Dorfbewohner spien
Feuer. Sie drohten, erst die Heidelberger
Beamten, dann die eigenen Frauen und
Kinder und schließlich sich selbst mit dem
Dolche zu erstechen – so jedenfalls berichteten es die Sendboten der Herrschaft.
Aber ein Kurfürst lässt sich nicht beugen, in zähen Verhandlungen verstärkte
sich der Druck auf die unbequemen Unter-
„
1778
Um die bayerische Erbschaft antreten zu können, muss Kurfürst Karl
Theodor die Residenz nach München verlegen. Freiherr Wolfgang
Heribert von Dalberg wird mit der
Leitung des Nationaltheaters be–
traut, das der Kurfürst als Ausgleich für den Wegzug des Hofs in
Mannheim bestehen lässt.
1780
Kurfürst Karl Theodor gründet eine
meteorologische Klasse der Kurpfälzischen Akademie der Wissenschaften.
tanen immer mehr. Sie mussten am Ende
der höheren Gewalt weichen: Im Februar
1606 ratifizierten sie den Vertrag, der die
Umsiedlung regelte.
Doch nun stiegen die widerborstigen
Dörfler zu privilegierten Bürgern auf. Am
24. Januar 1607 war es soweit, die Mannheimer erhielten ihre Stadtprivilegien. In
Erinnerung an die heißen Kämpfe im Vor-
der ganzen Gemeinde, das Gericht mit eingeschlossen, nicht über 2 oder 3 Personen,
welche schreiben oder lesen können oder
zu etwas zu gebrauchen sind.“
In der kleinen Welt an der Mündung von
Rhein und Neckar waren um 1600 in der
Tat nur wenige Auserwählte mit die Kulturtechniken des Lesens und Schreibens
eingeweiht, aber das Rechnen mit Heller
Grundriss der Feste
Friedrichsburg und
der Stadt Mannheim
nach einem MerianStich, um 1645.
feld stöhnte der Finanzmanager Dr. Johann Gernand noch später über die Renitenz-Stadt: „Ich wollte von herzen wunschen, das ich mein leben lang Manheim
nicht gesehen hette!“ Und er zog her über
das verwahrloste Dorfgesindel: „ . . . denn
was man in der Jugend nicht bringt, das
wird bei den alten Mannheimern verloren
sein; denn diese werden bis in ihre Gruben
hinein Bauern bleiben, wenn man schon
eine Mauer von lauter Edelgestein und Perlen um ihre Stadt machen würde. Es sind in
und Pfennig lernten alle. Notgedrungen:
Die schätzungsweise 800 Mannheimer lebten zumeist in ärmlichen bäuerlichen Verhältnissen, mussten sich als Taglöhner abschinden. Ein kleiner Klüngel um den
Schultheißen sorgte dafür, dass die Abgaben reichlich in die Schatulle des Landesherren flossen und die Gulden in Heidelberg ankamen. Man pflegte Kontakte und
übte Kontrolle: Bauern, Schuhmacher,
Dorfschmiede, Müller, Zimmermann, Bäcker und Fährmänner – alle hatten ihren
abkassiert So konnte der Gnädige Herr seinen Leidenschaften frönen: Am ersten Tag
hat die feine Gesellschaft in der Mühlau gejagt und ist nach Mannheim gezogen. Und
am dritten Tag „hab ich ein rausch gehabet“
freute sich Karl Ludwig über einen Ausflug
im Jahr 1598.
i
Mehr über jene Tage im neuen Standardwerk „Mannheim vor der Stadtgründung“, Teil II, Band 1, ISBN-10: 37917-2019-8
Mit Freyheiten das Volk
ins Steuerparadies gelockt
”
Zukunft verbindet...
Wir gratulieren herzlich zum
Jubiläum und freuen uns
Stadtprivilegien sollen den Aufschwung bringen
Die Stadt soll aufblühen und gedeihen
und mit allen Mitteln der Macht lockt die
Obrigkeit brave Bürger nach Mannheim:
Zollfreier Zuzug und unbeschränktes
Abzugsrecht wird den Leuten gewährt,
die Freiheit von Frondiensten und Steuererleichterung verheißt den Untertanen
Hoffnung auf Wohlstand. Bauwillige erhalten kostenlose Grundstücke und
günstige Materialien, die Verbrauchssteuern auf Getränke und Lebensmittel
werden erlassen und die Bier- und Weinhändler niedriger als in den benachbarten Reichsstädten besteuert.
Da kann keiner klagen: Im Interesse
des Aufschwungs lag auch die Gewährung von Vorkaufsrechten bei Wolle, Leder und Häuten oder die Errichtung einer Walkmühle für die Tuchmacher . . .
Als der „hochgeborne Fürst und Herr,
Herr Fridrich Pfaltzgraff bey Rhein, des
heiligen Römischen Reichs Ertztruchseß
und Churfürst, Hertzog in Beyern“ gewährte Friedrich IV den Mannheimern
am 24. Januar 1607 all jene wunderbaren Freiheiten und Begnadigungen, um
viel tüchtiges Volk anzulocken – Wirtschaftsförderung vom Feinsten. Die
Privilegien wurden in Deutsch, Französisch, Niederländisch und Lateinisch gedruckt, um einen Strom von Zuwanderern in die Stadt zu leiten. Die Wahl
der Sprachen lässt erkennen, dass
man vor allem Migranten aus dem
nordwestlichen Mitteleuropa erwartete. Denn aus den habsbur-
auf eine starke Zukunft!
...und Tradition verpflichtet: In den letzten vier Jahrhunderten ist in Mannheim so Einiges passiert.
Revolutionäre Erfindungen und spektakuläre Innovationen haben hier das Licht der Welt erblickt.
PfalzKom und MAnet treten jetzt gemeinsam an, um diese Tradition fortzuführen. Als regionale
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möchten wir die Region mit guten Ideen und neuartigen Konzepten weiter voranbringen.
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Teil beizutragen, damit die Gnadensonne
der Kurfürsten strahlen und siegen konnte.
Unfreie Marktwirtschaft im Zeichen der
feudalen Herrscher, die überall mitkassierten: Frondienste und Pachten in die feinsten
Verzweigungen. Kein Wasservogel durfte
gefangen, keine Taube gejagt, kein Fisch
ohne Erlaubnis gefangen werden. Damit
Durchlaucht flüssig blieb, wurde kräftig
MAnet
I m Ve r b u n d d e r P f a l z w e r ke G r u p p e
Mannheims Stadtgründer liebte die
Jagd und das Spiel:
Der trinkfeste
Friedrich IV.,
gemalt von einem
unbekannten
Meister.
Bild: Stadtarchiv
gischen Niederlanden war im 16. Jahrhundert ein Strom von calvinistischen
Glaubensflüchtlingen unterwegs, eine
der größten Wanderungsbewegungen in
der frühen Neuzeit.
Die Stadtprivilegien boten vor 400
Jahren einen außerordentlichen Anreiz,
sich im streng rechtwinkligen Straßennetz in der Quadratestadt nahe der Zitadelle Friedrichsburg anzusiedeln. Menschen aus den verschiedensten Ländern
kamen zum Neustart nach Mannheim,
um hier nach ihrer Façon selig zu werden. Denn ganz am Schluss der 13 Artikel umfassenden Privilegien von 1607
ging es um die religiöse Frage. Das reformierte Bekenntnis, das damals noch
nicht reichsrechtlich anerkannt war,
wurde unter Schutz gestellt. Kein Wunder: Der Kurfürst höchstselbst bekannte
sich zu dieser Konfession.
räu
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
7
STADTJUBILÄUM 2007
Ein Haus mit Kunst für alle
Am 1. Mai 1907 eröffnete die Mannheimer Kunsthalle anlässlich des 300. Stadtgeburtstages ihre erste Ausstellung
Von unserem Redaktionsmitglied
Nina Haas
J
ede vollwertige Sammlung ist zunächst für wenige, aber ihre Aufgabe
muss darin bestehen, eine Sammlung
für alle zu werden.“ Mit diesen Worten verteidigte der erste Direktor der Mannheimer
Kunsthalle, Fritz Wichert, 1908 sein Konzept. Trotz Bedenken der Kunsthallenkommission hatte er für die Mannheimer
Sammlung Werke französischer Impressionisten erworben: Delacroix, Daumier,
Courbet hielten neben deutschen Malern
Einzug in die neuen Hallen.
Große Vorwürfe aus der Bürgerschaft
seien zu befürchten, so ein Stadtrat, der
sich gegen die internationale Ausrichtung
aussprach. Die Mannheimer hingegen lernten die Sichtweise „ihres“ Direktors rasch
zu schätzen: Nur mit ihrer finanziellen Unterstützung konnte 1910 Edouard Manets
„Die Erschießung Kaiser Maximilians von
Zeitgenössische Kunst hat in
Mannheim ihren Platz
Mexico“ gekauft werden – das bis heute bedeutendste Werk der Sammlung.
Dabei war der Jugendstilbau am Friedrichsplatz, der anlässlich des 300. Stadtjubiläums vom Karlsruher Architekten Hermann Billing gebaut wurde, nur als Ausstellungsgebäude für Wanderschauen gedacht. Bei der Eröffnung der „Internationale Kunst und große Garten-Ausstellung“
am 1. Mai 1907 war noch keine Rede von einer ständigen Sammlung. Zwar diskutierte
man, was werden sollte, erst 1908 aber beschloss der Stadtrat, hier dauerhaft ein
Kunstmuseum einzurichten. Dessen Bestände fußten zunächst auf der Sammlung
Carl Kuntzs, Direktor der großherzoglichen Galerie, sowie auf 91 Gemälden des
Sammlers James Emden – unter anderem
von Feuerbach, Spitzweg und Schirmer.
Da Wicherts Hauptaugenmerk jedoch den
modernen, zeitgenössischen Strömungen
galt, kamen bald Monet, Pissarro, Van
Gogh oder Cézanne hinzu.
Da die Sammlung schnell weiter wuchs,
schmiedete der Gemeinderat 1912 erste
Pläne für einen Erweiterungsbau. Geneh-
Wachsende Kunsthalle: Anlässlich des 300. Stadtjubiläums wurde der Jugendstilbau eingeweiht.
Der Neubau konnte erst 1983 realisiert werden, 1999 dann der Ausbau des Bunkers. Bild: Rinderspacher
migt hat er das Vorhaben erst 1979 – 65
Jahre später. Bis zur Umsetzung durch den
Mannheimer Architekten Hans Mitzlaff
brauchte es dann nochmals vier Jahre.
Die wohl turbulenteste Zeit hatte die
Kunsthalle da bereits hinter sich: Die vom
zweiten Direktor, Friedrich Hartlaub
(1923-1936), 1925 initiierte „Neue Sachlichkeit“-Schau machte die Quadratestadt
zwar zu einem der bedeutenden Häuser
zeitgenössischer Kunst in Deutschland.
Hartlaub wurde jedoch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten sofort seines Amtes enthoben. Auch die Museumshalle überkam eine erschreckende Leere:
Hunderte von Werken wurden im Zuge der
Kampagne zur „Reinigung von entarteter
Kunst“ konfisziert. Wichtigstes Anliegen
nach dem Krieg war es, die durch die Nazis
entstandenen Lücken wieder aufzufüllen.
Bedeutende
zeitgenössische
Gemälde
(Kandinsky, Klee, Bacon) sowie Skulpturen konnten angekauft werden. Vor allem
Heinz Fuchs (1959-1983) baute die Plastiksammlung zu einem Schwerpunkt aus.
Gekämpft haben sie alle, die „Häupter
der Kunsthalle“. Manfred Fath jedoch, der
1983 vom Ludwigshafener Wilhelm-HackMuseum auf die andere Rheinseite wechselte und schon nach einem Jahr den großen Kunsthallenneubau des Mannheimer
Architekten Hans Mitzlaff einweihen durfte, gab als erster zu, angesichts der finanziellen Löcher schlaflose Nächte zu haben.
Er war es jedoch auch, der immer neue
Geldquellen aufspürte, Sponsoren und Mäzene wie den Mannheimer Heinrich Vetter
oder Hans-Werner Hector band, Unterstützung im Förderkreis der Kunsthalle
fand und den Museumsshop gründete, der
durch seine Verkäufe Werk-Anschaffungen ermöglichte. International knüpft Fath
Verbindungen mit der Tate Gallery in London, mit Museen in Sao Paulo, Genf oder
Moskau. 1999 konnte nochmals erweitert
werden: Der Ausbau der Bunkeranlage aus
dem Zweiten Weltkrieg wurde realisiert.
„Einen programmatischen und konzeptionellen Neuanfang“ startete Faths Nachfolger, Rolf Lauter, als er 2003, fast
100 Jahre nach Fritz Wichert, die Geschicke der Kunsthalle zu leiten begann: Die
Trennung zwischen den Gattungen brach
er bewusst auf, teilte das Museum schrittweise in inhaltlich aufeinander abgestimmte Räume, die übergreifende Themen
behandeln. Lauter stellt dabei bis heute
Plastik, Grafik, Malerei, Fotografie und
Videokunst einander gegenüber. Den
Mannheimern allerdings kommt vor allem
die Präsentation der über die Jahre gewachsenen Sammlung zu kurz.
Aufsehen erregt 2006 die „Entmachtung“ Lauters genau in dem Jahr, in dem
die Kunsthalle zum Eigenbetrieb wird und
wirtschaftlich eigenständig handeln kann.
Nach Etatüberschreitungen und organisatorischen Pannen entzieht der Gemeinderat dem Direktor die Finanzverwaltung
und Organisation. Seinem Konzept will
Lauter trotzdem treu bleiben. Denn ein
Museum für alle ist auch sein Ziel: „Es geht
darum, Menschen zurück zum Werk zu
führen, damit sie dort ihren ganz eigenen
ästhetischen Bezug zur Kunst finden.“
www.pfalzwerke.de
Blickt zuversichtlich
in die Zukunft: Rolf Lauter.
Bild: Proßwitz
Offenes Museum
Kunsthallenchef Rolf Lauter über die Zukunft des Hauses
Von unserem Redaktionsmitglied
Nina Haas
Ja, er sei im Jahr ihres Jubiläums ziemlich
zufrieden mit der Kunsthalle, sagt Rolf Lauter im Gespräch mit dieser Zeitung. Als er
2003 nach Mannheim kam, hatte er nach
Ansicht vieler vielleicht ein wenig zu vollmundig angekündigt, 100 Jahre nach ihrer
Eröffnung wolle er die Kunsthalle strukturell verändern und näher an die Gegenwart
heranführen. Die „Neupräsentationen“, die
folgten, stießen einem großen Teil der
Mannheimer eher sauer auf. Viel war tatsächlich nicht übrig geblieben von der „alten“ Kunsthalle. Lauter stellte dem eigenen
Bestand zeitgenössische Leihgaben aus internationalen Sammlungen gegenüber.
„Heute ist es wichtig, auch im Bereich der
Kultur darüber nachzudenken, wie die Teile
einer Sammlung einen Gesamtzusammenhang bilden können, und eben nicht mehr
nur nach kunsthistorischen Kategorien zu
spezifizieren“, verteidigt Lauter sein Konzept. Mit der neuen Präsentationsform bekomme jedes Werk im Dialog mit anderen
einen neuen Kontext.
Dass diese veränderte Sichtweise nicht
immer einfach nachzuvollziehen ist, versteht jedoch selbst er: „Kunst hat auch immer etwas mit Gewöhnung zu tun“, ist er
überzeugt. „Aber ich glaube, dass die Kategorisierung nach Gattungen und Medien
nicht mehr zeitgemäß ist. Wenn wir zwischen Malerei, Plastik oder Grafik trennen,
können wir die verbindenden Elemente ja
gar nicht aufzeigen; und das ist doch gerade
das Interessante und für das bildnerische
Denken der Künstler Entscheidende. Vor
allem durch zeit- und medienübergreifende
Konstellationen werden im Betrachter viele
sinnvolle Fragen und neue Wahrnehmungsfelder freigesetzt.“
Im Museum des 21. Jahrhunderts, ist sich
Lauter sicher, gehe es darum, das Individuum in seiner Kreativität und geistigen Kompetenz zu stärken. Er wünscht sich, dass der
Einzelne durch ein verändertes Museumsmodell seine subjektive ästhetische Position
finde. „Die Wahrnehmung ist das Allerwichtigste, um sich in der Welt bewusst zu
positionieren. Um das zu erreichen, sind
neue Präsentations- und Vermittlungsformen notwendig.“ Mit dem Hector-Forschungszentrum, dem Hector-Kreativitätszentrum, einer „phantastischen Bibliothek,
einer tollen Sammlung und Mitarbeitern,
die in viele Richtungen denken“, sieht sich
Lauter auf dem richtigen Weg. „Um die Zukunft gestalten zu können, müssen wir die
Gegenwart denken und die Vergangenheit
lebendig machen.“
Lässt sich dies bei knappen Kassen finanziell überhaupt schultern? Die sehr reduzierte kommunale Grundausstattung sei, so
Lauter, eine Situation, die es verlangt, sparsam zu wirtschaften, aber dennoch nicht
untätig zu sein. Für ihn werde es immer
wichtiger, mehr Fördermittel – „in den letzten Jahren immerhin bis zu dreieinhalb Millionen Euro für die Kunsthalle“ – einzuwerben. Lauter will auch stärker auf Veranstaltungen des Hauses und auf Fremdveranstaltungen bauen. Die Kunsthalle als Eventtempel? „Verkaufen sollte sich ein Museum
natürlich nicht“, stellt der Direktor klar,
sondern öffnen. „Das können die Musik
oder Literatur, die Lange Nacht der Museen
oder andere bürgernahe Aktivitäten sein.“
Klar ist: In die Kunsthalle gehen werden
die Mannheimer auch in 100 Jahren noch.
„Das Haus wird wieder anders aussehen,
weil viele Generationen weitergedacht haben.“ Größer sei es bis dahin sicher geworden und – so Lauter – bestimmt auch immer
noch attraktiv für viele Menschen.
SCHON VIEL GEZEIGT UND NOCH MEHR DRAUF:
Gratulation zu 400 Jahren Mannheim.
Es will etwas heißen, wenn uns jemand mit guten Ideen voller Energie beeindruckt. Mit Respekt davor
schauen wir in diesen Tagen über den Rhein. Glückwunsch an die Stadt Mannheim!
8
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
1782
Friedrich Schillers Jugendwerk
„Die Räuber“ wird in Anwesenheit
des Dichters uraufgeführt. Nach
seiner Flucht aus Stuttgart verpflichtet Freiherr von Dalberg
Schiller 1783-85 als Theaterdichter.
1785
Wolf Haium Ladenburg gründet
eine Bank, die im 20. Jh. in der
Deutschen Bank AG aufgeht.
1790
Die erste Nummer des „Mannheimer Intelligenzblatts“ erscheint.
In seiner Tradition steht der
„Mannheimer Morgen“.
1795
Mannheim wird in den Koalitionskriegen von den Franzosen besetzt.
Bei der Rückeroberung durch österreichische Truppen erleidet die
Stadt durch Artilleriebeschuss
schwere Zerstörungen.
1799
Die Festungsanlagen werden geschleift und das frei werdende Gelände rund um die Stadt neu angelegt (bis 1821).
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
Vom Hof- zum Volkstheater
Vor 50 Jahren erkämpften und finanzierten die Bürger einen Neubau am Goetheplatz
Von unserem Redaktionsmitglied
Peter W. Ragge
D
as rundum verglaste Foyer, die
großen Fensterscheiben auch zum
Luisenpark und zum Ring hin – sie
hatten und haben Symbolwirkung. Als sich
die Stadt zu ihrem 350. Geburtstag, der
auch als „kleines Stadtjubiläum“ gefeiert
wurde, inmitten der noch lange nicht komplett aufgeräumten Trümmerlandschaft
ein neues Theater schenkte, sollte es ein demokratisches, ein für alle Bürger offenes
Theater sein. Der 50. Geburtstag des von
Architekt Gerhard Weber geplanten Neubaus zeigt deutlich, dass es das geworden
ist.
Auch wenn es nur ein paar Fotos sind –
die Besucher strömen zur Ausstellung, welche die Baugeschichte vom einstigen, im
Krieg zerstörten Barocktheater in B 3 über
den Notbehelf im alten Kino „Schauburg“
in K 1 bis zum Haus am Goetheplatz dokumentiert. Und weil man von außen sieht,
dass sich da ungewöhnlich viele Leute
tummeln, werden es wirklich immer mehr,
stehen neben Gästen in Abendkleid und
Anzug plötzlich Passanten, die im Mantel
von der Straße kommen. „Ich wollte nur
mal gucken“, heißt es dann, und schon
sprudeln die Erinnerungen an 1957 los, wie
man damals den Neubau erlebte, dass die
Oma unter den ersten Besuchern war.
„Das Theater ist erst vom Hof- zum
Stadttheater, vom Stadttheater zum Volkstheater geworden“, gratuliert Oberbürgermeister Gerhard Widder zu dem Geburtstag des Neubaus am Goetheplatz.
Aus den Foyers sieht man mit gutem
Grund den pulsierenden Feierabendver- beisteuern, um mit nahezu einer Million
kehr – das Theater ist eben fester Teil der Mark die Neuinszenierung der Wagner-TeStadt, nicht abgeschirmt. Erstmals in der tralogie zu ermöglichen, ob sie bei „RäuMannheimer Theatergeschichte bietet es bern für Schiller“ spenden oder auf die
zwar keine besonders für Herrscher und Spendenaufrufe der 2500 Mitglieder zähProminente reservierten Logen, aber zwei lenden Freunde und Förderer des Natioparallel zu bespielende Bühnen, nämlich naltheaters reagieren, die neue Stiftung
Opern- und Schauspielhaus (später kamen Nationaltheater mit einem Kapital von naja noch Werkhaus und „Schnawwl“ dazu). hezu einer Million Euro ausstatten – den
Mannheimern
ist
Das bedeutet aber
ihr Theater nicht
auch, dass seither
nur lieb, sondern
praktisch
jeden
Ein demokratisches,
(gerne) teuer. Dabei
Abend über 2000
bezieht sich die EuPlätze zu füllen sind
für alle offenes Theater
phorie stets nur auf
– und oft auch gedie Institution an
füllt werden.
sich, manche InszeSchon 1952, bei
der ersten Tombola zur Finanzierung des nierung und mancher Regisseur wird verTheaterneubaus, hatte – statistisch gesehen dammt, die allzu nüchterne Architektur
– immerhin jeder Mannheimer fünf Lose des Neubaus im Bauhausstil eben inzwigekauft. Ob Karlsruhe oder Kassel, auch schen achselzuckend akzeptiert.
anderswo gab es solche LotterieveranstalEine „Fabrikationshalle für Theaterstütungen für Neubauten – aber lediglich mit cke“ nannte die „Süddeutsche Zeitung“
einem Bruchteil der Einnahmen: Karlsruhe 1957 die imposante und doch sehr klar gekam damals auf 70 000 Mark, Mannheim gliederte Stahlbetonkonstruktion. Aber sie
nach Abzug der Steuern auf über 530 000 war zu ihrer Zeit der modernste TheaterMark. 1956 wurde bei der zweiten Tombola Neubau Europas. Und „das Rückgrat aus
noch einmal annähernd der gleiche Betrag heimischem Stahl, das Kleid aus Neckarerwirtschaftet.
sandstein“, wie der damalige Intendant Dr.
Seither greifen die Mannheimer immer Hans Schüler bei der Grundsteinlegung
mal wieder in den Geldbeutel, wenn es um 1954 sagte, zeige eben, dass es ein Haus aus
„ihr“ Theater geht. Ob sie bei der gleichna- der Region für die Region sei. Das hat sich
in den fünf Jahrzehnten, in denen das Haus
migen Aktion „Kohle
nun steht, bewahrheitet. Jeder denkt,
für den Ring“
das Theater würde schon immer
hier stehen.
Jochen Fäßler
Bild: bec
. . . ist für mich ein liebenswerter Ort. Die Leute sind
schon ein herzliches Volk.
Ein klein wenig provinziell
sind wir allerdings auch.
Und das politische Verantwortungsbewusstsein
der
Zuständigen hält mit der
Liebenswürdigkeit der Menschen leider nicht mit. Aber
kulturell gibt ein erstaunliches Angebot – egal, ob Musik, Jazz oder Theater.
❋
Jochen Fäßler,
Markthändler
Die nüchterne Architektur
des 50 Jahre alten Neubaus erregt
heute kaum jemanden mehr,
auch wenn in den Fünfzigern von
einer „Fabrikationshalle für
Theaterstücke“ die Rede war.
Bild: Tröster
1808
Auf Bitte der badischen Erbgroßherzogin Stephanie wird der
Schlossgarten angelegt (bis 1811).
1811
Die heutige Zählung der „Quadrate“ mit Buchstaben und Ziffern
wird eingeführt.
1817
Karl Drais unternimmt am 12. Juni
mit seiner Laufmaschine (einem
Vorläufer des Fahrrads) die erste
Fahrt von Mannheim zum
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Berufskollegs 2 bestanden.“ Die
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Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
9
STADTJUBILÄUM 2007
Schillers Kabale und Liebe
mit Nadine Schwitter und Thorsten Danner
im Jahr 2006. Bild: Michel
Wenn Bürger Theater machen
Mannheim gilt mit seiner Liebe zum Nationaltheater bundesweit als beneidetes Phänomen – auch wenn es manchen Intendanten schwitzen lässt
Von unserem Redaktionsmitglied
Ralf-Carl Langhals
S
cheidende Intendanten befanden,
dass Mannheim eine Stadt sei, die um
ein Theater herum gebaut wurde. Das
ist stadtgeschichtlich zwar nicht richtig,
trifft die Identifikation der Einwohner mit
der Schillerbühne aber am ehesten. Das
zweite Bonmot zu dem überdimensionierten Theaterneubau am Goetheplatz, um
das keiner in diesen Jubiläumstagen herumkommt, lautet, dass Mannheim so viele
Intendanten beherberge wie Einwohner,
die alle mitreden – nur einer hätte gar
nichts zu melden, und das sei der amtlich
bestellte Intendant.
Theater ums Theater machen gilt in
Mannheim als Bürgerpflicht; und so ist die
Beteiligung an Publikumsdiskussionen
und Zuschauerbefragungen in der deutschen Theaterlandschaft nahezu einmalig.
Statistisch hat das Nationaltheater mit
350 000 Zuschauern im Jahr mehr Theatergänger als die Stadt Einwohner. Ein Zustand, der jeden Intendanten freut, ihn
aber auch schwitzen lässt. Als Generalin- dung August von Kotzebues, all das ist
tendant Ulrich Schwab eine verstaubte Mannheimer Theatergeschichte, doch NaMeistersinger-Inszenierung absetzen ließ, tionaltheater hin oder her, Mannheim ist
blies ihn pure Verachtung an: Auf riesigen längst zum gewöhnlichen Stadttheater geSpruchbändern flatterte es von den anlie- worden, das neidvoll zum üppig ausgestatgenden Mietshäusern „Meistersinger müs- teten Stuttgart schielt. Das zweitgrößte
sen bleiben!“. Woher kommt diese Anbin- Theater Baden-Württembergs hat in der
dung, diese emotionale Beteiligung?
Arbeiterstadt traditionell das finanzielle
Im 18. Jahrhundert sollte der Gedanke Nachsehen gegenüber der württembergides Nationaltheaters entgegen der aristo- schen Residenz.
kratisch-absolutisApropos Arbeiter:
tischen HoftheaterDer LandmaschiTradition das Vernenhersteller Lanz
Mannheim hat so viele
langen des Bürgermietete noch im
tums nach sozialer
19. Jahrhundert
Intendanten wie Einwohner
Emanzipation erPlätze für seine Mitfüllen. Vor der Kurarbeiter, und so bepfälzischen Deutsaß das Haus als eischen Gesellschaft hielt Friedrich Schiller nes der ersten Deutschlands zahlreiche Arseine Rede „Was kann eine gute stehende beiter als Abonnenten. Theaterskandale
Schaubühne eigentlich wirken?“ Theater sind folglich Stadtskandale: Demonstrasollte als moralische und soziale Anstalt er- tionen, Unterschriftensammlungen, geharmöglichen, eine Zone exemplarischer Öf- nischte Briefe sind das tägliche Brot der
fentlichkeit entstehen zu lassen. Ifflands Theaterleitung und auch unserer Zeitung.
Schauspielkunst, Dalbergs neu konzipier- Doch wer einen Platz im Herzen des Publiter Stellenwert der Intendanz, Schillers kums gewonnen hat, kann ein KünstlerleWirken als erster Hausdichter, die Ermor- ben lang darin wohnen. Geburtstagsfeiern
für Bayreuth-Hünen wie Jean Cox und
Franz Mazura oder ehemalige Intendanten
sorgen für ausverkauftes Haus.
Überhaupt Mannheim und Wagner. 1871
regte hier der Musikalienhändler Emil Heckel Richard Wagner zu der Ausgabe der
Patronatsscheine an, die den Bau des Festspielhauses erst ermöglichten. Furtwängler, Horst Stein, Franz Mazura, Waltraud
Meier, Lioba Braun, Klaus Schultz: die
Liste derer, die vom Nationaltheater zum
Grünen Hügel wandern, ist schier endlos.
Der über 800 Mitglieder starke WagnerVerband residiert nicht ohne Grund in der
Quadratestadt und beteiligt sich am lokalen Bühnengeschehen. Zuletzt setzte die
Berufung des Mannheimer GMDs Adam
Fischer nach Bayreuth der Kurpfälzer
Wagnerbegeisterung die Krone auf.
Neben den Studio- und Jugendbühnen
gilt es 1200 Plätze im Opernhaus und 700
im Schauspielhaus mit einem der größten
Repertoires der Republik zu füllen. Die
Mannheimer Begeisterung für die Opernbühne ist national bekannt, das Kinderund Jugendtheater gar international geschätzt, doch auch als Schauspieldirektor
lässt es sich vom einstigen Ruhm eines
Schiller, Albert Bassermann, Erwin Piscator, Willy Birgel, Nicolas Brieger und Jürgen Bosse in Mannheim mit etwas Glück
und Engagement gut leben.
Ihre denkmalgeschützte Betonkiste aus
dem Jahre 1957, groß wie ein gigantischer
Schuhkarton und mit einem Foyer so hässlich wie ein Parkhaus, haben die Mannheimer längst lieb gewonnen. Gute Sicht- und
Hörverhältnisse entschädigen für den Verlust klassizistischer Herrlichkeit der Vorkriegszeit und nach einem Jahrzehnt der
Ausweichspielstätten wie der legendären
„Schauburg“ war man mehr als froh, wieder ein ordentliches Theater zu haben.
Ob Absolutismus, Gründerzeit oder
Nachkriegsdeutschland, das Abschiedsgeschenk des 1778 nach München abwandernden Kurfürsten Carl Theodor war in
Mannheim zu allen Zeiten Gesprächsthema. So gesehen erfüllt auch das dritte
Mannheimer Theater-Bonmot den Nationaltheatergedanken trefflich. „Wenn drei
Mannheimer zusammenstehen, kommt die
Rede immer auf das Theater“. Schön, wenn
Bürger so viel Theater machen.
Die wichtigste Qualität unserer Region
ist die Lebensqualität.
Malerei und Wahrheit: Einen solchen Auszug Schillers aus
dem Nationaltheater am Arm zweier Damen hat es nie gegeben. Bild: zg
Schillernde Vergangenheit
Zwei Jahre verbrachte der Dichter in Mannheim
Hier im Bild grüßt der Mannheimer Mythos: Schiller verlässt am Arm von Henriette von Wolzogen und Luise Vischer,
umgeben von Dalberg und Iffland im
Feuerschein glühender Wangen und
Kohlelampen
das
Nationaltheater.
Friedrich August Pechts Historiengemälde aus dem Jahre 1865 zeigt eine Szenerie, die so nie stattgefunden hat. Und
doch belegt es jene romantische Verklärung, die der Mannheimer Schillerzeit so
eigen ist. Schiller und Mannheim – ein
lokalpatriotisches Kapitel, aber dennoch
eines, das keine der im Schillerjahr 2005
zahlreich erschienenen Biographien auslassen konnte.
Schillers Wirken und Scheitern in der
barocken Quadrateherrlichkeit der Kurfürstenzeit ist, was seine Dauer von gut
zwei Jahren angeht, überschaubar. Die
Aufenthalte, privaten und persönlichen
Kontakte, Begegnungen und künstlerische Entwicklungen zwischen 1782 und
1785 sind – und hier sind sich über den
Verdacht klugen Stadtmarketings und
des Lokalpatriotismus erhabene Forscher und Biographen einig – für das
Phänomen Schiller von großer Bedeutung. Und sie lieben „ihren“ Schiller, die
Mannheimer: „13. Januar 1782: Schillers
Räuber am Nationaltheater uraufgeführt!“; so lernt es noch heute jeder
Mannheimer Grundschüler, so steht es in
jeder Broschüre des regionalen Tourismusgewerbes, auch wenn Dalberg, Iffland und Konsorten seinerzeit letztlich
ziemlich schäbig mit dem Shakespeare
aus Schwaben umgingen.
Sei’s drum; von der schüchternen Verzagtheit und den Befindlichkeiten, die
mit Dichtererbe und Jubeljahren einhergehen, war in Mannheim selten etwas zu
spüren. Ob 1859, 1905, 2005, Nationaltheaterwiedereröffnung oder Internationale Schillertage, die Mannheimer feiern
die Schillerfeste wie sie fallen: Das
nächste Mal 2009, des Dichters 250. Geburtsjahr.
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10
1822
Stadtdirektor Philipp Anton von
Jagemann initiiert die Gründung
der städtischen Sparkasse (heute
Sparkasse Rhein-Neckar Nord).
Eine Volkszählung ergibt, dass weniger als 20 000 Einwohner in der
Stadt leben.
1828
Am Rhein wird ein Freihafen
eröffnet.
„Großartige Stadt mit tollen Menschen“
Interview mit Oberbürgermeister Gerhard Widder zu seinen Erwartungen an den 400. Geburtstag von Mannheim
Von unserem Redaktionsmitglied
Stephan Wolf
D
as Stadtjubiläum soll die Mannheimer dazu anregen, ihre Stadt immer wieder neu und anders zu entdecken und ein noch positiveres Gefühl für
die Stadt zu haben“, wünscht sich Oberbürgermeister Gerhard Widder im Interview für das Jahr, in dem Mannheim den
400. Geburtstag feiert.
■ Herr Oberbürgermeister, wie würden Sie
einem Besucher, der zum ersten Mal nach
Mannheim kommt, die Kurpfalzmetropole
beschreiben?
1831
Durch den Abschluss der ersten
Rheinschifffahrtskonvention
(„Mainzer Akte“) wird Mannheim
bis 1910 Endpunkt der Großschifffahrt auf dem Rhein.
1834
An der feierlichen Grundsteinlegung für den Rheinhafen, der 1840
vollendet wird, nimmt der badische
Großherzog Leopold teil.
Johann Konrad Reihle gründet eine
Zuckerfabrik, die 1867 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird
(heute Südzucker AG).
1836
Joseph Vögele produziert in seiner
Schmiede Eisenbahngeräte. Die aus
diesen Anfängen entstehende Maschinenfabrik zieht 1874 an die
Bahnlinie am späteren Neckarauer
Bahnübergang und firmiert heute
als Joseph Vögele AG.
1839
Das Nationaltheater wird in städtische Verwaltung übernommen. Seit
1997 wird es als Eigenbetrieb geführt.
1845
Als erster fester Übergang über den
Neckar wird die Kettenbrücke eingeweiht. Als sie dem gewachsenen
Verkehrsaufkommen nicht mehr
genügt, wird sie abgerissen und
1891 durch die neu erbaute Friedrichsbrücke ersetzt. 1907 kommt als
zweite die Jungbuschbrücke, 1926
die Friedrich-Ebert-Brücke hinzu.
WIDDER: Die Wiedereröffnung des Zeughauses nach der Renovierung ist ein großartiges Ereignis. Es wird eines der letzten
Museen dieser Größenordnung sein, die
von kommunaler Hand finanziert werden.
Mit dem Zeughaus unterstreicht Mannheim erneut den Anspruch, sich nachhaltig
als Kulturstadt behaupten zu wollen.
■ Mannheim ist eine Stadt der Vororte – sind
die Stadtteile genügend beim Jubiläum berücksichtigt worden?
■ Aber auch der Rosengarten wird erweitert.
WIDDER: Die Investitionen in das Kongresszentrum Rosengarten sichern dessen
nationale und internationale Bedeutung.
Mit dem Rosengarten und der SAP Arena
verfügt Mannheim über eine hochattraktive Veranstaltungsinfrastruktur.
■ Ist mit dem Stadtjubiläum die Erneuerung
der City abgeschlossen?
WIDDER: Vieles konnte für das Jahr 2007
fertig gestellt werden, viele Projekte müssen als Initialzündung für die kommenden
Jahre und die Entwicklung unserer Stadt
verstanden werden.
■ Wann werden die Planken herausgeputzt?
WIDDER: Unter anderem soll dem Gemeinderat vorgeschlagen werden, für die
Achse der Planken analog zum Verfahren
für die Kurpfalzachse einen städtebaulichen Wettbewerb auszuloben, der Grundlage für die weiteren Maßnahmen sein soll.
■ Herr Oberbürgermeister, im Laufe des Jubiläumsjahres endet ihre Amtszeit. Wie soll
der 400. Geburtstag unserer Stadt den
Menschen in Erinnerung bleiben?
WIDDER: Als ein Fest, das für alle Bürger
jede Menge Neues, Interessantes, Großartiges und Spannendes geboten hat und vor
allem: Spaß gemacht hat. Aber auch als ein
Fest, das Initialzündung war für Investitionen, die über Jahrzehnte hinweg ihre Wirkung entfalten. Investitionen als Bekenntnis zur Zukunft der eigenen Stadt und als
Auslöser für viele private Investitionen.
Unsere Gäste wollen wir die Besonderheit
unserer Stadt erleben lassen. Mannheim –
eine lebendige, offene und zukunftsorientierte Stadt. Eine Stadt, in der seit ihrer
Gründung vor 400 Jahren Menschen vieler
Nationen und Religionen miteinander –
und nicht nur nebeneinander – leben. Eine
Stadt, in der man gerne lebt und in die man
gerne zieht.
Zur Person
■ Wie soll das Jubiläum gefeiert werden – als
Fest für die Bürger oder soll es eine Schau
sein, wie leistungsfähig die Stadt ist?
WIDDER: Nicht „oder“ muss es lauten,
sondern „und“. Es soll und es wird ein Fest
für die Bürgerinnen und Bürger. Wir erfahren eine große Resonanz aus der Bürgerschaft. Sie freut sich auf ihr Jubiläum und
gestaltet es mit viel Engagement und Begeisterung mit. Ein solches Fest wird aber
auch nach außen wirken, in die Region und
weit darüber hinaus. Es bietet uns die
Chance, die Stadt mit ihrer ganzen Vielfalt
anderen Menschen zu vermitteln. Und deshalb werden wir die Chance nutzen, zu zeigen, wie leistungsfähig Mannheim ist. Diese beiden Aspekte gehen Hand in Hand.
WIDDER: Sicherlich die großen städtebaulichen Projekte,
die wir auf den Weg gebracht
haben. Dabei handelt es sich
um die Umgestaltung des
Stadtraumes Kurpfalzachse
als Rückgrat und Verbindungsachse zwischen Schloss
und Alter Messplatz. Außerdem um die Neugestaltung des
„Alten Messplatzes“ als größten bespielbaren Platzraum
und als einen der schönsten
Aufenthaltsräume
Mannheims. Sowie die Quartiersentwicklung Jungbusch/Verbindungskanal und damit die
gelungene Vernetzung von
Wohnquartier,
Wasserrändern und Hafennachbarschaft
als Ort für Einrichtungen mit
großer Strahlkraft.
Gerhard Widder
Gerhard Widder ist seit 1983 Oberbürgermeister von Mannheim. Wenn er im
August 2007 aus dem Amt scheidet,
wird er 24 Jahre dem Rathaus vorgestanden haben und damit auf die längste Amtszeit eines Stadtoberhauptes in
der Kurpfalzmetropole zurückblicken
können.
Der 66-jährige gebürtige Mannheimer ist gelernter Ingenieur und arbeitete zunächst als Berufsschullehrer. 1975
zog er in den Gemeinderat ein und war
von 1980 bis 1983 Fraktionsvorsitzender der SPD. Nach dem plötzlichen Tod
von Wilhelm Varnholt wurde Widder
zum OB gewählt.
In seine Amtszeit fielen unter anderem die Verlegung des Maimarktes ins
Mannheim University of Applied Sciences
Friedrich Engelhorn sen. gründet
eine Fabrik für Portativgas. Den bei
der Gaserzeugung als Abfallprodukt entstehenden Teer verwertet
er seit 1860 in einer Anilinfabrik.
Aus ihr geht 1865 die BASF hervor.
Obwohl die Fabrikanlagen in Ludwigshafen errichtet werden, behält
das Unternehmen bis 1925 seinen
Sitz in Mannheim.
■ Am 24. Januar startet mit der Eröffnung
des Zeughauses auch offiziell das Jubiläum. Was bedeutet für Sie persönlich die
Renovierung des Zeughauses?
GERHARD WIDDER: Zunächst würde ich WIDDER: Mannheim wäre nicht Mannder Versuchung widerstehen, den Gast mit heim ohne die lebhafte Beteiligung der
Stadtteile. Das ist
Fakten zu überauch im Jubiläumsfrachten, sondern
jahr so. In der Konihn neugierig ma„Mannheim – eine Stadt,
zeption des Kulturchen. Neugierig auf
programms wurde
die Stadt, die schon
in der man gerne lebt“
darauf
geachtet,
mit ihren Quadradass alle Stadtteile
ten eine Besonderin die Planungen
heit ist und neugierig auf die Menschen, die die Stadt mit Le- mit einbezogen werden. Und die Stadtteile
ben erfüllen. Eine Stadt, die nicht nur zwi- selbst sind auf uns zugekommen mit dem
schen zwei Flüssen liegt, sondern deren Wunsch, sich am Stadtjubiläum zu beteiliGeschichte und Gegenwart viel mit den gen. Man kann das am Beispiel der EröffFlüssen zu tun haben. Es gälte, den Gast nungswoche zu den Jubiläumsfeierlichkeiüber Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst und ten sehr gut sehen. Da gibt es einen Tag in
Kultur, Sport und Freizeit zu informieren. der Innenstadt, einen Tag in der NeckarIhn bei alledem spüren zu lassen, wie sehr stadt, einen Tag im Filsbachviertel und im
wir uns über Gäste in Mannheim freuen. Jungbusch.
Vielleicht würde ich ihm dies alles bei einem Gang durch den Luisenpark erzählen. ■ Die Feierlichkeiten kosten über fünf
Millionen Euro. Ist dieses Geld
■ Lange Zeit hatte Mannheim den Ruf, nicht
gesichert?
besonders attraktiv zu sein. Hat sich das
WIDDER: Die Finanzieverändert?
rung des Stadtjubiläums
WIDDER: Diesen Ruf hat Mannheim schon wurde mit dem Hauslange nicht mehr. Unsere Stadt wird jeden haltsbeschluss im FebTag attraktiver – das nehmen die Menschen ruar 2006 gesichert
hier und unsere Gäste so wahr. Mannheim und ist vom Regiesteht für vielfältigste Angebote in Musik rungspräsidium im
und Kunst: vom NaMärz
bestätigt
tionaltheater über die
worden.
Kunsthalle bis hin
zu den Reiss-Engelhorn-Museen, von
Großevents im
Rosengarten oder in
der
SAPArena bis hin
zu einer bunten
Kleinkunst- und Kabarettszene. Und auch städtebaulich haben wir – natürlich auch mit Hinblick auf
das Jubiläumsjahr – einiges
verändert, um die Stadt
noch attraktiver zu machen.
■ 1907 hat sich das Gesicht
■ 2007 feiert die Stadt ihren 400.Geburtstag.
der Stadt deutlich verändert
Welche Impulse erwarten Sie sich?
– die Augusta-Anlage wurde
angelegt, auch die Kunsthalle
WIDDER: Das Stadtjubiläum 2007 soll in
ist entstanden. Wenn die
erster Linie die Mannheimer Bürger dazu
Menschen in 100 Jahren auf
anregen, ihre Stadt immer wieder neu und
2007 zurückblicken, welche
anders zu entdecken und ein noch positivestädtebaulichen Veränderunres Gefühl für die Stadt zu haben. Manngen werden ihnen dann in Erheim ist eine so großartige Stadt, eine Stadt
innerung bleiben?
mit tollen Menschen, vielen Ressourcen
und großem Potenzial. Das Jubiläumsjahr
wird einen weiteren Anstoß nach innen und
außen geben, um das positive Bild der
Stadt zu festigen.
1848
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
Mühlfeld, der Neubau der Reiss-Engelhorn-Museen und des höchst umstrittenen Stadthauses in N1. Auch die Anlage
des Carl-Benz-Stadions war begleitet
von lebhaften Diskussionen. Seine
größte persönliche Niederlage musste
Widder in Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der Mannheimer Sparkasse hinnehmen, deren Verwaltungsratsvorsitzender er war.
Widder setzte sich immer wieder für
den erhalt von Arbeitsplätze ein, etwa
bei Hertie, SEL und Alstom. Der Oberbürgermeister ist unter anderem Vorsitzender des kommunalen Arbeitgeberverbandes Baden-Württemberg und
Aufsichtsratsvorsitzender
bei
der
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Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
11
STADTJUBILÄUM 2007
Viel Zaster
fürs Zeughaus
2,5 Millionen gespendet
Voller Durchblick: Zum Stadtjubiläum strahlt eine Lichtinstallation das restaurierte Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen an,
die nun ihre Schatzkammern öffnen. Bilder: Christen/Proßwitz
Ein schier unvorstellbarer Betrag ist
geschafft: 2,5 Millionen Euro hat die
Aktion „Zaster fürs Zeughaus“ des
Fördererkreises der Reiss-EngelhornMuseen an Spendengeldern erbracht –
ein für eine Privatinitiative einzigartiger Kraftakt.
2001 hatten die Förderer die Aktion
gestartet, 2002 war das Museum sogar
mit einem entsprechenden Motivwagen beim Fasnachtszug mitgerollt,
und seit 2003 erhielten Groß-Spender
symbolisch eine Granit-Kanonenkugel, aus denen eine Pyramide im Innenhof des einstigen kurfürstlichen
Waffenarsenals aufgeschichtet wird,
die an dessen frühere Funktion ebenso
wie an die Sponsoren erinnern soll.
„Wir haben den Betrag von 2,5 Millionen erreicht, möglicherweise sogar
etwas mehr erzielt“, zog Vorsitzender
Peter Eisenlohr jetzt eine positive Bilanz der Aktion, die noch unter seinem
Vorgänger Dr. Claus Cantzler gestartet worden war.
Der verstorbene Mäzen Heinrich
Vetter und Ellen Bassermann waren
mit großen Summen die „Anstifter“,
nach ihnen werden auch Säle im
Zeughaus benannt. Auch die meisten
großen Unternehmen der Region beteiligten sich. „Aber meist sind es
doch sehr viele kleine Beträge oder gar
Kleinstbeträge: „Der ganz überwiegende Teil der Summe kommt von der
Bürgerschaft. Die Aktion ist von Privatleuten geschultert worden“, so der
Vorsitzende des Fördererkreises.
Nach dem (über seine Stiftung abgewickelten) Kauf eines alten Barockbaus als „Museum Schillerhaus“ haben die Förderer damit, neben ihrer
ohnehin regelmäßigen Unterstützung,
zum zweiten Mal eine enorme Summe
aufgebracht. Finanziert wurde damit
das moderne, audiovisuelle Präsentationskonzept im Zeughaus. „Es ist damit ein Museum für alle Zielgruppen,
jeder kann sich individuell und zielgerecht selbst informieren.“
pwr
Augen auf: Das Zeughaus zeigt sich
Perfekter Dialog zwischen Historie und Moderne: Alter Militärtempel wird zum wegweisenden Museum
Von unserem Redaktionsmitglied
Susanne Räuchle
D
as Stadtjubiläum hat in schöner
Symmetrie seine Mitte gefunden,
und barockes Hochgefühl lässt die
Feierlaune steigen: Nach zweieinhalb Jahren sanfter Rundumkur und innerer Totalerneuerung öffnen sich die Tore zu einem
„Reich der Sinne“. Das Zeughaus der
Reiss-Engelhorn-Museen baut sich wieder
in seinen originalen Proportionen als ein
Paradebeispiel frühklassizistischer Baukunst auf, ein Stück Weltarchitektur mitten in Mannheim setzt einen Glanzpunkt.
Alle stillosen Ein- und Umbauten der
vergangenen Jahrhunderte wurden herausgerissen, der Kern in seiner historischen Schönheit erhalten und mit den Segnungen der Neuzeit in Einklang gebracht.
Dem Berliner Architektenteam PfeifferEllermann-Preckel gelang der perfekte
Dialog zwischen Historie und Moderne,
und in dem restaurierten Bau lässt sich
eine klare ästhetische Linie erkennen. Der
Geist des Architekten Peter Anton von
Verschaffelt bleibt lebendig: Der Altmeister schuf den Militärtempel mit den voll
durchgegliederten Haupt- und Seitenfassaden als letzten Monumentalbau in herrlicher Carl-Theodor-Zeit. 1777/78 wuchs
das Zeughaus empor und diente trotz der
palastartigen Schauseite als Lager für
Kriegsgerät. Auch als Bauherr Carl Theo- 13,37 Millionen Euro flossen in die Saniedor 1778 das bayerische Erbe antrat und rung.
Die Feinabstimmung der wechselvollen
Mannheim seinen Glanz als Residenzstadt
verlor, mit diesem Profanbau setzte er Geschichte mit dem 21. Jahrhundert ist
noch ein prominentes Zeichen seiner nun geglückt – der geniale Wurf aus dem
18. Jahrhundert bleibt durch die glasklaMacht.
Im 19. Jahrhundert kam dann Leben in ren Ergänzungen an jeder Stelle transpaden Waffenschrank der Kurpfalz, Raubeine rent, und ein grandioses Raumgefühl empzogen in das Gemäuer ein, das Zeughaus fängt die Besucher. Dabei lässt die Schauseite nach dem dewurde zur Kaserne
zenten Lifting noch
umfunktioniert.
immer feine Alters1882 zündete der
Ein Wechselspiel
spuren
erkennen:
militärische Funke,
mit der Geschichte
Kein
extremes
das hohe Walmdach
„Makeover“, sonbrannte ab und
dern nur kosmetiwurde nicht mehr in
alter Neigung aufgestockt. Man wählte eine sche Korrekturen liften das Haus. Man ließ
vieles beim Alten, erhielt die originale
flachere Alternative.
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts Bausubstanz so weit als möglich, stoppte
besetzte hehre Kultur (und das Städtische nur die vernichtenden chemischen ProzesLeihamt) die hohen Hallen, ein idealer se, die im Laufe der Jahrzehnte am gesunRahmen, um die Vielfalt der Mannheimer den Sandstein gefressen hatten.
Die innere Wandlung zum Reich der SinSammlungen zu präsentieren. Bis dann im
Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs das ne ist nun zum Stadtjubiläum abgeschlosGebäude zum zweiten Mal „eins aufs sen: Auf einer Ausstellungsfläche von 6000
Dach“ bekam. Das Wiederaufbauwerk der Quadratmetern präsentieren sich die
Nachkriegszeit war nicht für die Ewigkeit Sammlungen und Sonderschauen. Auf alund das nächste Jahrtausend gerüstet, es tem Fischgrätparkett können die Mannoffenbarte an allen Ecken seinen maroden heimer die Zeughauszukunft betreten und
Zustand, bis 2002 der Gemeinderat dann sich interaktiv auf ein Wechselspiel mit
den Beschluss fasste: Das Zeughaus wird der Geschichte einlassen. Es öffnen sich
zum 400-Jahr-Fest saniert. Die Gesamt- die Schatzkammern, schon im Entree bekosten für das Jubiläums-Vorhaben addie- grüßen elegante höfische Figuren aus
ren sich nun auf 17,32 Millionen Euro, Frankenthaler Porzellan die Eintretenden,
der Rother Altar steht wieder da, wo er
hingehört. Dieses berühmte Meisterwerk
aus dem Jahr 1513 aus der Werkstatt von
Niklaus Weckmann ist nach 15 Jahren im
Museum in Stuttgart zurückgekehrt nach
Mannheim, als herausragendes Werk spätgotischer Schnitzkunst. Auch die vier flächendeckenden Antwerpener Tapisserien
von Michel Wauters, die Szenen aus dem
Leben Marc Aurels darstellen, gehören zu
den absoluten Glanzstücken des Museums,
ebenso wie Paul Egells in Mannheim geschaffene Skulptur des Heiligen Aloysius.
Die Antike, für die schon Carl Theodor
eine Sammelleidenschaft entwickelte, entfaltet sich im Verschaffelt-Gewölbe. Im
ersten Obergeschoss, dem Heinrich-Vetter-Forum, kann mit internationalen Sonderausstellungen Schau gemacht werden.
Gemälde, Grafiken und barocke Möbel
sorgen für Glanz, und die Anziehungskräfte der vergangenen Jahrhunderte rüschen
sich in der Kostümsammlung auf. Die
Theatergeschichte hat eine Bühne im dritten Stock, im vierten Obergeschoss präsentiert sich die Musikstadt durch eine exquisite Sammlung historischer Instrumente. Dort wird sich auch das Forum Internationale Photographie mit der HelmutGernsheim-Sammlung und dem RobertHäusser-Saal vorstellen. Und unter dem
barocken Walmdach können sich die Museumspädagogen auf höchster Ebene entfalten.
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Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
13
STADTJUBILÄUM 2007
Musikalische Aushängeschilder der Mannheimer Blues-, Soul- und Pop-Szene: Joy Fleming, Xavier Naidoo und Laith Al-Deen.
Bilder: Tröster/Blüthner/Proßwitz
„Musik hat in dieser Stadt eine lange Tradition“
Töne Mannheims zwischen Stamitz und Naidoo: Zwei Musikstudenten diskutieren über Pop und Klassik in der Quadratestadt
Von unserem Redaktionsmitglied
Timo Schmidhuber
W
enn es für die beiden gut läuft,
wird man von Sonia Achkar und
Konstantin Gropper noch viel
hören – von ihr als Pianistin, von ihm als
Rockstar. Im Interview diskutieren die
zwei Studenten darüber, was Mannheim
als Musikstadt ausmacht.
■ Wem hat Mannheim seinen Ruf als Musikstadt mehr zu verdanken? Den Kapellmeistern Johann Stamitz und Christian Cannabich? Oder Xavier Naidoo und Laith AlDeen?
SONIA ACHKAR: Mannheim war mit seinem Hoforchester schon im 18. Jahrhundert unter Kurfürst Carl Theodor ein Musikzentrum, wie man jetzt in den vielen
Beiträgen zum Mozartjahr wieder lesen
konnte. Das ist eine Tradition, die sich bis
zur aktuellen Popmusik fortgesetzt hat.
Viele wichtige Musiker treten in Mannheim
auf, aus dem Rock- und Pop-Bereich, aber
auch aus der Klassik.
KONSTANTIN GROPPER: Der Begriff
Pop-Hauptstadt bezieht sich ja wohl eher
auf die Soul-Pop-Künstler um Xavier Naidoo. Für mich wirkt diese Etikettierung
aber ein wenig konstruiert.
■ Warum?
GROPPER: Mannheim ist nicht mehr Musikstadt als andere Städte, die Musikhochschulen haben.
ACHKAR: Das sehe ich anders. Hier ist
musikalisch schon viel mehr los, die Bezeichnung Musikstadt ist gerechtfertigt.
Vielleicht müssten ins Musikstadt-Image
noch die vielen Jazz- und Klassik-Konzerte
im Umfeld der Musikhochschule einbezogen werden. Die sind in der Öffentlichkeit
nämlich gar nicht so präsent.
I
N
T
80
E
GROPPER: Auf jeden Fall zeigt die Marketingkampagne, dass die Stadt die Musik
fördern will. Und das ist gut in Zeiten, wo
überall gekürzt wird.
Das Diplom allein bringt einem nichts für
den Berufseinstieg, man muss schon während des Studiums Kontakte knüpfen. Viele bei uns wollen einmal in ein Orchester,
sie versuchen schon während des Studiums, Vorspiele zu machen. Ich als Pianistin
versuche, Konzerte zu spielen. Die Hochschule vermittelt da auch Auftritte. Den
klassischen Start gibt’s aber nicht.
■ Die Popakademie wirbt damit, dass ihre
Studenten Teil eines breiten Musik-Netzwerks werden und dabei viele Kontakte
knüpfen, die für ihre spätere Laufbahn
wichtig sind...
GROPPER: Das ist unbestritten die Stärke
der Einrichtung. Die Studenten lernen in
allen Bereichen der Musikbranche Leute
kennen, mit denen sie zusammenarbeiten
können.
■ Gibt es Dinge, die die Musikhochschule
von der Popakademie übernehmen kann?
ACHKAR: Der Bereich Musikbusiness –
also der wirtschaftliche Aspekt der Musikbranche – fehlt in der klassischen Ausbildung. Dabei wäre er wichtig. Auch wir
müssen uns ja vermarkten. Dass dies immer wichtiger wird, zeigt etwa die Geigerin
Vanessa Mae oder der Pianist Lang Lang.
■ Entwickelt sich ein solches Netzwerk auch
an der Musikhochschule? Oder wie startet
eine angehende Pianistin in den Beruf?
ACHKAR: Es ist bei uns nicht anders als
bei vielen anderen Studiengängen auch:
■ Gibt es einen Austausch zwischen Pop und
Klassik in Mannheim?
GROPPER: Ja, bei meiner Band „Get well
soon“ zum Beispiel. Meine Schwester hat
an der Musikhochschule studiert, die spielt
in der Band Geige und singt. Dann ist noch
ein angehender Pianist dabei, der spielt bei
uns Klavier und Akkordeon. Solche gemischten Ensembles entstehen immer
dann, wenn man Instrumente braucht, die
in der Popakademie keiner spielt. Eine
weitere Schnittstelle ist, dass angehende
Produzenten bei uns auch lernen, wie man
die Musik eines Orchesters aufnimmt.
■ Welche Bedeutung hat klassische Musik
für junge Leute in Mannheim?
GROPPER (lacht): Ich war kürzlich sonntagsmorgens bei einer klassischen Matinee,
Zur Person
Sonia Achkar ist 22 Jahre alt. Sie studiert im siebten Semester Klavier an der
Staatlichen Musikhochschule Mannheim. In knapp zwei Jahren will sie ihr Diplom als Pianistin und Klavierlehrerin in der Tasche haben, dann folgt noch das
zweijährige Konzertexamen. Ihr Traum: Konzertpianistin zu werden und viele
Auftritte zu haben.
❋
Konstantin Gropper studierte zunächst zwei Semster Germanistik und Philosophie, ehe er an der Popakademie das Fach „Popmusikdesign“ mit dem Schwerpunkt „Gesang und Songwriting“ wählte. Der 24-Jährige ist mittlerweile im fünften Semester. Er spielt in zwei Bands, die auf dem Weg zum ersten Album sind:
The Grand Mirage macht elektronische Musik im Stil von Björk, Get well soon dagegen spielt Folk-Rock à la Nick Cave.
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N
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A
L
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■ Haben junge Künstler in Mannheim eigentlich genügend Auftrittsmöglichkeiten?
GROPPER: Nein. Es gibt keine kleinen und
mittelgroßen Spielstätten. Capitol und
Feuerwache zum Beispiel sind für viele
junge Bands schon wieder zu groß.
ACHKAR: Wenn ich vor einem Wettbewerb mit meinem Programm ein paar Mal
auftreten will, habe ich es auch schwer.
■ Mit Einrichtungen wie dem Musikpark will
man erreichen, dass die Musikbranche
auch langfristig hier Fuß fasst. Ist es attraktiv, auch nach der Ausbildung zu bleiben?
GROPPER: Im Musikbusiness-Bereich
hängt vieles einfach davon ab, wo man einen Job bekommt. Wenn man dagegen ein
eigenes Plattenlabel eröffnen will, kann
man das durchaus auch hier machen. Als
Künstler ist es entscheidend, welche Musik
man machen will. Ich habe von vielen Soulpop-Künstlern gehört, die extra nach
Mannheim gekommen sind. Wenn Sie dagegen avantgardistischen Minimal-Techno
machen wollen, sind Sie hier falsch.
ACHKAR: Hier gibt es eine Hochschule, an
der man unterrichten kann, und man
kommt schnell überall hin, könnte also
Konzerte in aller Welt geben. Ich könnte
mir vorstellen, hier glücklich zu werden.
Sonia Achkar und Konstantin Gropper
R
da waren außer mir noch drei, die unter 70
waren. Viele junge Menschen interessieren
sich nicht so stark für klassische Musik.
ACHKAR: Bei einem klassischen Konzert
können Sie sich nicht einfach so reinsetzen
und das Ganze gleich genießen. Sie brauchen eine Anleitung. Früher hat man mit
den Kindern zu Hause noch gesungen, sie
haben Instrumente wie Blockflöte gelernt.
Heute können viele nicht mal mehr Noten
lesen. Von Popmusik dagegen sind Kinder
heute schon von Anfang an umgeben,
durchs Fernsehen oder durchs Radio.
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W
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14
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
1848
Mannheim ist ein Ausgangs- und
Mittelpunkt der politischen und revolutionären Bewegung. Aus der
Quadratestadt kommen prominente
gemäßigte Liberale wie Friedrich
Daniel Bassermann, Karl Mathy
und Alexander von Soiron, Männer
der Mitte wie Lorenz Brentano und
Wilhelm Sachs, aber auch radikale
Demokraten wie Karl Blind, Friedrich Hecker oder Gustav Struve.
Töne, die
Spuren zogen
1854
Die „Mannheimer Schule“
Eine französische Spiegelmanufaktur (heute Saint-Gobain Glass
Deutschland GmbH Werk Mannheim) nimmt auf dem zum Dorf Käfertal gehörenden Waldhof die Produktion auf und errichtet eine
Wohnsiedlung für ihre zunächst
französischen Arbeiter. In der Spiegelsiedlung wird 1897 der spätere
Fußball-Bundestrainer Josef
(Seppl) Herberger geboren.
Wie hätte sich die Kunstmusik des
Abendlandes entwickelt, hätte es
nicht Mannheim, den Kurfürsten Karl
Theodor und seine Hofkapelle gegeben? Die Frage, die so großspurig daherkommt, hat Berechtigung, kann
man doch ohne – oder fast ohne – Lokalpatriotismus behaupten, maßgebliche Akzente für die Wiener Klassik
und die auf sie folgende Romantik seien von der so genannten „Mannheimer
Schule“ ausgegangen. In dem in den
Jahren zwischen 1743 und 1780 wohl
besten Orchester Europas saßen die
versiertesten Orchester- und Instrumentalspezialisten, allen voran der
Geiger Johann Stamitz, der als geistiger Stifter der Mannheimer Orchester- und Kompositionsschule gilt.
Denn in dem größten Ensemble des
18. Jahrhunderts wirkten mit Ignaz
Holzbauer, Christian Cannabich,
Franz Xaver Richter und Georg Joseph Vogel nicht nur hervorragende
Musiker und Kapellmeister, sondern
auch intelligente Theoretiker und
Komponisten. Sie bastelten in Theorieunterricht und praktischer Komposition an der Abkehr des barocken Generalbasses, entdeckten, dass Bläser
im Orchesterklang auch Melodien
übernehmen können, lösten die barocke Terrassendynamik durch das Crescendo und Decrescendo, also An- und
Abschwellen des Tones, ab und entwickelten so eine ausdrucksstarke Orchestersprache, die so jemanden wie
Mozart, der Mannheim viermal besuchte und insgesamt runde 176 Tage
in Mannheim weilte, stark beeindruckten. Im Allgemeinen geht man
davon aus, dass Mozart in Mannheim
wesentlich in seinem kompositorischen Denken geprägt wurde. Das
hinterließ später auch in Wien Spuren.
dms
1855
In F 2 wird eine neue Synagoge
errichtet.
Musik aus Mannheim: die Mardi Gras bb. Bild: Tröster
In Mannheim spielt die Musik
Pop ist als Wirtschaftsfaktor zwar nur zweitrangig, hat aber das Image der Stadt verändert
1859
Heinrich Lanz führt unter der Firma seines Vaters amerikanische
und englische Landwirtschaftsmaschinen ein. Der damit verbundene
Reparaturbetrieb bildet die Keimzelle der Maschinenfabrik Heinrich
Lanz.
1866
Nach einer Dampfkesselexplosion
im Vorjahr gründen 21 Unternehmer die „Gesellschaft zur Überwachung und Versicherung von
Dampfkesseln“. Aus ihr gehen die
heutigen Technischen Überwachungsvereine (TÜV) hervor.
1867
Die Rheinbrücke wird für den
Eisenbahnverkehr geöffnet.
Von unserem Redaktionsmitglied
Georg Spindler
M
usik kann doch die Gesellschaft
verändern: So ist Mannheim
durch Gitarren-Riffs und SoulHymnen eine andere Stadt geworden. Seit
im Jahr 2004 der Musikpark, das kommunale Existenzgründerzentrum im Jungbusch und der benachbarte Neubau der
Popakademie eröffnet wurden, ist die Kapitale der Metropolregion nicht mehr wieder zu erkennen – vor allem in der Ausstrahlung nach außen hin.
Die Popkultur hat der Stadt einen unbezahlbaren Image-Gewinn beschert. Die
Zeiten, in denen es im „Badener Lied“ noch
hieß: „In Mannheim steht die Fabrik“ sind
vorbei. Heute spielt in Mannheim die Musik. Die in den 80er Jahren von veralteten
Industriestrukturen geprägte Stadt erstrahlt jetzt als junge, bunte, zukunftsträchtige, multikulturelle Metropole – dieser Paradigmenwechsel in der äußeren
Wahrnehmung ist wohl einer der größten
wirtschaftlichen Impulse, der Mannheim in
den letzten Jahrzehnten verändert hat.
Als eigenständiger Wirtschaftsfaktor
spielt Popmusik aber bisweilen eher die
zweite Geige. Seit 2004 ist in Mannheim
kein neuer Branchenriese herangewachsen
– kein Plattenlabel, Promotionbüro oder
Musikverlag –, der im Konzert der großen
regionalen Unternehmen eine tragende
Stimme erheben könnte. Die auf dem Popsektor tonangebenden Firmen wie die
Glückserlebnisse auf
kleinerer Ebene
Agentur BB-Promotion oder Radio Regenbogen gab es schon, bevor Stadtspitze und
Landesregierung ihr Herz für Rock und
Soul entdeckten. Davon unbeeinflusst ist
auch die Erfolgsgeschichte der SAP Arena,
die als Veranstaltungsort spektakulärer
Großkonzerte (hauptsächlich aber als
Sportstätte) florierende Umsätze erzielt.
Glückserlebnisse in Sachen Popmusik
und Wirtschaft stellten sich auf kleinerer
Ebene ein: Über 40 junge Firmen residieren
zurzeit im Musikpark und haben – nach
Angaben von Musikparkchef Christian
Sommer – rund 130 neue Arbeitsplätze geschaffen, weitere etwa 70 Arbeitsplätze
sind – so schätzt Sommer – außerhalb des
Existenzgründerzentrums entstanden. Das
ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.
Es gibt weitere hoffnungsvolle Ansätze.
So verweist Sommer auf die neue Veranstaltungsagentur C&E GmbH, die vom Musikpark aus etwa die Tournee von Peter
Maffay betreut, oder die sich etablierende
Veranstaltungstechnik-Firma Around. Andere Firmen, die noch vor zwei Jahren als
junge Vorzeigeunternehmen galten, haben
sich dagegen wieder aufgelöst, das Eis ist
dünn in der Popmusik-Branche, die vom
größten Strukturwandel ihres Bestehens
erschüttert wird. Sommer sieht darin aber
Chancen: Digitalisierung, Internet und dezentrale Wirtschaftsstrukturen böten gerade kleinen Betrieben große Überlebenschancen – egal ob sie in Berlin ansässig
sind oder in Mannheim. Dass der Musikpark in Kürze expandieren und zusätzliche
Räumlichkeiten belegen wird, ist ein untrügliches Zeichen für das Zukunftspotenzial der Pop-Branche.
Wolfgang A. trifft auf Aloysia
Vier Mal besuchte Mozart die Kurpfalz, teils gezielt, teils auf der Durchreise
Von Bärbel Pelker
1868
Die revidierte Rheinschifffahrtsakte wird in Mannheim unterzeichnet.
Die „Mannheimer Akte“ bildet bis
heute die Rechtsgrundlage der freien Rheinschifffahrt.
1872
Der Ingenieur Carl Reuther und der
Schlossermeister Karl Bopp gründen ein gemeinsames Unternehmen
in der Neckarstadt, das sich auf die
Herstellung von Messinstrumenten
und Zählern spezialisiert und 1894
auf den Waldhof übersiedelt (heute
Bopp & Reuther AG).
50
Wolfgang
Amadeus Mozart. Bild: dpa
„Wie ich Mannheim liebe, so liebt auch
Mannheim mich“ – diese Liebeserklärung des jungen W. A. Mozart, die er im
November 1778 in Mannheim niederschrieb, ist eine Hommage an eine
Stadt und Region, in der er glückliche
Monate verbracht hatte.
Mozart besuchte die Kurpfalz im
Laufe seines kurzen Lebens insgesamt
vier Mal: im Sommer 1763 auf der großen Wunderkindreise zusammen mit
seinen Eltern und seiner Schwester
„Nannerl“, im Winter 1777/78 in Begleitung seiner Mutter, im Spätjahr 1778 auf
der Rückreise von Paris nach Salzburg, als
sich die Hofgesellschaft und damit auch ein
Großteil der Hofmusiker auf Grund der
bayerischen Erbfolgeregelung in den Umzugsvorbereitungen nach München befanden; schließlich ein letztes Mal, am Ende
seines Lebens, Ende Oktober 1790 auf der
Rückreise von der Kaiserkrönung Leopolds
II. in Frankfurt am Main nach Wien, wo er
noch am Ankunftstag in Mannheim die
Probe, und einen Tag später die Erstaufführung seiner Oper „Die Hochzeit des Figaro“ in deutscher Sprache im Nationaltheater miterlebte.
Von den vier Besuchen ist der Winteraufenthalt 1777/78 der wichtigste gewesen.
Wäre es nach dem Willen des Vaters gegangen, so hätte er sich ernsthaft um eine Anstellung bei Hofe oder zumindest um einen
Opernauftrag bemühen müssen, doch zum
ersten Mal der väterlichen Obhut und –
wichtiger – der väterlichen Lebensplanung
entronnen, genoss er trotz der im Ton immer schärfer werdenden väterlichen Ermahnungen ein fast sorgloses, gesellschaftliches Leben im Kreis der Hofmusiker, von
dem er in Salzburg nur hatte träumen können. In jenen Monaten schloss er Freund-
Jahre im Dienst der Schönheit
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schaften mit den Familien Cannabich,
Wendling und Weber und verliebte sich unsterblich in die sechzehnjährige Tochter
Aloysia Weber. Hier vor allem, in dem professionell-gesellschaftlichen, aber eben
nicht höfischen Rahmen, wurden seine
Kompositionen aufgeführt, die er für Kollegen, Kollegenkinder und Schüler schrieb.
In Mannheim machte Mozart die Erfahrung, dass die Hofmusiker keine Lakaien,
sondern geachtete Bürger der Stadt waren
und hier, in dieser einzigartigen Kompositions- und Orchesterwerkstatt-Atmosphäre, wurde sich der berühmte Klaviervirtuose – und dies ist entscheidend – seiner wahren Berufung als Komponist bewusst.
❋
Die Autorin ist Mitarbeiterin der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und
Herausgeberin von „Theater um Mozart“
(C. Winter Universitätsverlag, Heidelberg).
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
STADTJUBILÄUM 2007
Glücksfälle bringen höfischen Glanz
Im Schloss sind eine moderne Universitätsbibliothek und ein Museum mit kostbaren Exponaten entstanden
Von unserem Redaktionsmitglied
Peter W. Ragge
Nachts brennt das Licht im neu errichteten
Dachgeschoss bis zur Geisterstunde – ein
sehr ungewöhnlicher Anblick. Und auch
tagsüber sieht der Bau, wenn man von der
Breiten Straße aus auf ihn zuläuft, irgendwie verändert aus. Tatsächlich: Das Mannheimer Schloss ist größer geworden, auch
in den Mittelbau ist studentisches Leben
eingezogen, und ab Ende März dürfen die
Mannheimer wieder in die Prunkräume.
Über drei Jahre war der Mittelbau der barocken Residenz wegen der Bauarbeiten
geschlossen, rechtzeitig zum Stadtjubiläum wird er fertig, kehrt die alte Pracht zurück – freilich nur durch einen Zufall, besser: zwei Glücksfälle.
Pläne, den Barockbau aufzustocken und
ihm seine historische Gestalt zurückzugeben, existierten zwar schon seit 1994. Und
sie nahmen immer mehr Gestalt an, nach-
Ein Anruf liefert eine Spende von
zehn Millionen Euro
dem die Landesregierung 1995 vom Markgraf von Baden historische Kunstschätze
für 15 Millionen Mark erwarb und diese
nun angemessen präsentieren wollte – im
Schloss. Zugleich meldete die Universität
immer dringenderen Platzbedarf an, insbesondere um mehrere verstreut untergebrachte Bibliotheken zusammenzufassen.
Anfang 2003, als die Steuereinnahmen
einzubrechen drohten, verkündete man in
Stuttgart aber den Verzicht auf dieses Projekt. Es dauerte aber nur ein paar Tage, da
erhielt Finanzminister Gerhard Stratthaus
plötzlich einen Anruf. „Das war schon ungeheuer“, erinnerte er sich später. Am Telefon meldete sich Hasso Plattner, SAPMitgründer und inzwischen Mäzen insbesondere im Bereich der Wissenschaft. Er
hatte im „Mannheimer Morgen“ vom drohenden Scheitern der neuen Universitätsbibliothek gelesen und wollte etwas tun.
Zehn Millionen Euro sagte er spontan zu –
die bis dahin mit Abstand größte Spende,
die eine Hochschule je erhalten hat.
Stratthaus war glücklich – und zugleich
im Zugzwang. Denn wenn sich schon Bau-
Wieder aufgestockt:
das Schloss erhielt sein Mansarddach
zurück, in zwei Geschossen wird ein
Museum eingerichtet. Bilder: Proßwitz
arbeiter an das barocke Gemäuer machen,
dann gleich richtig. Manche Überraschungen, zwischendurch gar eine drohende Einsturzgefahr, machten das Vorhaben zu einer „architektonischen Herausforderung“,
so Dieter Blocher vom Stuttgarter Architekturbüro Blocher Blocher. 50 Firmen arbeiteten drei Jahre an dem statisch anspruchsvollen Projekt. Schließlich musste
der Mittelturm komplett entkernt, dort und
unter den neuen Mansarddächern auf drei
Ebenen Platz für 4750 Quadratmeter Nutzfläche, bis zu 300 000 Bücher sowie 400 Arbeitsplätze geschaffen werden.
Während hier nun täglich, auch am Wochenende, bis Mitternacht Studenten über
Hausarbeiten brüten, kehrt in das Erdgeschoss und erste Obergeschoss der höfische
Glanz zurück. Nach dem Krieg waren in
der nahezu komplett ausgebombten Residenz ja nur der Rittersaal und zwei weitere
Säle wieder hergestellt, der Rest als Büros
genutzt worden. Nun kann man in der Beletage die historische Raumfolge, die Enfilade, wieder erleben – mit je drei Räumen
auf beiden Seiten des Rittersaales.
Während die Bibliothek bereits seit September in Betrieb ist, dürfen sich die
Mannheimer auf Ende März freuen. Dann
eröffnet
der
Ministerpräsident
das
Schlossmuseum. 800 Exponate, darunter
21 lange verschollen geglaubte kostbare
Tapisserien, edle Möbel, Porzellan, Exponate aus dem Münz- und Naturalienkabinett erinnern auf 2900 Quadratmetern an
die glanzvolle Zeit, als hier ab 1760 die
Kurfürsten von der Pfalz regierten, oder an
das 19. Jahrhundert, als hier NapoleonTochter Stephanie von Baden residierte.
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Schloss wird wachgeküsst
Eröffnungswochenende und „Blaue Stunde“
Drei Jahre war es geschlossen, doch jetzt
dürfen sich die Mannheimer darauf freuen, wieder prachtvolle Feste im Schloss zu
erleben – beginnend mit einem großen Eröffnungswochenende.
● Samstag, 31. März, und Sonntag,
1. April, ist jeweils von 10 bis 17 Uhr das
große Eröffnungswochenende mit Musik,
Tanz, historischen Inszenierungen, Sonderführungen und Eintritt zum Sondertarif.
● Am Dienstag, 8. Mai, 19 Uhr, beginnt
die Vortragsreihe „Schloss Mannheim im
Kontext deutscher Residenzschlösser“.
Schon die erste Vortragsreihe zum Umbau
und zur Konzeption des Museums war auf
großes Interesse gestoßen.
● Samstag, 19. Mai, 20 Uhr, heißt es
„Vom Zauber des verlorenen Gartens“,
ein Liederabend mit dem Tenor Holger
Schumacher.
● Am Samstag, 16. Juni, 19 bis 1 Uhr ist
eine „Blaue Stunde im Schloss“, in der
man sich in der zu Zeiten der Dämmerung
und nachts festlich beleuchteten Residenz
auf den Spuren des 19. Jahrhunderts bewegen, einen literarischen Salon, die
Mode dieser Epoche und anmutige Tänze
erleben kann.
● Am Samstag, 15. September, steigt von
14 bis 23 Uhr unter dem Motto „Einladung bei Hofe – Fürstlich Feiern! Feiern
Sie mit!“ ein großes barockes Fest im
Schloss mit historischen Inszenierungen
in der Beletage, galanten Tänzen, stimmungsvoller Hofmusik und festliche Illumination.
● Am Samstag, 27. Oktober, 18 Uhr,
kann man bei der Herbst-Gala im Rittersaal tafeln und tanzen – so wie einst der
Kurfürst.
● Am Samstag, 3. November, 14.30 Uhr,
werden „Kulinarische Cafégeheimnisse“
gelüftet.
● Ab April gibt es an Sonn- und Feiertagen, jeweils um 14.30 Uhr, Sonderführungen zu verschiedenen Themen.
● Zum Programm der Staatlichen
Schlösser und Gärten kommen dann noch
das Schlossfest der Universität am 6. Juli
sowie die Schlossfestspiele vom 13. bis 22.
Juli, darunter eine Opernnacht mit Marcelo Alvarez, ein Konzert des Haifa Symphony Orchestra, ein „Jedermann“ und
das Kultmusical „Falco meets Amadeus“.
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Sportmöglichkeiten in wunderschöner Umgebung. Eine Stadt mit vielen Talenten, in der man viel bewegen kann. Wir werden das Stadtjubiläum zur Feier von 400 Jahren
Mannheim mit seinem großen Kulturprogramm nutzen, um die Qualitäten der Stadt auch über die Metropolregion hinaus zu präsentieren.
Wir gratulieren Mannheim herzlich zum 400-jährigen Stadtjubiläum.
❋
Dr. Jürgen Schwiezer,
Vorsitzender der Geschäftsführung
der Roche Diagnostics GmbH
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Jürgen Schwiezer
Bild: zg
15
16
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
1873
Friedrich Julius Bensinger gründet
die Rheinische HartgummiwarenFabrik in Neckarau, die sich seit
1885 Rheinische Gummi- und
Celluloid-Fabrik nennt.
Die spätere Schildkröt AG geht
schließlich in der Braas Flachdachsysteme GmbH & Co. Kunststoffwerk Mannheim auf.
1875
Der Mühlauhafen wird eröffnet.
Wie sich die Wirtschaft
entwickelt, beschäftigt
die Mannheimer Wissenschaft.
Doch auch Medizintechnik
ist hier zu Hause –
die Augen-OP Lasik etwa
kommt aus Mannheim.
Bilder: dpa (2), Proßwitz
1876
Der neue Hauptbahnhof an der
Südostecke der Stadt wird in
Betrieb genommen.
1879
Die Mannheimer Versicherungsgesellschaft (heute Mannheimer Versicherungen AG) wird gegründet.
1881
Der Fernsprechverkehr wird mit
zunächst 47 Teilnehmern eröffnet.
1882
Hinter der Sternwarte wird als
private Vergnügungsanlage
der Friedrichspark eröffnet.
1883
Carl Benz gründet die Firma Benz &
Co. Rheinische Gasmotorenfabrik,
aus der später die Motorenwerke
Mannheim AG (heute Deutz AG
Werk Mannheim) und die DaimlerChrysler AG Werk MannheimWaldhof hervorgehen.
1884
Am Altrhein bei Sandhofen entsteht die Zellstofffabrik Waldhof,
die später in der SCA Hygiene
Papier GmbH aufgeht. Nachdem
die Sozialdemokraten bereits seit
1878 dem Bürgerausschuss angehören, ziehen sie erstmals mit
zwei Vertretern in den Stadtrat ein.
1886
Carl Benz lässt sein „Fahrzeug mit
Gasmotorenbetrieb“ patentieren
und macht am 3. Juli eine erste
Probefahrt: die Geburtsstunde
des Automobils.
1888
Am 1. August wird der erste
Führerschein der Welt für
Carl Benz ausgestellt.
KFZ-Wartung + Reparaturen
Von A wie Academia bis Z wie ZEW
Das „MIT“ des Barock zog die Fachwelt in die Quadrate / Mannheim hat ein hervorragendes Umfeld zu bieten
Palatina, ist so etwas wie ein „Mannheim
Institut of Technology“, ein naturwissenschaftlich-historisches Forschungsinstitut
allerersten Ranges.
on A wie Academia Theodoro PalaAuch heute kann Mannheim den Titel
tina bis Z wie Zentrum für Euro- Wissenschaftsstadt mit Fug und Recht für
päische
Wirtschaftsforschung sich beanspruchen: Die durchaus dauer(ZEW) spannt Mannheim als Stadt der hafte Etablierung der Mannheimer Uni unWissenschaften einen weiten historischen ter den besten deutschen Universität in den
Bogen, der von der zweiten Hälfte des 18. einschlägigen Rankings für die WirtJahrhunderts bis in die Gegenwart reicht. schafts- und Sozialwissenschaften spreWer damals in der Quadratestadt vorbei- chen für sich. Doch nicht nur die im
schaute, konnte das meteorologische Kabi- Schloss des Karl Theodor beheimatete
nett und die mineralogischen und geologi- Mannheimer Universität, auch die Ruperto
schen Sammlungen im Schloss bewundern, Carola in Heidelberg trägt mit der zweiten
den Botanischen Garten besichtigen und Medizinischen Fakultät und verschiedenen
sich die Forschungen Johann Jakob Hem- dazugehörigen Instituten ihren Teil zur
mers (1733-1790) zur Elektrizität, damals Rolle Mannheims als Wissenschaftsstadt
Zukunftstechnologie Nummer eins, erläu- bei. Mannheim spielt dabei vor allem auf
tern lassen.
dem Gebiet der Medizintechnik
eine
Mannheim ist in
wegweisende Rolle,
der Ära des KurDie Kurpfalz war das
die beiden Unis sofürsten Karl Theowie die Hochschule
dor
(1724-1799)
Vaterland der Wissenschaften
Mannheim koopeganz ohne Zweifel
rieren im vergangeeine
Stadt
der
nen Jahrzehnt mit
Künste und der
Wissenschaften, wahrscheinlich eines der beachtlichen Ergebnissen. Heidelberg
wichtigsten wissenschaftlichen Zentren in bringt dabei das medizinische, Mannheim
ganz Deutschland. Voltaire (1694-1778) das betriebswirtschaftliche, juristische soweilt bei Hofe, Cosimo Collini (1727-1806) wie das Informatik- und Ingenieursentdeckt das Fossil eines prähistorischen Know-How ein. Hochspezielle SimulatiFlugsauriers – was allerdings erst nach sei- ons- und Dokumentationsgeräte für die
nem Tod richtig gedeutet wurde. Friedrich Chirurgie sind nur ein Beispiel für die so
Casimir Medicus (1736-1808) legt einen der erzielten Synergie-Effekte.
Die Ausbildung geeigneter Bürgersöhne
bedeutendsten Botanischen Gärten jener
Zeit an, der Geograf und Historiker Johann für den Schul- und Kirchendienst, so heißt
Goswin Widder (1734-1800) verfasst seine es in den europaweit als Flugschrift vervierbändige Pfälzische Landeskunde, ein breiteten Stadtprivilegien vom 21. Januar
für die modernen Geowissenschaften me- 1607, werde „in Aussicht gestellt.“ Nach
thodisch wegweisendes Werk, auch die einem Jahrhundert der Belagerungen, ZerVermessungskunde und die Kartographie störungen und der Pest entstand endlich
werden in Mannheim gepflegt. Die von ein Jesuitenkolleg in Mannheim (1729),
Karl Theodor begründete Akademie der wohl die erste höhere Bildungsstätte in der
Wissenschaften, die Academia Theodoro immer noch neuen Stadt. Karl Theodor
Von unserem Redaktionsmitglied
Thorsten Langscheid
V
schließlich war es, der eine Bibliothek auf- landschaft aufgebaut, deren Entwicklung
baute, der Wissenschaftler und Künstler in etwa in den 1970er/80er Jahren im uniseine damals nagelneue, hochmoderne Re- versitären Sektor abgeschlossen war. Der
sidenz holte. „Wie schön wär’ es, könnt’ ich Ausbau der ehemaligen Ingenieursschule
von meinen letzten Tagen einige bei einem unter dem dynamischen Rektor Dietmar
Fürsten wie Karl Theodor verbringen“, von Hoyningen-Huene zur Hochschule
schrieb Voltaire über seine Mannheim- Mannheim fand im vergangenen Jahr mit
Aufenthalte.
der Angliederung der Fakultät für SozialWar es der Krieg, der im 17. Jahrhundert wesen einen vorläufigen Schlusspunkt.
die Entwicklung eines hochstehenden WisIm Zuge der Hochschulreformen versenschaftsbetriebs verhinderte, so war es liert die Stadt seit etwa einem Jahrzehnt
der Krieg, der genau dies im 18. Jahrhun- auch traditionsreiche Einrichtungen wie
dert mit begünstigte. In den 1740er und zum Beispiel das Geografische Institut
50er Jahren entstanden in Mannheim eine der Universität oder die Fachbereiche
Zeichenakademie, eine militärische Inge- Theologie, Archäologie und Slawistik.
nieursschule (ab 1754) sowie ein Lazarett Auch die mit großen Anstrengungen und
mit Chirurgenschule und anatomischem beachtlichen Anfangserfolgen an der UniTheater, eine Kaufmannsschule folgte versität etwa seit 1990 aufgebaute Tech1778. Die Pfalz wurde zum „Vaterland der nische Informatik wandert ausgerechnet
Wissenschaften“,
im Jubiläumsjahr
wie
Anton
von
2007 nach HeidelKlein (1748-1810),
berg ab.
Seit einem Jahrzehnt verliert
Karl Theodors HofDie
Quadratedichter,
notierte.
stadt hat heute also
die
Stadt
Einrichtungen
Doch der Boom
wieder ein exzeldauerte nur wenige
lentes
wissenJahrzehnte.
Der
schaftliches UmKrieg war es dann auch, der all dies zu feld zu bieten, wenn auch nicht mehr in
Bruch gehen ließ. Nach den Wirren der den alten Mannheimer Disziplinen, den
Französischen Revolution und der Napo- Naturwissenschaften und der Geschichte.
leonischen Feldzüge schloss sogar die Die astronomischen Instrumente, die der
Kaufmannsschule ihre Pforten. Neue An- Doppelstern-Forscher und Wegbereiter
sätze gab es nach einem weiteren Jahrhun- der modernen Astronomie, Christian
dert in Mannheim erst wieder 1898 mit der Mayer (1719-1783) und seine Nachfolger
Ingenieur-Schule Paul Wittsacks und dem damals auf der Sternwarte benutzten,
Aufbau der städtischen Handelshochschu- sind längst im Landesmuseum für Techle, der Vorgänger-Institution der Universi- nik und Arbeit (LTA) gelandet, wo man
tät, ab 1907.
sie noch genau so besichtigen kann wie zu
Die Nationalsozialisten gliederten die Karl Theodors Zeiten. Forschung und
Mannheimer Handelshochschule schließ- Lehre in Mannheim konzentrieren sich
lich an die Universität Heidelberg an und indessen auf die quantitativ-empirische
wollten Mannheim zum Standort eines Wirtschafts- und Sozialforschung, das
Staatstechnikums machen. Nach 1945 ZEW dürfte – neben dem Institut für
wurde dies nicht weiter verfolgt, es wurde deutsche Sprache – heute die bedeutendeine neue Bildungs- und Wissenschafts- ste Forschungseinrichtung der Stadt sein.
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recht herzlich zum 400. Geburtstag.
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Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
17
STADTJUBILÄUM 2007
Jubiläum mit nachhaltigem Effekt
In 100 Jahren von der städtischen Handelsschule zur wirtschafts- und sozialwissenschaftlich profilierten Universität
Von unserem Redaktionsmitglied
Thorsten Langscheid
N
eun Jahre nach Gründung der Ingenieursschule 1898 wurde in Mannheim 1907 auch wieder eine Handelsschule eröffnet – die Keimzelle der späteren Universität, die im Jahr des Stadtjubiläums ihren 100. Geburtstag feiert. Nach
Schließung im Dritten Reich und Wiedereröffnung als Wirtschaftshochschule in der
Nachkriegszeit wurde sie 1967 in den Rang
einer Universität erhoben.
„Wirtschaftsethik und Wirtschaftswirklichkeit – Herausforderungen im Informationszeitalter“ lautet das Motto des Hochschul-Jubiläums, dessen Veranstaltungsprogramm im Sommersemester 2007 mit
einer dreiteiligen Konzertreihe des Ensembles „Schloss Camarata“ am Samstag,
3. Februar, beginnt. Das Motto bildet das
„Dach“ der Jubiläumsveranstaltungen:
„Alle Disziplinen unserer Universität steuern zu diesem Thema wichtige Aspekte
bei“, erklärt Prorektor Kai Brodersen.
zum Thema Glaubwürdigkeit und Vertrauen.
Am Abend wird dann gefeiert: Ab 19 Uhr
lädt die Universität alle Bürger, StudierenZum zentralen akademische Festakt am de, Absolventen, Freunde, Partner und
Freitag, 6. Juli, werden geladene Gäste aus Mitarbeiter der Universität Mannheim
aller Welt im Schloss erwartet, als Festred- herzlich ein, im festlichen Ambiente gener sprechen SAPmeinsam das JubiMitbegründer und
läum zu feiern und
Uni-Sponsor Hasso
sich auszutauschen.
Geburtstagsüberraschung
Plattner sowie der
Das Kulturfest biefrühere
badenim Ehrenhof
tet auf verschiedewürttembergische
nen Bühnen auf
Ministerpräsident
dem Campus eine
Lothar Späth. Als wissenschaftlichen Bei- bunte Mischung aus Musik, Tanz und Untrag zu ihrem Jubiläum veranstaltet die terhaltung. In Verbindung mit dem
Universität am selben Tage ein Symposium 400. Stadtjubiläum ist eine Geburtstagszum Thema „Glaubwürdigkeit in Wirt- überraschung im Ehrenhof geplant.
schaft und Politik“. In zwei Foren, jeweils
Mit wissenschaftlichen Vorträgen, Mumit den Schwerpunkten Wirtschaft und sik-, Sport- und Theaterveranstaltungen
Politik, diskutieren Mannheimer Wissen- widmet sich die Schlosshochschule im geschaftler mit Persönlichkeiten des öffentli- samten Jahreslauf ihrem Geburtstag – imchen Lebens über Forschungsergebnisse mer auch mit Blick auf die 400-Jahr-Feier
der Stadt Mannheim. Geplant, so UniSprecher Achim Fischer, sind beispielsweise eine Ausstellung des Fotografen Horst
Hamann (17. März) als Beitrag zur Langen
Nacht der Museen, eine Vortragsreihe über
die Geschichte des Schlosses und der Universität und eine Neuinszenierung von Urs
Widmers Top-Dogs in der Compagnia Palatina, der Studiobühne der Universität
(Dienstag, 8. Mai) sowie der von den Studierenden organisierte „dies academicus“
am Mittwoch, 18. April.
Die Universität möchte sich anlässlich
des Jubiläums „in ihrer gesamten Vielfalt
und Exzellenz“ präsentieren, heißt es auf
der Internetseite zum Universitätsjubiläum. Ganzheitliche Lösungsansätze für die
Probleme der modernen Gesellschaft zu
entwickeln, so laute die selbst gesetzte
Aufgabe der Universität.
i
Udo Dahmen
Bild: Tröster
. . . ist für mich die Popstadt.
Mit einer hohen Dichte an herausragenden
Künstlern,
Bands, Studios, Konzerten,
Agenturen und Veranstaltungsplätzen. Mit der Popakademie,
dem Musikpark und der Musikhochschule: Ein idealer Nährboden für zahlreiche künstlerische Neuentwicklungen, wie
wir sie in den letzten Jahren
verfolgen durften. Darüber hinaus mit einem großen, vielseitigen Angebot an Kultur in allen Bereichen in einem Klima
von Urbanität und Weltoffenheit . . . und mit einer herausragenden Verkehrsanbindung. In
Mannheim hat die Popkultur
einen herausgehobenen Stellenwert.
Mehr zum Uni-Jubiläum in Internet:
www.uni-mannheim.de
❋
Professor Udo Dahmen,
Geschäftsführer
der Popakademie
Baden-Württemberg
Studenten vor
der 100 Jahre alten
Mannheimer Schlossuniversität.
Bild: Rittelmann
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400 Jahre Stadt Mannheim
DIE GESUNDHEITSPIONIERE GRATULIEREN
DER STADT DER PIONIERE
Mannheim feiert 400-jähriges Jubiläum – und damit
auch 400 Jahre Pionierarbeit in den Bereichen
Wirtschaft und Wissenschaft, Kultur und Bildung.
Wir sind stolz darauf, diese Tradition als Gesundheitspioniere seit über 100 Jahren fortzusetzen und
gratulieren Mannheim zum runden Geburtstag.
Auch für die Zukunft wünschen wir unserem
Standort viel Pionier- und Unternehmergeist –
und vor allem Gesundheit!
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18
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
1889
Der von Gustav Halmhuber entworfene Wasserturm ist mit der
Aufstellung der bekrönenden Figur
der Amphitrite vollendet. Die zentrale Wasserversorgung, in deren
System der Wasserturm als Druckausgleichsreservoir fungiert, wird
bereits 1888 in Betrieb genommen.
1890
Das Bekleidungshaus Engelhorn &
Sturm wird eröffnet. Als erster Sozialdemokrat in Baden wird August
Dreesbach in den Reichstag gewählt. Ein Jahr später erringt die
SPD in Mannheim zwei Landtagsmandate.
1894
Der Luisenpark zwischen Neckar
und Oststadt, benannt nach der
Großherzogin, wird zur öffentlichen Benutzung freigegeben.
1897
Mit der Eingemeindung Käfertals
wird das Industriegebiet Waldhof
der Stadt eingegliedert. Mannheim
zählt nun über 100 000 Einwohner
und ist damit Großstadt.
1898
Eine private Ingenieurschule wird
eröffnet. 1939 von der Stadt übernommen, geht die Ingenieurschule
1962 in staatliche Regie über (seit
1995 Fachhochschule Mannheim,
Hochschule für Technik und Gestaltung).
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
Im Netz der schnellen Züge
Mannheims Hauptbahnhof, ein geschätzter Eisenbahnknoten
Von unserem Redaktionsmitglied
Martin Tangl
Familie van de Pavert aus Holland sitzt ein
wenig nervös im Zug aus Basel. Sie kommen mit dem ICE und viel Gepäck aus dem
Skiurlaub in Grindelwald in der Schweiz
und müssen in Mannheim in Richtung Norden umsteigen. Doch dann klappt alles wie
am Schnürchen. Kaum sind die fünf Niederländer ausgestiegen, donnert auch
gleich auf dem gegenüber liegenden Gleis
ihr Anschluss-ICE nach Duisburg in den
Bahnsteig. „Sehr praktisch“, lobt ein erleichterter Papa van de Pavert.
Von Mannheim wird den Durchreisenden nicht viel in Erinnerung bleiben – außer den Vorzügen eines der wichtigsten
Bahnhöfe mitten in Europa. Und wenn einmal die geplante Hochgeschwindigkeitsstrecke Köln-Frankfurt-Mannheim-Stutt-
Täglich fahren 528 Züge
durch den Hauptbahnhof
gart-München – hoffentlich nicht mit
Bahn-Chefs Mehdorns Bypass-Umfahrung
an der Quadratestadt vorbei – komplett
ausgebaut ist, wird’s noch besser. Ab
10. Juni 2007 kann auch mit der Bahn von
Paris-Est mit dem ICE in gut drei Stunden
nach Mannheim gereist werden, damit
rückt die Metropolregion im Schienenverkehr ebenfalls näher an die Zentren
Europas. Mit täglich 528 Zügen, davon 183
im Fernverkehr, sowie rund 76 000 Reisenden und Besuchern ist der Hauptbahnhof
Mannheim nach Stuttgart der größte Bahnverkehrsknoten Südwestdeutschlands.
Es sind dabei aber nicht nur Fernreisende wie die van de Paverts, die beim Umsteigen den Mannheimer Hauptbahnhof schätzen lernen. Tausende von Pendlern nutzen
hier jeden Tag die 164 S-Bahn-Züge, durch
die seit Dezember 2003 die Metropolregion
näher zusammengewachsen ist und durch
die sich für die Bürger im ÖPNV eine pulsierende Lebensader entwickelt hat. „Nur
heim nach Lampertheim könnt’s auch bald
mit einer modernen S-Bahn gehen“, mosert
ein Südhesse über „seinen“ alten Doppelstockwagen in Richtung Frankfurt, der zu
den immer noch 201 Nahverkehrszügen ge-
Der ICE fährt in einen der wichtigsten Bahnhöfe Deutschlands ein.
Bild: tan
hört, die täglich die fünf Bahnsteige passieren. Kevin Karger (24) aus Kaiserslautern
hat’s da komfortabler. Kaum ist sein moderner Triebwagen in Mannheim eingelaufen, geht’s mit dem InterCityExpress auch
schon weiter nach Berlin-Ostbahnhof.
Herzlich verabschiedet sich an diesem
Zug die Berlinerin Birgit Jaeger von der
Familie Fabian aus Viernheim. Sie war auf
Besuch und fährt jetzt wieder nach Hause:
„Viel praktischer als mit dem Auto.“ Die
Kurpfälzer Verwandtschaft schätzt die
Übersichtlichkeit des Mannheimer Haupt-
bahnhofs. „Und wir können sogar mit der
OEG bis vor den Eingang fahren“, betont
Vater Fabian.
„Hier hat sich viel verändert“, blickt Patrick Campe (17) über den Willy-BrandtPlatz. Bahnhofsgebäude und Areal wurden
umfassend saniert und der markante Bau
als modernes Einkaufs- und Dienstleistungszentrum am Südrand der City am
7. November 2001 nach langer Umbauzeit
wieder eröffnet. Zehn Jahre hat Patrick in
Mannheim gelebt, bis er mit seinen Eltern
und Schwester Caroline (14) nach Düsseldorf umgezogen ist. Jetzt besuchen sie
Freunde in der Metropolregion Rhein-Neckar. „Meist fahren wir mit dem Zug, direkt durch, ohne Umsteigen, in rund zwei
Stunden“, sagt der junge Mann. „Der
Bahnhof gefällt mit nach seiner Renovierung viel besser“, meint auch Jaqueline Tavernier (24), die ihre Freundin Franziska
Baur (19) zum Zug bringt. „Ich fahre nach
Paderborn. Einmal umsteigen, in dreieinhalb Stunden bin ich da. Das klappt gut.
Da komm ich öfters“, verspricht Franziska.
Motor mit dem
Strumpfband repariert
Erlebnis Mannheim City
Bertha Benz unternahm die allererste Reise im Auto
Von unserem Redaktionsmitglied
Martin Tangl
Hier
man nach dem
Shoppen zum
Filmfestival
gehen!
wird man hier
von der S-Bahn
nach Hause
gegondelt!
City pur
Wenn ich
hier auf der
seh ich immer
was Tolles!
Das größte und attraktivste ShoppingCenter der Region mit mehr als 650 Fachgeschäften und rund 10.000 Parkplätzen.
Happy Birthday Mannheim!
MANNHEIM
Das Centrum
Werbegemeinschaft Mannheim City
„Wir sind zur Oma nach Pforzheim gefahren.“ Diese Nachricht hinterließ Bertha
Benz am frühen Morgen des 5. August 1888
ihrem schlafenden Mann Carl auf einem
Zettel – packte ihre beiden Söhne Richard
(14) und Eugen (15) in den Patent-Motorwagen ihres Gatten und ratterte los.
Der 106 Kilometer lange Ausflug von
Mannheim ins Schwäbische hat als erste
Überlandfahrt mit dem „teuflischen, pferdelosen Gefährt“ Automobil-Geschichte
geschrieben – auch wenn die Großmutter,
eine begeisterte Anhängerin der Erfindung
ihres Schwiegersohns, gar nicht daheim gewesen ist. Trotzdem erregte der Trip und der
spektakuläre Aufenthalt in Pforzheim bei
der Verwandtschaft gewaltiges Aufsehen
und zerstreute viele Bedenken bei potenziellen Kunden, so dass Bertha mit ihrem
motorisierten Husarenritt maßgeblichen
Anteil am späteren wirtschaftlichen Erfolg
der Firma ihres Mannes hatte.
Der erste Autofahrer der Welt war also
eine Autofahrerin aus den Quadraten, auch
wenn Bertha, nach drei Tagen in Pforzheim
zurück daheim, bekannte: „Am Ende waren
wir froh, dass wir wieder wohlbehalten in
Mannheim angekommen sind.“ Denn die
Ausfahrt mit dem legendären, dreirädrigen
Motorwagen ihres Mannes hatte so ihre Tücken. Den Bauern am Wegesrand graute
vor dem „Hexenwagen“, es flogen Steine
und es knallte so manche Peitsche. Denn
nicht nur etliche Hunde, Hühner und
Pferde wurden vom knatternden Ungetüm aufgeschreckt.
Und auch die Technik war nicht immer
einfach zu handhaben. Die Jungs füllten
häufig Wasser und Öl nach, um den Motor
am Laufen zu halten. Und Richard und die
Mama schoben des Öfteren am Berg, weil's
für Steigungen keinen geeigneten Gang im
Getriebe gab. In Wiesloch ging Mutter und
Söhnen auch noch der Treibstoff aus, so
dass die drei in der Stadt-Apotheke drei Liter des Reinigungsmittels Ligroin „tanken“
mussten. Bis weit ins 20. Jahrhundert konnten Autofahrer ihr Benzin nur in der Apotheke kaufen, deshalb gilt die in Wiesloch
bis heute als erste Tankstelle der Welt.
Weiter ging’s mit dem „lärmenden, zischenden und Gestank verbreitenden Gefährt“. Bertha beschreibt später „zwei
schlimme Pannen“ auf der Reise: „Das eine
Mal, kurz hinter Weingarten, war die Benzinleitung verstopft – da hat meine Hutnadel geholfen. Das andere Mal war die Zündung entzwei. Das habe ich mit meinem
Strumpfband repariert.“ Kurz vor Bruchsal
kracht die Kette. Der Dorfschmied hilft dem
Trio. Spät am Abend erreichen die drei ihr
Ziel, das Hotel zur Post und telegrafieren
dem besorgten Papa: „Erste Fernfahrt gelungen – sind gut in Pforzheim angekommen.“ Die ganze Stadt stand damals Kopf,
jeder wollte eine Probefahrt machen.
„So habe ich als Erste gezeigt, dass dem
Papa sein Automobil auch für weite Strecken gut ist“, ist die tapfere Testfahrerin
Bertha stolz auf ihren Coup. Auf ihren
Vorschlag hin habe ihr Carl dann
auch einen dritten Gang eingebaut,
für die Bergfahrten – „und den haben heute alle Autos auf der Welt“.
Der Einsatz der mutigen Frau an
der Steuerkurbel lohnte sich, die
Verkaufszahlen
für den Motorwagen
aus
Mannheim
stiegen nach
der
Überlandfahrt von
Bertha Benz
sprunghaft an.
Autohandelsgruppe
Größter Mehrmarkenanbieter der Metropolregion
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20
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
1900
Die schweizerische Brown, Boveri
& Cie. KG verlegt ihre deutsche
Niederlassung von Frankfurt nach
Mannheim. Nach der Fusion mit der
schwedischen ASEA (1987) gehört
BBC Mannheim zum ABB-Konzern.
Der „Gewerbeverein und Handwerkerverband“ gründet die Mannheimer Gewerbebank (heute Volksbank Rhein-Neckar eG).
1901
Die erste Linie
der elektrischen Straßenbahn geht
in Betrieb.
1903
Die Festhalle Rosengarten wird eingeweiht. Nach der Zerstörung im
2. Weltkrieg wird der Gebäudeteil
am Friedrichsplatz mit Musen- und
Stamitzsaal wieder aufgebaut.
1905
Die Handelshochschule nimmt ihren Lehrbetrieb im Wintersemester
mit ersten Kursen auf. Die feierliche Eröffnung findet erst 1907 statt.
Die aus ihr hervorgehende Wirtschaftshochschule wird 1967 zur
Universität erhoben.
1906
G B G – M a n n h e i m e r Wo h n u n g s b a u ge s e l l s ch a ft m b H
Das auf dem SPD-Reichsparteitag
im Rosengarten geschlossene
„Mannheimer Abkommen“ regelt
die Beziehungen zwischen Partei
und Gewerkschaften.
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
Der Hafen, die neue Heimat
Binnenschifffahrt gibt es in Mannheim seit über 800 Jahren / Manche Familie bleibt dem Hafen über Generationen treu
Von unserem Redaktionsmitglied
Heiko Brohm
E
s gibt einen Landgang, den wird
Wilhelm Müßig wohl nie vergessen –
es war sein schwerster. Als er seinen
Fuß im Jahr 1980 von seinem Schiff „MS
Eberbach“ in Mannheim aufs Trockene
setzte, beendete er damit eine über 300jährige Familientradition. Bis dahin hatte
sich Müßigs Leben weitgehend auf dem
Wasser abgespielt, wie das seiner Vorfahren. Doch weit weg vom
Wasser ist der heute 61Jährige nicht, er ist der
Schifffahrt treu geblieben
und ist mit Lieb und Seele
Erster Haupthafenmeister
im Mannheimer Hafen.
Den haben auch sein Vater, sein Großvater und
dessen Väter schon angesteuert.
Die
Familie
stammt aus Haßmersheim
am Neckar, der Mannheimer Hafen lag oft auf der
Route. Bis 1247 lässt sich
die Binnenschifffahrt in
Mannheim zurückverfolgen, doch der echte Ausbau begann mit der Verleihung der Stadtrechte –
Mannheim wurde Handelszentrum, der Hafen zu
seinem Herzen. Schifferfamilien wie die Müßigs
verbanden die Stadt mit
anderen großen Häfen am
Rhein, Köln und Rotterdam etwa. Das prägte die
Stadt, immer waren Fremde da und stellten den
Kontakt im die weite Welt
her. Im 19. Jahrhundert
boomte der Ausbau des Hafens, rund um
die Becken siedelten sich immer mehr Betriebe an, aus dem Handelshafen wurde ein
Industriehafen.
Das Containerterminal gehört mit zum Bereich von Hafenmeister
Wilhelm Müßig. Bilder: Tröster/Rinderspacher
Für die Schiffer machte das keinen Unterschied. Für sie veränderten sich nur die Routen.
Früher konnten sie meistens nur die Rheinstrecke
von
Mannheim
stromabwärts Richtung
Nordsee fahren, doch
Begradigungen, Schleusen und Kanäle
schufen ein ganzes Netz an Wasserstraßen
in Europa. Heute kann ein Rheinschiff
ohne Probleme von Mannheim aus ins
Schwarze Meer fahren. Doch so weit
musste Wilhelm Müßig gar nicht weg von
zuhause, um ins Schwärmen zu geraten.
Der Neckar ist eine seiner Lieblingsstrecken gewesen, besonders „durch das obere
Neckartal“. Nur bis nach Berlin ist Müßig
nie gefahren – „das war damals nicht möglich“. Etwas wehmütig wird der Hafenmeister noch, wenn er an die Stille morgens in aller Herrgottsfrühe auf der Mosel
denkt.
Stille ist an seiner jetzigen Arbeitsstätte
– den Mannheimer Häfen an Rhein und
Neckar – kaum zu finden. Und trotzdem
liebt Müßig den Hafen heute so, wie er früher die Flüsse mochte, tauschen wollte er
nicht mehr. Sein „Zuhause“ ist heute der
Hafen. Schiffe werden be- und entladen,
Wilhelm Müßig wacht mit seinen Kollegen
über alles, was im Hafen passiert. Anlegende Schiffe hat er genauso im Blick wie
Schrottautos, die irgendjemand im Hafen
abgestellt hat. Nur im Urlaub aber zieht es
ihn noch zurück aufs Wasser. Dann geht
der frühere Binnenschiffer segeln, aufs
Meer.
Wasserzone zwischen
Wirtschaft und Wohnen
Leben am Hafen: erst die Arbeit, dann das Vergnügen
Von unserem Redaktionsmitglied
Heiko Brohm
Häfen regen zum Träumen an, das war
schon immer so. Wer den schnellen Absprung in die weite Welt plante, den zog es
stets in die großen Seehäfen, und manch einer heuert auch heute noch spontan auf einem Binnenschiff an. „Städte an Flüssen
sind immer weltoffen, wie auch Mannheim“, sagt Hafendirektor Roland Hörner.
Doch seit einigen Jahren träumen nicht nur
herung der Hafen ein Wirtschaftsbetrieb
bleibe. Mit der „Strategie des sanften
Übergangs“, wie er sagt, ist Hörner zufrieden. „Popakademie und Musikpark an der
Grenze zum Hafen, das passt.“ Nur reine
Wohnbebauung am Wasser will Hörner
nicht, weil das zu Problemen führen könnte.
Die Staatliche Hafengesellschaft Mannheim HGM erwirtschaftet jährlich einen
Umsatz von rund 13 Millionen Euro, im
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Wasser im Licht: Was bei Tag oft grau wirkt, entfaltet bei Nacht
einen zauberhaften Glanz. Bild: Tröster
Weltenbummler vom Hafen, auch Stadtplaner kommen ins Schwärmen, wenn die
Rede aufs Wasser kommt. Wohnen am Hafen, das ist in, egal ob die Nordsee oder der
Rhein an die Kaimauer plätschert.
Auch in Mannheim kommen sich die
Wohnstadt und der Hafen näher, wenn
auch nur zaghaft. Der Jungbusch, das traditionelle Hafenviertel der Stadt, entdeckt
seine Liebe zum Wasser wieder, Studenten
der Popakademie und Firmengründer im
Musikpark blicken aus den Fenstern in Hafenbecken. Zwei mal schon zog „Pop im
Hafen“ tausende Musikfans an, auf einer
Bühne mitten im Wasser sangen Pop-Größen wie Laith Al Deen oder Silbermond.
Doch Hafendirektor Roland Hörner lässt
keinen Zweifel daran, dass bei aller Annä-
Jahr 2006 wurden hier knapp acht Millionen Tonnen Schiffsgüter umgeschlagen.
Der baden-württembergische Landesbetrieb beschäftigt 85 Mitarbeiter, die auf
seinen Flächen angesiedelten Unternehmen ein Vielfaches davon. Der Mannheimer Hafen besteht aus vier Anlagen: Handelshafen, Rheinauhafen, Altrheinhafen
und Industriehafen.
Ein ganz anderer Traum scheint zumindest vorerst vorbei: Die Fusion der Häfen
in Mannheim und Ludwigshafen, die im
Kielwasser der Metropolregion ins Gespräch kam. Beide Betriebe haben sich
statt dessen zu einer engeren Zusammenarbeit entschlossen, vom Verschmelzen zu einer Hafengesellschaft redet heute kaum jemand mehr.
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
21
STADTJUBILÄUM 2007
Fritz Huber
Karl Drais
Friedrich Engelhorn
Erfindungen gehen um den Globus
Mannheim erweist sich als Brutstätte der Ideen, die das Gesicht der Welt verändern / Aus kleinen Werkstätten werden Konzerne
Von unserem Redaktionsmitglied
Jan Cerny
D
as ist wieder eines diese Beispiele,
wie aus Abfall wertvoller Stoff
entstehen kann und aus einer kleinen Werkstatt ein weltumspannendes Unternehmen. Die Geschichte beginnt im
Mannheimer Stadtteil Jungbusch und in
London. Der junge Juwelier Friedrich Engelhorn sieht bei einem Besuch der britischen Metropole die ersten Gaslaternen
und war begeistert. 1848 errichtet der 27Jährige eine Leuchtgasfabrik und versorgt
Mannheim mit Licht. Bei der Gasgewinnung entsteht als „lästiger Abfallprodukt“ Steinkohlenteer. Und der funkelt in
leuchtenen Farben. Engelhorn erkennt,
dass den synthetischen Farben die Zukunft gehört, gründet im Jungbusch die
Badische Anilin- & Soda-Fabrik und vereint einen kompletten Betrieb unter einem
Dach: vom Rohstoff bis zum Endprodukt.
1865 zieht er aus Platzgründen auf die gegenüberliegende Rheinseite nach Ludwigshafen um. Sein Betrieb wächst, heute
ist er als BASF auf allen Kontinenten vertreten.
Die Liste der Erfindungen und Entwicklungen könnte beliebig fortgesetzt
werden. Mannheim ist vor 400 Jahren als
eine Residenzstadt gegründet worden.
Nachdem der kurfürstliche Hof Ende des
18. Jahrhunderts nach München umgezo- ren weltumspannenden Konzern, heute
gen war, übernahm eine neue Schicht die heißen sie ja „Global-Player“, gelegt.
Es war nicht das erste Mal, dass ein ErLenkung der Geschicke in der Stadt:
Handwerker, Kaufleute, Industrielle. Mit finder auf Rädern in Mannheim unterwegs
dem Ausbau des Hafens wurde der Grund- war. Am 12. Juni 1817 unternahm Karl
stein für einen bedeutenden Umschlag- Drais von Mannheim aus in Richtung
platz gelegt, an dem sich zahlreiche Fir- Schwetzinger Relaishaus im heutigen
men als Ausfluss der „industriellen Revo- Stadtteil Rheinau seine erste Probefahrt
lution“ ansiedelten, beziehungsweise ge- mit seinem Laufrad, dem Vorläufer des
Fahrrads, das ja
gründet
wurden.
heute auf der ganSie zogen Tüftler,
zen Welt die MobiIngenieure, ErfinBahnbrechende Ideen
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den und anschlieLeben oder die Prozesse in der Welt. Leider ist der Ursprung ßend um die Welt gingen, gehört auch der
vieler dieser Erfindungen kaum bekannt. Lanz-Bulldog, ein Ackerschlepper, der die
Arbeit in der Landwirtschaft bedeutend
Engelhorn hat längst seine kleine Che- erleichterte. Es war Dr. Ing. Fritz Huber,
mieküche im Jungbusch verlassen und in dem die Erfindung des einzylindrigen MoLudwigshafen den Grundstein für eine tors geglückt ist. Von Mannheim aus ginFabrik gelegt, die sich auf einer Fläche gen die Lanzprodukte in alle Welt. Heute
von mehreren Hektar ausbreiten wird, da sind es Traktoren mit dem Signet John
bastelt ein erfindungsreicher Ingenieur in Deere. Das US-amerikanische Unternehder Mannheimer Innenstadt, im Quadrat men übernahm 1956 die ProduktionsstätT 6, an einem Motorwagen, der das Antlitz ten im Mannheimer Stadtteil Lindenhof.
der Welt verändern soll: Carl Friedrich
Damit sind wir freilich noch lange nicht
Benz entwickelt das erste Automobil. Er am Ende der Aufzählung. Kaum eine elekgründet die „Rheinische Gasmotorenfa- trische Anlage in der Welt, die nicht mit
brik Benz & Cie“, die sich später mit der dem Stotz-Automaten oder einem NachDaimler-Motoren-Gesellschaft verbindet. ahmerprodukt gesichert ist. Entwickelt
Damit ist der Grundstein für einen weite- wurde er in Mannheim. Der aus Stuttgart
stammende geniale Hugo Stotz gründete
in der Innenstadt eine erste Firma. Bald
machte er mit den ersten Erfindungen auf
sich aufmerksam. An der Außenfassade
der Werkstatt in O 4,8-9 montierte er eine
Leuchtschrift mit seinem Namenszug. Es
soll die erste Leuchtreklame in Deutschland gewesen sein. Nachdem er die Firma
an BBC verkauft hatte, gründete er in Neckarau ein neues Unternehmen, in dem er
eben jenen „Leitungsschutzschalter“ entwickelte und damit zahlreiche Einmal-Sicherungen überflüssig machte.
Und noch ein Beispiel aus der jüngsten
Zeit: 1972 richteten fünf junge Programmierer ein Büro in der Mannheimer Innenstadt ein: Claus Wellenreuther, HansWerner Hector, Klaus Tschira, Dietmar
Hopp und Hasso Plattner. Sie gründeten
die Firma „SAP Systemanalyse und Produktentwicklung“ und entwickelten Software zur Verwaltung mittelständischer
Unternehmen. Inzwischen ist die Produktpalette breit gefächert. Vertreten ist
der Konzern auf allen fünf Kontinenten
und beschäftigt weltweit rund 36 000 Mitarbeiter. Den Sitz verlegten die Gründer
allerdings nach Walldorf Auch das gehört
zu Mannheims Geschichte: Nicht immer
gelang es den Mannheimer Stadtvätern,
aufstrebende Unternehmen richtig einzuschätzen und in der Stadt zu halten, wie
auch das Beispiel BASF zeigt.
. . . ist
für
mich
jeden
Tag eine neue
Herausforderung. Es polarisiert.
Auch mich.
Mannheim ist
cool, pulsierend, innovativ, vernetzt,
leidenschaftlich
und
stark. Leider
aber manchmal
aber
auch provin- Christian Sommer
ziell und träge. Mannheim ist die kleinste Weltstadt und das größte Dorf der Erde.
Mannheim ist das, was wir daraus
machen: Musikhauptstadt Deutschlands und noch viel mehr...!
❋
Christian Sommer,
Geschäftsführer
des Musikparks Mannheim
Hugo Stotz
Carl Benz
Blutspenden in Mannheim!
Blutspenden sind ein wesentlicher Teil der modernen Medizin. Die wirksame Behandlung von Unfallopfern mit starkem Blutverlust, Eingriffe am offenen Herzen, die effektive Behandlung verschiedener
Formen von Krebs oder die Transplantation von Organen, dies sind nur einige Beispiele der heutigen
Medizin, die erst durch gespendetes Blut möglich wird. Unvorstellbar aber wahr: täglich werden allein in
unserer Region über 1000 Blutspenden benötigt, in ganz Deutschland sind es 15 000. Im Durchschnitt
wird alle 6 Sekunden in einer deutschen Klinik Blut übertragen.
Ermöglicht wird dies durch unsere freiwilligen Blutspender, die regelmäßig, teilweise mehrfach im Jahr
Blut spenden. Seit vielen Jahren unterhält der DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen in
Mannheim eine eigene Blutspendezentrale. Von hier aus werden alle Krankenhäuser in der Region, insbesondere die Universitätsklinika Mannheim und Heidelberg, versorgt. Wir würden uns sehr freuen, auch
Sie zur Blutspende begrüßen zu dürfen.
Blut spenden kann jeder Gesunde von 18 bis 68 Jahren, Erstspender sollten das 60. Lebensjahr noch nicht
vollendet haben. Ihre aktuelle Spendefähigkeit ermitteln wir in einem ärztlichen Gespräch. Die eigentliche Blutspende dauert nur wenige Minuten. Nach einer kurzen Ruhepause sind Sie herzlich zu einem
kleinen Imbiss eingeladen. Vor der Weitergabe untersuchen wir Ihre Blutspende. Sollten wir hierbei Hinweise auf eine Erkrankung erhalten, werden Sie umgehend informiert. So trägt eine Blutspende auch zu
Ihrer Gesundheitsvorsorge bei.
In der Mannheimer Blutspendezentrale, Friedrich-Ebert-Straße 107 (Straßenbahnhaltestelle ‚Am Exerzierplatz’) freut sich unser erfahrenes Team aus Ärzten und Krankenschwestern auf Ihren Besuch.
Wir haben von Montag bis Freitag von 7.30 bis 11.00 Uhr, jeden Dienstag und Donnerstag zusätzlich von
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ist Ehrensache.
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22
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
1907
Mannheim feiert sein 300-jähriges
Stadtjubiläum u.a. mit einer „Internationalen Kunst- und Großen Gartenbau-Ausstellung“.
Rund 355 000 Besucher
kamen im vergangenen Jahr
zum Maimarkt nach Mannheim.
Bilder: Rittelmann/Tröster
Die Kunsthalle, ein Bau des Karlsruher Architekten Hermann Billing,
wird eröffnet. Großherzog Friedrich I. von Baden weiht den Industriehafen ein.
. . . ist für mich
wahre Heimat.
Das klingt zwar
jetzt sehr pathetisch, aber es
stimmt. Ich bin
Ur-Neckarstädter, auf Mannheim lasse ich
nichts kommen.
Zwei Jahre habe
ich mal woanders gewohnt, in
Weinheim, aber Robert Lampart
das kommt nicht
mehr in Frage –
auch wegen der Menschen hier. Die sind
hart, aber herzlich.
1911
Der Unternehmer Karl Lanz und
der Ingenieur Johann Schütte
schließen einen Vertrag mit dem
Ziel, ein Luftschiff nach Plänen
Schüttes zu bauen. Am 17. Oktober
startet das Luftschiff SL von Rheinau zum ersten Probeflug. Bis 1918
werden im Auftrag von Heer und
Marine 22 Luftschiffe gebaut.
Ludwig Roebel, Versuchsingenieur
bei der Brown, Boveri & Cie. KG,
erfindet den nach ihm benannten
Roebelstab, der den Bau wesentlich
größerer Turbogeneratoren ermöglicht.
1914
Bis zum Ende des 1. Weltkriegs
summiert sich die Zahl der Mannheimer Kriegstoten auf mehr als
6200.
1915
Die Stadt wird erstmals von Flugzeugen bombardiert. Bis Kriegsende werden insgesamt 46 Luftangriffe mit neun Toten und 22 Verletzten
registriert, die Schäden an Gebäuden bleiben aber relativ gering.
1920
Das 1912 begonnene, mit Hilfe einer
Stiftung des Stadtrats und Kaufmanns Bernhard Herschel finanzierte und nach ihm benannte Hallenbad in U 3 wird eröffnet.
❋
Robert Lampart,
Straßenbahn- und Busfahrer
Das Herz der Kurpfalz
Vom Viehmarkt zu Deutschlands größter Regionalausstellung: Den Mannheimer Maimarkt gibt es schon fast so lange wie die Stadt
Von unserem Redaktionsmitglied
Simone Kiß-Epp
M
esse, Marktplatz und Magnet: Der
Maimarkt gehört zu „Mannem“ wie
der Wasserturm. Ob schwebende
Backöfen, Sonnenbrillen, mit denen man telefonieren kann, oder der Herd, der sich
übers Handy einschalten lässt – auf dem riesigen Markt der Möglichkeiten gibt’s nichts,
was es nicht gibt. Elf Tage lang machen sich
die Massen jedes Jahr ins Mühlfeld zu
Deutschlands größter Regionalausstellung
auf – rund 355 000 Besucher kamen im vergangenen Jahr.
Den Mannheimer Maimarkt gibt es schon
fast so lange wie die Stadt: 1613 verlieh
Pfalzgraf Johann II. die Marktprivilegien.
Der Vieh- und Pferdehandel war damals lange Zeit Dreh- und Angelpunkt des Markttreibens. Gerade der Viehhandel entwickelte
sich im 18. Jahrhundert zum wichtigsten
Seit dieser Zeit wurde die Ausstellung imwirtschaftlichen Bestandteil der Messe, im mer wieder erweitert: 1965 wurde die Haus19. Jahrhundert erlangte dann der Pferde- frauenmesse mit dem Maimarkt verbunden,
markt eine immer größere Bedeutung. Und dazu kam die Fertighaus-Schau auf dem
natürlich fungierte die Messe, die schon an Freigelände. 20 Jahre später wurde das neue
einigen Orten in Mannheim ihre Zelte aufge- Messegelände auf dem Mühlfeld eingeweiht,
schlagen hat, als Treffpunkt für die Men- 1989 schließlich die neue Mehrzweckhalle.
schen in der Region.
Der Maimarkt ist naDiese Aufgabe hat
türlich auch ein bedie
„Kurpfälzer
WirtDie „Kurpfälzer Weltausstellung“ deutender
Weltausstellung“
schaftsfaktor für die
noch heute – aber
Region. Die Umsatzbringt Geld in die Stadt
sonst hat sich das
Impulse für HotelleGesicht des Mairie und Gastronomarktes
vollkommie, für Dienstleismen verändert, denn 1962 wurde das Kon- tungen und Handel, für Messebau, Transzept auf die Bereiche Handel, Landwirt- portwesen und die Produktion belaufen sich
schaft, Gewerbe, Industrie und Verbraucher jährlich auf rund 140 Millionen Euro. Dazu
ausgedehnt. Tierschauen und das 1964 zum kommen etwa 150 Millionen Euro Umsätze
ersten Mal ausgetragene Reit-, Spring und der Aussteller.
Fahrturnier zeugen aber nach wie vor von
„Für Mannheim und die Region ist der
den Wurzeln.
Maimarkt ein großes Schaufenster mit lan-
ger Tradition, das auch weit über die Region hinaus wahrgenommen wird“, weiß Stefany Goschmann, Geschäftsführerin der
Mannheimer Ausstellungs-GmbH. Diese
Erfolge könne man nicht als selbstverständlich werten in Zeiten, die von Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft
geprägt seien. „Es bedarf deshalb ständig
einer Beobachtung der Trends und einer
Anpassung des Angebots“, so Goschmann.
Mit neuen Fach- und Sonderschauen sei
es aber immer wieder gelungen, solche
Trends gezielt, aber behutsam aufzugreifen
und umzusetzen. „Damit die Menschen in
der Region ihren Maimarkt auch weiterhin
als festen Termin in ihrem Jahreskalender
betrachten“, erklärt die Geschäftsführerin
und fügt hinzu: „Wir als Veranstalter blicken deshalb optimistisch auf die Entwicklung in den kommenden Jahren.“
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Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
23
STADTJUBILÄUM 2007
Mannheim bleibt die Handels-Eins
Bauboom selbst in mauen Zeiten / Branche investiert Riesensummen am Standort / Große Geschäfte und kleine Schätze
Von unserem Redaktionsmitglied
Roger Scholl
Vergangenheit deutlich mehr als 100 Millionen in Neu-, Um- und Ausbau der Läden
angelegt. Da ist Engelhorn, der Platzhirsch. Engelhorn steht für einen konsequenten Kurs: Strategien, Sortimente,
Standorte – alles passt. Das neugestaltete
Premiumhaus fügt sich harmonisch ein in
dieses Gesamtkonzept, große Flächen,
Platz zur Präsentation, garniert mit dem
gewissen Etwas: ein Top-Restaurant im
Penthouse-Stil, da muss man schon eine
Weile suchen, bis sich Vergleichbares findet. Für diesen Mut zum Außergewöhnlichen und zu Investitionen stehen an vorderster Ladenfront auch Peek& Cloppenburg mit seinem „Weltstadthaus“ nach
Entwürfen des New Yorker Star-Architekten Richard Meier oder die Projektentwickler von Centrum, die die Atrium-Passage als moderne Mode-Lage umbauten.
E
in Phänomen. Schlicht und ergreifend. Auch aus dem Fernglas betrachtet, aus der Perspektive der
ganz Großen in der Branche, aus der Sicht
der Wirtschaftsanalysten und der Investoren: Der Handel – sicher eine der stärksten
Seiten der Stadt. Jetzt, in dem Jahr, in dem
wir Mannheims 400. Geburtstag feiern, ist
die Branche so gut aufgestellt wie kaum je
zuvor. Zahlen belegen das, die Fachwelt
jongliert damit herum, hier zählt nur, was
man zählen kann: 2,1 Milliarden Euro Jahresumsatz, mit 750 Millionen den höchsten
Kaufkraftzufluss im ganzen Land – Spitzenwerte. Kunden lassen sich nicht mit Bilanzen oder Zentralitäts-Ziffern beeindrucken. Kunden wollen attraktive Läden,
gute Angebote, starke Sortimente und erstklassigen Branchenmix.
Über 1700 Geschäfte, mehr als 600000
Quadratmeter
Verkaufsfläche,
10000
Überhaupt: Das „Mannheimer L“, die
Planken und die Breite Straße, ist zum
Markenzeichen geworden. Filialisten aus
Weltstadthäuser, Platzhirsche
und Kleinodien
Über zwei Milliarden Euro
Jahresumsatz
Frauen und Männer, die in der Branche arbeiten – die Handelsmacht Nummer Eins in
der Region signalisiert schon allein mit ihrer puren Größe: Hier muss man hin. Das
gilt für die Kunden, die hier alles finden,
was es im Umland nicht, oder zumindest
nicht in dieser Auswahl gibt. Der Standort
bindet, sagen die Experten, will heißen: Die
Mannheimer fahren zum Einkaufen nicht
auswärts, sie bleiben in ihrer Stadt zum
Geldausgeben. Und der Standort hat eine
enorme Strahlkraft, er zieht an: 750 Millionen Euro – das sind die neuesten Zahlen –
fließen aus dem Umland in die Kassen der
Mannheimer Händler. Ein Erfolg, der hart
erarbeitet ist. Mit Ideen, mit Investitionen
und mit immensem Fleiß.
Selbst in Zeiten, in denen der Kunde sich
wenig königlich gab und mit heruntergezogenen Mundwinkeln vielerorts den Konsum verweigerte, baute man in Mannheim
auf Wachstum. Das darf ruhig wörtlich
verstanden werden: In der City, dem
Prachstück der Branche, haben allein die
Großen im Geschäftsleben in der jüngsten
ganz Europa zeigen sich hier, man muss
sich hier zeigen, und Mode gilt als Kernkompetenz der Einkaufsstadt. Kleidung,
Schuhe, Accessoires, in einer Ladendichte
und mit einer Auswahl und Sortimentsbreite wie selten in einer 300000-er Stadt.
Die Planken haben sich hier als Nummer
Eins etabliert, doch auch die Breite Straße
ist nicht länger Stiefkind der Stadt. Zum
Jubiläum hat man die Lage aufgemöbelt
für Millionen, ein Signal an Kunden und
Investoren. Jung und modebetont soll das
Profil dort geschnitten sein, ein Zukunftsmodell. Eine Bewährungsprobe steht freilich noch aus: Am Neckartor plant ein Investor ein City-Einkaufszentrum, wie es
Mannheim noch nicht gesehen hat.
Bauboom auf den Planken: Der Handel investiert wie selten zuvor. Bild: Proßwitz
Die Stadt und der Rhein
um 1820:
Umrissradierung von
Andreas Bissel nach
einer Zeichnung
von Ferdinand Denis.
Bild: Stadtarchiv
Alles am Fluss
Urquellen des Handels schwellen im 19. Jahrhundert zum Strom
Es war der Fluss. Er brachte den Wohlstand, er begründete den Ruf der Stadt als
Handelsmetropole, er hob sie hervor aus
dem Weichbild ihrer Umgebung. Dem
Rhein und der Schifffahrt verdankt Mannheim seinen Aufstieg zum Zentrum des
Kaufens und Verkaufens, zum wichtigsten
Handelsplatz weit und breit. Ein später Segen, erst in der Mitte des 19.Jahrhunderts
legten die Mächtigen das Ruder um, erst
mit der Rheinschifffahrtsakte von 1831 fielen die Schranken und die Fesseln lösten
sich, die die Kaufleute hier knebelten und
ihnen rentablere Geschäfte Jahrhunderte
lang verwehrt hatten.
Blicken wir weiter zurück in die Geschichte, schauen wir uns Mannheim an als
Marktplatz, der die Bürger versorgte, und
als Residenzstadt, die einen Hof mit Waren
bediente. Brot, Fleisch, Gemüse, Wein und
Bier, fast alles hatte man hier anzubieten,
Produkte aus der Region zumeist, aber
auch Zucker, Salz und Pfeffer oder Luxuriöses wie kostbare Tuche, Geschmeide,
Möbel vielleicht und Kolonialwaren – Sortimente, die Händler importierten für die,
die sie sich leisten konnten. Dr. Hanspeter
Rings, Historiker beim Institut für Stadtgeschichte: „Massengüter waren das freilich nicht, und ob Mannheimer Kaufleute
in größerem Umfang Waren ausführten,
darüber kann man vor dem 19. Jahrhundert recht wenig sagen.“ Wein, Getreide
und Holz aus den Wäldern der Umgebung
mögen es gewesen sein, ein reger Exporthandel ist das – noch – nicht.
Dass die Stadt vor dieser Zeit viel Kundschaft aus dem Umland anzog, hält Rings
für eher unwahrscheinlich. „Man hat sich
bei fahrenden Händlern oder auf den eige-
nen Märkten versorgt, auf den so genannten Marktschiffen, die Waren und Kaufleute nach Mannheim brachten, dürften sicher
auch Kunden mitgereist sein“, ein Handelsmagnet war die Stadt damals nicht.
In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts
erlebt die Stadt eine Zäsur, sie lässt sich
recht genau festmachen: Mit der Rheinschifffahrtsakte von 1831, den Grundstein
dazu hatte der Wiener Kongress (1815) gelegt, fällt endgültig das Stapelrecht für
Mainz und Köln, das den Schwestern am
Rhein mehr oder weniger ein Handels- und
Verkehrsmonopol gesichert hatte. Zum allerersten Mal ist der Rhein – er war noch
immer nur ab Mannheim flussaufwärts sicher und für größere Schiffe befahrbar –
frei bis zu seiner Mündung. Kein Umladeoder Verkaufszwang mehr in beiden Städten, die Frachttaxen sind verhandelbar, die
Transportpreise sinken, die Margen der
Geschäftsleute steigen. Aus dem vorwiegend regionalen Handel entsteht rasch eine
rege Exportwirtschaft, man verschifft in
großen Mengen, Getreide, Holz, Hopfen
und – mit der Industriealisierung und der
beginnenden „Dampfmaschinen-Ära“ –
auch Kohle werden zu Massengütern. Und
Mannheim zum wichtigsten Handelsplatz
am Oberrhein.
Im Rauch der Schlote auf den RheinDampfern, die immer häufiger nun auch
Reisende transportieren, könnte sich, schemenhaft zunächst noch, wie auf einem Bild
William Turners, ein anderer Wandel abzeichnen: Diese Touristen kaufen hier ein,
Mode aus Paris, Schmuck vielleicht oder
Bücher. Einkaufen ist schick, Shopping
zum Erlebnis geworden. Kein Massen-Phänomen, noch nicht. Aber ein Anfang. scho
Doch auch im Kleinen liegt das Feine:
Wer sich die Mühe macht und abseits der
gängigen Pfade auf Entdeckungstour geht
in den Quadraten, der wird staunen: Hochinteressante Läden mit witzigen, selten gesehenen und mitunter absolut außergewöhnlichen Ideen, in denen der Kunde
richtige Schätze heben kann. Auch das ist
Mannheim. Wie gesagt: Ein Phänomen.
. . . ist für mich eine Stadt
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Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
25
STADTJUBILÄUM 2007
Die Eishockey-Adler haben in der SAP Arena mit
Erfolg eine neue Heimat gefunden.
Doch auch in anderen Sportarten ist
Mannheim stark: so im Hockey.
Olympiasiegerin Fanny Rinne spielte
lange Zeit für den TSV Mannheim.
Mit Klaus Schlappner gelang dem SV Waldhof
1983 der Aufstieg in die Fußball-Bundesliga.
Bilder: Kunz, Proßwitz, zg
Erfolgsgeschichte mit Zukunft
Weltweite Beachtung: Mannheim hat seinen Ruf als Sportstadt über Jahrzehnte manifestiert
Von unserem Redaktionsmitglied
Ulrich Verthein
A
ls Deutsch-Rocker Udo Lindenberg 1974 auf seiner Langspielplatte „Ball Pompös“ den Außerirdischen „Gerhard Gösebrecht aus dem
dreizehnten Sonnensystem“ besang, der
mit seinem gigantischen Ufo an einer Autobahn gelandet sei, muss er sie schon vor
Augen gehabt haben: Die SAP Arena – dieses futuristische Schmuckstück, das Mannheim fit gemacht hat für das fünfte Jahrhundert seines Bestehens. Vor allem in
sportlicher Hinsicht.
Die Eishockey-Cracks der Adler haben
hier ebenso Heimrecht wie die BundesligaHandballer der Rhein-Neckar-Löwen. Woche für Woche pilgern Zehntausende von
Sportbegeisterten aufs Bösfeld. In der noch
jungen Geschichte der Arena seit September 2005 sorgten Boxer Wladimir Klitschko
mit seinem WM-Sieg gegen Chris Byrd und
die Tennis-Stars Steffi Graf und Boris Becker für spektakuläre Leistungen und beste
Unterhaltung. Was andere für sich reklamieren, ist Mannheim mit weitem Abstand
– Sportstadt. Der Landessportbund BadenWürttemberg bestätigt, nirgendwo im Südwesten tut sich in dieser Hinsicht so viel
wie im Zentrum der Metropolregion RheinNeckar.
Die Vielfalt ist dabei besonders beeindruckend. Da startet mit Ludger Beerbaum
einer der weltbesten Reiter für Mannheim
und die jüngsten Siege der Kanu-Legende
Birgit Fischer mit dem lokalen Talent Carolin Leonhardt im Sog und der Gold-Coup
der Hockey-Damen um Fanny Rinne und
dem Mannheimer Trainer Markus Weise
bei Olympia 2004 in Athen sind noch in
bester Erinnerung. Die Silbermedaille eines Jochen Meißner im Rudern bei den
Spielen 1968 in Mexiko oder die famosen
Auftritte der Altig-Brüder im Rennradsattel sind indes noch lange nicht vergessen.
Es würde Seiten füllen, alle Erfolge zu
würdigen, die den Ruf einer Sportstadt manifestierten. Auch Veranstaltungen tun
dies: so das jährliche Maimarkt-Turnier
der Reiter zum Auftakt der grünen Saison
oder das Albert-Schweitzer-Turnier der
Basketball-Junioren, das im Zwei-JahresRhythmus für weltweite Beachtung sorgt.
Dank der SAP Arena ist die Quadratestadt
im Jubiläumsjahr auch Austragungsort der
Handball-WM, und zum zweiten Mal nach
1997 hat Reiter-Vereins Chef Peter Hofmann die Europameisterschaft in seine
Heimat geholt. Da geht eine WM der Feldbogenschützen im März natürlich ein wenig unter, auch die „Deutsche“ der Faustball-Damen im gleichen Monat. Doch sie
stehen genauso für das breite Spektrum.
Schade, dass es mit dem Lieblingssport
der Nation derzeit nicht zum Besten bestellt ist. Wer nach aktuellen Erfolgen im
Fußball fragt, gießt Wasser in den Jubiläums-Wein. Das schmerzt, angesichts der
großen Erfolge, die hier gefeiert wurden.
90 000 bejubelten den VfR Mannheim, der
1949 in Stuttgart durch ein 3:2 über Borussia Dortmund Deutscher Meister wurde.
Bundeskanzler Kohl gratulierte 1983 per
Telex, als Klaus Schlappners Waldhof-Buben sich nach dem Aufstieg anschickten,
die Bundesliga zu erobern. Am Alsenweg
wurden internationale Stars wie die Förster-Brüder, Jürgen Kohler oder Christian
Wörns geformt. Zum 100. Geburtstag am
11. April 2007 ist es ruhiger geworden, aber
vielleicht bringt Dietmar Hopps Drei-Millionen-Spende für ein Jugendförderzentrum Licht am Ende des Tunnels.
Große Namen hat Mannheims FußballSzene, zu der sich vor gut einem halben
Jahrhundert auch der VfL Neckarau und
der ASV Feudenheim zählen durften, hervorgebracht – der klangvollste sei am Ende
dieser unvollständigen Bilanz hervorgehoben: Seppl Herberger, der „Chef“, der Trainer-Fuchs, der Philosoph der FußballWeisheiten, der Vater des Wunders von
Bern 1954, Deutschlands erster FußballWeltmeisterschaft. Er war natürlich ein
Mannheimer. Unzählige Kapitel erfolgreicher Sportgeschichte wurden rund um die
Mündung des Neckars in den Rhein geschrieben – es werden noch viele folgen.
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26
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
1921
Die Großkraftwerk Mannheim AG
wird gegründet. Sie bildet die
Grundlage einer eigenständigen
dezentralen Energieversorgung.
Europäische Pferdehauptstadt
Mannheim zieht mit der Springreiter-EM im August nicht nur die Elite im Sattel magisch an
Von unserem Redaktionsmitglied
Katja Nicklaus
W
1922
Das seit 1913 erbaute Städtische
Krankenhaus am Neckar wird
eingeweiht.
1925
Die Badisch-Pfälzische Luftverkehrs-AG (seit 1926 Lufthansa)
nimmt ihren Sitz in Mannheim und
nimmt den Flugverkehr vom Flugplatz Sandhofen auf. 1926 wird bei
Neuostheim der Flughafen Mannheim-Ludwigshafen-Heidelberg
eröffnet.
1926
Die Gemeinnützige Baugesellschaft
(heute GBG Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft mbH) wird
gegründet.
1927
Im Luisenpark wird das erste kommunale Planetarium Deutschlands
eingeweiht. Nach der Zerstörung im
2. Weltkrieg entsteht 1984 ein neues
Planetarium an der Wilhelm-Varnholt-Allee.
1928
Mit Hermann Heimerich wird erstmals ein Sozialdemokrat Oberbürgermeister. 1933 von den Nationalsozialisten gewaltsam aus dem Amt
entfernt, wird er 1949 erneut zum
Stadtoberhaupt gewählt (bis 1955).
1930
Mit der Eingliederung Friedrichsfelds und Seckenheims ist der Prozess der Eingemeindungen abgeschlossen. Bereits 1929 war Wallstadt zu Mannheim gekommen.
enn überall in den Quadraten
bunt bemalte Kunstpferde stehen, wenn rund um den Wasserturm elegante Damen und charmante
Kavaliere flanieren,
edle Kutschen über die
Pfade rollen und das
Jugendstil-Areal einer
englischen Gartenparty
gleicht, dann ist nicht nur
Jubiläum in Mannheim,
dann trifft sich auch die
Springreiter-Elite in der
Quadratestadt. Denn der
Gala-Ball am 17. August
ist Höhepunkt des Rahmenprogramms
rund
um die Europameisterschaft der Springreiter
vom 14. bis 19. August
im Reitstadion auf dem
Mühlfeld.
Peter Hofmann ist ein
Macher,
sein
Herz
schlägt für den Pferdesport – und er ist
Mannheimer
mit
Leib und Seele. Deshalb war es für den
Präsidenten des Reiter-Vereins Mannheim
selbstverständlich, die
Quadratestadt zehn Jahre
nach der ersten SpringreiterEM in Mannheim wieder zur Pferdehauptstadt Europas zu machen – pünktlich zum
Stadtjubiläum.
Was Reiter und Publikum da erwartet,
soll alle vorangegangenen Europameisterschaften in den Schatten stellen, so der
Wunsch des Organisators, der es versteht,
Entscheidungsträger aus Sport, Politik
und Wirtschaft für seine Ideen zu begeistern und Sponsoren langfristig auf seine
Seite zu ziehen.
Bei den Weltreiterspielen in Aachen im
Vorjahr hat der rührige Turniermacher
sich so manche Anregung geholt. Und obwohl er weiß: „Aachen kann man nicht toppen“, will er den Enthusiasmus und die
Stimmung von dort nach Mannheim weitertragen – und in mancher Hinsicht noch
eins drauf setzen. Wo etwa in der Eröffnungsveranstaltung auf der Aachener
Soers 64 Hengste eine beeindruckende
Quadrille aufführten, sollen im Reitstadion
beim Schau-Abend gar 96 Hengste zeigen,
wie diszipliniert sie sich präsentieren können – und einen Weltrekord aufstellen.
Die positive Erfahrung von Aachen
brachte auch die Entscheidung, den Nationenpreis in Mannheim an zwei Tagen auszutragen. Aus sportlicher Sicht warten auf
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Reiter und Publikum spannende und hoch
dotierte Prüfungen, die durch so manches
Schmankerl noch aufgewertet werden. So
haben an der Mannheimer Hochschule Studenten der Fakultät für Gestaltung Hindernisse entworfen, die Mannheim und seine Wahrzeichen, sowie die vier Themen des
Stadtjubiläums – Musik, Mobilität, Toleranz und Stadt an zwei Flüssen – richtig ins
Bild setzen. Ein Augenschmaus ist also garantiert, auch für die Zuschauer zuhause
vor dem Fernseher.
Aber auch das Rahmenprogramm, das
sich um das Pferdesport-Ereignis des Jah-
res in Europa rankt, muss sich nicht verstecken: Die Ausstellung „Pferdestärken“ in
den Reiss-Engelhorn-Museen geht weit in
die Geschichte des Pferdes zurück, ohne
das die Eroberung und Entwicklung der
Welt so nicht möglich gewesen wäre.
Wie 1997 bindet das Jugendcamp den
Reiternachwuchs wieder aktiv in die EM
mit ein, und auch die gesamte Metropolregion wird wieder vom EM-Fieber befallen
sein: Die umliegenden Gemeinden übernehmen jeweils das Patronat über eine der
Equipes und feiern das Ereignis mit verschiedenen Aktionen auf ihre Art.
Auch Ludger Beerbaum
freut sich darauf:
Die Europameisterschaften
der Springreiter im
August versprechen,
der sportliche Höhepunkt
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Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
27
STADTJUBILÄUM 2007
Liebe zur Stadt geht durch den Vorort
Dem einen das historische Rathaus, dem anderen sein Waldpark: Vier Bürger berichten, warum sie ihren Stadtteil so lieben
kennt Hubert Becker, im Stadtteil seit
20 Jahren Gesangvereins-Vorsitzender und
seit 30 Jahren Hausmeister der Schule. Die
annheim ist die Stadt der Stadt- „Kolonie“, Ziegelgasse, Rabengasse sind
teile – dieser Satz des ehemaligen Stationen seiner Kindheit – „bei ihrer bloOberbürgermeisters Hans Resch- ßen Erwähnung wird mir warm ums Herz“,
ke hat in der Quadratestadt Gültigkeit wie bekennt er. Das Rathaus von 1810 sei „das
die Gemeindeordnung. 17 Stadtbezirke be- schönste Vorort-Rathaus in Mannheim“.
stehen in Mannheim, alle haben ihre eigene Überhaupt: Dieses ganze Ensemble von
Identität bewahrt oder, wenn sie jünger Rathaus, Denkmal, Dreifaltigkeitskirche
sind, eigene Identität entwickelt. Wer in und dem Gasthaus „Zum Adler“ – in HuUrlaub geht und von Zuhause erzählt, der bert Beckers Augen einfach einmalig.
Wandern, Walken, Joggen – all das sei
ist stolz, Mannheimer zu sein; daheim jedoch, in der Quadratestadt selbst, pocht er möglich in Sandhofen mit seinen Schreberdarauf, Käfertäler oder Sandhöfer, Ne- gärten und Feldern, auf dem Damm und
ckarauer oder Feudenheimer zu sein. Wir am Rhein. „Trotzdem bin ich in 20 Minuten
in der Stadt“ – „in
fragten Mannheider Stadt“, eine
mer aus vier Stadtcharakteristische
teilen, was sie an ihAuswärts stolz auf Mannheim,
Formulierung von
rem Vorort schätzen, und sie erzählzu Hause stolz auf den Stadtteil vielen in den Vororten, wenn sie die
ten, was sie lieben.
City meinen. „Und
„Auf
unserem
waren Sie schon
Lindenhof leben zu
dürfen, ist ein ganz besonderes Lebensge- mal abends am Rhein und haben die Lichfühl“, sagt Wolf Engelen, in der hiesigen ter der BASF gesehen?“, schwärmt Becker.
Doch nicht nur traditionsreiche Vororte
Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) aktiv und als Retter der „Lanz-Kapelle“ haben ihre Fans, sondern auch eher junge
stadtweit bekannt: „Auf dem Lindenhof wie die Vogelstang. Peter Ratzel, Sohn jeerwarten einen Dinge, die es in diesem Zu- nes Oberbürgermeisters, der diesen Stadtsammenhang in dieser Stadt sonst nirgends teil einst „baute“, zog 1967, drei Jahre nach
gibt.“ Engelen nennt den Rhein, den Wald- der Grundsteinlegung, hierher. Und gerade
park und das Naturschutzgebiet Reiß-In- das fasziniert ihn noch heute: „Das waren
sel. „Wer in diesem Umfeld lebt, der wird die Pionierjahre, denn es fehlte noch an
davon geprägt“, schwärmt er und erinnert vielem“, erinnert sich der pensionierte
sich an seine Gefühle, wenn er wieder einmal von einer weiten Reise irgendwo in der
Welt zurückkehrte: „Man macht die Augen
auf, atmet tief durch, und ein unglaublich
schönes Gefühl durchströmt alle Sinne und
den Körper – das Gefühl, zu Hause zu
sein.“
Doch Engelen weist noch auf einen anderen Punkt hin: „Leben auf dem Lindenhof
bedeutet zum einen unglaublich kurze
Wege zum Einkaufen und zu Bildung,
Kunst, Kultur und Sport in der Stadt, ohne
im Häusersilo einer Großstadt leben zu
müssen. Bedeutet auf der anderen Seite
auch, nicht eingezwängt zu sein in die Enge
einer in Jahrhunderten gewachsenen Gemeinschaft, wo der Horizont an der Kirchturmspitze der eigenen Gemeinde endet.“
„Die ganze Welt würde ich bereisen,
wenn es der Geldbeutel zuließe. Aber nach
spätestens drei Wochen überfiele mich das
Fans ihrer Stadtteile: Bettina
Heimweh nach ‘meinem Sondhoffe’“, be-
Von unserem Redaktionsmitglied
Konstantin Groß
M
1930
Gymnasiallehrer: „Ich habe meine Söhne
auf der Vogelstang heranwachsen sehen,
und mit ihnen ist der Stadtteil gewachsen.“
„Die Vogelstang ist keine Schlafstadt“,
betont Ratzel, der im Bürgerverein engagiert ist. „Hier hat sich ein starker Gemeinsinn entwickelt. Die Durchgrünung des
Stadtteils, das schöne Naherholungsgebiet
vor der Haustür, wo ich spazieren gehe,
laufen und im Sommer baden kann, die
Nähe zum Käfertäler Wald, rasche Verkehrsanbindung und Einkaufsmöglichkeiten – das alles sind Vorzüge, die mich sagen
lassen: Ich lebe gerne auf der Vogelstang.“
Vor allem die Reize der Natur sind es, die
Bettina Mohr an Rheinau-Süd begeistern.
„Vor 19 Jahren, an einem kalten Wintertag,
glänzten die Sonnenstrahlen durch das
Schilf am Ufer des Rheinauer Sees. Hier
fiel die Entscheidung, uns mit zwei kleinen
Kindern in diesem Neubaugebiet niederzulassen“, erinnert sie sich und lobt „die
Freizeitmöglichkeiten nach wenigen Gehminuten: Schwimmen nach Belieben, Wasserski fahren, den Sonnenuntergang auf
der ‘schwimmenden Terrasse’ der Wasserski-Anlage genießen – Urlaubsgefühle am
begrünten See“, schwärmt die ehemalige
Vorsitzende des Wasserskiclubs Rheinau.
Aber auch und gerade als Malerin
schätzt Bettina Mohr die hiesige Atmosphäre fast schon als Inspiration. „Beim
Arbeiten genieße ich die Ruhe und das Gefühl, durch die Nähe zur Natur die Jahreszeiten intensiv erleben zu können.“
. . . ist für mich seit fast 30 Jahren
ein Zuhause, ein Heim, mal Oase,
mal stürmendes Unwetter für
mich. An manchen Tagen ist es die
große Stadt, nicht zu selten ist es
die totale Einöde. Ich mag die Menschen und die Gegend und doch ist
es wie bei wirklich guten Freunden: man muss nicht alles an ihnen
mögen.
❋
Laith Al Deen,
Sänger
Laith Al Deen
Bild: zg
Mohr, Peter Ratzel, Hubert Becker und Wolf Engelen (v. l. unten nach r. o.). Bilder: Proßwitz
MANNHEIM
Kirschgartshausen
Stadtgemarkung:
Sandtorf
Rhein
1930
vor 1895
Unser Engagement:
Gut für die Menschen.
Gut für Mannheim.
Erweiterungen:
Sandhofen
1895
1913
1897
Käfertal
Friesenheimer
Insel
1899
1897
1895
1910
Straßenheim
MANNHEIM
vor 1895
Wallstadt 1930
1929
1913
1929
Feudenheim
1910
1930
Seckenheim
Nec
1944
kar
1930
Neckarau
1899
Rhe
in
FriedrichsRheinau feld
1913
1930
1944
0
2
4 km
© KARTOGRAPHIE Peh & Schefcik
Mannheims Wachstum (Zahl = Jahr der Eingemeindung)
Kinder älter als die Mutter
Anschluss traditionsreicher Gemeinden ließ Mannheim wachsen
In Mannheim gibt es eine feinsinnige Unterscheidung zwischen Stadtteilen und
Vororten. Als Stadtteile werden die zentralen Bereiche bezeichnet, etwa der Jungbusch und die Neckarstadt. Doch jene
einstmals selbstständigen Gemeinden, die
mehrheitlich Ende des 19., Anfang des
20. Jahrhunderts nach Mannheim eingemeindet wurden, die achten sehr darauf,
als Vororte gewürdigt zu werden. Immerhin sind die meisten von ihnen mit ihren
über 1000 Jahren Geschichte weit älter als
die ganze 400 Jahre junge Stadt Mannheim.
Den Anfang machte die Friesenheimer
Insel, die seit 1863 zur noch selbstständigen Gemeinde Sandhofen gehörte und 1895
zu Mannheim kam; zum Ausbau des Industriehafens brauchte die Quadratestadt die
Hoheit über das linke Altrhein-Ufer. Ihm
folgte 1897 die Gemeinde Käfertal mit einer Gemarkung von fast 1800 Hektar, vor
allem an Wald. Riesige Forstflächen (Waldpark und Reiß-Insel) kamen auch 1899 hinzu, als Neckarau eingemeindet wurde.
Doch mit aufstrebenden Firmen wie der
„Gummi“ war das größte Dorf ganz Badens
auch heiß ersehntes industrielles Potenzial.
Feudenheim kam 1910 zu Mannheim.
Sandhofen 1913 – ebenso wie die Rheinau,
ein nahezu menschenleeres Gebiet, das erst
mit der industriellen Erschließung ab 1872
und dem Rheinauhafen ab 1897 interessant
geworden war. Das Rheinaugebiet gehörte
bis dahin zur Gemeinde Seckenheim, deren
gesamte Eingemeindung noch nicht gelang.
Wallstadt lag wie ein Keil zwischen dem
bereits eingemeindeten Käfertal und Feudenheim und hielt sich dennoch bis 1929
selbstständig. Friedrichsfeld, hugenottische Siedlung, und Seckenheim, reichstes
Dorf ganz Badens, kamen 1930 zu Mannheim, nachdem ein Zusammenschluss der
beiden Dörfer gescheitert war. Letzte Zugewinne waren 1930 Kirschgartshausen,
Sandtorf und Straßenheim.
So weitsichtig Mannheims Stadtväter in
Sachen Eingemeindung zu Beginn des
20. Jahrhunderts waren, so sehr gilt die
Gemeindereform in den siebziger Jahren
historisch als „verpasste Chance“ für die
Quadratestadt. Die Eingemeindung Ilvesheims mit damals 7800 Einwohnern, gelegen direkt zwischen Feudenheim und Seckenheim, sowie Neckarhausens scheiterte
1976 endgültig ebenso wie jene von Brühl.
Letztere ist übrigens das einzige Beispiel
einer (teilweise) revidierten Eingemeindung. 1944 vereinbarte Mannheim mit
Brühl dessen Angliederung. Die Landesbehörden untersagten dies und bewilligten
lediglich den nördlichen Rohrhof (225 Hektar). 1950 kehrten 112 Hektar zurück nach
Brühl, nur die IG-Siedlung (heute Rheinau-Süd) blieb bei Mannheim.
-tin
Soziales Verhalten ist wichtig für das Zusammenleben in der Gesellschaft. Deshalb unterstützen wir auch im Jubiläumsjahr der Stadt
Mannheim eine Veranstaltung, in der das soziale Verhalten entwickelt und gefördert wird: „Sport und Spiel am Wasserturm“. Mit allen
unseren Engagements sind wir der größte nichtstaatliche Kulturförderer in Deutschland. Die Unterstützung von Kindergärten, Schulen, Sport und sozialen Einrichtungen ist zum Beispiel ein Teil dieses Engagements. Sparkassen-Finanzgruppe. Gut für die Region.
28
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
1933
Mannheim, wo die Nationalsozialisten selbst bei der bereits durch
Terror geprägten Reichstagswahl
vom 5. März mit 35,5% deutlich in
der Minderheit bleiben (SPD
22,1%, KPD 19%, Zentrum 14,4%),
wird dennoch „gleichgeschaltet“.
Politische Gegner, besonders Kommunisten und Sozialdemokraten,
werden aus ihren Ämtern entlassen,
verlieren ihre Arbeitsplätze und
werden grausam verfolgt. Gegen
jüdische Geschäfte, Ärzte und
Rechtsanwälte hetzen die Nationalsozialisten zum Boykott auf. Jüdische Beamte, Lehrer und Richter
werden entlassen. Dennoch bleibt
die Stadt ein Zentrum des Widerstands, insbesondere der Arbeiterbewegung. Fast 1500 Angehörige
der Opposition gegen das NSRegime sind namentlich bekannt,
mehr als 50 von ihnen lassen ihr
Leben für ihre Überzeugungen.
1938
In der so genannten Reichskristallnacht wird die Synagoge in F 2
verwüstet, weitere Einrichtungen
der jüdischen Gemeinde, Wohnungen und Geschäfte von Juden
werden zerstört und geplündert.
Keine Stadt ist dynamischer
Mannheim entwickelt sich besser als alle anderen Kommunen Westdeutschlands
Von unserem Redaktionsmitglied
Matthias Kros
W
elche Stadt in den alten Bundesländern hat die größte Wirtschaftsdynamik? Stuttgart, München oder Frankfurt? Alles falsch. Ausgerechnet Mannheim, die Stadt, die noch immer gegen manch hartnäckiges Vorurteil
kämpfen muss, liegt auf Platz 1 eines Rankings zum wirtschaftlichen Erfolg der 50
größten deutschen Städte, das die Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ und die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft im Jahr
2006 erstellt hatten. Lediglich Dresden
entwickelt sich momentan besser als
Mannheim. Insbesondere lobten die Autoren der Studie die erhöhte Produktivität
und die gestiegene Steuerkraft Mannheims. Von 2000 bis 2004 stiegen diese
Kennzahlen um 19,5 bzw. 17,3 Prozent. Im
Gesamtranking, für das neben der wirtschaftlichen Dynamik auch Faktoren wie
der Wohlstand und der Schuldenstand der
Städte berücksichtigt wurden, liegt Mannheim bereits auf Rang 7, vier Plätze besser
als im Vorjahr.
1940
Für Wolfgang Miodek, stellvertretender ckar-Raum fühlen, zeigt auch ein Blick auf
Fachbereichsleiter der Wirtschaftsförde- neueste Untersuchungsergebnisse: Die besrung der Stadt Mannheim, ist das keine te Werbung ist dabei für Mannheim eine
große Überraschung: Klar gelte Mannheim groß angelegte Studie der Unternehmensnach wie vor als industrielastig, aber das beratung Ernst & Young mit dem Titel
sei letztlich doch von Vorteil: „Mannheim „Deutsche Großstädte. Zufriedenheit der
und die ganze Rhein-Neckar-Region sind Unternehmen mit ihrem Standort 2006“.
ein gewachsener Wirtschaftsstandort“, Hierbei wurden in den 20 größten Städten
sagt er. „Wir gelten als überdurchschnitt- jeweils 100 Geschäftsführer oder Inhaber
von Unternehmen
lich
industriebefragt. Mannheim
freundliche Region,
schneidet in den
und zudem haben
Besonders verlockend:
wichtigen Punkten
die hier bereits anLagefaktoren, Ungesiedelten Großbedie Fachkräfte in Mannheim
ternehmerfreundtriebe eine positive
lichkeit,
FörderAusstrahlung“,
möglichkeiten und
führt Miodek aus:
„Wir haben hier so klangvolle Namen wie Lebensqualität überdurchschnittlich ab.
ABB, BASF oder Freudenberg, die weitere
Letztere sind auch die Stärken MannUnternehmen in die Region locken“.
heims, die Wirtschaftsförderer Miodek gerBesonders verlockend sei dabei die Aus- ne herausstellt. Besonders betont er dabei
sicht auf geeignete Fachkräfte, die von fast die „hervorragende Verkehrsanbindung“
allen der in Mannheim beheimateten Groß- der Stadt. „Mannheim hat den viertgrößten
unternehmen kontinuierlich ausgebildet Hafen Deutschlands und ist außerdem beswerden. „Der Wettbewerb um Fachkräfte tens an das deutsche Autobahn- und das
ist eine der größten künftigen Herausforde- ICE-Netz angeschlossen“, sagt er. Zudem
rungen für die Unternehmen“, erläutert liege der internationale Flughafen FrankMiodek. Dabei böte ihnen das Rhein-Ne- furt nur eine halbe Zugstunde entfernt.
ckar-Dreieck auch dank
„Außerdem sind bei uns noch freie Geder
hervorragenden werbeflächen verfügbar“, sagt Miodek
Hochschullandschaft
weiter. Das sei keineswegs selbstverständbesonders gute Chancen. lich: „In Stuttgart oder Frankfurt ist das
„Und wenn die Leute Finden eines geeigneten Objekts zum Beierst einmal hier sind, spiel viel, viel schwerer“. Und dabei sei das
dann bleiben sie auch“. Preisniveau in Mannheim im Vergleich zu
Wie wohl sich die den konkurrierenden Regionen auch noch
Konzerne im Rhein-Ne- deutlich niedriger.
Fast 2000 Mannheimer Juden werden in das Internierungslager Gurs
(Frankreich) deportiert.
Viele werden von dort in die
Vernichtungslager des Ostens verschleppt und ermordet. Insgesamt
fordert die nationalsozialistische
Judenverfolgung in Mannheim rund
2300 Opfer.
DaimlerChrysler und Roche
Diagnostics gehören zu den
„Global Players“ in Mannheim
und sorgen für Dynamik am
Arbeitsmarkt. Bilder: zg
1942
Die Widerstandsgruppe um Georg
Lechleiter wird von der Gestapo
entdeckt. 19 der Verhafteten werden hingerichtet, drei kommen im
Gefängnis um.
In Mannheim geboren
Heute werden Schildkröt-Puppen in Thüringen produziert
Von unserem Redaktionsmitglied
Gert Goebel
Es war ein trauriger Tag für Mannheim,
als am 13. März 1975 die Essener Wasag
AG mitteilte, sie werde die Produktion
der weltberühmten Schildkröt-Puppen
im Stadtteil Neckarau einstellen. Ein bedeutendes Kapitel Mannheimer Industriegeschichte ging damit zu Ende. Immerhin war Schildkröt 80 Jahre lang
Deutschlands, zeitweise sogar Europas
größte Puppenfabrik. Ein Trost für die
Puppen-Liebhaber: Nach der Mannheimer Todesstunde erfolgte 1982 nach vielen Wirren und Irrungen endgültig die
Wiedergeburt der Schildkröt-Geschöpfe, heute haben sie in
Thüringen in einem
Familienunternehmen ein liebevolles Zuhause.
Alles fing in
den 60er Jahren
des 19. Jahrhunderts mit der Erfindung des Celluloid an. Der Kunststoff galt
Veranstalter:
Reiter-Verein Mannheim e.V.
Infos unter:
www.em2007.de
als billiger Ersatz für Elfenbein, Hartgummi, Blech, Pappe und Holz. Auch die
1873 in Neckarau gegründete „Rheinische Hartgummi-Waren-Fabrik“, die
später als „Rheinische Gummi & Celluloid-Fabrik“ Berühmtheit erlangte,
suchte ihr geschäftliches Heil im Celluloid. Ob Kämme, Haarspangen oder
Schirmgriffe, alles machte die Rheinische aus Celluloid.
1895 schaffte es Robert Zeller, der
„Vater“ der Celluloid-Puppe, mit Hilfe
eines neuen Blasverfahrens, Puppenköpfe und -körper billig herzustellen. Ein
Jahr später begann der Siegeszug der
Mannheimer Puppen, die ab 1899 mit der
„Schildkröte“ als Schutzmarke die Hallen in Neckarau verließen. Mannheim
war noch bis 1960 ein marktbestimmender Puppen-Produktionsstandort in
Europa.
Doch bei allen Erfolgen, die Schildkröt-Geschichte war auch stets voller
Probleme. 1929 wurde die „Rheinische“ von der IG Farben-Gruppe geschluckt, nach 1945 landeten die Puppen bei der Wasag AG, einem Konzernsammelsurium aus SprengstoffProduktion, Chemie und Bremsbelägefertigung. Unverstanden und ungeliebt
wurden die Schildkröt-Puppen hin
und her gestoßen, spielten hohe
Verluste ein. Nach dem Produktionsende in Mannheim
schien die Todesstunde endgültig gekommen.
Doch dann gab es ein
„Happy end“. Hubertus und
Hannelore Biemann aus
Kaufbeuren verkauften ihre
drei Spiel-Fachhandelsgeschäfte und übernahmen dafür Schildkröt. Sie produzierten
die Traditionspuppen zunächst in
Bayern, seit 1993 mit Erfolg im thüringischen
Rauenstein.
Rund
200 000 Geschöpfe erblicken dort
jährlich das Licht der Puppenwelt, werden überwiegend von
Sammlern und Puppenliebhabern übernommen. Schildkröt
lebt also, wenn auch leider
nicht mehr in der einstigen Geburtsstadt Mannheim.
Kartenvorverkauf:
Telefon +49 (0) 621/10 10 11
Der Papst als Schildkröt-Puppe ein besonderer Einfall der Traditionsfirma. Bild: dpa
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
STADTJUBILÄUM 2007
BilfingerBerger, Südzucker, John Deere, SCA und Felina
(von links nach rechts) sind große Firmen, die ihre Produkte und damit
den Namen Mannheim in alle Welt liefern. Bilder: zg
Alte Namen mit neuem Schwung
Mannheim ist als traditionsreicher Industriestandort Sitz bekannter Weltkonzerne
Von unserem Redaktionsmitglied
Ulla Cramer
K
langvolle und traditionsreiche Namen prägen Mannheims Ruf als
wichtiger
Wirtschaftsstandort.
Knapp 44 000 Beschäftigte stehen auf den
Lohn- und Gehaltslisten der Industrie in der
Kurpfalzmetropole. Der erzielte Umsatz beläuft sich auf 11,65 Milliarden Euro. Und:
Mannheimer Produkte sind in aller Welt begehrt. Mehr als die Hälfte der Einnahmen,
über sechs Milliarden Euro, stammt aus dem
Export. 142 Industrieunternehmen mit über
20 Mitarbeitern sind in Mannheim ansässig.
Zu den Weltkonzernen mit Sitz in der
Quadratestadt gehört beispielsweise der
Bauriese BilfingerBerger, dessen Logo auf
Baustellen in aller Herren Ländern zu sehen
ist. Der zweitgrößte deutsche Baukonzern
nach Hochtief beschäftigt heute rund 55 000
Menschen und erzielt eine Bauleistung von
über sieben Milliarden Euro.
Einer der ganz Großen in seiner Branche
ist auch die Fuchs Petrolub AG. Das 1931 ge-
gründete Unternehmen gehört zu den weltweit bedeutendsten Anbietern von Schmierstoffen mit einem Konzernumsatz von 1,2
Milliarden Euro. Rund 4000 Mitarbeiter produzieren und vertreiben 10 000 verschiedene
Öle und Fette für die vielfältige Kundschaft,
die vom Bergbau bis zum Handel für Motorenöle reicht.
Frankreich, Tschechien, Ungarn der Slowakei sowie in Österreich, Rumänien, Polen
und Moldawien präsent ist. Mit Dessous befasst sich die Felina GmbH schon seit 1885,
nach ihren Anfängen als Korsettnäherei.
Heute stammt von dem Jahresumsatz von
über 50 Millionen Euro über die Hälfte aus
dem Export.
Ein echter „globaler Spieler“ ist auch die
Pepperl+Fuchs GmbH, die 3050 Mitarbeiter
zählt und einen Umsatz von 280 Millionen
Euro erzielt. Ihr Spezialgebiet sind elektronische Sensoren und Bausteine. Der Geschäftsbereich Prozessautomation ist internationaler Marktführer für eigensichere
Trennbausteine und Feldbussysteme. Bei der
Fabrikautomation ist man führender Hersteller einer breiten Palette optoelektronischer und Ultraschallsensoren.
Auch das Herz der Bauhaus-Gruppe
schlägt in Mannheim, das erste Baufachzentrum in Deutschland eröffnete Heinz G. Baus
1960. 185 Zentren zählen inzwischen zu der
Kette, davon 60 im Ausland. Der Umsatz beträgt rund 2,85 Milliarden Euro.
Süße Geschäfte macht die Südzucker AG:
Mit 40 Zuckerfabriken und zwei Raffinerien
ist sie die Nummer 1 in Europa. Rund 20 000
Beschäftigte arbeiten für das Unternehmen,
das außer in Deutschland auch in Belgien,
Natürlich haben auch weitere Weltkonzerne wie der Autoproduzent DaimlerChrysler,
der Elektrokonzern ABB, der Anlagenbauer
Alstom, das Pharmaunternehmen Roche Diagnostics, der Landmaschinenhersteller
John Deere und SCA Hygiene Products, die
unter anderem Zewawell herstellt, Mannheimer Wurzeln und zeigen in der Kurpfalz weiterhin Flagge. Ihre Hauptsitze sind nach
Übernahmen und Fusionen inzwischen jedoch in alle Welt zerstreut.
www.hwk-mannheim.de
400 Jahre Stadt Mannheim
Herzlichen Glückwunsch!
Proteste gegen Arbeitsplatzabbau, wie hier bei Alstom,
begleiten den Strukturwandel. Bild: Rinderspacher
Der Wandel kostet Jobs
Wirtschaftsentwicklung in Mannheim oft dramatisch
Von unserem Redaktionsmitglied
Gert Goebel
Der Ausspruch ist lapidar, doch er gilt uneingeschränkt für Mannheims Wirtschaftsentwicklung: Die einzige Konstante ist der
Wandel. Die Kommune hat in den letzten
Jahrzehnten einen dramatischen Wirtschaftswandel erlebt. Der immer größere
EU-Binnenmarkt, die zunehmende Globalisierung, der technologische Fortschritt
und die Entwicklung von der Industrie- zur
Dienstleistungsgesellschaft haben Mannheim und die gesamte Metropolregion
Rhein-Neckar erfasst und meist arg gebeutelt. Viele Arbeitsplätze, vor allem in traditionsreichen Industriefirmen, gingen verloren. Der Dienstleistungssektor konnte den
Aderlass nicht auffangen, so dass die
Mannheimer Arbeitslosenquote mit zuletzt
9,1 Prozent seit Jahren mit an der Spitze in
Baden-Württemberg steht.
Alteingesessene Firmen wurden Opfer
des Marktes, der Konzentration oder häufig auch ihrer eigenen Fehler. Bopp &
Reuther, einst ein Markenbegriff der
Mannheimer Wirtschaft, ist inzwischen
zerrupft und verteilt. Die deutsche ABB,
einst BBC, war vor Jahren mit fast 10 000
Mitarbeitern neben DaimlerChrysler der
größte Arbeitgeber in Mannheim. Heute
sind es gerade noch 2000 Beschäftigte im
Rhein-Neckar-Dreieck. Einige Firmenteile
wurden geschlossen, andere verkauft, so
der traditionsreiche Kraftwerksbau, der
bei Alstom landete und jahrelang durch
hohe Arbeitsplatzverluste auf sich aufmerksam machte. Da sind die Mitarbeiter
der ehemaligen Boehringer Mannheim
GmbH in puncto Wandel der Wirtschaft
vergleichsweise gut davongekommen. Sie
wurden zwar Opfer der Konzentration in
der Pharmaindustrie, fanden aber bei der
neuen Mutter Roche einen Partner, mit
dem sie bisher gut gefahren sind.
Auch die Dienstleister mussten angesichts wachsenden Konkurrenzdrucks rationalisieren und Personal abbauen. So haben die Banken und Versicherungen teilweise erheblich Mitarbeiter freigesetzt,
wobei allerdings auch manchmal hausgemachte Probleme mit im Spiel waren. Die
Mannheimer Versicherung etwa hatte sich
mit verfehlter Geschäftspolitik selbst ein
Bein gestellt und verlor damit ihre Selbstständigkeit. Und auch die Konzentration
forderte in der Mannheimer Dienstleistungsbranche ihren Tribut. Beispiel ÖVAVersicherung: Einst eine Perle des Mannheimer Wirtschaftslebens, ist sie inzwischen ein Anhängsel der SV-Versicherungen, gemanagt von Stuttgart aus.
Auch das ist ein lapidarer Spruch: Alles
ist relativ. Mannheim hat in den letzten
Jahren erheblich unter dem Wirtschaftswandel gelitten, doch in anderen Großstädten und Ballungsräumen verlief die Entwicklung ja nicht anders, oft sogar noch
schwieriger. Mannheim hat ohne Zweifel
Fehler gemacht, auf viele Entwicklungen
zu spät reagiert, beispielsweise „industriegeblendet“ den Dienstleistungssektor nur
zögerlich entwickelt. Doch viele große
Städte haben kaum besser gehandelt, nahmen ebenfalls zu spät die Herausforderungen des Wirtschaftswandels an.
Die Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald gratuliert
der Stadt Mannheim zum 400-jährigen Stadtjubiläum. Wir danken für
viele Begegnungen, interessante Gespräche, für gute Zusammenarbeit
und freuen uns gemeinsam auf die kommenden Jahre.
Dies wünschen wir im Namen von mehr als 11.700 Betrieben,
mit mehr als 84.000 Beschäftigten und 5.300 Lehrlingen.
Für das Stadtjubiläum 2007 ein gutes Gelingen!
Ein Projektbeitrag des Handwerks und des Stadtarchivs Mannheim:
„Mannheim und seine Bauten 1907-2007“
Eröffnung der Ausstellung am Samstag, den 17.03.2007, 18 Uhr in der
Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald, B1, 1-2.
Wir laden herzlichst ein!
29
01 MM MM MITTE 20070124 Prod Nr 333052 Seite 30
30
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
31
Rambazamba in den Quadraten
Eine Lehrstelle zu finden, ist zwar nicht nur für junge Ausländer schwierig – aber eben gerade für sie.
Einrichtungen wie das Interkulturelle Bildungszentrum – kurz „ikubiz“ – wollen deshalb vor allem jungen Leuten mit Migrationshintergrund den Weg in
die Arbeitswelt ebnen. Denn diese jungen Leute besäßen eben auch Stärken, die andere nicht haben,
wie „ikubiz“-Geschäftsführerin Beate Maas weiß.
„Sie sind zweisprachig und in zwei Kulturen zu
Hause. Das „ikubiz“ im Quadrat H 2, 2 bietet unter
anderem eine Beratung für Lehrstellenbewerber an
und versucht, auch Firmen von Migranten zum Ausbilden zu bewegen. Es gibt zwar noch viel zu tun für
Beate Maas, „aber es bewegt sich was“. Deutsche Betriebe würden in Mannheim zunehmend aufgeschlossener gegenüber ausländischen Azubis, und
auch so mancher ausländische Betrieb bilde inzwischen deutsche Jugendliche aus.
imo
1944
1945
Colors: black yellow magenta cyan
STADTJUBILÄUM 2007
Auf dem Sprung in den Arbeitsmarkt
Im November 1944 wurden aus verschiedenen Ortschaften und Städten Lothringens arbeitsfähige
Jungen und Männer zwischen 16
und 45 Jahren zusammengetrieben
und als Zwangsarbeiter nach
Mannheim beziehungsweise den
Rhein-Neckar-Raum deportiert.
Am 29. März besetzen US-Truppen
die Stadt. Die amerikanische Militärregierung setzt Josef Braun als
Oberbürgermeister ein, der im Mai
1945 einen Beirat aus je einem Vertreter der früheren Parteien SPD,
KPD und Zentrum zuzieht. Braun
hat sein Amt als OB bis 1948 inne.
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
16:39:41
Menschen aus aller Welt in Mannheim zuhause
1943
Bei dem bis dahin schwersten Luftangriff in der Nacht des 5./6. September werden rund 6000 Gebäude
zerstört, mehr als ein Viertel der
Bevölkerung wird obdachlos, 414
Tote sind zu beklagen. Bis zum
Ende des 2. Weltkriegs erlebt die
Stadt über 150 Luftangriffe; der
Zerstörungsgrad beträgt 51 Prozent. Rund 2000 Menschen kommen
bei den Bombardierungen um.
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
22. 1. 2007
„Die Welt zu Gast bei Freunden“ – dieses
Motto gilt in Mannheim nicht nur während
der Fußball-Weltmeisterschaft. Es wird gefeiert, wie die Feste fallen und davon gibt es
nicht zu wenige. Die Interkulturelle Wochen,
die Mini-WM vor dem Rosengarten, das Festival der Kulturen – Multi-Kulti-Partys gehören zum Stadtbild wie der Wasserturm. Ob
Samba, Bauchtanz, Salsa oder Mambo – rund
um die Quadrate tanzen alle Kulturen gemeinsam im Kreis. Menschen aller Herkunft
rücken näher zusammen, suchen Austausch,
scheuen aber auch nicht die Kritik aneinander. Letztlich setzen aber alle auf eine Karte
und versuchen, bei gemeinsamen Festen zu
triumphieren. Wie das funktioniert, erlebte
ganz Mannheim im Juli 2006, das „Sommermärchen“ wurde trotz der Niederlage der
deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit
einem Happy End gefeiert. Vom Auftaktspiel
bis zum Finale fieberte die ganze Stadt mit ihren Mannschaften. Italienische Lokale zeigten
sich im Siegesrausch, Argentinier trauerten
zwischen jubelnden deutschen Fans, Brasilianer zogen bei Sambarhythmen durch die Straßen, und alle Türken zogen begeistert mit, obwohl ihre Mannschaft diesmal gar nicht dabei
war. Eine Fußball-WM oder -EM ohne Autokorso rund um den Wasserturm – mittlerweile
undenkbar. Genauso wie die Stadt Mannheim
ohne ihre ausländischen Mitbürger.
abo
Gelungene Form der Integration: Im türkischen Restaurant Otantik von
Inhaber Hasan Yüzüak (rechts) absolviert Uwe Oelschlägel eine Ausbildung
zum Restaurantfachmann. Bild: Proßwitz
Einer jubelt immer
In Mannheim leben Menschen aus 170 Nationen
1946
Sie sind Türken, Spanier, US-Amerikaner, Chinesen, Ukrainer, Norweger oder Inder, aber eines haben sie gemeinsam: Sie alle sind Mannheimer.
Männer und Frauen aus 170 Nationalitäten leben
in der Quadratestadt, mit knapp 63 000 hat rund
ein Fünftel der Bewohner keinen deutschen Pass.
Weitere 30 000 besitzen das Dokument zwar, kommen aber ursprünglich aus einem anderen Land.
Aus der ersten Gemeinderatswahl
nach dem 2. Weltkrieg geht die SPD
als stärkste Partei (40 Prozent) hervor; die CDU erhält 34,8 Prozent,
die KPD 17,7 Prozent und die DVP
7,5 Prozent der Stimmen.
1948
Die größte nichtdeutsche Bevölkerungsgruppe
stellen die Türken mit rund 20 000, gefolgt von den
Italienern (rund 8000) sowie Menschen aus dem
ehemaligen Jugoslawien und Polen. Mannheim ist
damit eine der wenigen Städte, in der bei einer
Fußball-Weltmeisterschaft garantiert immer einer
jubelt – egal, wer spielt und wer gewinnt. Diese
Seite soll das Zusammenleben der Kulturen in der
Stadt illustrieren. Auch wenn in Sachen Integrati-
Bei der ersten Direktwahl des Oberbürgermeisters setzt sich
Fritz Cahn-Garnier (SPD) durch.
1949
Der VfR Mannheim wird
Deutscher Fußballmeister.
on noch viel zu tun ist – so mancher Kindergarten hat einen Migrantenanteil von über
80 Prozent, und ausländische Jugendliche haben immer noch Schwierigkeiten, eine Lehrstelle zu finden–, gibt es doch auch positive
Ansätze: Um die Moschee am Luisenring etwa
tobte anfangs ein heftiger Streit, mittlerweile
gehört sie zu den Sehenswürdigkeiten. Oder
die ausländischen Betriebe – sie bilden inzwischen einen starken Wirtschaftsfaktor in der
Stadt.
Dennoch gibt es noch jede Menge zu tun,
wie der städtische Ausländerbeauftragte
Claus Preißler weiß. Mannheim müsse das soziale und kulturelle Potenzial seiner vielen
Nationen noch stärker nutzen, findet er. Die
Migranten müssten noch mehr anerkannt
werden und dazugehören.
imo
So feiern Italiener: Obwohl Mannheim bei der Fußball-WM
nach dem Aus für die deutsche Nationalmannschaft trauerte,
ging die Freude der Südländer nicht unter. Bild: Proßwitz
Wichtiger Wirtschaftsfaktor
1951
Die Mehrheit der Wähler (63 Prozent) stimmt für den Südweststaat
und gibt damit den Ausschlag für
die Bildung des Landes BadenWürttemberg.
1957
Der Neubau des Nationaltheaters
auf dem Goetheplatz wird eingeweiht. Bei einer Generalrenovierung 1992-94 wird ein zweiter Bühnenturm (für das Schauspielhaus)
errichtet. Eine weitere Spielstätte
entsteht 2000 in den Räumen des
unter dem Theatergebäude liegenden Bunkers.
1964
Der Grundstein für den Stadtteil
Vogelstang wird gelegt; 1987 leben
dort rund 15 000 Bewohner.
Lange Freundschaft mit Zukunft
Es war kein Mannheim-Tourist wie jeder
andere, der Mitte April 1788 im Pfälzer Hof
am Paradeplatz abstieg und von dort aus
einen Abstecher nach Käfertal unternahm.
Es war der Autor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, der Pariser Botschafter und spätere dritte US-Präsident,
Thomas Jefferson (1743-1826), der es sich
seinerzeit wohl kaum träumen ließ, dass
die Truppen seines Landes einmal die
Stadt Mannheim einnehmen und ausgerechnet in Käfertal ihr Hauptquartier aufschlagen würden. Und doch: 157 Jahre später, am 29. März 1945, schrieb Mannheim
Militärgeschichte: Weltweit erstmals kapitulierte eine Stadt telefonisch, die
44. Army-Division rückte mit ihren Sherman-Tanks ein. Bald waren aus den Feinden Befreier, Bündnispartner und Freunde
geworden. Noch heute sind rund 15 000
Amerikaner in Mannheim stationiert, ein
gutes Drittel davon Soldaten unter Waffen.
Die Panzerdivisonen, die noch bis in die
achtziger Jahre hinein im Käfertaler Wald
übten, wurden zwar längst abgezogen, die
Garnison ist aber eines der wichtigsten
Drehkreuze für den Materialnachschub der
amerikanischen Militäreinsätze auf dem
Balkan und im mittleren Osten. Und viele
US-Boys sind hier hängen geblieben, haben nach ihrem Militärdienst in der Kurpfalz eine neue Heimat gefunden. Die Präsenz der Truppen im Stadtbild hat seit den
Nachkriegsjahrzehnten zwar abgenommen, das amerikanische Wohnviertel ist
seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 nicht mehr frei zugänglich.
Freunde sind sie aber geblieben, die Mannheimer und ihre Amis. Und an Jeffersons
Käfertal-Trip – er besichtigte in dem Bauerndorf bei Mannheim einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb – erinnert heute eine Straße im nahe gelegen BenjaminFranklin-Village.
lang/Bild: zg
In Mannheim leben über 22 000 türkische Mitbürger, die mit ihren Geschäften und Läden –
vor allem in der Innenstadt und im Jungbusch – das Gesicht der Stadt prägen. Bild: Stadt Mannheim
Kurfürst Friedrich IV. legte vor 400 Jahren den Grundstein für seine Residenzstadt Mannheim. Schon damals boten die Quadrate einem bunten
Völkergemisch eine Heimstatt: Französische Hugenotten, deutsche Katholiken und portugiesische Juden siedelten sich an. Auch heute noch lebt und
arbeitet in Mannheim eine multikulturelle Gesellschaft. Bei knapp 63 000
ausländischen Mitbürgern stellen die Türken mit rund 20 000 die größte
Gruppe, der wirtschaftlich große Bedeutung zukommt.
Als erste Stadt in Deutschland hat Mannheim im April 2004 ein
Deutsch-Türkisches-Wirtschaftszentrum eröffnet (dtw). Dort bekommen
türkische Existenzgründer und junge Unternehmer Unterstützung in den
einzelnen Phasen ihrer Existenzgründung mit dem Ziel „einer nachhaltigen wirtschaftlichen Integration der türkischstämmigen Einwohner“
Mannheims. So zumindest beschreibt es der Fachbereich für Wirtschaftsund Strukturförderung der Stadt Mannheim, neben dem türkischen Unternehmerverein, der IHK Rhein-Neckar und der Handwerkskammer
Mannheim Kooperationspartner des dtw. Mit den Mitteln der EU, des Landes Baden-Württemberg und der Stadt wird dieses Projekt finanziert.
„Überdurchschnittlich viele Türken wagen den Schritt in die Selbstständigkeit. Die Tendenz dazu ist ausgeprägter als bei Deutschen“, berichtet dtw-Projektmanager Kanber Altintas. Das erklärt er sich zum einen
aus der unterschiedlichen Mentalität: „Selbstständig zu sein ist für türkische Arbeitnehmer nichts Besonderes.“ Andererseits würden sie wirtschaftlichen Zwängen unterliegen. „Der Bildungsgrad ist oft nicht besonders ausgeprägt“, führt Altintas aus. Zudem sei der türkische Anteil an der
arbeitslosen Bevölkerung Mannheims mit zwölf Prozent sehr hoch.
Knapp 600 türkische Selbstständige gibt es in Mannheim. Vor allem im
Handel und Gastgewerbe sind sie stark vertreten, aber auch im Baugewerbe und Kreditwesen. Nahezu die Hälfte der Unternehmen konzentriert
sich laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim (ifm) auf Innenstadt und Jungbusch und verleihen der
Stadt ihr unverwechselbares Flair.
fl
Die (noch) größte Moschee der Republik
Sie gehört zu den Sehenswürdigkeiten in der
Stadt, und das nicht nur, weil sie das bislang
größte türkische Gotteshaus in Deutschland ist:
Rund 2500 Gläubige können unter der prächtigen Kuppel der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee
am Luisenring gemeinsam beten. Ihre Planung
Anfang der 90er Jahre sorgte bei vielen Mannheimern für große Ängste, gerade auch weil der
Islam für sie eine große Unbekannte war. Kirchen, Stadt und der Islamische Bund als Betreiber reagierten darauf mit Aufklärung und machten deutlich, dass in der Moschee genau dasselbe
passiere wie in einer christlichen Kirche auch –
nämlich Gottesdienst, Gebet und Seelsorge.
Diesen Weg ging man auch weiter, als das Gebäude mit dem schlanken Minarett fertig war:
Das eigens gegründete Institut für Deutsch-Türkische Integrationsstudien und Interreligiöse
Arbeit mit seinem Leiter Talat Kamran bietet seit zwölf Jahren Führungen an, mehr als
300 000 Besucher kommen pro Jahr in das
muslimische Gotteshaus. Mittlerweile gibt
es in Mannheim gut ein Dutzend Moscheen,
darunter eine bosnische, und eine pakistanische. Bei dem Thema kämen zwar in vielen
Gebieten der Stadt immer noch Ängste
hoch, weiß Talat Kamran. Aber generell sei
man in Mannheim inzwischen viel weiter als
anderswo. „Das kommt vielleicht vom liberalen Geist des Kurfürstentums.“
So weit, so gut. Nur eines trübt das Ganze.
Ausgerechnet im Jubiläumsjahr wird die
Yavuz-Sultan-Selim-Moschee ihren Titel
als größte in der Republik verlieren. In Duisburg öffnet demnächst ein noch größeres
Gotteshaus.
imo/Bild: Proßwitz
32
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
1972
Mit der Kurt-Schumacher-Brücke,
einer 434 Meter langen Hängekonstruktion an einem 84 m hohen Pylon, wird ein zweiter Rheinübergang im Stadtgebiet geschaffen.
Hochreservoir stolzer Gefühle
Sturm auf den Wasserturm: Abstimmung im „MM“ rettete das Wahrzeichen
Von unserem Redaktionsmitglied
Susanne Räuchle
Die Stadtwerke und die Verkehrsbetriebe werden als Aktiengesellschaften in eine GmbH unter dem
Namen Mannheimer Versorgungsund Verkehrsgesellschaft (MVV)
eingebracht. 1999 erfolgt der Börsengang der MVV Energie AG.
1975
Der Fernmeldeturm am
Luisenpark wird eingeweiht. Im Luisen- und im
Herzogenriedpark findet
die Bundesgartenschau
statt. Sie zieht über sieben Millionen Besucher
an. In den Planken wird
eine Fußgängerzone eingerichtet; sie wird 1979
auf die Breite Straße
zwischen Paradeplatz und Kurpfalzbrücke ausgedehnt.
1985
Der Maimarkt, größte regionale
Ausstellung für Landwirtschaft,
Handel, Handwerk und Industrie in
der Bundesrepublik, findet erstmals
auf dem neuen Gelände im Mühlfeld statt.
1987
Nach langen Diskussionen und
einem Bürgerentscheid (1986) wird
mit dem Neubau eines Stadthauses
auf dem Quadrat N 1 am Paradeplatz begonnen (1991 fertig gestellt). Die gleichzeitige Umgestaltung des Paradeplatzes wird 1993
mit der Wiederaufstellung der restaurierten Grupello-Pyramide abgeschlossen. Die Jüdische Gemeinde weiht ihr Gemeindezentrum mit
Synagoge in F 3 ein.
sche Gemäuer soll befreit werden vom Ballast der Schnörkel und Engelfiguren!
Im Mai 1956 entscheidet sich das honorige Preisgericht für ein gemäßigtes Turmeg mit den Putti und Girlanden, modell von Rolf Volhard, der einen „Waszerschlagt den Kitsch des vergan- serkopf“ auf den alten Rumpf implantieren
genen Jahrhunderts und baut in will. 10 000 Mannheimer staunen Bauklötneuer Zeit auf neue Formen! Vor 50 Jahren ze über die Turm-Fantasmen, verdrehen
rüttelte der Zeitgeist allen Ernstes am die Augen und blasen zum Gefecht. Der
Wasserturm, wollten die Zukunftsvisionä- „Mannheimer Morgen“ gibt dem Leserre im gestalterischen Übereifer das Mann- brief-Drängen seitenweise Raum, aufheimer Wahrzeichen kippen und den schäumende Wasserturm–Emotionen füllen 1956 die SpalFriedrichsplatz mit
ten, und die Aktion
einer extravaganten
„,MM’“-Leser sagen
architektonischen
1963 kommt es
ihre,WasserturmTurmvariante krözur „zweiten Krönung“
Meinung‘“
stärkt
nen. Doch die umdas
Wir-Gefühl:
stürzlerischen Plä4868 Leser stimmen
ne der Modernisten
wuchsen nie über das Blaupausen-Stadium ab, 84 Prozent plädieren für die altvertrauhinaus: Massiver Bürgerprotest und ein te Gestalt, die seit 1889 als Stilikone das
groß angelegter Feldzug des „Mannheimer Bild der Stadt prägt. Nur sieben ProMorgen“ im Mai 1956 fegten alle Turm- zent machen bei der Volhard-Mutante ihr Kreuzchen.
Phantome vom Reißbrett.
„Eindeutiger als die OBDie Mannheimer retteten sich einen letz- Wahl“ sei das Ergebnis, titelt
ten Rest der städtebaulichen Identität und damals
„MM“-Redakteur
sind heute stolz auf die prachtvolle Er- Heinz Schneekloth. Und
scheinung mit Kupferhut und Sandstein- stellt die bedrohte Turmkleid, auf ihr „dickes Schoßkind“. Das war Art unter den Schutz des
am 12. August 1889 nach vielen Misstönen Bürgerwillens. Das grämt
zwischen Architekt Gustav Halmhuber das Preisgericht, Gemeindeund dem Spezialingenieur für Wasserver- rat und Architekten schweisorgung, Oskar Smerker, aus der Taufe ge- gen, das Provisorium bleibt.
hoben worden und hielt fortan als HochreAm Ende triumphiert der
servoir lokalpatriotischer Gefühle die Stel- bescheidene Untertanengelung. Selbst ein Volltreffer in der fatalen schmack über hochfliegende
Bombennacht vom 5. auf 6. September Pläne: Auf den Entwurf
1943 konnte seine trutzige Standhaftigkeit Nummer 90, von der Jury gar
nicht wirklich erschüttern, wie ein letzter nicht beachtet, wird gebaut.
Stummel von Alt-Mannheim ragte der Die Neuostheimer ArchitekTurm aus den Ruinen, mit einem Notdach ten Ferdinand und Heinrich
Mündel haben in freiwilliger
wurde der Torso provisorisch gedeckelt.
Unterwerfung vor der TradiDoch als der Holzhut nach etlichen Jah- tion die leicht abgeänderte
ren modert, immer wieder Steine von der Urform als Skizze eingeAttika auf die Erde krachen, werden 1955 reicht.
neue Angriffe auf den Wasserturm gestartet: Die Stadt schreibt einen Wettbewerb
aus, will Ideen für den Wiederaufbau und
eine Tankaufstockung sammeln. 116 Architekten entwickeln zum Teil abenteuerliche Vorstellungen, Skylab-Varianten,
schwungvoll-kreative Kugelformen, korkenzieherartige Modelle, biedere Rundformen. Trotz der Verschiedenheit steckt in
allen Entwürfen ein Gedanke: Das histori-
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1974
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
In einem zur Parkseite geöffneten Arkaden-Café wollen sie neues Lust- und Lebensgefühl rund um den Turm aufleben
lassen. Diese gastliche Stätte bleibt zwar
ein schöner Turmtraum. Doch ansonsten
darf sich inmitten der Jugendstil-Prachtanlage die alte Herrlichkeit mit zeitlichem
Abstand wieder aufrüsten. 1960, als der
Wasserspeicher nur noch eine Notfunktion
erfüllen muss, spricht sich endlich der Leiter des Hochbauamtes, Heinrich Willing,
für den Erhalt des Wahrzeichens
aus: „Gerade in Deutschland haben wir erfahren, wie gefährlich
es auf jedem Gebiet ist, Werte zu
beseitigen, bevor man wirklich
Ersatz dafür gefunden hat.“
An einem Novembermorgen
1963, 20 Jahre nach dem
Bombentreffer, kommt es
zur zweiten Krönung. Das
Dach rundete sich wieder
in seiner Halmhuberschen Form und am
Arm eines Riesenkrans
schwebt
Amphitrite
II.
ein. Inthronisation einer goldenen Meeresgöttin die
bis heute über
Mannheim
strahlt. Allerdings
nicht
mehr mit brennender
Inbrunst: Die erste
Turmfigur
hatte an den
Spitzen
ihres
Dreizacks Düsen, aus denen
zu besonderen
Anlässen
Gas
entströmte.
Richard Engelhorn
Bild: Rt
. . . ist für mich nicht nur meine
Heimatstadt, sondern mein Lebensmittelpunkt
seit
über
60 Jahren. Durch die Entwicklung der Metropolregion hat sie
eine völlig neue Bedeutung bekommen. Es ist für mich die große Sorge, dass die Stadt sich entsprechend dieser neuen Aufgabe
ausreichend dynamisch entwickelt.
❋
Richard Engelhorn,
geschäftsführender
Gesellschafter
des Modehauses Engelhorn
Nach dem Krieg vom Abriss
bedroht, doch vom Bürgerwillen
aufrecht gehalten:
das Wahrzeichen Wasserturm.
Bild: Proßwitz
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400 Jahre Mannheim –
eine Stadt feiert Geburtstag
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
33
STADTJUBILÄUM 2007
Zeigt sich in
neuem Glanz:
der Alte Messplatz
mit Wassergarten
undBaumbestand.
Bild: Proßwitz
Achse bringt Schwung ins Zentrum
Drei städtebauliche Großprojekte verändern das Gesicht Mannheims / Etliche Vorhaben bleiben unverwirklicht
Von unserem Redaktionsmitglied
Anke Philipp
ebenfalls neu gestalteten Kurpfalzkreisel
und dem Paradeplatz zum Einkaufsbummel ein.
D
Nach zehn Jahren intensivem städtebaulichen Planungsprozess könne sich das
Erreichte sehen lassen, glaubt man im
Rathaus und ist stolz auf das Ergebnis.
Auf städtischer Haben-Seite lassen sich
as Jubiläum einer Stadt bietet
nicht nur die Gelegenheit zur
Selbstdarstellung, sondern ist auch
Anlass, über Vergangenes und Zukünftiges
nachzudenken: Gegen Ende der 90er Jahre
hat sich daher die Kommunalpolitik die innerstädtische Wiederbelebung zur Zukunftsaufgabe gemacht, zum Jahrtausendwechsel das Reparatur-Vorhaben „Kurpfalzachse“ aus der Taufe gehoben. Bis
2007, so die Absicht, sollte die City zwischen Schloss und Altem Meßplatz aufgemöbelt, Lebens-, Wohn- und Einkaufsqualität gestärkt werden.
Wie soll Mannheim am 24. Januar 2007,
genau 400 Jahre nach der Verleihung der
Stadtrechte, aussehen? So lautete am Beginn die zentrale Frage. Sieben Arbeitskreise schlugen erste Pflöcke ins Dickicht
unendlicher Möglichkeiten. 83 Vorschläge
wurden zu einem Bündel mit 38 Themenschwerpunkten geschnürt. 2002 erwuchs
Investitionen werden auf
21 Millionen Euro eingedampft
daraus der städtebauliche Realisierungswettbewerb „Kurpfalzachse Mannheim –
vom Schloss bis zum Alten Messplatz“ mit
den Aufgabenschwerpunkten Umgestaltung der Breiten Straße, des Kurpfalzkreisels, des Alten Messplatzes, der Zugänge
zum Neckar und der Attraktivierung des
Neckarübergangs. Dabei ging es nicht nur
darum, Plätze und Fassaden ein wenig zu
liften. Vielmehr plädierten die Bewohner
dafür, das Umfeld der Breiten Straße mit
zu betrachten, die Neckarstadt wieder an
die City anzubinden. Die Einzelhändler
sprachen sich für eine Standortstärkung
mit konsequenter Imagepflege aus.
Bis 2007 haben Stadt, Land und EU
schließlich einiges investiert: In einem
breiten Diskussionsprozess mit der Bürgerschaft ist es vor allem gelungen, im
Städtebau Akzente zu setzen. So lädt die
neue Promenade hinter Pop-Akademie
und Musikpark am Verbindungskanal
zum Verweilen ein. Urbane Aufenthaltsqualität mit Bäumen und Wassergarten ist
auch auf dem sanierten Alten Messplatz
entstanden, in der Innenstadt lädt die aufgemöbelte Kurpfalzachse zwischen dem
Nicht jeder mag in
die Jubelarien einstimmen
schließlich noch weitere Jubiläums-Errungenschaften verbuchen: Zur Kurpfalzachse kommt die bereits mehrfach ausgezeichnete
Jungbusch-Quartierentwicklung, die Sanierung des Friedrichsplatzes,
das renovierte Zeughaus oder der Dachausbau des Schlosses. Nach zehn Jahren
(im April 1996 wurde die erste 2007-Geschäftsstelle eröffnet) sei das Ganze auf jeden Fall ein „hervorragendes Gesamtergebnis“, findet denn auch Mannheims
Baudezernent Lothar Quast, der seit Anbeginn den Prozess begleitet hat.
Aber natürlich mag nicht jeder in die
Tonlage der 2007-Jubel-Arien einstimmen: Kritiker bemängeln, dass nach dem
langen, offen gestalteten Planungsprozess
eine „große Klammer“ beim Projekt-Sammelsurium ebenso wenig erkennbar sei,
wie eine vernünftige Perspektive für die
Zukunft der Stadt. Vor allem das Motto
„Stadt an den Flüssen“ (das sieben bürgerschaftliche Arbeitskreise 1999 entwickelten) sei nicht umgesetzt: Zugang zum
Rhein, Wohnen am Wasser, Gestaltung
von Freiräumen am Fluss – Fehlanzeige.
Jenseits der Breiten Straße fiel die Gestaltung der Seitenstraßen ebenso aus dem
2007-Gesamtpaket wie die Aufwertung
des Neckarufers. Das so genannte „Haus
der Möglichkeiten“, eine Weiterbildungseinrichtung, die den Endpunkt der Kurpfalzachse im Norden und ein Pendant zur
Schloss-Universität markieren sollte,
blieb ebenso auf der Strecke wie die Aufwertung der Schlossgartenstraße. Wenig
erfreulich ist auch, dass im Jungbusch das
private Investment, das einst den Ausschlag für die Pläne am Verbindungskanal
gab, nicht in Gang kam, die herunter gekommene Kauffmannmühle das Bild vom
neuen Stadteingang im Westen erheblich
trübt. Eigentlich sollten dort moderne
Lofts das Wohnen am Wasser ermöglichen, die Zunft AG neue Arbeitsplätze im
klein gewerblichen Bereich schaffen.
Insgesamt wurden die ambitionierten
2007-Pläne 2003 aufgrund anderer finanzieller Verpflichtungen der Stadt von über
40,5 Millionen Euro auf die Hälfte, also
Die Stadt spricht von einem
hervorragenden Ergebnis
auf 21 Millionen Euro, eingedampft – zum
Schrecken derer, die über Jahre in Arbeitskreisen, Workshops und Bürgerversammlungen die Entwicklung voran getrieben hatten. Außen vor blieb beispielsweise die Fortführung der Promenade im
Jungbusch bis an den Rhein
oder auch der Kurpfalzachsen-Abschnitt bis zur Bismarckstraße. Eine städtebauliche Light-Version, die
so manchem gar nicht mehr
schmeckte.
Am Ende sei von einst
hochfliegenden Jubiläumsplänen lediglich ein Stück
Stadtreparatur übrig geblieben, kritisieren viele. Vom
„Scherbenhaufen“
war
ebenso die Rede, wie vom
„Ende der Träumereien“.
Vor allem viele Bürger wendeten sich enttäuscht ab.
„Ein paar Bäume und
Leuchten, dass kann’s doch
nicht sein“, bemängelte beispielsweise der Bürger- und
Gewerbeverein in der östlichen Innenstadt.
Mittlerweile hat man sich
aber mit dem abgespeckten
Maßnahmenkatalog arrangiert, hofft, dass die verbliebenen Maßnahmen nicht auf
Nimmerwiedersehen in den
Amtsschubladen verschwinden. So soll ein Entwicklungskonzept Innenstadt ans
Erreichte anknüpfen und
Ideen für die Stadt von Morgen zu einer Art Leitbild zusammenfügen.
Noch 2007 wollen die Akteure konkret sagen, welche
Impulse sie mitnehmen und
mit welchen Konzepten die
Stadt ihre Zukunft bewältigen kann. Was am Ende
dann auch immer vom Jubiläum übrig bleiben wird, eines gilt ganz gewiss über
2007 hinaus: Die Erkenntnis, dass Menschen und Kapital sich nur dann in der Stadt wohl fühlen, wenn die Innenstädte über ansprechende Plätze, zeitgemäße, neue Wohnformen und Arbeitsplätze verfügen.
Wird im Frühsommer
eingeweiht:
Die Promenade im Jungbusch.
Bild: Tröster
169 Architekturbüros bewarben sich
für den 2002 ausgelobten
städtebaulichen Realisierungswettbewerb „Kurpfalzachse Mannheim –
Vom Schloss bis zum Alten Messplatz“.
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34
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
1988
Das Reiß-Museum erhält in D 5
einen Neubau für die Abteilungen
Archäologie und Völkerkunde.
1990
Das Landesmuseum für Technik
und Arbeit wird eröffnet.
1993
Mit dem Bau der „B-Linie“, einer
Straßenbahnverbindung vom
Hauptbahnhof über den Lindenhof
nach Neckarau-West, beginnt die
Mannheimer Verkehrsgesellschaft
AG ihre größte Neubaumaßnahme
nach dem 2. Weltkrieg.
1994
Das umgebaute Carl-Benz-Stadion
wird seiner Bestimmung übergeben.
2001
Der MERC, seit 1996 unter dem
Namen „Adler Mannheim“,
gewinnt zum 5. Mal nach 1980,
1997,1998 und 1999 die deutsche
Meisterschaft im Eishockey.
2002
Mannheim wird Standort der ersten
Popakademie, die 2003 ihren Studienbetrieb aufnimmt und 2004 einen
Neubau an der Hafenstraße bezieht.
2003
Auf den Planken wird das Holocaust-Mahnmal enthüllt.
2005
Die Region Rhein-Neckar-Dreieck
mit Mannheim im Zentrum wird als
„Europäische Metropolregion“
anerkannt.
Die SAP Arena im Bösfeld nimmt
ihren Betrieb auf.
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
Glückwunsch zum 800. Geburtstag!
In 400 Jahren feiert Mannheim schon wieder – Ein Fremdenführer führt uns im Jahr 2407 durch seine Heimatstadt
Von unserem Redaktionsmitglied
Heiko Brohm
W
illkommen in Mannheim! Wir
starten unseren kleinen Jubiläumsrundgang hier auf den Planken – einer rund um die Uhr geöffneten
Einkaufsstraße – und laufen zum Friedrichsplatz. Schon von hier aus sehen Sie die
belebten Wiesen rund um den alten Wasserturm. Vorsicht, die Dame! Machen Sie
sich die Füße nicht nass, es herrscht gerade
Flut. Die Liegewiese in der wunderschönen
Jugendstilanlage haben die Mannheimer
Stadtväter im Jahr 2100 angelegt, im gleichen Jahr wurde auch die Riesenrutsche
aus dem oberen Wasserbecken im Wasserturm gebaut. Damals höchst umstritten,
gilt die Anlage heute als schönste innerstädtische Badelandschaft Deutschlands.
Sand aus den Schuhen,
wir laufen zur Widder-Plaza!
Der Strand ist übrigens noch nicht immer
hier – der Ozean hat sich erst vor gut 250
Jahren bis hierhin ausgebreitet, Folge der
damaligen Klimaerwärmung. Was haben
die sich gesorgt früher, aber ehrlich: Die
hessische Adria will doch keiner mehr hergeben. Wo wir heute Beachvolleyball spielen, war einmal gepflegter Rasen.
Hier auf der Landzunge weiter geradeaus stößt man übrigens auf ein historisches
Planetarium, in dem man noch heute sehen
kann, wie sich die Menschen früher das
Universum vorgestellt haben. Die dachten
wirklich noch, die Sterne wären unerreichbar. Ich wollte meine zwei Wochen SaturnRing-Surfen all inclusive nicht missen,
aber das gehört nicht hier her.
Zurück auf unseren Rundweg. Schütteln
Sie sich etwas den Sand aus den Schuhen,
wir laufen zur Widder-Plaza mitten in der
Innenstadt. Dort steht das Stadthaus, Version-2407. Es ist bereits der 13. solche Bau
an dieser Stelle. Angefangen hat alles vor
über 400 Jahren, doch keines der Häuser
hat seitdem länger als 40 Jahre gehalten.
Mal sah es schlecht aus, mal wollte keiner
sein Geschäft darin unterbringen, und
manchmal sogar beides. Der heutige Bau
wurde nach einer Bürgerbefragung erstellt.
Dumm nur: Er ist marode und gefällt schon
niemandem mehr. Vergangene Woche sind
sogar die Stadträte wütend aus dem Gemeinderatssaal gezogen, weil unter zwei
Mitgliedern der Stuhl zusammenbrach. Allerdings behaupten einige, dass das gar
nichts mit dem Bau, sondern mit der Sägelust einiger Parteifreunde zu tun habe. Wie
dem auch sei, das Stadthaus, Version-2407,
zumindest wollen einige nun abreisen und
an dieser Stelle eine Tiefgarage für Raumgleiter errichten. Fände ich gut, bei den
Parkplatzproblemen.
Wir schlendern weiter auf unserer kleinen Stadtführung den Ring entlang zum
Alten Hauptbahnhof. Früher hielten hier
noch echte Züge, bis die Stadt im Jahr 2031
mit dem „Metropol-Bypass“ komplett von
der Anbindung abgekoppelt wurde. Folge
war ein jahrzehntelanger Streit („Milchkannen-Scharmützel“) und schließlich die
Unabhängigkeit des Metropolverbundes
Rhein-Neckar-Main–Donau. Heute heben
von hier die Raumgleiter ab, damit ist
Mannheim natürlich viel näher an den Rest
der Welt herangerückt, weil das ja klar ist.
Zum historischen Schloss, das seit Jahrhunderten die berühmte Mannheimer Popakademie beherbergt, sind es nur einige
Schritte. Früher war hier die Universität
untergebracht, bevor die Wirtschaftshochschule in ein kleines Gebäude am Stadtrand umzog. Hier studieren über 40 000
junge Menschen Lasergitarre und Cybersingen. Die Kammer-Popgruppe, die mit
aufwändig restaurierten, historischen EGitarren arbeitet, genießt weltweit Anerkennung. Erster Rektor der erweiterten
Pop-Schlosshochschule war Xavier Naidoo, Vater der neuen Mannheimer Schule,
nach ihm ist die Akademie heute benannt.
Hier, neben dem Denkmal für unsere
Partnerstadt Xylan Beta-3 auf dem Mars,
steht direkt eine Beam-Station, lassen Sie
uns schnell in den Südosten der Stadt
springen.
Mannheims
Bankenviertel
wächst hier in den Himmel, wo früher offenbar Felder waren oder sich Menschen
versammelten, wir wissen es nicht so genau. Bei den Bauarbeiten für einen Wolkenkratzer sind kürzlich Überreste einer
alten Kuppelhalle entdeckt worden. Archäologen rätseln zurzeit über den Sinn des
Ganzen. Möglicherweise handelt es sich um
eine Art Kultsstätte. Man weiß es nicht,
was die damals so getrieben haben, um die
Jahrtausendwende. Besonders seit im digitalen Archiv der Datenwurm gewütet hat.
Dazu zum Abschluss noch eine Anekdote: Früher war in Mannheim nur die Innenstadt quadratisch – wie man es jetzt noch in
der Altstadt besichtigen kann, dazu gibt’s
aber eine andere Führung. Wohl erst nach
dem 400. Stadtjubiläum wurde die ganze
Stadt in Quadrate aufgeteilt. Doch – dem
Datenwurm sei Dank – wissen wir nicht
mehr, wer der Urheber war. Irgendwelchen
Wirrwarr hat er hinterlassen, „Kurzwellenfelder“, oder so.
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Das Schachbrett-Rätsel
Oft schwer verständlich: Mannheim ist in Quadrate eingeteilt
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Von unserem Redaktionsmitglied
Peter W. Ragge
Man glaubt manchmal, das staunende Gesicht durch die Telefonleitung hindurch zu
spüren: Was Goethe „gleich und heiter“
nannte, kommt Fremden gleich so vor, als
würde man sie auf den Arm nehmen wollen
– Mannheims Bauweise in Quadraten. Tatsächlich kann hier eine Adresse eben auch
R 1,4-6, J 6,8 oder E 4,12 lauten. „Wir haben keine Straßennamen – wie in New
York“, muss man dann erklären.
Das geht zurück auf die Stadtgründung
1606 durch Kurfürst Friedrich. Den Plan
dazu fertigte der niederländische Baumeister Bartel Janson, der sich wiederum am
Schachbrettmuster der Renaissance-Idealstadt des Italieners Pietro Cataneo orientierte. Nach zwei Zerstörungen (im Dreißigjährigen Krieg und im Orleanschen
Krieg) baute der niederländische Festungsbaumeister Coehorn Mannheim ab 1697
wieder auf, erneut in Quadraten, weshalb
Architekten lange von der „Idealstadt“
sprachen und Goethe schwärmen konnte,
die Stadt sei „gleich und heiter“ gebaut,
fast wie ein Schachbrett.
Allerdings sind die Quadrate nicht ganz
quadratisch, sondern Rechtecke, manchmal auch Dreiecke, Romben. Innerhalb des
so genannten „Rings“, wo früher die Festung verlief, gibt es 144 Quadrate. Hier
darf auch kein Gebäude, Kirchtürme ausgenommen, höher als das Schloss sein –
sprich vier Stockwerke. Diese Order des
Kurfürsten gilt bis heute.
Die Nummerierung gibt Besuchern zwar
immer wieder Rätsel auf, aber man versteht
sie ganz leicht, wenn man sich dabei nur in
die Position des im Schloss residierenden
Herrschers versetzt – darauf ist sie ausgerichtet. Die vom Schloss aus links der Breiten Straße stehenden Häuserblocks tragen
die Buchstaben A bis K, rechts L bis U. Innerhalb dieser Reihen sind die Quadrate
dann jeweils von der Breiten Straße nach
außen Richtung Ring mit Zahlen in aufsteigender Folge gekennzeichnet (A 1, A 2, A 3).
Lange waren die Quadrate aber lediglich
mit römischen Ziffern versehen, Buchstaben verwendete man erst nach der Neuvermessung ab 1730. Im Jahr 1798 versah man
die Wohnblocks mit den Buchstaben des
Alphabets (zunächst von A bis Z; heute von
A bis U), seit 1811 gilt die heutige Zählung.
Auch Hausnummern gibt es: Die Zählung beginnt jeweils an der zum Schloss
zeigenden Straßenecke mit der Nummer 1
und geht dann rund ums Quadrat; in den
Reihen A bis K gegen, bei L bis U mit dem
Uhrzeigersinn. Bei U hören die Mannheimer auf, weiter geht ihr Quadratealphabet
nicht - und I gibt es auch nicht, nur J.
Dabei stimmt der Satz, Mannheim kenne
keine Straßennamen, natürlich nicht ganz.
In allen Vororten hat man ganz normale
Adressen wie anderswo auch. Selbst innerhalb der Quadrate trägt jede Straße ihren
Namen. Doch hier redet keiner von Münzoder Artilleriestraße, selbst auf offiziellen
Stadtplänen findet man sie nicht, allenfalls
die Marktstraße ist bekannt oder die „Breite Straße“ und die „Planken“. Sonst gilt
die Quadrate-Nummerierung.
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
35
STADTJUBILÄUM 2007
Der Sommertraum endet nie
Von der Bundesgartenschau 1975 ist ein grünes Paradies für alle Generationen in der Nähe zur Stadt geblieben
Von unserem Redaktionsmitglied
Peter W. Ragge
D
ie Chance war da: Eine erneute
Bundesgartenschau im Jahr des
Stadtjubiläums 2007 – viele Mannheimer hätten sich das gewünscht. Doch
1999 hat der Gemeinderat diese lange bestehende Option ausgeschlagen, die dadurch entstehende Lücke Gera und Ronneburg in Thüringen überlassen. So bleibt
nur die Erinnerung an das sommerlange
Fest 1975, das uns weit mehr als nur den jeweils erweiterten Luisenpark und Herzogenriedpark bescherte.
„Ein Fest verändert eine Stadt“ heißt das
Buch über den Sommer 1975 in der Quadratestadt – mit gutem Grund. Schließlich
sind Mannheim nicht nur Multihalle und
Seebühne, Fernmeldeturm und zwei herrliche, nach wie vor auch überregionale Besuchermassen anziehende Parks geblieben.
Die ganze Herzogenriedbebauung mit Gemeindezentrum und Jugendhaus, Rosen-
dann das Pflanzenschauhaus. Aber zur
Bundesgartenschau kam ein Großteil der
ehemaligen Rennwiese, die nach 1945 ein
Golfplatz war, dazu, wuchs die grüne Oase
inmitten der Innenstadt um 42 Hektar.
Auch den zuvor arg heruntergekommenen
Herzogenriedpark hat man 1975 um ein
Wohngebiet und Kleingärten ergänzt, insgesamt 690 000 Kubikmeter Erde bewegt,
50 200 Quadratmeter neue Wasserflächen
geschaffen, 557 Bäume gepflanzt, unzählige Blüten zum Blühen gebracht und 50 Millionen Mark ausgegeben, 1500 Veranstaltungen in 185 Tagen organisiert, enorm
Werbung gemacht – aber auch insgesamt
8,1 Millionen Besucher angelockt, so viel
wie noch nie und nie mehr bei einer Bundesgartenschau. In Thüringen hofft man in
diesem Jahr auf 1,5 Millionen . . .
In Mannheim indes ist die Erinnerung an
das grandiose sommerlange Blütenfest nie
verblasst. Und ein bisschen feiert man einfach immer weiter, bei Parkfesten, beim
Lagerfeuer auf der Freizeitwiese oder beim
kulturellen „Seebühnenzauber“. Ob mit
Klangoase, Bauernhof, Pinguingehege,
Schmetterlingshaus oder dem größten chinesischen Teehaus auf dem europäischen
Kontinent - der Park wird weiter ständig
ergänzt, modernisiert.
Was er behält, ist das liebenswürdige
Flair eines familiengerechten Naherholungsgebiets, das – durch den Zaun, striktes Hundeverbot und häufige Kontrollgänge – fünf herrliche, fantasiereiche und insbesondere stets saubere Spielplätze bietet.
Aber auch Schachecken, ein von Skulpturen gesäumter Spazierweg oder eine spezielle Behindertenschaukel gibt es. Von
1975 blieb ein grünes Paradies für alle Generationen, und das nur wenige Minuten
vom Stadtzentrum entfernt.
Naherholungsgebiet mitten
in der Stadt
garten-Mozartsaal, Fußgängerzone und
vieles mehr wären ohne die Bundesgartenschau undenkbar gewesen. Die Stadt, besonders gebeutelt von der damals gerade
grassierenden Wirtschaftskrise und dem
Strukturwandel der Industrie, erlebte
plötzlich eine ungeahnte Euphorie, einen
Ruck, einen Aufschwung, wie er seither nie
mehr zu spüren war.
„Bei den Bundesgartenschauen geht es
nicht nur darum, Blumen zu zeigen, sondern eine Stadt zu verschönern“, sagte
Bundespräsident Walter Scheel 1975 in seiner Eröffnungsansprache. Die Bundesgartenschau sei „wesentlicher und entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem modernen Mannheim“ und werde „in der Geschichte der Stadt nachklingen“.
Das tut sie bis heute, wenn überall für
„eine der schönsten Parkanlagen Europas“
geworben wird. Zwar gab es den Luisenpark bereits seit den Jahren 1892/1903, als
er angelegt und 1896 nach der Großherzogin Luise von Baden, Tochter Kaiser Wilhelms I., benannt wurde. 1958 entstand
❋
Hans Bichelmeier,
Bloomaul
Sie gleitet seit 1975 im Sommer über den Kutzerweiher: die Gondoletta. Die 45 Boote mit den leuchtend gelben Dächern
hängen an einem Unterwasser-Seil und absolvieren so den knapp zwei Kilometer langen Rundkurs. Bild: Tröster
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Die Reißinsel-Rangerin
Mit Katrin Back auf Safari im Mannheimer Urwald
Sie ist Mannheims einzige echte Rangerin,
und wenn sie im Grünen Patrouille geht,
dann ist sie selbstverständlich auch bewaffnet – und zwar mit ihrem Charme.
Katrin Back überwacht die Reißinsel, das
ältesten Naturschutzgebiet in der Stadt.
Vier Monate im Jahr ist das Areal besonders vor dem Zugriff des Menschen geschützt: „Von Anfang März bis zum 1. Juli
überlassen wir die Reißinsel sich selbst“ –
damit sich das Naherholungsgebiet erholen kann, erklärt die hauptamtliche Naturschützerin aus dem Rathaus-Fachbereich Baurecht und Umweltschutz.
An die 50 verschiedene Vogel-Spezies,
darunter allein fünf Spechtarten, fühlen
sich in dem gut 90 Hektar großen Rest der
ursprünglichen Rheinaue pudelwohl. Spaziergänger und Jogger müssen zumindest
solange zurückstecken, bis Sumpfrohrsänger, Hohltaube und Co. Nester gebaut,
Eier gelegt und ihre Jungen aufgezogen
haben. Erst dann, im Sommer, ist der
Mensch wieder willkommen. Radfahrer
und Hunde müssen sowieso das ganze Jahr
über draußen bleiben.
Rangerin Katrin Back zieht eine durchweg positive Bilanz ihrer Arbeit in den
letzten zehn Jahren. Bereits 1990 wurde
die Reißinsel erstmals während der Vogelbrut geschlossen. Vorausgegangen war der
Anordnung des Oberbürgermeisters ein
teilweise heftiger Streit im Gemeinderat
und in den naturverbundenen Vereinen –
vor allem die Angler pochten seinerzeit
auf ihre gewohnheitsmäßigen Zugangsrechte ans Rheinufer und die Nebenarme
Kilometerbahn, Bellenkrappen und Hagbau. „Die Trampelpfade, die von den Besuchern im Sommer und im Herbst ausgetreten werden, können während der Frühjahrspause wunderbar wieder zuwach-
„ . . . ist meine Heimat, ich liebe diese
Stadt. Trotz vieler internationaler
Aufenthalte
kommt
für
mich
nur
Mannheim als
Wohnort
in
Frage. Die zentrale Lage dieser Stadt, die
Einbettung in
die Kurpfalz
und die heutige Metropolregion
RheinNeckar
sind
optimaler Ausgangspunkt
für alle beruflichen und privaten Aktivitäten. Die milde Landschaft,
die vielfältige
Kultur und die Hans Bichelmeier
weltoffenen
Menschen, meine Freunde: All das ist
für mich und meine Frau Anlass, nie
zu lange von Mannheim fort zu sein.
Wir können schwer ohne Wasserturm
leben. Es ist Mannheims schönster
Platz, von der Bevölkerung geliebt zu
allen Jahreszeiten. Schade nur, dass
ihm nicht alle die nötige Sorgfalt angedeihen lassen.“
sen“, erklärt Katrin Back, es entsteht also
kaum oder gar kein bleibender Schaden
mehr.
„Hier ist ja Grün pur, und das ganz nah
bei der Innenstadt“, sind auswärtige Besucher meistens überrascht. „Dass es in
Mannheim so ein tolles Naturschutzgebiet
gibt, hätte ich gar nicht gedacht!“ – auch
das ist ein Satz, den Katrin Back oft zu hören bekommt. Zu verdanken hat die Stadt
ihr wertvollstes Biotop – eine der letzten
intakten Flussauen am Oberrhein – dem
Industriellen und Mäzen Karl Reiß, der
1881 die damalige Fasanen-Insel erwarb
und das Areal der Stadt vermachte, die es
nach Reiß’ Tod erstmals 1914 für die Bürger öffnete. Und zwar einmal wöchentlich
für wenige Stunden. Bedingung im
Reiß’schen Testament war nämlich, dass
das Gebiet in der Neckarauer Rheinschlinge sowohl unberührt bleiben als
auch der Naherholung der Mannheimer
dienen soll.
Seit gut 20 Jahren sind Teile der Reißinsel zusätzlich als Bann- und Schonwald
ausgewiesen, die Flussaue soll sich in diesem Bereich völlig ohne Eingriffe des
Menschen entwickeln. Eichen und Eschen
wachsen in den höher gelegenen HartholzBereichen, Silberweiden und BergahornBäume stehen in den häufig überschwemmten Weichholz-Auen. Katrin
Back über die Mannheimer und ihren Urwald: „Toll, dass die Bürger dieses wichtige Schutzgebiet respektieren!“
lang
Katrin Back hütet das wertvolle Natur-Erbe des Mäzen Karl Reiß.
Bild: Krug
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
STADTJUBILÄUM 2007
37
Zu den spektakulärsten
Events des JubiläumsKulturprogramms zählt
die Show des Theater
Titanick, hinter
deren Durchführung
allerdings noch
das Fragezeichen
der Finanzierung steht.
Bilder: zg
Viele Projekte weisen über 2007 hinaus
Das Kulturprogramm zum Stadtjubiläum vereint Bodenständiges mit ambitionierten Veranstaltungen
Mannheimer ihr Jubiläum sicher nicht nur
auf den teuren Rosengartenplätzen, um
Star-Sopranistin Anna Netrebko zu beklatschen – so sehr dieser exklusive Auftritt
s ist nicht unwahrscheinlich, dass auch nach außen strahlt (ein weiteres erdas Kulturprogramm zum Mannhei- klärtes Ziel des Jubiläumsprogramms).
mer Stadtjubiläum fast alle QuadraTeilweise geht es bei den originären Protestädter irgendwie erreicht. Denn es deckt jekten des Büros 2007 bewusst bodenstännicht nur das Kalenderjahr 2007 ziemlich dig zu, etwa wenn Arpad Dobriban durch
komplett mit einer Masse von Veranstaltun- die Stadtteile zieht und bei „Mannheim
gen ab, die auch abseits der üblichen Veran- schmecken“ die genuine Hausmannskost zu
staltungszentren stattfinden, sondern inte- retten versucht. Ähnliche Breitenwirkung
griert einen Großteil der Events, die es re- versprechen die internationalen Mannheigelmäßig gibt – vom Fasnachtsumzug über mer Märchentage vom 1. bis 11. Februar, bei
Time Warp, Blumencorso, Arena of Pop denen Märchen aus der ganzen Welt erzählt,
oder Christopher Street Day bis zu den gespielt und gelesen werden – an Spielorten,
Schillertagen. Das macht durchaus Sinn, die inhaltlich einen Bezug zum jeweiligen
denn dadurch profitieren alle Veranstaltun- Stoff haben und gleichzeitig die kulturelle
gen von der gemeinsamen multimedialen Vielfalt Mannheims repräsentieren. InteMarketing-Plattform, die das Büro 2007 be- grative Kraft soll auch „Stadt, Land, Zirreit stellt. Und so hat der für eine 325 000- kus“, das baden-württembergische KinderEinwohner-Stadt ohnehin schon erstaun- und Jugendzirkusfestival vom 22. Oktober
lich prall gefüllte
bis 4. November entTerminkalender
falten. Schon am 26.
Mannheims
2007
Januar startet das
Von Hausmannskost bis Ryuichi Ganzjahresprojekt
Hochkonjunktur.
Markus
Müller,
Sakamotos Mannheimer Schule „Filme unterwegs“,
Intendant des Oldas Kino an ungedenburgischen
wöhnliche
Orte
Staatstheaters, und
bringt, die normaRainer Kern, Programmmacher von Karls- lerweise nicht oder nur ausnahmsweise zutorbahnhof, „Enjoy Jazz“ und „Delta Con- gänglich sind. Die Wechselwirkung zwinection“, haben als künstlerische Leiter des schen Inhalt und Veranstaltungsort soll daStadtjubiläums bei aller Vielfalt eine geziel- bei die Eindringlichkeit des cineastischen
te Auswahl getroffen. Sie stützt sich inhalt- Erlebnisses verstärken und wie viele der Julich auf vier Säulen aus dem 2003 vom Ge- biläumsveranstaltungen den Besuchern dameinderat in Auftrag gegebenen Stadtin- bei helfen, neue Seiten an ihrer 400 Jahre alszenierungskonzept von Filmfestival-Leiter ten Heimatstadt zu entdecken.
Michael Kötz. 2007 speisen sich diese
Klassischere kulturelle Ambitionen verStandbeine aus der Stadtgeschichte und rät neben dem ersten Mannheimer Literaheißen Musik, Toleranz und Freiheit, Was- turfestival „lesen.hören 1“ (22. Februar bis
ser und Mobilität.
10. März) vor allem das Projekt „Neue
Schon das fünftägige Eröffnungsfestival Mannheimer Schule“. Dabei adaptiert Osbis 28. Januar soll Sinnbild für das Gesamt- car-Gewinner Ryuichi Sakamoto ein Werk
programm sein und will alle Mannheimer der „alten“ Mannheimer Schule, von der
Bürgerinnen und Bürger aller Generatio- aus mit Hilfe der Virtuosen des Ensemble
nen, alle hiesigen Kulturen und alle Life- Modern im November eine musikalische
style- und Geschmacksrichtungen anspre- Brücke zum Drum ‘n’ Bass geschlagen wird,
chen. Rainer Kern: „Wir machen bewusst dessen kontinentaleuropäisches Zentrum
kein Zielgruppenprogramm, sondern wol- die Planken in den 90ern waren. Die Verlen uns an alle wenden – vom Intellektuellen wirklichung dieser vielleicht anspruchsbis zu den Leuten, die noch nie im Theater vollsten Idee der Programmmacher steht alwaren. Ich glaube fest daran, dass die Men- lerdings noch genauso unter Finanzierungsschen es zu schätzen wissen, wenn man ih- vorbehalt wie das optisch vielversprenen Qualität zeigt. Und die Schwellen hal- chendste Spektakel: die eigens konzipierte
ten wir bewusst niedrig.“ Und so feiern die Stadtinszenierung „Quadratwurzel“ des
Von unserem Redaktionsmitglied
Jörg-Peter Klotz
E
Theater Titanick, das die Innenstadt am
21. und 22. September zu einer monumentalen Bühne machen soll. Auf Schillerplatz,
Toulonplatz, Paradeplatz, Kapuzinerplanken und in den Lauerschen Gärten könnte
die Entwicklungsgeschichte der Quadrate
zu einem Feuerwerk für die Sinne werden.
Viele der Projekte wie die Märchentage,
Literatur- oder Science-Fest weisen über
das Jubiläumsjahr hinaus und sollen
durchaus Tradition werden. „Das hängt
aber auch an uns“, sagt Müller. „Wir müssen die Projekte so umsetzen, dass es einen
Aufschrei gibt, wenn sie nicht fortgesetzt
würden.“
i
Mehr Informationen im Internet unter
www.mannheim2007.de
Das Kulturprogramm 2007
deckt ein Spektrum von A wie
anarchischer Comedy-Literatur
Marke Kaminer (Bild oben)
über den Neo-Klassiker Ryuichi
Sakamoto oder die zweite
Auflage von Arena of Pop bis Z
wie das Zirkus-Festival im
Herbst. Bilder: zg (3)/Proßwitz
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
39
STADTJUBILÄUM 2007
„Lass
mich
hier
daheim
sein, O mein
rätselhaftes
Mannheim, Ich
will dein sein.“
Mein Mannheim ist für
mich mehr als
ein
Zuhause
mitten auf dem
Kiez im Quadrat. Popforscher, Entertainer, Impresario – Mannheim
lässt
mich in vielen
Bereichen da- Peter Baltruschat
heim sein: Seit
zehn Jahren erlaubt mir diese Stadt
kulturell reiche Beute im KulturNetz
zu machen, seit acht Jahren wertvolle
Edelsteine der Kleinkunst im „Schatzkistl“ zu sammeln. Seit jeher bin ich
privat wie beruflich in Mannheim daheim. Ich gratuliere der Stadt ganz
herzlich zum 400sten Geburtstag und
mir ganz herzlich zu meiner Heimat.
❋
Der Autor und Journalist Roger Willemsen präsentiert das Literaturfestival. Bild: dpa
Peter Baltruschat,
Impresario
Auch Lesefeste sind zu feiern
„lesen.hören 1“ bringt Wilhelm Genazino, Ralph Giordano, Peter Härtling und Wladimir Kaminer unter einen Hut
Von unserem Redaktionsmitglied
Thomas Groß
M
an soll die Feste feiern, wie sie fallen, heißt es. Warum sollte man da
keine Literaturfeste feiern, wenn
es ein großes Stadtjubiläum zu begehen
gilt, wenn diese Stadt sich gar SchillerStadt nennen kann? Literaturfeste schon,
aber wohl nicht unter genau dem Namen.
Vom „Ersten Literaturfest“ war zunächst die Rede, wenn es um das zehntägige Literaturfestival im Mannheimer Kulturzentrum Alte Feuerwache ging. Doch
die rührige Autorengruppe Räuber ‘77, die
selber ein (kleineres) Jubiläum im Jubiläumsjahr feiern kann, fand den Namen
nicht ganz zutreffend. Man habe schließlich selbst schon Lesefeste veranstaltet,
merkte man an. Deshalb heißt das Literaturfest, das von 22. Februar bis 8. März
über die Bühne geht, nun „lesen.hören 1 –
Literaturfest in Mannheim“. Das klingt
erstens moderner, und lässt zweitens keinen Zweifel daran, worum es geht – um das
Lesen und Hören von Literatur. Und der
Punkt soll wohl andeuten, dass beides ir-
gendwie ein Gleiches ist, ein spiegelbildli- einer Lesung gebührend zu eröffnen. Bei
ches Verhältnis: dieselbe Literatur, aber der Konzeption der Literaturabende hat
wahrgenommen aus unterschiedlichen man sich von der früheren Literaturreihe
Perspektiven, aus derjenigen von Autor der Feuerwache inspirieren lassen, wo die
und Leser beziehungsweise Zuhörer.
Autorenlesung von einem Kritiker begleiWas fürs Kulturprogramm zum Jubel- tet wurde, der den Autor in ein möglichst
jahr insgesamt gilt, soll auch für diesen inspirierendes Gespräch über seinen Text
Programmteil gelten. Man will Vielfalt bie- verstrickte, offen auch fürs Publikum, und
ten, keine Beliebigkeit, weil dies nach Mei- der in die Veranstaltung einführte. Genazinung der Programmmacher Markus Müller no zur Seite sitzt der freie Kritiker Helmut
Böttiger.
und Rainer Kern
der einzige Weg sei,
Was die weiteren
Mannheim gerecht
Lesungen angeht,
Vielfalt
zu werden. Vielfalt
stellt man eine gestatt Beliebigkeit
bieten die Veranwisse Verdichtung
staltungen schon,
Frankfurter
Verdie Kern mit Feuerhältnisse
fest.
wachen-Mitarbeiterin Ulrike Hacker kon- Frank Schulz wird begleitet vom FAZ-Lizipiert hat. Für Vielfalt steht auch der re- teraturkritiker Edo Reents. Dessen Kolledegewandte Autor Roger Willemsen, dem gin Verena Lueken begleitet dann FAZman die Schirmherrschaft übertragen hat, Mann Paul Ingendaay, der unlängst mit
der das Festival begleitet und mit eigenen seinem umfangreichen Debütroman „WaVeranstaltungen mitpräsentiert.
rum du mich verlassen hast“ auch als
Ein vielfältiges Werk hat auch Büchner- Schriftsteller reüssierte.
Preisträger Wilhelm Genazino geschaffen.
Ernste Töne schlägt Martin Doerry vom
In Mannheim geboren und aufgewachsen, „Spiegel“ an, wenn er mit Ralph Giordano
kommt es ihm wie keinem anderen zeitge- und Anita Lasker-Wallfisch unter dem Tinössischen Autor zu, das Literaturfest mit tel „Nirgendwo und überall zu Hause“
400
Jahre Mannheim
Eine Stadt, in der wir gerne leben.
Eine Stadt, auf die wir stolz sind.
Eine Stadt, die
wir lieben.
über das Leben nach dem Holocaust und
das Überleben desselben spricht. Heiterer
geht es bei zwei Abenden mit „Russendisko“-Autor Wladimir Kaminer zu. Willemensen spricht mit Willy-Brandt-Sohn
Lars über familiäres Erinnern, und Großkritikerin Sigrid Löffler kommt, um die
Lesung des österreichischen Schriftstellers
und Psychiaters Paulus Hochgatterer zu
begleiten. Am Ende steht „ein Abend über
und mit Peter Härtling, Detlev Berentzen
und Musik“, eine Veranstaltung also mit
einem Autor, der die literarische Landschaft seit Jahrzehnten mitgeprägt hat.
Klingt vielversprechend, deshalb schiene
es schon heute schade, wenn „lesen.hören
1“ keine Fortsetzung fände. Die Organisatoren sehen das ebenso. Ob es dazu kommt,
hängt, wie so oft heute in der Kultur, von
Sponsoren ab, vom Suchen und Finden
derselben. Und davon, ob das nach Teilnahme suchende Konzept viele Literaturfreunde findet, Menschen, die kommen, um
zu hören, auf Dichterworte und Gespräche.
i
Informationen zum Literaturfest im
Internet unter www.mannheim2007.de
und www.altefeuerwache.com
Impressum
Herausgeber: Mannheimer Morgen,
Großdruckerei und Verlag GmbH
Geschäftsführung: Dr. Björn Jansen
Chefredaktion: Horst Roth
Redaktion: Heiko Brohm, Irmgard
Piorkowski-Wühr, Dr. Stephan Wolf
Anzeigenleitung: Gerhard Haeberle;
Vertriebsleitung: Karlheinz Nagel
Technische Herstellung:
Harald Blendowski
Chronik mit Unterstützung
von Stadtarchiv Mannheim
Titelbild: bfw werbeagentur
Anschrift:
MANNHEIMER MORGEN
Postfach 102164
68021 Mannheim
E-Mail-Adressen:
Redaktion:
redaktion@mamo.de
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40
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Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
2007-Schmaus als Kunstgriff
Der renommierte Künstler Arpad Dobriban serviert ein Jubiläumsmenü / Dem Geschmack der 30er Jahre auf der Spur
Von unserem Redaktionsmitglied
Anke Philipp
S
eine Werke munden, sind süß oder
salzig, mal scharf, mal mild, heiß
oder kalt – auf jeden Fall wohl
durchdacht, raffiniert kombiniert und natürlich gut gewürzt. Seine Aufmerksamkeit gilt den alltäglichen Begierden, jenen
kleinen Schwächen im Angesicht großer
Leckereien, die das Leben versüßen oder
beschweren, je nachdem wie man’s
nimmt. Arpad Dobriban jedenfalls setzt
seit 20 Jahren das Kochen kunstvoll in
Szene: Jetzt greift der Schüler des vor
kurzem gestorbenen Altmeisters der Videokunst, Nam June Paik, in Mannheim
zum Löffel.
„Mannheim schmecken“ heißt sein
2007-Mach-Werk – ein auf Kommunikation zwischen den Generationen angelegter
„Versuch zur Rettung der Hauskocherei“,
In Mannheim tischt
der Düsseldorfer AktionsKünstler Arpad Dobriban
zum Stadtjubiläum
Gutbürgerliches auf.
Bilder: Stockfood / zg
Versuch zur Rettung
der Hauskocherei
wie Dobriban selber formuliert. Angesprochen sind die, die ihr Handwerk noch
beherrschen. Vornehmlich Senioren. Mit
jenen, die Rezepte ihrer Großmutter noch
im Kopf haben und die ihre Erinnerungen
an die Kindheit unter anderem in der Küche frisch halten, mit denen möchte der
Künstler ein ganz spezielles Süppchen
kochen. Interessierte haben bereits angebissen, mit vier Leuten laufen direkte Gespräche. Und auch der Seniorenrat und
das –büro sind eingeschaltet
Im Zeitalter tief gekühlter Schnellkost
gilt Dobribans Leidenschaft der Langsamkeit. Er möchte festhalten, was brodelndes Kulturgut ist, retten, was mit dem
Zeitgeist zu verdampfen droht. Das Wissen um die Küche von einst, den Umgang
mit dem Essen durch die Jahrzehnte heute
konservieren, das ist seine Absicht. In
Mannheim will er dabei den Geschmack
der 30er Jahre (bis zum Beginn der Industrialisierung der Lebensmittel) aufspüren.
Konzeption und Zubereitung thematisch gefasster Speisen sind seit langem
das Metier des 1957 in Ungarn geborenen
. . . ist für mich fast alles! Die Stadt
hat mir sehr viel gegeben: Meine
Kinder sind hier geboren, ich habe
seit 30 Jahren
mein
Restaurant,
viele Gäste
sind Freunde
geworden.
Mannheim
ist ein sehr
schönes großes
Dorf.
Man kann sagen:
Man
weint zweimal – wenn
man
nach
Giovanni Scurti
Mannheim
kommt und
wenn man geht. So erlebe ich es oft,
auch bei den Profisportlern der
Mannheimer Vereine.
❋
Giovanni Scurti,
Inhaber des „Ristorante Augusta“
Künstlers, der heute in Düsseldorf lebt.
„Werkzeug des Teufels“ oder „Männlichweiblich: Wie wir die Welt trennen“ lauten einige seiner Speisenfolgen. Mit dem
Mannheimer Projekt setzt er sich nun erneut auf die Spur jener Grunderfahrung,
die seiner Meinung nach am Anfang jeder
Kunst steht – dem Kochen. „Unser Ziel ist
es dabei auch, auf ganz persönliche Weise
einen kulturellen Schatz festzuhalten“,
freut sich 2007-Büroleiter Rainer Kern
über das integrative Projekt, welches das
Etikette „besonders gehaltvoll“ trägt. Im
Zuge der Aktion werden die gesammelten
Rezepte aufgenommen und in Arpads mobiler Küche nachgekocht, „so lange, bis es
schmeckt wie zuhause“, verspricht der
Künstler. Später sollen die Gerichte dann
an Mannheimer Schulen vorgestellt und
in geselliger Runde aufgetischt werden.
Am Ende steht ein Mannheimer Menü, sozusagen ein 2007-Festessen der besonderen „Art“, das mehr ist als „Mannheimer
Dreck“. Eine nachhaltige Aktion, die den
Dialog sucht mit den Menschen in der
Stadt, bei dem sich am Herd zusammen-
braut, was sich ansonsten so leicht nicht
verbindet. Ganz am Ende des Prozesses
soll ein Kochbuch entstehen, das die regionalen Traditions-Speisen auflistet:
„Damit wollen wir etwas Bleibendes
schaffen, von dem auch nachfolgende Generationen noch etwas haben“, sagt Kern.
i
Wer bei der geselligen MannheimKoch-Aktion mit Arpad Dobriban
noch dabei sein möchte, wendet sich an
das 2007-Büro, Tel. 293-2007 oder
an 2007@mannheim.de.
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Hochkarätig: Zeichnungen und Radierungen des spanischen Malers
Goya sind ab 1. Oktober 2007 in der Mannheimer Kunsthalle zu sehen.
Bild: Kunsthalle
Kunsthalle trumpft auf
Ausstellung „Goya – Manet – Picasso“ als Highlight 2007
Die Mannheimer Kunsthalle feiert das
400-jährige Stadtjubiläum gemeinsam
mit ihrem 100-jährigen Bestehen mit einem außergewöhnlichen Ausstellungsprojekt. In Kooperation mit dem Museo
Nacional del Prado und dem Museo Nacional de Arte Reina Sofia, Madrid, sowie mit dem Museum of Modern Art in
New York erwartet die Kurpfälzer daher
im Herbst 2007 ein wahres Kunst-Highlight: Mit der Ausstellung „Goya – Manet
– Picasso“ führt die Kunsthalle vom
1. Oktober bis zum 31. Dezember hochkarätige Bilder, Zeichnungen und Radierungen Goyas sowie ausgewählte
Werke Pablo Picassos und Eduard Manets zusammen. Darunter nicht nur
Mannheims berühmtestes Gemälde, Manets „Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexico“, sondern außerdem Picassos berühmte „Charnel House“ und
„Le Massarcre de Coree“ sowie ausgewählte Werke, die im Zusammenhang
mit seinem „Guernica“-Gemälde entstanden sind.
Die Bilder der Mannheimer Schau waren noch nie zuvor gemeinsam zu sehen
und thematisieren in ihrer Eindrücklichkeit Motive der Angst, des Terrors und
des Krieges. Parallel zu „Goya – Manet –
Picasso“ wird die Kunsthalle Mannheim
Gegenwartskunst zeigen, die sich ebenfalls mit dem Themenkomplex „Angst“
beschäftigt.
nih
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
41
STADTJUBILÄUM 2007
Die schöne Anna
beehrt Mannheim
Höhepunkte des Kulturjahres 2007: Das Paar Netrebko-Villazón
Von unserem Redaktionsmitglied
Stefan M. Dettlinger
I
ch liebe das Publikum in Mannheim!
Ich freue mich schon sehr“ – das sagte
die derzeit wohl begehrteste, populärste und darstellerisch begabteste Sopranistin auf Erden im Interview mit dieser Zeitung. Die Begeisterung Anna Netrebkos für
Mannheim beruht – aber natürlich – auf
Gegenseitigkeit, ist „die Netrebko“ doch
im vergangenen Jahr so unwahrscheinlich
heftig von Mannheim gefeiert worden, als
sie die SAP Arena mit dem maltesischen
Tenor Joseph Calleja und vornehmlich italienischen Opernarien und -duetten beglückte.
Nun, als so etwas wie der Höhepunkt des
Stadtjubiläumskulturjahres, kommt die
schöne Sopranistin aus dem südrussischen
Krasnodar wieder, zusammen mit jenem
Mann, der in der legendären Salzburger
und die New Yorker Philharmoniker treten auf
sengarten, zugehen. Da kommt das New
York Philharmonic Orchestra zu einem
Gastspiel in die Quadratestadt. Eine
Sensation ist das in mehrerlei Hinsicht, denn zum einen gastiert Amerikas Eliteorchester im Regelfall
nur in den großen Musikmetropolen
der Welt, und dann steht auch noch
jemand am Pult, für den man normalerweise weit reisen muss: Altmeister
Lorin Maazel (der irgendwann einmal behauptet haben soll, 300 Partituren memorisiert und auswendig
im Kopf zu haben).
Höchst attraktiv ist auch das
Programm dieses als „Happy
Birthday Mannheim! - Festkonzert
zum Stadtjubiläum 2007“ etikettierten Abends. Im Mittelpunkt steht
dort die 1859 entstandene Sinfonie
Nr. 1 c-Moll von Johannes Brahms.
Diese beiden Ereignisse sind aber
nur Höhepunkte in einem sonst sehr
dichten kulturellen Jubiläumskalender.
Aufforderung zum Trunk:
Anna Netrebko als Violetta Valery.
Die Partie aus Verdis „La Traviata“ sang sie 2005
bei den Salzburger Festspielen an der Seite
jenes Mannes, mit dem sie am 18. Juli
nach Mannheim in den Rosengarten kommt:
Roberto Villazón. Bild: dpa
Beim „Meet and Greet“ zeigen
sich die Superstars zum Anfassen
Ich freu mich gewaldisch. Isch freu misch
dermaße gewaldtätisch, dass isch de gonze Daach jubiläumisiere könnt. Mei
High-matstadt, Mannem, die Ober-Metropole der Metropolregion – also die Region, wo sogar die Polen in die Metro gehen, do devu die Hauptstadt werdd 400.
Das heisst: nie wieder hässlich, nie wieder Baustellen, nie wieder Feinstaub!.
Nur noch Schoklad in de Luft un Woi un
Fanille-Soß fließt de Neckar runner in de
Rhoi noi, un de Duden heeßt jetzt Dutte,
un alle feiern rund um die Uhr vum Paradeplatz ... bis des Geld ausgeht. Mannem
– du bisch eleggdrisch.
„Traviata“ in der Inszenierung von Willy
Decker 2005 als Alfredo neben ihr sang,
wirkte und bestach: Roberto Villazón aus
Mexiko. Die beiden bestreiten am 18. Juli
im Mozartsaal des Rosengarten aber kein
normales Ouvertüren-, Arien und DuetteKonzert. In der höchsten Preiskategorie
mit 483 Euro pro Ticket, „Golden Circle“
mit Namen, können die Besucher dieses
vom Orchester der Deutschen Oper Berlin
unter der Leitung von Marco Armiliato begleiteten Events auch ein ausgewähltes
Drei-Gänge-Menü für Feinschmecker genießen, bei dem Speisen wie mit Trüffeln
gefüllte Wachteln an Portweinsauce aufgefahren werden. Außerdem enthält dieses
Luxus-Arrangement auch noch das so genannte „Meet and Greet“, bei dem der
„Golden Circle“-Karteninhaber am Rande
des Konzerts auf das Traumpaar der Klassik und den Dirigenten treffen kann,
sprich: Händeschütteln plus Plauderei. Der
Superstar zum Anfassen.
Wesentlich ernster und weniger prunkend, musikalisch aber sicherlich nicht
minder spannend, wird es bereits am
12. Mai, ebenfalls im Mozartsaal des Ro-
❋
Christian Chako Habekost,
Comedian
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01 MM MM MITTE 20070124 Prod Nr 333052 Seite 42
42
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
DAS PROGRAMM
ZUM STADTJUBILÄUM
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
22. 1. 2007
16:43:36
Colors: black yellow magenta cyan
43
STADTJUBILÄUM 2007
2007
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NOVEMBER
6. UND 7. NOVEMBER
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23. NOVEMBER BIS 5. DEZEMBER
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Mehr Veranstaltungstipps unter
OKTOBER
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22. OKTOBER BIS 4. NOVEMBER
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SEPTEMBER
Das 360-Grad-Panorama aus dem
Zeughaus im Intenret unter
www.morgenweb.de/400jahre
21. BIS 22. SEPTEMBER
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24. BIS 28. JANUAR
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MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
„Klein-Nizza“ – von der Riviera an den Rhein
Blumencorso blüht in den 60er Jahren als Superattraktion auf und zieht mehr Schaulustige als Einwohner an / Jubiläums-Ableger soll am 8. Juli sprießen
Von unserem Redaktionsmitglied
Waltraud Kirsch-Mayer
ie Sonne strahlte vom zartblauen
Himmel, die Fahnen flatterten
munter im linden Frühlingswind,
und die Mannheimer strömten Richtung
Innenstadt. Dort trafen sie sich mit den
Pfälzern jenseits des Rheins, die schon seit
zehn Uhr in Scharen über die Brücke wanderten. Die Kennzeichen der geparkten
Wagen verrieten, dass der Mannheimer
Blumencorso im Saargebiet ebenso wie im
letzten Dorf des Odenwaldes, im südhessischen wie im Karlsruher Raum als Attraktion gilt. Sicher waren es weit über
350 000 Menschen, die eine farbenprächtige, duftige Parade taufrischer Blumen und
Mädchen sahen, sich an der Phantasie der
pflegen. Deshalb ist die Blütenparade auch
stets ein heiß diskutiertes Politikum. Und
da wird keineswegs durch die Blume geredet. „Mädchen waren echt, aber nicht alle
Blumen“, wettert der „MM“, als beim
zweiten Umzug Kunstblüten auftauchen.
Dieser Kunst-Griff bringt viele Dekorateure auf die Palme: Schließlich müssen „ehrliche“ Wagengestalter, frische Frühlingsboten innerhalb weniger Stunden verarbeiten, während sich „Schummler“ mit falschen Dauerblumen viel Zeit lassen können. Der Wink mit dem Zaunpfahl sitzt.
Ein Jahr später sind (laut Presseberichten)
die Blumen so echt und schön wie die
Mannheimer Mädchen, die in Tüll gehüllt
mit hochtoupierten Frisuren auf den
Prunkwagen thronen. Als beim Corso 1968
erste Verwelkungstendenzen sichtbar wer-
Bereits 1925 rollen Blumenwagen
durch die Quadrate
Untergeschummelte Kunstblüten
bringen auf die Palme
Dekorateure erfreuten.“ Geradezu schwärmerisch schildert der „MM“ jene Veranstaltung, die im Publikumsrekordjahr 1964
mehr Schaulustige auf Trab bringt als die
Stadt Einwohner hat.
Die Rede ist vom Mannheimer Blumencorso. In den 60er Jahren ein Mega-Event –
auch wenn es dieses Wort seinerzeit noch
gar nicht gibt. Die Mannheimer Werbegemeinschaft darf sich ein „Vergissmeinnicht“ der besonderen Art ans Revers stecken: Sie hatte die Idee, den Blumencorso
in Kooperation mit dem Verkehrsverein
neu ersprießen zu lassen – und zwar dreieinhalb Jahrzehnte nachdem 1925 erstmals
frühlingshaft geschmückte Wagen als Auftakt der damaligen Maifesttage durch die
Quadrate gerollt sind. Am 30. April 1961
feiert der Blumencorso Zweitauflage: 100 000 Neugierige säumen die Wegroute, und das soll erst der Anfang sein. Die
Schaulustigen werden nicht enttäuscht:
Die großen City-Geschäfte – zu denen neben Karstadt sowie Engelhorn & Sturm
(die heute noch bestehen) die Häuser am
Paradeplatz Anker und Hansa sowie Mages
und Vetter gehören – haben ihre Prachtwagen mit tausenden von importierten Nelken
geschmückt. Dank Gärtnerkunst öffnen
sich die Knospen ohne einen Sonnenstrahl
den, prasselt in der Manöverkritik ein Unwetter nieder – „drei Nelken machen noch
keinen Corso-Wagen“, lautet eine Schlagzeile. Die harsche Kritik wirkt: 1969 rollt
der „ideenreichste“ Blumencorso mit tierisch guten Einfällen durch die Stadt. Beispielsweise drückt ein riesiger Maikäfer die
Klaviatur eines Flügels aus weißen Nelken.
Und dennoch: Dem Corso ergeht es wie einer Rose, die lange üppig blüht, aber dann
doch den Kopf hängen lässt. Als das Mannheimer Blüten-Ereignis 1967 im Fernsehen
als größte und schönste Blumenparade
Deutschlands – vergleichbar mit Nizza –
gerühmt wird, hat wohl niemand geahnt,
dass drei Jahre später Schluss sein würde.
Nicht etwa weil die Zuschauer wegbrechen
würden. Mitarbeiter der Innenstadtgeschäfte wollen den Verkaufs-Sonntag nicht
länger mittragen.
D
Schnappschuss vom ersten Blumencorso in Zweitauflage: Drei charmante Nixen sitzen vor dem Mannheimer
Wasserturm und streuen Blumen in die Menge, steht 1961 unter dem „MM“-Foto.
unter dem regenverhangenen Kurpfälzer
Himmel. Ein Wasserturm, vom Sockel bis
zum Dach mit Blumen verziert, heimst soviel Applaus ein, dass der „MM“-Kritiker
lobt: Mit einer so verschwenderischen Fülle
hätte sich Mannheims Wahrzeichen auch
beim Blumencorso in Nizza sehen lassen
können. Apropos Nizza. Der damalige Vorsitzende der Werbegemeinschaft Paul
Kunze, seines Zeichens Kürschnermeister,
reist eigens in die südfranzösische Küstenstadt, um dort den berühmten Umzug zu
inspizieren und einige der „duften“ Kreationen von der Riviera an den Rhein zu ver-
Herzlichen Glückwunsch zum
400-jährigen Stadtjubiläum.
pflanzen. Nicht von ungefähr erblüht das
Mannheimer Massenereignis in den
Schlagzeilen auch als „Klein-Nizza“. Verwurzelt ist der Blumencorso mit einem verkaufsoffenen Sonntag. Schließlich liegt
Stadt und Einzelhandel am Herzen, das
„Beet Einkaufsmetropole“ zu hegen und zu
Im Jubiläumsjahr soll der Dornröschenschlaf ein Ende haben: Zum Start des verkaufsoffenen Sonntags werden am 8. Juli
2007 blumengeschmückte Themenwagen
durch die Innenstadt kurven. Der Einzelhandel will den Corso mit Dünger für Innovation auf dem Humus der Tradition neu
erblühen lassen.
Unter dem Dach
auf dem neuen
Quartiersplatz
wächst die
Containerstadt –
am 27. Januar
um 16 Uhr
ist Einweihung.
Bild: Tröster
Liebe Mannheimerinnen und Mannheimer,
wir alle können in diesem Jahr besonders stolz sein
auf Mannheim und seine 400-jährige Geschichte!
Mannheim als Herz der Metropolregion hat die Chance,
in den nächsten Jahren eine der attraktivsten und
wettbewerbsfähigsten Regionen Europas zu werden.
Gemeinsam mit Ihnen will ich diese Chance nutzen
– mit Power in die Zukunft!
Bunte Manege des Lebens
Containerstadt im Jungbusch als Ort der Begegnung
Von unserem Redaktionsmitglied
Anke Philipp
Ingo Wellenreuther
Wahlbüro „Café Wellenreuther“
N 7, 7 (Kunststraße) · 68161 Mannheim
Telefon 0621/28804 · Fax 0621/28700
E-Mail: mitteilung@ingo-wellenreuther.de
INGO
Wellenreuther
www.wellenreuther2007.de
Power für Mannheim!
Oberbürgermeisterwahl 17. Juni 2007
Es ist eines der größten, sicher aber nachhaltigsten Projekte zum Stadtjubiläum:
Die Kulturcontainerstadt „Con.Tent 17“.
Sie entsteht derzeit im Jungbusch, am
27. Januar ist feierlicher Startschuss am
dortigen, neu gestalteten Quartiersplatz.
Die Idee stammt von der Künstlerinitiative
Laboratorio 17 und dem Theater-Regisseur
Udo Schoen, der von der Stadt seit ein paar
Monaten mit der Intendanz für das integrative Vorhaben beauftragt ist. Gemeinsam
mit dem Quartiermanagement im Jungbusch plant Schoen in Hafennähe „Übergangs-Spiel-Räume“ zu öffnen, will kreatives Handeln für Interessierte ermöglichen und Orte der Begegnung schaffen –
statt Konsum-Event ein andauernder Prozess, der auf Identität zielt, auf Interaktion
setzt und auf Grenzüberschreitungen zwischen Traditionellem (dem gewachsenen
Quartier) und dem Modernen (den Entwicklungen am Verbindungskanal) aus ist.
Dazu werden über das ganze Quartier
verteilt an fünf Plätzen – zum Beispiel auf
der Teufelsbrücke oder aber an der Werftstraße – 27 Container aufgestellt, die
Hauptbühne wird unter dem Dach am
Quartiersplatz entstehen: „Die Verbindungskanal-Variante auf dem Grundstück
von Reinhold Suhl ist mittlerweile gestor-
ben“, so Schoen. Sicherheitsbedenken gaben den Ausschlag. Dafür gibt es eine Art
rollendes Einsatzkommando und die
Stabsstelle in der Jungbuschstraße 18. Im
Sommer sollen temporäre Schwimmpontons zudem eine Wasserbühne auf dem Kanal bilden.
Einziehen in die Container werden diejenigen, die sich all die Jahre um die Beteiligungskultur gekümmert haben: Zum Beispiel die Theaterleute der Creative Factory,
der Internationale Frauentreff, die Jungbusch-Schule, der Computer-Workshop.
Zudem könnten Künstler – von denen es im
Nachklang zum „Nachtwandel“ etliche in
den Jungbusch zog – Ateliers aufschlagen,
Kunsthandwerker ihre Werkstätten einrichten.
Bei allem geht es darum, Ideen und Aktionen zu bündeln und den Austausch der
Akteure zu fördern. „Wir wollen damit
auch dokumentieren, welche Kräfte in den
letzten Jahren im Rahmen der Integrierten
Stadt(teil)entwicklung entstanden sind“,
so Quartiermanager Michael Scheuermann: Während des Stadtjubiläums könnten die Besucher miterleben, wie das Quartier mit den Herausforderungen der Zukunft, etwa der Migration, umgehe. Geheimnisse des Jungbusch-Erfolgs, wie die
Beteiligung der Bewohner, die Vernetzung
der Gruppen: All dies soll sich unter dem
Dach der Containerstadt wiederfinden.
Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
45
STADTJUBILÄUM 2007
Zwischen Improvisation und Chaos
Die eigenwillige Ausdruckstanz-Variante des Theaters Derevo ist im Juli Teil des Jubiläumsprogramms
Von unserem Redaktionsmitglied
Jörg-Peter Klotz
Derevo-Manifest formuliert ist. Dort heißt
es weiter: „Die Mitglieder von Derevo glauben, dass der Mensch mit gesenktem Haupt
durchs Leben geht. Für sie besitzen auch
s ist weder Theater, noch Pantomi- Bedeutung: die Regungen eines Neugebome, noch Musical, noch Ballett, aber renen, der Anfang einer Bewegung, der Analles das zusammen“, schrieb eine fang eines Lauts, die Regungslosigkeit, die
belgische Kritikerin über das Theater De- Träume, der Gleichgewichtssinn der
revo. Dabei handelt es sich vordergründig Schlafwandler, das Sich-Räkeln am Morbetrachtet um eine aus Russland stammen- gen.“ Ansonsten befinde sich der Mensch
de Tanztheater-Companie. Doch mit klas- ständig im Krieg mit der Welt, den er in jesischem Ballett hat das inzwischen in Dres- der Sekunde verliere. Das Bestreben, denden ansässige Ensemble praktisch nichts noch in Frieden zu leben, verwirkliam Hut. Unter der Regie ihres Gründers, chen die Adassinski-Jünger individukünstlerischen Leiell mit Hilfe
ters und Hauptdarmeditativer
stellers
Anton
Übungen und
„Wheel of Power“ geht
Adassinski
kultikünstlerisch,
viert es eine eigenam Hauptbahnhof auf Zeitreise indem sie „der
willige Variante des
Sprache
des
Ausdruckstanzes,
Körpers,
der
der Clownerie und
Emotionen und
Pantomine ebenso integriert wie Improvi- der Seele“ in ihren Stücken Raum gesation, die bis zu Anarchie und blankem ben. Daraus entsteht eine Dramatik,
Chaos reichen kann. Derevo will diese die den Zuschauer in einem Spankreative Anarchie auch in den Mannheimer nungsfeld aus Faszination und AbstoAlltag bringen – und zwar vom 24. bis 29. ßung fesselt. Der 1959 im sibirischen
Juli als einer der spektakulärsten Teile des Krasnojarsk geborene Adassinski wird
Kulturprogramms zum Stadtjubiläum.
wegen seiner Vergangenheit beim
Dabei bedeutet Derevo in der wörtlichen Rocktheater Avia in Russland wie ein
Übersetzung etwas sehr Bodenständiges, Popstar verehrt, gilt in Italien als brilnämlich Baum. 1988 wurde das Theater im lanter Clown und in Japan als Meister
damaligen Leningrad gegründet und des Butoh, einer Art Tanztheater ohne
schlug 1996 auch in Dresden-Hellerau feste Form.
Wurzeln, ohne die Ursprünge im jetzigen
Für das Mannheimer Jubiläum hat
St. Petersburg zu vergessen. Die heutigen
Mitglieder der in Europa, Amerika und er mit „Wheel of Power“ ein ganz eigeAsien erfolgreichen Gruppe vermeiden nes Programm konzipiert: Auf einer
Worte wie „Schauspieler“, „Theater“, am Hauptbahnhof startenden Fahrt
„Spiel“, sondern sehen ihre Tätigkeit eher lassen die Derevo-Mitglieder ihre Zuals Wesenszug ihrer Existenz, wie es im schauer in die rückwärts laufende Zeit
E
eintauchen und entführen sie an einen unbekannten Ort der Vergangenheit. Auch
dabei soll die viel versprechende, in Europa
vermutlich einzigartig Mischung aus Elementen der Commedia dell’Arte, des Straßen- und Bewegungstheaters, des Tanzes
und der Clownerie optisch und auch musikalisch spektakulär in Szene gesetzt werden.
i
„Wheel of Power“: 24. bis 29. Juli.
Start jeweils am Hauptbahnhof.
Für das Mannheimer Stadtjubiläum hat
das Derevo-Ensemble mit „Wheel of Power“
ein eigenes Programm konzipiert –
mit Elementen der Commedia dell’Arte,
des Straßen- und Bewegungstheaters,
des Tanzes oder der Clownerie. Bilder: zg
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46
Beilage zum Stadtjubiläum
Mittwoch, 24. Januar 2007
MANNHEIM FEIERT 400. GEBURTSTAG
Eine Stadt kann ein Lied sein
„Meine Welt“
„Du erinnerst mich an Tage,
die ich selbst nicht kenne,
wenn ich verinnerlicht als Heimat
Deinen Namen nenne.
Du bist immer noch die,
die Du immer warst,
Du bist so jung und weißt doch schon,
welch ein Schatz Dir inne wohnt.
Mannheim musikalisch: Das Stadtmarketing wirbt für das Jubiläum mit einem Würfel und einem Song
Von unserem Redaktionsmitglied
Heiko Brohm
Musik. Kernstück ist das Lied „Meine
Welt“ aus der Feder von Mathias Grosch,
eine Auftragsarbeit für das Stadtmarkeenn sich Werbeleute über ein Pro- ting. Viele Mannheimer Sänger sind an
dukt Gedanken machen, dann dem Projekt beteiligt. Ein deutschsprachiüberlegen sie sich oft eigenartige ger Pop-Song über die Beziehung zur HeiDinge: Etwa, mit welchem Geschmack man matstadt Mannheim, viel mehr als den Text
das Produkt am ehesten verbinden würde, möchte das Stadtmarketing noch nicht veroder was für ein Auto es wäre. Solche As- raten, erst im März soll das Geburtstagssoziationen sollen den eigenen Gedanken ständchen offiziell erklingen.
Wer den Kubus betritt, kann sich das
auf die Sprünge helfen. Nach was Mannheim nun schmecken würde ist nicht be- Lied „Meine Welt“ nicht nur anhören, sondern es auch selbst
kannt, aber wie
weiter bearbeiten.
Mannheim klingt,
In dem Hörwald
dass wird das Land
Mannheim ist
sollen sich Passanbald erfahren. Das
ten spielerisch mit
Stadtmarketing hat
„Meine Welt“ im Würfel
Mannheims MusikMannheim als Wergeschichte beschäfbebotschaft auf den
tigen und schließPunkt gebracht: Ein
großer Würfel, aus dem Musik kommt – das lich Spuren hinterlassen – denn die folgenden Besucher können sich die bestehenden
Lied für Mannheim.
Versionen anhören. „Ein absolut innovatiDas soll sich in den Köpfen der Deut- ves Projekt“, sagt Jan Pruust, Geschäftsschen festsetzen, weil es einfach ist und Be- führer des Stadtmarketing Mannheim. Er
zug zu zwei wesentlichen Mannheimer Be- ist sich sicher, dass mit dem Medium Musik
sonderheiten aufweist: zu den Quadraten viele Menschen erreicht werden können.
und zu der besonderen Musikgeschichte „Musik ist eben eine universelle Sache“,
der Stadt, von der Klassik bis heute. Ein sagt Pruust, und „man muss sich auf etwas
großer, klingender Kubus soll für Mann- konzentrieren, sonst verzettelt man sich“.
heim werben und ab Mitte Juni auf Reisen Gleichzeitig sei die musikalische Ballung
gehen. Station macht er in Berlin, Mün- in der Quadratestadt einzigartig in ganz
chen, Köln und Leipzig, seine Premiere fei- Deutschland.
ert er natürlich in Mannheim selbst: Zwei
Zum Start des Projekts soll der Song
Wochen soll er ab dem 2. Juni vor dem auch als CD in die Plattenläden kommen,
Wasserturm stehen.
manch einer träumt gar von einem kleinen
Im Inneren des Würfels mit einer Grund- Hit als Geburtstagsgeschenk. Darüber alfläche von 15 Quadratmetern spielt die lerdings entscheiden die Hörer.
W
Du bist noch immer die,
die Du immer warst,
ich seh Dich als Geschenk
des Himmels,
den hellsten aller Superstars.
Und ein Geschenk wie Dich
bekommt man nur einmal,
einmal und für immer und
für immer erste Wahl.
Geburtstadt bist Du und Wahlheimat.
Man sagte, schmutzig bist Du,
doch das war einmal.
Schau Dir an, was passieren kann,
ich schließe den Bund
für ein Leben in Deinem Bann.
REFRAIN:
Du bist meine Welt.
Mannheim,
Kein Weg ist mir zu weit.
Du bist mein Heim, mein Augenblick,
dreh weiter auf, Du bist Musik.“
❋
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von Mathias Grosch, Fola Dada,
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Der klingende Würfel am
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Mannheimer Morgen
Mittwoch, 24. Januar 2007
47
STADTJUBILÄUM 2007
Das Mannheimer Abc
A
bkommen gibt es gleich zwei, die den Namen der Quadratestadt tragen. Einmal das „Mannheimer Abkommen“ zwischen der Sozialdemokratischen Partei und den Gewerkschaften, das beim SPD-Parteitag in Mannheim 1906 geschlossen
wurde. Darin erkennen sich beide als unabhängige, gleichrangige
Partner im Kampf für gemeinsame Ziele an.
„Mannheimer Akte“ nennt man die „Revidierten Rheinschifffahrtsakten“, am 17. Oktober 1868 im Mannheimer Schloss von den
Rheinanliegerstaaten Baden, Bayern (für die Pfalz), Frankreich,
Hessen und Preußen abgeschlossen. Sie garantieren den Verzicht
auf Steuern und freie Schifffahrt auf dem gesamten Rhein. Belgien,
Großbritannien und
die Schweiz sind
später beigetreten.
Als älteste europäische Konvention ist
die Akte weiter gültig, die Kommission
zu ihrer Überwachung sitzt in Mannheim.
D
reck, „Mannemer Dreck“, ist etwas Besonderes,
nämlich das beliebteste und süßeste Mitbringsel
aus der Quadratestadt, nur von einigen ausgewählten Konditoreien nach noch immer geheim gehaltenem Rezept hergestellt. Es handelt sich um ein an Lebkuchen erinnerndes Gebäck auf Oblaten gebacken und mit
Schokolade überzogen. Die Idee dazu hatte der Konditor
Friedrich Brechter im Mai 1822, als die großherzogliche
Polizeiverordnung bei Strafe verbot, „den im Hause gesammelten Koth mit dem Kehricht auf die Straße zu
bringen“. Der Konditor legte Dreck in Gebäckform ins
Schaufenster und veräppelte damit die Obrigkeit.
S
chulsystem
oder
„Mannheimer
Schulsystem“
ist
ein unter Pädagogen
feststehender Begriff. Er
geht zurück auf das Jahr
1901, als der Mannheimer Stadtrat die Errichtung von Wiederholungsklassen in den Volksschulen genehmigte, um
geistig zurückgebliebene
Schulkinder besser als
Anton Sickinger
bisher zu fördern. Als
„Mannheimer Schulsystem“ geht dieses stetig ausgebaute, in ganz
Deutschland und der Schweiz dann verwirklichte Modell aus Hilfs-, Förder- und Abschlussklassen auf den Mannheimer Schulreformer und
Stadtschulrat Joseph Anton Sickinger (18581930) zurück, der früh für einen je nach Begabung differenzierten Unterricht eintrat. So gab
es neben Wiederholungsklassen (später „Förderklassen“) bald auch Kurse für zeichnerisch
begabte Kinder, Fremdsprachenklassen oder
Klassen für Schwerhörige.
M
annheimer Schule steht in der Musikwelt als Begriff für
die Musik am Hofe Carl Theodors. Die Sinfonien der
Komponisten Johann Stamitz (Musikdirektor des Kurfürsten), Ignatz Holzbauer und Franz Xaver Richter weisen als
übereinstimmende Merkmale zum Beispiel das „Mannheimer Crescendo“ und den „Mannheimer Seufzer“ auf.
Q
uadrate prägen Mannheim, zumindest die Innenstadt. Dort gibt es keine Straßennamen, sondern
man wohnt zum Beispiel in B 5,12 oder F 4,14. Das
geht zurück auf die Stadtgründung 1606. Den Plan dazu fertigte der niederländische Baumeister Bartel Janson, der sich
wiederum am Schachbrettmuster der Renaissance-Idealstadt des Italieners Pietro Cataneo orientierte. Nach
zwei Zerstörungen (im Dreißigjährigen Krieg
und im Orleanischen Krieg) baute der
niederländische
Festungsbaumeister Coehorn Mannheim ab 1697 wieder
auf, erneut in
Quadraten.
Innerhalb des
Rings gibt es
143
Quadrate,
vom Schloss und
entlang der Breiten Straße gesehen
links mit A bis K,
rechts mit L bis U bezeichnet sowie dann
innerhalb der Reihe jeweils nach außen fortlaufend nummeriert.
S
tunden, genauer „Mannheimer Stunden“, gelten noch heute für Meteorologen auf der ganzen Welt. 1780 hatte die Pfälzische Meteorologische Gesellschaft in Mannheim durch kurfürstliches Dekret festgelegt, dass täglich um 7, 14 und 21 Uhr die einschlägigen Wetterdaten
wie Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit
und Temperatur zu registrieren sind und dann der Mittelwert zu errechnen ist. Das geht zurück auf den auch als Erfinder des Blitzableiters bekannten Meteorologen Johann Jakob Hemmer, der vergleichbare Ergebnisse für unterschiedliche Orte und Zeitpunkte erhalten wollte, sie registrierte und auch veröffentlichte. Hemmer leitete das erste internationale
Wetter-Messnetz mit 39 Stationen, die der Landwirtschaft Daten liefern
sollten. 1895 wurde es aber eingestellt.
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afenwasser ist eine Mischung aus
fünf Edelbränden von Nebenflüssen des Rheins (Zwetsch, Kirsch,
Himbeer, Williams Christ) mit 40 Prozent
Alkohol, abgefüllt unter Kontrolle des
Mannheimer Hafenamtes, wo es auch
„Hafelperle“ (Sekt) gibt.
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K
ulturmeile nennen die Mannheimer die Abfolge
von rund 60 bedeutenden Plastiken im öffentlichen Raum, aufgestellt ab der von Heidelberg
stadteinwärts führenden Augustaanlage in der Innenstadt und der Oststadt. Zur Kulturmeile gehören aber
auch 26 Galerien und zwölf weitere Kulturinstitutionen, darunter drei auch überregionale bedeutende Museen: die Kunsthalle (zwei Sterne im grünen Michelinführer, 1907 gegründet, Schwerpunkt Malerei und
Skulpturen sowie Grafiken des 19. und 20. Jahrhunderts), das Reiss-Engelhorn-Museum (Archäologie, Völkerkunde, Naturkunde, Kunst- und Stadtgeschichte,
Theatergeschichte) sowie das 1990 eröffnete Landesmuseum für Technik und Arbeit. Auf 7500 Quadratmetern zeigt es 250 Jahre südwestdeutsche Sozial- und Industriegeschichte, wofür es 1992 mit dem Europäischen
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