Sorafenib bei rezidivierter und - IMT
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Originalarbeit | Original article Sorafenib bei rezidivierter und therapierefraktärer FLT3-ITD-positiver akuter myeloischer Leukämie: eine neue Behandlungsoption Sorafenib in relapsed and refractory FLT3-ITD positive acute myeloid leukemia: a novel treatment option Autoren S. K. Metzelder 1 E. Wollmer 1 A. Neubauer 1 A. Burchert 1 Institut 1 Klinik für Hämatologie, Onkologie und Immunologie, Philipps-Universität Marburg, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, Hämatologie Zusammenfassung 5 Schlüsselwörter akute myeloische Leukämie AML FLT3-ITD Rezeptortyrosinkinase allogene Stammzelltransplantation Sorafenib Hintergrund: Die therapeutischen Optionen bei rezidivierter oder therapierefraktärer FLT3-ITDpositiver akuter myeloischer Leukämie (AML) sind limitiert, insbesondere nach allogener Stammzelltransplantation (SCT) und bei reduziertem Allgemeinzustand. Der Stellenwert einer spezifischen Hemmung von FLT3-ITD durch Sorafenib ist in dieser Situation weitgehend unklar. Patienten und Methodik: Zwischen 2007 und 2010 wurden acht Patienten (4 Männer, 4 Frauen; Alter 40–75 Jahre) mit rezidivierter oder therapierefraktärer FLT3-ITD-positiver AML vor (n = 4) und nach allogener SCT (n = 5) bei fehlenden Alternativen mit Sorafenib behandelt. q q q q q q Keywords acute myeloid leukemia AML FLT3-ITD receptor tyrosine kinase allogenic stem cell transplantation Sorafenib q q q q q q Ergebnisse: In allen Fällen kam es rasch zum hämatologischen Ansprechen. Drei Patienten erreichten im Rezidiv nach allogener SCT eine komplette molekulare Remission, die derzeit in zwei Fällen 12 und 15 Monate stabil anhält. Langzeitremissionen unter Sorafenib nach vorausgegangener allogener SCT waren mit einer moderaten chronischen Abstoßungserkrankung assoziiert. Die Nebenwirkungen waren gering und konnten durch Dosisreduktion beherrscht werden. Folgerungen: Sorafenib ist eine Alternative bei rezidivierter oder therapierefraktärer FLT3-ITDpositiver AML. Insbesondere mit einer allogenen SCT könnte es über einen Synergismus zwischen gezielter FLT3-ITD-Inhibition und antileukämischer Immunität kuratives Potential besitzen. Einleitung 5 eingereicht 13.4.2010 akzeptiert 21.7.2010 Bibliografie DOI 10.1055/s-0030-1247870 Online Publikation: 25.8.2010 Dtsch Med Wochenschr 2010; 135: 1852–1856 · © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0012-0472 Korrespondenz PD Dr. Andreas Burchert Philipps-Universität Marburg Universitätsklinikum Gießen und Marburg Standort Marburg Klinik für Hämatologie Onkologie und Immunologie 35043 Marburg Tel. 06421/586 5611 Fax 06421/586 5613 eMail burchert@staff.uni-marburg.de Die akute myeloische Leukämie (AML) ist mit einer Inzidenz von etwa 3/100000 pro Jahr eine insgesamt seltene Erkrankung, die aber unbehandelt rasch zum Tode führt. Dabei kommt es durch erworbene somatische Mutationen zu einer bösartigen klonalen Proliferation myeloischer Vorläuferzellen, die in unterschiedlichem Ausmaß zu einer Verdrängung der normalen Hämatopoese mit den typischen Folgen von Anämie, Infekt- und Blutungsneigung führt [6]. Etwa 20–30% der Patienten mit AML im Alter unter 60 Jahren weisen eine Mutation im transmembranären Bereich der FMS-like Rezeptortyrosinkinase 3 (FLT3), FLT3-ITD, auf [16]. Der Nachweis dieser Mutation ist bei Patienten mit normaler Zytogenetik mit einer schlechten Prognose assoziiert [8, 13]. Zur Verbesserung der Prognose erfolgt daher außerhalb von Studien in der Regel nach Induktionschemotherapie eine konsolidierende allogene SCT [5]. Die Behandlung eines Rückfalls einer FLT3-ITD-positiven AML nach allogener SCT ist besonders schwierig und in den meisten Fällen palliativ. Die prognosebestimmende Rolle der FLT3-ITDMutation und die Tatsache, dass auch die unmutierte FLT3-Kinase bei einer Mehrzahl der AMLPatienten überexprimiert wird, führte zur rationalen Entwicklung von FLT3-spezifischen Kinaseinhibitoren. Deren klinische Wirksamkeit blieb zunächst aber hinter den Erwartungen zurück [7]. Sorafenib (Nexavar®, Bayer Healthcare) ist ein Multikinaseinhibitor, der für die Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (RCC) und des fortgeschrittenen Leberzellkarzinoms (HCC) zugelassen ist, zudem aber auch in vitro und in vivo effektiv den FLT3-Rezeptor und FLT3-ITD hemmt [17]. Die klinische Wirksamkeit von Sorafenib in der Monotherapie von AML-Patienten konnte erstmals im Rahmen einer PhaseI-Studie an acht AML-Patienten mit FLT3-ITDMutation gezeigt werden [17]. Weitere acht FLT3-ITD-negative Patienten, die in dieser Studie behandelt worden waren, sprachen nicht an. Die Therapiedauer in dieser Studie war allerdings nur kurz. Erstmals berichteten Safaian et al. [14] über den erfolgreichen Langzeitverlauf unter So- Heruntergeladen von: Universitätsbibliothek Marburg. Urheberrechtlich geschützt. 1852 Originalarbeit | Original article rafenib bei einem FLT3-ITD-positiven AML-Patienten, der nach allogener SCT ein Rezidiv erlitten hatte. In der Folge beschrieben wir den klinischen Langzeitverlauf weiterer sechs FLT3-ITD-positiver Patienten, die im Rahmen einer Serie von „compassionate use“ Behandlungen mit Sorafenib therapiert worden waren [10]. In der vorliegenden Arbeit wird der klinische Verlauf dieser Patienten aktualisiert und die Wirksamkeit von Sorafenib als Monotherapie zur Behandlung von FLT3-ITD positiven AML Patienten anhand zweier weiterer Fälle unterstrichen. Tab. 1 1853 Patienten-Charakteristika. Fall Alter Klinischer bestes Therapie- Verlauf# (Jahre), Ausgangsstatus Ansprechen dauer Geschlecht vor Sorafenib (Tage) 1 62, m Rezidiv nach BMR 211 r, † BMR 221 †, unklare allo-SCT 2 42, w Rezidiv nach allo-SCT Raumforderungen im ZNS mit Zwischen 2007 und 2010 wurden am Universitätsklinikum Marburg konsekutiv insgesamt acht Patienten mit therapierefraktärer oder rezidivierter FLT3-ITD-positiver AML mit dem Multikinaseinhibitor Sorafenib behandelt. Alle Patienten wurden vor Therapieinitiierung über die begrenzten therapeutischen Alternativen und den experimentellen Charakter einer Sorafenibtherapie außerhalb der Zulassung für AML aufgeklärt und stimmten der Therapie zu. Die Zieldosis von 2 400 mg täglich wurde bei Toxizität angepasst und bei Entstehen einer Resistenz beendet. Eine Dosisanpassung war bei den am häufigsten zu beobachtenden Nebenwirkungen, Hauttoxizität und Zytopenie, erforderlich. Bei Grad-III/IV-Toxizitäten nach NCICTC-Kriterien (Version 4.02) wurde Sorafenib pausiert und nach Besserung auf eine Grad-I/II-Toxizität mit 2 200 mg täglich wieder eingeschlichen. Eine schrittweise Steigerung der Dosis bis zur Standarddosis von 2 400 mg wurde angestrebt. Bei wiederholter Grad-III/IV-Toxizität wurde die Sorafenibdosis auf 200 mg täglich reduziert. Beurteilung von Therapieansprechen Das Therapieansprechen wurde – soweit zur klinischen Verlaufsbeurteilung erforderlich – im peripheren Blut und Knochenmark kontrolliert und nach Standardkriterien bewertet [1]. Komplette Remission (CR): Knochenmarkblasten unter 5%, ANC > 1 Gigapartikel/Liter (G/l), Thrombozytenwerte > 100 G/l für mindestens 4 Wochen. Knochenmarkansprechen (BMR): Reduktion der Knochenmarkblasten um mehr als 50% bei hämatologischer Remission (HR) Hämatologische Remission (HR): Blastenfreiheit im peripheren Blut Komplette molekulare Remission (CMR): CR ohne Nachweis von FLT3-ITD mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) im peripheren Blut. Resistenz: Definiert als Zeitpunkt des Rezidivs (Blastenanstieg im peripheren Blut oder Knochenmark bzw. im Falle einer CMR erneuter molekularer Nachweis) unter Sorafenibtherapie. Ergebnisse 5 Sorafenib wurde zur Behandlung von FLT3-ITD-positiven AMLPatienten mit unterschiedlichen klinischen Ausgangssituationen eingesetzt (Tab. 1): im Rezidiv nach allogener SCT (n = 5) und bei Chemotherapie-refraktären Patienten mit primärer Progredienz (n = 4). Bei zwei Patienten konnte durch die erfolgreiche Sorafenibbehandlung im weiteren Verlauf eine allogene SCT durchgeführt werden. Einklemmung 3 46, w Rezidiv nach CMR 196 r, † BMR 50 †, Sepsis 1) primär HR 1) 13 andauernde refraktär* CMR 2) 458 Sorafenib- allo-SCT 4 57, m Rezidiv nach 1. Konsolidierungs-Chemotherapie 5 40, w 2) Rezidiv nach therapie allo-SCT* 6 38, m primär HR 82 r, † CMR 341 andauernde refraktär 7 44, w Rezidiv nach allo-SCT Sorafenibtherapie 8 75, m Rezidiv nach HR 100 andauernde Zweitlinien- Sorafenib- therapie therapie *überbrückende Behandlung mit Sorafenib bis zur allogenen SCT; bei Rezidiv an Tag + 111 nach allogener SCT erneute Sorafenibbehandlung. m = männlich; w = weiblich, allo-SCT = allogene Stammzelltransplantation; BMR = Knochenmarkremission; CMR = komplette molekulare Remission; HR = hämatologische Remission, r = klinische Sorafenibresistenz, † = verstorben, #für Details zu Patienten 1–6: siehe [10] Sorafenib als Überbrückungstherapie vor Stammzelltransplantation oder in palliativer Intention Das primäre Versagen einer AML-Induktionschemotherapie ist unabhängig vom Vorliegen genetischer Alterationen eine Hochrisikokonstellation. Dennoch kann eine rasch durchgeführte allogene SCT in dieser Situation bei einem Teil der Patienten kurativ sein. Allerdings ist eine sofortige Konditionierung/allogene SCT bei Fehlen von Spendern und reduziertem körperlichem Zustand nach vorausgegangener (Doppel-) Induktionstherapie mit anhaltender Aplasie oft nicht möglich [15]. Eine derartige klinische Situation bestand in den Fällen 4, 5 und 6 (s. Tab. 1). Eine überbrückende Therapie mit Sorafenib erwies sich für diese Patienten als vorteilhaft, da die Substanz in allen drei Fällen hämatologische und Knochenmarkremissionen induzierte, ohne die für Chemotherapie üblichen Allgemeintoxizitäten zu erzeugen. Wie exemplarisch am Fall 5 gezeigt, führte Sorafenib bereits nach kurzer Therapiedauer in einer Chemotherapie-refraktären Situation mit Blastenpersistenz zur Eradikation zirkulierender Blasten, zum Anstieg der neutrophilen Granulozytenpopulation und zur Regeneration der Thrombozyten (q Abb. 1a). Das initial hyperzelluläre Knochenmark wurde hypozellulär bei reduziertem Blastenanteil (q Abb. 1b). Bei dieser Patientin, wie auch im Fall 6, konnte in der Folge in gutem Allgemeinzustand und ohne aktive Infektionen eine Transplantion erfolgen. Neben dem guten Ansprechen war somit auch die gute Verträglichkeit von Sorafenib in dieser Patientengruppe bemerkenswert und hilfreich. Der All- Dtsch Med Wochenschr 2010; 135: 1852–1856 · S. K. Metzelder et al., Sorafenib bei rezidivierter, therapierefraktärer AML … Heruntergeladen von: Universitätsbibliothek Marburg. Urheberrechtlich geschützt. Patienten und Methodik 5 Patienten und Behandlung Leukozyten Thrombozyten 30 20 10 0 0 1 2 3 4 a 100 d0 d0 b 75 50 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Tage unter Sorafenib d13 d7 25 0 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 d15 d14 pB-Blasten d0 KM-Blasten Neutrophile Abb. 1 Ansprechen auf Sorafenib bei Refraktärität auf Induktionschemotherapie (Fall 5). a Blutbildverlauf unter Sorafenib. Ein Balken entspricht der Applikation von 2 x 400 mg/d Sorafenib. b Differentialblutbild und Knochenmarkblasten unter Sorafenib. d=Tag; pB=peripheres Blut; KM = Knochenmark. gemeinzustand aller drei Patienten besserte sich unter Sorafenib rasch und deutlich. Die am häufigsten beobachtete Toxizität war eine Grad-III/IV-Hämatotoxizität, wobei Sorafenib nicht pausiert wurde, um Rezidive zu vermeiden. Patienten mit rezidivierter AML ohne Optionen für eine spätere intensive Chemotherapie oder eine allogene SCT konnten ebenfalls von Sorafenib profitieren. So erreichte ein 75-jähriger Patient (Fall 8) unter Sorafenib in der Drittlinientherapie ein derzeit 100 Tage anhaltendes stabiles hämatologisches Ansprechen – initial mit partieller Regeneration der Neutrophilen. Hauptnebenwirkung ist eine Neutropenie und Thrombopenie, die sich auch unter Dosisreduktion (2 200 mg) nicht relevant bessert. Sorafenib in der Behandlung hämatologischer Rezidive nach Stammzelltransplantation Rezidive nach allogener SCT haben eine sehr ungünstige Prognose. Nur in ausgewählten Einzelfällen können Chemotherapie, Donorlymphozytengaben oder eine Zweittransplantation längerfristigen klinischen Nutzen erbringen. Eine gezielte Rezidivtherapie für Patienten mit FLT3-ITD-positiver AML ist nicht etabliert. Vier Patienten mit FLT3-ITD-positiver AML wurden im hämatologischen Rezidiv nach allogener SCT mit Sorafenib behandelt. In dieser Patientengruppe kam es durch Sorafenib zu langanhaltenden hämatologischen Remissionen (196–458 Tage). Eine Patientin (Fall 5) befindet sich aktuell – 458 Tage nach Beginn mit Sorafenib – in anhaltend stabiler CMR. Der Verlauf ist detailliert in q Abb. 2 dargestellt. Es wird bei dieser Patientin – wie für alle Patienten in unserer Kohorte – ersichtlich, dass Sorafenib eine sehr rasche Blastenelimination im Blut, aber auch im Knochenmark induziert. Nach einer temporären Phase von Throm- bopenie trat in der Folge erneut eine milde chronische Graftversus-Host-Erkrankung (GvHD) der Leber und der Haut auf. Im Fall 3 war das Ansprechen auf Sorafenib ähnlich rasch und molekular tiefgreifend (Erreichen einer CMR), und auch in diesem Fall war die Remissionsinduktion mit dem erneuten Auftreten einer vorbekannten GvHD assoziiert. Sorafenib zur Behandlung eines molekularen AML-Rezidivs Der molekulargenetische Nachweis der FLT3-ITD-Mutation ermöglicht eine frühzeitige Detektion eines nahenden hämatologischen Rezidivs und eröffnet so ein Fenster früherer therapeutischer Intervention. Bei einer 44-jährigen Patientin (Fall 7) wurde in zwei aufeinanderfolgenden Kontrollen ein molekulares Rezidiv mit stetigem Anstieg der FLT3-ITD/FLT3-WT-Ratio am Tag + 385 nach allogener SCT diagnostiziert (q Abb. 3). Da die Patientin zum Zeitpunkt des Rezidivs bereits wegen einer chronischen GvHD behandelt wurde, waren therapeutische Donorlymphozytengaben nicht indiziert. Eine Sorafenibtherapie wurde eingeleitet. Innerhalb weniger Wochen war mutiertes FLT3-ITD nicht mehr nachweisbar. Aktuell ist die Patientin seit 341 Tagen unter Sorafenibtherapie in anhaltender CMR. Bei einer palmaren und plantaren Hyperkeratose wurde die Sorafenibdosis auf 400 mg täglich reduziert. Derzeit befindet sich die Patientin in einem hervorragenden Allgemeinzustand. Diskussion 5 Eine FLT3-ITD-Mutation ist bei AML-Patienten mit einer deutlich schlechteren Prognose assoziiert. Die Entwicklung FLT3spezifischer Kinaseinhibitoren könnte daher in Analogie zur Effizienz der Kinaseinhibitoren bei BCR/ABL-positiven Leukämien therapeutisches Potential besitzen. In der Tat scheinen die positiven klinischen Verläufe der hier berichteten Hochrisiko-AMLFälle zu bestätigen, dass FLT3-ITD ein therapeutisch relevantes Ziel ist, da die Hemmung von FLT3-ITD mit Sorafenib in fortgeschrittenen und therapierefraktären Situationen zu einem raschen Ansprechen bei ausnahmslos allen Patienten führte. Bei drei Patienten wurden im Rezidiv nach allogener SCT unter Sorafenib stabil anhaltende komplette molekulare Remissionen erzielt, was in dieser Situation ungewöhnlich ist. Die gute klinische Wirksamkeit von Sorafenib bei FLT3-ITD-Patienten steht in gewissem Kontrast zu den ernüchternden klinischen Resultaten mit anderen FLT3-Inhibitoren im Rahmen früherer Phase-I- und -II-Studien [7]. Allerdings waren die damals eingeschlossenen AML-Patienten in der überwiegenden Mehrheit FLT3-ITD-negativ, was die diskrepanten Resultate gut erklären könnte. Die Frage also, inwiefern auch AML-Patienten ohne FLT3-ITD-Mutation von einer FLT3-Monotherapie profitieren können, lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit beantworten. Es verdichtet sich aber die Evidenzlage, dass vor allem eine Blockade von FLT3-ITD mit Sorafenib (oder anderen FLT3-Inhibitoren) eine klinisch bedeutsame Rolle in der Behandlung von AML-Patienten spielen könnte [9, 10, 11, 14, 17]. Ob in diesem Zusammenhang andere FLT3-Inhibitoren, wie z.B. Midostaurin, Sunitinib und AC220, äquipotent in der Monotherapie von FLT3-ITD-positiven AML-Patienten sind, bleibt ebenfalls abzuwarten. Ungeachtet der guten Wirksamkeit von Sorafenib sind sowohl das Auftreten von anhaltenden höhergradigen Zytopenien (Fälle Dtsch Med Wochenschr 2010; 135: 1852–1856 · S. K. Metzelder et al., Sorafenib bei rezidivierter, therapierefraktärer AML … Heruntergeladen von: Universitätsbibliothek Marburg. Urheberrechtlich geschützt. Leukozyten (G/I) 40 Thrombozyten (G/I) Originalarbeit | Original article % der nukleären Zellen 1854 Originalarbeit | Original article Abb. 2 Ansprechen auf Sorafenib im Rezidiv nach allogener Stammzelltransplantation (Fall 5). CsA = Ciclosporin, MMF = Mycophenolat-Mofetil, n.a. = nicht vorhanden; pB = peripheres Blut; CR = komplette Remission, GvHD, Graft-versusHost-Erkrankung; allo-SCT, allogene Stammzelltransplantation. C&A Ende d + 76 MMF Ende d + 83 Molekulare CR d + 170 Rezidiv d + 111 800 mg 400 mg d + 135 d + 170 Monat post allo-SCT: 1 2 Chimärismus pB: 99 97 97 3 Knochenmark-Blasten: n. a. n. a. n. a. CR pB: GvHD: 4 5 6 7 98 98 98 98 28 % 0% CR CR x Leber x Leber x Leber x V. a. Haut Sorafenib p. o. FLT3-ITD/FLT3-WT Ratio pB 0,10 0,05 5 CR ThromboThromboThrombopenie (100 G/I) penie (20 G/I) penie (50 G/I) Start Sorafenib 0 19 97 0,15 0,00 9 0% molekular kein Nachweis von FLT3-ITD Rezidiv 8 10 15 20 25 Monate nach allo-SCT Abb. 3 Ansprechen auf Sorafenib im molekularen Rezidiv nach allogener Stammzelltransplantation (Fall 7). Quantifizierung von FLT3-ITD mittels Reverse-Transkriptase-PCR relativ zur FLT3-Wildtyp-cDNA (FLT3-WT) im peripheren Blut (pB) vor und nach Sorafenibbehandlung. 1, 2, 4, 6 und 8), vor allem aber von Sorafenibresistenz (Fälle 1, 3, 6) die limitierenden Faktoren einer Monotherapie. Weitere potentiell auf Sorafenib zurückzuführende Nebenwirkungen waren Hämolyse (Fall 1) und Hauttoxizität (Hyperkeratose, makulopapulöses Exanthem, Hand-Fuß-Syndrom) (Fälle 3 und 6). Ob eine Pausierung von Sorafenib bei Hämatotoxizität Grad III/ IV die optimale Behandlungsstrategie bei rezidivierter FLT3ITD-positiver AML ist, bleibt fraglich, da es in der Therapiepause zum Sorafenib-sensitiven hämatologischen Rezidiv der AML kam, aber nicht zur Erholung gesunder Zellreihen im peripheren Blut (z.B. Fall 1). Bei drei Patienten in dieser Serie erzwang die Resistenzentstehung den Abbruch der Therapie. Andererseits scheinen Patienten im Rezidiv nach allogener SCT langfristig von Sorafenib profitieren zu können. Die Manifestation eines „Graft versus leukemia“ (GvL) Effektes könnte hier einen entscheidenden Einfluss haben. In der Tat kam es bei allen CMR-Patienten unter Sorafenib zur ReEtablierung einer kompensierten chronischen Abstoßungserkrankung. Die erneute Manifestation von GvHD war beachtlich, da diese Patienten erst im vollen hämatologischen Rezidiv Sorafenib erhalten hatten (Fälle 3 und 5). In der Tat könnte daher eine + allo-SCT frühere therapeutische Intervention mit Sorafenib (z.B. bei Diagnose eines molekularen Rezidivs) einen noch effektiveren Synergismus zwischen antileukämischer Zytotoxizität (FLT3-ITD Blockade) und dem Wiedererstarken eines GvL-Effektes induzieren, wie die rasche Elimination minimaler Resterkrankung im Fall 7 zeigt (q Abb. 3). Der vermutete Synergismus zwischen Sorafenib und GvL wird zudem durch die Beobachtung erhärtet, dass eine Sorafenibresistenz bei Patienten mit Zustand nach allogener SCT nicht oder signifikant später aufzutreten scheint als ohne den Kontext einer allogenen SCT und dass komplette molekulare Remissionen de facto nur im Kontext einer allogenen SCT gesehen werden (Metzelder et al., ASH Meeting 2009, Abstract 2060). Eine aktuell an vielen Zentren in Deutschland beginnende placebokontrollierte Phase-II-Studie wird daher der Frage nachgehen, inwiefern eine Erhaltungstherapie mit Sorafenib nach allogener SCT ein hämatologisches Rezidiv verhindern kann. Somit lässt sich auf Grundlage unserer Fallserie, Fallberichten anderer Zentren sowie den Erfahrungen an Patienten aus PhaseI-Studien konstatieren (Tab. 2), dass eine Sorafenib-Monotherapie eine klinisch relevante Aktivität bei FLT3-ITD-positiver AML zu haben scheint. Der genaue Stellenwert von Sorafenib in einer Mono- oder Kombinationstherapie muss allerdings in klinischen Studien getestet werden. Eine präemptive Therapiestrategie zur Verhinderung von Rezidiven nach allogener SCT wird demnächst multizentrisch randomisiert getestet. Konsequenz für Klinik und Praxis 3Patienten mit therapierefraktärer FLT3-ITD-positiver AML profitieren von einer Behandlung mit Sorafenib. 3Die Dauer des hämatologischen und Knochenmarkansprechens beträgt meist einige Monate und wird gut toleriert. 3Eine Behandlung im Rezidiv nach vorausgegangener allogener SCT kann zu stabilen molekularen Remissionen führen und sollte daher in Betracht gezogen werden. Danksagung: Die Autoren danken Dr. Atta (Universität Frankfurt), Dres. Ritter und Wolf (Klinikum Kassel) und Dr. Gassmann (St. Marien-Krankenhaus Siegen) für die exzellente Kooperation bei der Behandlung der aufgeführten Patienten. Diese Arbeit wurde durch die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung e.V., Dtsch Med Wochenschr 2010; 135: 1852–1856 · S. K. Metzelder et al., Sorafenib bei rezidivierter, therapierefraktärer AML … Heruntergeladen von: Universitätsbibliothek Marburg. Urheberrechtlich geschützt. + 1855 Originalarbeit | Original article Tab. 2 Publikationen zur Sorafenib-Monotherapie. Die unteren drei Publikationen sind bislang nur als Abstract verfügbar. ASH = American Society of Hematology. Studie Patienten Indikation Art der Studie Behandungsergebnis Lee et al. [9] n=1 FLT3-ITD pos. AML-Hautchlorome Fallbericht Crump et al. [3] n = 2 FLT3-ITD-pos. (von 42) Rezidivierte oder refraktäre AML oder MDS Phase I 1 komplette Remission Choschzick et al. [2] N=1 Temporär komplettes FLT3-ITD pos. AML- Rezidiv systemisch Fallbericht und Chlorom der Mamma Fesler et al. [4] N=1 Pratz et al. [12] Winkler et al., DGHO Komplettes Ansprechen der kutanen Chlorome molekulares Ansprechen Rezidivierte FLT3-ITD pos. AML Fallbericht Zytogenetisches und Knochenmarkansprechen n = 2 FLT3-ITD-pos. (von 15) Rezidivierte AML Phase I Partielles Ansprechen n=1 Fallbericht Komplette molekulare Remission n= 11 FLT3-ITD-pos. (von 21) Refraktäre und rezidivierte AML Phase I Komplette und partielle Remission n = 6 FLT3-ITD-pos. (von 8) Fallsammlung Komplette und partielle Remissionen Rezidivierte AML nach allo-SCT 2008, P83 Delmonte et al., ASH 2008, Abstr. 893 Schroeder et al., ASH Refraktäre und rezidivierte AML 2009, Abstr. 2057 DJCLS 06/01v (A.B.), die Deutsche Forschungsgemeinschaft, KFO210 (BU 1321/3–1, NE 310/14–1) (A.B. und A.N.) und eine Forschungsförderung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (A.B.) unterstützt. Autorenerklärung: Alle Autoren erklären, dass sie keine finanziellen Verbindungen mit einer Firma haben, deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt. Abstract Sorafenib in relapsed and refractory FLT3-ITD positive acute myeloid leukemia: a novel treatment option 5 Background: The therapeutic options for relapsed or refractory FLT3-ITD positive AML are limited, particularly in case of a prior allogenic stem cell transplantation (SCT) or poor performance status. The clinical value of a targeted intervention using the FLT3-ITDspecific inhibitor sorafenib in this situation is largely unknown. Patients and methods: Between 2007 and 2010 eight patients (4 men, 4 women; age 40–75 years) with relapsed or refractory FLT3-ITD positive acute myeloid leukemia (AML) before (n = 4) and after allogenic SCT (n = 5) were treated off-label with sorafenib. Results: All patients showed rapid hematological responses. There were three complete molecular remissions when sorafenib was given after allogenic SCT. Two of them are ongoing for 12 and 15 months, respectively. Long-term remissions after prior allogenic SCT were associated with the re-establishment of a chronic graft versus host reaction. Side effects could be controlled by dose reduction. Conclusion: Sorafenib is apparently an effective treatment alternative for patients with relapsed or refractory FLT3-ITD positive AML. In the context of a prior allogenic SCT it may have curative potential via inducing a synergism between targeted inhibition of FLT3-ITD and anti-leukemic immunity. Literatur 1 Cheson BD, Bennett JM, Kopecky KJ et al. Revised recommendations of the International Working Group for Diagnosis, Standardization of Response Criteria, Treatment Outcomes, and Reporting Standards for Therapeutic Trials in Acute Myeloid Leukemia. J Clin Oncol 2003; 21: 4642–4649 2 Choschzick M, Bacher U, Ayuk F, Lebeau A. Immunohistochemistry and molecular analyses in myeloid sarcoma of the breast in a patient with relapse of NPM1-mutated and FLT3-mutated AML after allogeneic stem cell transplantation. Clin Pathol 2010; 63: 558–561 3 Crump M, Hedley D, Kamel-Reid S et al. A randomized phase I clinical and biologic study of two schedules of sorafenib in patients with myelodysplastic syndrome or acute myeloid leukemia: a NCIC (National Cancer Institute of Canada) Clinical Trials Group Study. Leuk Lymphoma 2010; 51: 252–260 4 Fesler MJ, Richart JM, Petruska PJ. A case of blast clearance on sorafenib in relapsed FLT3-ITD acute myeloid leukemia: Evidence of efficacy continues to mount. Leuk Res 2010 Apr 23 [Epub ahead of print] 5 Gale RE, Hills R, Kottaridis PD et al. No evidence that FLT3 status should be considered as an indicator for transplantation in acute myeloid leukemia (AML): an analysis of 1135 patients, excluding acute promyelocytic leukemia, from the UK MRC AML10 and 12 trials. Blood 2005; 106: 3658– 3665 6 Jabbour EJ, Estey E, Kantarjian HM. Adult acute myeloid leukemia. Mayo Clin Proc 2006; 81: 247–260 7 Knapper S. FLT3 inhibition in acute myeloid leukaemia. Br J Haematol 2007; 138: 687–699 8 Kottaridis PD, Gale RE, Frew ME et al. 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