23-25 Zitrone
Transcription
23-25 Zitrone
Garten NATUR Zitronenbäumchen Für den Biogärtner ist der sonnenarme Winter eine lange Zeit. Da kommt ein kleiner, intensiv duftender Zitronenbaum gerade recht. Das dekorative Rautengewächs lässt sich auch in unseren Breiten ohne Fremdenergie ziehen und liefert in den Wintermonaten Früchte voller gesunder Vitalstoffe. Text und Fotos: Kurt Forster Natürlich | 4-2003 23 Ein Zitronenpflanztopf wird vorbereitet: Kies und Lavagries sorgen für einen guten Wasserablauf, darüber kommen tonige Erde, kalkarmes Steinmehl, Sand und gut gereifter Kompost. Wer weniger Geduld besitzt und punkto Fruchtbildung auf Nummer sicher gehen will, kauft in einem Gartenzentrum bereits fruchtende, veredelte Pflanzen. In der professionellen Zucht wird meist die sehr widerstandsfähige Bitterorange als Unterlage verwendet. Kräftige Erde ohne Staunässe I st die Zitronenschale mit Pestiziden behandelt oder nicht? Kann man sie bedenkenlos in den Kuchenteig raffeln oder für den Punsch verwenden? Wer hat in solchen Situationen noch nie gezögert? Die meisten Zitrusfrüchte werden während der Anbauzeit mehrfach mit Pestiziden besprüht. Für die Haltbarmachung kommen natürliche oder künstliche Wachse wie das Pestizid Thiabendazol zum Einsatz. Eine Alternative besteht in der Anzucht und Pflege von eigenen, unbehandelten Zitruspflanzen. Dies ist sogar in unseren Breiten ohne Fremdenergie möglich. Da bei uns die typischen Zitruskrankheiten nicht auftreten, kann man auf einen Pestizideinsatz verzichten. Zitruspflanzen gehören zu den ältesten Kulturpflanzen. Ihre Heimat liegt in Ostasien und an den Südhängen des Himalajas. Bereits vor 4000 Jahren wurden in Südchina Orangen und Pampelmusen zur Zierde und zu Heilzwecken gezogen. Auch in den Hängenden Gärten der Semiramis sollen Zitruspflanzen gewachsen sein. Die Römer brachten die Agrumen (lat. für Zitruspflanzen) nach Italien, wo sie – in Tontöpfe eingepflanzt – die Säulengänge in den Häusern der Vornehmen zierten. Wegen ihres hohen Zierwertes haben sie eine 24 Natürlich | 4-2003 lange Tradition in den Orangerien der fürstlichen Gärten. Heute werden Zitruspflanzen auf 5 Kontinenten angebaut und sind hinter Bananen und Trauben die weltweit am dritthäufigsten angebaute Obstart. Zitrusgewächse lieben eine kräftige, nährstoffreiche Erde mit niedrigem Kalkgehalt und hohem Ton- oder Lehmanteil. Für mittelgrosse Zitronenpflanzen sollte das Pflanzgefäss mindestens 50 Liter Inhalt besitzen. Da Zitruspflanzen meist verschoben werden und sie häufiges Umpflanzen nicht lieben, empfiehlt es sich, genügend grosse, leichte Kunststofftöpfe zu wählen. Den Topfboden belegt man am besten mit einer Schicht Lavagries und Kies, um einen guten Wasserabfluss sicherzustellen. Den Rest des Gefässes füllt man mit einer Mischung aus lehmhaltiger Erde, gut gereiftem Kompost und Sand. Zitruspflanzen lieben ein leicht saures Milieu (pH-Wert 6 bis 6,5), weshalb sich Lauberde1 besonders gut eignet. Speziell aufbereitete Zitruspflanzenerde kann man in Spezialgeschäften kaufen. Möchte man auf Kunstdünger verzichten, ist Kuhdung eine gute Alternative. Mit kleinen Magnesium- und Eisengaben kann die Zitruspflanzenerde optimiert werden. Kerne, Stecklinge oder Gekauftes? Sonnig und windgeschützt Es erfüllt einen mit Stolz, ein eigenes Zitronenbäumchen heranzuziehen. Bei Kindern kann dieses Erlebnis die Liebe zur Natur wecken und später das Verantwortungsgefühl für alles Liebgewonnene fördern. Die einen Zentimeter tief gesteckten Samen keimen meist gut. Allerdings blühen aus Kernen gezogene Wildlinge erst nach 8 bis 10 Jahren, wenn überhaupt, und auch ihre Früchte können eine Überraschung sein. Diese Wildlinge bilden jedoch eine robuste Unterlage, die sich mit den Reisern einer gut fruchtenden Zitruspflanze veredeln lässt. Etwas schneller und sicherer geht die Vermehrung mit Stecklingen. Dazu verwendet man einjährige, halbverholzte Triebe mit zwei Blattpaaren. Sie werden bei Zimmertemperatur in ein Wassergefäss gestellt, bis sie kleine Würzelchen bilden. Jetzt ist der Zeitpunkt, sie einzupflanzen. Als Mittelmeerbewohner lieben Zitruspflanzen Wärme und viel Licht. Sie gedeihen daher in Süd- oder Westlage am besten. Besonders wohl fühlen sie sich an einem vor kalten Winden geschützten Platz vor einer Mauer oder Hecke. Ein idealer Standort liegt auch unter einem vorspringenden Dach vor einer Südfront. Im Hochsommer muss man die Pflanzen reichlich giessen. Am besten verwendet man dazu kalkarmes Regenwasser. Die Pflanzen lieben kein stehendes Wasser. Bei Staunässe werden die Blätter gelb und der Zitrusbaum lässt seine Blätter fallen, was manche Hobbygärtner als Durst interpretieren und noch mehr giessen, so dass die Pflanzen zu serbeln beginnen. Während der Überwinterungszeit, zwischen November und April, stellen Zitruspflanzen ihr Wachstum weitgehend ein. Ihre Wasser- und Nährstoffbedürfnisse sind Garten NATUR dann gering. Gegossen wird nur einmal im Monat. Sie vertragen im Winter durchaus Temperaturen um den Gefrierpunkt. Es ist bedeutend besser, die Pflanzen in der kalten Jahreszeit hell, aber kühl zu halten, als sie bei hohen Zimmertemperaturen zu verzärteln oder sie zu dunkel zu halten. In überhitzten Wohnräumen kommt es gerne zu Laubabfall, Spinnmilben- und Schildlausbefall. Ein guter Luftaustausch (genügend lüften) hilft Krankheiten vermeiden. Gute Erfahrungen habe ich mit der Überwinterung im unbeheizten Anlehngewächshaus gemacht. Solange die Temperaturen im kalten Gewächshaus über 5 Grad Celsius liegen, wirkt die kühle Luft abhärtend auf die Pflanzen. Im zeitigen Frühjahr werden die Zitruspflanzen leicht zurückgeschnitten, wobei überkreuzende Äste entfernt werden. Ein starker Rückschnitt bringt verstärktes Pflanzenwachstum, aber weniger Blüten und folglich auch weniger Früchte. Im Frühjahr, wenn die Fröste vorüber sind, bringt man die Pflanzen an einem trüben, regnerischen Tag ins Freie, damit sie keinen Sonnenbrand bekommen. Wer den Standort verändert, muss darauf achten, dass die Pflanze keinen Schock erleidet. Sicher sind Zitrusfrüchte keine Pflanzen für gemässigte Breiten. Trotzdem ist es möglich, sie erfolgreich und ohne Fremdenergie zu ziehen, sofern ein Kaltgewächshaus oder Wintergarten zur Verfügung steht. Im Winter liefern uns die gelben Vitaminbomben wertvolle Biostoffe wie Vitamin A, B1, B2 und C, Zitronensäure, Flavonoide, Natrium, Kalium, Kalzium, Phosphor und Eisen. Meine Zitrusbäumchen tragen fast ganzjährig kleine, mittelgrosse und grosse Früchte, wobei ich die saftigen Vitaminpakete vor allem in den Wintermonaten ernte. Ein mittelgrosses Bäumchen von einem Meter Grösse bringt gegen 30 gut ausgereifte Zitronen hervor. Die aromatisch duftende Zitronenschale kann als vielfältiger Würzstoff verwendet, der herrliche Zitronenduft soll tief eingeatmet und genossen werden. 1 Lauberde entsteht schwergewichtig aus kompostiertem Laub. Diese Erde ist locker, dunkelbraun und leicht sauer. Kurt Forster überstäubt das Laub aus seinem Garten bei der Kompostierung alle 10 Zentimeter mit vulkanischem oder siliciumreichem Steinmehl. Das Laub von Bäumen an Strassenrändern soll aufgrund der Schadstoffbelastung gemieden werden. Vielseitige Rautengewächse Die Gattung der Zitruspflanzen umfasst etwa 20 Arten, die zur 1600 Arten zählenden Familie der Rautengewächse (Rutaceae) gehören. Die Lebensbedingungen der Zitruspflanzen sind unterschiedlich. Gewisse Arten wie die chinesische Bergzitrone oder Bitterorange (Poncirus trifoliatus) vertragen bis minus 20 Grad Celsius. Etwas geschützt kann sie auch bei uns im Freien überwintern. Andere Arten tolerieren nur leichte Minustemperaturen; diese Pflanzen werden am besten im kalten Gewächshaus überwintert. Die bekanntesten Agrumen sind die sauren Zitronen (Citrus limon), die dickschaligen Zitronatzitronen (Citrus medica), die leicht schälbaren Mandarinen (Citrus reticulata), die Orangen (Citrus sinensis), die grossen Grapefruits (Citrus paradisii), die Pampelmusen (Citrus maxima), die kleineren Chinottos (Citrus myrtifolia) und die pflaumengrossen Kumquats (Fortunella margarita). Auf Pflanzenmärkten findet man zudem viele Zwergformen, Hybriden, Spezialzüchtungen und Kreuzungen. Am besten lässt man sich von einem erfahrenen Fachmann oder einer Fachfrau beraten. Zierlich, aber produktiv: Auch kleine Zitronenbäumchen können bis 30 Früchte tragen. Natürlich | 4-2003 25