Chronische vulvo-vaginale Candidosen
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Chronische vulvo-vaginale Candidosen
FORTBILDUNG + KONGRESS INFEKTIONEN Chronische vulvo-vaginale Candidosen Eiko E. Petersen Chronisch-rezidivierende vulvo-vaginale Candidosen können eine große Belastung für Arzt und Patientin sein. Echte Therapieversager und Resistenzen sind allerdings selten, meist bestehen zusätzliche Störungen oder Erkrankungen. Eine frühzeitige richtige Diagnose bewahrt manche Patientin vor Spätschäden und den Arzt vor unzufriedenen Patientinnen. Beschwerden im Vulvabereich gehören zu den häufigen Ursachen, die eine Patientin zum Frauenarzt führen. Nicht immer handelt es sich dabei um eine Infektion. Akute Ereignisse sind meistens Infektionen, chronische oft Dermatosen. Infektionen können rasch geheilt werden, wenn Diagnose und Therapeutikum stimmen. Pilzinfektionen rangieren hier ganz oben, und an sie wird bei Juckreiz auch meist zuerst gedacht. Probleme bereiten jedoch chronisch-rezidivierende und so genannte therapieresistente Pilzinfektionen. Das Hauptsymptom bei der Candidose ist der Juckreiz. Dieser kann auch bei einer Reihe von anderen Erkrankungen, meist immunbedingten Dermatosen oder auch Hautbeschädigungen, im Vordergrund stehen (s. Tab. 1). Therapieversagen kann folgende Ursachen haben: n Es liegt keine Pilzinfektion vor. n Der nachgewiesene Pilz ist harmlos und nicht Ursache der Beschwerden. n Der Juckreiz wird durch eine Dermatose oder Hautbeschädigung verursacht. n Die Therapie war unzureichend. n Es kommt immer wieder zu Reinfektionen. n Es liegen besonders günstige Vermehrungsbedingungen für Pilze vor. Vorkommen von Pilzen (s. Tab. 2) Hefepilze (Candida-Arten) sind auch in der Umwelt weit verbreitet und können von dort immer wieder aufgenommen werden. Kulturelle Untersuchungen bei beschwerdefreien Frauen haben gezeigt, dass Erwachsene zu mindestens 40% mit Candida albicans besiedelt sind (Darm, Mund, Genitale, Füße etc.). In eigenen Untersuchungen konnten wir bei beschwerdefreien Frauen in 17% C. albicans aus der Vagina anzüchten, meist in geringer Menge. Hohe Östrogendosen fördern das Wachstum in der Vagina und damit den Prozentsatz der Nachweisbarkeit in der Schwangerschaft (4). Verlauf einer akuten Candidose Infektionen beginnen mit Erregervermehrung. Diese verursacht zunächst keine Beschwerden. Als Zufallsbefund können gelegentlich Pseudomyzele ohne Entzündungsreaktion beim Mikroskopieren gefunden werden (s. Abb. 1). Nach der Erregervermehrung kommt es zur Abwehrreaktion des Körpers mit Einsetzen von Entzündung (Juckreiz, Rötung, Schwellung) (s. Abb. 2) und einem leukozytären Fluor (s. Abb. 3). Dem folgt ein langsamer Rückgang der Zahl der Pilzele- Ursachen von Juckreiz und anderen Vulvabeschwerden Juckreiz n Candidose n Lichen sclerosus n Lichen simplex n Lichen planus n Psoriasis n Ekzem n trockene Haut n Würmer n Skabies n Phthiriasis brennender Schmerz n primärer Herpes genitalis n Herpesrezidiv n Trichomoniasis n Lichen planus erosivus n Vulvitis/Kolpitis plasmacellularis n Dermatitis/Pyodermie A-Streptokokken n Follikulitis/Abszess Staphylococcus aureus n Behçet-Syndrom n Verletzungen n irritative Dermatitis n Pemphigus n Depression keine Schmerzen n Kondylome (HPV) n Factitia n Malignom n Erythrasma Ausfluss n Aminvaginose n Candidose n Trichomoniasis n Vulvitis plasmacellularis n A-Streptokokkenkolpitis n Zervizitis (Chlamydien) n Hormonstörung Tab. 1: Bei der Candidose steht meist der Juckreiz im Vordergrund. Dieses Symptom ist allerdings auch für eine Reihe anderer Erkrankungen typisch. 238 FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 3 Art Vorkommen und Bedeutung C. albicans häufigster Pilz im äußeren Genitale (85% der kulturellen Nachweise), wichtigster Erreger genitaler Pilzinfektionen (ca. 95%). Vorkommen: Mensch, Erde, Gemüse, Wasser C. glabrata (Torulopsis glabrata) zweithäufigster Pilz im äußeren Genitale (ca. 10–15% der kulturellen Nachweise), aber eher harmlos, nur Sprosszellbildung, keine Adhäsionsfähigkeit, mit Antimykotika nicht zu beseitigen, da rasche Resistenzentwicklung, Therapie klinisch nicht notwendig C. parapsilosis weit verbreitet, nur geringe Pathogenität. Vorkommen: Mensch (Haut, Genitale), Umweltkeim C. tropicalis weit verbreitet, ähnliche Virulenz wie C. albicans. Vorkommen: Mensch, Wasser, Erde, Früchte Abb. 1: Nativmikroskopie mit Pseudomyzel ohne Entzündungsreaktion. C. pseudokann aus klinischem Material isoliert werden, eher tropicalis harmlos. Vorkommen: Milchprodukte, Wasser, Luft (Synonym: C. kefyr) C. krusei gelegentlich aus Genitale, Bronchien, Nägeln, Haut, Darm, mäßige Pathogenität, resistent gegen Fluconazol C. guilliermondii Umweltkeim (Wasser, Luft, Blumen, Lebensmittel), gelegentlich pathogene Bedeutung Tab. 2: Candida-Arten sind weit verbreitet; längst nicht jede Besiedlung mit diesen Pilzen ruft Krankheitssymptome hervor. mente, weshalb diese oft nur noch nach Gramfärbung gesehen werden (s. Abb. 4). Das klinische Bild einer Pilzinfektion kann sehr variabel sein (2, 3). Durch Antimykotika kann die Heilung beschleunigt werden. Wird das Immunsystem mit dem Pilz nicht fertig und wird auch kein Antimykotikum eingesetzt, kann C. albicans auch ins Epithel eindringen (s. Abb. 5 und 6 auf S. 240). Die Pilzinfektion wird chronisch. Erreger In über 95% der symptomatischen Pilzinfektionen findet sich Candida albicans als verursachender Erreger. Vor allem er vermag Entzündung und damit Beschwerden auszulösen. Der in 5–10% der Isolate gefundene Keim Candida glabrata führt nach meiner Erfahrung nicht zu Entzündungsreak- Abb. 2: Akute Kolpitis mit Rötung und klumpig gelbem Fluor durch C. albicans. FORTBILDUNG + KONGRESS Häufige Candida-Arten und ihre klinische Bedeutung tionen in der Vagina. Weitere Candida-Arten (s. Tab. 2) finden sich nur in 1–2% der Isolate. Diagnostik n Mikroskopischer Nachweis Bei Beschwerden (Juckreiz) und dem klinischen Bild einer Entzündung mit flockig gelblichem Fluor (s. Abb. 2) ist der mikroskopische Nachweis von Pilzelementen ausreichend für die Diagnose und somit die Einleitung einer Therapie. Pseudomyzel (s. Abb. 3 und 4) ist nahezu beweisend für C. albicans. Bei mikroskopischem Nachweis von Pseudomyzel auch ohne Entzündungsreaktion, d.h. ohne Beschwerden, sollte die Patientin darüber informiert und eine Therapie angeboten werden, denn es kann sich um eine sehr frühe Form der Infektion handeln. Abb. 3: Nativmikroskopie mit Pseudomyzel und Entzündungsreaktion (viele Leukozyten). Abb. 4: Grampräparat mit massenhaft Leukozyten und wenig Pseudomyzel. FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 3 239 FORTBILDUNG + KONGRESS n Kultureller Pilznachweis Eine Kultur ist dann notwendig, wenn Beschwerden bestehen, aber keine Pilze gesehen werden, oder wenn bei Rezidiven oder chronischem Verlauf nur kleine Sprosszellen (z.B. kann es C. glabrata sein) oder große, längliche Sprosszellen (sprechen für Saccharomyces = Bäckerhefe) gefunden werden. Der Abstrich ist immer aus Vagina und Vulva zu entnehmen. Die Anzüchtung erfolgt auf Sabouraudmedium (Platte oder Bouillon). Bei positiver Kultur folgt die Differenzierung morphologisch auf der Reisagarplatte und/oder biochemisch auf speziellen Systemen (Farbreaktion). Semiquantifizierung ist wünschenswert, da geringe Mengen ohne Entzündungsreaktion eher für Kolonisation sprechen. Eine kulturelle Anzüchtung und Differenzierung ist immer dann notwendig, wenn die Beschwerden atypisch sind (Brennen), das klinische Bild nicht eindeutig ist und keine Pilzelemente oder nur Sprosszellen im Mikroskop gesehen werden, auch bei allen chronischen Erkrankungen und bei Verdacht auf Therapieversager. Therapie Eine Therapie ist beim Immunkompetenten nur erforderlich bei Beschwerden und in der Schwangerschaft. Es stehen viele Substanzen und Galenikformen zur Verfügung (s. Tab. 3). Abb. 5: Chronische Vulvitis durch C. albicans. Abb. 6: Histologisches Bild zu Abb. 5 mit PAS-gefärbten Pilzfäden im Epithel. Gelegentlich auftretende Candidosen wird man lokal therapieren, chronisch rezidivierende mit starkem Befall der Vulva sollte man oral behandeln. In diesen Fällen ist damit zu rechnen, dass die Pilzfäden schon tiefere Epithelschichten befallen haben. Hautpflege mit hochwertigen Fettpflegeprodukten führt langfristig zu einer Epithelverbesserung und damit Reduktion von Keimen auf der Haut – ein Aspekt, dem bisher zu wenig Beachtung geschenkt wird. Eine Biopsie sollte vorgenommen werden, wenn die Hautveränderungen trotz optimaler Therapie persistieren. Wichtig ist, dass die Beschwerden nach der Therapie, z.B. am 4.–6. Tag, verschwunden sind. Ist dies nicht der Fall, so war der Pilz nicht die Ursache der Beschwerden oder nur eine zusätzliche Erkrankung. Eine Partnertherapie wird nur bei der chronisch rezidivierenden Candidose empfohlen, da davon auszugehen ist, dass der Partner kolonisiert ist. Regelmäßige Häufig angewandte Antimykotika topische Antimykotika Nystatin (keine Resistenz bei C. albicans bekannt, langsamerer Wirkungseintritt, keine Resorption, Darmsanierung) Imidazole: Clotrimazol, Econazol, Miconazol, Oxiconazol, Tioconazol, Fenticonazol etc. (auch zur Kurzzeittherapie – 1–3 Tage – einsetzbar, Resistenzen selten, teilweise Resorption, langjährige Erfahrung) Pyridon: Ciclopiroxolamin (breites Wirkspektrum) Polyene: orale Antimykotika Triazole: Fluconazol, Itraconazol (orale Standardtherapeutika) Tab. 3: Für die Therapie von Candidosen steht eine Reihe von Substanzen und Galenikformen zur Verfügung. 240 FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 3 Therapieversager Sind nach der Therapie noch Entzündungszeichen vorhanden und ist C. albicans noch nachweisbar, so war entweder die Therapie wegen ungenügender Applikation der Wirksubstanz nicht ausreichend (was häufig in der Schwangerschaft vorkommt), oder das Antimykotikum war unwirksam (Resistenzen bei C. albicans sind jedoch sehr selten). Eine weitere Ursache ist die unzureichende Aufnahme des lokal applizierten Antimykotikums, was bei chronischer Infektion der Vulva gelegentlich eine Rolle spielt. Die Pilzelemente sind ins Epithel eingedrungen (s. Abb. 5 und 6). Das auf die Haut aufgetragene Antimykotikum reicht nicht aus, um die im Gewebe befindlichen Pilze zu beseitigen. In diesen Fällen ist die orale Behandlung mit Fluconazol oder Itraconazol Chronisch rezidivierende Candidose Bei vier und mehr symptomatischen Pilzinfektionen pro Jahr spricht man von chronisch rezidivierender Candidose. In den meisten Fällen handelt es sich wahrscheinlich um Reinfektionen. Sie erfolgen entweder aus anderen Körperbereichen, durch den Partner oder durch andere Kontakte, da Pilze in der Natur weit verbreitet sind. Die Auslöser einer Pilzinfektion sind bis heute nicht genügend bekannt. Versuche, das Problem durch eine Darmsanierung zu lösen, sind wegen Erfolglosigkeit weitgehend aufgegeben worden. Auch Versuche mit Impfungen oder Immunstimulation haben bisher enttäuscht. In einer großen Multicenterstudie berichtet Sobel über die wöchentliche Einnahme von 150 mg Fluconazol über sechs Monate. Hierunter sank die Zahl der Rezidive signifikant. Nach Absetzen der Prophylaxe stieg die Zahl der Rezidive leider wieder deutlich an. Resistenzen spielten dabei keine Rolle. Die orale Therapie verbunden mit der oralen Mitbehandlung des Partners und einer prophylaktischen Applikation alle vier Wochen bringt in vielen Fällen erhebliche Erleichterung, z.T. auch langfristige Heilung. Wird gleichzeitig durch Pflegefett die Haut im Vulva- und Analbereich verbessert und auch hierdurch das Pilzangebot aus dem Darm verringert, bleiben die Patienten sehr viel länger rezidivfrei. In schweren Fällen kann das Prophylaxeintervall vorübergehend auf wöchentlich verkürzt werden. Wenn es sich nicht um eine Pilzinfektion handelt Viel häufiger als chronisch-rezidivierende Candidosen sind leider die Fehldiagnosen, bei denen der Juckreiz und die Beschwerden eine andere Ursache haben (s. Tab. 1 auf S. 238), Von den zu mir kommenden Patientinnen mit der Diagnose „therapieresistente Pilzinfektion“ war Candida albicans in weniger als 10% die Ursache der Beschwerden. Andere Ursachen für Juckreiz n Lichen sclerosus Der Lichen sclerosus ist die weitaus häufigste juckende, entzündliche, nichtinfektiöse Dermatose der Vulva. Sie ist nicht auf das höhere Alter begrenzt, sondern kommt auch schon bei kleinen Mädchen vor. Dieser Umstand ist der Grund dafür, dass viele junge Frauen oft jahrelang unnötig mit Antimykotika und damit falsch behandelt werden. Wie bei allen so genannten Immunerkrankungen nimmt die Häufigkeit im reifen Alter zu. Das klinische Bild ist außerordentlich variabel. Juckreiz besteht schon, ehe die weißlichen Veränderungen sichtbar werden. Die Diagnose kann klinisch gestellt, aber nur histologisch gesichert werden. Die empfohlene Therapie besteht heute hauptsächlich in einer Fettpflege und wirksamen Kortikosteroiden, z.B. Clobetasol im Intervall, je nach Befund. n Lichen planus Der Lichen planus zählt zu den häufigsten entzündlichen, nichtinfektiösen Dermatosen am Körper nach der Psoriasis. Sein Vorkommen an der Vulva ist zu wenig bekannt. Anfänglich besteht Juckreiz. Typisch sind weiße, netzartige Strukturen, die mit dem Kolposkop gut erkennbar sind. Im Spätstadium nach vielen Jahren kommt es zu Erosionen an der Innenseite der kleinen Labien und zu Synechien. Dann stehen der brennende Schmerz und der Berührungsschmerz im Vordergrund. Dieses Stadium ist sehr viel besser bekannt und wird im deutschsprachigen Raum auch Lichen ruber genannt. Der genitale Lichen planus ist meist auch vergesellschaf- tet mit einem Befall der Mundhöhle, was die Diagnose erleichtert. Die Therapie entspricht in etwa derjenigen des Lichen sclerosus. n Psoriasis vulgaris Während die Psoriasis vulgaris an der normalen Haut und den üblichen Prädilektionsstellen leichter erkannt wird, ist die Diagnose an der Vulva schwieriger und wird daher oft relativ spät gestellt, insbesondere wenn dies die einzige Manifestationsstelle ist. Eine Pilzinfektion kann hinzukommen und die Beschwerden verstärken, oder es handelt sich um eine gleichzeitige harmlose Pilzkolonisation, wenn das Antimykotikum keine Besserung bringt. Die Diagnose kann aus dem klinischen Bild, der meist symmetrischen Anordnung der Effloreszenzen und dem Verlauf vermutet werden. Die Sicherung der Diagnose erfolgt durch die Histologie. Typisch sind der chronische Verlauf über Jahre und der scharfe Übergang von der normalen Haut in gerötete, leicht erhabene, flächige Veränderungen. Eine leicht silbrige Schuppung ist für die Diagnosestellung hilfreich, besteht aber nur gelegentlich. Rasche Besserung bringen auch hier eine Kortikosteroidsalbe und die regelmäßige Fettpflege. FORTBILDUNG + KONGRESS effektiver. Ob eine Einmaldosis ausreicht, hängt vom Einzelfall ab. Wirksamer ist eine zweite und dritte Gabe, z.B. am dritten und sechsten Tag. n Ekzem Ekzeme sind durchaus mit einer Pilzinfektion zu verwechseln. Es kann auch beides vorliegen. Ekzeme sind leicht entzündliche Intoleranzreaktionen der Haut mit reversibler Exsudation. Sie können durch eine Vielzahl von exogenen Noxen zusammen mit endogenen Reaktionsfaktoren ausgelöst werden. Bei der akuten Form findet man Bläschen und Nässen, während die chronische Form eher trocken ist mit Schuppung und Verbreiterung der Epidermis (Akanthose). Jedem allergischen Kontaktekzem geht eine unspezifische irritative Phase voraus. Patientinnen in der unspezischen Phase klagen über FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 3 241 FORTBILDUNG + KONGRESS Jucken und Brennen, ohne dass klinisch schon etwas zu sehen ist. Soforttherapie erfolgt mit einer Kortikosteroidsalbe. Langfristig sind das Weglassen von allergisierenden Substanzen und die konsequente Fettpflege mit hochwertigen Produkten wichtig. n Lichen simplex chronicus Chronischer Juckreiz ohne Pilznachweis mit Vergröberung des Reliefs der Haut ist typisch für den Lichen simplex. Im Gegensatz zum Lichen sclerosus sind die Hautveränderungen häufig einseitig oder begrenzt. Ständiges Kratzen und Reiben verstärkt den Juckreiz und die Epithelveränderungen. Die Diagnose wird histologisch gesichert durch die Hyperplasie der Epidermis bei fehlender Entzündungsreaktion. Manche Erkrankung beginnt als Infektion, meist Pilzinfektion. Nicht selten gesellen sich dann noch Probleme auf einer anderen Ebene hinzu. Abhilfe schaffen nur das Unterlassen des Kratzens und die Hautpflege mit Fett. Kurzfristiges Auftragen einer Kortikosteroidsalbe für ein bis zwei Wochen beschleunigt und verbessert den Erfolg. n Hautbeschädigung und Hauttrockenheit Diese Schäden sind zahlenmäßig häufiger als Dermatosen. Während die Vorstufen nicht leicht erkennbar sind, sind Rhagaden sehr typische Spätzeichen. Schilderungen über den Mitbefall des Analbereiches sind besonders hinweisend auf eine Hautbeschädigung. Das regelmäßige Fetten nach dem Waschen und vor mechanischer Belastung führt zu Heilung. Vorgehen bei Patientinnen mit chronischem Juckreiz bzw. Verdacht auf chronische Pilzinfektion 1. Genaue Anamneseerhebung Viele dieser Patientinnen sind schon 242 FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 3 bei mehreren Kollegen gewesen. – Wie lange bestehen die Beschwerden schon? – Welche Mikroorganismen wurden nachgewiesen? – Welche Behandlungen wurden wie oft durchgeführt? – Hat überhaupt etwas geholfen? – Wie sind die Wasch- und Pflegegewohnheiten? 2. Kolposkopie der Vulva Beurteilung von Rötung, weißlichen Veränderungen (besonders im vorderen Bereich der Vulva), Pusteln, Hautvergröberungen, netzartigen weißen Strukturen u.a. Dabei an eine Dermatose und Hautbeschädigung denken. 6. Therapieversuch mit oralem Antimykotikum Ist der Juckreiz nach der Einnahme von z.B. 150 mg Fluconazol nicht verschwunden, so spricht dies gegen eine Pilzinfektion als Ursache des Juckreizes. Hier ist das Antimykotikum zugleich ein Diagnostikum, da es nur gegen den Pilz (C. albicans) wirksam ist. Bei Nachweis anderer Pilzarten wie C. parapsilosis und C. krusei auch an die Möglichkeit weiterer Ursachen für den Juckreiz denken, da diese eine geringere Pathogenität als C. albicans besitzen. Das gilt ganz besonders für den Nachweis von C. glabrata, der nach meiner Erfahrung keine Beschwerden verursacht. 3. Beurteilung des Fluors – Klinisch: Weißer, formbarer Fluor ist normal. Bei einem pH-Wert von 4,0 ist als Infektion fast nur eine Pilzinfektion möglich. – Mikroskopie des Fluors: Sind keine Pilzelemente zu sehen, kommt dem Verhältnis Leukozyten zu Epithelzellen eine hohe Bedeutung zu. Bei mehr Leukozyten als Epithelzellen sollte an eine Entzündung durch Infektion gedacht werden. Ein Verhältnis Leukozyten zu Epithelzellen von 1:>5 spricht gegen eine Infektion, insbesondere wenn Laktobazillen vorhanden sind. Rötung bei normalem Fluor bedeutet Entzündung in der Haut (entzündliche Dermatose). 7. Therapie und Prophylaxe bei regelmäßigem Nachweis von C. albicans Hier ist bis zur endgültigen Diagnose eine Kontrolle von Beschwerden, klinischem Bild und Pilzkultur eine Woche nach Therapieende erforderlich. Bei völliger Heilung und Elimination der Hefe und späterem Rezidiv ist eine Reinfektion durch den Partner oder sonstige Quelle wahrscheinlich. In diesen Fällen profitiert die Patientin von einer prophylaktischen Applikation von z.B. 150 mg Fluconazol alle vier Wochen. Auch die Mitdiagnostik und wenigstens einmalige orale Mitbehandlung des Partners wird zunehmend empfohlen. Eine Verkürzung des Intervalls ist jederzeit möglich. 4. Abstrich aus Vagina und Vulva Kultureller Nachweis oder Ausschluss von Pilzen, speziell Candida albicans. (Bei brennenden Beschwerden auch Bakteriologie zum Ausschluss von AStreptokokken und Staphylococcus aureus erforderlich. Trichomonadenund Kolpitis-plasmacellularis-Verdacht nur bei deutlich mehr Leukozyten als Epithelzellen.) 8. Therapie mit Kortikosteroiden Sie bremsen jede Entzündungsreaktion, auch die durch Infektionen. Lokal können sie ohne Bedenken kurzfristig jederzeit angewendet werden. Bei allen Dermatosen geht es nicht ohne Kortikosteroide. Spätschäden durch Dermatosen können durch frühzeitige Diagnose und Therapie weitgehend verhindert werden. 5. Biopsie Auffällige Hautbereiche, die klinisch keiner Diagnose zugeordnet werden können, sollten biopsiert werden (Stanze, Knipsbiopsie) (8). 9. Fettpflege Hautbeschädigung durch fehlende Pflege, zu vieles Waschen oder übertriebene mechanische Reinigungsgewohnheiten ist eine häufige Ursache FORTBILDUNG + KONGRESS von Beschwerden im anogenitalen Bereich. Sie erleichtert auch das Eindringen von Erregern. Gerade bei chronischen Problemen muss auch hier durch eine konsequente Fettpflege nach dem Waschen und vor jeder mechanischen Belastung die Haut vor Schäden bewahrt werden und die Zahl der Erreger auf der Haut verringert werden. Literatur 1. Müller J: Besonderheiten von Pilzkeimträgern als Dauerausscheider. Zbl Hyg 194 (1993) 162–172. 2. Petersen EE: Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe. 4. Aufl. Thieme, Stuttgart, 2003. 3. Petersen EE: Farbatlas der Vulvaerkrankungen. 2. Aufl. 2007, in Vorbereitung 4. Schnell JD: Vaginalmykose und perinatale Pilzinfektion. Karger, Basel, 1982. 5. Sobel JD, Kapernik PS, Zervos M et al.: Treatment of complicated Candida vaginitis: Comparison of single and sequential doses of fluconazole. Am J Obstet Gynecol 185 (2001) 363–369. 6. Tietz HJ, Mendling W: Haut- und Vaginalmykosen. Blackwell, Berlin, 2001. 7. Vulvovaginalkandidose. AWMF online. Leitlinien der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft und der Arbeitsgemeinschaft für Infektionen und Infektionsimmunologie (AGII) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. 8. Weyers W, Diaz C, Petersen EE: Biopsie bei vulvovaginaler Candidose – wann und wo? Gyne (2002) 80–83. Autor Prof. Dr. Eiko E. Petersen Facharzt für Frauenheilkunde und Infektiologie Spezialsprechstunde für Vulvaerkrankungen Eichbergstraße 18 79117 Freiburg eiko.petersen@web.de FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 3 243