Urogenitalinfektionen mit Chlamydia trachomatis
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Urogenitalinfektionen mit Chlamydia trachomatis
Urogenitalinfektionen mit Chlamydia trachomatis Udo B. Hoyme Chlamydien sind die am häufigsten vorkommenden sexuell übertragbaren Keime in Deutschland. Infektionen mit diesen Bakterien erhöhen beträchtlich das Risiko für Extrauteringravidität und Sterilität. Eine Therapie mit systemisch verabreichten Antibiotika ist Erfolg versprechend. Chlamydien sind obligat intrazelluläre Bakterien, die als infektiöse Elementarkörperchen extrazellulär oder als nicht infektiöse (jedoch meist metabolisch aktive) Retikularkörperchen in Endosomen der Wirtszelle vorkommen und dieser ATP entziehen. Sie sind somit Energieparasiten. Ein neuer Taxonomievorschlag unterteilt das Genus Chlamydiaceae u.a. in Chlamydia (C.) trachomatis, C. muridarum, C. suis sowie Chlamydophila (Cp.) psittaci, Cp. abortus, Cp. caviae, Cp. felis, Cp. pecorum und Cp. pneumoniae sowie weitere Genera (wie Simkania und Waddlia), deren medizinische Bedeutung noch unklar ist. Chlamydia trachomatis ist der am häufigsten vorkommende sexuell übertragbare Mikroorganismus in Deutschland. Als genitale Chlamydieninfektion wird unabhängig vom klinischen Erscheinungsbild primär die Kolonisation der Eintrittspforten Cervix uteri und/oder Urethra, die somit als Keimreservoire fungieren, mit Chlamydia trachomatis vom Serotyp D-K bezeichnet. Eine gesetzliche Meldepflicht besteht nicht, wird aber diskutiert. Chlamydiennachweis aus der Cervix uteri Chlamydia trachomatis wird in der Frauenheilkunde typischerweise im Zusammenhang mit der Abklärung des Fluor genitalis bzw. einer Zervizitis bei der gynäkologischen Untersuchung nachgewiesen. Dabei werden 339 mit geeigneten, zum Teil speziellen Watteträgern (optimal: Kalziumalginat) Abstriche aus dem Zervikalkanal gewonnen. Von Bedeutung ist die Bereitstellung des adäquaten Transportmediums. Nach Entfernung des Spekulums können die urethralen Abstriche nachgeholt werden, wenn die vaginale Exploration zwischenzeitlich eine Indikation ergab. Der rasche, praktikable, zuverlässige und zugleich kostengünstige Nachweis von Chlamydia trachomatis ist weiterhin problembeladen, wobei bis zum heutigen Tag bei den praxisbewährten Verfahren wie Zellkultur oder Enzymimmunoassay zellreiches Probenmaterial unabdingbare Voraussetzung ist (9, 24). Für die Polymerasekettenreaktion (PCR) trifft diese Maxime nicht zu. In der Diagnostik ist EIA besser als Zellkultur Für die Zellkultur gilt, dass sie mit 60 bis 70(–95)% eine mäßige Sensitivität bei hoher Spezifität aufweist (17), für die tägliche Praxis aber wegen ihres erheblichen technischen und logistischen Aufwandes wenig geeignet ist (5, 6, 18). In den letzten Jahren ist eine Reihe von alternativen, preiswerten und ausreichend zuverlässigen Antigennachweismethoden (s. Tab. 1) entwickelt und eingeführt worden: Bezogen auf die klassische Referenzmethode Zellkultur betragen so im Schrifttum beim Enzymimmunoassay (EIA) die Sensitivität 65–95% und die Spezifität 92–100%. Im Vergleich dazu weniger günstig sind die Parameter des Immunfluoreszenztests, der stark den subjektiven Faktoren Entnahmetechnik und Untersucher unterliegt. Bei beiden Testprinzipien muss im Übrigen mit einem erheblichen Anteil falsch positiver, aber auch falsch negativer Resultate gerechnet werden, vor allem infolge zu geringer Partikelzahl in der Untersuchungsprobe oder zu geringer Antigendiskrimination durch den Testantikörper z.B. gegenüber Staphylococcus aureus (19). Eine neue Nachweisqualität der DNASonde (DNA-Hybridisierung) wurde durch die Entwicklung der PCR erreicht (16). Hier beträgt die Sensitivität theoretisch 100% bei ausgesprochen hoher Spezifität. Eine ungünstige Beeinflussung der Testparameter ist aber wegen der Anfälligkeit gegenüber Verunreinigungen im Untersuchungsablauf möglich. Hinsichtlich der Chlamydien-LCR (Ligase-Kettenreaktion) bzw. ihrer Wertigkeit und kontinuierlichen Verfügbarkeit auf dem Markt ist eine eindeutige Aussage zur Zeit nicht möglich, nachdem eine Zurücknahme wegen nicht reproduzierbarer Testergebnisse im Jahre 2002 erfolgte. DIAGNOSTIK + THERAPIE INFEKTIONEN IN GYNÄKOLOGIE UND GEBURTSHILFE Die erwähnten Testcharakteristika Sensitivität und Spezifität müssen im Übrigen so interpretiert werden, dass mit Ausnahme der Zellkultur bei jedem Verfahren falsch positive oder, wie bei allen Nachweismethoden, falsch negative Befunde auftreten können. Geben Anamnese oder Klinik Anlass zu Zweifel an der Diagnose, so muss unbedingt mit einem alternativen Testverfahren gegenkontrolliert werden, auch unter dem forensischen Aspekt. Serologie in der Akutdiagnostik ohne Bedeutung Der zytologische Chlamydiennachweis ist entgegen anders lautenden Berichten keinesfalls spezifisch oder FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 4 339 DIAGNOSTIK + THERAPIE Methoden zum Nachweis von Chlamydien Methode Sensitivität Spezifität Bewertung Sonstiges Gewebekultur 40–85% 100% relativ aufwändig, evtl. mehrere Passagen „Goldener Standard“ Immunfluoreszenzmikroskopie (IFT) 50–90% >95% subjektive Faktoren erheblich falsch negativ bei niedriger AG-Konzentration; falsch positiv bei unspezifischer AK-Bindung Enzymimmunoassay (EIA) 0–100% >99% praktikabel, objektiv höher bei blockierenden AK falsch positiv/negativ analog IFT DNS-Hybridisierung 60–93% Amplifikation durch PCR! 83–93% praktikabel, objektiv falsch negativ analog IFT; falsch positiv bei hoher DNSDichte (z.B. bei bakterieller Vaginose, Kolpitis) PolymeraseKettenreaktion (PCR) 56–100% >99% praktikabel, objektiv aufwändig hinsichtlich Logistik und Kosten störanfällig durch Verunreinigung; falsch negative Befunde nahezu ausgeschlossen Tab. 1: Charakteristika der direkten Nachweisverfahren für Chlamydia trachomatis aus der Cervix uteri. sensitiv, auch nicht unter Berücksichtigung zusätzlicher spezieller Kriterien (6, 20). Eine vergleichbare Unsicherheit besteht bei der Chlamydienserologie, die in der Frauenheilkunde epidemiologischen und wissenschaftlichen Fragestellungen dient, in der Akutdiagnostik jedoch ohne Bedeutung geblieben ist. Im Übrigen schließt auch ein negatives serologisches Resultat eine u.U. frühe Infektion nicht sicher aus (19). Im Fazit gilt weiterhin folgerichtig für das Chlamydienscreening in der Schwangerschaft, dass gemäß den Empfehlungen in erster Linie ein EIA oder die DNA-Hybridisation, in zweiter Linie der IFT unter Berücksichtigung aller Störfaktoren das Optimum darstellen (10, 18). Eine PCR sowie (mit Einschränkung) die Kultur dienen derzeit der Bestätigung oder dem Ausschluss der Infektion bei Zweifel am Ergebnis des zum Screening eingesetzten Verfahrens. Dies ist u.a. mit der Kostensituation und -erstattung begründet, aber auch damit, dass hochsensitive Verfahren 340 FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 4 selbst klinisch nicht mehr bedeutsame Kolonisationen nachzuweisen vermögen und damit in gewissem Sinne in die Irre führen können. Die wissenschaftliche Datenlage und Diskussion zur PCR im Screening erlauben bislang keine fundierte Entscheidung. Praktische Aspekte der Diagnostik Für die Praxis dürfte die Entscheidung für ein Testverfahren von den lokalen Gegebenheiten bzw. dem Angebot des Referenzlabors abhängig sein. In der Regel wird ein zellreicher Abstrich aus der Zervix, der Urethra, den Fimbrien oder der Konjunktiva zum Einsatz kommen. Bei hoher Keimkonzentration ergeben sich bei keinem der beschriebenen Verfahren wesentliche Erkennungsprobleme, anders jedoch bei niedrigen Konzentrationen, wie sie für chronische Infektionen typisch sind. Hier dürfte in der Zukunft auch die Domäne der PCR liegen, eventuell selbst bei der Analyse von weiblichen Harnproben. Während für die Effizienz eines indizierten Screenings neben den genannten Aspekten auch die Prävalenz in der untersuchten Population von Bedeutung ist, sollte sich die Entscheidung für eine gezielte Untersuchung auf die folgenden Kriterien gründen: n Patientin 24 Jahre oder jünger, n neuer Sexualpartner, n abnormer zervikaler Ausfluss, n zervikale Blutung beim Abstrich, n mehrfacher Partnerwechsel beim derzeitigen Partner und n keine Anwendung von Barrieremethoden zur Kontrazeption. Damit können etwa 85 bis 90% aller chlamydienpositiven Patientinnen erfasst werden (9). Infektionen in der Gynäkologie Fluordiagnostik ist primär stets die Bewertung eines Symptoms, bei dem ätiologisch die Infektion der Cervix uteri dominieren kann und gegebenenfalls auf Chlamydien abgeklärt werden sollte, das aber in der Differenzialdiagnostik auch unter dem Ge- DIAGNOSTIK + THERAPIE Algorithmus Symptom (!) Fluor genitalis Abb. 1: Algorithmus Symptom (!) Fluor genitalis nach Hoyme/Mendling 2004. FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 4 341 DIAGNOSTIK + THERAPIE sichtspunkt der Karzinomfrüherkennung, der Hormonsituation, der Disposition und der psychosomatischen Reaktion Berücksichtigung finden muss. Auch zytologische Bewertungen als Atypien oder dysplastische Veränderungen des Zervixepithels wurden gehäuft im Zusammenhang mit Chlamydieninfektionen gefunden (6). Eine karzinogene Wirkung von Chlamydien ist allerdings nicht belegt. In der Fluordiagnostik ist es essenziell, das zum Symptom Ausfluss führende Syndrom zu erkennen. In die Bewertung gehen Ausflusscharakter, vaginaler pH-Wert, Geruchstest und Nativmikroskopie ein. So genannte Suchkulturen haben keine diagnostische Relevanz, da sie den Nachweis der anspruchslosesten, am schnellsten wachsenden Bakterienarten ergeben und im Prinzip die erwartete normale Flora des Mundes, des Darmes und der Haut widerspiegeln. Therapeutisch ist dies nicht von Relevanz, es sei denn, es handelt sich um einen durch den Geschlechtsverkehr übertragenen Erreger, im Wesentlichen also um Chlamydien oder Gonokokken. Die Orientierung am Syndrom erlaubt anders betrachtet aber geradezu die Vorhersage der vorherrschenden Erregerarten, die bei dieser Vorgehensweise durch die gewählte adäquate Therapie regelhaft erfasst werden (s. Abb. 1 auf S. 341). dometritis und auch mit einer Salpingitis assoziert ist, bei Chlamydien etwa im Verhältnis 1:10. Bei positivem Chlamydiennachweis, der als Risikomarker gilt, sollten auch die Partnerdiagnostik sowie neben der Diagnostik auf Neisseria gonorrhoeae und Herpes-simplex-Virus die serologische Untersuchung zum Nachweis von Syphilis, Hepatitis B und HIV veranlasst werden (9). Im Übrigen ist die Salpingitis in den westlichen industrialisierten Staaten ausgesprochen selten geworden, sodass aktuelle zahlenstarke Untersuchungen nicht vorliegen. Als Ursache für dieses Phänomen werden u.a. die intensivierte allgemeine STDbzw. spezielle HIV-Prävention, die vermehrte Aufklärung sowie angepasste Antibiotikaregime diskutiert. Tubar-Abstrich per Laparoskopie Der Erregernachweis bei der Salpingitis ist problematisch, da die Gewinnung repräsentativer Proben den direkten Zugang zu den Eileitern erfordert bzw. Zervixproben im Wesentlichen den Nachweis von Standortflora ergeben. Aus diesem Grund muss die mikrobiologische Diagnostik in zeitgemäßen Untersuchungen auf laparoskopisch unter visueller Kontrolle gewonnenen intraabdominalen Proben beruhen (s. Abb. 2) (10). In der Praxis besteht im Übrigen häufig eine Diskrepanz zwischen den mikrobiologischen Befunden von der Zervix/Urethra und denen von den Eileitern: Chlamydien, die in der Zervix nicht nachweisbar sind, können durchaus in hoher Prävalenz von den Tuben isoliert werden (s. Tab. 2). Dies spricht für das Konzept, sowohl zervikale und urethrale Abstriche als auch Tubenabstriche auf Chlamydien und Gonokokken zu untersuchen, um die Isolationsrate zu erhöhen bzw. aufgestiegene und nicht mehr die Zervix betreffende Infektionen sicher zu erfassen. Der zweifelsfreie Nachweis der Salpingitis ist derzeit nur durch die Laparoskopie gewährleistet (12, 25), und zwar anhand der folgenden Kriterien: n Hyperämie der Tubenserosa; n Ödem der Tubenwand; n Exsudat auf der Tubenserosa bzw. aus den Ostien hervorquellend (12). 90% der Urethra-Infektionen bleiben symptomlos Das Erscheinungsbild der Chlamydieninfektion reicht vom typischen mukopurulenten Ausfluss aus der Cervix uteri bis zur unspezifisch wirkenden Zervizitis und völlig asymptomatischen Verlaufsformen. Chlamydieninfektionen betreffen häufig auch die Urethra, wobei über 90% aller Frauen asymptomatisch sind; andernfalls wird über Harndrang, Pollakisurie und Dysurie (Urethralsyndrom) geklagt (9). Bei allen Formen der bakteriell bedingten Zervizitis muss bedacht werden, dass diese häufig mit einer En- 342 FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 4 Abb. 2: EndoSwab (Merete Medical GmbH, Berlin) zur laparoskopischen Entnahme von Abstrichproben. Der klinische Verlauf einer Chlamydien-Salpingitis erscheint meist ausgesprochen gutartig und symptomarm. Bezüglich des möglichen morphologischen Grades der Tubenschädigung bestehen dagegen offensichtlich keine Unterschiede zwischen Chlamydien- und sonstigen Infektionen. Die Symptomarmut der Chlamydieninfektion stellt ein klinisches Dilemma dar: Einerseits weisen nur 30 bis 60% aller Frauen, bei denen eine Salpingitis klinisch diagnostiziert wurde, diese Erkrankung auch bei laparoskopischer Kontrolle wirklich auf (25), andererseits gilt in Umkehrung, dass bei anders lautenden klinischen Diagnosen erst die Laparoskopie die Entzündung erkennen lässt (s. Tab. 3). Von den Spätfolgen sind neben der Rezidivneigung und den chronischen Schmerzzuständen die Auswirkungen auf die Fertilität wesentlich. So ist das Risiko einer Extrauteringravidität nach einer Salpingitis um das 7- bis 10-Fache erhöht. Die Rate der tubaren Sterilität beträgt zwischen 6 und 70% (24). Chlamydia trachomatis bei Salpingitis-Patientinnen n Zervix Urethra Eileiter nur Eileiter Summe Erfurt 2006 Brihmer 1989 Brunham 1988 Hoyme 1989 281 33+4* 4** 58 27+13* 77 64 36 n.d. 12 0 36 38 4 n.d. 2 1 5 71 11 10 8 3 17 * Tubenabstrich ausschließlich Cervix uteri gegenübergestellt, keine urethralen Proben ** zervikale und urethrale Proben, Fälle nur in 1994/95 Tab. 2: Wenn in der Zervix keine Chlamydien gefunden wurden, kann das Bakterium oft dennoch in den Tuben nachgewiesen werden. Die hohe Prävalenz von Chlamydienantikörpern bei tubarer Sterilität oder ektoper Gravidität belegt die Bedeutung des Erregers in der Ätiologie dieser Komplikationen. Andererseits weisen gerade Patientinnen mit Chlamydienantikörpern eine in Bezug auf Salpingitis leere Anamnese auf, was hypothetisch mit dem subklinischen Verlauf der Erkrankung bei gleichzeitig erheblicher Schädigung der Tubenmukosa erklärt werden kann (25). Es darf aber keinesfalls aus dem Vorliegen entsprechender Antikörper mit letzter, die Patientin bzw. das Paar erheblich belastender „Sicherheit“ darauf geschlossen werden, dass eine tubare Sterilität auch wirklich durch Chlamydien bedingt ist; auch anderswo lokalisierte Chlamydieninfektionen führen zu vergleichbaren Serokonversionen. In der Bewertung der Differenzialdiagnose der klinisch vermuteten/diagnostizierten Salpingitis und laparoskopische Bewertung (n=979) laparoskopische Diagnose % Jacobson & Erfurt 2006 Weström, 1969 akute Salpingitis, TOA Normalbefund akute Appendizitis Endometriose Corpus-luteum-Zyste (Einblutung) chronische Salpingitis Adhäsionen Verschiedenes 28,7 19,1 3,3 12,3 13,0 6,2 17,5 – 65,4 22,6 2,9 2,0 1,5 0,7 – 4,9 Tab. 3: Die Laparoskopie ergibt nicht selten ein deutlich anderes Bild als die klinische Untersuchung. Akutsituation gilt die Chlamydienserologie geradezu als „malpractice“. Infektionen in der Schwangerschaft Chlamydia trachomatis ist ein das präund peripartuale Risiko erhöhender Faktor. Häufig treten die Infektionen erst nach der Entlassung aus der Klinik in Erscheinung, so dass der Zusammenhang mit der Geburt verkannt wird. DIAGNOSTIK + THERAPIE Für die Laparoskopie spricht außerdem, dass nur mit ihrer Hilfe eine korrekte und zumindest in wissenschaftlichen Untersuchungen unerlässliche Einstufung des Schweregrades der Erkrankung möglich ist. Hinzu kommen die Gewinnung der repräsentativen mikrobiologischen Probe sowie evtl. der Einstieg in die chirurgische Therapie. Die Kolonisation der Cervix uteri bedingt neben der Gefährdung des Neugeborenen für die Mutter die Disposition zur Chorioamnionitis sub partu sowie dann im Wochenbett zur sogenannten späten postpartualen Endometritis. Hier sind im Gegensatz zum gewöhnlich milden klinischen Verlauf – vergleichbar der Endometritis-Salpingitis bei der nichtschwangeren Frau – die morphologischen Veränderungen schwerwiegend, zumal sie ebenfalls zur sekundären tubaren Sterilität führen bzw. auch eine Disposition zur Extrauteringravidität begründen können (24). Trotz weiterhin widersprüchlicher Untersuchungsergebnisse gelten gehäuftes Auftreten von vorzeitigem Blasensprung, Chorioamnionitis, Frühgeburt, niedrigem Geburtsgewicht und eine damit erhöhte perinatale Morbidität und Mortalität als gesichert (13, 14). Bei der Geburt kommt es infolge der Infektion der Cervix uteri zur Übertragung auf das Kind; bei 18–50% der FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 4 343 DIAGNOSTIK + THERAPIE Fälle tritt eine Einschlusskörperchenkonjunktivitis und bei 11–18% eine atypische Pneumonie auf; Otitis media und Infektionen des Nasopharynx wurden ebenfalls beobachtet (2, 7, 9, 11, 22). Bei Neugeborenen wird am 5.–11. Lebenstag eine zunächst meist einseitige, nach weiteren 2–7 Tagen häufig beidseitige mukopurulente, gelegentlich hämorrhagische konjunktivale Sekretion mit einem deutlichen Lidödem beobachtet. Normalerweise entstehen keine Bindehaut- oder gar Hornhautnarben (2, 9). In Bewertung der beschriebenen Gefährdungssituation wurde bereits 1992 von der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe mit Hilfe einer von der Standardkommission „Infektionen in der Perinatalen Medizin“ erarbeiteten gemeinsamen Stellungnahme ein Screening auf Chlamydien in der Schwangerschaft bei Erstuntersuchung empfohlen (10, 18). Darauf hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen mit der Änderung der Mutterschaftsrichtlinien vom 22. November 1994 in adäquater Weise reagiert: Seit dem 1.4.1995 ist das Screening auf Chlamydien in der Schwangerschaft obligat, abrechenbar und aufgrund zahlreicher zur Verfügung stehender diagnostischer Tests auch weitgehend praktikabel. Es soll bei der ersten Schwangerschaftsuntersuchung und bei sich zusätzlich stellender Indikation in der 30. bis 34. SSW nach Information und Einverständnis vorgenommen werden. Die Abstriche von Cervix uteri und Urethra können für die Gewebekultur, den EIA, die DNAHybridisierung sowie für Amplifikationsverfahren aus Ersparnisgründen gepoolt werden, beim IFT sind zwei Objektträger anzulegen (10). Therapie der Chlamydieninfektion In der Therapie kann aufgrund der dargestellten adäquaten Diagnostik gezielt und damit kosteneffizient vorgegangen werden. 344 FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 4 Die Chlamydieninfektion wird in der unkomplizierten Form mit Tetracyclin oder Doxycyclin über mindestens zehn Tage behandelt (21). Vergleichbar wirksam, von der Compliance überlegen, aber auch teuerer, sind Roxithromycin und das als Einmaltherapie einsetzbare Azithromycin (s. Tab. 4). Für Deutschland hat eine entsprechende Kommission der DGGG für die Schwangerschaft aufgrund guter Wirksamkeit und Verträglichkeit die Therapie mit Erythromycinethylsuccinat oral 4 x 800 mg für mindestens sieben Tage empfohlen, daneben steht Erythromycinbase 4 x 500 mg für ebenfalls sieben Tage. Bei Unverträglichkeit kann die Dosis halbiert und die Einnahmezeit entsprechend verlängert werden (1, 3). Erythromycinestolat ist im Übrigen wegen seiner Lebertoxizitiät in der Schwangerschaft kontraindiziert. Die Behandlung sollte möglichst unmittelbar nach der Diagnosestellung, aus Sicherheitsgründen aber nicht vor Ab- schluss der 14. SSW begonnen werden. Es wird empfohlen, den Therapieerfolg durch eine Kontrolle drei bis vier Wochen nach Behandlungsende sicherzustellen. Die adäquate Behandlung der Chlamydieninfektion in der Schwangerschaft erfolgt gemäß den CDC-Guidelines (3) auch mit Azithromycin 1 g als Einmaldosis (3, 23), auch Amoxicillin 3 x 500 mg p.o. für sieben Tage ist vergleichbar aktiv. Die Partnertherapie ist stets obligat. Die Empfehlungen gelten sinngemäß auch für die Therapie im Wochenbett bzw. in angepasster Dosierung beim erkrankten Neugeborenen (40 bis 60 mg Erythromycin pro kg Körpergewicht und Tag für 14 Tage). Die nachträglich erkannte Exposition des Kindes unter der Geburt stellt keine Indikation zur Therapie dar, muss aber dem Neonatologen mitgeteilt werden und Anlass zu gezielter Überwachung sein (4). Die Kontrolle sollte frühestens 48 Stunden nach Abschluss der Therapie erfolgen (3, 10). Antibiotische Therapie der Chlamydieninfektion n Azithromyzin* p.o. 1 g single dose n Doxycyclin p.o. 2 x 100 mg für 7d n Erythromycin-Base** p.o. 4 x 500 mg für 7d n Erythromycin-Ethylsuccinat** p.o. 4 x 800 mg für 7d n Ofloxacin p.o. 2 x 300 mg für 7d n Levofloxacin p.o. 1 x 500 mg für 7d * auch in graviditate (Amoxicillin p.o. 3 x 500 mg 7d) ** auch in graviditate (evtl. halbe Dosis für 14d) Tab. 4: Behandlung der Infektion mit Chlamydia trachomatis (Sexually Transmitted Diseases Treatment Guidelines 2006). Antibiotische Therapie bei Salpingitis/PID n Cefotetan/Cefoxitin i.v. plus Docycyclin p.o./i.v. n Clindamycin i.v. plus Gentamicin i.v. n Levofloxacin/Ofloxacin i.v. (plus Metronidazol i.v.) n Ampicillin/Sulbactam i.v. plus Doxycyclin p.o. n Levofloxacin/Ofloxacin p.o. (plus Metronidazol p.o.) n Cetriaxon i.v. (s.d.) plus Doxycyclin p.o. (plus Metronidazol p.o.) n Cefoxitin i.m. (s.d.) plus Doxycyclin p.o. (plus Metronidazol p.o.) Tab. 5: Antibiotika bei Salpingitis und Pelvic Inflammatory Disease (Sexually Transmitted Diseases Treatment Guidelines 2006). Ist es zur Endometritis-Salpingitis gekommen, so haben sich die Kombinationen Gentamicin-Clindamycin (1 x 240 mg bzw. 4 x 600 mg) oder Ofloxacin-Metronidazol (2 x 200 bzw. 2 x 500 mg) bewährt (s. Tab. 5). Die letztgenannte Kombination hat den Vorteil, dass sie bei oraler Applizierbarkeit auch in der ambulanten Situation anwendbar ist. Die antimikrobielle Behandlung muss unmittelbar nach der Diagnosestellung als Kombinationstherapie begonnen werden. Sterilität durch frühzeitiges Eingreifen verhindern Der Verlauf und damit der Endzustand einer Salpingitis sind im Übrigen durch die zu Beginn der adäquaten Therapie bereits eingetretenen irreversiblen Eileiterveränderungen vorbestimmt. Dies bedeutet, dass die frühzeitige Diagnose, die Ausschaltung der disponierenden Faktoren und die sofortige konsequente antibiotische Behandlung von entscheidender Bedeutung für die Verringerung der Komplikationen und die Vermeidung der chirurgischen Intervention sind. Die Erfolgskontrolle bei der Patientin wird mikrobiologisch mit den auch initial eingesetzten Nachweisverfahren vorgenommen, wobei diese Tests dadurch falsch positiv ausfallen kön- nen, dass die nachgewiesenen Antigen- bzw. DNA-Strukturen trotz bereits abgestorbener Chlamydien noch nicht resorbiert sind. Die Partnerbehandlung ist immer indiziert, wenn beim jeweiligen Sexualpartner Chlamydia trachomatis (oder Neisseria gonorrhoeae) nachgewiesen wurde. Literatur 1. Adair CD, Gunter M, Stovall TG et al.: Chlamydial infection in pregnancy: a randomized trial of azithromycin and erithromycin. Obstet Gynecol 91 (1998) 165–168. 2. Brunham RC, Holmes KK, Embree J: Sexually transmitted diseases in pregnancy. 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Der Ersatz von AgNO3 durch andere Pharmaka hat bislang zu keiner Ergebnisverbesserung geführt. Die lokale Prophylaxe ist im Übrigen gegen die anderweitig lokalisierten Chlamydieninfektionen nicht wirksam (5, 8, 13, 15). Autor Univ.-Prof. Dr. med. Udo B. Hoyme Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe HELIOS Klinikum Erfurt Nordhäuser Straße 74 99089 Erfurt udo.hoyme@helios-kliniken.de FRAUENARZT n 48 (2007) n Nr. 4 345