Model-Castingshows im Alltag von Jugendlichen
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Model-Castingshows im Alltag von Jugendlichen
Projektbericht Model-Castingshows im Alltag von Jugendlichen Christine W. Wijnen unter Mitarbeit von Julia Fraunberger Salzburg, Januar 2011 Dieses Forschungsprojekt wurde gemeinsam mit den SchülerInnen der 2. ALG-Klasse (2009/10) der HLW Ried am Wolfgangsee durchgeführt: Matthias Angerler, Isabell Egger, Cornelia Fuchsberger, Nina Gantschnigg, Bernhard Gruber, Maria Meindl, Lisa Nistelberger, Miriam Rieger, Sandra Sandbichler, Magdalena Scheibl, Maria Spicker, Elisa Sternbauer, Caroline Stockhammer und Johanna Weiss Klassenvorstand: Sven Bichl Inhalt Dank ................................................................................................................ 1 1 2 3 Zur Einführung .......................................................................................... 2 1.2 Der Untersuchungsgegenstand........................................................................... 2 1.2 Ausgangslage und Ziele des Projektes ................................................................ 5 Theoretische Grundlagen .......................................................................... 7 2.1. Zur Bedeutung von Medien im Alltag von Heranwachsenden ........................... 7 2.2 Stand der Forschung zu (Model-)Castinghows ................................................. 11 Methodische Grundlagen und Anlage der Studie ..................................... 17 3.1 Aktionsforschung .............................................................................................. 17 3.2 Forschungsdesign .............................................................................................. 19 3.2.1 Datenerhebung ......................................................................................... 23 3.2.3 Datenanalyse ............................................................................................. 26 3.3 4 Ablauf und Organisation der Studie .................................................................. 27 3.3.1 Einführung der SchülerInnen .................................................................... 27 3.3.2 Beteiligung der SchülerInnen am Forschungsprozess............................... 28 Ergebnisse............................................................................................... 31 4.1 Allgemeiner Medienumgang............................................................................. 31 4.2 Nutzung und Bewertung von (Model-)Castingshows ....................................... 33 4.3 Auseinandersetzung mit den handelnden Personen ........................................ 41 4.4 Schönheitsideale ............................................................................................... 55 4.5 Alltagbezüge ...................................................................................................... 63 5 Zusammenfassung .................................................................................. 73 6 Fazit aus einem partizipativen Forschungsprojekt mit Jugendlichen ......... 77 7 Literatur .................................................................................................. 80 8 Anhang ................................................................................................... 87 8.1 Erhebungsinstrumente...................................................................................... 87 8.1.1 Screening-Fragebogen ...................................................................................... 87 8.1.2 Leitfaden für die Gruppendiskussionen .................................................... 91 8.1.3 Leitfaden für die Einzelinterviews ............................................................. 97 8.2 Codewortbaum ............................................................................................... 105 8.3 Einzelfalldarstellungen .................................................................................... 105 Dank Dieses Projekt wurde gefördert durch das Zentrum für Zukunftsforschung der Fachhochschule Salzburg, das Institut für Medienbildung sowie das Raiffeisen Schulsponsoring. Allen Institutionen gebührt an dieser Stelle großer Dank. Zu danken ist ebenso den LehrerInnen und der Schulleitung der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe (HLW) Ried am Wolfgangsee, die durch großes Entgegenkommen (z.B. das Blocken von Stunden) ein projektorientiertes Arbeiten über ein ganzes Schuljahr ermöglicht haben. Besonders hervorzuheben ist dabei Sven Bichl, Schuladministrator und Klassenvorstand der beteiligten Schulklasse, der sich mit großem Engagement für dieses Forschungsprojekt eingesetzt und die SchülerInnen in ihrer Arbeit unterstützt hat. Des Weiteren ist Samuel Unterkircher für die Begleitung von Gruppendiskussionen und die Durchführung von Interviews, Sonja Messner und Katharina Premm für Datenmaterials sowie Transkriptionsarbeiten Julia Fraunberger und für die die Codierung Mitarbeit bei des der Datenauswertung und der Berichtslegung zu danken. Nicht zuletzt gebührt aber ein besonderer Dank den SchülerInnen der 2. ALGKlasse (2009/10) der HLW Ried am Wolfgangsee, deren Engagement weit über den in einem hinausreichte. herkömmlichen Schulprojekt üblichen Arbeitsaufwand Seite |2 1 Zur Einführung 1.2 Der Untersuchungsgegenstand Castingshows gehören zur Fernsehgattung Reality TV, die sich durch eine Vermischung mit formalen Elementen anderer Gattungen und durch einen ebenso hybriden Charakter ihrer Genres auszeichnet. Klaus und Lücke1 definieren elf Reality TV-Genres, die sie wiederum in narratives (gewaltzentriertes Reality TV, Real Life Comedy, Gerichtsshow, Personal-HelpShow) und performatives Realitätsfernsehen (Beziehungsshow, BeziehungsGame-Show, Daily Talk, Problemlösesendungen, Reality Soap, Dokusoap, Castingshow) unterscheiden. Diese Genres charakterisieren sich durch eine starke Verwandtschaft und fließende Übergänge zu anderen Genres und Gattungen; herkömmliche Kategorien wie Information und Unterhaltung, Fiktion und Dokumentation oder Inszenierung und Authentizität verschwimmen dabei zusehends. So finden sich etwa im Genre Castingshow Gemeinsamkeiten mit Fernsehshows, Dokumentationen, (Reality und Doku) Soaps sowie Serien. Ein wesentliches Kennzeichen der Castingshow ist die Darstellung eines Auswahlprozesses bei dem anhand bestimmter Kriterien (je nach inhaltlicher Schwerpunktsetzung der jeweiligen Show) aus einer Gruppe von KandidatInnen im Verlauf einer Sendungs-Staffel eine Person als GewinnerIn der Show hervorgeht. Im Zuge dieses Auswahlprozesses müssen die KandidatInnen verschiedene Aufgaben erfüllen und werden dabei von einer, zumeist aus prominenten oder semi-prominenten Personen bestehenden, Jury beurteilt. Der Erfolg bei der Bewältigung dieser Aufgaben sowie die damit verbundenen Urteile der Jury dienen als Basis für die Selektion der KandidatInnen. Bei manchen Castingshows wird zudem das Fernsehpublikum in Form eines Televotings in den Selektionsprozess einbezogen. Eine Ausnahme bilden Beziehungs-Castingshows, die darauf abzielen, für eine bestimmte Person den/die geeigneteN LebenspartnerIn oder FreundIn auszuwählen. Hier trifft nicht eine Jury sondern die betreffende Person die Entscheidung, welche 1 Vgl. Klaus/Lücke 2003, S. 199f; die Autorinnen bezeichnen Reality TV allerdings nicht als eine Fernsehgattung sondern als eine Genrefamilie. Seite |3 KandidatInnen in die nächste Runde aufsteigen dürfen. Als Subgenres der Castingshow zeichnen sich bislang Model-Castingshows,2 Musik-/MusicalCastingshows,3 allgemeine Talent-Castingshows,4 Beziehungs-Castingshows5 und Berufs-Castingshows6 ab. Zentrale Kennzeichen des Reality TV sind die Präsentation nichtprominenter ProtagonistInnen als „normale“ Menschen des Alltags und – eng verbunden damit – die Inszenierung vermeintlich authentischer Handlungen bzw. Erlebnisse, der ProtagonistInnen, die jedoch einer strengen Dramaturgie folgt. Wesentliche Kennzeichen dieser Inszenierung sind Personalisierung, Emotionalisierung, Intimisierung, Stereotypisierung und Dramatisierung.7 In Bezug auf Castingshows äußert sich dies in der Personalisierung und gleichzeitigen Stereotypisierung der KandidatInnen durch Interviews, kurze Videobeiträge und zum Teil intime Einblicke in deren Privatleben. Besondere Eigenschaften der KandidatInnen werden herausgearbeitet, übermäßig betont und z.T. werden bestimmte Reaktionen provoziert. So finden sich beispielsweise in vielen Castingshows die Figuren der „Zicke“, der „Sensiblen“, des „unermüdlichen Kämpfers“ etc. Auch das Stilmittel der Dramatisierung ist ein wichtiges Element der Castingshow. Besonders spannungsgeladene Momente wie die Beurteilung der KandidatInnen oder die Entscheidung über deren weiteren Verbleib in der Show werden entsprechend in Szene gesetzt. Gerade diese Momente sind zumeist auch durch eine starke Emotionalisierung, in der die KandidatInnen ungehemmt Freude, Enttäuschung und Tränen zeigen, gekennzeichnet. Musik/Musical- und Model-Castingshows sind relativ ähnlich aufgebaut und zielen besonders auf ein jugendliches Publikum ab, gilt es doch aus einer großen Zahl zumeist junger BewerberInnen das beste Model- bzw. Gesangstalent herauszufiltern. Sie zeichnen sich durch eine starke Bewerbung und 2 Zum Beispiel Germany’s Next Topmodel (Pro7) und Austria’s Next Topmodel (plus4) Zum Beispiel Starmania (ORF 1),Helden von Morgen (ORF 1),Deutschland sucht den Superstar (RTL), Popstars (Pro7),Musical! Die Show (ORF 1) oder die beiden „Klassiker“ Pop Idol und X Factor(seit 2010 auch als deutsche Variante auf VOX zu sehen). 4 Zum Beispiel Das Supertalent (RTL) 5 Zum Beispiel Bauer sucht Frau (ATV und RTL),Der Bachelor (ORF1 und RTL) oder Paris BFF (MTV). 6 Zum Beispiel Project Runway (VIVA; Suche nach Modedesignern), Restaurant sucht Chef (RTL 2) oder Deutschlands Meisterkoch (Sat1) 7 Siehe dazu ausführlich Klaus/Lücke 2003, S. 205-210 3 Seite |4 crossmediale Vermarktung über Internet, Radio, Jugendzeitschriften bis hin zu CDs bzw. mp3-Downloads und diverse Fanartikel wie beispielsweise T-Shirts aus. Die Shows präsentieren zum einen das durch eine, in der Regel wöchentliche, Selektion der KandidatInnen stark in die Länge gezogene „eigentliche Casting“, zum anderen durchlaufen die KandidatInnen eine Art „Schule“, in der diese das richtige Auftreten als Topmodel bzw. als Musikstar erlernen sollen. Sowohl der wöchentliche Auftritt der KandidatInnen als auch deren Lernerfolge und Arbeit an ihrer musikalischen Leistung bzw. an der Verbesserung ihrer Präsentation am Laufsteg oder vor der Kamera werden entsprechend inszeniert. Nicht zu vergessen ist der ebenso inszenierte „Blick hinter die Kulissen“, der Authentizität vermitteln soll. Die KandidatInnen erhalten so einerseits einen gewissen Raum zur Selbstinszenierung, andererseits werden aber auch gezielt Rivalitäten geschürt, um zu polarisieren und zu provozieren. Die KandidatInnen werden in belastenden Situationen dargestellt und vorgeführt und auf diese Weise nach einer festgelegten Dramaturgie als spezielle Typen bzw. VertreterInnen bestimmter (Charakter-)Eigenschaften inszeniert. Vor dem Hintergrund der großen Beliebtheit,8 die Musik/Musical- und ModelCastingshows unter Jugendlichen genießen, stellt sich die Frage, welche Rolle diese im (Medien-)Alltag Heranwachsender spielen. Vor allem ModelCastingshows, bei denen die Inszenierung von Körperlichkeit, Schönheitsidealen, Körperbeherrschung und Selbstdisziplin besonders im Vordergrund steht, erscheinen im Hinblick auf Jugendliche besonders interessant, da sich diese in einer Lebensphase befinden, in der die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, mit Frauen- und Männerbildern sowie die Identitätsfindung und die Frage danach wer bzw. wie man einmal sein möchte, von großer Bedeutung sind. Ausgehend von diesen Überlegungen widmet sich das Projekt „ModelCastingshows im Alltag von Jugendlichen“ der Aneignung der deutschsprachigen Model-Castingshows Germany’s Next Topmodel (Pro7) und Austria’s Next Topmodel (plus4) durch österreichische Jugendliche im Alter von 15 bis 19 8 Laut einer Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen haben Castingshows unter 12- bis 17-Jährigen Deutschen einen Marktanteil von bis zu 62%; Deutschland sucht den Superstar und Germany’s Next Topmodel erfreuen sich dabei besonderer Beliebtheit (vgl. Götz/Gather 2010, S. 56). Seite |5 Jahren. Es wurde der Frage nachgegangen, welche Bedeutung Jungen und Mädchen Model-Castingshows im Vergleich zu anderen Castingshows beimessen und welche Rolle Castingshows generell in der Fernsehrezeption Jugendlicher spielen. Ebenso wurde untersucht, wie die in den genannten Model-Castingshows sowie in anderen Castingshows dargestellten (Schönheits)Ideale und Inszenierungen alltäglicher Jugendlicher von den Heranwachsenden beurteilt werden und welche Rolle diese in deren (Medien-) Alltag im Kontext der für dieses Alter relevanten Entwicklungsaufgaben spielen. 1.2 Ausgangslage und Ziele des Projektes Die Auseinandersetzung mit der Rolle von Medienangeboten im Kontext der (Medien-)Sozialisation Heranwachsender erfolgte bislang zumeist aus Perspektive Erwachsener, die Medieninhalte analysieren und/oder mittels unterschiedlicher Formen der Befragung, Visualisierungen und anderen Erhebungsmethoden versuchen, Einblicke in jugendliche Medienwelten zu erhalten. Auch wenn in der Rezeptions- und Mediensozialisationsforschung (besonders mit qualitativen Methoden) versucht wird, sich möglichst nah an jugendliche Lebenswelten heranzutasten, wurde bislang selten der Versuch unternommen, von Grund auf die Perspektive zu wechseln und Jugendliche direkt in den Forschungsprozess zu integrieren. Im Projekt „Model-Castingshows im Alltag von Jugendlichen“ wurde diese Herausforderung in Anlehnung an Erfahrungen aus der Aktionsforschung angenommen. Über ein ganzes Schuljahr wurde eng mit einer Klasse 17- bis 18Jähriger SchülerInnen der HLW Ried am Wolfgangsee zusammengearbeitet und ein gemeinsames Forschungsprojekt zum Umgang Jugendlicher mit ModelCastingshows und damit zusammenhängender Auseinandersetzungen mit (Schönheits-)Idealen und inszenierter Körperlichkeit durchgeführt. Die Jungen und Mädchen wurden in den gesamten Forschungsprozess integriert. Sie brachten sich in die Formulierung der Forschungsfrage(n), die Leitfadenkonstruktion sowie die Interpretation der Ergebnisse ein und führten selbständig Gruppendiskussionen mit Gleichaltrigen durch. Seite |6 Durch den gewählten partizipativen Ansatz9 war eine prozessorientierte und offenere Vorgangsweise als bei herkömmlichen Forschungsprojekten vonnöten; grundsätzlich wurde aber an einem linearen Forschungsdesign festgehalten. Über die fachlich-wissenschaftliche Hilfestellung mussten die am Projekt beteiligten SchülerInnen auch pädagogisch bestmöglich unterstützt werden, um sie in ihrer ersten wissenschaftlichen Arbeit nicht zu überfordern. Zu diesem Zweck wurden vor Beginn des eigentlichen Projektes verschiedene Workshops abgehalten, um die Jugendlichen in die Thematik sowie in das wissenschaftliche Arbeiten einzuführen.10 Während des gesamten Forschungsprozesses herrschte ebenfalls ein enger Kontakt zwischen den SchülerInnen, dem Klassenvorstand sowie der Projektleiterin, um die Jungen und Mädchen in ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen. Dieses Projekt hatte somit auch experimentellen Charakter und gilt als Versuch, Elemente der Aktionsforschung in eine auf Heranwachsende ausgerichtete Rezeptionsstudie zu integrieren. Dabei stellte sich auch die Frage, ob eine Integration Jugendlicher als ExpertInnen für jugendliche Lebenswelten einen direkteren Zugang zu Prozessen der Medienaneignung junger Menschen und Aushandlung von Medieninhalten im Kontext von Gleichaltrigengruppen bietet. Damit verbunden war einerseits die Frage ob, wie und unter welchen Bedingungen eine derartige Integration Heranwachsender in den Forschungsprozess möglich ist. Andererseits galt es zu hinterfragen, inwiefern es ein derartiger Ansatz tatsächlich ermöglicht, zusätzliche, andere oder eine andere Qualität an Informationen über den Forschungsgegenstand zu erhalten. 9 Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3. Näheres dazu findet sich in Kapitel 3.3. 10 Seite |7 2 Theoretische Grundlagen 2.1. Zur Bedeutung von Medien im Alltag von Heranwachsenden Sozialisation bezeichnet den lebenslangen Prozess, in dem sich Menschen vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Anlagen mit der sie umgebenden sozialen und physikalischen Umwelt auseinandersetzen.11 Die Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit wird durch wechselseitige Interaktionen des Menschen mit der ihn umgebenden Umwelt beeinflusst; jedem Individuum ist daher die Fähigkeit, zur aktiven Realitätsaneignung, -verarbeitung, -bewältigung und -veränderung zuzusprechen.12 Sozialisation umfasst somit „sowohl die Erziehung als intendierte[n] und institutionalisierte[n] pädagogische[n] Akt der Vermittlung von Wissen, Normen und Werten […] [als auch] die Formen personaler und medialer Information, die als informelles Lehren bzw. Lernen bezeichnet werden“.13 Ziel des lebenslangen Sozialisationsprozesses ist es, Handlungssicherheit in der Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt zu gewinnen14 und auf diese Weise ein „stabiles Selbstbild“15 zu erwerben. Aktuelle sozialisationstheoretische Debatten knüpfen vor dem Hintergrund, dass Individuen heute durch eine Vielfalt an Orientierungsangeboten zunehmend auf sich selbst gestellt sind, an interaktionistische Theorien an und rücken die Auseinandersetzung mit Individualisierung, Selbstorganisation und Selbstsozialisation ins Zentrum.16 Es ist davon auszugehen, dass herkömmliche Sozialisationsinstanzen wie Familie, Nachbarschaft oder schulisches und berufliches Umfeld heute für den Einzelnen bzw. die Einzelne immer weniger Orientierungskraft besitzen. Stattdessen eröffnen sich neue Handlungs- und Entscheidungsspielräume.17 Soziale Rollen werden dadurch nicht mehr wie selbstverständlich übernommen, sondern das Individuum wählt selbständig 11 Vgl. Fromme 2006, S. 2 und Wegener 2007a, S. 44 vgl. Geulen 2004 13 Schorb 2005, S. 381 14 Vgl. Grundmann 2004, S. 318 15 Süss 2004, S. 33 16 Vgl. Fromme 2007, S. 16f sowie Veith 2004, S. 363ff 17 Siehe dazu auch die Ausführungen von Lothar Mikos (2003, S. 309-327) zu Aspekten mediatisierter Identität und den damit verbundenen Risiken einer öffentlichen Selbstdarstellung im Fernsehen. 12 Seite |8 zwischen den Gruppen und Kulturen, denen es sich anschließen möchte. Orientierung bieten dabei neue, anonyme Sozialisationsinstanzen18 wie beispielsweise Medien.19 Auch Havinghursts Life-Span-Theory20 misst dem Individuum eine aktive Rolle bei der Gestaltung der eigenen Entwicklung bei. Sie geht davon aus, dass Menschen im Laufe ihres Lebens immer wieder mit neuen Situationen und speziellen Entwicklungsaufgaben, den sogenannten development tasks, konfrontiert und vor die Aufgabe gestellt werden, diese erfolgreich zu meistern. Eine erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgaben führt zu Selbstvertrauen und Erfolg im Umgang mit neuen Aufgaben, Misserfolge führen zu Unsicherheiten und Problemen mit weiteren Herausforderungen.21 Heranwachsende wählen vor dem Hintergrund ihres konkreten Lebenszusammenhangs bzw. sozialökologischen Umfelds22 unter anderem auch Medienangebote23 aus, um die für ihr jeweiliges Alter dominanten Entwicklungsaufgaben zu lösen und damit verbundene Krisen24 zu bewältigen. Sie dienen als Mittel zur Selbstvergewisserung sowie Auseinandersetzung mit sich selbst und der sozialen Umwelt.25 Medienfiguren ermöglichen es, mit verschiedenen Rollen zu experimentieren und „Als-Ob-Erfahrungen“ zu machen; zudem liefern Mediensymboliken Gesprächsstoff in Gleichaltrigengruppen.26 Allerdings werden Medien in sozialisationstheoretischen Diskursen bis auf wenige Ausnahmen27oft nur am Rande und nicht als tragende Sozialisationsinstanz berücksichtigt.28 Dennoch kann das „pädagogische (und 18 Diese Entwicklung setzt jedoch die Fähigkeit zur Selbststeuerung und Selbstorganisation voraus, über die aber nicht alle Menschen gleichermaßen verfügen. 19 Siehe dazu Fromme 2007, S. 17 20 Vgl. Havinghurst 1972 21 Siehe dazu auch Süss/Lampert/Wijnen 2010, S. 46ff sowie Paus-Hasebrink/Bichler 2008, S. 66f 22 Vgl. u.a. Vollbrecht 2007; siehe auch Süss 2004, S. 30 23 Siehe dazu insbesondere Wegener 2008 und 2007b aber beispielsweise auch Berghaus 1986 und Weiß 2001. 24 Vgl. Oevermann 2004; siehe auch Paus-Hasebrink/Bichler 2008, S. 52ff sowie Vollbrecht 2007, S. 102 25 Siehe Barthelmes/Sander 2001, Mikos 2000 sowie Süss 2007 26 vgl. Paus-Haase 2000 27 Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Rolle der Medien als Sozialisationsinstanz mit speziellem Fokus auf sozial benachteiligte Kinder findet sich beispielsweise in PausHasebrink/Bichler 2008, S. 187ff 28 Siehe Hoffmann 2007, S. 11-19 Seite |9 sozialisatorische) Ziel eines gelingenden Aufwachsens […] nur mehr innerhalb und nicht jenseits der Medienwelt verfolgt werden.“29 Schorb30 weist den Medien daher drei wesentliche Funktionen im Kontext von Sozialisationsprozessen zu: Als Faktoren der Sozialisation können sie Einstellungen, Urteile, Wissen und (besonders bei jüngeren Kindern) zum Teil auch das Verhalten im Kontext anderer Sozialisationsfaktoren beeinflussen, als Instrumente in Sozialisationsprozessen unterstützen sie Heranwachsende bei der Auseinandersetzung mit sich selbst und ihrem sozialen und kulturellen Umfeld und in Kontexten des bewusst intendierten Lernens (sofern dieses als Sozialisation aufgefasst wird) dienen sie als Mittler der Sozialisation. Der zweitgenannten Funktion kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, denn sie verweist auf lebenspraktische Zusammenhänge für das Rezeptionsverhalten und die Aneignung von Medieninhalten.31 Dem entspricht Ralf Weiß‘32 auf Bourdieus Theorie der Praxis zurückgehendes Konzept zur Einbettung kulturellen (Medien-)Handelns in den Alltag. Es geht davon aus, dass Menschen bei ihrer „praktische(n) Bewältigung des sozialen Alltags“33 Kraft ihrer Kapitalien versuchen, „die ins Auge gefassten „Chancen“ (eines) jeweiligen sozialen Ortes für sich zu verwirklichen“,34 diese Möglichkeiten, Identität auszubilden und Handlungskompetenz zu erwerben, jedoch ungleich verteilt und unter anderem abhängig vom sozialen Herkunftsmilieuder handelnden Personen35 sind. Der subjektive Sinn,36 den der Umgang mit Medieninhalten und Medienfiguren37 für 29 Fromme 2007; S. 18 Vgl. Schorb 2005, S. 386f 31 Fromme (vgl. 2007, S. 20) weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass Medien nicht nur Sozialisationsprozesse beeinflussen, sondern umgekehrt Sozialisationserfahrungen sich auch auf die Mediennutzung auswirken können. 32 vgl. Weiß 2000, siehe auch Mikos 2007, S. 36f 33 Weiß 2000, S. 44 34 Weiß 2000, S. 48 35 Siehe dazu insbesondere die Studie von Paus-Hasebrink/Bichler 2008 36 Weiß (vgl. 2000, S. 59f) führt sein Konzept am Beispiel des Aufbaus parasozialer Beziehungen zu ProtagonistInnen von Daily Soaps durch Jugendliche aus sozial schwächeren Milieus, die im Kontext ihrer Entwicklungsaufgaben (als alltagspraktisches und handlungsleitendes Thema ihrer Lebensphase) mit der Frage nach dem Entwurf ihres zukünftigen Lebens konfrontiert sind, aus. Die Inhalte dieser Serien stimmen mit den Vorstellungen dieser Jugendlichen hinsichtlich einer „perfekten Lebensführung“ überein, geben ihren unerfüllten Wünschen und utopischen Lebensentwürfen symbolische Gestalt und machen sie dadurch zu einem Bestandteil ihres Alltags. Die Heranwachsenden versichern sich ihres Lebensentwurfs so durch emotionales Erleben einer medialen Versinnbildlichung. 30 S e i t e | 10 Individuen hat, wird demgemäß wesentlich von jenen Themen bestimmt, die sich für deren Leben „nach Maßgabe ihrer Orientierungen und Anschauungsweisen stellen.“38 Daran knüpft Thomas‘39 Auseinandersetzung Medienangebote mit an Forderung der Frage Alltagserfahrung nach der einer eingehenderen Anschlussfähigkeit und Alltagshandeln dieser an. Medienaneignungsprozesse und darüber hinausgehend auch Mediendiskurse sind in diesem Sinne als soziales, gesellschaftliches Handeln zu verstehen, das nicht losgelöst von strukturellen Bedingungen und Zusammenhängen, die überindividuelle Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsmuster prägen, betrachtet werden kann.40 Thomas verweist diesbezüglich – insbesondere im Kontext ihrer Arbeiten zu Reality TV-Formaten41– auf Vergesellschaftungsmodi vor dem Hintergrund neoliberalistischer Werte. Medieninhalte begreift sie jedoch nicht als Resultat einer herrschenden, neoliberalistischen Ideologie sondern „als Elemente des Sozialen, in denen sich vorherrschende Denkweisen und Handlungsmuster verdichten und verstetigen können.“42 Im Hinblick auf Castingshows betont sie die Destandardisierung und Dynamisierung von Leistungsprozessen in einer neoliberalen Gesellschaft43 und hebt die diesen Fernsehangeboten inhärenten Definitionen und Inszenierungen von Leistung, Anpassung und Selbstausbeutung im Kontext von Prozessen der Selbstpräsentation, -inszenierung und –vermarktung hervor. Diese können– vor dem Hintergrund individueller Lesarten44 – für Heranwachsende, die in aktivaneignender Weise unter anderem auch in Medien nach Vorbildern und/oder Gegenpositionen suchen,45 (mögliche) Anknüpfungspunkte für die Aushandlung persönlicher Lebensentwürfe bieten. 37 Zur parasozialen Interaktion und zum Aufbau parasozialer Beziehungen mit Medienfiguren siehe insbesondere Schramm/Hartmann 2007. 38 Weiß 2000, S. 52 39 Vgl. Thomas 2010, S. 40 40 Vgl. Thomas 2007, S. 62f 41 Siehe dazu Thomas 2007 und 2010; die Autorin verwendet dabei zum Teil den im angloamerikanischen Raum gebräuchlichen Begriff des Lifestyle-Television. 42 Thomas 2010, S. 36 43 Vgl. Thomas 2007, S. 59 44 Siehe dazu u.a. auch Hall 1990 und Winter 2004. 45 Vgl. u.a. Barthelmes/Sander 2001, S. 59; siehe auch Hipfl 2002, S. 49ff und Hipfl 2004, S. 14 S e i t e | 11 Model-Castingshows werden hinsichtlich vermuteter Einflüsse und Wirkungen auf Jugendliche in der Öffentlichkeit zum Teil kontrovers diskutiert. So wurde etwa der deutschen Show Germany's Next Topmodel vorgeworfen, junge Mädchen zu übertriebenem Schlankheitswahn bis hin zur Magersucht zu treiben. Bei solchen Annahmen wird jedoch vergessen, dass Heranwachsende keineswegs als passive RezipientInnen vor dem Bildschirm sitzen und Fernsehangebote unreflektiert auf sich einwirken lassen.46 Dennoch stellt sich die Frage, wie Jugendliche, die neben jungen Erwachsenen als primäre Zielgruppe dieses Sendungsformats gelten, mit diesen Angeboten umgehen und sieinterpretieren, damit diese im Sinne Weiß‘ vor dem Hintergrund ihrer handlungsleitenden und alltagspraktischen Themen sowie individuellen Lebensentwürfe tatsächlich subjektiven Sinn ergeben. Auch wenn die Inszenierung von Schönheit und Körperlichkeit als ein zentrales Kennzeichen dieses Formats sofort ins Auge sticht, stellt sich in Rückbezug auf Thomas ebenso die Frage nach der (aus Perspektive der Jugendlichen) Relevanz weiterer Themen und Gesellschaftsbilder, die in Model-Castingshows verhandelt werden. 2.2 Stand der Forschung zu (Model-)Castinghows Castingshows erfreuen sich in den letzten Jahren großer Popularität im deutschsprachigen Fernsehen. Besonders beliebt sind Musik-Castingshows wie Deutschland sucht den Superstar, Popstars oder die österreichischen Pendants Starmania bzw. die im Oktober 2010 angelaufene Show Helden von Morgen. Aber auch die beiden deutschsprachigen Model-Castingshows Germany’s Next Topmodel und Austria’s Next Topmodel sorgen für entsprechende Quoten. So waren Castingshows als aktuelles Reality-Format in den letzten Jahren auch häufig Thema von Hausarbeiten oder einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikationsarbeiten,47 die aber nicht immer allgemein zugänglich sind. Die meisten Untersuchungen konzentrieren sich (ausgehend von unterschiedlichen Disziplinen und Perspektiven) bislang allerdings auf Musik-Castingshows, ModelCastingshows werden vergleichsweise selten thematisiert. 46 Siehe dazu beispielsweise Göttlich/Krotz/Paus-Haase 2001, Kutschera 2001, Paus-Hasebrink 2004, Paus-Hasebrink/Bichler 2008, Wagner/Theunert 2006 und Weiß 2001. 47 Beispielsweise Hofstadler (2009), Mörke (2007) oder Timborn (2004), aber auch Alt (2007), Grünangerl (2007), Klein/Spalt/Mayer (2007), Schrauff (2007)und Spatzier (2007). S e i t e | 12 Eine Ausnahme ist die im Jahre 2009 vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) durchgeführte Studie zur Bedeutung von Castingshows für Heranwachsende. Dabei lag der Fokus zum einen auf der Musik-Castingshow Deutschland sucht den Superstar, zum anderen aber auch auf der Model-Castingshow Germany’s Next Topmodel.48 Neben einer standardisierten Befragung, in der sowohl Mädchen als auch Jungen befragt wurden, lag der Schwerpunkt der ergänzenden qualitativen Teilstudie auf Medienaneignungsprozessen 12- bis 21-jähriger Mädchen.49 Als wesentliches Motiv für die Rezeption von Germany’s Next Topmodel(GNTM) kristallisiert sich in dieser Untersuchung eine intensive Auseinandersetzung mit den Kandidatinnen heraus. Dies geschieht entweder dadurch, dass sich die Jugendlichen über die Fehler der Protagonistinnen lustig machen und „ablästern“, oder durch ein Mitfreuen und intensives Miterleben bis hin zum Aufbau parasozialer Beziehungen zu den Kandidatinnen.50 Aus dieser Studie geht ebenso hervor, dass die Show Jugendlichen im Kontext ihrer persönlichen Lebenserfahrungen viele Anknüpfungspunkte und Identifikationsmöglichkeiten bietet. Dazu gehören unter anderem das Erfüllen von Leistungsanforderungen, der Umgang mit Beurteilungen durch andere und die Auseinandersetzung mit Schönheitsidealen und damit verbundene Formen der Selbstpräsentation und inszenierung. Der Wunsch, im Freundeskreis und in der Schule mitreden zu können, ist ebenfalls ein starkes Motiv für eine regelmäßige Rezeption von Germany’s Next Topmodel.51 Götz und Gather können außerdem tendenzielle Unterschiede im Schöheitsempfinden jener Jugendlichen, die Germany’s Next Topmodel viel bzw. regelmäßig sehen und jener, die diese Castingshow nie sehen, feststellen. In der Beurteilung von Frauenkörpern zeigt sich allerdings nicht, dass GNTM-SeherInnen deutlich schlankere Körper bevorzugen, sondern dass ihre Präferenz vorrangig von einer entsprechend professionellen Inszenierung dieser Körper (wie sie es aus der Model-Castingshow kennen) abhängt.52 48 Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) führte 2009 eine Studie zur Bedeutung von Castingshows für Heranwachsende mit Fokus auf Deutschland sucht den Superstar und Germany’s Next Topmodel durch (Götz/Gather 2010a und 2010b). 49 Vgl. Götz/Gather 2010a, S. 56 50 Vgl. ebd., S. 56f. 51 Vgl. ebd., S. 58 52 Vgl. ebd., S. 60f. S e i t e | 13 In Form einer tiefenhermeneutischen Formatanalyse setzt sich Gültekin53 mit Model-Castingshows bzw. primär mit Germany’s Next Topmodel und der Inszenierung der Figur Heidi Klum auseinander. Sie arbeitet vor allem die Inszenierung Klums als unfehlbare Expertin und als Profi in vielen unterschiedlichen Rollen, vom perfekten Model über die Fotografin bis hin zur Handwerkerin heraus. Des Weiteren wird in dieser Untersuchung das assymetrische Verhältnis zwischen Heidi Klum und den Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel, dessen Spektrum von Demütigung bis zur verständnisvollen Freundin reicht, thematisiert. In ähnlicher Weise, jedoch wesentlich tiefergehender, aber nicht so sehr auf Germany’s Next Topmodel fokussiert, setzt sich Alrun Seifert54 allgemein mit der Marke bzw. Figur Heidi Klum als international erfolgreiche Celebrety auseinander. Eine Studie von Stach und Lutz55 hat wiederum mehr die Perspektive der RezipientInnen im Blick. In exemplarischen Gruppendiskussionen stießen die beiden Autorinnen bei Jungen auf eine starke Abneigung gegenüber der ModelCastingshow Germany’s Next Topmodel. Sie versuchen den Grund für diese stark emotionale Abwertung durch die männlichen Rezipienten in einer gefühlten Hilflosigkeit und Angst dieser, „Opfer wirkmächtiger, strategischer Frauen“56 zu werden, festzumachen. Diese Analyse bleibt jedoch relativ oberflächlich und es stellt sich die Frage, ob diese Schlussfolgerung tatsächlich in dieser Form verallgemeinerbar Medienaneignungsprozesse und Kontexte ist, der wenn Rezeption individuelle sowie die entsprechende Anschlusskommunikation mit FreundInnen und Gleichaltrigen berücksichtigt werden. Musik-Castingshows sind wesentlich besser untersucht als Model-Castingshows. Für Österreich interessant sind einige Studien zur sehr erfolgreichen nationalen 53 Vgl. Gültekin 2010, S. 143-171. In dieser tiefenhermeneutischen Formatanalyse wurde eine Inhaltsanalyse mit einer Konversationsanalyse kombiniert. Im Rahmen der Konversationsanalyse verfolgte eine Gruppe von ForscherInnen gemeinsam eine spezielle Sendung und jedeR fertigte für sich ein Wahrnehmungsprotokoll an, in welchem freie Emotionen und Assoziationen während der Rezeption notiert wurden. Diese wurden gemeinsam mit den Ergebnissen der Inhaltsanalyse interpretiert. 54 Vgl. Seifert 2010 55 Vgl. Stach/Lutz 2010, S. 172-185 56 Ebd., S. 184 S e i t e | 14 Castingshow Starmania.57 Hervorzuheben ist vor allem die Arbeit von RothEbner58 zur Aneignung von Starmania und der Bedeutung dieser MusikCastingshow für die Identitätskonstruktion Jugendlicher. Die Untersuchung zeigt zum einen unterschiedliche und sehr individuelle Umgangsweisen mit dem Angebot Starmania, die von einem intensiven Miterleben mit den KandidatInnen und dem Aufbau parasozialer Beziehungen bis hin zu einer sehr distanzierten und kritischen Rezeption reichen. Zum anderen wird aber auch deutlich, wie Jugendliche in dieser Musik-Castingshow Anknüpfungspunkte für den Umgang mit alltagspraktischen Themen finden. In Prozessen der Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Identität dienen die StarmaniaKandidatInnen Jugendlichen sowohl als Identifikationspotentiale als auch als Anknüpfungspunkte für eine bewusste Abgrenzung.59Interessant sind vor allem die Hervorhebung von Starmania als nationales Produkt durch die RezipientInnen und die besondere Identifikation der Jugendlichen mit KandidatInnen aus deren unmittelbarer Wohnregion.60 Auch Schwarz61 setzt sich mit der Bedeutung von Starmania im Rahmen von Sozialisationsprozessen auseinander und fokussiert vor allem die Bedeutung dieser Musik-Castingshow für die Konstruktion von Geschlechtsidentität bei Kindern und Jugendlichen. In ihrer Untersuchung zeigt sich, dass sich jüngere Heranwachsende eher an gleichgeschlechtlichen KandidatInnen orientieren, während in der Pubertät die Auseinandersetzung mit dem anderen Geschlecht und somit auch mit andersgeschlechtlichen KandidatInnen zunehmend an Bedeutung erlangt. Des Weiteren weist Schwarz auch auf die Rollen der Mütter in der gemeinsamen Starmania-Rezeption in der Familie hin. Auch hier bieten sich Heranwachsenden Anknüpfungspunkte für die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen: während Väter diesem Format in der Regel skeptisch gegenüberstehen, gelten Mütter oft als Expertinnen für dieses in den Familien als weiblich konnotierte Format. Die gemeinsame Starmania-Rezeption weiblicher Familienmitglieder sowie ein besonders kritischer Umgang 57 Untersuchungen zur deutschen Musik-Castingshow Deutschland sucht den Superstar liegen unter anderem von Kurotschka (2007) oder Döveling (2007) vor. 58 Vgl. Roth-Ebner 2008 59 Vgl. Roth-Ebner 2008, S. 177f. 60 Vgl. ebd., S. 179 61 Vgl. Schwarz 2006 und 2007 S e i t e | 15 männlicher Familienmitglieder mit dieser Musik-Castingshow erlangen dadurch eine besondere Bedeutung. Klaus und O‘Connor62 führten sowohl in Österreich als auch in Irland Studien zur Aneignung von Castingshows durch. In einer vergleichenden Betrachtung der Ergebnisse stellen sie fest, dass Castingshows ihren Fans zahlreiche Möglichkeiten zur Anknüpfung an deren Alltag und damit verbundenen Herausforderungen bieten. Dadurch erlangen sie eine besondere Bedeutung für die jugendlichen RezipientInnen.63 Sowohl aus den irischen als auch aus den österreichischen Studien geht hervor, dass Castingshows eine Anschlusskommunikation auf unterschiedlichen Ebenen, seien es Gespräche innerhalb der Familie sowohl während als auch nach einer gemeinsamen Rezeption oder Gespräche innerhalb von Gleichaltrigengruppen, anstoßen. In diesen Gesprächen sowohl über die Show als auch über die KandidatInnen zeigen sich zahllose Assoziationen und Verweise auf den Alltag der RezipientInnen; überCastingshows vor allem auch als Jugendlichen Möglichkeit dient zur die Kommunikation Auseinandersetzung mit altersspezifischen Entwicklungsaufgaben wie etwa die Aushandlung von Identitätspositionen und Geschlechterrollen, aber auch zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Spielregeln (z.B. die Thematisierung von Leistungswille sowie Kooperation bei gleichzeitiger Konkurrenz).64 Des Weiteren zeigt sich in den Studien von Klaus und O’Connor, dass der Jury eine große Bedeutung beigemessen wird. Die JurorInnen werden großteils aufgrund der ihnen beigemessenen fachlichen Kompetenzen geschätzt; individuelle Vorlieben und Abneigungen gegenüber einzelner JurorInnen hängen unter anderem von deren Verhalten in der Show aber auch von deren Persönlichkeitsmerkmalen ab.65 Um mit den KandidatInnen entsprechend mitleben zu können, ist es den Jugendlichen wichtig, entsprechende Hintergrundinformationen über eben diese zu erhalten. Besonders wichtig ist den jungen RezipientInnen in dieser Hinsicht auch die Authentizität der KandidatInnen.66 Wie in der Untersuchung von Roth-Ebner67 zeigt sich auch in 62 Vgl. Klaus/O’Connor 2010, S. 48-72 Vgl. ebd. S. 56 64 Vgl. Klaus/O’Connor 2010, S. 56ff 65 Vgl. ebd., S. 60 66 Vgl. ebd., S. 63 63 S e i t e | 16 den Studien von Klaus und O’Connor die Bedeutung von Starmania als nationales Produkt, das von den RezipientInnen als erfolgreiche heimische Musik-Castingshow geschätzt wird. Im Gegensatz dazu wird die irische Show You’re a Star im Vergleich zu britischen und amerikanischen 68 Konkurrenzprodukten abgelehnt. Zusammenfassend zeigt sich in allen Studien, dass Castingshows jungen RezipientInnen zahlreiche Anknüpfungspunkte zu ihrem alltäglichen Leben bieten. Die Anschlusskommunikation in Gleichaltrigengruppen sowie die Möglichkeit des aktiven Mitlebens mit den KandidatInnen sind wesentliche Motive für die Rezeption von Castingshows. In intensiver Beschäftigung mit den KandidatInnen bearbeiten Jugendliche persönliche Lebenserfahrungen und Herausforderungen im Kontext der für ihr Alter zentralen Entwicklungsaufgaben wie etwa die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, mit Geschlechterrollen und mit gesellschaftlichen Spielregeln. Neben den KandidatInnen, die entweder der Identifikation oder der bewussten Abgrenzung dienen können, ist auch die Jury häufiger Gesprächsstoff jugendlicher RezipientInnen. In der Regel sprechen Jugendliche der Jury eine hohe fachliche Kompetenz zu. Einzelne Jurymitglieder können aber durch ihr jeweiliges Verhalten und ihre Inszenierung entweder Ambivalenzen, wie etwa die Figur Dieter Bohlen, oder aber, wie beispielsweise die Figur Heidi Klum, eine besondere Faszination hervorrufen. 67 Vgl. Roth-Ebner 2008, S. 179 Vgl. Klaus/O’Connor 2010, S. 64f 68 S e i t e | 17 3 Methodische Grundlagen und Anlage der Studie 3.1 Aktionsforschung Die Aktionsforschung geht auf die Arbeiten von Kurt Lewin aus den 1940er Jahren zurück und entstand als Kritik an der zu jener Zeit primär experimentellen Ausrichtung der Sozialpsychologie. Lewins Ziel war es, sozialwissenschaftliche Forschung nicht lediglich um ihrer selbst willen zu betreiben, sondern diese durch eine enge Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis sowie eine direkte Integration Betroffener (z.B. VertreterInnen einer bestimmten sozialen Randgruppe) in den Forschungsprozess für sozialemanzipatorische Zwecke nutzbar zu machen und praxisrelevante Lösungen für soziale Probleme zu entwickeln.69 In den 1970er Jahren fand diese Forschungsstrategie im Grundsatzdebatten auch Kontext Eingang allgemeiner in den methodologischer deutschsprachigen sozialwissenschaftlichen Diskurs, verlor aber nach kurzer Popularität (besonders in der Erziehungswissenschaft, der Soziologie und Sozialen Arbeit) unter zum Teil heftiger Kritik70 schnell wieder an Bedeutung.71 Heute sind im deutschen Sprachraum nur wenige VertreterInnen zu finden, die sich explizit mit Ansätzen der Aktionsforschung beschäftigen.72In den USA ist Aktionsforschung allerdings nach wie vor sehr populär und findet unter verschiedenen Bezeichnungen wie etwa „participatory (action) research“ oder „community-based research“ vor allem im Bereich der Sozialen Arbeit, der Gesundheitsforschung und auch der erziehungswissenschaftlichen Forschung 69 Vgl. Frank et al. 1998 sowie Unger et al. 2007, S. 10 Kritisiert wurden vor allem eine fehlende theoretische Grundlage bzw. gesellschaftstheoretische Fundierung sowie die oft schwer nachvollziehbare Vorgangsweise in Projekten der Aktionsforschung (unklare Formulierung der Ziele, Vorannahmen und Methoden). Dies ging einher mit einer allgemeinen Marginalisierung der Rolle der Theorie im Forschungsprozess, die den berechtigten Vorwurf einer einseitigen Fixierung auf die Praxis und den praktischen Nutzen sowie einer damit verbundenen mangelnden Wissenschaftlichkeit nach sich zog (vgl. Unger et al. 2007, S. 17ff). 71 Vgl. Unger et al. 2007, S. 13 72 Zum Teil schließt die vor allem in der Erziehungswissenschaft und Sozialen Arbeit angesiedelte Praxisforschung (vgl. Moser 2008) an Konzepte der Aktionsforschung an. Besonders intensiv setzt man sich am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) im Rahmen der Gesundheitsforschung mit Ansätzen der Aktionsforschung auseinander. 70 S e i t e | 18 Anwendung.73 Auch wenn diesen neueren Projekten bei genauerer Betrachtung ebenso eine teilweise Überbewertung der Praxis und eine zu starke Fokussierung auf den praktischen und sozialen Nutzen eines Forschungsprojekts bei Vernachlässigung entsprechender theoretischer Grundlagen vorgeworfen werden kann, erscheinen partizipative Forschungsprojekte mit Heranwachsenden74 für die Kinder- und Jugendmedienforschung nicht uninteressant. Gerade im Bereich der Medienaneignung und –sozialisation stellt sich die Frage, ob es ausreicht, die Medienwelten Heranwachsender lediglich aus Perspektive Erwachsener zu untersuchen und zu beurteilen, oder ob eine Integration von Kindern und Jugendlichen in den Forschungsprozess nicht auch andere Sichtweisen eröffnen und auf diese Weise zu neuen Erkenntnissen führen könnte. So zeigen beispielsweise partizipative Forschungsprojekte mit sozial benachteiligten Jugendlichen,75 dass der Einbezug von VertreterInnen der jeweils zu untersuchenden sozialen Gruppe sich unter anderem in der Formulierung und Präzisierung der Forschungsfragen so wieder Interpretation der Ergebnisse als hilfreich erweisen kann. Im Gegensatz zu diesen in der Tradition der klassischen Aktionsforschung stehenden Forschungsprojekten verfolgt die Mediensozialisationsforschung jedoch nicht das Ziel, konkrete soziale Probleme zu lösen. Daher ist es weder sinnvoll noch möglich, den in der Aktionsforschung üblichen zirkulären Prozess der gemeinsamen Erkenntnisgewinnung von WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen bzw. Betroffenen zu übernehmen. Es bietet sich aber an, eher im Sinne einer Evaluation des gesamten Forschungsprozesses Betroffene, d.h. VertreterInnen der zu untersuchenden Altersgruppe, an verschiedenen Stationen des Forschungsprozesses (beispielsweise bei der Entwicklung der Erhebungsinstrumente oder bei der Interpretation der Ergebnisse) zu einer Diskussion der Vorgangsweise einzuladen oder aber auch (nach entsprechender Schulung) bei der Datenerhebung (z.B. die Anlage von Interviews als Gespräche unter Gleichaltrigen) einzusetzen, um auf diese Weise die Perspektive der 73 Siehe unter anderem Reason/Bradbury 2002, Borda 2002 und Gosin et al. 2003. Siehe dazu vor allem Brown/Rodriguez 2009. 75 Siehe Beispielsweise Payne/Starks/Gibson 2009, Cammarota/Romero 2009, Stovall/Delgado 2009 oder Yang 2009. 74 S e i t e | 19 Heranwachsenden auf ihre eigenen Lebens- und Medienwelten besser berücksichtigen zu können. In der vorliegenden Studie wurde versucht, dies in intensiver Zusammenarbeit mit einer Schulklasse der HLW Ried am Wolfgangsee in die Forschungspraxis umzusetzen. Die Jungen und Mädchen wurden dabei in den gesamten Forschungsprozess integriert und beteiligten sich aktiv an der Formulierung der Forschungsfrage(n), der Leitfadenkonstruktion sowie der Interpretation der Ergebnisse. Zudem führten sie selbständig Gruppendiskussionen mit Gleichaltrigen durch. Dieses Forschungsprojekt hat somit auch experimentellen Charakter und gilt als Versuch, Elemente der Aktionsforschung in eine auf Heranwachsende ausgerichtete Rezeptionsstudie zu integrieren. Dabei wurde auch der Frage nachgegangen, ob und unter welchen Bedingungen eine Integration Heranwachsender in den Forschungsprozess möglich bzw. sinnvoll ist und ob dies tatsächlich einen wissenschaftlichen Mehrwert im Hinblick auf die Qualität der Ergebnisse hat. 3.2 Forschungsdesign Im Zentrum des Interesses stand die Erforschung des Umganges 15- bis 19jähriger Heranwachsender mit über (Model-)Castingshows vermittelten Vorbildern und (Schönheits-)Idealen, und dies aus Perspektive der Jugendlichen selbst. Die grundlegenden Forschungsfragen standen bereits zu Beginn des Projektes fest, wurden aber nochmals gemeinsam mit den SchülerInnen erarbeitet, diskutiert, ergänzt und ausformuliert: 1) Welche (Model-)Castingshows werden von 15- bis 19-jährigen Jugendlichen in ihrem (Medien-)Alltag als wichtig erachtet? 1a) Welche Rolle spielen Castingshows generell im Kontext der allgemeinen Fernsehrezeption 15- bis 19-jähriger Jugendlicher? 1b) Welche Topmodelund Castingshows? Rolle spielen Austria’s die Next Model-CastingshowsGermany’s Topmodelim Vergleich zu Next anderen S e i t e | 20 S e i t e | 21 2) Wie gehen 15- bis 19-jährige Jugendliche mit über (Model-)Castingshows vermittelten (Schönheits-)Idealen um? 2a) Finden Jugendliche in (Model-)Castingshows (Schönheits-)Ideale und wie definieren sie selbst diese Idealbilder? 2b) Wie bewerten Jugendliche Germany’s Next Topmodelund Austria’s Next Topmodel im Hinblick auf die Inszenierung von Schönheit und Körperlichkeit? 2c) Welche Rolle spielen diese medial vermittelten Idealbilder sowie Repräsentationen von Körperlichkeit in der realen Lebenswelt der Jugendlichen? 2d) Welche Bedeutung kommt der cross-medialen Vermarktung der (Model) Castingshows bei der Vermittlung von (Schönheits-)Idealen und ihrer Aneignung durch Jugendliche zu? Das Projekt war als qualitative Rezeptionsstudie mit acht Gruppendiskussionen und 17 Leitfadeninterviews mit besonders aussagekräftigen ProbandInnen (zehn Mädchen und sieben Jungen) angelegt. Die TeilnehmerInnen der Gruppendiskussionen, von denen jeweils vier in der Stadt und vier auf dem Land durchgeführt wurden, wurden mittels Screening-Fragebögen ausgewählt. Das Alter der Untersuchungspopulation beschränkte sich deshalb auf 15 bis 19 Jahre, weil die an dem geplanten Forschungsvorhaben beteiligten SchülerInnen zum Zeitpunkt der Erhebung 17 bis 18 Jahre alt waren und die durchgeführten Gruppendiskussionen als Gespräche unter (in etwa) Gleichaltrigen angelegt waren. Das gesamte Projekt gliederte sich in vier Phasen: I) Einführung in die Thematik Dem eigentlichen Start des Forschungsprojektes war eine zweimonatige Einführungsphase vorgelagert, in der die beteiligten SchülerInnen in Form unterschiedlicher Workshops in das wissenschaftliche Arbeiten im Allgemeinen, in die Rezeptionsforschung und in das Thema (Model-)Castingshow eingeführt wurden. Diese Einführung diente als Grundlage, um die Jugendlichen in den Forschungsprozess integrieren zu können und sie letztendlich dazu zu befähigen, selbständig Gruppendiskussionen zu leiten. S e i t e | 22 Einführung in die Thematik Reflexion des eigenen Mediennutzungsverhaltens Sensibilisierung für das Forschungsvorhaben Datenerhebung Screening-Fragebogen (n = 276) Gruppendiskussionen (n = 51) Einzelinterviews (n = 17) Transkription Datenanalyse Fokussierende Analyse Kontextuelle Analyse Zusammenführung und Interpretation S e i t e | 23 II) Datenerhebung Die Datenerhebung erfolgte mittels eines dreistufigen Verfahrens. Anhand eines Screening-Fragebogens (n=276)wurden Jugendliche im Alter von 15 bis 19 Jahren für Gruppendiskussionen (n=51) rekrutiert. Aus jeder Gruppe wurden wiederum besonders aussagekräftige ProbandInnen ausgewählt, um sie in Form eines Leitfadeninterviews (n=17)tiefergehend zu befragen. III) Datenanalyse Die Gruppendiskussionen und die Leitfadeninterviews wurden transkribiert und anschließend mittels thematischen Codierens nach Strauss bzw. Flick76 ausfbereitet. Es wurde sowohl eine fokussierende als auch eine kontextuelle Analyse des Datenmaterials durchgeführt. IV) Zusammenführung & Interpretation Die Ergebnisse der fokussierenden und kontextuellen Analyse wurden zusammengeführt, mit den SchülerInnen diskutiert und gemeinsam interpretiert. 3.2.1 Datenerhebung Im Rahmen der Projekteingangsphase wurden die SchülerInnen auch in die Konstruktion von Interviewleitfäden sowie in die Interviewtechnik eingeführt. Es wurden gemeinsam ein Leitfaden für die Gruppendiskussionen und die Einzelinterviews erstellt. In der Leitfadenkonstruktion zeigte sich die Rückmeldung der SchülerInnen als sehr fruchtbar, da durch die Diskussion mit den Jugendlichen bzw. der Jungen und Mädchen untereinander die Art der Fragestellung sowie einzelne inhaltliche Schwerpunktsetzungen besonders gut an die Bedürfnisse und die Lebenswelt von15- bis 18-jährigen Heranwachsenden angepasst werden konnte. An verschiedenen Schulen und Jugendzentren wurde ein Screening-Fragebogen verteilt, der der Rekrutierung und Auswahl der zu befragenden Jugendlichen im 76 Vgl. Flick 2007, S. 402-208 sowie Strauss 1998 und Strauss/Corbin 1998 S e i t e | 24 Hinblick auf Geschlecht, formale Bildung, allgemeine Fernsehnutzung und Nutzung von Castingshows diente. Mit den ausgewählten Jugendlichen wurden Gruppendiskussionen durchgeführt, die von jeweils zwei SchülerInnen geleitet wurden und auf diese Weise als Gespräche unter Gleichaltrigen angelegt waren. Die Leitung von Gruppendiskussionen77 sowie die entsprechende Interviewtechnik wurden vorab in einem eigenen Interview-Workshop geübt. Mit jedem InterviewerInnen-Team wurde ein Probedurchlauf der Gruppendiskussion durchgeführt. Dies ermöglichte den SchülerInnen Tipps und Rückmeldungen zu ihrem Interviewverhalten zu geben und sie auf die entsprechende Erhebungssituation vorzubereiten. Zudem dienten diese Probedurchläufe der Kontrolle des Interviewverhaltens der einzelnen SchülerInnen, um eine möglichst einheitliche Herangehensweise bzw. Durchführung der Gruppendiskussionen zu gewährleisten. Die InterviewerInnen-Teams wurden jeweils durch eine Protokollatin bzw. einen Protokollanten, der/die bereits über eine große Erfahrung in der Durchführung von Gruppendiskussionen und qualitativen Befragungen verfügten, unterstützt.78Die ProtokollantInnen hatten den Auftrag, sich so gut als möglich zurückzuziehen, sich nicht an der Gruppendiskussion zu beteiligen und lediglich Protokoll zu führen. Im Falle etwaiger Probleme der InterviewerInnen waren sie jedoch angehalten, diesen unterstützend zur Seite zu stehen; dies war allerdings nicht nötig. Die ProtokollantInnen hatten zusätzlich die Aufgabe, nach der jeweiligen Gruppendiskussion eine Beschreibung der Erhebungssituation zu verfassen, um die Qualität der erhobenen Daten beurteilen zu können.79Die Gruppendiskussionen wurden sehr offen gehalten, um jenen Themen, die von den ProbandInnen selbst eingebracht werden, genügend Raum zu geben. 77 Der Ablauf der Gruppendiskussionen erfolgte in Anlehnung an Loos/Schäfer 2001, S. 48ff. Vgl. dazu auch Lamnek 2005 79 So passierte es beispielsweise einem Interviewerinnen-Team, gegen Ende der Gruppendiskussion tendenziell suggestiv zu werden, da sie das Gefühl hatten, noch mehr Informationen zu medienvermittelten Schönheitsbildern herausholen zu müssen. Dies wurde in der Beschreibung der Erhebungssituation festgehalten und bei der Datenauswertung und der Beurteilung der Aussagen der ProbandInnen berücksichtigt. 78 S e i t e | 25 Die Gruppendiskussionen dienten im Sinne des theoretischen Samplings80ebenso einem zusätzlichen Screening zur Auswahl jener Jungen und Mädchen, die als besonders geeignet für eine weitere Befragung in Form eines Leitfadeninterviews erschienen. Insgesamt wurden acht Gruppendiskussionen, deren Zusammenstellung in nachfolgender Tabelle dargestellt ist, durchgeführt. Zusammenstellung der Gruppendiskussionen Gruppendiskussion Geschlecht Formale Bildung Region GD 1 weiblich gemischt Land GD 2 weiblich gemischt Stadt GD 3 männlich gemischt Land GD 4 männlich formal niedrige Bildung81 Stadt GD 5 gemischt formal höhere Bildung Land GD 6 weiblich formal höhere Bildung82 Stadt GD7 gemischt formal niedrigere Bildung Land GD 8 gemischt formal niedrigere Bildung Stadt Insgesamt 8 Gruppendiskussionen Die Gruppendiskussionen mit den männlichen Jugendlichen wurden von Schülern geleitet, Gruppendiskussionen die mit gemischten den Gruppendiskussionen weiblichen Jugendlichen sowie die wurden von Schülerinnen geleitet. 80 Siehe dazu beispielweise Charmaz 2006, S. 99-108, Flick 2005, S. 191ff, Glaser/Strauss S. 45ff, Strauss/Corbin 1998, S. 201ff oder Strübing 2004, S. 29ff 81 Die formal höher gebildeten Jungen weigerten sich an einer Diskussion zum Thema (Model-) Castingshows teilzunehmen und sagten kurz vor Beginn der Gruppendiskussion geschlossen ab. Die ursprünglich geplante Gruppendiskussion mit formal höher und formal niedriger gebildeten männlichen Jugendlichen wurde aber trotzdem (auch wenn letztendlich nur formal niedriger gebildete Jungen anwesend waren) durchgeführt. 82 Auch bei dieser Gruppendiskussion erschienen die formal höher gebildeten männlichen Jugendlichen nicht zum angesetzten Termin, sodass die Gruppendiskussion letztendlich nicht wie geplant mit formal höher gebildeten Mädchen und Jungen sondern lediglich mit formal höher gebildeten Mädchen durchgeführt wurde. S e i t e | 26 Für die Leitfadeninterviews wurden auf Basis der Gruppendiskussionen und Screening-Fragebögen diejenigen Jugendlichen ausgewählt, die sich als besonders aussagekräftig erwiesen. Dies waren beispielsweise jene Jungen und Mädchen, die (Model-)Castingshows entweder einen besonders hohen Stellenwert (verbunden mit einem entsprechenden Involvement und Identifikationspotential) beimaßen oder die diesen Formaten besonders kritisch gegenüber standen. Die Einzelinterviews dienten dazu, einen tieferen Einblick in den Umgang mit (Model-) Castingshows vor dem Hintergrund individueller Entwicklungsaufgaben83 sowie des sozialökologischen Umfelds84 zu erlangen. Sie wurden allerdings nicht von den SchülerInnen sondern von erfahrenen InterviewerInnen durchgeführt, um mögliche, durch das Verhalten der SchülerInnen in den Gruppendiskussionen aufgetretene, Intervieweffekte zu kompensieren oder Themen, die von den jungen DiskussionsleiterInnen nicht so genau aufgearbeitet wurden, nochmals vertiefen zu können. Somit fungierten die Leitfadeninterviews auch als ein gewisses Kontrollinstrument in der Datenerhebung. Insgesamt wurden mit zehn Mädchen und sieben Jungen Einzelgespräche durchgeführt. 3.2.3 Datenanalyse Die Gruppendiskussionen wurden von den beteiligten SchülerInnen selbst transkribiert; d.h. jedes InterviewerInnen-Team transkribierte „seine“ Gruppendiskussion. Die Leitfadeninterviews wurden zum Teil ebenfalls von den SchülerInnen transkribiert, zum Teil wurden sie dabei aber durch studentische ProjektmitarbeiterInnen unterstützt. Im Anschluss daran wurden die Transkripte mit Hilfe des thematischen Codierens85 im Datenanalyseprogramm MAXqda aufbereitet und eine fokussierende sowie kontextuelle Analyse des Datenmaterials durchgeführt. Auch wenn die SchülerInnen nicht direkt in die Datenanalyse involviert waren, wurden sie in die einzelnen Analyse-Schritte eingeführt und um Rückmeldungen gebeten. So wurden beispielsweise der Codewortbaum vorgestellt und die 83 Vgl. Havinghurst 1972 Vgl. Vollbrecht 2007 85 Vgl. Flick 2007, S. 402-208 84 S e i t e | 27 einzelnen Kategorien diskutiert. Die Einzelfalldarstellungen sowie die Ergebnisse der fallübergreifenden Analyse wurden ebenfalls sehr detailliert mit den SchülerInnen besprochen. Die anschließende Interpretation der Untersuchungsergebnisse wurde gemeinsam mit den SchülerInnen vollzogen. 3.3 Ablauf und Organisation der Studie Da dieses Projekt darauf ausgelegt war, SchülerInnen unmittelbar in den Forschungsprozess zu integrieren, mussten diese auch entsprechend darauf vorbereitet werden. Zudem galt es den Projektverlauf mit dem Schulalltag der Jungen und Mädchen (z.B. Ferienzeiten) abzustimmen. Im Folgenden soll daher die Vorbereitung und Beteiligung der SchülerInnen am Forschungsprozess näher beschrieben werden. 3.3.1 Einführung der SchülerInnen Vor Beginn des eigentlichen Projektes wurden die SchülerInnen in Form halbtägiger Workshops und entsprechender Hausübungen schrittweise in ihre Rolle als ForscherInnen eingeführt. So setzten sich die Jungendlichen anfangs mit ihrem eigenen Mediennutzungsverhalten, mit ihrer bisherigen Medienbiographie sowie mit der Bedeutung persönlicher Fernsehidole und Medienstars in ihrem alltäglichen Leben auseinander. Diese Selbstreflexion diente einerseits dazu, die SchülerInnen in die Rezeptionsforschung Grundlagen einzuführen, der Mediensozialisation andererseits ermöglichte und der sie den Jugendlichen nach und nach entsprechenden Abstand von ihren eigenen Medienvorlieben zu erlangen, um sich entsprechend neutral und keinesfalls wertend mit den Medieninteressen Gleichaltriger auseinandersetzen zu können. Die in diesem Workshop entstandenen Diskussionen eröffneten aber ebenso Einblicke in die Lebenswelt(en) dieser Altersgruppe und die Bedeutung von Medien und im Besonderen von Fernsehinhalten im Alltag der Jugendlichen. Die Argumente der SchülerInnen, warum sie beispielsweise eine bestimmte Castingshow als besonders relevant für ihre Altersgruppe erachten und andere Angebote wiederum weniger (bzw. auch eine unter Umständen darüber S e i t e | 28 entflammende Diskussion zwischen Jungen und Mädchen), lieferten ebenso Informationen darüber, welche formalen oder inhaltlichen Kriterien von Castingshows für Jugendliche von Interesse sind bzw. welche Bedeutungen diesen beigemessen werden. Diese Erkenntnisse wurden bei der gemeinsamen Entwicklung der Forschungsfragen sowie der Erhebungsinstrumente berücksichtigt. Im Anschluss daran wurde ein Workshop zu Frauen- und Männerbildern in Film und Fernsehen durchgeführt. Dabei erarbeiteten die SchülerInnen Kennzeichen von Geschlechtsstereotypen aus ihren persönlichen Lieblingsfilmen und Lieblingsserien und setzten sich damit auseinander, inwiefern diese Frauen- und Männerbilder der Situation von Frauen und Männern im wirklichen Leben entsprechen. In diesem Zusammenhang wurden ebenso medienvermittelte Attraktivitätsmerkmale von Frauen und Männern diskutiert. In einem nächsten Schritt wurden die SchülerInnen in die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens eingeführt und es wurden ihnen unterschiedliche Methoden der Befragung vorgestellt, um ihnen ein Gefühl dafür zu vermitteln, was man mit welchen Mitteln und wie erforschen bzw. erfragen kann. Dies war vor allem für die etwas später erfolgende gemeinsame Entwicklung und Diskussion der Forschungsfragen wichtig. Vor Beginn des eigentlichen Projektes erarbeiteten die SchülerInnen auch eine sehr einfache und beschreibende formale und inhaltliche Analyse der deutschen Show Germany’s Next Topmodel anhand ausgewählter Sequenzen. Auch wenn diese Model-Castingshow allen SchülerInnen bekannt war, diente diese Produktanalyse dazu, sich näher mit dem Aufbau der Sendung sowie mit der Darstellung und Inszenierung einzelner ProtagonistInnen auseinanderzusetzen. 3.3.2 Beteiligung der SchülerInnen am Forschungsprozess Das eigentliche Projekt startete mit der gemeinsamen Entwicklung der Forschungsfragen. Das grundsätzliche Forschungsinteresse sowie die entsprechenden Fragestellungen standen zwar zu Beginn des Projektes bereits fest; diese wurden aber mit den Ideen und Vorschlägen der SchülerInnen abgeglichen und ergänzt. Dazu erstellten die SchülerInnen in Form einer S e i t e | 29 Gruppenarbeit Plakate anhand derer sie ihre persönlichen Forschungsideen zum Thema Model-Castingshow präsentierten. Diese Ideen wurden in der Klasse vorgestellt und diskutiert. Die am häufigsten formulierten Ideen wurden zusammengefasst und es kristallisierten sich der Umgang mit Schönheitsidealen sowie die Rolle von Model-Castingshows im Alltag von Jugendlichen als jene Fragen heraus, die die SchülerInnen am meisten interessierten. Diese deckten sich auch mit den bereits vorab angedachten Forschungsfragen, die den SchülerInnen allerdings zu jenem Zeitpunkt noch nicht bekannt waren. Gemeinsam wurde dieses Forschungsinteresse in entsprechende Fragen und Unterfragen ausformuliert. Die SchülerInnen waren auch stark in die Erstellung der Leitfäden für die Gruppendiskussionen und involviert. Dazu wurden die Jungen und Mädchen dazu angehalten, in Gruppen alle möglichen Fragen aufzuschreiben, die sie im Kontext der verschiedenen Forschungsfrage Fragekataloge interessieren. Anschließend gemeinsam zu einem wurden die strukturierten Interviewleitfaden zusammengeführt. Dabei wurde darauf geachtet, dass alle von den SchülerInnen als wichtig erachteten Fragen in den endgültigen Leitfaden aufgenommen wurden. An der Erstellung des Screening-Fragebogens waren die SchülerInnen nicht beteiligt. Allerdings wählte jedes InterviewerInnen-Team basierend auf den retournierten Fragebögen nach den Kriterien formale Bildung, Geschlecht, Wohnort und Castingshow-Nutzung jene Jugendlichen aus, die es für „seine“ Gruppendiskussion als passend erachtete.86Die jeweilige Auswahl wurde vor der gesamten Klasse präsentiert und argumentiert. 86 Die SchülerInnen erhielten die Vorgabe, jeweils eine Gruppendiskussion nach folgenden Kriterien zusammenzustellen: • Formal höher und niedriger gebildete Mädchen vom Land • Formal höher und niedriger gebildete Mädchen aus der Stadt • Formal höher und niedriger gebildete Jungen vom Land • Formal höher und niedriger gebildete Jungen aus der Stadt • Formal höher gebildete Jungen und Mädchen aus der Stadt • Formal höher gebildete Jungen und Mädchen vom Land • Formal niedriger gebildete Jungen und Mädchen aus der Stadt • Formal niedriger gebildete Jungen und Mädchen vom Land Die SchülerInnen formten darauf hin acht Arbeitsgruppen, die jeweils für eine Gruppendiskussion zuständig waren. Dies beinhaltete die Auswahl der ProbandInnen, die Durchführung und letztendlich auch die Transkription der Gruppendiskussion. S e i t e | 30 Die Gruppendiskussionen wurden ebenfalls von den SchülerInnen selbst geleitet; dazu erhielten sie eine entsprechende Interviewer-Schulung und mit jedem InterviewerInnen-Team Gruppendiskussion durchgeführt. 87 wurde ein Im Anschluss Probedurchlauf daran wurden der die Gruppendiskussionen von den jeweiligen InterviewerInnen transkribiert. Die Datenaufbereitung und –analyse erfolgte ohne Beteiligung der SchülerInnen. Die Forschungsergebnisse wurden allerdings wieder mit den SchülerInnen besprochen, diskutiert und gemeinsam interpretiert. In der Ergebnisinterpretation wurde die Perspektive der SchülerInnen besonders berücksichtigt. 87 Sie dazu die Ausführungen in Kapitel 3.2.1 S e i t e | 31 4 Ergebnisse Da sich viele Gemeinsamkeiten in der Auswertung der Gruppendiskussionen sowie der Einzelinterviews zeigen, werden die Ergebnisse nicht getrennt sondern zusammenfassend dargestellt. Alle Jugendlichen, die zusätzlich zu den Gruppendiskussionen in einem persönlichen Gespräch befragt wurden, wurden im Rahmen der kontextuellen Analyse mittels Einzelfalldarstellungen beschrieben. In der Ergebnispräsentation werden die Besonderheiten dieser Fälle in Kurzprofilen hervorgehoben und illustrativ verschiedenen Umgangsweisen mit Model-Castingshows zugeordnet; die ausführlichen Einzelfalldarstellungen sind im Anhang einzusehen. Eine Typenbildung war aufgrund wesentlich größerer Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen den einzelnen Fällen nicht möglich. 4.1 Allgemeiner Medienumgang Als Einstieg in die Thematik wurden die Jugendlichen kurz zu ihrem allgemeinen Medienumgang befragt, dem wurde allerdings nicht im Detail nachgegangen, da hierzu bereits ausreichend quantitative Daten vorliegen. Wie zu erwarten, decken sich die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung auch mit jenen der aktuellen JIM- und BIMEZ-Studie;88 sie werden daher an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt. Es werden aber die wesentlichen Tendenzen kurz zusammengefasst, um auf diese Weise die befragten Jugendlichen näher zu beschreiben. Das Handy wird von den Heranwachsenden als besonders wichtig hervorgehoben; dies wird vor allem von den Mädchen sowie den formal niedriger gebildeten Jungen betont. Es dient den befragten Jugendlichen in erster Linie zur Beziehungspflege mit FreundInnen per Anruf oder SMS. Des 88 Vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2009): JIM 2009. Jugend, Information, (Multi) Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart: LFK. Verfügbar über: http://www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf09/JIM-Studie2009.pdf (27.08.2010) Siehe auch BildungsMedienZentrum des Landes Oberösterreich (Hrsg.) (2009): 1. Oberösterreichische Jugendmedienstudie. Das Medienverhalten der 11- bis 18-Jährigen. Linz: BIMEZ. Verfügbar über: http://www.bimez.at/index.php?id=5411 (27.08.2010) S e i t e | 32 Weiteren beurteilen Mädchen das Fernsehen tendenziell als wichtiger als das Internet, nutzen allerdings beide Medien häufig, jedoch im Gegensatz zu den Jungen kaum gleichzeitig. Das Internet dient den Mädchen in erster Linie zum Austausch mit FreundInnen über die Kontaktplattform Facebook, während die Jungen neben Facebook auch Onlinespiele nutzen und sich gerne kurze Videos über YouTube oder Filme über kino.to und ähnliche Plattformen ansehen. Das Fernsehen wird von den befragten Jugendlichen in erster Linie zur Entspannung und zum Teil auch als Hintergrundmedium neben anderen Aktivitäten wie etwa Hausaufgaben machen oder Zimmeraufräumen genutzt. Bei den favorisierten Fernsehsendern sind sich Jungen und Mädchen sehr ähnlich und es sind auch keine großen Unterschiede hinsichtlich der formalen Bildung der Jugendlichen auszumachen: österreichische sowie deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehsender sind von untergeordneter Bedeutung, am liebsten werden die deutschen Privatsender Pro7, RTL, Kabel 1 sowie der Musiksender MTV genutzt. Hinsichtlich des persönlichen Medienbesitzes fällt auf, dass in den Familien der formal niedriger gebildeten Jugendlichen oft mehrere Fernsehgeräte zu finden sind und die Jungen und Mädchen häufig über einen eigenen Fernseher verfügen, während dies bei formal höher gebildeten Jugendlichen selten der Fall ist. Die befragten formal niedriger gebildeten Jugendlichen aus der Stadt haben vielfach einen Migrationshintergrund. In diesen Familien werden häufig Fernsehserien und -shows gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern in der jeweiligen Muttersprache rezipiert (z.B. türkische Castingshows). Die betroffenen Jugendlichen identifizieren sich allerdings kaum damit und betonen, dass sie deutschsprachige Senderund Sendungen bevorzugen. Gespräche über Fernsehinhalte finden eher selten innerhalb der Familien statt, am ehesten wenn gemeinsam mit Geschwistern ferngesehen wird und parallele Gespräche über das Gesehene entstehen. Die FreundInnen der befragten Jugendlichen sind in diesen Belangen die zentrale AnsprechpartnerInnen; häufig wird in der Schule über das Fernsehprogramm des Vortags diskutiert. ModelCastingshows werden von vielen Eltern abgelehnt und kritisiert, deshalb vermeiden die Jugendlichen oft bewusst in der Familie darüber zu sprechen. S e i t e | 33 4.2 Nutzung und Bewertung von (Model-)Castingshows Sowohl Musik- als auch Model-Castingshows werden von allen befragten Jugendlichen gerne gesehen. Musik-Castingshows scheinen jedoch etwas beliebter zu sein als Model-Castingshows; begründet wird diese Vorliebe für Musik-Castingshows allerdings kaum. Die große Beliebtheit von Deutschland sucht den Superstar unter männlichen Jugendlichen mag aber an der Figur Dieter Bohlen, dessen abfällige Sprüche offensichtlich bei vielen Jungen gut ankommen, liegen. Dass Musik- und Model-Castingshows auch crossmedial vermarktet werden, scheint für die Heranwachsenden aber kaum relevant zu sein. So sind beispielsweise die Websites von Germany’s und Austria’s Next Topmodel nur wenigen bekannt und werden von den befragten Jugendlichen kaum genutzt. Verpasste Sendungen werden ebenfalls selten im Internet angesehen, denn die Jugendlichen lassen sich lieber durch Gespräche mit ihren FreundInnen auf den neuesten Stand bringen. Vereinzelt suchen Mädchen ab und an über Google nach Fotos ihrer Castingshow-FavoritInnen. Berichte über Model- oder MusikCastingshows in Zeitschriften werden auch eher selten gelesen. „Das Original“ ist deutsch Es fällt jedoch auf, dass sich die Heranwachsenden von den deutschen Formaten wesentlich besser angesprochen fühlen als von den österreichischen Pendants. Dies wird damit argumentiert, dass in Germany’s Next Topmodel häufiger Einblicke hinter die Kulissen geboten werden, was die jungen RezipientInnen offensichtlich besonders interessiert. Austria’s Next Topmodel wird zudem mehrheitlich als „nachgemacht“, „billig“ und weniger professionell abgetan und von einem Großteil der befragten Jungen und Mädchen abgelehnt. So wird beispielsweise auch Lena Gercke, die Moderatorin von Austria’s Next Topmodel und Gewinnerin der ersten Staffel von Germany’s Next Topmodel, in einer der Gruppendiskussionen als „Klumcloon“ bezeichnet. Ihr wird auch weniger Kompetenz als der deutschen Moderatorin Heidi Klum beigemessen, da Klum, so die Argumentation der Jugendlichen, über eine längere Erfahrung als professionelles Model verfüge und Gehrke erst durch Klum quasi „entdeckt“ S e i t e | 34 worden wäre. Auch Deutschland sucht den Superstar ist unter den befragten Jugendlichen beliebter als Starmania.89 „Richtige Männer“ und ein „weibliches Format“? Model-Castingshows werden sowohl von Jungen als auch von Mädchen genutzt und sowohl in Jungen- als auch in Mädchengruppen wird gerne über die aktuellsten Geschehnisse von Germany’s Next Topmodel diskutiert. Jungen scheint es aber oft peinlich, über Model-Castingshows zu sprechen bzw. überhaupt außerhalb ihres Freundeskreises zuzugeben, sich für diese Sendungen zu interessieren. Formal höher gebildeten Jungen macht dies offensichtlich besondere Schwierigkeiten. So brauchten diese beispielsweise in den Gruppendiskussionen sehr lange, um sich einzubringen und mitzudiskutieren obwohl sie bestens über Germany’s und Austria’s Next Topmodel Bescheid wussten. Diese formal höher gebildeten männlichen Jugendlichen verwenden auch eine große Energie darauf, ihr Selbstbild des aufgeklärten jungen Mannes, der niemals Gefallen an einem in ihren Augen stark auf junge Frauen ausgerichteten „Boulevard-Fernseh-Format“ finden würde, nicht ins Wanken geraten zu lassen.90 89 Klaus und O’Connor (2010) stellen im Hinblick auf irische Jugendliche ebenfalls fest, dass nationale Castinghow-Produkionen gegenüber Produktionen aus dem gleichsprachigen Ausland schlechter bewertet werden. Jedoch zeigt sich in den Ausführungen der Autorinnen eine wesentlich breitere Akzeptanz der österreichischen Musik-Castingshow Starmania als dies in der vorliegenden Untersuchung der Fall ist. Dies könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass es zum Zeitpunkt der Erhebung keine aktuelle Starmania-Staffel gab, jedoch eine aktuelle Staffel von Deutschland sucht den Superstar und ein Pre-Casting für die Sendung Popstars. Eventuell war das österreichische Format dadurch den Jugendlichen weniger präsent. Ein anderer Grund für die schlechtere Bewertung von Starmania könnte darin liegen, dass der Schwerpunkt der aktuellen Erhebung auf Model-Castingshows, das heißt auf dem Vergleich zwischen Austria’s und Germany’s Next Topmodel lag. Wenn Unterschiede zwischen deutschen und österreichischen Castingshows diskutiert wurden, wurden oft Germany’s Next Topmodel in einem Atemzug mit Deutschland sucht den Superstar genannt bzw. Austria’s Next Topmodel mit Starmania in Verbindung gebracht. Da die österreichische Model-Castingshow eine sehr geringe Akzeptanz unter den befragten Jugendlichen hat, könnte diese negative Bewertung auch auf die Musik-Castingshow Starmania abgefärbt haben. Die aktuelle österreichische Musik-Castingshow Helden von Morgen lief zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht. 90 Diese offensichtliche Scheu formal höher gebildeter Jungen, sich als Model-Castingshow-Rezipienten zu äußern, führte sogar dazu, dass es bei den in der Stadt durchgeführten Gruppendiskussionen nicht möglich war, diese als Diskussionsteilnehmer zu gewinnen, da sie zu den abgemachten Terminen nicht erschienen. Ebenso schwierig war es formal höher gebildete Jungen aus der Stadt zu Einzelinterviews zu bewegen; erst nach etlichen Terminverschiebungen und viel Überredungskunst konnten entsprechende Gespräche geführt werden. S e i t e | 35 „Es gibt eigentlich viele Castingshows, die aber keinen von uns interessieren!“ (Philipp, 17 Jahre, formal höher gebildet, Land) Formal niedriger gebildete Jungen haben damit scheinbar weniger Probleme und es fällt ihnen wesentlich leichter zuzugeben, sich regelmäßig ModelCastingshows anzusehen. Allerdings wird auch hier gerne betont, dass diese Shows – quasi gezwungener Maßen – lediglich mit weiblichen Familienmitgliedern mitgeschaut würden. Bei näherem Nachfragen zeigt sich aber bei vielen Jungen nicht nur ein oberflächliches Interesse an „schönen Frauen“, wie gerne betont wird, sondern auch ein entsprechendes Involvement und „Mitfiebern“ mit einzelnen Kandidatinnen. Fast allen befragten Jungen imponiert der Ehrgeiz der Kandidatinnen, ihr Ziel zu erreichen. Diese Eigenschaft und die Anlage der Model-Castingshows als Wettbewerb, bei dem es darum geht, sich mit anderen zu messen und letztendlich durchzusetzen, wird von jenen Jungen, die eine besondere Faszination für die Kandidatinnen zeigen, häufig auf eher männlich konnotierte Sportarten wie etwa Fußball übertragen. Dies dient vor allem jenen männlichen Jugendlichen, die aus Familien stammen, in denen traditionelle Geschlechterstereotypen und Rollenzuweisungen nach wie vor von großer Bedeutung sind, ihre (oft heimliche) Faszination für ein eher als weiblich konnotiertes Format zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang schließen die Jungen mit ihren Freunden – ebenfalls analog zu Sportwetten – auch des Öfteren Wetten darauf ab, welche Kandidatin als Siegerin hervorgeht. Besonders deutlich ist dies bei Danijel, einem 16-jährigen Gymnasiasten, der mit seinen Eltern und einer älteren Schwester in einer Wohnung in einer größeren Stadt lebt. Seine Familie stammt ursprünglich aus Kroatien und ist noch sehr stark mit ihrem Heimatland verbunden. Die Eltern versuchen ihren Kindern die kroatische Kultur zu vermitteln, es werden gemeinsam kroatische Fernsehsendungen angesehen und auch der Balkankrieg und dessen Folgen sind in Danijels Familie sehr präsent. Danijel hat einen großen Freundeskreis und versteht sich auch gut mit seinen MitschülerInnen. In der Schule fühlt er sich wohl, obwohl er ein schlechter Schüler ist. In seiner Freizeit dreht sich alles um das Thema Fußball. Er ist Mitglied in einem Verein und träumt davon, einmal ein berühmter Fußballer zu werden. Auch in seiner Mediennutzung spielt der Sport eine große Rolle: er spielt online Fußballspiele, verfolgt in S e i t e | 36 Tageszeitungen und im Internet aufmerksam die aktuellen Bundesligaergebnisse und sieht sich regelmäßig Fußballspiele im Fernsehen an. Sein großes Idol ist Jan Mudric, ein Kroate, der für den englischen Fußballclub Manchester United spielt. In seinem ausschließlich Freundeskreis, werden aus männlichen Model-Castingshows Jugendlichen nicht bestehenden geschätzt und als mädchenhaft abgetan und auch in seiner Familie gilt Germany’s Next Topmodel als „Frauenprogramm“, das sich Danijels Mutter und Schwester regelmäßig ansehen. Danijel ist es peinlich über diese Castingshow zu sprechen und so betont er auch im Einzelinterview, dass er sich Germany’s Next Topmodel nur „gezwungener Maßen“ ansehe, wenn der Fernseher durch seine Mutter und seine Schwester „besetzt“ sei. Er bezeichnet die Model-Castingshow als „an sich eher langweilig“ und beteiligt sich auch bewusst nicht an der Anschlusskommunikation zwischen den beiden Frauen, gibt aber gleichzeitig zu, dass er die Kandidatinnen sehr bewundert und deren Entwicklung im Laufe der Show aufmerksam mitverfolgt. Sein Interesse und seine Bewunderung für die Kandidatinnen legitimiert er für sich dadurch, dass er Parallelen zum ProfiFußball zieht. „Ja, ich finde das schon gut, dass die das machen und so. Weil die wollen auch ihren Traum verwirklichen und da denk ich mir halt, ich würde auch voll viel machen für Fußball. Und genauso machen die das für ihre Modelkarriere.“ Danijel erlebt die Höhen und Tiefen, welche die Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel im Laufe der Show durchmachen, intensiv mit und zieht Parallelen zu seinem eigenen Leben. In seinem Wunsch als Fußballer den internationalen Durchbruch zu schaffen, nimmt er sich diese jungen Frauen zum Vorbild, auch wenn er keine spezielle Favoritin hat. Er ist auch davon überzeugt, dass die Kandidatinnen für andere Jugendliche – besonders für Mädchen – eine Vorbildfunktion haben können. Auch wenn Danijel für sich vor allem die Botschaft, hart an sich zu arbeiten, um seine Ziele zu erreichen, aus der Model-Castingshow mitnimmt, lassen sich ebenso in seiner Auseinandersetzung mit medienvermittelten Schönheitsidealen Bezüge zu Germany’s Next Topmodel herstellen. Attraktive Personen sehen für ihn so aus, wie er es aus dem Fernsehen kennt. Sie sollen einen „schönen Körper und ein freundliches Gesicht“ haben: Männer müssen durchtrainiert „wie Fußballer [sein], damit man ihre Muskeln am Körper sehen S e i t e | 37 kann“ und Frauen müssen schlank sein und lange Haare haben. Sie brauchen zwar keine Models zu sein, aber „eine Frau wie aus Germany’s Next Topmodel“ würde ihm dennoch sehr gefallen. Mit seinem eigenen Körper ist Danijel sehr zufrieden und es ist ihm wichtig, gut auszusehen. Deshalb nimmt er sich jeden Morgen extra Zeit, um seine Haare „zu stylen“ und die passende Kleidung auszuwählen. Er möchte auf andere einen guten Eindruck machen und ist davon überzeugt, dass man durch gutes Aussehen auch beruflich viele Vorteile hat. Man muss mitreden können Sowohl Jungen als auch Mädchen unterhalten sich mit ihren FreundInnen gerne über aktuelle Geschehnisse aus Germany’s Next Topmodel. Auch wenn vielfach betont wird, dass in schulischen und außerschulischen Kontexten kein großer Druck herrsche, jede Sendung mitzuverfolgen, so wird doch deutlich, dass es den Jugendlichen wichtig ist, über die Show Bescheid zu wissen, um mitreden zu können. Hat aber jemand aus dem Freundeskreis einmal eine Sendung verpasst, wird es ihm bzw. ihr nicht negativ angelastet und die betreffende Person wird schnell „auf den neuesten Stand“ gebracht. Die große Bedeutung der Anschlusskommunikation im Freundeskreis zeigt sich besonders bei Michaela, Astrid und Valentina. Alle drei Mädchen interessieren sich gar nicht so sehr für Germany‘sNext Topmodel, dennoch ist für sie eine regelmäßige Rezeption dieser Model-Castingshow, oder zumindest über Zeitschriften oder das Internet entsprechend informiert zu sein, essentiell, da ihnen Gespräche mit ihren Freundinnen darüber sehr wichtig sind. Die Inhalte der Sendung und Geschehnisse an sich spielen für sie eine geringere Rolle als für andere Mädchen; es geht ihnen in erster Linie darum, mitreden zu können. Valentina ist 15 Jahre alt und wohnt gemeinsam mit ihren Eltern, ihrem 18jährigen Bruder und ihrer Großmutter in einem großen Einfamilienhaus am Stadtrand. Sie kommt aus einer bildungsnahen, konservativ-bürgerlichen Familie und besucht ein naturwissenschaftliches Gymnasium. Sie versteht sich gut mit allen Familienmitgliedern, hat einen großen Freundeskreis und fühlt sich auch in der Schule sehr wohl. Sich jeden Abend gemeinsam die FernsehNachrichten anzusehen ist ein fixer Bestandteil des Familienalltags. Als eine der wenigen befragten Jugendlichen bezeichnet Valentina ORF 1 als ihren S e i t e | 38 Lieblingssender und begründet dies damit, dass es dort keine Werbeunterbrechungen gibt. Sie hat keine spezielle Lieblingssendung, sieht aber häufig CSI und Germany’s Next Topmodel. Germany’s Next Topmodel ist auch ein häufiges Gesprächsthema unter Valentinas Freundinnen, da diese ausgesprochene Fans der Model-Castingshow sind. Deshalb ist es ihr sehr wichtig, keine Sendung zu verpassen, um über den neuesten Stand der Dinge informiert zu sein und mitreden zu können. Valentina lebt nicht so sehr mit einzelnen Kandidatinnen mit, wie es ihre Freundinnen tun, sondern geht eher auf kritischen Abstand. Sie meint auch, dass sie sich generell nicht so sehr hineinsteigern könne, wie dies ihrer Meinung nach andere Mädchen tun würden. Dennoch verfolgt sie die Show aufmerksam und macht sich zuweilen über die Kandidatinnen lustig. „Es ist witzig anzusehen, wie sich manche zum Deppen machen.“ Valentina interessiert sich aber sehr für Mode und hebt positiv hervor, durch die Rezeption von Germany’s Next Topmodel auch einen Überblick über aktuelle Modetrends zu bekommen; manche Anregungen probiert sie auch selbst aus. Sie schließt aber dezidiert aus, dass die Kandidatinnen oder Jurymitglieder für sie in irgendeiner Form eine Vorbildfunktion haben könnten. Die Kandidatinnen betrachtet sie kritisch und sie mag es überhaupt nicht, wenn diese „hysterisch überreagieren“. Außerdem kritisiert sie, dass das Thema Schönheit und eine perfekte Figur zu haben bei Germany’s Next Topmodel im Zentrum stehen und ist davon überzeugt, dass dies einen negativen Einfluss auf andere Mädchen haben könnte, die sich mehr in diese Castingshow hineinsteigern als sie selbst. „Sie [die Kandidatinnen] geben vielleicht eine Figur wieder, die man eigentlich gerne haben würde. Aber viele Models machen das so künstlich. Also, sie ernähren sich gar nicht gesund und machen auch gar keinen Sport an der frischen Luft sondern essen einfach gar nicht. Da sollte man sich kein Beispiel dran nehmen.“ Valentina betont des Weiteren, dass für sie der Charakter einer Person wichtiger sei als ihr Aussehen und dass sie einem übertriebenen Schlankheitswahn nichts abgewinnen könne, obwohl sie in ihren Augen hübsche Frauen und Männer „doch eher auf der schlankeren Seite ansiedeln“ würde. Diesen Aussagen könnte allerdings ein gewisses Streben nach sozial erwünschten Antworten zugrunde liegen, da sich Valentina bewusst aufgeklärt und kritisch gibt. S e i t e | 39 Die 16-jährige Astrid besucht eine höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe und wohnt gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem um ein Jahr jüngeren Bruder auf einem Bauernhof auf dem Land. Sie versteht sich sehr gut mit ihrem Bruder, der für sie ein wichtiger Ansprechpartner bei Sorgen und Problemen ist. Als wichtigste weibliche Bezugsperson bezeichnet sie ihre Mutter. Astrid ist in einer festen Beziehung und hat einen großen Freundeskreis, viele dieser Freunde sind allerdings deutlich älter als sie. Mit ihren MitschülerInnen versteht sie sich weniger gut, da sie anderthalb Jahre älter ist und gänzlich andere Interessen hat. Astrid nutzt das Fernsehen selten nebenbei sondern sieht sich bewusst einzelne Sendungen an; am liebsten rezipiert sie Telenovelas wie Anna und die Liebe, Schmetterlinge im Bauch und Verliebt in Berlin. In Astrids Familie wird selten gemeinsam ferngesehen und auch Gespräche über Medien finden kaum statt. Allerdings unterhält sie sich des Öfteren mit ihren MitschülerInnen über Telenovelas oder Germany’s Next Topmodel. Astrid hält nicht viel von dieser Model-Castingshow, denn „…beim Modeln geht’s nur ums Aussehen, für die geht’s um nichts anderes.“ Dies kritisiert sie besonders hart, ebenso findet sie die Jury viel zu streng und „unmenschlich“. Besonders enttäuscht ist sie von der Figur Heidi Klum, die ihr während der ersten Staffeln sehr sympathisch war, ihr mittlerweile aber viel zu oberflächlich vorkommt. Da sich Astrids Freundinnen regelmäßig Germany’s Next Topmodel und Die Model WG ansehen, verfolgt sie diese ebenfalls regelmäßig, auch wenn sie sich wenig mit diesen Fernsehangeboten identifizieren kann. Wenn sie eine Sendung nicht gesehen hat, informiert sie sich bei ihren MitschülerInnen über die aktuellsten Geschehnisse. Astrid ist der Meinung, dass sich viele Mädchen an den Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel ein Vorbild nehmen und begründet dies damit, dass sie manchmal das Gefühl habe, ihre MitschülerInnen hätten keine eigene Meinung mehr bzw. würden nur mehr die Meinungen der Kandidatinnen oder der Jury vertreten. Dies würde für sie selbst jedoch nie in Frage kommen. Dennoch räumt sie ein, dass man sich den Fleiß und die Zielstrebigkeit der Kandidatinnen zum Vorbild nehmen könnte und betont dies als wichtige Eigenschaften, die man auch für das Berufsleben bräuchte.Praktisch findet S e i t e | 40 Astrid aber die Schminktipps aus Germany’s Next Topmodel, auch wenn sie diese selbst nicht umsetzt. Astrid ist auch davon überzeugt, dass attraktive Menschen mehr Chancen im Berufsleben haben, es fällt ihr jedoch schwer Attraktivität zu definieren; sie nimmt dabei auch keine Anleihen an den Kandidatinnen der ModelCastingshow. Michaela ist 17 Jahre alt und besucht eine berufsbildende Schule, in der sie sich sehr wohl fühlt obwohl ihre MitschülerInnen zwei Jahre jünger sind als sie. Ihre zwei besten Freundinnen gehen mit ihr in die gleiche Klasse. Gemeinsam mit ihren Eltern wohnt sie in einem Haus auf dem Land; sie ist mit dieser ländlichen Umgebung sehr eng verbunden. Mit Ausnahme des Fernsehens während dem gemeinsamen Essen, werden Medien in ihrer Familie kaum gemeinsam genutzt. Ebenso wenig spricht sie mit ihren Eltern über Medieninhalte. Michaela besitzt fünf Hunde und widmet den Großteil ihrer Freizeit dem Hundesport. Im Gegensatz zu den zwei zuvor beschriebenen Mädchensieht sie gerne ModelCastingshows. Neben ihrer Begeisterung für die Telenovela Anna und die Liebe ist sie ein Fan von Austria’s Next Topmodel. Die große Bedeutung, die das Mitreden-Können in der Schule und im Freundeskreis für die Rezeption von Model-Castingshows hat, zeigt sich bei Michaela vor allem darin, dass sie sehr patriotisch ist und ihr als einzige der befragten Jugendlichen Austria’s Next Topmodel wesentlich besser als Germany’s Next Topmodel gefällt. Dennoch sieht sie sich regelmäßig die deutsche Model-Castingshow an, um sich in die Gespräche mit ihren FreundInnen und MitschülerInnen einbringen zu können und durch ihre etwas anderen Präferenzen nicht negativ aufzufallen. Diese große Anpassung könnte darauf zurück zu führen sein, dass Michaela ohnehin schon etwas anders als ihre MitschülerInnen ist, da sie älter ist und ein eher seltenes Steckenpferd hat. So will sie durch etwas andere Fernsehvorlieben nicht noch zusätzlich auffallen und zur Außenseiterin werden. Sie spricht beispielsweise auch während der Gruppendiskussion kaum über Austria’s Next Topmodel sondern erwähnt ihre Lieblingsshow erst in der privateren Atmosphäre des Einzelinterviews. Michaela kann sowohl inhaltlich als auch formal wenige Unterschiede zwischen Austria’s und Germany’s Next Topmodel ausmachen. Sie begründet ihre Vorliebe für die österreichische Variante damit, dass in dieser ModelCastingshow „auch Österreicherinnen eine Chance auf einen Platz in der S e i t e | 41 Castingshow bekommen.“ Des Weiteren findet sie Austria’s Next Topmodel durch den österreichischen Akzent der Kandidatinnen und das Verhalten der Moderatorin Lena Gercke natürlicher und somit auch realistischer als die deutsche Version dieser Model-Castingshow. „Ja, also die Lena Gercke macht nicht alles so übertrieben – von den Emotionen her, vom Sagen und Tun und so. Da ist die Heidi Klum eher mehr gespielt sag ich mal, also mehr gekünstelt. Weil Lena Gercke das mehr natürlicher macht und ja, echter rüber bringt, sag ich mal.“ Michaela sucht sich in jeder Staffel von Austria’s Next Topmodel eine Favoritin aus, mit der sie mitlebt. Dabei ist ihr weniger wichtig, dass diese Kandidatin besonders hübsch ist, sondern dass diese an sich selbst glaubt. Michaela ist sehr unsicher und hat wenig Selbstvertrauen. In ihrer Selbstbeschreibung hebt sie dies sogar positiv hervor und meint, dass sie durch ihr geringes Selbstvertrauen nicht arrogant wirke. Dennoch nimmt sie sich ein großes Vorbild an ihren Lieblingskandidatinnen und wünscht sich ebenso stark zu sein und zu lernen, mit harter Kritik umzugehen. Michaela würde gerne mehr Sport betreiben, kann sich letztendlich aber nicht dazu aufraffen. In der Selbstdisziplin der Kandidatinnen findet sie so einen weiteren Anknüpfungspunkt, um sich ein Vorbild zu nehmen. Attraktive Menschen müssen für Michaela nicht zwangsläufig gertenschlank sein, dennoch gefallen ihr die wohlgeformten Körper der Kandidatinnen. Michaela versucht ihr Mauerblümchendasein in der Schule damit zu rechtfertigen, dass sie betont kein Mensch könne perfekt sein und dass sie ihre persönlichen Schwächen akzeptiere. Jedoch würde sie gerne auch so aussehen, so selbstbewusst und so beliebt sein wie die Protagonistinnen von Austria’s Next Topmodel. 4.3 Auseinandersetzung mit den handelnden Personen Unabhängig davon ob die befragten Jugendlichen Model-Castingshows regelmäßig nutzen, ob sie sich mit den Kandidatinnen identifizieren oder eher mit etwas Abstand zusehen, ob ihnen Diskussionen mit FreundInnen und Familienmitgliedern wichtig sind oder wie stark ihr generelles Involvement ist, setzen sich die Jungen und Mädchen sehr bewusst mit den Kandidatinnen, den Jurymitgliedern sowie der Moderatorin auseinander und beurteilen deren Verhalten und Authentizität. S e i t e | 42 Starke Frauen: Faszination und Mitgefühl Die befragten Jungendlichen beurteilen die Kandidatinnen großteils positiv. Vor allem Mädchen, aber auch einige Jungen, suchen sich zu Beginn einer neuen Staffel gerne eine oder mehrere Favoritinnen aus, um dann deren Weiterkommen mitzuverfolgen. Vor allem Jungen finden Spaß daran, zu Beginn einer neuen Staffel ähnlich wie bei Sportwetten auf eine Kandidatin zu setzen und sich dann überraschen zu lassen, ob diese auch tatsächlich als Schönste und Beste hervorgeht. Aber auch Mädchen diskutieren gerne ihre unterschiedlichen Favoritinnen. Manche, wie etwa Lisa, zeigen eine große Faszination für die Kandidatinnen sowie ein hohes Involvement. Sie erleben die Höhen und Tiefen, die ihre Favoritin zu bewältigen hat, intensiv mit. Lisa ist eine 16-jährige Gymnasiastin, die mit ihrer Mutter und ihrem drei Jahre jüngeren Bruder in einer kleinen Wohnung in einem sozial schwierigen Stadtteil lebt. Ihre ältere Schwester ist bereits von zu Hause ausgezogen. Lisas Mutter hat Abitur und arbeitet als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei; zu ihrem Vater hat das Mädchen keinen Kontakt mehr. Lisa leidet sehr unter diesen Familienverhältnissen und wünscht sich nichts sehnlicher als eine perfekte und glückliche Familie. Sie verbringt daher auch viel Zeit mit einer Freundin, die sehr behütet aufwächst, um auch ein wenig von dieser Familienatmosphäre mitzubekommen. Lisa versteht sich überhaupt nicht mit ihrer Mutter und möchte auch so schnell wie möglich von zuhause ausziehen. Das Mädchen ist zwischen zwei (Bildungs-)Kulturen hin und her gerissen: Zum einen schickt sie ihre formal höher gebildete Mutter auf ein angesehenes Gymnasium. Lisa geht zwar gerne zur Schule, weil sie sich gut mit ihren MitschülerInnen versteht, möchte aber lieber eine Ausbildung zur Kindergärtnerin machen, da sie sich im Gymnasium etwas überfordert fühlt. Zum anderen trifft Lisa in ihrer unmittelbaren Wohnumgebung auf formal niedriger gebildete Jugendliche, mit denen sie sich ebenso gut versteht. Sie verbringt viel Zeit in einem Jugendzentrum, das stark von bildungsfernen, migrantischen Jugendlichen frequentiert wird und in dem sie sich sehr wohl fühlt. Lisa gehört keiner festen Clique an, hat jedoch einige sehr unterschiedliche Freundinnen, an die sie sich jeweils entsprechend anpasst. So berichtet sie beispielsweise davon, verschiedene Probleme auch mit verschiedenen Freundinnen zu besprechen und dass sie auch ihr sonstiges Verhalten auf die unterschiedlichen Freundinnen abstimmt. S e i t e | 43 Germany’s Next Topmodel ist Lisas Lieblingssendung und einer ihrer wöchentlichen Höhepunkte. Ihre Freundinnen sind wie sie selbst „Expertinnen“ für diese Model-Castingshow. Oft treffen sie sich, um sich eine Sendung gemeinsam anzusehen und in den Schulpausen wird gerne „gefachsimpelt“. „Es waren schon oft so Modestrecken dabei, wo ich mir gedacht habe: „Oh mein Gott, ist das grässlich!“ Am nächsten Tag erzähle ich das dann meinen Freundinnen und wir diskutieren darüber.“ Lisa informiert sich mittels Germany’s Next Topmodel über aktuelle Modetrends und versucht entsprechende Anregungen auch in ihren persönlichen Kleidungsstil zu integrieren. Besonders fühlt sie sich aber von den Kandidatinnen angesprochen, mit denen sie auch intensiv mitlebt. Lisa beeindruckt vor allem die Inszenierung der Kandidatinnen als „einfache Mädchen“ wie sie, die durch Disziplin und harte Arbeit zu professionellen Models werden. Sie bewundert den ihrer Meinung nach starken Willen dieser jungen Frauen ebenso wie deren Figur, wohlgleich sie anmerkt, dass nicht alle perfekt seien. Auf die Frage, was die Kandidatinnen auszeichne, betont sie, dass Schönheit allein nicht ausreichen würde sondern dass die jungen Frauen Durchhaltevermögen, Disziplin, viel Kraft und die Fähigkeit „an sich zu arbeiten“ mitbringen müssen. Sie ist davon überzeugt, dass man sich als Mädchen von den Kandidatinnen viel für das eigene Leben abschauen kann. „Also wenn man jetzt an eine bestimmte Kandidatin glaubt und wenn die wirklich viel Durchhaltevermögen hat und wenn man selbst nicht so ehrgeizig ist, dann kann man sich das schon irgendwie von der abschauen.“ Lisa und ihre Freundinnen fühlen sich stark in die einzelnen Kandidatinnen ein und fiebern nicht nur bei den wöchentlichen Juryentscheidungen mit, sondern diskutieren auch regelmäßig die jeweiligen Herausforderungen, wie etwa den Umgang mit harter Konkurrenz bei gleichzeitiger Kooperation, denen sich die Kandidatinnen stellen müssen. Lisa sucht sich in jeder Staffel eine Lieblingskandidatin aus, die ihrer Meinung nach am besten zu ihr passt und zieht dabei Parallelen zu ihrem eigenen Leben. So beschreibt sie beispielsweise ihr Idol der letzten Staffel von Germany’s Next Topmodel folgender Maßen: „Die war halt einfach total sympathisch. Ich meine, mit der haben wir uns schon irgendwie identifizieren können. Die war halt eben auch erst 16 und so naiv halt und total lieb und so. Und sie hat auch nicht immer gewusst, wie sie es am besten machen soll. Jeder hat sich immer total in S e i t e | 44 sie hinein gefühlt, wenn sie von der Heidi fertig gemacht worden ist. Wir haben uns halt total identifiziert, weil sie halt auch in unserem Alter war.“ Lisa ist selbst sehr unsicher, in einer Phase der Identitätsfindung und damit konfrontiert, in der Schule ihre Leistung bringen zu müssen, was ihr nicht immer leicht fällt. Sie muss sich Kritik seitens ihrer LehrerInnen gefallen lassen und hat ebenso viele Konflikte mit ihrer Mutter. Lisa kostet es viel Energie, den Anforderungen ihrer Umwelt gerecht zu werden und sich in unterschiedlichen sozialen Kontexten entsprechend anzupassen. Sie weiß, wie es sich anfühlt, von Erwachsenen „fertig gemacht“ zu werden und identifiziert sich so stark mit den Kandidatinnen, wenn diese harte Kritik der Jury einstecken müssen. Sie nimmt sich ein Vorbild daran, wie die jungen Frauen mit dieser Kritik umgehen, welche Entbehrungen sie auf sich nehmen und wie sie hart daran arbeiten, um den Vorstellungen der Jury gerecht zu werden. Gemeinsam mit ihren Freundinnen versucht Lisa den Kandidatinnen nachzueifern: Sie spielen einzelne Szenen wie etwa das Laufen am Laufsteg nach und versuchen mittels gesunder Ernährung und regelmäßigem Sport ebenfalls „an ihrem Körper zu arbeiten“. Allerdings hält sie das nie lange durch; dies steigert aber ihre Bewunderung für die Kandidatinnen umso mehr. Lisa: Wir haben halt mal wieder gemeinsam mit Freundinnen geschaut und da haben wir uns gedacht, so jetzt machen wir wie die da auch jede Woche gemeinsam Sport und so. Interviewerin: Ihr habt das also richtig durchgezogen? Lisa: Nein, nicht so richtig. Also wir haben es genau zwei Wochen durchgehalten mit unserem Sport und unserem Diätplan. Interviewerin: Was hattet ihr denn für einen Diätplan? Lisa: Ja einfach gesündere Ernährung halt und nicht so viele Kalorien. Interviewerin: Und wie war das so für euch? Lisa: Na es hat schon richtig Spaß gemacht so zusammen, aber wir haben es halt nicht geschafft. Interviewerin: Und waren die Kandidatinnen für euch ein Vorbild? Lisa: Ja deshalb haben wir es ja auch gemacht, denn das waren ja eigentlich auch mal ganz normale Mädchen. Die kamen ja nicht von einer Modelagentur sondern die wurden einfach so in ganz Deutschland S e i t e | 45 gecastet. Und dann haben wir uns gedacht, jetzt nehmen wir auch ab. Also wenn die das schaffen, dann schaffen wir das auch. Also die ganze Show baut ja auf Schönheit und Glamour und so auf. Da haben wir uns halt gedacht, das ist schon cool. Aber wir haben es halt nicht geschafft. Also wir waren halt irgendwie nicht so stark wie die Mädchen in der Show. Die sind halt schon richtig voll diszipliniert, die Mädchen. In der Einschätzung Heidi Klums ist Lisa eher ambivalent. Einerseits schätzt sie deren Erfahrungen als Model und findet sie teilweise auch sympathisch, andererseits findet sie sie zu streng und zu hart im Umgang mit den Kandidatinnen. Insgesamt urteilt die Jury in Lisas Augen oft zu streng. Dies passt zu ihrem Bild, dass die Erwachsenenwelt generell zu streng und manchmal unfair ist. Hinsichtlich der formalen Bildung der befragten Jugendlichen lassen sich in der Beurteilung der Kandidatinnen wenige Unterschiede feststellen. Zuweilen scheinen formal höher gebildete Mädchen kritischer und reflektierter als formal niedriger gebildete Mädchen; oft entpuppen sich ihre Äußerungen aber lediglich als sozial erwünschte Antworten, da sie von ihren Eltern und LehrerInnen die öffentliche Kritik bzw. die Kritik der Erwachsenen an Model-Castingshows kennen. Auch scheint an Gymnasien häufiger über medienvermittelte Schönheitsideale oder Essstörungen diskutiert zu werden als an anderen Schulen. In den Gruppendiskussionen mit den formal höher gebildeten Mädchen finden sich ab und an Verweise darauf. Dennoch zeigen viele der befragten formal höher gebildeten genauso wie formal niedriger gebildeten Mädchen eine große Faszination für die Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel und oft wünschen sie sich, ähnliche Eigenschaften zu besitzen. Umgekehrt finden sich aber auch formal niedriger gebildete Mädchen, welche die Model-Castingshow mit etwas Abstand betrachten und kritisch hinterfragen. Oft liegen aber, wie beispielsweise bei Afet, Kritik, Mitgefühl und Faszination sehr eng beieinander. Afet ist 15 Jahre alt, besucht ein naturwissenschaftliches Gymnasium und lebt mit ihrer Mutter, einem älteren und einem jüngeren Bruder sowie einer jüngeren Schwester in einer großen Wohnung in der Stadt; ihr Vater lebt nicht mehr bei der Familie. Die Familie stammt ursprünglich aus der Türkei. Afet ist aber bereits in Österreich geboren und die Familie ist sehr gut integriert. Das Mädchen fühlt sich zu Hause sehr wohl, hat einen großen Freundeskreis und ist S e i t e | 46 auch bei ihren MitschülerInnen äußerst beliebt. Afet ist sehr attraktiv und ist sich dessen auch bewusst; jeden Morgen nimmt sie sich extra Zeit, um sich zu schminken und ihre Haare, auf die sie sehr stolz ist, zu frisieren. Afets Lieblingssendungen sind Germany’s Next Topmodel und Desperate Housewifes. Sie hat generell eine große Vorliebe für Castingshows und sieht sich neben deutschsprachigen Formaten auch die Musik-Castingshow X-Factor, die Berufs-Castingshow Project Runway sowie America’s Next Topmodel und Britain’s Next Topmodel an. Türkische Castingshows mag sie jedoch nicht, weil diese in ihren Augen billig und den internationalen Shows nachgemacht sind. Paris BFF, in der Paris Hilton eineN neueN besteN FreundIn sucht, lehnt sie ebenfalls vehement ab, weil ihr diese Show „zu blöde“ ist. Großen Gefallen findet sie allerdings an Popstars. Ihre jüngere Schwester teilt Afets Begeisterung für Castingshows und so ergeben sich zwischen den beiden Mädchen des Öfteren heiße Diskussionen zu den Geschehnissen in den verschiedenen Shows. Mit anderen Familienmitgliedern spricht Afet allerdings kaum über ihre Medienerlebnisse. In Afets Freundeskreis sind Castingshows und im Besonderen Germany’s Next Topmodel ebenfalls ein häufiges Gesprächsthema. Trotz der großen Begeisterung setzen sich Afet und ihre Freundinnen auch differenziert mit (Model-)Castingshows auseinander. So merkt Afet beispielsweise kritisch an, wie leicht die Inszenierung von Germany’s Next Topmodel zu durchschauen sei, dass in jeder Staffel die gleichen Typen vorkommen („die Heulsuse“, „die Tussi“ und „die Emanze“) und dass sich die Ereignisse ständig wiederholen. Dennoch genießt Afet es, während der Show mit den Kandidatinnen mitzuleben, und sucht sich zu Beginn jeder Staffel drei bis vier Kandidatinnen aus, denen sie einen Sieg zutraut, um deren Entwicklung in jedem Detail mitzuverfolgen. Bei der Auswahl der Kandidatinnen geht es Afet allerdings nicht in erster Linie um Schönheit, sondern um Ehrgeiz und den Willen, zu gewinnen. Diese Eigenschaften bewundert sie auch an den Kandidatinnen. Auch abseits ihres Fernsehkonsums setzt sich Afet kritisch mit Castingshows auseinander und liest Bücher zu entsprechenden Fernsehangeboten, über den Beruf des Models (beispielsweise Autobiographien) aber auch über Magersucht und andere Essstörungen, die im öffentlichen Diskurs mit Model-Castingshows in Verbindung gebracht werden. Afet interessiert dabei vor allem welche Erfahrungen junge Mädchen im Modelgeschäft machen. Auch wenn Schönheit S e i t e | 47 für Afet ein sehr wichtiges Thema ist, lehnt sie sich bei ihrer Definition von Attraktivität wenig an das Vorbild der Kandidatinnen an. Sie findet es wichtig, dass Kleidung, Accessoires, Make-up und Typ einer Frau ein harmonisches Ganzes ergeben. Hübsche Frauen haben nach Afets Vorstellung lange Haare, ein schönes Gesicht und sind gepflegt; sie müssen aber keineswegs extrem schlank oder groß sein. Dabei beschreibt sie sich in erster Linie selbst: Sie ist mit ihrem Aussehen sehr zufrieden und weiß, dass sie den Jungen gefällt, obwohl sie relativ klein ist und nach ihrem empfinden etwas zu dicke Oberschenkel hat. Der in ihren Augen in Model-Castingshows vermittelten „übertriebenen Schlankheit“ steht sie recht kritisch gegenüber und beschreibt als abschreckendes Beispiel Lena Gercke, der sie einmal in einem Einkaufszentrum begegnet ist. „Da hab ich mir gedacht ‚wow ist die dünn! […] Die war wirklich dünn diese Frau. Die hat ja wirklich einen großen Kopf gehabt dafür, dass sie so dünne Beine gehabt hat. Das war wirklich schlimm.“ Aber nicht nur Mädchen sondern auch Jungen – wie beispielsweise im zuvor beschriebenen Fall Danijel deutlich erkennbar – zeigen eine große Bewunderung für die Kandidatinnen. Besonders imponieren den männlichen Jugendlichen dabei das Durchhaltevermögen und das konsequente Training der jungen Frauen. Die direkte Identifikation mit den Kandidatinnen ist weniger stark ausgeprägt als bei den weiblichen Jugendlichen. Dies liegt aber eher daran, dass es Jungen möglicher Weise schwerer fällt, sich mit einer weiblichen Protagonistin zu identifizieren. Dennoch zeigen auch viele der befragten Jungen ein hohes Involvement. Auffällig ist, dass sich Mädchen eher als Jungen kritisch mit dem Format Model-Castingshow auseinandersetzen. Jungen sind entweder fasziniert oder lästern darüber. Alle befragten Jungen und Mädchen sind sich einig, dass die Kandidatinnen die Erwartungen der Jury erfüllen müssen und nicht dagegen aufbegehren dürfen, um erfolgreich zu sein. Ein perfektes Model zeichnet sich der allgemeinen Meinung der Jugendlichen nach durch perfekte Körpermaße aber auch durch kollegiales Verhalten gegenüber Mitbewerberinnen aus. Valentina: Es ist ja so, die achten ja auf die Persönlichkeit und es muss das Gesamtpaket stimmen. Weil eigentlich hätte es ja genauso die Tessa sein können, aber sie haben halt dann gesehen, dass sie nicht wirklich S e i t e | 48 weiterkommt. Weil durch ihre Art und so wird sie keine Jobs kriegen. Es ist nämlich wirklich auch so, dass sie auf die Persönlichkeit schauen und nicht nur aufs Aussehen. Danija: Ja, Persönlichkeit muss auch dabei sein. Annalena: Also ich glaub nicht, dass die immer nur auf Persönlichkeit schauen. Weil wenn wirklich eine dabei ist, die voll fesch ist und so, dann nehmen sie die. Valentina: Ja eh, sag ich ja nicht. Aber z.B. du musst auch mit dem Kunden umgehen können. Annalena: Ja eh. Valentina: Ja, ich nehm jetzt immer die Tessa als Beispiel. Aber das ist das beste Beispiel dafür. Ich meine, sie zeigt ja einfach der Jury den Mittelfinger, weil ihr das nicht gepasst hat, was sie zu ihr gesagt haben, die Kritik also. Ich meine, wenn sie das bei einem Kunden macht, dann kommt sie wirklich nicht weit. (formal höher gebildete Mädchen, Stadt) Besonders positiv werden die Selbstdisziplin und das Selbstbewusstsein der Kandidatinnen hervorgehoben. Vor allem Jugendliche aus der ländlichen Region zeigen große Bewunderung für den in ihren Augen großen Mut, sich öffentlich zu präsentieren, sowie für die Zielstrebigkeit der jungen Frauen. „Die müssen einen Mut haben, damit sie da überhaupt hingehen! Und in der Unterwäsche dastehen vor ganz Österreich kann auch nicht jede Frau.“ (Max, 18, formal niedriger gebildet, Land) Die befragten formal höher gebildeten Mädchen zeigen sich besonders beeindruckt, dass die Gewinnerin der letzten Staffel von Germany’s Next Topmodel eine Studentin ist. Sie interpretieren dies als Zeichen, dass der Traum von einer Model-Karriere nicht im Widerspruch zu Abitur, Studium sowie zur Intelligenz und Emanzipation einer Frau steht. Die Jury: Hat Heidi immer Recht? S e i t e | 49 Auf Fragen zur Beurteilung der Jurymitglieder ziehen die befragten Jugendlichen häufig Parallelen zwischen Deutschland sucht den Superstar und Germany’s Next Topmodel. Während die Figur Dieter Bohlen aber sehr ambivalent diskutiert wird (Jungen sind von seiner „Direktheit“ begeistert und Mädchen kritisieren seine verletzenden Aussagen), werden die Figur Heidi Klum wie auch die anderen Jurymitglieder von Germany’s Next Topmodelgroßteils positiv bewertet. Zuweilen wird aber auch Klums scharfe Kritik diskutiert, da ihr von den Jugendlichen jedoch eine hohe fachliche Kompetenz beigemessen wird, wird diese Kritik meistens als gerechtfertigt empfunden. Interviewerin: Und wie ist das mit der Heidi? Selina: Sie ist perfekt. Interviewerin: Jetzt schreiben aber alle Zeitschriften, sie sei zu hart zu den Mädels. Selina: Sie muss ja so sein. Hülya: Aber ich finde, manchmal kritisiert sie fast zu viel. Manchmal kritisiert sie alles, was sie nur irgendwie kritisieren kann, damit sie nur irgendeine Kritik abgibt. Selina: Passt eh. Ja, aber das passt so, sie muss so sein. Hülya: Ja, Du hast Recht. Die muss so sein, das ist ihr Job. Damit die Mädchen das richtig kapieren. Selina: Sie muss kritisieren, damit sie sich verändern können. Das ist ihr Job, die muss das besser wissen und kennen und so. Interviewerin: Findet ihr, dass sie manchmal zu hart ist, oder ist das genau richtig so wie sie es macht? Selina: Also ich finde, sie ist nicht zu hart. Ich finde es perfekt von ihr. Tom: Aber sie hat auch schon mehr Erfahrungen wie die anderen. Interviewerin: Warum? Tom: Die kennt sich eben aus in der Welt. Selina: Ja, sie gibt Kritik, mit der man irgendwie arbeiten kann und wo man sich sicher verbessern kann und nicht etwa irgendwas kritisieren. S e i t e | 50 (formal niedriger gebildete Jugendliche, Stadt) Die männlichen Jurymitgliederwerden von den Mädchen zum Teil regelrecht angehimmelt; vor allem Peyman Amin gilt als Traummann. Heidi Klum fasziniert durch ihre eiserne Disziplin, besonders wenn es um ihre Figur geht. Dennoch thematisieren vor allem formal höher gebildete Mädchen Brüche und Inkonsequenzen: Annalena: Die Heidi Klum sagt immer, dass sie [die Kandidatinnen] ausgewogen essen sollen und dann sagt sie immer, dass die Models an sich arbeiten sollen. Danija: Aber sie macht auch Werbung für McDonald’s. Aber Hauptsache, sie hat ihr viertes Kind bekommen und ist immer noch so dünn. Annalena: Das fasziniert mich trotzdem irgendwie. Danija: Das ist so, wenn man nach der Schwangerschaft voll zum Sporteln anfängt. Jeden Tag so 2 bis 4 Stunden. Aber ich mache keinen Sport. Trotz aller Kritik hat Heidi Klum unter den Jugendlichen aber ein durchweg gutesAnsehen und strenge Regeln sowie harte Kritik, werden als fixer Bestandteil der Castingshow akzeptiert. Auch jene Jungen und Mädchen, die sich emotional nicht so sehr von Germany’s Next Topmodel und der Figur Heidi Klum mitreißen lassen, beurteilen die Moderatorin sehr positiv. Ein Beispiel dafür ist Hawa. Sie ist 16 Jahre alt, sehr ruhig und wirkt eher unscheinbar. Sie kommt aus einer bildungsfernen Familie mit türkischem Migrationshintergrund, hat eine 21-jährige Schwester, die bereits von zu Hause ausgezogen ist, sowie einen 20-jährigen und einen 12-jährigen Bruder. Mit ihrer Familie wohnt sie in einer kleinen Wohnung in einem sozial schwierigen Stadtteil. Sie fühlt sich grundsätzlich zu Hause wohl, stört sich allerdings zuweilen daran, dass sie ihr Zimmer mit ihrem jüngeren Bruder teilen muss. Hawa macht eine Lehre als Kellnerin und muss oft sehr lange arbeiten. Ihre wenige freie Zeit verbringt sie gemeinsam mit FreundInnen im nahegelegenen Jugendzentrum. Die Familie besitzt ein Fernsehgerät, das im Wohnzimmer steht. Zumeist laufen dort türkische Programme, die Hawa nicht interessieren. Ihre Lieblingssender sind Sat 1 und Pro 7. Sie gibt zwar an, keine Lieblingssendung zu haben, S e i t e | 51 dennoch sieht sie sich regelmäßig Germany’s Next Topmodel an und ihr ist es auch wichtig, stets über den aktuellen Verlauf dieser Castingshow informiert zu sein. Mit ihren Freundinnen unterhält sie sich oft über das Verhalten der Kandidatinnen und die Entscheidungen der Jury. Hawa hat in der Regel keine Favoritin sondern findet alle Kandidatinnen gleichermaßen toll. Sie genießt es einfach, die Erfahrungen dieser jungen Frauen mitzuverfolgen, ohne sich jedoch übermäßig in diese einzufühlen. Sie betrachtet die Handlung in Germany’s Next Topmodel eher als distanzierte Beobachterin und setzt keine Bezüge zu ihrer persönlichen Lebenswelt. Ihr geht es vor allem um den Spaß des Zusehens. Hawa gefällt auch die Jury und die Art und Weise, wie die Kandidatinnen beurteilt werden. Besonders mag sie Heidi Klum und begründet dies mit deren großer Erfahrung als professionelles Model. Sie ist in Hawas Augen nahezu unfehlbar und beeindruckt das Mädchen nicht nur mit ihrer fachlichen Kompetenz sondern auch mit ihrem generellen Verhalten in der Show, beispielsweise in ihrer Rolle als Moderatorin oder in ihrem Umgang mit den anderen Jurymitgliedern sowie mit den Kandidatinnen. Hawa findet Klums Kritik gerechtfertigt und wichtig, damit sich die Kandidatinnen weiterentwickeln können. Die anderen Jurymitglieder sind für sie weniger von Bedeutung. In der Gruppe der formal höher gebildeten Jugendlichen vom Land wurde am Rande diskutiert, ob es tatsächlich fair sei, dass lediglich vier Jurymitglieder darüber zu entscheiden hätten, ob eine junge Frau hübsch genug für den Modelberuf ist. Im Zuge dessen wurde auch darüber nachgedacht, ob manche Kandidatinnen bevorzugt werden, weil sie höhere Einschaltquoten bringen würden. Diesen Exkurs führten die Jugendlichen jedoch nicht weiter. Es zeigt sich aber deutlich, dass die befragten Jugendlichen Model-Castingshows nicht unreflektiert rezipieren, sondern Unstimmigkeiten aufmerksam mitverfolgen und sich auch kritisch damit auseinandersetzen. In der Qualität der Kritik sind keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der formalen Bildung der Jugendlichen festzustellen. Allerdings sind es formal höher gebildete Jungen und Mädchen gewohnt, Dinge zu reflektieren, bewusst kritisch über etwas nachzudenken und darüber zu diskutieren, da sie dies aus ihrem Schulalltag kennen. Bildungsferne Jugendliche sind in der Formulierung ihrer Kritik im Vergleich dazu zum Teil weniger geübt, sie zeigen sich allerdings in der Rezeption von Model-Castingshows keineswegs weniger reflektiert. S e i t e | 52 S e i t e | 53 Kritik: Übertreibung und „alles nur gespielt?“ Eine häufig geäußerte Kritik der Jugendlichen an Germany’s Next Topmodel ist die Übertreibung. Vor allem die Inszenierung emotionaler Szenen mit weinenden Kandidatinnen oder theatralische Auseinandersetzungen zwischen den Protagonistinnen, sind den Jungen und Mädchen zum Teil etwas zu dick aufgetragen. Die Kandidatinnen verlieren dadurch an Authentizität. „Ja, ich denk mir so, da ist das meiste gespielt. Weil sobald die Kameras an sind, fängst Du zum Spielen an, sobald sie aus sind – zack – ändert sich wieder alles. So denk ich mir das. Ich weiß nicht, ob’s wirklich so ist, aber so denk ich mir das.“ (Martin, 15 Jahre, formal niedriger gebildet, Land) Auch Inszenierungen und Stereotypisierungen der Kandidatinnen werden durchschaut und genauso thematisiert, wie die aus der Perspektive der Jugendlichen zuweilen undurchsichtigen Entscheidungen der Jury. Karin: Dann gibt es wieder die eine, irgendwann verdreht sich dann alles wieder und so weiter. Dann werden die Besten die Schlechtesten und die Schüchterne gewinnt und die Beste wird schließlich Drittplazierte. Elisabeth: Genau, es gibt immer eine Zicke, die andere ist voll die Liebe und gewinnt dann und so. Also es wird jedes Mal so auf das hingespielt, dass eine so ist und eine so, egal wie sie wirklich sind. (Formal niedriger gebildete Mädchen, Land) Auch die Leistungen, welche die Kandidatinnen in der Show erbringen müssen, beeindrucken nicht mehr, wenn Übertreibungen zu offensichtlich werden. „Ich finde es nicht arg, wenn die zehn Mal auf und ab laufen müssen mit den Stöckelschuhen. Da lauf ich beim Fortgehen alleine schon fünf Stunden mit Stöckelschuhen rum.“ (Kathrin, 18 Jahre, formal höhere Bildung, Stadt) Manche der befragten Jugendlichen kritisierten auch, dass die Kandidatinnen zu sehr in der Öffentlichkeit stehen würden und kaum mehr ein Privatleben hätten. Allerdings sind die Jungen und Mädchen, die dies ansprechen davon überzeugt, dass es die freie Entscheidung der Kandidatinnen ist, wie sehr sie die Öffentlichkeit an ihrem Leben teilhaben lassen. S e i t e | 54 Denise ist eines der Mädchen, die Model-Castingshows besonders kritisch gegenüber stehen. Sie ist 17 Jahre alt, besucht eine höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe und wohnt gemeinsam mit ihren Eltern, einer 18jährigen Schwester und ihren Großeltern in einem Haus auf dem Land; ihr 26jähriger Bruder ist bereits von zu Hause ausgezogen. Sie fühlt sich sowohl zu Hause als auch in der Schule sehr wohl und hat sechs enge Freundinnen, mit denen sie viel Zeit verbringt. Sie hat einen eigenen Fernseher, nutzt diesen aber selten als Hintergrundmedium sondern sieht sich bewusst einzelne Sendungen an. Ihre Lieblingsserie ist Desperate Housewifes. In ihrer Familie spricht sie selten über Fernsehinhalte, dafür umso häufiger mit ihren Freundinnen. Diese interessieren sich vor allem für Germany’s Next Topmodel, daher ist es Denise wichtig, ebenfalls gut darüber informiert zu sein. Es genügt ihr aber über das Internet die wichtigsten Informationen zu erhalten und es macht ihr nichts aus, eine Sendung zu verpassen, da sie sich nicht sonderlich damit identifizieren kann. Dennoch sieht sie sich diese Model-Castingshow des Öfteren an. Sie steht Germany’s Next Topmodel aber sehr kritisch gegenüber und ist davon überzeugt, dass vieles inszeniert ist. „Da wird viel gespielt. Weil ich denk‘ mir oft bei so Sachen, das kann man nicht wirklich so erleben. […] Es ist zum Beispiel so, dass immer eine abgestempelt wird wie sie ist, eine ist immer die, die immer nörgelt, die andere ist die, die gewinnen wird, weil sie so super ist. Die werden halt meiner Meinung nach nicht so dargestellt, wie sie wirklich sind. […] Man weiß nie, wie die wirklich sind, weil wenn die Kamera weg ist, dann weiß man nicht, wie sie sich dann verhalten.“ Denise vermutet auch, dass die Gewinnerinnen der Model-Castingshow bereits vorab feststehen und alles wie in einem Drehbuch genau durchgeplant ist. Trotzdem findet sie die Funktion der Jury und die Kritik an den Kandidatinnen ein wichtiges Element der Show. Allerdings missfällt es ihr, wenn die Protagonistinnen ihrer Meinung nach unnötig bloßgestellt werden. Für sie persönlich können diese jungen Frauen auch keine Vorbildwirkung haben. Sie räumt jedoch ein, dass andere Mädchen durch die Model-Castingshow eventuell dazu motiviert werden könnten, mehr Sport zu treiben. Dies würde sie gut finden, da sie selbst regelmäßig läuft, um fit zu bleiben. S e i t e | 55 4.4 Schönheitsideale Allen befragten Jugendlichen ist es wichtig, gut auszusehen. Mädchen wie Jungen legen großen Wert auf passende Kleidung, gute Frisur und ein perfektes Erscheinungsbild, mit dem sie beim anderen Geschlecht Eindruck erwecken wollen. In der Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit nehmen sie unter anderem auch Anleihen aus den Medien und so gleichen sich in den meisten Fällen die gezeichneten Bilder einer attraktiven Frau oder eines attraktiven Mannes. Männer sollen groß, schlank, sportlich und braungebrannt, Frauen ebenfalls groß und schlank sein; bei Frauen werden oft auch lange Haare als Attraktivitätsmerkmal genannt. Die Kandidatinnen von Germany’s und Austria’s Next Topmodel entsprechen diesem Schönheitsideal. So sind auch die befragten Jugendlichen großteils von den perfekten Körpern beeindruckt. Manche Jungen merken jedoch an, dass ihnen zu schlanke Frauen nicht gefallen und dass sie es nicht gut finden würden, wenn Mädchen den Kandidatinnen der ModelCastingshows in dieser Hinsicht zu sehr nacheifern würden. So mag beispielsweise der 15-jährige Marcel zwar hübsche Mädchen, die aber nicht zwangsläufig in das vorgegebene Schema der Model-Castingshows passen müssen. Er besucht eine berufsbildende Schule und wohnt mit seinen Eltern und einem jüngeren Bruder auf dem Land. Er hat einen großen Freundeskreis aber auch seine Familie ist ihm sehr wichtig. Im Fernsehen sieht er gerne Action Filme und hat eine Vorliebe für US-amerikanische Comedy-Serien wie Scrubs und Malcolm Mittendrin. Hin und wieder sieht er sich auch Germany’s Next Topmodel an; in seinem Freundeskreis wird eher selten über ModelCastingshows gesprochen. Es ist ihm eher peinlich, über die Show zu sprechen und das Aussehen der Kandidatinnen zu beurteilen. Er ist aber davon überzeugt, dass diese jungen Frauen die hübschesten des Landes sind, denn sonst dürften sie seiner Meinung nach nicht an Germany’s Next Topmodel teilnehmen. Auch wenn er angibt, selten eine spezielle Favoritin zu haben, so ist er doch sehr gut über die Kandidatinnen informiert und zeigt sich beispielsweise schockiert darüber, dass diese seinen Informationen nach während der Show nur wenig Kontakt zu ihren Familien haben dürfen. Er findet die Kandidatinnen sehr hübsch, dennoch ist S e i t e | 56 für ihn eine attraktive Frau „eher Mittelmaß“; für ihn zählen vor allem moderne Kleidung und ein gepflegtes, aber natürliches Äußeres. „Also ein bisschen was zum Angreifen ist nicht schlecht. Aber ja, da gibt’s eh so einen Spruch: Gute Männer wissen, dass Frauen Kurven brauchen oder so. Also, wenn da so ein Salzstangerl da steht, das geht gar nicht. Es Sollte schon ein bisserl was dran sein.“ Marcel legt auch großen Wert auf sein persönliches Erscheinungsbild und er ist davon überzeugt, dass es berufliche Vorteile bringt, wenn man gut aussieht. Er fühlt sich, bis auf seine unreine Haut, sehr wohl in seinem Körper und findet sich selbst attraktiv. Aber auch, wenn er betont, dass Frauen nicht unbedingt aussehen müssen wie Kandidatinnen einer Model-Castingshow, so zieht er in seinem privaten Umfeld gut aussehende Menschen deutlich vor. „Ich muss glaub ich schon zugeben, dass es so ist, dass ich gut Aussehende mehr mag. Aber sonst schränke ich mich nicht so ein.“ Schönheit zählt wie für Marcel bei allen befragten Jugendlichen. Auch wenn einige formal niedriger gebildete männliche Jugendliche aus der Stadt betonen, dass ihnen der „Charakter“ einer Frau wichtig sei. Darunter verstehen diese Jugendlichen, die allesamt aus muslimischen Familien stammen, allerdings nicht das Wesen einer Frau sondern, dass junge Mädchen zwar hübsch sein, sich aber nicht zu freizügig geben sollen. Der 17-jährige Adem zieht beispielsweise aus diesem Grund die türkische Castingshow Top Model Turkiye's den deutschen Angeboten vor. Seine Familie, bestehend aus den Eltern und einer zehn Jahre jüngeren Schwester, stammt ursprünglich aus der Türkei, lebt aber bereits lange Zeit in Österreich. Adem ist auf der Suche nach einer Lehrstelle als Einzelhandelskaufmann. Er wächst in einem sozial schwachen Stadtteil mit einem hohen Anteil an Migranten auf. Er fühlt sich dort sehr wohl, hat viele, eher lose Freundschaften und versteht sich auch gut mit seiner Familie. Er nutzt das Fernsehen zumeist als Hintergrundmedium und bis auf seine LieblingsserienAlle hassen Chris und Scrubs kaum zielgerichtet. Gerne sieht er sich auch unterschiedliche deutsche und türkische Castingshows an. Großen Gefallen findet er dabei an Deutschland sucht den Superstar, weil es ihm Spaß macht, wenn die KandidatInnen (besonders durch Dieter Bohlen) heruntergemacht werden. Ansonsten bevorzugt er aber generell türkische Castingshows. Die deutschsprachigen Model-Castingshows Germany’s und S e i t e | 57 Austria’s Next Topmodel sieht er sich – in erster Linie der „schönen Körper der Mädchen“ wegen – zwar ebenfalls hin und wieder an, ihm missfällt jedoch die Art und Weise, wie sich die österreichischen und deutschen Kandidatinnen präsentieren. Sie sind ihm im Vergleich zu den türkischen Frauen zu selbstbewusst bzw. in seinen Worten „zu eingebildet und zu selbstverliebt“. Schönheit bedeutet für Adem schlank zu sein und dem gängigen Ideal eines durchtrainierten Mannes bzw. einer wohlproportionierten Frau zu entsprechen. Die Kandidatinnen der Model-Castingshows müssen für ihn ein perfektes Aussehen haben. Er ist davon überzeugt, dass die Kandidatinnen auf diese Weise „andere Mädchen positiv beeinflussen und die dann an sich arbeiten.“ Jedoch sollten sich junge Frauen seiner Meinung nach in ihrer Kleidung nicht zu sehr an den Kandidatinnen der Model-Castingshows orientieren, da dies „ihren Ruf schädigen“ und nicht zum „Charakter“ einer guten Frau passen würde. Dabei spielt er wahrscheinlich auf die teilweise freizügige Kleidung der Kandidatinnen an. Er selbst ist mit seinem Körper sehr zufrieden und findet sich attraktiv. Es ist ihm wichtig, gut gekleidet zu sein und regelmäßig im Fitnesscenter zu trainieren, um seinen Körper in Form zu halten. Vermutlich weil das Thema Schlankheitswahn in den öffentlichen Diskursen zu Germany’s Next Topmodel mehrmals auftauchte, wurde es auch in allen Gruppendiskussionen angesprochen. Den Jugendlichen war dabei ein stark auf soziale Erwünschtheit bedachtes Antwortverhalten anzumerken. Die Kommentare der Jury, wenn sie eine Kandidatin nicht schlank genug fanden, wurden daher auch entsprechend verurteilt. Dennoch entsprechen die Kandidatinnen dem Schönheitsbild der meisten befragten Mädchen, die großteils gerne eine ähnliche Figur hätten. Für manche Mädchen ist dies ein unerreichbares Ideal und sie akzeptieren für sich, dass sie dies niemals erreichen werden. Um dies vor sich selbst zu rechtfertigen, wird entweder damit argumentiert, dass nicht alle Menschen perfekt sein können oder dass Schönheit nicht alles ist und es auch auf die inneren Werte ankommt. Dies ändert jedoch nichts an einer großen Bewunderung für die Kandidatinnen und deren konsequenter Arbeit an ihrem Körper. Einige wenige der befragten Mädchen fühlen sich durch Model-Castingshows dazu angespornt, ebenfalls S e i t e | 58 Sport zu treiben, auf „gesunde“ bzw. in erster Linie kalorienarme Nahrung zu achten, und den Kandidatinnen nachzueifern. „Manchmal, wenn ich mir die Sendung so anschau, denk ich mir, die hat so schöne Beine und gar keinen Bauch. Und ja, dann denk ich mir schon manchmal, dann mach ich halt jetzt ein bisschen Diät. […] Aber das denk ich nur ganz selten!“(Annalena, 15 Jahre, formal höher gebildet, Stadt) Die meisten halten ihre Vorsätze allerdings nie länger als ein paar Tage durch. Viele weibliche Befragte betonen allerdings, dass die Kandidatinnen in dieser Hinsicht ein gutes Vorbild sein können, um andere junge Mädchen zu mehr Sport und bewussterer Ernährung zu animieren. Danija ist 15 Jahre alt, lebt gemeinsam mit ihren Eltern und einer 10-jährigen Schwester in einer Wohnung in guter Lage am Stadtrand und besucht ein Gymnasium. Ihre Familie kommt ursprünglich aus der Slowakei, ist aber sehr gut integriert. Danija fühlt sich in ihrer Familie sehr wohl und hat ein besonders gutes und freundschaftliches Verhältnis zu ihrer Mutter, die verhältnismäßig jung ist und Danijas großes Interesse für Mode teilt. Danija hat viele Freunde, die zum Teil etwas älter sind als sie. Sie hat einen strengen Tagesablauf, da sie in einer Handball-Mannschaft spielt und dies neben der Schule sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Das Fernsehen steht für sie für Entspannung in den Zeiten zwischen Schule und Training. „Vor dem Fernseher da ist einfach so eine Chill-Out-Zone. Das ist nämlich so ein Ort, wo ich einfach so über gar nichts nachdenke und mich einfach darauf konzentriere, was ich gerade schaue und so einfach relaxe.“ Germany’s Next Topmodel sieht Danija regelmäßig, zum Teil auch gemeinsam mit ihrer Schwester und ihrer Mutter, die der Model-Castingshow allerdings nicht viel abgewinnen kann. In Danijas Freundeskreis wird sehr viel über die Kandidatinnen, die Ereignisse in der Show sowie davon ausgehend über die neuesten Modetrends gesprochen. In jeder Staffel wählt Danija eine Favoritin mit der sie bis zum Schluss mitlebt. Sie zeigt eine große Bewunderung für die Disziplin und Körperbeherrschung der Kandidatinnen. Auch wenn Danija die Kritik der Jury zum Teil sehr hart findet, ist dies in ihren Augen gerechtfertigt, da sie den Jurymitgliedern eine hohe fachliche Kompetenz beimisst. Für sie ist ganz klar, dass die schönste Kandidatin gewinnen muss, denn Schönheit sieht sie als oberstes Prinzip der Show. S e i t e | 59 Germany’s Next Topmodel ist für Danija zentrale Informationsquelle über die neuesten Entwicklungen der Modebranche. Ihr ist es wichtig zu erfahren, wie eine junge Frau aussehen muss, welche Kleidung und welche Accessoires sie braucht, um voll im Trend zu sein. Deshalb ist sie auch sehr begeistert von den Schmink- und Modetipps, die sie in dieser Castingshow bekommt. Danija nimmt sich auch ein Vorbild an den schlanken Körpern der Kandidatinnen und versucht diesen nachzueifern, allerdings spielt sie dies herab, da ihr bewusst ist, dass ein derartiges Verhalten sozial unerwünscht ist. „Ich bin zwar so eine, die das nicht wirklich sinnvoll findet. Aber wenn ich jetzt so eins von den Mädchen sehe und dass die voll schlank und voll hübsch ist und so, dann will ich auch so sein und dann halte ich zum Beispiel ein paar Tage Diät. Aber dann schaffe ich es nicht mehr länger. Aber eigentlich halte ich nichts davon.“ Sie betont einerseits, dass Schönheit alleine nicht alles und der Charakter eines Menschen wesentlich wichtiger sei. Gleichzeitig räumt sie jedoch ein, dass es zu Beginn eines neuen Schuljahres in einer fremden Schule wichtig sei, gut auszusehen, um beliebt zu sein und schnell neue Freunde zu finden. Danija verbringt deshalb auch jeden Morgen viel Zeit, um sich zu schminken und die passende Kleidung auszuwählen. Sie möchte perfekt „im Trend liegen“, auch wenn sie dafür betont, dass man sich nicht zu sehr an anderen orientieren und einen eigenen Weg finden sollte. Für sie steht dies nicht im Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten. Dennoch rezipiert Danija Germany’s Next Topmodel nicht unkritisch. So macht sie auch auf Brüche aufmerksam, beispielsweise, dass die Kandidatinnen beim genüsslichen Essen und Naschen gezeigt werden obwohl diese ihrer Meinung nach Kalorien zählen müssten, oder dass Heidi Klum Werbung für McDonalds macht bzw. als vierfache Mutter unglaubwürdig wirkt. Dies kritisiert Danija zwar heftig, aber für ihren persönlichen Mediengenuss ist ihr das egal. Sie sieht sich Germany’s Next Topmodel als Entspannung und Unterhaltung nach einem anstrengenden Tag an und will dabei gerade nicht reflektiert sein und „viel denken“, da das in der Schule und im Training permanent von ihr gefordert wird. Sie holt sich jene Dinge aus der Show, die sie am meisten ansprechen und das ist in erster Linie das Thema Schönheit, dass sie auch in ihrem übrigen Leben sehr beschäftigt. Es ist aber – wie auch aus dem Fall Danija hervorgeht – nicht nur die gute Figur, die für die Schönheit der Kandidatinnen steht, sondern auch deren Auftreten, S e i t e | 60 deren Kleidung, deren Frisur und deren Make-up lösen große Bewunderung aus. Manche Mädchen schauen bewusst Gemany’s Next Topmodel, um Schminktipps und Ideen für ihre Frisur zu erhalten. Viele finden auch Gefallen an den „wunderschönen Kleidern“, aber nur selten kaufen sich die befragten Mädchen ein spezielles Kleidungsstück, weil sie in der Model-Castingshow ein ähnliches gesehen haben. Für viele weibliche Jugendliche ist die Glamour-Welt der ModelCastingshow etwas besonderes, aber in der Realität nicht in deren Alltag umsetzbar. Deshalb versuchen sie auch nicht, die daraus gewonnenen Anregungen eins zu eins umzusetzen. Viele der befragten Mädchen aber auch Jungen fühlen sich durch Germany’s Next Topmodel darin bestätigt, dass es wichtig ist, auf das äußere Erscheinungsbild zu achten und sind davon überzeugt, dass es schöne Menschen sowohl privat als auch beruflich leichter haben. So ist beispielsweise auch der 15-jährigeMartin sehr schönheitsbewusst. Er lebt mit seinen Eltern in einem Haus am Stadtrand; sein älterer Bruder ist bereits von zu Hause ausgezogen. Er hat derzeit sehr viel Streit mit seinen Eltern und fühlt sich zu Hause genauso wenig wohl wie in der Schule. Er geht aufs Gymnasium obwohl ihn diese Schule überhaupt nicht interessiert und er lieber Einzelhandelskaufmann im Modebereich werden möchte. Offensichtlich hatte er aber für die polytechnische Schule zu gute Noten und wurde daher von seinen Eltern ins Gymnasium geschickt. Seine Lieblingsbeschäftigungen sind Einkaufen oder im Café zu sitzen. Es ist ihm sehr wichtig, dem neuesten Schrei zu folgen. Daher achtet er nicht nur penibel auf seine Kleidung sondern auch auf wichtige „Accessoires“ wie beispielsweise ein topmodernes Handy mit allen möglichen Zusatzfunktionen. Martins Lieblingssender ist Pro 7, am liebsten sieht er Serien wie Scrubs, Mein cooler Onkel Charly, Grey’s Anatomy und Desperate Housewifes. Letztere ist seine Lieblingsserie, die er auch nie versäumt. Des Weiteren sieht er Germany’s Next Topmodel, Deutschland sucht den Superstar und Popstars. Dabei macht es ihm Spaß, die KandidatInnen zu beurteilen und seine Urteile mit den Aussagen der Jury zu vergleichen. Er lästert auch gerne über KandidatInnen, die nicht singen können. Martin ist davon überzeugt, dass im Fernsehen grundsätzlich vieles gespielt ist und glaubt daher, dass auch bei Germany’s Next Topmodel der Großteil reine Show ist und die Kandidatinnen nicht so gezeigt werden, wie sie wirklich sind. S e i t e | 61 Da er sich aber sehr für Mode interessiert und auch gerne einmal in der Modebranche arbeiten würde, verfolgt er diese Model-Castingshow sehr aufmerksam. Und trotz seiner Kritik an der Authentizität der Kandidatinnen, ist er davon überzeugt, dass die Jurymitglieder „immer die Wahrheit sagen“ und begründet dies mit deren fachlicher Kompetenz und Erfahrung im Modegeschäft. Er findet es nicht gut, wenn Mädchen den Vorbildern der Model-Castingshow nacheifern oder deprimiert sind, wenn sie nicht genauso schlank wie die Kandidatinnen sind, und betont, dass es besser sei, seine persönlichen Stärken hervorzukehren und einen eigenen Stil zu finden. Dennoch beschreibt er eine attraktive Frau klassisch als groß, schlank und mit langen blonden Haaren und das männliche Pendant als groß, muskulös und braungebrannt. Er selbst versucht diesem Idealbild zu entsprechen und schreckt auch nicht davor zurück, sich wenn er älter ist seine Nase operieren zu lassen, die ihm zu buckelig und ein Dorn im Auge ist. Mit Germany’s Next Topmodel und vor allem durch die Äußerungen der Jury fühlt er sich in seiner intensiven Beschäftigung mit dem Thema Mode und Schönheit bestätigt und in seinem Streben nach einem perfekten Erscheinungsbild legitimiert. Martin fühlt sich von anderen in seinem Aussehen bewundert und genießt dies sehr. Er ist davon überzeugt, dass es schöne Menschen im Leben leichter, „mehr Freundinnen und auch viel bessere Beziehungen“ hätten. Taifun setzt sich ebenfalls intensiv mit seinem Aussehen auseinander. Er ist 17 Jahre alt und lebt mit seiner Mutter, zwei älteren Brüdern, einem jüngeren Bruder und den Großeltern in einer kleinen Wohnung in einem sozial schwierigen Stadtteil; der Vater ist verstorben. Taifuns Familie stammt ursprünglich aus Serbien, daher ist es dem Jungen wichtig, mittels unterschiedlicher Medien über sein Herkunftsland informiert zu bleiben. Er besuchte zwei Jahre lang das Gymnasium, musste dann aber in die Hauptschule wechseln und ist seit seinem Schulabschluss arbeitslos. Dennoch ist er sehr ehrgeizig, möchte das Abendabitur machen und träumt davon, später einmal Rechtswissenschaften zu studieren. Er hat sechs sehr enge Freunde, mit denen er viel Zeit verbringt und über alles reden kann. Taifun liest sehr viel und genießt es dabei zu entspannen. Er betont, dass er das Lesen dem Fernsehen oder dem Kino vorziehe, da er sich auf diese Weise S e i t e | 62 besser in die einzelnen Figuren hineinversetzen könne. Er sieht aber dennoch viel fern und findet besonderen Gefallen an US-amerikanischen Comedyserien wie Scrubs, How I met your Mother und Two and a Half Man. Taifun interessiert sich auch für verschiedene Castingshows wie etwa Deutschland sucht den Superstar, Popstars und Starmania, Austria’s Next Topmodel, Das Supertalent bis hin zu Bauer sucht Frau; besonders angetan ist er jedoch von Germany’s Next Topmodel. Auch seine Brüder, seine Mutter und seine Großeltern mögen diese Model-Castingshow und so wird sie zum wöchentlichen Fixtermin für die ganze Familie. Taifun schätzt die gemeinsame Rezeption als besonderes Familienerlebnis. Zu Beginn jeder Staffel wählt er seine Lieblingskandidatin, die er dann auch heftig gegenüber jedweder Kritik verteidigt. Um erfolgreich zu sein, müssen die Kandidatinnen seiner Meinung nach nicht nur schön aussehen sondern auch in ihrem Stil und gesamten Verhalten perfekt sein und in die Rolle des professionellen Models passen, denn „sie wollen ja keine normalen Models sondern Topmodels werden.“ Taifun spricht sowohl mit seinen Brüdern als auch mit seinen Freunden viel über Germany’s Next Topmodel und er zeigt eine große Bewunderung für die Kandidatinnen. Er lebt stark mit den jungen Frauen mit und erzählt in der Gruppendiskussion davon, schon des Öfteren Szenen aus der Show, wie etwa das Laufen auf dem Laufsteg, nachgespielt zu haben. Von den überraschenden Reaktionen der anderen Diskussionsteilnehmer lässt er sich allerdings nicht beeindrucken und steht zu seiner Vorliebe für Model-Castingshows. Interviewerin: Und wie ist das bei den Mädchen, habt ihr auch schon einmal irgendwelche Szenen aus dem Fernsehen nachgespielt? Z.B. aus Germany’s Next Topmodel oder so? Taifun: Ich schon. Interviewerin: Was hast Du da nachgemacht? Taifun: Laufsteg. Ich mache es so nach, wie sie es im Fernsehen machen. Mirella: Also so richtig? Taifun: Jo Oida! Mann eh! (Formal niedriger gebildete Jugendliche, Stadt) Aussehen, Mode und Körperlichkeit sind für Taifun ein großes Thema. Er macht optisch einen eher extrovertierten Eindruck, hat einen auffälligen Haarschnitt S e i t e | 63 und schminkt sich ähnlich wie Bill Kaulitz, der Frontsänger der Gruppe Tokio Hotel. Auch seine Kleidung ist eher extravagant und er wirkt sehr androgyn. Es stört ihn aber, dass er eher klein und schmächtig ist und setzt alles daran, um breitere Schultern zu bekommen, um auf diese Weise männlicher zu wirken. Er treibt viel Sport, versucht viel zu essen, ist aber letztendlich sehr frustriert, da er bislang noch keine sichtbaren Erfolge damit erzielen konnte. Im Einzelinterview spricht er lange davon, dass er sich in seinem Körper nicht wohl fühlt. Besonders stört ihn eine große Narbe am Bauch, die seiner Meinung nach seine innere Befindlichkeit und Unzufriedenheit widerspiegelt. Sein großes Vorbild ist Johnny Depp, dessen maskuline Erscheinung ihn sehr beeindruckt, seine Traumfrau ist die US-amerikanische R&B-Sängerin Keri Hilson, die zuweilen eher androgyn wirkt. Taifun scheint in einer Phase, in der er sich in seiner sexuellen Orientierung unsicher ist: zum einen betont er durch Kleidung und Make-up seine androgyne Erscheinung, zum anderen möchte er aber um alles in der Welt männlicher wirken. Da er aus einer sehr traditionellen Familie kommt und im Jugendzentrum viel Zeit gemeinsam mit muslimischen Jungen, die ebenfalls aus eher traditionell denkenden Familien stammen, verbringt, fällt es ihm umso schwerer, seine homosexuelle Neigung zu akzeptieren. Sich als großer Fan von Germany’s Next Topmodel zu äußern, dient ihm als Alibi, um nicht nur intensiv mit den Kandidatinnen mitzuleben sondern sich auch mit jenen Aspekten von Schönheit und Körperlichkeit auseinanderzusetzen, die ihn gerade sehr interessieren. Es macht ihm Spaß, sich mit Styling, Make-Up und schönen Kleidern zu beschäftigen, tarnt dies aber als „Fachsimpeln unter Fans“. Genauso gerne spielt er Elemente der Show nach; er traut sich auch vor seinen Freunden dazu zu stehen, solange er auch dies als „etwas übertriebenes Fanverhalten“ argumentieren und rechtfertigen kann. 4.5 Alltagbezüge Informelles Lernen für das Leben In ihrer Aneignung von Model-Castingshows stellen die befragten Jugendlichen auch Bezüge zu ihrem Alltag her. Manche Jungen und Mädchen sprechen direkt davon, sich aus Model-Castingshows Anregungen für den Umgang mit den Herausforderungen ihres Alltags mitzunehmen, andere sind davon überzeugt, S e i t e | 64 dass „andere Jugendliche“ etwas lernen würden, aber viele der Heranwachsenden lernen auch unbewusst dadurch, dass sie sich in bestimmten Werten bestätigt oder diese in Frage gestellt fühlen. Besonders formal niedriger gebildete Jugendliche sind davon überzeugt, dass man aus Model-Castingshows vieles für „das richtige Leben lernen“ kann. In dieser Hinsicht wird vor allem die Funktion der Jury, als Institution, die den richtigen Weg weist, hervorgehoben. Sie finden aber nicht nur für sich selbst Hinweise „wo es lang geht“ sondern glauben auch, dass die Teilnahme an einer (Model-)Castingshow das Selbstbewusstsein stärkt und KandidatInnen viel für sich selbst dazulernen können. „Die Leute lernen ja daraus. Wenn sie rausfliegen, dann wissen sie auch was sie falsch gemacht haben und was sie im Leben dann besser machen können.“ (Ucaer, 15, formal niedriger gebildet, Stadt) In den Gesprächen über Model-Castingshows stellen die Jugendlichen besonders dann Bezüge zu ihrem Alltag her, wenn es um Disziplin, Durchhaltevermögen und den Umgang mit harter Kritik geht. Auch aus ihrem Schulalltag sind es die Heranwachsenden gewohnt, Leistung erbringen zu müssen und Kritik zu ernten, falls diese nicht den Anforderungen der Eltern und LehrerInnen genügt. Auch dort gilt es durch Lernen bzw. „harte Arbeit“ und Disziplin einen erfolgreichen Abschluss der Schule zu erlangen. Aber auch außerhalb der Schule wird (Selbst-)Disziplin und Durchhaltevermögen goutiert; so gehört es mittlerweile auch zum guten Ton, durch regelmäßigen Sport und ausgewogene Ernährung gesund, fit und schlank zu sein. Sowohl Mädchen als auch Jungen sind bestrebt, diesem Menschenbild zu entsprechen. Aber vor allem den Mädchen fällt es schwer, sich auch tatsächlich zu regelmäßiger sportlicher Betätigung aufzuraffen; die Disziplin der KandidatInnen dient ihnen dabei aber oft als großes Vorbild. Ein besonderes Beispiel ist in diesem Zusammenhang die 15-jährige Hülya. Sie kommt aus einer bildungsfernen Familie mit türkischem Migrationshintergrund, besucht derzeit die Hauptschule und strebt eine Lehre als Einzelhandelskauffrau an. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren drei Schwestern wohnt sie in einer kleinen Wohnung in einem sozial schwierigen Stadtteil. Hülya hat zu Hause keine Rückzugsmöglichkeit und teilt sich mit ihrer Mutter ein Zimmer. Sie ist für ihr Alter etwas frühreif und hat deshalb auch S e i t e | 65 große Probleme mit ihrer Mutter, der es – so hat es nach Hülyas Schilderungen den Anschein – am liebsten wäre, das Mädchen würde die Wohnung gar nicht verlassen. So besucht sie beispielsweise heimlich das Jugendzentrum und schleicht sich davon, um sich im Park mit Freundinnen zu treffen. Grundsätzlich fühlt sich Hülya aber zu Hause wohl. Allerdings erhält die Familie regelmäßig Besuch von Verwandten aus der Türkei, was für das Mädchen offenbar eine besondere Belastung ist, da dann von ihr erwartet wird, sich sehr traditionellen Vorstellungen, wie sich eine junge Frau zu verhalten hat, anzupassen. Hülya lebt jedoch das Leben einer modernen weiblichen Jugendlichen und auch aus dem Kreis ihrer Freundinnen, die zum Teil ebenfalls aus migrantischen Familien stammen, ist sie derart traditionelle muslimische Ansichten nicht gewohnt. Hülya versteht sich nicht sonderlich gut mit ihren MitschülerInnen, dafür hat sie drei sehr enge Freundinnen, die sie regelmäßig trifft und mit denen sie auch über alles reden kann. Sie hat ebenso einen festen Freund, mit dem sie aber nicht über Probleme sprechen würde. Germany’s Next Topmodel ist ein wöchentlicher Fixpunkt in Hülyas Alltag. Sie sieht diese Model-Castingshow zumeist gemeinsam mit ihren Schwestern. Jedes Mädchen wählt dabei eine Lieblingskandidatin mit der sie mitfiebert; zum Teil schließen die Geschwister auch Wetten auf die einzelnen KandidatInnen ab. Aber auch in Hülyas Freundeskreis hat die Model-Castingshow einen hohen Stellenwert und dient häufig als Gesprächsthema und Anknüpfungspunkt für eine weitere Unterhaltung über Mode, Make-up und Schönheitsideale. Manchmal übernachtet Hülya auch bei einer Freundin, um die gemeinsame Lieblingsshow gemeinsam zu rezipieren. Auch die Werbepausen werden dazu genutzt, um sich per Anruf oder SMS auszutauschen. „In der Werbung oder so ruf ich dann meine Freundin an und sag „boah, das war jetzt voll geil“ und so. Und wenn die Werbung wieder vorbei ist, dann legen wir gleich wieder auf. […] Während der Sendung schreibe ich aber keine SMS oder so, da steigere ich mich richtig rein. Weil wenn ich zwischendurch SMS schreibe, dann bekomme ich das alles nicht mit, was sie reden.“ Hülya ist jede Informationsquelle recht, um noch mehr über Germany’s Next Topmodel zu erfahren, und so nutzt sie als eine der wenigen Befragten auch die offizielle Website der Model-Castingshow und recherchiert über Google oder in Frauenzeitschriften penibel nach weiteren Details zur Show und zu den Kandidatinnen. S e i t e | 66 Ihre Begeisterung für Germany’s Next Topmodel, ihr Involvement und ihre Identifikation mit den Kandidatinnen gehen weit über das der anderen befragten Mädchen hinaus. Ihre Lieblingskandidatin wird im Sinne einer parasozialen Interaktion zu ihrer besten Freundin, mit der sie gemeinsam die Herausforderungen und Widrigkeiten ihres Alltags durchsteht. Hülya hat zurzeit große Probleme, sich in ihrem Leben zureicht zu finden: Zum einen ist sie mit der sehr strengen, an traditionell muslimischen Werten orientierten Erziehung ihrer Mutter überfordert. Zum anderen fühlt sie sich in ihrem Körper überhaupt nicht wohl, da sie etwas kräftiger ist und somit nicht den gängigen Schönheitsidealen entspricht. Besonders hart wurde sie in diesem wunden Punkt getroffen, als sie vor kurzem von ihrem Hausarzt sehr unsensibel auf ihr Gewicht angesprochen und ihr eine Gewichtsreduktion empfohlen wurde. Das Mädchen hat sich nun fest vorgenommen, abzunehmen und in diesem Sinne wie die Kandidatinnen der Model-Castingshow „an sich zu arbeiten“. Gemeinsam mit ihrer Lieblingskandidatin, die ihr ein großes Vorbild ist, möchte sie es schaffen. Wie sich ihre Lieblingskandidatin an die Vorgaben der Jury anpassen und deren Kritik ertragen muss, ist auch Hülya damit konfrontiert, sich an die Vorgaben anzupassen, die ihre Umwelt an sie stellt. Das Mädchen versetzt sich intensiv in die Rolle der Kandidatin und erlebt jede Herausforderung, der sich diese im Rahmen der Show stellen muss, emotional mit. „Da werde ich auch voll nervös, ob die jetzt was Positives oder was Negatives sagen. […] Ja, Mitleid hab ich mit ihr und mit den anderen und mir würd’s da auch voll schlimm gehen. Ich würd auch total anfangen zu heulen, das ist schon irgendwie voll der Druck.“ An Heidi Klum bewundert Hülya vor allem „mütterliche Qualitäten“, das heißt die Art und Weise wie diese in ihren Augen, den jungen Frauen auf deren Weg zu einem perfekten Model beisteht. Das Mädchen betont dabei mehrmals, dass diese, auch wenn sie die Kandidatinnen zum Teil stark kritisiert, „eigentlich voll die Liebe“ und verständnisvoll sei, da sie ja auch eigene Kinder habe. Diese Lesart wird wahrscheinlich auch dadurch unterstützt, dass Hülya kein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter hat und sich von dieser in ihren Problemen und vor allem auch in ihrem Wunsch abzunehmen nicht verstanden und unterstützt fühlt. Aus den Gruppendiskussionen geht hervor, dass sich auch die anderen befragten Jugendlichen durch Model-Castingshows darin bestätigt fühlen, dass S e i t e | 67 weniger Individualität sondern eine perfekte Anpassung an die Vorgaben der Jury bzw. im übertragenen Sinne an die Vorgaben der Gesellschaft zählt. Sie finden es auch großteils legitim, heftig dafür kritisiert zu werden, wenn man diesen Anforderungen nicht entspricht. Die formal niedriger gebildeten Jungen beeindruckt vor allem der Konkurrenzkampf zwischen den Kandidatinnen, denn in ihrer Wahrnehmung geht es auch im realen Leben letztendlich darum, der Beste bzw. die Beste zu sein. Aber auch die anderen befragten Jugendlichen sehen es als einen zentralen Bestandteil ihres zukünftigen (Berufs-)Lebens sich zu beweisen und in der ständigen Konkurrenz mit anderen erfolgreich zu sein. So sieht es beispielsweise auch die 16-jährigeMaria, die mit ihrer Mutter im Zentrum eines mittelgroßen Ortes auf dem Land wohnt; ihre ältere Schwester ist bereits von zu Hause ausgezogen. Maria besucht eine berufsbildende Schule. Sie fühlt sich in ihrer Nachbarschaft nicht sonderlich wohl und verbringt viel Zeit mit Freunden, die etwas außerhalb wohnen. Mit ihrer Mutter versteht sie sich zurzeit nicht sonderlich gut. Maria hat als Kind Erfahrungen als Fotomodell gemacht und kennt daher die Situation des Castings und der professionellen Fotographie aus eigener Erfahrung. Sie musste damit aufhören, weil sie bei einer nach ihren Angaben unseriösen Agentur gelandet war und bedauert dies sehr. Gerne würde sie wieder als Model arbeiten, auch wenn sie mit ihrer Figur nicht sonderlich zufrieden ist und sich zu klein und zu dick findet. Maria sieht regelmäßig Germany’s Next Topmodel, da sie diese ModelCastingshow gerne mit den Erfahrungen aus ihrer Kindheit vergleicht. Mit ihren Freundinnen spricht sie gelegentlich über die Kandidatinnen der Show. Sie ist beeindruckt von den Fotoaufnahmen und beneidet die Kandidatinnen um deren Reisen. Sie ist davon überzeugt, dass es im Modelgeschäft viele Möglichkeiten gibt, um gut zu verdienen, glaubt allerdings nicht, dass alle Kandidatinnen auch tatsächlich die nötigen Voraussetzungen dafür mitbringen. „Man sieht jetzt zum Beispiel ein paar von den Gewinnerinnen überhaupt gar nicht mehr. Und ein paar, so wie zum Beispiel die Erste, die in der ersten Staffel gewonnen hat, die sieht man halt jetzt öfters. Aber die müssen sich halt ranhalten, sonst wird das nichts.“ Maria missfällt es, dass die Kandidatinnen von den Jurymitgliedern zu stark kritisiert und niedergemacht werden und findet dies kontraproduktiv. Zudem mag sie es nicht, wenn zu private Einblicke in das Leben der Models gezeigt S e i t e | 68 werden und diese vor der Kamera mit emotionalen Gefühlsausbrüchen reagieren. Auch oder gerade weil sie das Model-Geschäft auch hinter den Kulissen kennt ist Maria davon überzeugt, dass man aus der Castingshow vieles für das berufliche sowie private Leben lernen kann. Mit Verweis auf die Funktion der Jury betont sie etwa, dass man lernen muss, Kritik zu ertragen und es auch im Beruf manchmal Dinge gäbe, die man, unabhängig davon ob es Spaß macht oder nicht, einfach machen muss. Als weitere Eigenschaften, die in das alltägliche Leben übertragbar sind, nennt sie Selbstsicherheit und einen starken Willen. Außerdem misst sie den Kandidatinnen eine positive Vorbildwirkung für andere Mädchen bei, beispielsweise als Motivation, um mehr Sport zu treiben. Hendrik ist 16 Jahre alt, besucht ein naturwissenschaftliches Gymnasium und wohnt mit seinen Eltern und seinen beiden jüngeren Geschwistern in einem Haus am Stadtrand. Er übernimmt viel Verantwortung für seine Geschwister, bringt diese morgens in den Kindergarten und verbringt auch nach der Schule viel Zeit mit ihnen. Er hat viele Freunde und versteht sich mit diesen sehr gut. Zu seinen Eltern hat er ebenfalls ein gutes Verhältnis. Hendriks Lieblingsserien sind Die Simpsons und Mein cooler Onkel Charlie. Er sieht auch gerne Musik-Castingshows wie Deutschland sucht den Superstar und manchmal sieht er sich gemeinsam mit Freunden Germany’s Next Topmodel an. Den Jungen macht es dabei besonderen Spaß, die Kandidaten zu kommentieren, zu analysieren und zu bewerten. Bei Germany’s Next Topmodel faszinieren ihn vor allem die Kandidatinnen, obwohl er nie eine spezielle Favoritin hat. Für Hendrik ist es unterhaltsam und beeindruckend zugleich, die jungen Frauen bei der Bewältigung der an sie gestellten Aufgaben zu beobachten. Besonderen Gefallen findet er an der Jury; gemeinsam mit FreundInnen hat er die Situation der Bewertung der Kandidatinnen sogar schon einmal nachgespielt. Es fasziniert ihn, dass die Kandidatinnen „mit Herz und Seele bei ihrem Beruf“ sind und alles dafür geben. Er findet es gut, dass mit den jungen Frauen „hart ins Gericht gegangen“ wird, weil diese seiner Meinung nach dadurch lernen, worauf man als professionelles Model zu achten hat. Er ist davon überzeugt, dass es in der Model-Castingshow nicht lediglich um gutes Aussehen sondern vor allem um Leistung geht. Auch wenn Hendrik darauf hinweist, sich persönlich kein Vorbild an Germany’s Next Topmodel zu nehmen, ist er davon S e i t e | 69 überzeugt, dass sich andere Jugendliche an den Leistungen, der Kritikfähigkeit, der Disziplin der Kandidatinnen sowie deren Willen, hart zu arbeiten, orientieren sollten. Die befragten Mädchen betonen auch die Bedeutung der Teamfähigkeit und Kooperation bei gleichzeitiger Konkurrenz, die sie ebenso in ModelCastingshows bestätigt finden. Verlieren zu können und dennoch in Würde die Show zu verlassen ist ebenfalls eine Eigenschaft, die von den Mädchen sehr positiv hervorgehoben wird. „Ich habe das sehr klug gefunden, dass manche Freundinnen geworden sind obwohl sie Konkurrentinnen waren. Genauso wie es manche akzeptieren, dass sie rausgeflogen sind und manche nicht.“ (Valentina, 15 Jahre, formal höher gebildet, Stadt) Träume kann man sich erarbeiten Die befragten formal niedriger gebildeten Jungen aus der Stadt wachsen alle in migrantischen, bildungsfernen Familien auf und leben in einem heruntergekommenen Stadtteil. Sie identifizieren sich häufig mit Figuren aus US-amerikanischen Serien (vorwiegend Sitcoms), die das klassische Prekariat verkörpern. In „Gangstern“ und Rappern, die sich – ähnlich wie diese Jugendlichen – durch wenige Erfolgschancen am Arbeitsmarkt auszeichnen, finden sie ihre Vorbilder. Des Weiteren fällt bei diesen Jugendlichen eine besondere Präferenz für US-amerikanische Castingshows auf, die über MTV ausgestrahlt werden. In diesen Shows wie etwa Flavor of Love (Rapper Flavor Flav sucht eine Partnerin) oder I Love New York (Tiffany Pollard sucht ihre große Liebe) stehen zumeist „berühmte“ RepräsentantInnen sozial benachteiligter Milieus im Zentrum. Die besondere Vorliebe für diese speziellen Castingshows lässt sich vermutlich ebenfalls durch einen hohen Grad an Identifikation mit den ProtagonistInnen begründen. Die Jungen erkennen sich in der Rolle des Verlierers bzw. Außenseiters wieder, wähnen sich diesbezüglich in einer ausweglosen Situation und haben Probleme, eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle zu finden. Sie träumen davon, aus diesen Lebensumständen auszubrechen und durch Aussehen oder besondere (vor allem sportliche) Leistungen berühmt zu werden. S e i t e | 70 Einige sind auch fest davon überzeugt, dass sie ein entsprechendes Potential hätten. In der Model-Castingshow Germany’s Next Topmodel finden sie – zum Teil noch deutlicher als in Musik-Castingshows – eine Anleitung, wie man es schaffen kann, seinen Traum zu verwirklichen. Vor allem das immer wiederholte und zelebrierte Zitat, hart an sich zu arbeiten, scheint diesen Jugendlichen der Schlüssel zum Erfolg. Die Entbehrungen, welche die Kandidatinnen auf sich nehmen müssen, und ihr scheinbar eiserner Wille beindruckt die Heranwachsenden in dieser Hinsicht weit mehr, als das fleißige Üben am musikalischen und künstlerischen Ausdruck der TeilnehmerInnen diverser Musik-Castingshows. Viele dieser Jungen sind von ihren Talenten überzeugt, wollen jedoch nicht mehr länger darauf warten, entdeckt zu werden, sondern sich in Anlehnung an Germany’s Next Topmodel ihren Traum erarbeiten. So auch der 16-jährige Tom, der nach abgeschlossener Hauptschule als arbeitslos gemeldet bzw. auf der Suche nach einer geeigneten Ausbildungsstelle ist. Er lebt zusammen mit seiner Mutter in einem heruntergekommenen Stadtviertel. Sein Vater ist ein schwarzer US-Amerikaner, der für ihn unerreichbar in den Vereinigten Staaten lebt. Tom ist ein großer Junge mit deutlich sichtbarem afro-amerikanischen Migrationshintergrund; in seinem unmittelbaren Umfeld ist er dadurch einzigartig. Es hat nicht den Anschein, dass er deswegen in seiner Umgebung gehänselt wird, dennoch deutet einiges darauf hin, dass es ihm nicht immer leicht fällt, mit seiner Andersartigkeit umzugehen. Für Tom ist die Identitätsfindung bzw. die Frage danach, wer er ist und wie er einmal sein möchte, von besonderer Bedeutung. In der Bewältigung dieser, für die Pubertät zentralen, Entwicklungsaufgabe leidet er besonders unter dem mangelnden Kontakt zu seinem Vater. Tom hebt seine Doppel-Staatsbürgerschaft (österreichisch – US-amerikanisch) hervor und betont auch in seinem sonstigen verbalen und nonverbalen Verhalten, dass er Amerikaner ist. Für ihn ist alles toll, was in irgendeiner Weise in Verbindung mit den USA steht und er himmelt seinen unbekannten Vater an. Diese Vaterfigur scheint ihm die Lösung aller Dinge, auch seiner Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche bzw. zuvor seiner Probleme in der Schule (beinahe Suspendierung wegen unangemessenem Verhalten). Tom versucht sich als „amerikanischer Macho“ zu geben und unterstreicht dies durch auffälliges und (scheinbar) extrovertiertes Verhalten sowie durch permanentes Flirten und überhebliches Verhalten gegenüber jungen Frauen. Er versucht dadurch sehr selbstbewusst zu wirken und betont auch in der Gruppendiskussion sowie im Einzelinterview, S e i t e | 71 dass er sehr selbstsicher sei. Bei näherer Betrachtung zeigt er sich jedoch äußerst unsicher. Er berichtet von regelmäßigen Stimmungsschwankungen und depressiven Phasen, in denen er über Probleme nachdenkt und sich vor der Außenwelt zurückzieht. Wenn er in diesen Phasen des Rückzugs von außen gestört wird, wird er sehr aggressiv und lässt seine innere Unzufriedenheit wahllos an anderen Menschen aus. Er weiß um diese Schwäche, die ihm Schwierigkeiten bereitet, sich in die Gesellschaft einzugliedern, Bescheid. Deshalb ist er darum bemüht, sich in diesen Phasen bewusst Ruhe zu gönnen und sich zurückzuziehen, bis es ihm wieder besser geht. Da Tom arbeitslos ist, schläft er zumeist bis Mittag, um sich anschließend mit Freunden zu verabreden. In der Regel trifft er sich mit diesen im Jugendzentrum oder im Park. Tom bezeichnet seinen Freundeskreis als groß (10 bis 15 Personen). Da es in seiner Clique offensichtlich strenge Regeln gibt, die laut Tom unbedingt eingehalten werden müssen, kann er aber nur mit wenigen Personen über persönliche Probleme sprechen. Tom weiß noch nicht genau, was er beruflich machen möchte und bewirbt sich daher auf verschiedene Praktika. Die bislang erfolglose Arbeitssuche ist ein ständiges Streitthema zwischen ihm und seiner Mutter, abgesehen davon versteht er sich aber sehr gut mit ihr. Im Fernsehen sieht Tom gerne US-amerikanische Comedyserien wie etwa Alle hassen Chris oder populärwissenschaftliche Sendungen wie Newton und nano. Er rezipiert auch regelmäßig Germany’s Next Topmodel, das ihn offensichtlich mehr interessiert als Musik-Castingshows. Zudem verehrt er Heidi Klum während er Dieter Bohlen sehr negativ sieht und dessen verletzende Kommentare verurteilt. Tom ist davon überzeugt, dass er das Zeug zum Star hätte, wohlgleich er nicht genau definieren kann, worin er sein Talent sieht. Sein großes Vorbild ist der schwarze HipHop-Sänger Chris Brown, den er versucht in seinem Aussehen zu imitieren. Tom ist überzeugt davon, dass man es leichter hat, wenn man dem medienvermittelten Schönheitsideal entspricht; deshalb trainiert er auch regelmäßig in einem Fitnesscenter. An Germany’s Next Topmodel gefällt ihm „dass die Mädchen ihren Traum verwirklichen“ und mit großer Disziplin dafür arbeiten. Er ist sich sicher, dass auch er seinen Traum, berühmt zu werden, verwirklichen kann, wenn er sich nur intensiv dafür einsetzt und einfach alles dafür gibt. Deshalb würde er auch gerne an einer Model-Castingshow teilnehmen und kritisiert, dass es keine entsprechenden Castings für Männer S e i t e | 72 gäbe. Tom könnte sich gut vorstellen, für ein bekanntes HipHop-Magazin zu modeln, wenn er nur einmal die Chance bekäme, sein Talent der Öffentlichkeit zu präsentieren. Berühmt zu werden ist für Tom nicht nur eine Möglichkeit, aus seinem sozialen Umfeld und der tristen Situation am Arbeitsmarkt auszubrechen, sondern auch die Chance, den Traum einer Karriere in den USA, dem Land, das für ihn ein Synonym für alle Hoffnungen und Träume einer besseren Zukunft darstellt, zu verwirklichen. Im Gegensatz zu den formal niedriger gebildeten Jungen trauen sich die befragten Mädchen kaum das Potential eines „Stars“ zu bzw. irgendein besonderes Talent zu haben. Deshalb geben sie sich mit einem „normalen Leben“ zufrieden und eifern den Kandidatinnen der Model-Castingshow diesbezüglich nicht nach. Manche Mädchen zeigen sich zudem skeptisch und äußern Bedenken gegenüber möglichen negativen Auswirkungen einer Teilnahme an einer Model-Castingshow (z.B. der Verlust der Privatsphäre). S e i t e | 73 5 Zusammenfassung Alle befragten Jugendlichen sehen gerne Castingshows; Musik-Castingshows scheinen jedoch im Vergleich zu Model-Castingshows etwas beliebter zu sein. Die crossmediale Vermarktung von Austria’s und Germany’s Next Topmodel spielt für die jungen RezipientInnen nur eine marginale Rolle. Nur wenige kennen die Websites der Shows und auch entsprechende Berichte in (Jugend)Zeitschriften werden kaum gelesen. Auffallend ist jedoch die durchweg schlechte Bewertung von Austria’s Next Topmodel im Vergleich zu Germany’s Next Topmodel. Die österreichische Model-Castingshow wird mehrheitlich als weniger professionell und nachgemacht beurteilt und daher großteils abgelehnt. Sowohl Mädchen als auch Jungen sehen regelmäßig Model-Castingshows. Männlichen Jugendlichen ist es aber oft peinlich, dies zuzugeben. Für formal höher gebildete Jungen scheint dies besonders schwierig zu sein, aber auch formal niedriger gebildete Jungen betonen gerne, dass sie Model-Castingshows lediglich „gezwungener maßen“ mit weiblichen Familienmitgliedern mitsehen würden. Dennoch zeigt sich auch bei männlichen Jugendlichen zuweilen ein hohes Involvement. Jungen beeindruckt zumeist der Ehrgeiz, das Durchhaltevermögen und das konsequente Training der Kandidatinnen. Die Anlage der Model-Castingshow als Wettbewerb, bei dem es darum geht, zu gewinnen und sich mit seinen Gegnerinnen zu messen, kommt den männlichen Jugendlichen besonders entgegen. Dies lässt sie Gemeinsamkeiten mit männlich konnotierten Sportarten wie etwa Fußball finden und dient ihnen als Rechtfertigung für ihre Begeisterung für Model-Castingshows. Analog zu Sportwetten werden in Gruppen männlicher Jugendlicher so auch gerne Wetten auf einzelne Kandidaten abgeschlossen. Des Weiteren fällt auf, dass sich Mädchen eher als Jungen kritisch mit dem Format Model-Castingshow auseinandersetzen. Jungen sind entweder fasziniert oder lästern darüber. Im Umgang mit und in der Beurteilung von Model-Castingshows zeigen sich nur wenige Unterschiede hinsichtlich der formalen Bildung der befragten Jugendlichen. Zuweilen scheinen formal höher gebildete Mädchen kritischer und reflektierter als formal niedriger gebildete Mädchen. Oft entpuppen sich deren Äußerungen aber lediglich als sozial erwünschte Antworten in Anlehnung S e i t e | 74 an die allgemeine öffentliche Kritik an Model-Castingshows. Grundsätzlich sind aber in der Qualität der Kritik keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der formalen Bildung der Jugendlichen festzustellen. Allerdings sind formal niedriger gebildete Jungen und Mädchen in der Formulierung ihrer Kritik zum Teil weniger geübt als formal höher gebildete Jugendliche. Sie zeigen sich aber in der Rezeption von Model-Castingshows keineswegs weniger reflektiert. Sowohl bei formal höher als auch bei formal niedriger gebildeten Jugendlichen liegen Kritik, Faszination und Mitgefühl mit den Kandidatinnen oft eng beieinander. Allen befragten Jugendlichen ist es wichtig, über die aktuellen Geschehnisse in Germany’s Next Topmodel Bescheid zu wissen, um in Gleichaltrigengruppen mitreden zu können. Die Kandidatinnen werden in der Regel positiv beurteilt. Besonders kritisch sind die Jugendlichen jedoch gegenüber zu starken Übertreibungen (z.B. Gefühlsausbrücke) oder zu offensichtlich gespieltem Verhalten, da dies die Authentizität der Kandidatinnen negativ beeinflusst. Diese Authentizität Anknüpfungspunkte Inszenierungen und ist für an ihren die Jugendlichen persönlichen Stereotypisierungen jedoch Alltag der zu essenziell, finden. Kandidatinnen um Auch werden durchschaut und genauso thematisiert und kritisiert, wie die aus Perspektive der Jugendlichen zuweilen undurchsichtigen Entscheidungen der Jury. Vor allem Mädchen, aber auch einige Jungen, suchen sich zu Beginn einer neuen Staffel gerne eine oder mehrere Favoritinnen aus. Manche entwickeln dabei ein hohes Involvement und erleben die Höhen und Tiefen der Kandidatinnen intensiv mit. Alle befragten Jugendlichen sind sich einig, dass die Kandidatinnen die Erwartungen der Jury erfüllen müssen und nicht dagegen aufbegehren dürfen, um erfolgreich zu sein. Ein perfektes Model zeichnet sich der allgemeinen Meinung der Jugendlichen nach durch perfekte Körpermaße aber auch durch kollegiales Verhalten gegenüber Mitbewerberinnen bei gleichzeitiger Konkurrenz aus. Besonders positiv werden die Selbstdisziplin und das Selbstbewusstsein der Kandidatinnen hervorgehoben. In ihrer Aneignung von Model-Castingshows stellen die befragten Jugendlichen auch Bezüge zu ihrem Alltag her. Besonders deutlich wird dies in der Thematisierung von Disziplin, Durchhaltevermögen und dem Umgang mit harter Kritik. Die Jungen und Mädchen werden auch in ihrem Alltag damit konfrontiert, S e i t e | 75 in der Schule Leistung zu erbringen und mit Kritik umgehen zu müssen, falls diese Leistung nicht der Erwartung der Eltern und LehrerInnen entspricht. Und auch im Hinblick auf ihre berufliche Zukunft betonen viele der befragten Jugendlichen die Notwendigkeit, sich in ständiger Konkurrenz zu anderen beweisen zu müssen, um erfolgreich zu sein. Auch der in Model-Castingshows wiederzufindende Gedanke der Kooperation bei gleichzeitiger Konkurrenz wird in den Zukunftsszenarien der Jungen und Mädchen hervorgehoben. In ModelCastingshows sehen sich die Jugendlichen somit in ihren eigenen Erfahrungen bestätigt. Manche Heranwachsende sehen in den Kandidatinnen Vorbilder und im Sinne parasozialer Beziehungen auch „Verbündete“ in der Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des eigenen Lebens. Besonders deutlich wird dies bei manchen formal niedriger gebildeten Jungen aus sozial schwachen, migrantischen Milieus. Sie sind in ihrem Lebensumfeld mit Jugendarbeitslosigkeit und schlechten Zukunftschancen konfrontiert. Ihr Traum als Talent entdeckt zu werden scheint ihnen als einzige Chance, diesem Umfeld zu entfliehen. In der Model-Castingshow Germany’s Next Topmodel finden diese männlichen Jugendlichen eine Anleitung, um diesen Traum zu verwirklichen. Vor allem das immer wiederholte und zelebrierte Zitat, hart an sich zu arbeiten, scheint diesen Jungen der Schlüssel zum Erfolg. Sie sind von ihren Fähigkeiten überzeugt, wollen aber nicht mehr länger auf eine Entdeckung warten, sondern sich in Anlehnung an Germany’s Next Topmodel ihren Traum erarbeiten. Des Weiteren zeigt sich, dass sich die befragten Jugendlichen durch ModelCastingshows darin bestätigt fühlen, dass weniger Individualität sondern eine perfekte Anpassung an die Vorgaben der Jury bzw. im übertragenen Sinne an die Vorgaben der Gesellschaft zählt. Sie finden es auch legitim, heftig dafür kritisiert zu werden, wenn man diesen Anforderungen nicht entspricht. Einige wenige der befragten Mädchen fühlen sich durch Model-Castingshows auch dazu angespornt, mehr Sport zu treiben, auf „gesunde“ bzw. in erster Linie kalorienarme Nahrung zu achten und den perfekten Körpern der Kandidatinnen nachzueifern. Manche Mädchen sehen bewusst Gemany’s Next Topmodel, um Schminktipps und Ideen für ihre Frisur zu erhalten. Viele finden auch Gefallen an den Kleidern und Accessoires, aber nur selten kaufen sich die befragten Mädchen ein spezielles Kleidungsstück, weil sie in der Model-Castingshow ein S e i t e | 76 ähnliches gesehen haben. Für viele weibliche Jugendliche ist die Glamour-Welt der Model-Castingshows etwas Besonderes. Deshalb versuchen sie auch nicht, die daraus gewonnenen Anregungen eins zu eins in ihren Alltag zu übertragen, sondern vielmehr dieses Besondere in der wöchentlichen Rezeption zu genießen. Viele der befragten Mädchen aber auch Jungen fühlen sich durch Germany’s Next Topmodel darin bestätigt, dass es wichtig ist, auf das äußere Erscheinungsbild zu achten und sind davon überzeugt, dass es schöne Menschen sowohl privat als auch beruflich leichter haben. Die Figur Heidi Klum wie auch die anderen Jurymitglieder von Germany’s Next Topmodelwerden allgemein positiv bewertet. Zum Teil wird aber auch Klums scharfe Kritik diskutiert, da ihr von den Jugendlichen jedoch eine hohe fachliche Kompetenz beigemessen wird, wird diese Kritik zumeist als gerechtfertigt empfunden. Die Inszenierung der Figur Heidi Klum als Powerfrau mit eiserner Disziplin fasziniert die Jugendlichen in besonderem Maße. Dennoch thematisieren vor allem formal höher gebildete Mädchen Brüche und Inkonsequenzen. S e i t e | 77 6 Fazit aus einem partizipativen Forschungsprojekt mit Jugendlichen Die Integration Heranwachsender in den gesamten Forschungsprozess erwies sich in diesem Projekt einerseits als sehr fruchtbar, andererseits bedeutete dies aber ebenso einen großen Mehraufwand und zum Teil mussten auch einige Abstriche gemacht werden. Um den gegen die klassische Aktionsforschung oft vorgebrachten Vorwürfen der schlechten Nachvollziehbarkeit der Vorgangsweise und der mangelnden Berücksichtigung theoretischer Grundlagen entgegenzutreten, den roten Faden im Forschungsverlauf nicht zu verlieren und auch den zeitlichen Ablauf des Forschungsprozesses angemessen planen zu können, war es unabdingbar, bereits vor Beginn des eigentlichen Forschungsprojektes intensiv mit den beteiligten SchülerInnen zu arbeiten und sie in die Thematik sowie das wissenschaftliche Arbeiten einzuführen. Es war nötig, den SchülerInnen auch entsprechend Zeit zu geben, sich Schritt für Schritt mit einem für sie neuen Thema sowie mit einer für sie vollkommen neuen Art zu arbeiten bzw. zu forschen vertraut zu machen. Ungewohnt war für die Jugendlichen vor allem die Erfahrung, Fragen zu stellen und selbst Wissen zu generieren anstatt bereits vorhandenes Wissen zu reproduzieren. Diese lange und intensive Einführungsphase diente aber nicht nur der Sensibilisierung der SchülerInnen für den Forschungsgegenstand sondern trug ebenso zur Sensibilisierung der Projektleiterin für den Stellenwert und die Bedeutung von (Model-)Castingshows im Alltag der zu untersuchenden Altersgruppe bei. Mit Beginn des eigentlichen Projektes beteiligten sich die SchülerInnen sehr engagiert an den einzelnen Schritten des Forschungsprozesses. Besonders fruchtbar erwiesen sich die Beiträge der Jungen und Mädchen zur Konstruktion des Leitfadens. Dabei wurden alle Fragen, die den SchülerInnen im Hinblick auf die Bedeutung von (Model-) Castingshows im alltäglichen Leben Gleichaltriger wichtig erschienen, berücksichtigt. Die Diskussion und gemeinsame Interpretation der Forschungsergebnisse aus Perspektive der Heranwachsenden war ebenfalls sehr hilfreich und eröffnete zum Teil neue Blickwinkel. Insgesamt trug die ständige Auseinandersetzung mit den SchülerInnen sowie die Besprechung und Diskussion der einzelnen Arbeitsschritte zu einer permanenten Evaluation des S e i t e | 78 gesamten Forschungsprozesses bei. Die Rückmeldungen und Fragen der Mädchen und Jungen stellten auf diese Weise sicher, dass die Perspektive der Heranwachsenden auf ihre eigene Lebenswelt immer im Mittelpunkt blieb und nicht zu sehr aus Erwachsenenperspektive abstrahiert wurde. Die Datenerhebung durch die Jugendlichen selbst erwies sich als sensibelster Punkt in diesem Forschungsprojekt. Daher wurden die Jungen und Mädchen auch besonders intensiv darauf vorbereitet und es wurde auch mit jedem Forschungsteam ein Pretest bzw. ein Interviewtraining durchgeführt. Großteils entwickelten sich die Gruppendiskussionen tatsächlich zu Gesprächen unter Gleichaltrigen; manchmal passierte es dabei, dass die InterviewerInnen zuweilen ihre Rolle vergaßen und anfingen, heftig mitzudiskutieren. Dies war aber kein Nachteil sondern führte oft zu spontanen Reaktionen und intensiven Diskussionen und somit zu interessantem Datenmaterial. Schwieriger war es allerdings, wenn es passierte, dass InterviewerInnen den Leitfaden zu schnell „abarbeiteten“ oder wenn sie Probleme damit hatten, die Diskussion am Laufen zu halten. Dann gestalteten sich die Gespräche oft relativ oberflächlich und ergaben letztendlich nur wenige verwertbare Informationen. Ein weiteres Problem tauchte auf, wenn einige InterviewerInnen zu engagiert waren und vor allem gegen Ende der Gruppendiskussionen noch mehr herausholen wollten. Dann wurden zum Teil Suggestivfragen gestellt. Da aber bei allen Gruppendiskussionen einE ProtokollantIn anwesend war, die bzw. der über eine entsprechende Erfahrung in der Durchführung qualitativer Befragungen verfügte, und die bzw. der die jeweilige Erhebungssituation dokumentierte, konnten diese Probleme bei der Datenauswertung angemessen berücksichtigt werden. Insgesamt verlief aber auch die Datenerhebung großteils zufriedenstellend und die Anlage der Gruppendiskussionen als Gespräche unter Gleichaltrigen erwies sich grundsätzlich als sehr positiv. Abschließend stellt sich die Frage nach dem tatsächlichen Mehrwert einer direkten Integration Heranwachsender in Forschungsprojekte zum Umgang von Kinder und Jugendlichen mit Medien. Die Erfahrungen aus diesem Projekt zeigen, dass eine partizipative Vorgangsweise durchaus sinnvoll ist, da sie WissenschaftlerInnen durch die Auseinandersetzung mit jugendlichen CoForscherInnen zu einer ständigen Reflexion und Evaluation ihrer Vorgangsweise zwingt und sowohl im Zugang zum Forschungsfeld, in der Art der Fragestellung S e i t e | 79 sowie in der Interpretation der Ergebnisse den Blick auf die Perspektive der Heranwachsenden schärft. Allerdings bedeutet ein partizipativer Ansatz einen erheblichen Mehraufwand und es empfiehlt sich aus forschungsökonomischen Gründen durchaus abzuwägen, wann eine derartige Vorgangsweise tatsächlich sinnvoll ist. Passend erscheint dies vor allem dann, wenn nicht nur allgemeinen Fragen der Mediennutzung und -integration in den Alltag nachgegangen wird, sondern wenn individuelle Formen der Medienaneignung und vor allem auch entsprechende Aushandlungsprozesse innerhalb spezifischer sozialer Gruppen (z.B. Peer-Groups) im Mittelpunkt stehen. S e i t e | 80 7 Literatur Barthelmes, Jürgen/Sander, Ekkehard (2001): Erst die Freunde, dann die Medien. Medien als Begleiter in Pubertät und Adoleszenz. Medienerfahrungen von Jugendlichen. Band 2. München: DJI-Verlag. Berghaus, Margot (1986): Zur Theorie der Bildrezeption. Ein anthropologischer Erklärungsversuch für die Faszination des Fernsehens. In: Publizistik 31. Jg. 3-4/1986. S. 278-295. BildungsMedienZentrum des Landes Oberösterreich (Hrsg.) (2009): 1. Oberösterreichische Jugendmedienstudie. Das Medienverhalten der 11bis 18-Jährigen. Linz: BIMEZ. Verfügbar über: http://www.bimez.at/index.php?id=5411 (27.08.2010). Borda, Orlando Fals (2002): Participatory (Action) Research in Social Theory: Origins and Challenges. In: Reason, Peter/Bradbury, Hilary (Hrsg.): Handbook of Action Research. Participative Inquiry and Practice. London u.a.: SAGE. Brown, Tara M./Rodriguez, Louie F. (Hrsg.) (2009): Youth in Participatory Action Research. New Directions for Youth Development 123/2009. 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Wir möchten sowohl Burschen als auch Mädchen unterschiedlichen Alters und aus unterschiedlichen Schulen befragen und wollen mit diesem Fragebogen herausfinden, wer sich am besten für unsere Befragung eignet. Um die ausgewählten Personen benachrichtigen zu können, ist es wichtig, dass Ihr uns auch Eure Adresse und Eure Telefonnummer bekannt gebt. Ihr könnt aber sicher sein, dass sämtliche Daten vertraulich behandelt werden und auch die Auswertung der späteren Gespräche erfolgt selbstverständlich anonym. Wir würden uns sehr freuen, wenn Ihr den Fragebogen ausgefüllt zurückgeben würdet. Alle die noch nicht 18 Jahre alt sind, möchten wir außerdem bitten, das Blatt mit der schriftlichen Einverständniserklärung ihren Eltern zugeben. Bitte erklärt ihnen, worum es geht und bittet sie um ihre Unterschrift. Wenn Ihr oder Eure Eltern noch irgendwelche Fragen habt, wendet Euch bitte an folgende AnsprechpartnerInnen: Mag. Dr. Christine W. Wijnen Projektleiterin Ried Tel.: 0676-676208 Mail: wijnen@aktion-film.at Prof. Mag. Sven Bichl Klassenvorstand/Administrator HLW Tel.: 0699-19004015 Mail : administration@hlw-ried.at Name:_____________________________________________________________ Klasse, Schule:______________________________________________________ Straße, Hausnummer:_________________________________________________ Postleitzahl, Ort:_______________________________________________________ Telefonnummer:_______________________________________________________ 91 Der Screening-Fragebogen wurde in Anlehnung an Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink 2009 erstellt. S e i t e | 88 1) Geschlecht: männlich weiblich 2) Alter: __________________ Jahre 3) Staatsangehörigkeit:_____________________________________________________ 4) Gehst Du noch zur Schule? Ja (weiter mit Frage 4a) Nein (weiter mit Frage 4b & c) 4a) Welchen Schultyp besuchst Du (dann weiter mit Frage 5)? Gymnasium HAK HLW HAS Anderes:____________________ 4b) Welcher Tätigkeit gehst Du zurzeit nach? Lehre Berufstätig Arbeitslos 4c) Welchen Schulabschluss hast Du gemacht? Hauptschule Sonderschule Polytechnische Schule Anderes:_________________________ 5) Welche Personen leben bei Dir zu Hause? (bitte zutreffendes ankreuzen) Mutter Vater Bruder/Brüder (Alter:___________) Schwester/n (Alter____________) Großmutter Großvater Ehe-/Lebenspartner der Mutter (wenn nicht leiblicher Vater) Ehe-/Lebenspartner des Vaters (wenn nicht leibliche Mutter) Stiefgeschwister (Geschlecht, Alter:__________________________________) Andere Verwandte:________________________________________________ Sonstige Mitbewohner:______________________________________________ 6a) Welchen Schulabschluss hat Deine Mutter (bzw. weibliche Erziehungsperson)? S e i t e | 89 ____________________________________________________________________ 6b) Welchen Schulabschluss hat Dein Vater (bzw. männliche Erziehungsperson)? _____________________________________________________________________ 7a) Welchen Beruf übt Deine Mutter (bzw. weibliche Erziehungsperson) aus? ______________________________________________________________________ 7b) Welchen Beruf übt Dein Vater (bzw. männliche Erziehungsperson) aus? _______________________________________________________________________ 8) Hast Du einen eigenen Fernseher in Deinem Zimmer? Ja Nein 9) Wie viele Stunden schaust Du täglich fern? weniger als eine Stunde ca. 1 Stunde ca. 3 Stunden mehr als 3 Stunden 10) Was siehst Du Dir meistens im Fernsehen an? ca. 2 Stunden S e i t e | 90 sehr oft Doku-Soaps (z.B. Good Bye Deutschland, Österreich isst besser) Real Life Soaps (z.B. Big Brother) Gerichtsshows (z.B. Richterin Barbara Salesch) Beziehungsshows (z.B. Nur die Liebe zählt) Talkshows (z.B. Barbara KarlichShow) Quizshows (z.B. Millionenshow) Model-Castingshows (z.B. Germany’s Next Topmodel, Austria’s Next Topmodel) Musik-Castingshows (z.B. Starmania, DSDS) Andere Castingshows (z.B. Bauer sucht Frau) Andere Shows (z.B. Kochshows, MTV Music Awards) Lifestyle/Society-Magazine (z.B. Chili) Soaps / Telenovelas (z.B. Anna und die Liebe, Alisa – Folge deinem Herzen) Comedy (z.B. Sitcoms wie Two and a half men) Fantasy & Science Fiction (z.B. Final Fantasy) Action (z.B. Alarm für Cobra 11) Sport (z.B. Fußballspiele) Wissenschaft (z.B. Newton, nano) Doku (z.B. Universum) Nachrichten / Information (z.B. Zeit im Bild, ZIB Newsflash) Anderes und zwar: oft manchmal selten nie kenne ich nicht S e i t e | 91 8.1.2 Leitfaden für die Gruppendiskussionen Information der InterviewpartnerInnen Wir haben euch zur heutigen Diskussion eingeladen, weil wir mit euch darüber reden möchten, was ihr euch im Fernsehen generell so anseht, und was ihr über Castingshows denkt. Diese Diskussion ist Teil eines Forschungsprojekts über Castingshows. Deshalb werden wir das heutige Gespräch auch aufnehmen. Wir garantieren euch aber, dass wir diese Aufnahmen nur für unser Forschungsprojekt verwenden und dass eure Namen dabei anonymisiert werden. Allgemeiner Medienumgang Welche Rolle spielen Medien generell in euerem Alltag? Was ist euer Lieblingsmedium? Wie wichtig sind für euch Computer und Internet? o Was macht ihr am häufigsten, wenn ihr am Computer sitzt? o Was macht ihr meistens, wenn ihr im Internet seid? Wie wichtig ist für euch das Handy? o Schaut ihr auch übers Handy fern? o Geht ihr auch mit dem Handy ins Internet? Wie wichtig ist für euch das Radio? Wie wichtig ist für euch das Musikhören? o Womit hört ihr Musik? (übers Internet, MP3-Player etc.) Wie wichtig ist für euch das Lesen? o Was lest ihr so? Nutzt ihr auch mehrere Medien gleichzeitig? / Welche? S e i t e | 92 Was macht ihr, wenn ihr euch entspannen möchtet? o Nutzt ihr da auch bestimmte Medien? / Welche? Welche Medien nutzt ihr, wenn ihr euch über irgendwas informieren möchtet? Fernsehnutzung in der Familie Und wie ist das jetzt in eurer Familie, welches Medium wird in eurer Familie am häufigsten genutzt? (welche Medien nutzen welche Familienmitglieder?) Wie wichtig ist in eurer Familie das Fernsehen? o Schaut ihr manchmal gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern fern? / Mit wem? o Gibt es bestimmte Sendungen, die ihr gemeinsam anseht? / Welche? Wie viele Fernseher habt ihr in der Familie? o Habt ihr einen eigenen Fernseher in eurem Zimmer? Wird in eurer Familie über Fernsehsendungen gesprochen? o Mit wem redet ihr über Fernsehsendungen? o Worüber redet ihr da? o Kommentieren eure Geschwister oder eure Eltern manchmal Fernsehsendungen, die ihr euch anschaut? / Was sagen die dann? Habt ihr das Gefühl, dass euch eure Eltern in eurer Fernsehnutzung einschränken? o Gibt es Fernsehsendungen, die ihr euch nicht ansehen dürft? o Habt ihr schon einmal Fernsehverbot bekommen? o Schreiben euch eure Eltern vor, wie lange ihr Fernsehen dürft? o Wie war das als ihr noch jünger wart, hat es da Fernsehregeln gegeben? Fernsehnutzung allgemein Könnt ihr euch ein Leben ohne Fernsehen vorstellen? o Wie wichtig ist für euch das Fernsehen? S e i t e | 93 o Was macht ihr, wenn ihr nicht fernsehen könnt? o Könnt ihr euch euren Alltag ohne Fernsehen vorstellen? o Was hält ihr allgemein vom Fernsehen? Wenn ihr den Fernseher einschaltet, setzt ihr euch dann bewusst hin, um eine bestimmte Sendung anzuschauen, oder lässt ihr den Fernseher eher nebenbei laufen? o Was macht ihr neben dem Fernsehen? o Wenn ihr euch bewusst eine Sendung anschaut, was sind das dann für Sendungen? o Schaut ihr manchmal fern, um euch über irgendwas zu informieren? o Nutzt ihr das Fernsehen zum Entspannen oder zur Unterhaltung? In welchen Situationen schaut ihr fern? (nachfragen bezüglich emotionaler Befindlichkeiten) Schaut ihr lieber alleine fern oder gemeinsam mit Freunden und Freundinnen oder mit jemandem aus eurer Familie? Sprecht ihr mit Freundinnen und Freunden oder mit euren Geschwistern über Fernsehsendungen? o Worüber sprecht ihr da? Sprecht ihr manchmal mit euren Eltern über Fernsehsendungen? o Worüber sprecht ihr da? o Kommentieren eure Eltern Fernsehsendungen, die ihr euch anschaut? Was ist euer Lieblingssender? o Was unterscheidet diesen Fernsehsender von anderen Sendern? Was ist eure Lieblingssendung? o Was ist das tolle an eurer Lieblingssendung? o Ist es schlimm, wenn ihr eure Lieblingssendung einmal verpasst? Gibt es eine Person/Figur aus dem Fernsehen, die euch besonders gefällt? / Warum? S e i t e | 94 Habt ihr schon einmal mit Freunden und Freundinnen etwas nachgemacht, das ihr im Fernsehen gesehen habt? / Was war das? Castingshows Welche Castingshows kennt ihr? Gibt es Castingshows, die ihr euch regelmäßig anseht? o Welche Castingshow(s) sind/ist das? o Warum seht ihr euch diese Castingshow(s) regelmäßig an? o Unterbrecht ihr bestimmte Tätigkeiten, um euch eure Lieblingsshow anzusehen? o Ist es schlimm, wenn ihr einmal eine Folge verpasst? Wie findet ihr „Germany’s Next Topmodel“? Wie findet ihr „Austria’s Next Topmodel“? Was ist das Besondere an Model-Castingshows? o Was gefällt euch? o Was gefällt euch nicht? Sprecht ihr mit euren Freundinnen und Freunden über Model-Castingshows? o Worüber sprecht ihr da? o Ist es in eurem Freundeskreis wichtig, über die aktuellen Geschehnise in Model-Castinghows informiert zu sein? o Habt ihr schon einmal gemeinsam mit Freundinnen und Freunden Szenen aus Model-Castingshows nachgespielt? Sprecht ihr in eurer Familie über Model-Castinghows? o Worüber sprecht ihr da? o Was sagen eure Eltern dazu? o Was sagen eure Geschwister dazu? Informiert ihr euch auch im Internet über Model-Castingshows? o Seht ihr euch einzelne Sendungsausschnitte im Internet nochmals an? S e i t e | 95 o Sucht ihr euch im Internet zusätzliche Informationen zu den Kandidatinnen / zur Show? Informiert ihr euch auch in Zeitschriften über Model-Castingshows? o Lest ihr auch regelmäßig „Cosmopolitan“? Wie findet ihr die Kandidatinnen von Model-Castingshows? o Was gefällt euch? o Was gefällt euch nicht? o Was zeichnet die Kandidatinnen aus? (Eigenschaften: z.B. Disziplin etc.) o Habt ihr eine Favoritin in der aktuellen Staffel von „Austria’s Next Topmodel“? / Was gefällt euch an ihr? (alternativ: Wer war eure Favoritin in der letzten Staffel von Germany’s Next Topmodel?) Wie findet ihr die Jury von Model-Castingshows? (eingehen auf Erniedrigungen der Kandidatinnen durch die Jury & Bewertung von Schönheitsidealen durch die Jury) o Was findet ihr gut? o Was findet ihr nicht so gut? o Findet ihr, dass die Urteile der Jury manchmal zu hart sind oder findet ihr sie gut? Schönheitsideale / Vorbildwirkung Was bedeutet für euch Schönheit? o Wie sieht für euch eine attraktive Frau aus? o Wie sieht für euch in attraktiver Mann aus? Ist es euch wichtig, dass ihr gut ausseht? o Was ist euch dabei besonders wichtig? (Make-up, Kleidung, Figur etc.) Findet ihr die Kandidatinnen von Model-Castingshows schön? Möchtest ihr auch so sein, wie die Kandidatinnen von Model-Castingshows? o Motivieren euch Model-Castingshows, um bewusster zu essen? o Motivieren euch Model-Castingshows, um Sport zu treiben und zu trainieren? S e i t e | 96 o Habt ihr euch schon einmal Kleider gekauft, die die Kandidatinnen von Model-Castingshows anhaben? o Verwendet ihr die gleiche Körperpflege / das gleiche Make-up wie die Kandidatinnen von Model-Castingshows? o Möchtest ihr auch einmal Kandidatin in einer Model-Castingshow sein? Glaubt ihr, dass die Kandidatinnen von Model-Castingshows für andere Jugendliche ein Vorbild sein können? o Welche Eigenschaften machen die Kandidatinnen zu Vorbildern? Glaubt ihr, dass man automatisch beliebter ist, wenn man gut aussieht und ein gutes Auftreten hat? Glaubt ihr, dass man durch ein gutes Aussehen auch im Beruf erfolgreich sein kann? o Glaubt ihr, dass ihr auch das Potential habt, durch euer Aussehen berühmt zu werden? / Würdet ihr das gerne? S e i t e | 97 8.1.3 Leitfaden für die Einzelinterviews Einstiegsfrage Wenn du auf eine einsame Insel fahren würdest und nur drei Dinge mitnehmen dürftest, was wäre das? (nachfragen im Hinblick auf Medien) Mediennutzung allgemein Was ist dein Lieblingsmedium, was nutzt du am häufigsten? o Warum nutzt du dieses Medium am häufigsten? Welchen Stellenwert hat für dich das Fernsehen? o Welche Bedeutung hat es für dich im Vergleich zu anderen Medien? o Wann schaust du fern? / Welchen Stellenwert hat das Fernsehen in deinem Tagesablauf? Welchen Stellenwert hat für dich das Radiohören? o Welche Bedeutung hat es für dich im Vergleich zu anderen Medien? o Wann hörst du Radio? / Welchen Stellenwert hat für dich das Radio in deinem Tagesablauf? Welchen Stellenwert hat für Dich das Lesen? o Was liest du am liebsten? o Welche Bedeutung haben für dich Bücher/Zeitschriften/Zeitungen im Vergleich zu anderen Medien? o Wann liest du? / Welchen Stellenwert hat für dich das Lesen in deinem Tagesablauf? Welchen Stellenwert haben für dich die Computer und Internet? o Welche Bedeutung haben für dich Computer und Internet im Vergleich zu anderen Medien? o Wann nutzt du den Computer/das Internet? / Welchen Stellenwert haben für dich Computer und Internet in deinem Tagesablauf? S e i t e | 98 Nutzt du auch mehrere Medien gleichzeitig? / Welche? Was machst du, wenn du dich einfach nur entspannen möchtest? o Was machst du, wenn du einmal einen schlechten Tag hattest? Nutzt du da irgendwelche Medien zum Abschalten oder abreagieren? Medienbesitz / Mediennutzung in der Familie Welche Medien hast du in deinem Zimmer? Welche Medien nutzen deine Eltern am häufigsten? Welche Medien nutzen deine Geschwister am häufigsten? Wer schaut bei euch zuhause am meisten fern? Schaust du manchmal gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern fern? / Mit wem? o Welche Sendungen schaut ihr euch dann gemeinsam an? Sprichst du manchmal mit anderen Familienmitgliedern über Fernsehsendungen? / Mit wem? o Worüber redet ihr da? o Kommentieren deine Geschwister oder Eltern Fernsehsendungen, die du dir anschaust? / Was sagen die dann? Fühlst du dich zuhause in deiner Fernsehnutzung eingeschränkt? o Musst du dich in deinen Fernsehwünschen anderen Familienmitgliedern anpassen? o Schreiben dir deine Eltern vor, wie lange du fernsehen darfst? o Schreiben dir deine Eltern vor, was du dir ansehen darfst? o Gab es als du noch jünger warst bei euch zuhause strenge Fernsehregeln? S e i t e | 99 Fernsehnutzung allgemein Was hältst du eigentlich allgemein vom Fernsehen? Wenn du den Fernseher einschaltest, sitzt du dich dann bewusst hin, um eine bestimmte Sendung anzuschauen oder lässt du den Fernseher eher nebenbei laufen? o Gibt es bestimmte Sendungen, die du dir unbedingt anschauen willst? o Schaust du auch manchmal fern, um dich über irgendwas zu informieren? o Nutzt du das Fernsehen zur Entspannung oder zur Unterhaltung? o Was machst du neben dem Fernsehen? In welchen Situationen schaust du fern? (nachfragen bezüglich emotionaler Befindlichkeiten) Schaust du lieber alleine fern oder gemeinsam mit deinen Freunden oder mit jemandem aus deiner Familie? Sprichst du manchmal mit deinen Eltern über Fernsehsendungen? o Kommentieren deine Eltern Fernsehsendungen, die du dir anschaust? Sprichst du manchmal mit Freunden oder mit deinen Geschwistern über Fernsehsendungen? o Worüber sprecht ihr da? Was ist dein Lieblingssender? o Was unterscheidet diesen Fernsehsender von anderen Sendern? Was ist deine Lieblingssendung? o Was gefällt dir am meisten an deiner Lieblingssendung? o Ist es schlimm, wenn du deine Lieblingssendung einmal verpasst? o Welche Figur gefällt dir besonders gut in deiner Lieblingssendung? (Warum?) Hast du schon einmal mit Freunden und Freundinnen etwas nachgemacht, das du im Fernsehen gesehen hast? / Was war das? Gibt es eine Person/Figur aus dem Fernsehen, die du besonders toll findest? S e i t e | 100 Hast du ein Vorbild? (nachfragen hinsichtlich Vorbilder aus den Medien) o Gibt es jemanden, den du besonders bewunderst? o Möchtest du auch einmal so werden wie eine bestimmte Person? Castingshows Welche Castingshows kennst du? Gibt es Castingshows, die du dir regelmäßig ansiehst? o Welche Castinghow(s) ist/sind das? o Warum siehst du dir diese Castingshow(s) regelmäßig an? o Unterbrichst du bestimmte Tätigkeiten extra, um dir deine Lieblingsshow anzusehen? o Ist es schlimm, wenn du einmal eine Folge verpasst? Wie findest du „Germany’s Next Topmodel“? Wie findest du „Austria’s Next Topmodel“? Was ist für dich das Besondere an Model-Castingshows? o Was gefällt dir? o Was gefällt dir nicht? Sprichst du mit deinen Freundinnen und Freunden über Model-Castingshows? o Worüber sprecht ihr da? o Ist es in deinem Freundeskreis wichtig, über die aktuellen Geschehnisse in Model-Castingshows informiert zu sein? o Hast du schon einmal gemeinsam mit Freundinnen und Freunden Szenen aus Model-Castingshows nachgespielt? (Bei Burschen: „verarscht“) Wird in deiner Familie über Model-Castingshows gesprochen? o Worüber sprecht ihr da? o Was sagen deine Eltern dazu? o Was sagen deine Geschwister dazu? Informierst du dich auch im Internet über Model-Castingshows? o Siehst du dir einzelne Sendungsausschnitte im Internet nochmals an? S e i t e | 101 o Suchst du dir im Internet zusätzliche Informationen zu den Kandidatinnen / zur Show? Informierst du dich auch in Zeitschriften über Model-Castingshows? (Bei Burschen auslassen) o Liest du auch regelmäßig „Cosmopolitan“? Wie findest du die Kandidatinnen von Model-Castingshows? o Was gefällt dir? o Was gefällt dir nicht? o Was zeichnet die Kandidatinnen aus? (Eigenschaften: z.B. Disziplin etc.) o Hast du eine Favoritin in der aktuellen Staffel von „Austria’s Next Topmodel“? / Was gefällt dir an ihr? (alternativ: Wer war deine Favoritin in der letzten Staffel von Germany’s Next Topmodel?) Wie findest du die Jury von Model-Castingshows? (eingehen auf Erniedrigungen der Kandidatinnen durch die Jury & Bewertung von Schönheitsidealen durch die Jury) o Was findest du gut? o Was findest du nicht so gut? o Findest du, dass die Urteile der Jury manchmal zu hart sind oder findest du sie gut? Schönheitsideale / Vorbildwirkung Was bedeutet für dich Schönheit? o Wie sieht für dich eine attraktive Frau aus? o Wie sieht für dich in attraktiver Mann aus? Ist es dir wichtig, dass du gut aussiehst? o Was ist dir dabei besonders wichtig? (Make-up, Kleidung, Figur etc.) Was magst du an dir selbst besonders und was magst du nicht so sehr? o Findest du dich schön? o Fühlst du dich wohl so wie du bist oder möchtest du gerne anders sein? S e i t e | 102 o Gibt es für dich irgendwelche „Problemzonen“, die du ändern möchtest, oder bist du mit dir selbst zufrieden? o Wie fühlst du dich, wenn du morgens in den Spiegel blickst? Stellst du dir manchmal vor, jemand anderer zu sein? Findest du die Kandidatinnen von Model-Castingshows schön? (Folgende Frage bei Jungen auslassen: Alternativ – Wie würdest Du es finden, wenn es Castingshows für männliche Models geben würde? Könntest Du Dir vorstellen dort mitzumachen?) Möchtest du auch so sein, wie die Kandidatinnen von Model-Castingshows? o Motivieren dich Model-Castingshows, um bewusster zu essen? o Motivieren dich Model-Castingshows, um Sport zu treiben und zu trainieren? o Hast du dir schon einmal Kleider gekauft, die die Kandidatinnen von Model-Castingshows anhaben? o Verwendest du die gleiche Körperpflege / das gleiche Make-up wie die Kandidatinnen von Model-Castingshows? o Möchtest du auch einmal Kandidatin in einer Model-Castingshow sein? Glaubst du, dass die Kandidatinnen von Model-Castingshows für andere Jugendliche ein Vorbild sein können? o Welche Eigenschaften machen die Kandidatinnen zu Vorbildern? Glaubst du, dass man automatisch beliebter ist, wenn man gut aussieht und ein gutes Auftreten hat? Glaubst du, dass man durch ein gutes Aussehen auch im Beruf erfolgreich sein kann? o Glaubst du, dass du auch das Potential hast, durch dein Aussehen berühmt zu werden? / Würdest du das gerne? S e i t e | 103 Lebenssituation92 Tagesablauf / Freizeit o Beschreibe doch einmal, wie ein typischer Tag bei dir so aussieht? o Was machst du speziell in deiner Freizeit? (Hobbys, Vereine, lieber alleine oder mit anderen zusammen etc.) Wohnsituation o Wie wohnst du (Wohnung/Haus, eigenes Zimmer etc.)? o Bist du mit deiner Wohnsituation zufrieden? / Fühlst du dich zuhause wohl? Freunde o Wie groß ist ungefähr dein Freundeskreis? o Habt Ihr eine feste Clique? Wie viel seid Ihr da? o Sind deine Freunde und Freundinnen gleich alt wie du, oder eher älter oder eher jünger? o Hast du einen besten Freund/eine beste Freundin? o Was machst du so, wenn du dich mit deinen Freunden und Freundinnen triffst? o Kannst du mit deinen Freunden und Freundinnen über Probleme reden? Wenn ja, was sind das für Themen, über die ihr dann sprecht? o Fühlst du dich bei deinen Freunden und Freundinnen akzeptiert / aufgehoben? Partnerschaft o Hast du eine feste Freundin/einen festen Freund (Partner/Partnerin)? o Kannst du mit ihm/ihr über deine Probleme reden? Wenn ja, worüber sprecht ihr da? Familie o Aus welchen Mitgliedern setzt sich deine Familie zusammen? o Wie würdest du dein Verhältnis Familienmitgliedern beschreiben? zu den unterschiedlichen (Ausführen lassen! Wo liegen Probleme/Konflikte) 92 Fragen zur Lebenssituation in Anlehnung an Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink 2009 S e i t e | 104 o Kannst du in deiner Familie über deine Probleme reden? o Fühlst du dich in deiner Familie akzeptiert / aufgehoben? Schule / Lehre / Beruf o Gehst du gerne in die Schule / zur Arbeit? o Wie ist dein Verhältnis zu deinen Mitschüler(innen) / Kolleg(innen) o Wie ist dein Verhältnis zu deinen Lehrer(innen) / Vorgesetzten? S e i t e | 105 8.2 Codewortbaum Genutzte Castingshows Art/Begründung Nutzung Bewertung Stellenwert im Alltag Model-Castingshows Bewertung Allgemein Germany’s Next Topmodel Austria’s Next Topmodel Kandidatinnen Vorbildwirkung Beurteilung Jury Crossmediale Castingshow-Nutzung Schönheitsideal Beurteilung der eigenen Person Bewertung von Schönheit Persönlicher Umgang mit Schönheit(sidealen) Allgemein Vorbild/Idol aus Medien Nachspielen von Medieninhalten Medienbesitz Mediennutzung allgemein Musik / MP3 Filme TV Beurteilung Stellenwert im Alltag Gründe für Nutzung Lieblingssender Lieblingssendungen Radio Lesen allgemein Jugend-/Frauenzeitschriften Computer/Internet Beurteilung Stellenwert im Alltag Handy S e i t e | 106 Mediennutzung in der Familie Gespräche über Medieninhalte Familie Freunde Lebenssituation Tagesablauf Wohnsituation Freundeskreis/Partnerschaft Familie Schule/Lehre Hobbys S e i t e | 105 8.3 Einzelfalldarstellungen Einzelfälle Stadt Adem 17 Jahre, formal niedriger gebildet, Stadt Motto Model-Castingshows müssen was für’s Auge bieten und unterhaltsam sein. Soziales und familiäres Umfeld Adem ist 17, stammt ursprünglich aus der Türkei, und lebt gemeinsam mit seinen Eltern und einer 7-jährigen Schwester in einem Stadtteil mit hohem Anteil an Migranten. Er fühlt sich in seinem Stadtviertel wohl und versteht sich auch gut mit seiner Familie. Adem hat keine feste Clique, dennoch ist er gut integriert und hat das Gefühl, mit allen Jugendlichen in seiner unmittelbaren Umgebung befreundet zu sein. Er hat keinen besten Freund bzw. keine beste Freundin mit dem/der er über Probleme sprechen könnte. Dies ist ihm aber offenbar auch nicht wichtig. Nach der Schule trifft er sich mit seinen Freunden im Jugendzentrum oder verabredet sich zum Fußballspielen oder am Kebapstand um die Ecke. Adem besucht derzeit die Polytechnische Schule und strebt danach eine Lehre als Einzelhandelskaufmann an. Allgemeine Mediennutzung Wenn Adem die von ihm genutzten Medien nach ihrer Bedeutung reihen müsste, so würde für ihn das Fernsehen – allerdings dicht gefolgt vom Internet – an erster Stelle kommen. Ein Leben ohne Fernsehen könnte er sich nicht vorstellen. „Ja, manchmal sehe ich 24 Stunden fern, weil einfach nur Gutes im Fernsehen ist.“ In seinem Zimmer läuft ständig das Fernsehgerät; es dient oft als NebenbeiMedium während Adem im Internet surft. In den seltenen Fällen, dass er für sich nichts Passendes im Fernsehen findet, hört er während des Surfens über YouTube Musik. Adems Lieblingssender ist Pro7; auf diesem laufen auch seine Lieblingssendungen Alle hassen Chris und Scrubs. Zuweilen sieht er sich auch diverse Serien auf MTV an. Mit Ausnahme seiner Lieblingsserien ist Adems Fernsehnutzung jedoch selten tatsächlich zielgerichtet; zumeist nutzt er einfach das, worauf er gerade stößt. Lediglich türkische Nachrichten erwecken sein besonderes Interesse, da er über sein Herkunftsland genau informiert und auf dem Laufenden gehalten werden möchte. Diese Nachrichtensendungen nutzt er bewusst und zielgerichtet. Die soziale Kontaktplattform Facebook ist ihm besonders wichtig, da sie ihm zur Kommunikation mit Freunden dient. Neben Facebook ist Adem auch sein Handy wichtig, um für seine Freunde ständig erreichbar zu sein. Im Internet sieht er sich des Weiteren gerne Filme an, spielt Online-Spiele und recherchiert auch regelmäßig nach aktuellsten Informationen zum Thema Fußball. Neben der Nutzung von Computer und Fernsehen spielt er ebenso gerne FußballSpiele auf seiner Playstation. Andere Medien, wie etwa Radio, Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften haben in Adems Alltag eher eine geringe Bedeutung. Medienumgang in der Familie Das Fernsehen ist das meistgenutzte Medium in Adems Familie sowohl er als auch seine Eltern und seine Schwester entspannen nach der Schule bzw. nach der Arbeit vor dem Fernseher. Seine Eltern nutzen in erster Linie türkische Programme. Dezidierte Regeln im Hinblick auf die genutzten Fernsehinhalte sowie die tatsächliche Fernsehdauer existieren in Adems Familie nicht. Da die Kinder jeweils einen eigenen Fernsehapparat besitzen und Adem zudem einen eigenen Computer mit Internetanschluss sowie eine Playstation auf seinem Zimmer hat, haben seine Eltern auch wenig Überblick über die Mediennutzungsgewohnheiten ihrer Kinder. Gespräche über Medieninhalte finden in Adems Familie eher selten statt, auch wenn regelmäßig gemeinsam ferngesehen wird. Die Kommunikation über die Fernsehinhalte beschränkt sich dabei jedoch auf kurze Kommentare zum aktuellen Geschehen. S e i t e | 106 Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Adem unterhält sich aber gerne mit seinen Freunden über diverse Fernsehinhalte, besonders gerne spricht er dabei über Szenen aus diversen Serien, die er lustig findet. Für Adem müssen Models ein perfektes Aussehen haben und er ist davon überzeugt, dass die Kandidatinnen der Model-Castingshows diesbezüglich einen „positiven Einfluss auf andere Mädchen haben“ und diese dazu animieren, „an sich zu arbeiten“, um ebenfalls diesen Schönheitsidealen zu entsprechen. Ob sich Mädchen durch diese über Model-Castingshows vermittelten Schönheitsideale unter Druck gesetzt fühlen, ist ihm egal. Für ihn zählt „das Ergebnis“, sprich schlanke Frauen mit perfekter Figur. Castingshows im Allgemeinen Adem nutzt unterschiedliche Castingshows; generell bevorzugt er türkische Castingshows, die er auch mit größerer Aufmerksamkeit als die deutschsprachigen Varianten verfolgt. Großen Gefallen findet er aber auch an Deutschland sucht den Superstar, weil es ihm Spaß macht, wenn die KandidatInnen durch die Figur Dieter Bohlen heruntergemacht werden. Seine Castingshownutzung beschränkt sich allerdings auf das Fernsehen und er nutzt keine zusätzlichen Medien (z.B. das Internet oder Zeitschriften), um sich etwa über KandidatInnen oder verpasste Sendungen zu informieren. Model-Castingshows Deutschsprachige Model-Castingshows wie Germany’s Next Topmodel oder Austria’s Next Topmodel nutzt Adem nicht gezielt, dennoch verweilt er immer bei diesen Sendungen, wenn er darauf stößt, während er durch das Programm zappt. Besonderen Gefallen findet er dabei an den „schönen Körpern der Kandidatinnen“, weniger mag er allerdings, wenn die präsentierten Frauen zu selbstbewusst und seiner Meinung nach „zu eingebildet und zu selbstverliebt“ sind. Deshalb zieht er auch die türkische Show Top Model Turkiye’s den deutschen Formaten vor, da sich die türkischen Kandidatinnen gemäß seiner Wahrnehmung weniger offensiv präsentieren. Die Aufgabe der Jury ist es in den Augen Adems, das Publikum aufzuheitern. Er sieht sie diesbezüglich als ein wichtiges Element von Model-Castingshows. Auch wenn ihm manche Kommentare übertrieben erschienen, findet er Gefallen daran, wenn die Kandidatinnen heruntergemacht werden. Adem findet die Juryurteile in Model-Castingshows in der Regel fair. Für Adem gilt es generell als zentrales Attraktivitätsmerkmal, dass Frauen schlank und wohlgeformt sind und auch Männer sollten seiner Meinung nach keinesfalls zu kräftig sein und eine sportliche und durchtrainierte Figur haben. Er selbst findetsich gut aussehend, auch wenn er gerne noch etwas schlanker und trainierter wäre. Wichtig sind ihm auch ein gepflegtes Auftreten sowie die passende Kleidung. Er legt sehr viel Wert auf sein äußeres Erscheinungsbild, auch wenn er der Meinung ist, dass ein gutes Aussehen nicht unbedingt zentral für beruflichen Erflog ist. Vorbilder/Idole aus den Medien Adem hat kein besonderes Vorbild aus den Medien. Er interessiert sich aber sehr für Fußball und deshalb gefallen ihm auch berühmte Fußballstars. Des Weiteren begeistert er sich für den US-amerikanischen Schauspieler Will Smith und betont, dass es ihm besonders gefällt wie dieser in actionreichen Szenen auftritt. „Ich mag Will Smith. Er macht immer Action … er ist einfach so ein Adrenalintyp.“ Zusammenfassung Adem fühlt sich in seiner Familie wohl und hat einen großen Freundeskreis. Er sieht sehr viel fern und zappt dabei meistens ziellos durch unterschiedliche Sender. Gerne sieht er sich türkische Programme an, aber, wenn er beim Durchzappen auf (Model-)Castingshows wie etwa Germany’s Next Topmodel stößt, sieht er sich diese bewusst an. Ihm gefällt vor allem die Art und Weise, wie die KandidatInnen präsentiert und kritisiert werden. Einerseits ist es für ihn unterhaltsam, wenn die jungen Frauen von der Jury hart beurteilt werden, andererseits gefallen ihm die wohlgeformten Körper der Kandidatinnen. Generell ist für ihn das Thema S e i t e | 107 Schönheit sehr wichtig. Dabei orientiert sich Adem an den medienvermittelten Schönheitsidealen wie „schlank“, „sportlich“, „jung“ und „dynamisch“. Es bedeutet ihm viel, dass auch er gut gekleidet ist und eine attraktive Ausstrahlung hat. Afet 15 Jahre, formal höher gebildet, Stadt Motto Ich liebe einfach Castingshows! Soziales und familiäre Umfeld Afet ist 15 Jahre alt, besucht ein naturwissenschaftliches Gymnasium und lebt mit ihrer Mutter, einem älteren und einem jüngeren Bruder sowie einer jüngeren Schwester in einer großen Wohnung in der Stadt; ihr Vater lebt nicht mehr bei der Familie. Die Familie stammt ursprünglich aus der Türkei. Afet ist aber bereits in Österreich geboren und die Familie ist sehr gut integriert. Das Mädchen fühlt sich zu Hause sehr wohl, hat einen großen Freundeskreis und ist auch bei ihren MitschülerInnen äußerst beliebt. Afet ist sehr attraktiv und ist sich dessen auch bewusst; jeden Morgen nimmt sie sich extra Zeit, um sich zu schminken und ihre Haare, auf die sie sehr stolz ist, zu frisieren. Allgemeine Mediennutzung Afets Lieblingsmedium ist das Internet, das in erster Linie zur Kommunikation mit ihren FreundInnen über Facebook und SchülerVZ nutzt. Zum Teil sieht sie auch über ihren Laptop fern oder lädt sich Musik aus dem Internet herunter. Seit kurzem besitzt sie ein eigenes Fernsehgerät, das sie häufig als Hintergrundmedium nutzt. Des Weiteren ist es Afet besonders wichtig, rund um die Uhr über ihr Handy erreichbar zu sein. Medienumgang in der Familie Manchmal sieht Afet gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester ModelCastingshows. Dies führt zumeist zu heftigen Diskussionen zwischen den Mädchen, weil jede eine andere Favoritin hat. Mit den anderen Familienmitgliedern spricht Afet selten über Medieninhalte. Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Manchmal trifft sich Afet mit ihren Freundinnen, um gemeinsam fernzusehen oder sich einen Film auf DVD anzusehen. Alle teilen Afets Begeisterung für Germany’s S e i t e | 108 Next Topmodel. So ergeben sich häufig Gespräche über die Kandidatinnen und über die Show im Allgemeinen. Castingshows im Allgemeinen Afets Lieblingssendungen sind Germany’s Next Topmodel und Desperate Housewifes. Sie hat generell eine große Vorliebe für Castingshows und sieht sich neben deutschsprachigen Formaten auch die Musik-Castingshow X-Factor, die Designer-Castingshow Project Runway sowie America’s Next Topmodel und Britain’s Next Topmodel an. Türkische Castingshows mag sie jedoch nicht, weil diese in ihren Augen billig und den internationalen Shows nachgemacht sind. Paris BFF, in der Paris Hilton eineN neueN besteN FreundIn sucht, lehnt sie ebenfalls vehement ab, weil ihr diese Show „zu blöde“ ist. Großen Gefallen findet sie allerdings an Popstars, da in dieser Castingshow die Musik sehr zentral ist. Model-Castingshows Trotz ihrer großen Begeisterung setzt sich Afet auch differenziert mit (Model-) Castingshows auseinander. So merkt sie beispielsweise kritisch an, wie leicht die Inszenierung von Germany’s Next Topmodel zu durchschauen sei, dass in jeder Staffel die gleichen Typen vorkommen („die Heulsuse, die Tussi und die Emanze“) und dass sich die Ereignisse ständig wiederholen. Dennoch genießt Afet es, während der Show mit den Kandidatinnen mitzuleben, und sucht sich zu Beginn jeder Staffel drei bis vier Kandidatinnen aus, denen sie einen Sieg zutraut, um deren Entwicklung in jedem Detail mitzuverfolgen. Bei der Auswahl der Kandidatinnen geht es Afet allerdings nicht in erster Linie um Schönheit, sondern um Ehrgeiz und den Willen, zu gewinnen. Diese Eigenschaften bewundert sie auch an den Kandidatinnen. Auch abseits ihres Fernsehkonsums setzt sich Afet kritisch mit Castingshows auseinander und liest Bücher zu entsprechenden Fernsehangeboten, über den Beruf des Models (beispielsweise Autobiographien) aber auch über Magersucht und andere Essstörungen, die im öffentlichen Diskurs mit Model-Castingshows in Verbindung gebracht werden. Afet interessiert dabei vor allem welche Erfahrungen junge Mädchen im Modelgeschäft machen. Sie steht auch dem in ModelCastingshows vermittelten Schönheitsideal kritisch gegenüber und beschreibt Lena Gercke, die Gewinnerin der ersten Staffel von Germany’s Next Topmodel, als abschreckendes Beispiel. „Da hab ich mir gedacht ‚wow ist die dünn! […] Die war wirklich dünn diese Frau. Die hat ja wirklich einen großen Kopf gehabt dafür, dass sie so dünne Beine gehabt hat. Das war wirklich schlimm.“ Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Auch wenn Schönheit für Afet ein sehr wichtiges Thema ist, lehnt sie sich bei ihrer Definition von Attraktivität wenig an das Vorbild der Kandidatinnen an. Sie findet es wichtig, dass Kleidung, Accessoires, Make-up und Typ einer Frau ein harmonisches Ganzes ergeben. Hübsche Frauen haben nach Afets Vorstellung lange Haare, ein schönes Gesicht und sind gepflegt; sie müssen aber keineswegs extrem schlank oder groß sein. Dabei beschreibt sie sich in erster Linie selbst: Sie ist mit ihrem Aussehen sehr zufrieden und weiß, dass sie den Jungen gefällt, obwohl sie relativ klein ist und nach ihrem empfinden etwas zu dicke Oberschenkel hat. Sie glaubt, dass man es im Berufsleben viel leichter und mehr Chancen hat, wenn man gut aussieht. „Ja, das ist ein Fakt, dass hübsche Mädchen einfach beliebter sind.“ Vorbilder/Idole aus den Medien Afet nimmt sich kaum ein Vorbild an Medienfiguren. Dennoch vergleicht sie sich gerne mit attraktiven Stars wie Selina Gomez und Eva Longoria. Zusammenfassung Afet ist ein äußerst selbstbewusstes und intelligentes Mädchen. Sie weiß, dass sie hübsch ist und auf gleichaltrige Jungen einen großen Eindruck macht. Deshalb ist sie auch ein wenig selbstverliebt und vergleicht sich gerne mit attraktiven Stars. Sie rezipiert unzählige Castingshows und genießt es, mit einzelnen KandidatInnen mitzuleben. Sie fasziniert die Welt der Mode und Models und liest viel darüber. Afet ist aber auch sehr kritisch, durchschaut die Inszenierung der ModelCastingshows und macht ihre Freundinnen auf Brüche aufmerksam. Auch wenn ihr die Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel sehr gefallen, sind sie ihr keine Vorbilder. S e i t e | 109 Danija Allgemeine Mediennutzung 15 Jahre, formal höher gebildet, Stadt Danija ist eine sehr kommunikative Persönlichkeit und ihr ist es wichtig, wenn möglich rund um die Uhr mit ihren FreundInnen in Kontakt zu bleiben. Daher ist für sie auch das Handy eines der wichtigsten Medien. Motto Im Fernsehen erfahre ich, was schön und chic ist. Soziales und familiäres Umfeld Danija ist 15 Jahre alt und lebt gemeinsam mit ihren Eltern und ihrer zehnjährigen Schwester in einer Wohnung in einer guten Lage am Stadtrand. Sie kommt aus einer bildungsnahen Familie mit slowakischem Migrationshintergrund; beide Eltern haben Abitur, der Vater ist Akademiker. Danija und ihre Schwester besuchen ebenfalls das Gymnasium. Das Mädchen versteht sich sehr gut mit ihrer Familie. Zu ihrer Mutter hat sie ein freundschaftliches Verhältnis, weil sich diese laut Danija sehr jugendlich gibt. Sie geht gerne gemeinsam mit ihrer Mutter einkaufen und teilt mit ihr ein großes Interesse für Mode. Sie kann mit ihrer Mutter über alles reden und wendet sich auch mit Problemen zu allererst an sie. Aber auch zu ihrem Vater hat Danija ein äußerst gutes Verhältnis. Sie beschreibt ihn als „voll den Lieben und Verständnisvollen“ und wendet sich vor allem bei schulischen Angelegenheiten an ihn. Danija hat einen großen Freundeskreis und ist viel mit älteren Jugendlichen zusammen, da sie sich in deren Gesellschaft wohler als unter Gleichaltrigen oder Jüngeren fühlt. „Also ich bin schon sehr reif für mein Alter. […] Mit meinen älteren Freunden rede ich viel erwachsener und reifer als mit Jüngeren, denn die nehmen einfach nicht so viel ernst. Man kann mit älteren Freunden wirklich über ernstere Sachen reden.“ In der Schule fühlt sich Danija sehr wohl und sie hat auch dort viele FreundInnen. „Das Handy ist überlebenswichtig. Wahrscheinlich ist das bei mir so, weil ich eher so ein Kommunikationstyp bin. Ich brauche immer jemanden um mich, also meine Freunde.[…] Ja, ohne Handy wäre ich voll aufgeschmissen! Und das Blödeste ist, ich bilde mir manchmal ein, dass ich eine SMS bekommen hab und da ist aber nichts! Das ist so doof!“ Schon in der Früh telefoniert sie auf ihrem Schulweg und bis zu Unterrichtsbeginn mit Freundinnen, die eine andere Schule besuchen. Wenn ihr während des Unterrichts langweilig ist, schreibt sie SMS oder hört über ihr Handy Musik. Auch der Heimweg von der Schule ist von Telefonieren, SMS schreiben und Musikhören über Handy geprägt. Zuhause entspannt sie nach dem Mittagessen eine halbe Stunde bis eine Stunde vor dem Fernseher und bevor sie zum Handball-Training geht. „Vor dem Fernseher da ist einfach so eine Chill-out-Zone. Das ist nämlich so ein Ort, wo ich einfach so über gar nix nachdenke und mich einfach darauf konzentriere, was ich gerade schaue, und so einfach relaxe.“ Sie hat einen eigenen Fernseher und nutzt diesen täglich circa zwei Stunden. Das Fernsehen dient Danija häufig als Hintergrundmedium, etwa neben dem Surfen im Internet oder dem Telefonieren mit Freundinnen, oder einfach zur Entspannung. Ihre Lieblingssender sind Pro7 und VOX, des Weiteren nutzt sie auch RTL, MTV und Kabel1. Ihre Lieblingssendung Taff dient ihr zur regelmäßigen Information über die aktuellsten Ereignisse aus der Society-Welt. Die Jugendserie One Tree Hill verfolgt Danija mit großer Aufmerksamkeit, da in dieser auch Themen behandelt werden die in ihrem Leben als Jugendliche von Relevanz sind und sie sich daher sehr gut in die einzelnen Figuren einfühlen kann. Manchmal liest Danija auch Zeitschriften für junge Frauen wie etwa Touch oder Inside. S e i t e | 110 Medienumgang in der Familie In Danijas Familie wird das Fernsehen als ständiges Hintergrundmedium genutzt; für sie ist es „ein Zeichen, dass wer zu Hause ist.“ Ihre jüngere Schwester hat zwar etwas andere Fernsehvorlieben als Danija, dennoch schauen die Mädchen des Öfteren gemeinsam fern und sprechen auch regelmäßig über diverse Fernsehinhalte. Es kommt eher selten vor, dass die gesamte Familie gemeinsam fernsieht, da die beiden Schwestern nicht den Geschmack ihrer Eltern teilen. Ab und an spricht Danija aber auch mit ihren Eltern über das Fernsehen oder über andere Medienerlebnisse. Danijas Mutter hält nicht viel von Germany’s Next Topmodel, dennoch sieht sie sich diese Model-Castingshow zuweilen gemeinsam mit ihren Töchtern an und lässt sich dabei in Gespräche über die Kandidatinnen verwickeln. Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Danija und ihre Freundinnen sind Germany’s Next Topmodel Fans und sprechen täglich über die Kandidatinnen, die Ereignisse in der Show sowie über die darin präsentierten neuesten Modetrends. Castingshows im Allgemeinen Seit der ersten Staffel von Germany’s Next Topmodel verpasst Danija keine Folge. Wenn sie mehr über eine Kandidatin wissen will, recherchiert sie auch im Internet und sucht nach zusätzlichen Informationen zur Show. Austria’s Next Topmodel hat für sie keinen Reiz; sie bezeichnet die österreichische Variante als nachgemacht und künstlich. Model-Castingshows Danija sieht regelmäßig Germany’s Next Topmodel. Sie kritisiert allerdings, dass die Show im Vergleich zu früheren Staffeln „künstlicher“ geworden sei und die Kandidatinnen nicht mehr so authentisch seien. Dennoch mag sie diese ModelCastingshow. In jeder Staffel hat sie eine Favoritin, der sie bis zum Schluss treu bleibt, und hofft, dass diese gewinnt. Die Disziplin der Kandidatinnen und deren Fleiß bewundert sie sehr. In der Gruppendiskussion meint sie, dass es ganz klar sei, dass die schönste Kandidatin die Show gewinnen muss. Generell betont sie aber, dass für sie nicht nur das Aussehen der Kandidatinnen, sondern auch deren Persönlichkeit sehr wichtig ist. Dabei hebt sie besonders die Kooperation mit den Konkurrentinnen hervor. Danija findet die Jury zwar oft sehr streng, aber trotzdem notwendig. Sie rechtfertigt die Urteile der Jury indem sie deren Mitgliedern – und im Besonderen Heidi Klum – eine große fachliche Kompetenz zuschreibt. „Wenn sie da voll viel verlangen, dann wissen sie auch warum, weil sie selber in dieser Branche sind und wissen, was verlangt wird.“ Dennoch rezipiert Danija Germany’s Next Topmodel nicht unkritisch. So macht sie auch auf Brüche aufmerksam, beispielsweise, dass die Kandidatinnen beim genüsslichen Essen und Naschen gezeigt werden obwohl diese ihrer Meinung nach Kalorien zählen müssten, oder dass Heidi Klum Werbung für McDonalds macht bzw. als vierfache Mutter unglaubwürdig wirkt. Dies kritisiert Danija zwar heftig, aber für ihren persönlichen Mediengenuss ist ihr das egal. Sie sieht sich Germany’s Next Topmodel als Entspannung und Unterhaltung nach einem anstrengenden Tag und will dabei gerade nicht reflektiert sein und „viel denken“, da das in der Schule und im Training permanent von ihr gefordert wird. Sie holt sich jene Dinge aus der Show, die sie am meisten ansprechen und das ist in erster Linie das Thema Schönheit, dass sie auch in ihrem übrigen Leben sehr beschäftigt. Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Germany’s Next Topmodel dient Danija vor allem auch zur Information über aktuelle Modetrends sowie Schmink- und Stylingtipps. Ihr ist es wichtig zu erfahren, wie eine junge Frau aussehen muss und welche Kleidung und Accessoires sie braucht, um aufzufallen. Sie nimmt sich auch ein Vorbild an den schlanken Körpern der Kandidatinnen und versucht diesen nachzueifern, allerdings spielt sie dies herab, da ihr bewusst ist, dass ein derartiges Verhalten sozial unerwünscht ist. „Ich bin zwar so eine, die das nicht wirklich sinnvoll findet. Aber wenn ich jetzt so eins von den Mädchen sehe und dass die voll schlank ist und voll hübsch ist und so, dann will ich auch so sein und dann halte ich zum S e i t e | 111 Beispiel ein paar Tage Diät. Aber dann schaffe ich es nicht mehr länger. Aber eigentlich halte ich nichts davon.“ Danija betont einerseits, dass Schönheit alleine nicht alles sondern der Charakter eines Menschen wesentlich wichtiger sei. Gleichzeitig räumt sie aber ein, dass es zu Beginn eines neuen Schuljahres in einer fremden Schule wichtig sei, gut auszusehen, um beliebt zu sein und schnell neue Freunde zu finden. Das Mädchen verbringt daher auch jeden Morgen viel Zeit, um sich zu schminken und die passende Kleidung auszuwählen. Sie möchte perfekt „im Trend liegen“, auch wenn sie dafür plädiert, sich nicht zu sehr nach anderen richten und einen eigenen Weg finden zu wollen. Für sie steht dies allerdings nicht im Widerspruch zu ihrer starken Orientierung an an medienvermittelten Schönheitsidealen. Vorbilder in den Medien Eine von Danijas Vorbildern ist Eva Longoria, eine Schauspielerin der Serie Desperate Housewifes, in der sie viele Parallelen zu sich selbst entdecken kann. „Ich find sie voll sympathisch, sie ist ja auch so klein wie ich. Sie ist einfach nur weiblich und lieb und süß und so, also ziemlich fesch.“ Danija bestreitet zwar, sich ein Vorbild an den Kandidatinnen von ModelCastingshows zu nehmen, dennoch bewundert sie diese um deren Selbstdisziplin, beispielsweise wenn es um sportliche Betätigung oder die strenge Einhaltung eines Diätplanes geht. Zusammenfassung Danija hat einen sehr strengen Tagesablauf und genießt es, nach einem anstrengenden Handball-Training vor dem Fernseher zu entspannen. Germany’s Next Topmodel sieht sie vor allem zur Unterhaltung. Obwohl sie sehr reflektiert ist und beispielsweise Brüche in der Inszenierung der Figur Heidi Klum entdeckt, möchte sie ihre Lieblings-Castingshow einfach genießen und gerade nicht kritisch über verschiedene Handlungen und Inhalte nachdenken. Die Model-Castingshow dient ihr ebenso als Informationsquelle über die aktuellsten Modetrends. Dies ist Danija sehr wichtig, da das Thema Mode in ihrem Leben einen zentralen Stellenwert hat. Deshalb bewundert sie auch die perfekten Figuren der Kandidatinnen, denen sie zuweilen nacheifern möchte. Ihr ist allerdings ebenso bewusst, dass dieses Verhalten – gerade in jenem formal höher gebildeten Umfeld, in dem sie aufwächst – sozial unerwünscht ist und versucht dies daher in der Gruppendiskussion herabzuspielen. S e i t e | 112 Danijel Medienumgang in der Familie 16 Jahre, formal höher gebildet, Stadt In Danijels Familie wird viel gemeinsam ferngesehen. Seine Eltern nutzen zumeist kroatische Sender und sind besonders an aktuellen Informationen über Kroatien interessiert. Diese dienen des Öfteren als Anlass für Gespräche in der Familie; so wird auch häufig über den Balkankrieg und dessen Folgen wird diskutiert. Motto Toll, wie die Mädchen ihren Traum verwirklichen. Soziales und familiäre Umfeld Danijel ist 16 Jahre alt und lebt mit seinen Eltern und einer großen Schwester in einer Wohnung in der Stadt. Seine Familie stammt ursprünglich aus Kroatien und fühlt sich immer noch stark mit ihrem Heimatland verbunden. Danijels Eltern nutzen primär kroatische Fernsehsender und versuchen ihren Kindern auf diese Weise die kroatische Kultur zu vermitteln. In Danijels Freizeit dreht sich alles um Fußball. So spielt er auch aktiv in einer Mannschaft und trainiert regelmäßig in seinem Verein; er träumt von einem internationalen Durchbruch als professioneller Fußballspieler.Danijel hat einen großen Freundeskreis und einen besten Freund mit dem er über alles reden kann. Er hat auch eine feste Freundin, der er aber nicht alles anvertrauen möchte aus Angst, sie könnte ihn falsch verstehen. In seiner Schule, einem naturwissenschaftlichen Gymnasium, fühlt er sich sehr wohl, auch wenn er ein schlechter Schüler ist. Allgemeine Mediennutzung Danijel verfügt weder über einen eigenen Fernseher noch über einen eigenen Computer. Wenn er in seinem Zimmer ist, hört er daher zumeist Musik über sein Handy. Er hat jedoch uneingeschränkten Zugang zum Computer seiner Schwester und hat darüber auch eine Internetanbindung, die ihm sehr wichtig ist, da er gerne online Fußballspiele spielt, sich über aktuelle Bundesligaergebnisse informiert und die Kontaktplattformen Facebook und Eventshooters nutzt.Manchmal liest Danijel auch im Sportteil der regionalen Tageszeitung; Bücher interessieren ihn gar nicht. Lokalnachrichten. Danijel sieht auch regelmäßig fern, besonderen Gefallen findet er an ComedySerien wie What’s up Dad? oder Two and a half men an. Danijel: Ja meistens unterhalten wir uns drüber was im Krieg war, da bei uns im Balkankrieg vor 20 Jahren oder so. Was jetzt die Täter und so machen, weil es gibt eben immer noch Leute, da wurden die Häuser bombardiert und was weiß ich und so und die haben noch immer kein Geld bekommen oder so. Die ganze Zeit reden wir meistens über so etwas. Oder über irgendwelche Schäden, dass zum Beispiel einer an der Leber erkrankt ist und ihm das Bein abgenommen wurde und dann… und keiner hat was dagegen getan im Staat. Solche Probleme halt. Interviewer: Beschäftigt euch das viel in der Familie? Danijel: Ja, eigentlich schon. Es ist schon schockierend, wenn man das anschaut. Und dann denkt man sich, das könnte ja mir auch vielleicht passieren oder so. Danijels Schwester und seine Mutter sehen regelmäßigGermany’s Next Topmodel. Der Jungebezeichnet diese Model-Castingshow als Frauenprogramm und es ist ihm peinlich, darüber zu sprechen. So betont er auch im Einzelinterview, dass er sich Germany’s Next Topmodel nur „gezwungener Maßen“ ansehe, wenn der Fernseher durch seine Mutter und seine Schwester „besetzt“ sei. Er bezeichnet die ModelCastingshow als „an sich eher langweilig“ und beteiligt sich auch bewusst nicht an der Anschlusskommunikation zwischen den beiden Frauen. Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Mit seinen Freunden spricht Danijel kaum über Medienerlebnisse. Auch vor ihnen ist es ihm peinlich zuzugeben, dass er sich manchmal Germany’s Next Topmodel ansieht, denn in diesem, ausschließlich aus männlichen Jugendlichen bestehenden, Freundeskreis werden Model-Castingshows nicht geschätzt und als mädchenhaft abgetan. S e i t e | 113 Castingshows im Allgemeinen Danijel nutzt eher unregelmäßig Musik-Castingshows. Da ihn Dieter Bohlens abfällige Kommentare amüsieren, sieht er sich hin und wieder Deutschland sucht den Superstar an. Model-Castingshows Auch wenn Danijel sein Interesse für Germany’s Next Topmodel nicht zugeben will, leistet er seiner Mutter und seiner Schwester regelmäßig Gesellschaft, wenn sich diese die Model-Castingshow ansehen. Er bewundert die Kandidatinnen und legitimiert dies für sich dadurch, dass er Parallelen zum Profi-Fußball zieht. „Ja, ich finde das schon gut, dass die das machen und so. Weil die wollen auch ihren Traum verwirklichen und da denk ich mir halt, ich würde auch voll viel machen für Fußball. Und genauso machen die das für ihre Modelkarriere.“ Danijel erlebt die Höhen und Tiefen, welche die Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel im Laufe der Show durchmachen, intensiv mit und zieht Parallelen zu seinem eigenen Leben. In seinem Wunsch als Fußballer den internationalen Durchbruch zu schaffen, nimmt er sich diese jungen Frauen zum Vorbild, auch wenn er keine spezielle Favoritin hat. Er ist auch davon überzeugt, dass die Kandidatinnen für andere Jugendliche – besonders für Mädchen – eine Vorbildfunktion haben können. Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Auch wenn Danijel für sich vor allem die Botschaft, hart an sich zu arbeiten, um seine Ziele zu erreichen, aus der Model-Castingshow mitnimmt, lassen sich ebenso in seiner Auseinandersetzung mit medienvermittelten Schönheitsidealen Bezüge zu Germany’s Next Topmodel herstellen. Attraktive Personen sehen für ihn so aus, wie er es aus dem Fernsehen kennt. Sie sollen einen „schönen Körper und ein freundliches Gesicht“ haben: Männer müssen durchtrainiert „wie Fußballer [sein], damit man ihre Muskeln am Körper sehen kann“ und Frauen müssen schlank sein und lange Haare haben. Sie brauchen zwar keine Models zu sein, aber „eine Frau wie aus Germany’s Next Topmodel“ würde ihm dennoch sehr gefallen. Mit seinem eigenen Körper ist Danijel sehr zufrieden und es ist ihm wichtig, gut auszusehen. Deshalb nimmt er sich jeden Morgen extra Zeit, um seine Haare „zu stylen“ und die passende Kleidung auszuwählen. Er möchte auf andere einen guten Eindruck machen und ist davon überzeugt, dass man durch gutes Aussehen auch beruflich viele Vorteile hat. Vorbilder/Idole aus den Medien Danijels großes Vorbild ist Jan Mudric, ein Kroate, der im Fußball den internationalen Durchbruch geschafft hat und derzeit bei Manchaster United spielt. Der Junge träumt davon, einmal eine ähnliche Karriere zu machen. Zusammenfassung Danijel träumt von einer Karriere als Fußballstar; den Großteil seiner Freizeit widmet er dem Fußballspielen. Er zeigt eine große Bewunderung für die Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel und zieht dabei Parallelen zu seinen persönlichen Wünschen. In der Model-Castingshow sieht er sich darin bestätigt, dass es möglich ist, den Traum von beruflichem Erfolg durch Disziplin und harte Arbeit zu verwirklichen. Er nimmt sich ein Beispiel an den Kandidatinnen und ist dazu bereit, wie diese alles für eine internationale Karriere zu geben. Da sein soziales Umfeld von traditionellen Männerbildern geprägt ist und „Mann“ sich keine Model-Castingshows ansieht bzw. wenn, dann nur, um über dieses „Frauenformat“ zu lästern, ist es ihm peinlich, seine Faszination für Germany’s Next Topmodel zuzugeben. Sein Interesse an dieser Model-Castingshow legitimiert er für sich dadurch, dass er Parallelen zum Profi-Fußball zieht. S e i t e | 114 Hawa 16 Jahre, formal niedriger gebildet, Stadt Motto Ich liebe es zu beobachten. Soziales und familiäres Umfeld Hawa ist 16 Jahre alt, sehr ruhig und wirkt eher unscheinbar. Sie kommt aus einer eher bildungsfernen Familie mit türkischem Migrationshintergrund und hat einen älteren (20 Jahre), einen jüngeren Bruder (12 Jahre) sowie eine ältere Schwester (21 Jahre), die bereits von zu Hause ausgezogen ist. Gemeinsam mit ihren Brüdern und ihrer Mutter wohnt sie in einer Wohnung in einem sozial schwierigen Stadtteil. Sie fühlt sich zu Hause wohl, stört sich allerdings zuweilen daran, dass sie ihr Zimmer mit ihrem kleinen Bruder teilen muss. sie vor allem Mode- und Schminktipps sowie Beiträge über Germany’s Next Topmodel. Dem Fernsehen misst Hawa weniger Bedeutung bei. Sie gibt an, täglich etwa zwei Stunden fernzusehen und ergänzt, dass sie das Fernsehen oft auch als NebenbeiMedium bzw. als Geräuschkulisse nutzt. Hawa sieht vor allem fern, wenn sie gut gelaunt ist. Wenn es ihr nicht so gut geht, geht sie einfach schlafen. Ihre Lieblingssender sind Sat1 und Pro7. Sie gibt zwar an, keine wirkliche Lieblingssendung zu haben, dennoch sieht sich Hawa regelmäßig Germany’s Next Topmodel an und es ist ihr wichtig, darüber gut informiert zu sein. Medienumgang in der Familie Hawa macht eine Lehre als Kellnerin und muss daher oft lange arbeiten. Ihre wenige freie Zeit verbringt sie gerne im Jugendzentrum oder gemeinsam mit FreundInnen, mit denen sie zumeist spazieren oder etwas trinken geht. Sie hat zwei enge Freundinnen im gleichen Alter, mit denen sie über alles sprechen kann. Mit ihrem Freund versteht sie sich zwar ebenfalls gut, allerdings wendet sie sich bei Problemen lieber an ihre Freundinnen. In Hawas Familie laufen größtenteils türkische Fernsehsendungen, da ihre Mutter ausschließliche türkische Fernsehsender nutzt. Manchmal sieht sich Hawa gemeinsam mit ihren Brüdern auch deutsche Sendungen an. Sie fühlt sich in ihrem Fernsehkonsum eingeschränkt, da sie keinen eigenen Fernseher besitzt und darauf angewiesen ist, was die anderen Familienmitglieder sehen wollen; zumeist bestimmt der älteste Bruder das Fernsehprogramm. Wenn sich Hawa Germany’sNext Topmodel ansieht, schauen ihre Brüder oft mit und kommentieren dabei das Aussehen der Models. In der Familie wird selten über Medieninhalte gesprochen und wenn doch, handelt es sich eher um inhaltliche Kommentare einzelner Familienmitglieder zu diversen türkischen Sendungen. Allgemeine Mediennutzung Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Hawa möchte sich weder Handy noch Internet aus ihrem Leben wegdenken. Das Handy ist ihr wichtig, um mit FreundInnen in Kontakt zu bleiben, aber auch im Internet ist für sie die Kommunikation über Instant Messaging oder soziale Kontaktplattformen zentral. Sie hat ein Profil auf Facebook sowie auf einer türkischen Kontaktplattform und nutzt beide neben MSN regelmäßig, um sich zu vernetzen und mit FreundInnen auszutauschen. Dafür ist sie täglich ca. zwei Stunden online. Sie hat einen eigenen Computer mit Internetzugang und ist dadurch in ihrer Internetnutzung nicht eingeschränkt. Hawas Freundinnen schauen ebenfalls regelmäßig Germany’s Next Topmodel und so dienen die Geschehnisse dieser Model-Castingshow häufig als Gesprächsstoff. Hawa unterhält sich sowohl im direkten Gespräch als auch per Chat mit ihren Freundinnen über das Verhalten der Kandidatinnen und die Entscheidungen der Jury. Manchmal kauft sich Hawa die Kronenzeitung, um sich über Aktuelles zu informieren. In ihrer Arbeit liest sie auch hin und wieder Frauenzeitschriften; sie würde sich diese aber selbst nie kaufen. In den Frauenzeitschriften interessieren Castingshows im Allgemeinen Hawa gefällt sowohl die Model-Castingshow Germany’s Next Topmodel als auch die Musik-Castingshow Deutschland sucht den Superstar. Sie findet beide Shows sehr interessant und es existiert für sie kaum ein Unterschied, außer in den Aufgaben, vor die die KandidatInnen gestellt werden (entweder singen oder sich als Model S e i t e | 115 präsentieren). Wenn allerdings beide Shows gleichzeitig laufen würden und sie sich für eine entscheiden müsste, dann würde ihre Wahl auf Germany’s Next Topmodel fallen. Austria’s Next Topmodel hat sie sich noch nie angesehen. Hawa würde auch eine Model-Castingshow mit männlichen Teilnehmern interessant finden und meint, dass dies auch bei anderen Jugendlichen auf großen Anklang stoßen würde. Auch wenn sich Hawa sehr für die genannten Castingshows interessiert, nutzt sie neben dem Fernsehangebot keine zusätzlichen Medien, um sich eingehender darüber zu informieren. Sie hatte auch noch nie das Bedürfnis, sich eine verpasste Sendung im Internet anzusehen. Ebenso wenig würde sie sich extra eine Zeitschrift kaufen, wenn dort Berichte über Germany’s Next Topmodel zu finden wären. Wenn sie aber beim Lesen einer Zeitschrift zufällig über einen entsprechenden Artikel stolpert, liest sie diesen gerne. Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Model-Castingshows Auch wenn Hawa angibt, keine Lieblingssendung zu haben, so teilt sie sich ihren Alltag doch bewusst danach ein, um wöchentlich Germany’s Next Topmodel sehen zu können. Sie hat keine Favoritin sondern findet alle Kandidatinnen toll. Sie genießt es einfach, die Erfahrungen dieser jungen Frauen mitzuverfolgen. Hawa gefällt auch die Jury und die Art und Weise, wie die Kandidatinnen beurteilt werden. Besonders mag sie die Figur Heidi Klum und begründet dies mit deren großer Erfahrung als professionelles Model; die anderen Jury-Mitglieder sind für sie weniger von Bedeutung. Hawa findet die scharfe Kritik der Jury gerechtfertigt. Sie betrachtet den Verlauf der Show allerdings eher als distanzierte Beobachterin und setzt keine Bezüge zu ihrer persönlichen Lebenswelt; ihr geht es vor allem um den Spaß des Zusehens und nicht um das Mitfühlen oder Mitfiebern mit einzelnen Kandidatinnen. Dennoch kann sich Hawa vorstellen, dass die Kandidatinnen eine Vorbildwirkung auf andere Mädchen haben könnten. Sie meint, dass man sich vor allem von Heidi Klum abschauen könnte, wie sie sich bewegt, verhält und spricht. An den Kandidatinnen schätzt sie vor allem deren starkes Selbstbewusstsein. Der Gedanke, dass einmal eine ihrer Freundinnen bei Germany’s Next Topmodel teilnehmen könnte, gefällt ihr; dann würde sie auch intensiv mit dieser mitleben. Hawa erzählt, dass es ihr früher Spaß gemacht habe, gemeinsam mit ihren Freundinnen einzelne Szenen aus Germany’s Next Topmodel nachzuspielen. Mittlerweile findet sie sich aber zu alt dafür. Sie könnte sich auch nicht vorstellen, selbst eine Model-Karriere anzustreben. Hawa spricht nicht gerne über das Thema Schönheit und meint, dass es ihr nicht sonderlich wichtig sei, ob man gut aussieht. Sie selbst wirkt eher unscheinbar, fühlt sich aber wohl so wie sie ist. Generell findet sie Kleidung wichtiger als Make-Up, obwohl sie sich selbst regelmäßig schminkt. Hawa nennt kein Vorbild aus den Medien, an dem sie sich in irgendeiner Form orientieren könnte. Sie könnte sich aber vorstellen, dass attraktive Menschen im Beruf bessere Chance haben. Vorbild/Idol aus den Medien Hawa hat kein spezielles Vorbild aus den Medien, dennoch findet sie besonderen Gefallen an der Figur Heidi Klum und begründet dies mit deren großer Erfahrung als professionelles Model. Sie ist in Hawas Augen nahezu unfehlbar und beeindruckt das Mädchen nicht nur mit ihrer fachlichen Kompetenz sondern auch mit ihrem generellen Verhalten in der Show, beispielsweise in ihrer Rolle als Moderatorin oder in ihrem Umgang mit den anderen Jurymitgliedern sowie mit den Kandidatinnen. Hawa findet Klums Kritik gerechtfertigt und wichtig, damit sich die Kandidatinnen weiterentwickeln können. Die anderen Jurymitglieder sind für sie weniger von Bedeutung. Zusammenfassung Hawa ist ein sehr ruhiges und eher unscheinbares Mädchen, das in ihrer Umgebung gerne die Rolle der stillen Beobachterin einnimmt. Auch in der Gruppendiskussion hört sie zwar aufmerksam zu, meldet sich aber nicht häufig zu Wort. Hawa zeigt keine intensive Mediennutzung, da sie generell über wenig freie Zeit verfügt. Nach Möglichkeit sieht sie sich aber regelmäßig Germany’s Next Topmodel an und macht auch dies eher aus einer beobachtenden Perspektive. Sie hat keine Lieblingskandidatin, mit der sie mitlebt sondern interessiert sich einfach allgemein dafür, wie die Kandidatinnen die an sie gestellten Aufgaben meistern. Besonders kann sie sich für Heidi Klum begeistern. Dennoch ist diese kein Vorbild für Hawa, da das Mädchen in ihrer Fernsehrezeption eine sehr distanzierte Haltung einnimmt. S e i t e | 116 Hendrik 16 Jahre, formal höher gebildet, Stadt Motto Es ist toll, wie die Kandidatinnen für ihr Ziel kämpfen. Soziales und familiäre Umfeld Hendrik besucht ein naturwissenschaftliches Gymnasium und wohnt mit seinen Eltern und seinen beiden jüngeren Geschwistern in einem Haus am Stadtrand. Er übernimmt viel Verantwortung für seine Geschwister, bringt diese morgens in den Kindergarten und verbringt auch nach der Schule viel Zeit mit ihnen. Er hat viele Freunde und versteht sich mit diesen sehr gut. Zu seinen Eltern hat er ebenfalls ein gutes Verhältnis. Allgemeine Mediennutzung Hendriks Lieblingsmedium ist sein Computer mit Internetzugang. Er nutzt das Internet zur Recherche für Schulaufgaben, zur Information über Aktuelles aus dem Sport, zur Kommunikation mit FreundInnen über die Kontaktplattform Facebook, für Onlinespiele und manchmal surft er auch nur ziellos herum. Hendrik ist davon überzeugt, dass Lesen wichtig für den Erwerb von Allgemeinbildung ist. Daher zwingt er sich dazu, regelmäßig die Zeitung oder ein Buch zu lesen, auch wenn er dazu nicht immer Lust hat. Das Handy ist Hendriks ständiger Begleiter; wenn er unterwegs ist, nutzt er es auch häufig als Radio. Er hat auch einen eigenen Fernseher in seinem Zimmer, seine Lieblingsserien sind Die Simpsons und Mein cooler Onkel Charlie. Hendrik sieht auch gerne MusikCastingshows wie Deutschland sucht den Superstar und manchmal sieht er sich gemeinsam mit Freunden Germany’s Next Topmodel an. Medienumgang in der Gleichaltrigengruppen Familie und im Kontext von Freunden und Manchmal sieht Hendrik gemeinsam mit seinen Eltern einen Film. Dann sprechen diese auch viel über die Inhalte, analysieren die Protagonisten oder diskutieren mit ihrem Sohn die Handlung des Filmes. Mit seinen Freunden sieht Hendrik selten gemeinsam fern. Hin und wieder trifft er sich aber mit ihnen, um sich gemeinsam Germany’s Next Topmodel anzusehen. Dann genießen es die Jungen, die Show zu kommentieren, zu analysieren und Kandidatinnen zu beurteilen. Castingshows im Allgemeinen Hendrik sieht vorrangig Musik-Castingshows wie Starmania und Deutschland sucht den Superstar. Aber auch der Model-Castingshow Germany’s Next Topmodel wendet er sich regelmäßig zu. Im gefällt die Show sehr gut, allerdings gerät er oft in einen Konflikt, da diese zeitgleich zu seinen Lieblingsserien läuft. Model-Castingshows Bei Germany’s Next Topmodel faszinieren ihn vor allem die Kandidatinnen, obwohl er nie eine spezielle Favoritin hat. Für Hendrik ist es unterhaltsam und beeindruckend zugleich, die jungen Frauen bei der Bewältigung der an sie gestellten Aufgaben zu beobachten. Besonderen Gefallen findet er an der Jury; gemeinsam mit FreundInnen hat er die Situation der Bewertung der Kandidatinnen sogar schon einmal nachgespielt. Es fasziniert ihn, dass die Kandidatinnen „mit Herz und Seele bei ihrem Beruf“ sind und alles dafür geben. Er findet es gut, dass mit den jungen Frauen „hart ins Gericht gegangen“ wird, weil diese seiner Meinung nach dadurch lernen, worauf man als professionelles Model zu achten hat. Er ist davon überzeugt, dass es in der Model-Castingshow nicht lediglich um gutes Aussehen sondern vor allem um Leistung geht. Gemeinsam mit FreundInnen hat Hendrik schon einmal eine ModelCastingshow nachgespielt und fungierte dabei als Jurymitglied. S e i t e | 117 „Ja, wir haben dann geschaut und bewertet je nachdem was sie gemacht haben, ob es gepasst hat, ob es lustig war, was mir aufgefallen ist, ob es gut war und ob es derjenigen Person selber Spaß gemacht hat.“ Hülya 15 Jahre, formal niedriger gebildet, Stadt Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Motto Hendrik achtet sehr auf sein Aussehen persönlich. Es ist ihm wichtig, gepflegt aus dem Haus zu gehen und einen guten Eindruck zu machen. Ganz besonders stört ihn seine unreine Haut und er versucht alles um diesem Problem Herr zu werden. Auch wenn es ihm wichtig ist, gut auszusehen, ist er davon überzeugt, dass eine attraktive äußere Erscheinung nicht zwangsläufig zu beruflichem Erfolg führt. Wenn Germany’s Next Topmodel läuft, möchte ich keine Sekunde verpassen. „Also, wenn zum Beispiel eine Frau sehr gut ausschaut, aber in der Schule nicht so gut ist. Eine andere, nicht so attraktive Frau aber gute Noten hat, dann interessiert das deinen Chef mehr, wer von den beiden die bessere Leistung hat.“ Vorbilder/Idole aus den Medien Auch wenn Hendrik betont, sich persönlich kein Vorbild an Germany’s Next Topmodel zu nehmen, findet er, dass die Kandidatinnen anderen Jugendlichen ein gutes Vorbild im Hinblick auf deren Leistungen, deren Kritikfähigkeit, deren Disziplin sowie deren eisernen Willen sein könnten. Zusammenfassung Hendrik fühlt sich in seiner Familie sehr wohl und übernimmt auch viel Verantwortung für seine jüngeren Geschwister. So scheint es auch nicht ungewöhnlich, dass er sich zuweilen mit der Figur des Charlie aus Mein cooler Onkel Charlie identifiziert. Er wirkt sehr zielstrebig und ist bereit, sich entsprechend einzusetzen, um in der Schule sowie später im Beruf erfolgreich zu sein. Deshalb faszinieren ihn an Germany’s Next Topmodel vor allem der Einsatz der Kandidatinnen sowie deren Fähigkeit, mit harter Kritik umzugehen. Die ModelCastingshow dient ihm als gutes Beispiel dafür, was man für eine erfolgreiche berufliche Karriere mitbringen muss. Soziales und familiäres Umfeld Hülya kommt aus einer eher bildungsfernen Familie mit türkischem Migrationshintergrund. Sie besucht derzeit die Hauptschule und strebt danach eine Lehre als Einzelhandelskauffrau an. Sie wohnt gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren drei Schwestern in einer kleinen Wohnung in einem sozial schwierigen Stadtteil. Hülya hat zu Hause keine Rückzugsmöglichkeit und teilt sich mit ihrer Mutter ein Zimmer. Sie ist für ihr Alter etwas frühreif und hat deshalb auch große Probleme mit ihrer Mutter, der es – so hat es nach Hülyas Schilderungen den Anschein – am liebsten wäre, das Mädchen würde die Wohnung gar nicht verlassen. So besucht sie beispielsweise heimlich das Jugendzentrum und schleicht sich davon, um sich im Park mit Freundinnen zu treffen. Grundsätzlich fühlt sich Hülya aber zu Hause wohl. Allerdings erhält die Familie regelmäßig Besuch von Verwandten aus der Türkei, was für das Mädchen offenbar eine besondere Belastung ist, da dann von ihr erwartet wird, sich sehr traditionellen Vorstellungen, wie sich eine junge Frau zu verhalten hat, anzupassen. Hülya lebt jedoch das Leben eines modernen weiblichen Teenagers und auch aus dem Kreis ihrer Freundinnen, die zum Teil ebenfalls aus migrantischen Familien stammen, ist sie derart traditionelle muslimische Ansichten nicht gewöhnt. Hülya versteht sich nicht sonderlich gut mit ihren MitschülerInnen, dafür hat sie drei sehr enge Freundinnen, die sie regelmäßig trifft und mit denen sie auch über alles reden kann. Sie hat auch schon einen festen Freund, mit dem sie aber nicht über Probleme sprechen würde. Allgemeine Mediennutzung Das Handy ist für Hülya das wichtigste Medium; sie nutzt es in erster Linie, um mit ihren FreundInnen in Kontakt zu bleiben. Sie hat einen eigenen Fernseher und sieht täglich ca. eine Stunde fern, oft bedient sie sich aber auch des Internets, um S e i t e | 118 verpasste Sendungen nachzuholen. So verfolgt sie im Internet etwa eine türkische Show, die wöchentlich Mittwochvormittag läuft und die sie versäumt, da sie zu diesem Zeitpunkt in der Schule ist. Sie holt auch häufig über YouTube verpasste Folgen von Germany’s Next Topmodel und Deutschland sucht den Superstar im Internet nach und recherchiert regelmäßig auf der Website von Germany’s Next Topmodel oder über Google nach zusätzlichen Informationen zur Show (z.B. Bilder der KandidatInnen, Schminktipps etc.). „Die zeigen auch im Google glaub ich von ihnen [den Kandidatinnen, Anm. d. A.] die Gesichter richtig wie die den Make-up und so gemacht haben. Das schauen wir uns auch manchmal an.“ „In der Werbung oder so ruf ich dann meine Freundin an und sag „boah, das war jetzt voll geil und so“ und wenn die Werbung wieder vorbei ist, dann legen wir gleich wieder auf. […] Während der Sendung schreibe ich aber keine SMS oder so, da steigere ich mich richtig rein. Weil wenn ich zwischendurch SMS schreibe, dann bekomme ich das alles nicht mit, was sie reden.“ Manchmal übernachtet Hülya auch bei einer ihrer Freundinnen, um sich gemeinsam Germany’s Next Topmodel anzusehen. Aber auch da möchte sie jede Sekunde der Show intensiv mitverfolgen und lässt sich nur in den Pausen durch Gespräche ablenken. Medienumgang in der Familie Castingshows im Allgemeinen In der Gruppendiskussion gibt Hülya an, dass in ihrer Familie selten gemeinsam ferngesehen wird und wenn, dann nur türkische Sendungen gemeinsam rezipiert werden. Im Einzelinterview erzählt sie jedoch farbenreich, wie Germany’s Next Topmodel zu einem wöchentlichen Fixtermin in der Familie wird, wie alle gemeinsam vor dem Fernseher sitzen und sich jede eine Lieblingskandidatin aussucht, um mit ihr mitzufiebern und dass letztendlich auch Wetten auf die Gewinnerin abgeschlossen werden. Dass sie dies im Rahmen der Gruppendiskussion nicht erwähnt, könnte darin liegen, dass sie sich den Äußerungen der anderen DiskussionsteilnehmerInnen anpassen will oder befürchtet, die männlichen Diskussionsteilnehmer würden sich darüber lustig machen. Hülya findet generell großen Gefallen an Castingshows, ihre Lieblingssendung ist jedoch Germany’s Next Topmodel. Im Gegensatz zur Musik-Castingshow Deutschland sucht den Superstar, die sie sich ebenfalls regelmäßig ansieht, findet sie die Model-Castingshow viel ernster und realistischer. Zudem kritisiert sie heftig Dieter Bohlens Aussagen und dessen Umgang mit den KandidatInnen; die Anmerkungen der Jury von Germany’s Next Topmodel sind in ihren Augen jedoch fair und angebracht. Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Aber nicht nur Hülyas Familie sondern auch ihre Freundinnen finden sich jeden Donnerstag vor dem Fernsehgerät ein, um sich Germany’s Next Topmodel anzusehen. Für Hülya und ihre Freundinnen dient die Model-Castingshow häufig als Gesprächsthema und als Anknüpfungspunkt für weitere Unterhaltungen über Mode, Make-up und Schönheitsideale. Die Mädchen nutzen auch gerne die Werbepausen, um sich über die aktuellsten Geschehnisse in der Show auszutauschen. „DSDS mag ich nicht so, weil der Dieter voll gemein ist. Er ist echt voll gemein und sagt jedem die Meinung voll heftig. Er ist halt so negativ, so „schau wie du aussiehst“ und so. Das find ich nicht gut von ihm.“ Die österreichische Model-Castingshow Austria’s Next Topmodel ist für Hülya nicht von Bedeutung, da in ihren Augen nur die deutsche Variante „echt“ ist und weder die Moderatorin Lena Gercke noch die österreichischen KandidatInnen ihr Interesse wecken. Model-Castingshows Germany’s Next Topmodel ist aus Hülyas Leben nicht mehr wegzudenken. Es ist ihr wichtig, keine Sendung zu verpassen und stets über alle Details informiert zu sein. Zu diesem Zwecke recherchiert sie auch im Internet nach Hintergrundinformationen zu den Kandidatinnen und zur Show. Sie versetzt sich S e i t e | 119 intensiv in die Rolle der angehenden Models hinein und erlebt deren Umgang mit den jeweiligen Herausforderungen wie etwa die Kritik der Jury emotional stark mit. Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter hat und sich von dieser in ihren Problemen und vor allem auch in ihrem Wunsch, abzunehmen, nicht verstanden fühlt. „Ja da werde ich auch voll nervös, ob die jetzt was Positives oder Negatives sagen.“ Neben der „emotionalen Unterstützung“ schaut sich Hülya auch Mode-, Frisur- und Schminktipps aus der Castingshow ab und versucht diese im Rahmen ihres eigenen Stylings umzusetzen. Zu Beginn jeder Staffel wählt sie eine Lieblingskandidatin mit der sie besonders intensiv mitfiebert, in der Hoffnung, diese würde als Gewinnerin hervorgehen. Sie hat Mitleid, wenn die KandidatInnen zu scharf kritisiert werden und bewundert deren Stärke. „Ja, Mitleid hab ich mit denen und mir würd‘s auch voll schlimm gehen. Ich würd auch total anfangen zu heulen, das ist schon irgendwie voll ein Druck.“ Dennoch ist sie davon überzeugt, dass diese harte Kritik gut und wichtig ist, damit die jungen Frauen lernen, sich in der Model-Branche zu behaupten. Die KandidatInnen sind ein großes Vorbild für Hülya und sie versucht sich ein Beispiel daran zu nehmen, wie man mit dieser Art von Kritik umgeht. Hier findet Hülya auch einen direkten Anknüpfungspunkt an ihre persönliche Lebenswelt, denn sie leidet darunter, etwas übergewichtig zu sein und somit nicht dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen. Besonders hart hat sie dabei getroffen, dass sie bei einer ärztlichen Routineuntersuchung auf ihr Gewicht angesprochen wurde. Als Folge dessen hat sie sich fest vorgenommen, Sport zu betreiben und abzunehmen. Sie sucht und findet dafür eine emotionale Unterstützung in einer para-sozialen Interaktion mit den KandidatInnen von Germany’s Next Topmodel. Sie bewundert nicht nur die scheinbar emotionale Stärke dieser jungen Frauen sondern auch deren extreme Selbstdisziplin und die sogenannte „harte Arbeit an sich selbst“, die für eine möglichst perfekte Anpassung an die durch die Jury kommunizierten Schönheitsideale steht. An Heidi Klum begeistern sie vor allem deren „mütterliche Qualitäten“, das heißt die Art und Weise wie diese in Hülyas Augen versucht, den jungen Frauen auf ihrem Weg zu einem perfekten Model beizustehen. Diese Lesart von Klums Verhalten wird unter anderem auch dadurch unterstützt, dass Hülya kein gutes Hülya könnte sich ebenso gut eine Model-Castingshow für Männer vorstellen, wenngleich sie einräumt, dass sich junge Männer gemäß ihrer Einschätzung niemals einen derartigen Casting-Prozess und eine entsprechende Zur-SchauStellung ihrer Fähigkeiten bzw. auch Schwächen gefallen lassen würden. Schönheit alleine ist jedoch nicht alles was für Hülya zählt. In ihren Augen muss sich ein perfektes Model auch durch die Fähigkeit der Kooperation und eines angemessenen Umgangs mit ihren Konkurrentinnen auszeichnen. So äußert sie sich beispielsweise auch negativ über eine Kandidatin aus einer der früheren Staffeln von Germany’s Next Topmodel, die eher unangepasst war und oft Streit suchte. „Ich war so wütend auf sie. Ja, weil sie jedes Mal jeden voll schlagen wollte, weil sie glaubte, dass sie die beste ist. Aber die Jury hat dann immer gesagt, dass sie die schlechteste ist. Und dann ist sie immer so aggressiv geworden.“ Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Die Auseinandersetzung mit Schönheit und Schönheitsidealen ist für Hülya ein ambivalentes Thema, da sie sich in ihrem Körper nicht wohl und von den gängigen Idealen eines schlanken und durchtrainierten Körpers überfordert fühlt. Als dieses Thema in der Gruppendiskussion angesprochen wird, geht sie sowohl verbal als auch nonverbal in eine extreme Verteidigungshaltung und fühlt sich persönlich kritisiert. Interviewerin: Und wie findet ihr es generell, wenn z.B. die Heidi sagt, dass die Mädchen auf ihre Figur achten sollen? Hülya: Überhaupt nicht gut, nein! Da kann man Essstörungen kriegen. Aber ich glaube Leute, die Essstörungen bekommen, wenn sie den Rat von S e i t e | 120 der Heidi befolgen, sind ja wirklich Leute, die ohnehin schon wenig Selbstbewusstsein haben. Sie glauben von vorne herein nicht an sich selbst! Jedes Mädchen, das glaubt, es passt schon wie sie ist, die lässt sich sowas nicht so schnell einreden! Vor allem nicht von einer einzigen Person! Also ich wäre nicht so! Im Einzelinterview vermittelt Hülya einerseits den Eindruck, für sie wären ein gutes Aussehen und ein schlanker Körper ein wichtiger Faktor für beruflichen Erfolg, was sie indirekt auch durch die Kritik an ihrer Figur in ihrer unmittelbaren sozialen Umwelt vermittelt bekommt. So versucht sie beispielsweise auch gar nicht von einer eigenen Model-Karriere zu träumen, da sie sich selbst nicht die nötige Energie zutraut, um auch wirklich entsprechend abzunehmen. Interviewerin: Es gibt aber auch mollige Models, die z.B. spezielle Kleidung für stärkere Frauen präsentieren. Hülya: Was? Wirklich? Das hab ich ja gar nicht gewusst! Das wär ja voll geil! Andererseits betont sie aber auch, dass ihr vor allem innere Werte in der Beurteilung eines Menschen wichtig sind und sie davon überzeugt sei, dass man auch dann beruflich und privat erfolgreich sein könne, wenn man nicht zu 100% den gängigen Schönheitsidealen entspricht. Damit versucht sie auch sich selbst und ihre persönliche Erscheinung zu rechtfertigen. Dennoch wirkt diese Argumentation aus ihrem Mund wenig überzeugend, da sie die medienvermittelten Schönheitsideale stark verinnerlicht hat. So beginnt sie beispielsweise die Beschreibung ihres Traummannes mit einem kurzen Halbsatz dazu, dass dieser einen guten Charakter haben sollte und beschreibt dann im Detail einen großen, schlanken, durchtrainierten Mann mit „Sixpack“. Zusammenfassung Hülya befindet sich derzeit in einer schwierigen Lebensphase. Einerseits fühlt sie sich in ihrem Körper nicht wohl, weil sie etwas kräftiger ist. Andererseits hat sie zurzeit auch große Differenzen mit ihrer Mutter. Die Rezeption der ModelCastingshow Germany’s Next Topmodel hat in ihrem Leben einen zentralen Stellenwert; sie versucht darin auch Hilfestellungen für den Umgang mit den Herausforderungen ihres Alltags zu finden. Dies geht über einfache Anleihen in Form von Mode- und Schminktipps oder die Kommunikation in der Peer Group hinaus. Sie versetzt sich intensiv in die Rolle der Kandidatinnen und lebt alle Höhen und Tiefen, die diese im Rahmen der Show durchmachen, emotional mit. Sie identifiziert sich mit diesen Frauen, die durch para-soziale Interaktion ein fixer Bestandteil ihrer Lebenswelt werden, und versucht wie diese oder gemeinsam mit ihnen - wie es Heidi Klum ausdrückt - „an sich zu arbeiten“ und durch entsprechende Selbstdisziplin abzunehmen. An der Figur Heidi Klum liebt sie vor allem, deren mütterliche Seite sowie deren Zuwendung und Mitgefühl für die Kandidatinnen, was sie offenbar in ihrem eigenen Leben seitens ihrer Mutter vermisst. S e i t e | 121 Lisa 16 Jahre, formal höher gebildet, Stadt Motto Die Mädchen sind einfach toll! Soziales und familiäres Umfeld Lisa ist eine 16-jährige Gymnasiastin, die mit ihrer Mutter und mit ihrem 12jährigen Bruder in einer kleinen Wohnung in einem sozial schwierigen Stadtteil lebt. Ihre ältere Schwester ist bereits von zu Hause ausgezogen. Lisas Mutter hat Abitur und arbeitet als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei, zu ihrem Vater hat das Mädchen keinen Kontakt. Sie leidet sehr unter diesen Familienverhältnissen und wünscht sich nichts sehnlicher als eine perfekte und glückliche Familie. Sie verbringt deshalb auch viel Zeit mit einer Freundin, die in eher behüteten Verhältnissen aufwächst, um auch ein wenig von dieser Familienatmosphäre mitzubekommen. „Eine Freundin von mir, die hat so eine intakte Familie, die sind einfach perfekt. Da denke ich mir schon, das hätte ich irgendwie auch gerne.“ Mit ihrer Mutter versteht sich Lisa überhaupt nicht und sie wünscht sich, so schnell wie möglich in eine WG zu ziehen. Sie zieht sich zu Hause vor allem in ihr Zimmer zurück und versucht jeglichen Kontakt zu ihrer Mutter und zuweilen auch zu ihrem Bruder zu vermeiden. Lisas Traum von einer perfekten Familie beeinflusst in gewisser Weise auch ihren Berufswunsch: sie möchte Kindergärtnerin werden und mit Kindern in einer geschützten und heilen Umwelt arbeiten. Da sie aber die Anmeldefrist für die KindergärtnerInnenausbildung versäumt hat, besucht sie noch ein weiteres Jahr das Gymnasium, um im Anschluss daran in die gewünschte Schule zu wechseln. Lisa ist zwischen zwei (Bildungs-)Kulturen hin und her gerissen: Ihre formal höher gebildete Mutter schickt sie auf ein angesehenes Gymnasium. Lisa geht zwar sehr gerne zur Schule, weil sie sich mit ihren MitschülerInnen gut versteht, allerdings lernt sie nicht gerne und möchte daher die Schule wechseln. Sie leidet auch darunter, dass keine ihrer Schulfreundinnen in der Nähe wohnt und sie in ihrer Freizeit kaum Gemeinsames mit diesen unternehmen kann. In ihrer unmittelbaren Wohnumgebung trifft Lisa aber vor allem auf formal niedriger gebildete Jugendliche, mit denen sie sich aber ebenfalls gut versteht. Sie verbringt viel Zeit in einem Jugendzentrum, das stark von bildungsfernen migrantischen Jugendlichen frequentiert wird und fühlt sich dort sehr wohl. Dennoch erweckt Lisa den Eindruck, nicht so recht in dieses Umfeld zu passen. Das Mädchen hat keine feste Clique, jedoch einige, sehr verschiedene Freundinnen, an die sie sich auch entsprechend anpasst. So berichtet sie beispielsweise davon, dass sie unterschiedliche Probleme auch mit verschiedenen Freundinnen bespricht und sich ebenso in ihrem sonstigen Freizeitverhalten an die Freundinnen anpasst. Diese extreme Anpassung an die Umwelt zeigt sich auch in Lisas Verhalten in der Gruppendiskussion; zum Teil vertritt sie dort eine andere Meinung als im daran anschließenden Einzelinterview. Lisa erweckt insgesamt einen unsicheren Eindruck. Allgemeine Mediennutzung Lisas Aussagen zu ihrer allgemeinen Mediennutzung sind widersprüchlich, da sie sich –wie bereits angesprochen – in der Gruppendiskussion zum Teil an die Aussagen der anderen GesprächsteilnehmerInnen anpasst, um nicht negativ aufzufallen. So meint sie beispielsweise in der Gruppendiskussion, dass sie viel fernsehen und wenn überhaupt nur für die Schule lesen würde. Bei näherer Betrachtung sieht sie täglich nur etwa eine Stunde fern, da es in ihrer Familie lediglich ein einziges Fernsehgerät gibt, das sich im Wohnzimmer befindet. Will sie ihre Ruhe vor der Familie haben, muss sie sich entweder mit einem Buch oder mit Musik in ihr eigenes Zimmer zurückziehen. Dort liest sie entweder Liebesromane oder Zeitschriften für junge Mädchen und Frauen wie Glamour oder Jolie. In den Zeitschriften sprechen sie vor allem Mode- und Schminktipps sowie Interviews mit Stars an. Musik und Radio hört sie zur Entspannung oder als Untermalung im Hintergrund, da sie es nicht mag, wenn es in ihrem Zimmer zu ruhig ist. Das Internet nutzt Lisa sehr kommunikativ; zumeist schreibt sie Emails oder chattet über SchülerVZ, Facebook und Netlog. Es ist ihr wichtig, über Internet mit ihren FreundInnen verbunden zu sein. Obwohl sie einen eigenen Laptop hat, ist Lisa auch hinsichtlich des Internets von ihrer Mutter abhängig, da nur deren Rechner einen Internetanschluss hat. S e i t e | 122 Wenn Lisa Zeit findet, um ungestört von der Familie fernzusehen, sieht sie sich am liebsten Komödien oder Horrorfilme an. Wenn sie alleine zu Hause ist, sieht sie zur Entspannung auch mal länger fern und genießt es, das Fernsehgerät für sich zu haben. „Es gibt schon Tage, wo ich dann gleich drei Stunden vor dem Fernseher sitze und nur Süßigkeiten esse und nur fernsehe. – Und dann schau ich mir wirklich nur den allergrößten Blödsinn an. Das ist dann einfach so richtig entspannen.“ 93 Disaster Date und Germany’s Next Topmodel sind Lisas Lieblingssendungen und somit ihre wöchentlichen Fixtermine im Fernsehen. Unabhängig davon, ob sie alleine zu Hause ist oder nicht, plant sie ihren Alltag so, dass sie nach Möglichkeit keine Folge verpasst. Ihr ist es wichtig, bei diesen Sendungen immer auf dem neuesten Stand zu sein. Daher informiert sie sich auch im Internet über die aktuellsten Geschehnisse, falls sie einmal eine Folge verpasst hat, oder recherchiert nach zusätzlichen Informationen. Allerdings ist Lisa die Website von Germany’s Next Topmodel nicht bekannt; verpasste Folgen sieht sie sich primär über YouTube an. Medienumgang in der Familie Lisas Familie sieht nur selten gemeinsam fern, weil die Familienmitglieder sehr unterschiedliche Genrepräferenzen haben. Lisa zufolge sieht ihre Mutter am häufigsten fern; sie und ihr Bruder verbringen hingegen mehr Zeit im Internet. Gespräche über Medieninhalte finden kaum statt und auch sonst scheint sich in dieser Familie niemand für die Mediennutzung der anderen zu interessieren. Spezielle Regeln zur Mediennutzung existieren keine, wenngleich Lisas Fernsehnutzung durch die bloße Anwesenheit ihrer Mutter eingeschränkt wird, da 93 Disaster Date ist eine Reality-Show auf MTV, bei der Personen die Möglichkeit haben, sich an ihren FreundInnen in Form einer schrecklichen Verabredung mit einem/einer Unbekannten zu rächen. Diese unwissenden FreundInnen werden zu einem einstündigen „Date“ mit einem/einer SchauspielerIn geladen. Ziel ist es, die Unwissenden nach Strich und Faden fertig zu machen. Um auch tatsächlich die Schwachstellen des Opfers zu treffen, bekommt der/die SchauspielerIn entsprechende Anweisungen des „Racheengels“, der die Verabredung aus dem sogenannten „Control Room“ mitverfolgt. sich das Mädchen so gestört fühlt, dass sie lieber den Raum verlässt, um sich einem anderen Medium oder einer anderen Tätigkeiten zuzuwenden. Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Germany’s Next Topmodel ist stets ein wichtiges Gesprächsthema in Lisas Freundeskreis; regelmäßig wird über die Kandidatinnen und deren Verhalten in der Show sowie die Entscheidungen der Jury diskutiert. Auch die Kleidung der Kandidatinnen sowie Schminktipps sind ein wichtiges Thema in den Gesprächen zwischen Lisa und ihren Freundinnen. Lisas Freundinnen sind wie sie selbst „Expertinnen“ für Germany’s Next Topmodel und in den Schulpausen wird gerne fachgesimpelt. „Es waren schon oft so Modestrecken dabei, wo ich mir gedacht habe „Oh mein Gott, ist das grässlich!“ Am nächsten Tag erzähle ich das dann meinen Freundinnen und wir diskutieren darüber.!“ Germany’s Next Topmodel ist ein wöchentlicher Höhepunkt für Lisa und ihre Freundinnen. Oft treffen sie sich, um sich diese Sendung gemeinsam anzusehen. Castingshows im Allgemeinen Andere Castingshows abseits von Germany’s Next Topmodel findet Lisa nicht sonderlich interessant. Auch die österreichische Variante Austria’s Next Topmodel hat für sie keinen Reiz und kann auch nicht mit ihrer Lieblingsshow konkurrieren, da in ihren Augen nur die deutsche Show „das Original“ ist. Austria’s Next Topmodel findet sie „billig“ und „von Deutschland abgeschaut“; zudem kritisiert sie die Glaubhaftigkeit der österreichischen Jury sowie der Moderatorin Lena Gercke. Model-Castingshows Lisa bezeichnet sich selbst als Fan von Germany’s Next Topmodel. Sie nutzt diese Model-Castingshow, um sich über die aktuellsten Modetrends zu informieren und versucht entsprechende Anregungen in ihren persönlichen Kleidungsstil zu integrieren. Sie bewundert die Kandidatinnen und ist von deren Figur beeindruckt merkt jedoch an, dass nicht alle perfekt seien. Vor allem die Art und Weise, wie in Germany’s Next Topmodel suggeriert wird, dass „einfache Mädchen“ durch Disziplin und harte Arbeit zu Models werden, fasziniert Lisa besonders. Auf die S e i t e | 123 Frage, was die Kandidatinnen auszeichne, betont sie, dass Schönheit alleine nicht ausreichen würde, sondern vor allem Durchhaltevermögen, Disziplin, viel Kraft und Energie sowie die Fähigkeit, „an sich selbst zu arbeiten“ gefragt seien. Sie ist davon überzeugt, dass die Kandidatinnen der Model-Castingshow eine Vorbildwirkung auf andere Mädchen haben und meint, dass man sich viel Nützliches für das eigene Leben abschauen kann. Die Kandidatinnen sind für sie der Beweis, dass man durch Selbstdisziplin viel erreichen kann. Lisa und ihre Freundinnen leben stark mit den Kandidatinnen mit. Die Herausforderungen, vor die die Kandidatinnen gestellt werden, die damit verbundenen Gefühlslagen im Umgang mit Konkurrenz bei gleichzeitiger Kooperation, sowie der Umgang der Kandidatinnen mit der Kritik der Jury sind häufige Gesprächsthemen unter den Mädchen. Lisa beschreibt ihre Lieblingskandidatin der letzten Staffel von Germany’s Next Topmodel folgender Maßen: „Die war halt einfach total sympathisch. Ich meine, mit der haben wir uns irgendwie schon identifizieren können. Die war halt eben auch erst 16 und so naiv und halt total lieb und so. Und sie hat auch nicht immer gewusst, wie sie es am besten machen soll. Jeder hat sich immer total in sie hinein gefühlt, wenn sie von der Heidi fertig gemacht worden ist. Wir haben uns halt total identifiziert, weil sie halt auch in unserem Alter war.“ Lisa und ihre Freundinnen bewundern die Disziplin der Kandidatinnen und versuchen sich ein Vorbild daran zu nehmen. Sie spielen in den Schulpausen des Öfteren einzelne Szenen nach (z.B. das Laufen am Catwalk) und hatten auch schon einmal versucht, ebenfalls „an sich zu arbeiten“, sich gesund zu ernähren, gemeinsam regelmäßig laufen zu gehen und letztendlich gemeinsam abzunehmen. Allerdings hatten sie dies nicht lange durchgehalten; dadurch wurde ihre Bewunderung für die Kandidatinnen aber umso größer. Lisa: Wir haben halt mal wieder gemeinsam mit Freundinnen geschaut und da haben wir uns gedacht, so jetzt machen wir wie die da auch jede Woche gemeinsam Sport und so. Interviewerin: Ihr habt das also richtig durchgezogen? Lisa: Nein, nicht so richtig. Also wir haben es genau zwei Wochen durchgehalten mit unserem Sport und unserem Diätplan. Interviewerin: Was hattet ihr denn für einen Diätplan? Lisa: Ja einfach gesündere Ernährung halt und nicht so viele Kalorien. Interviewerin: Und wie war das so für euch? Lisa: Na es hat schon richtig Spaß gemacht so zusammen, aber wir haben es halt nicht geschafft. Interviewerin: Und waren die Kandidatinnen für euch ein Vorbild? Lisa: Ja, deshalb haben wir es ja auch gemacht, denn das waren ja eigentlich auch mal ganz normale Mädchen. Die kamen ja nicht von einer Modelagentur, sondern die wurden einfach so in ganz Deutschland gecastet. Und dann haben wir uns gedacht, jetzt nehmen wir auch ab. Also wenn die das schaffen, dann schaffen wir das auch. Also die ganze Show baut ja auf Schönheit und Glamour und so auf. Da haben wir uns halt gedacht, das ist schon cool. Aber wir haben es halt nicht geschafft. Also wir waren halt irgendwie nicht so stark wie die Mädchen in der Show. Die sind halt schon richtig voll diszipliniert die Mädchen. Heidi Klum ist für Lisa eher eine ambivalente Figur. Einerseits schätzt sie deren Erfahrungen als Model, andererseits findet sie Klum zuweilen zu streng und zu hart im Umgang mit den Kandidatinnen. Generell findet Lisa, dass die Jury oft zu hart und die Kritik an den Kandidatinnen unangebracht ist. „Also die Heidi macht manchmal einfach ganz dumme Bemerkungen, wo man sich wirklich denkt warum sie das jetzt sagen musste. Und dann gibt’s halt auch wieder so Zeiten, wo sie eigentlich ganz nett und lieb ist. Aber Kritik sollte einfach nur dazu da sein, damit man sich wirklich verbessern kann und nicht einfach nur blöd sein.“ Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit In Lisas Augen zeichnet sich eine attraktive Frau durch eine gute und wohlproportionierte Figur aus. Des Weiteren sollte eine Frau schöne, gepflegte S e i t e | 124 Haare und eine gute Ausstrahlung haben. Ihr Bild eines attraktiven Mannes entspricht in etwa dem medienvermittelten Schönheitsideal: groß, schlank, trainiert, sehr gepflegt und gut gekleidet. Lisa glaubt, dass man vor allem ein schönes Gesicht braucht, um als Model eine Chance zu haben. Sie selbst findet sich nicht attraktiv genug, um an einer ModelCastingshow teilnehmen zu können. Dennoch ist sie mit ihrem Aussehen relativ zufrieden. Ihr ist es sehr wichtig, auf ihre Mitschülerinnen einen guten Eindruck zu machen. Deshalb schminkt sie sich täglich und achtet besonders auf ihre Kleidung. Sie ist davon überzeugt, dass man es im Leben einfacher hat, wenn man schön ist. „Wenn man wirklich total hässlich ist, dann muss man sich eben schon irgendwie noch mehr anstrengen, um Leuten zu gefallen. Angenommen man kommt jetzt mit einer schlechten Blondierung und dunklen Ansätzen, dann könnt‘s schon sein, dass man es eben irgendwie schwieriger hat beim Arbeitgeber.“ Vorbilder/Idole aus den Medien Lisa hat kein spezifisches Vorbild aus den Medien, aber sie zeigt eine große Begeisterung für die Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel. Gerne wäre sie so hübsch wie diese jungen Frauen; sie bewundert ebenso deren Disziplin und das Durchhaltevermögen. „Also wenn man jetzt an eine bestimmte Kandidatin glaubt und wenn die wirklich viel Durchhaltevermögen hat und wenn man selbst nicht so ehrgeizig ist, dann kann man sich das schon irgendwie von der abschauen.“ Obwohl Lisa in der Gruppendiskussion abstreitet, gerne berühmt zu sein und betont, von eher von einem „ganz normalen Beruf und einem ganz normalen Leben“ zu träumen, räumt sie im Einzelinterview ein, doch gerne an einer ModelCastingshow teilnehmen und berühmt werden zu wollen. Allerdings findet sie sich dafür nicht attraktiv genug und glaubt, dass sie zu wenig Durchhaltevermögen hätte. Zusammenfassung Lisa lebt nicht einfach nur mit den Kandidatinnen mit, sondern versetzt sich intensiv in diese hinein. Die Kandidatinnen müssen sich an die Wünsche der Jury anpassen, massiver Kritik standhalten und dürfen nicht aus dem Rahmen fallen. Das Mädchen sieht darin Parallelen zu ihrer Lebenswelt: Sie ist sehr unsicher, in einer Phase der Identitätsfindung und damit konfrontiert, in der Schule ihre Leistung bringen zu müssen, was ihr nicht immer leicht fällt. Sie muss sich Kritik seitens ihrer LehrerInnen gefallen lassen und hat ebenso viele Konflikte mit ihrer Mutter. Lisa kostet es viel Energie, den Anforderungen ihrer Umwelt gerecht zu werden und sich in unterschiedlichen sozialen Kontexten entsprechend anzupassen. Sie weiß, wie es sich anfühlt, von Erwachsenen „fertig gemacht“ zu werden und identifiziert sich so stark mit den Kandidatinnen, wenn diese harte Kritik der Jury einstecken müssen. Sie nimmt sich ein Vorbild daran, wie die jungen Frauen mit dieser Kritik umgehen, welche Entbehrungen sie auf sich nehmen und wie sie hart daran arbeiten, um den Vorstellungen der Jury gerecht zu werden. Sie fühlt mit ihnen mit, weil sie selbst darum bemüht ist, den Anforderungen ihrer Umwelt zu entsprechen. Zudem nimmt sie die Prämisse der Model-Castingshow, durch Disziplin und Durchhaltevermögen zu beruflichem Erfolg zu gelangen, als Ansporn, um ebenfalls an der Erreichung ihrer Ziele zu arbeiten. Besonders beeindruckt Lisa, dass die Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel keine Profis sondern „normale Mädchen“ wie sie selbst sind. Dies unterstützt zusätzlich deren Identifikationspotential und lässt die jungen Frauen noch mehr zu Lisas Vorbildern werden. Ebenso ist Lisa davon überzeugt, dass es attraktive Menschen im Leben leichter haben. Daher ist es ihr auch wichtig, stets geschminkt und gut gekleidet aus dem Haus zu gehen. Entsprechende Anregungen für ihr Outfit findet sie ebenfalls in ihrer Lieblingssendung Germany’s Next Topmodel. S e i t e | 125 Martin 15 Jahre, formal höher gebildet, Stadt Motto Attraktive Menschen sind erfolgreicher Soziales und familiäre Umfeld Er lebt mit seinen Eltern in einem Haus am Stadtrand; sein älterer Bruder ist bereits von zu Hause ausgezogen. Er hat derzeit sehr viel Streit mit seinen Eltern und fühlt sich zu Hause genauso wenig wohl wie in der Schule. Er geht aufs Gymnasium obwohl ihn die Schule überhaupt nicht interessiert und er lieber Einzelhandelskaufmann im Modebereich werden möchte. Offensichtlich hatte er aber für die polytechnische Schule zu gute Noten und wurde daher von seinen Eltern ins Gymnasium geschickt. Seine Lieblingsbeschäftigungen sind Einkaufen oder im Kaffeehaus zu sitzen. Es ist ihm sehr wichtig, dem neuesten Schrei zu folgen. Daher achtet er nicht nur penibel auf seine Kleidung sondern auch auf wichtige „Accessoires“ wie beispielsweise ein topmodernes Handy mit allen möglichen Zusatzfunktionen. Martin hat eher einen kleinen Freundeskreis und bis vor kurzem war er auch in einer festen Beziehung. Er hat sich allerdings schon wieder neu verliebt. Allgemeine Mediennutzung Martins Lieblingsmedien sind das Handy, das Internet und das Fernsehen. Besonders wichtig ist ihm sein Smartphone, mit dem er im Internet surft, chattet und spielt, mit seinen Freunden in Kontakt bleibt und fernsieht. Martins Lieblingssender ist Pro 7, am liebsten sieht er Serien wie Scrubs, Mein cooler Onkel Charly, Grey’s Anatomy und Desperate Housewifes. Letztere ist seine Lieblingsserie, die er auch nie versäumt. Medienumgang in der Familie und in Gleichaltrigengruppen Martin sieht mit seinen Eltern nicht fern, da sie schon etwas älter sind als andere Eltern und andere Fernsehpräferenzen haben als er. Er spricht mit ihnen auch nicht über Medieninhalte. Insgesamt hat er zurzeit ein sehr schlechtes Verhältnis zu seinen Eltern und streitet sich oft mit diesen. Mit seinen Freundinnen spricht Martin in der Schule gerne über Desperate Housewifes. Castingshows im Allgemeinen Des Weiteren sieht er Germany’s Next Topmodel, Deutschland sucht den Superstar und Popstars. Dabei macht es ihm Spaß, die KandidatInnen zu beurteilen und seine Urteile mit den Aussagen der Jury zu vergleichen. Er lästert auch gerne über KandidatInnen, die nicht singen können. Model-Castingshows Martin ist davon überzeugt, dass im Fernsehen grundsätzlich vieles gespielt ist und glaubt daher, dass auch bei Germany’s Next Topmodel der Großteil reine Show ist und die Kandidatinnen nicht so gezeigt werden, wie sie wirklich sind. „Ja, ich denk mir so, da ist das meiste gespielt, weil sobald die Kameras an sind, fängst zum Spielen an, sobald sie aus sind, - zack – änder sich wieder alles. So denk ich mir das. Ich weiß nicht, ob‘s wirklich so ist, aber so denk ich mir das.“ Da sich Martin aber sehr für Mode interessiert und auch gerne einmal in der Modebranche arbeiten würde, verfolgt er diese Model-Castingshow jedoch sehr aufmerksam. Und trotz seiner Kritik an der Authentizität der Kandidatinnen, ist er davon überzeugt, dass die Jurymitglieder „immer die Wahrheit sagen“ und begründet dies mit deren fachlicher Kompetenz und Erfahrung im Modegeschäft. Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Er findet es nicht gut, wenn Mädchen den Vorbildern einer Model-Castingshow nacheifern oder deprimiert sind, wenn sie nicht genauso schlank wie die Kandidatinnen sind, und betont, dass es besser sei, seine persönlichen Stärken hervorzukehren und einen eigenen Stil zu finden. „Jeder Mensch ist sein eigener Typ. Jeder Mensch sieht anders aus und nur, weil sie nicht so aussieht [wie ein Model, Anm.d. A.] braucht sie sich jetzt nicht fertig machen.“ Dennoch beschreibt er eine attraktive Frau klassisch als groß, schlank und mit langen blonden Haaren und das männliche Pendant als groß, muskulös und S e i t e | 126 braungebrannt. Er selbst versucht diesem Idealbild zu entsprechen und schreckt auch nicht davor zurück, sich, wenn er älter ist, seine Nase operieren zu lassen, die ihm zu buckelig und ein Dorn im Auge ist. Taifun Mit Germany’s Next Topmodel und vor allem durch die Äußerungen der Jury fühlt er sich in seiner intensiven Beschäftigung mit dem Thema Mode und Schönheit bestätigt und in seinem Streben nach einem perfekten Erscheinungsbild legitimiert. Martin fühlt sich von anderen in seinem Aussehen bewundert und genießt dies sehr. Er ist davon überzeugt, dass es schöne Menschen im Leben leichter, „mehr Freundinnen und auch viel bessere Beziehungen“ hätten. Motto Vorbilder/Idole aus den Medien Martin meint, er habe keine Vorbilder, weder aus den Medien noch im realen Leben. Er hält sich insgesamt für perfekt und meint, dass er es nicht nötig hat, sich an irgendjemanden zu orientieren, da er seinen eigenen Stil haben will. Dennoch kann er sich sehr für Brad Pitt und dessen Aussehen begeistern. Zusammenfassung Martin fühlt sich weder zu Hause noch in der Schule richtig wohl. Sein Traum ist es aus dem Leben eines Gymnasiastern, das von Notendruck geprägt ist, auszusteigen und eine Lehre als Einzelhandelskaufmann in der Modebranche zu beginnen. Mode und Aussehen sind für ihn generell sehr zentrale Themen. Damit begründet er auch sein großes Gefallen an der TV-Serie Desperate Houesewirfes. In ModelCastingshows fasziniert ihn ebenso das Thema Mode und fühlt sich in seiner Rezeption darin bestätigt, dass ein gutes Aussehen der Schlüssel zum Erfolg ist. 17 Jahre, formal niedriger gebildet, Stadt Germany’s Next Topmodel als Anknüpfungspunkt zur Auseinandersetzung mit Männlichkeit, Weiblichkeit und dem eigenen Körper Soziales und familiäres Umfeld Taifun ist 17 Jahre alt und lebt mit seiner Mutter, zwei älteren Brüdern, einem jüngeren Bruder und seinen Großeltern in einer kleinen Wohnung in einem sozial schwierigen Stadtteil mit einem hohen Anteil an Migranten. Die Mutter erhält alleine die Familie, sein Vater ist verstorben. Taifun fühlt sich in seiner Familie wohl und versteht sich sehr gut mit seiner Mutter. Er betont, dass er mit seiner Mutter über alles reden könne. Taifuns Familie stammt ursprünglich aus Serbien und es ist ihm wichtig, über unterschiedliche Medien über sein Heimatland informiert zu bleiben. Nach zwei Jahren am Gymnasium musste Taifun in die Hauptschule wechseln und seit seinem Schulabschluss ist er arbeitslos. Dennoch möchte Taifun das Abendabitur machen und träumt davon, später einmal Rechtswissenschaft zu studieren. Taifun hat einen großen Freundeskreis und sechs engere Freunde, mit denen er sich täglich trifft. Mit seinem besten Freund kann er auch über all seine Probleme sprechen. Mit seinen Freunden trifft er sich zumeist im Jugendzentrum. Sie verbringen ihre Zeit damit, gemeinsam Shisha zu rauchen oder irgendwo etwas zu essen oder zu trinken. Allgemeine Mediennutzung Taifun hat einen eigenen Fernseher und sieht täglich circa drei Stunden fern. Das Fernsehen ist für ihn ein sehr wichtiges Medium, darauf würde er auch auf einer einsamen Insel nicht verzichten wollen. Er sieht gerne Sitcoms und Comedy-Serien auf seinem Lieblingssender Pro7. Seine Lieblingsserien sind Scrubs, How I met your Mother und Two and a Half Man. Er teilt seinen Tagesablauf bewusst so ein, dass S e i t e | 127 er zu Hause ist, wenn diese Serien laufen. Des Weiteren interessiert er sich für Klatsch und Sport, da dies oft ein Gesprächsthema innerhalb seines Freundeskreises ist. Taifun sieht sich auch des Öfteren unterschiedliche Castingshows an, besonders interessant findet er Germany’s Next Topmodel. Taifun verbringt ebenso viel Zeit mit dem Lesen. Er genießt es zu lesen, weil es ihn vom Alltag ablenkt und er sich dabei sehr gut entspannen kann. Taifun betont, dass er es vorziehe, eine Geschichte zu lesen, als sich diese als Film im Kino anzusehen, da er sich beim Lesen besser in die einzelnen Charaktere hineinversetzen könne. Auch das Internet ist für Taifun wichtig. Er ist sehr oft auf Facebook, um dort mit Freunden zu chatten oder Spiele zu spielen. Taifun spielt generell sehr viel, sei es am Computer oder auf der Spielkonsole (die Familie besitzt sowohl eine Playstation als auch eine X-Box mit entsprechend vielen Spielen). Das Radio ist führ ihn von untergeordneter Bedeutung. Medienumgang in der Familie Taifuns Mutter liest regelmäßig die Zeitung und der Junge nimmt sich manchmal daran ein Beispiel. Dennoch verbringt die Familie viel gemeinsame Zeit vor dem Fernsehgerät. Dabei rezipieren Taifun und dessen Brüder zusammen mit ihrer Mutter vor allem Sitcoms und Comedies auf Pro7. Taifuns Großmutter sieht sich gerne Gerichtshows an, die der Junge nicht sonderlich schätzt. Wegen dem Fernsehprogramm wird in der Familie kaum gestritten. Wenn es dennoch Uneinigkeiten gibt, weicht Taifun auf seinen eigenen Fernseher, der in seinem Zimmer steht, aus. Generell ist es Taifuns Mutter lieber, wenn ihr Sohn fernsieht anstatt mit Freunden in der Stadt herumzustreifen. Germany’s Next Topmodel wird ebenso zumeist im Familienkreis rezipiert. Dabei wählen alle Familienmitglieder eine persönliche Favoritin und hoffen, dass diese weiterkommt. In dieser Situation finden Gespräche über die Kandidatinnen und die Geschehnisse in der Show statt. Taifun schätzt dies als eine sehr entspannte Rezeptionssituation und als ein familiäres Gemeinschaftserlebnis. Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Taifun ist es wichtig, über die aktuellsten Neuigkeiten aus Film und Fernsehen informiert zu sein, da dies ein häufiger Gesprächsstoff in seinem Freundeskreis ist. Gerne vergleicht er die Eigenheiten und Erlebnisse seiner Freunde mit unterschiedlichen Stars oder mit Inhalten diverser Fernsehsendungen und spricht diese darauf an oder zieht sie damit auf. Castingshows im Allgemeinen Taifun ist ein regelrechter Fan des Formats Castingshow. Er kennt angefangen von Musik-Castingshows wie Deutschland sucht den Superstar, Popstars und Starmania über Model-Castinghows wie Austria’s Next Topmodel und Germany’s Next Topmodel bis zu Partner-Castingshows wie Bauer sucht Frau oder die Show Das Supertalent viele unterschiedliche Angebote. Das Supertalent sieht er sich gerne an, um sich über die KandidatInnen lustig zu machen, aber auch andere Castingshows verfolgt er regelmäßig. Er findet es nicht gut, dass – vor allem bei Musik- und Model-Castingshows – die einzelnen Staffeln seinem Empfinden nach zu schnell aufeinander folgen und die KandidatInnen dadurch zu schnell wieder aus der Öffentlichkeit verschwinden, um neuen Stars Platz zu machen. Wenn Taifun eine Sendung besonders gut gefällt, dann verlinkt er das Video mit seinem Facebook-Profil, um seine Freunde darauf aufmerksam zu machen. Model-Castingshows Taifun kennt zwar Austria’s Next Topmodel, präferiert aber die deutsche Version dieser Model-Castingshow zum einen, weil er mit seinem eigenen Fernseher den Sender Plus4 nicht empfangen kann, und zum anderen, weil er Germany’s Next Topmodel insgesamt besser findet. Bei Germany’s Next Topmodel hebt der Junge besonders hervor, dass „schöne Frauen mit gutem Charakter“ zusehen wären. Weniger gefällt ihm, wenn die Kandidatinnen zu emotional auf Kritik reagieren. „Sie übertreiben als wäre ein Komet auf die Erde eingeschlagen und ihre ganze Familie tot.“ Taifun sucht sich immer zu Beginn einer Staffel eine Kandidatin aus, die er gerne als Gewinnerin sehen würde, und verteidigt diese heftig gegenüber der Kritik anderer (etwa seiner Brüder oder seiner Freunde). In der vierten Staffel von Germany’s Next Topmodel (die aktuelle Staffel zum Zeitpunkt der Erhebung) war Sara Nuru seine Favoritin – unter anderem auch, weil sie als erste Kandidatin mit Migrationshintergrund als Gewinnerin hervorging. S e i t e | 128 „Ja, die war echt gut. Die hatte einen ganz guten Charakter, schönes Aussehen, guten Stil, wirklich echt … die war einfach perfekt!“ Ob die Kandidatinnen erfolgreich sind, hängt seiner Meinung nach in erster Linie von deren Aussehen ab. Er selbst achtet ebenfalls besonders auf deren Stil und Aussehen. Seiner Meinung nach müssen die Kandidatinnen starke Frauen und besonders gut in ihrer Rolle als Model sein, da sie ja keine „normalen Models“ sondern Topmodels werden wollen. Die Kritik der Jury findet Taifun passend, da die Jury-Mitglieder ihm zufolge besonders auf das Aussehen der KandidatInnen achten. Dies ist für Taifun ein zentrales Kriterium, um als Model erfolgreich zu sein. Mit seinen Brüdern und seinen Freunden spricht Taifun viel über Germany’s Next Tomodel, vor allem über jene Kandidatinnen, die sich in irgendeiner Form lächerlich machen. Taifun gibt in der Gruppendiskussion an, auch schon einmal Sequenzen aus Germany’s Next Topmodel nachgespielt zu haben und versucht zu haben, die Bewegungen der Models auf dem Laufsteg nachzuahmen. Von den überraschten Reaktionen der anderen Diskussionsteilnehmer lässt er sich dabei nicht verunsichern; er steht zu seiner Vorliebe für Model-Castingshows. Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Taifun ist überzeugt, dass die Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel eine Vorbildwirkung auf jugendliche Mädchen haben. Er ist sich nicht sicher, ob diese Vorbildwirkung als positiv oder als negativ zu bewerten ist, räumt aber ein, dass es seiner Meinung nach dem Ruf eines Mädchens schaden könne, wenn diese sich ähnlich kleiden würde wie die Kandidatinnen der Model-Castingshow. Für Taifun ist sein Aussehen ein großes Thema. Optisch wirkt er eher extrovertiert: er hat einen auffälligen Haarschnitt und schminkt sich ähnlich wie Bill Kaulitz, der Frontsänger der Gruppe Tokio Hotel. Auch seine Kleidung wirkt eher extravagant. Taifun ist jedoch klein und eher schmächtig und setzt daher alles daran, um breitere Schultern zu bekommen und auf diese Weise aus seiner Perspektive „männlicher“ zu wirken. Er treibt viel Sport, versucht viel zu essen, ist aber eher frustriert, dass er bislang noch keine sichtbaren Erfolge damit erzielen konnte. Gerne würde er seinem Vorbild Johnny Depp nacheifern. Er fühlt sich in seinem Körper nicht wohl und ist auch mit seinem Aussehen nicht zufrieden. Besonders stört ihn eine Narbe am Bauch. Taifun meint, dass sein Körper seine innerliche Befindlichkeit und seine innerliche Unzufriedenheit widerspiegeln würde. Seine Traumfrau ist Keri Hilson, eine US-amerikanische R&B-Sängerin. Besonders fasziniert ihn, dass sie schlank sei und eine gute Figur sowie ein „schönes Gesicht“ habe. Wie in der Beschreibung der Kandidatinnen der Model-Castingshows (z.B. Sara), setzt er dabei schönes Aussehen mit einem besonders guten Charakter gleich. Frauen sind seiner Meinung nach erfolgreicher im Beruf, wenn sie besonders attraktiv sind und die Aufmerksamkeit der männlichen Kollegen und Vorgesetzten auf sich ziehen. Er räumt allerdings ein, dass das für die betreffenden Frauen selbst nicht so angenehm sein könnte. Dennoch ist Taifun davon überzeugt, dass Schönheit ein wichtiges Kriterium für Erfolg ist. Vorbilder/Idole aus den Medien Taifun ist gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder ein Johnny Depp-Fan. Er bewundert dessen Stil und Aussehen und ist der Meinung, der Schauspieler sei ein Trendsetter. Taifun unterstreicht aber auch, dass ihn diese Eigenschaften alleine noch nicht zu einem Vorbild machen würden und betont besonders Depps schauspielerische Qualitäten. „Der Typ vertieft sich in Rollen, egal wo er drinnen ist, er macht’s perfekt. Man denkt er ist wirklich für diese Rolle geboren.“ Zusammenfassung Taifun wächst in einer Großfamilie auf und versteht sich sehr gut mit den anderen Familienmitgliedern. Das gemeinsame Fernsehen ist Teil des Familienrituals, das der Junge sehr genießt. So tauscht er sich auch gerne mit seiner Mutter und seinen Brüdern sowie mit seinen Freunden über Fernsehinhalte aus. Taifun ist ein Fan des Formats Castingshows, besonderen Gefallen findet er an Germany’s Next Topmodel. In jeder Staffel sucht er sich eine Favoritin aus, mit der er bis zum Schluss miteifert, und es ist ihm wichtig, in der Familie sowie mit seinen Freunden über Ereignisse aus dieser Model-Castingshow zu diskutieren. S e i t e | 129 Ein Grund warum er an Model-Castinghows einen derart großen Gefallen findet, ist das Thema „Schönheit und Schönheitsideale“, das in seiner derzeitigen Entwicklung eine große Rolle spielt. Er setzt sich intensiv mit seinem Körper und seinem persönlichen Aussehen auseinander und findet sich daher in gewisser Weise in den Model-Castingshows wieder. Er erachtet es als wichtig, an sich zu arbeiten und Kritik auszuhalten. So trainiert er auch selbst intensiv, um einen besser durchtrainierten Körper zu bekommen. Tom Man gewinnt den Eindruck, dass sich Taifun seiner sexuellen Orientierung noch nicht ganz sicher ist und sich diesbezüglich in einer Phase des Suchens und Ausloten befindet. Er wirkt äußerst androgyn, zuweilen auch weiblich. Dies ist ihm offensichtlich bewusst und so versucht er alles zu unternehmen, um „männlicher“ zu wirken. Vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, warum er sich zurzeit in seinem Körper nicht wohl fühlt. Tom lebt alleine mit seiner Mutter, einer formal niedriger gebildeten Bürokraft, in einem Stadtviertel mit einem hohen Anteil an Migranten. Nach abgeschlossener Hauptschule ist er auf der Suche nach einer geeigneten Lehrstelle und zurzeit arbeitslos. Toms Vater ist ein schwarzer US-Amerikaner, der für seinen Sohn unerreichbar in den Vereinigten Staaten lebt und dort mit einer anderen Frau eine Familie gegründet hat. Tom ist ein großer Junge mit deutlich sichtbarem afroamerikanischen Migrationshintergrund; in seinem unmittelbaren Umfeld ist er dadurch einzigartig. Es hat nicht den Anschein, dass er deswegen in seiner Umgebung gehänselt wird, dennoch deutet einiges darauf hin, dass es ihm nicht immer leicht fällt, mit seiner Andersartigkeit umzugehen. Für Tom ist die Identitätsfindung bzw. die Frage danach, wer er ist und wie er einmal sein möchte, von besonderer Bedeutung. In der Bewältigung dieser, für die Pubertät zentralen, Entwicklungsaufgabe leidet er besonders unter dem mangelnden Kontakt zu seinem Vater. Tom hebt seine Doppel-Staatsbürgerschaft (österreichisch – USamerikanisch) hervor und betont auch in seinem sonstigen verbalen und nonverbalen Verhalten, dass er Amerikaner ist. Für ihn ist alles toll, was in irgendeiner Weise in Verbindung zu den USA steht und er himmelt seinen unbekannten Vater an. Diese Vaterfigur scheint ihm die Lösung aller Dinge, auch seiner Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche bzw. zuvor seiner Probleme in der Schule (beinahe Suspendierung wegen unangemessenem Verhalten). Tom versucht sich als „amerikanischer Macho“ zu geben und unterstreicht dies durch auffälliges und (scheinbar) extrovertiertes Verhalten sowie durch permanentes Flirten und überhebliches Verhalten gegenüber Frauen. Er versucht dadurch sehr selbstbewusst zu wirken und betont auch in der Gruppendiskussion sowie im Einzelinterview, dass er sehr selbstbewusst sei. Bei näherer Betrachtung ist er jedoch äußerst unsicher. Er erzählt auch von regelmäßigen Stimmungsschwankungen und depressiven Phasen, in denen er über Probleme Auch wenn Taifun derzeit arbeitslos ist und bislang nach der Hauptschule keine Lehrstelle finden konnte, wirkt er im Gegensatz zu seinen Freunden nicht perspektivenlos: er möchte das Abitur nachholen und später einmal studieren. Langfristiger beruflicher Erfolg ist für ihn jedoch unabdingbar mit einem perfekten optischen Äußeren verquick 15 Jahre, formal niedriger gebildet, Stadt Motto Heidi ist perfekt – und ich hätte auch das Zeug zum Star Soziales und familiäres Umfeld S e i t e | 130 nachdenkt und sich vor der Außenwelt zurückzieht. Wenn er in diesen Phasen des Rückzugs von außen gestört wird, kann er sehr aggressiv werden und lässt seine innere Unzufriedenheit wahllos an anderen Menschen aus. Er weiß um diese Schwäche Bescheid, die ihm zuweilen auch Schwierigkeiten bereitet hatte, sich angemessen in der Schule einzugliedern. Deshalb ist er darum bemüht, sich in diesen Phasen bewusst Ruhe zu gönnen und sich zurückzuziehen, bis es ihm wieder besser geht. Da Tom arbeitslos ist, schläft er zumeist bis Mittag, um sich anschließend über Instant Messaging oder über die Chat-Funktion in Facebook mit Freunden zu verabreden. In der Regel trifft er sich mit diesen im Jugendzentrum. Gemeinsam essen sie dann Kebap, hören Musik, gehen ins Kino, rauchen Shisha und verbringen ihre Zeit im Park. Zweimal wöchentlich geht er zum Fußballtraining. Tom bezeichnet seinen Freundeskreis als groß (10 bis 15 Personen). Da es in seiner Clique offensichtlich strenge Regeln gibt, die laut Tom unbedingt eingehalten werden müssen, kann er nur mit wenigen Personen über persönliche Probleme sprechen. Tom weiß noch nicht genau, was er beruflich machen möchte und bewirbt sich daher auf verschiedene Praktika; dabei informiert er sich vorab gewissenhaft über die entsprechenden Firmen, da ihm dies wichtig erscheint. Die bislang erfolglose Arbeitssuche ist ein ständiges Streitthema zwischen ihm und seiner Mutter, abgesehen davon versteht er sich aber sehr gut mit ihr. Allgemeine Mediennutzung Das Handy ist für Tom ein permanenter Begleiter. Neben der ständigen Erreichbarkeit sind für ihn auch Handyspiele von Bedeutung. Das wichtigste Medium ist für ihn sein PC mit Internetanschluss, an dem er vor allem die vielen unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten schätzt. Tom ist viel auf Facebook um sich mit Freunden auszutauschen oder Spiele zu spielen, manchmal surft er auch nur ziellos herum. Seine tägliche Internetnutzung schätzt er auf zwei bis drei Stunden. Neben Onlinespielen spielt Tom ebenso gerne auf seiner Playstation, manchmal verabredet er sich mit seinen Freunden auch zu gemeinsamen Spiel-Turnieren. Er hat ein eigenes Fernsehgerät und sieht täglich circa drei Stunden fern. Er interessiert sich dabei für Comedys, Soaps und Telenovelas aber auch für Nachrichten, Reportagen und populärwissenschaftliche Sendungen wie Newtonoder nano. Am besten gefällt ihm die Comedy Alle hassen Chris, die auf seinem Lieblingssender Pro7 läuft. Musik hört Tom in erster Linie über seinen PC. Zumeist lässt er den Fernseher jedoch nebenbei laufen während er etwa an seinem PC sitzt oder Konsolenspiele spielt. Das Radio nutzt er ebenso wie Zeitungen eher selten. Wenn er Radio hört, dann in erster Linie englischsprachige Sender. Medienumgang in der Familie Manchmal sieht Tom auch gemeinsam mit seiner Mutter fern. Zuweilen entstehen dadurch Gespräche über Medieninhalte und Tom findet diesen Austausch interessant. „Sie [meine Mutter, Anm. d. A.] kennt Themen, die ich nicht kenne und wir reden dann immer darüber. Manchmal diskutieren wir auch.“ Es existieren keine expliziten Regeln im Hinblick auf Toms Medienumgang und der Junge berichtet über keine diesbezüglichen Differenzen. Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Tom interessiert sich für Nachrichtensendungen und spricht auch gerne mit anderen über diverse Berichte (z.B. über die Haiti-Katastrophe). Mit seinen Freunden spricht er allerdings in erster Linie über amüsanten Szenen aus diversen Serien oder Shows. Manchmal sind auch Model-Castingshows ein Gesprächsthema unter Toms männlichen Freunden. Dabei diskutieren sie über die jeweiligen Kandidatinnen, deren Aussehen sowie deren potentielle Chancen, als Siegerin hervorzugehen. Castingshows im Allgemeinen 94 Tom sieht sich regelmäßig Model-Castingshows an, die ihn offensichtlich mehr interessieren als Musik-Castingshows. Dieter Bohlen beurteilt er als Jurymitglied 94 Im Screening-Fragebogen gibt Tom an, nur manchmal Model-Castingshows zu nutzen, aber sowohl aus der Gruppendiskussion als auch aus dem Einzelinterview geht hervor, S e i t e | 131 von Deutschland sucht den Superstar sehr negativ, weil dieser oft verletzende Kommentare abgibt. Model-Castingshows An sich steht Tom der Castingshow Germany’s Next Topmodel ambivalent gegenüber, da seiner Meinung nach vieles nur gespielt ist (v.a. die Streitereien zwischen den Kandidatinnen), dennoch sieht er sich des Öfteren die Sendung an. Als Grund dafür gibt er an, dass ihm die Kandidatinnen gefallen. „Ja, wieso soll ich nicht schauen? Wenn mir eine gefällt, möchte ich wissen, ob sie Topmodel wird. Vielleicht lässt sich da ja auch mal ein Kontakt aufbauen.“ Austria’s Next Topmodel ist für Tom lediglich eine billige Kopie des (seiner Meinung nach) deutschen Originals. Auch gefallen ihm die deutschen Model-Kandidatinnen besser als die österreichischen. Die deutsche Moderatorin Heidi Klum findet Tom sympathischer und kompetenter als die österreichische Moderatorin Lena Gerke. I: Findet ihr, dass sie [Heidi Klum, Anm. d. A.] manchmal zu hart ist? Lisa: Also ich finde nicht, ich finde es perfekt von ihr. Tom: Aber sie hat auch schon mehr Erfahrungen wie die anderen. I: In wie fern? Tom: Die kennt sich eben aus in der Welt. Obwohl Tom Dieter Bohlens Verhalten als Jurymitglied von Deutschland sucht den Superstar kritisiert, findet er die Kommentare der Jury von Germany’s Next Topmodel in Ordnung und meint, die Kandidatinnen seien selber schuld, wenn sie Fehler machen und dafür kritisiert werden würden. Heidi Klum ist für ihn eine perfekte und begehrenswerte Frau; vielleicht hat er auch deshalb keine Einwände im Hinblick auf die Jury. dasser sich regelmäßig Germany’s Next Topmodel und auch hin und wieder MusikCastingshows wie Deutschland sucht den Superstar ansieht. Tom könnte sich vorstellen, sich auch einmal für eine Model-Castingshow zu bewerben und würde sich sogar Chancen auf einen Sieg ausrechnen. Es würde ihm Spaß machen, für ein HipHop-Magazin zu modeln. Für ihn gehört es aber zu einer Model-Laufbahn dazu, Entbehrungen auf sich zu nehmen und den Rat von ExpertInnen, wie etwa der Jury von Germany’s Next Topmodel, zu befolgen. „Ich würde auch mit den Konsequenzen leben, was ich dafür machen muss und dass ich die Idealmaße habe und zu einem Model werden kann. Denn wenn ich das will, wenn man das will, dann macht man das. Einige strapaziert das zu sehr, die machen das dann nicht.“ Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Tom ist der Ansicht, dass Germany’s Next Topmodel sowohl im positiven aber auch im negativen Sinne eine Vorbildfunktion für Mädchen haben könnte und betont dabei, dass er einen übertriebenen Schlankheitswahn verabscheut und er zu dünne Frauen eher abstoßend findet. „Jo, weil es gibt Leute, die halt mehr Gewicht haben, aber zu diesen passt das. Aber ich find nicht… – Also vorher siehst du die Models mit perfektem Körper und dann auf einmal dünn wie Solettistangerl. Mit denen kann man ja nichts anfangen. Also, Zahnstocher brauch ich nicht.“ Dennoch gefällt ihm die Mehrheit Kandidatinnen ebenso wie die Moderatorin Heidi Klum. Tom selbst achtet penibel auf seine äußere Erscheinung, trainiert regelmäßig im Fitnesscenter und es ist ihm wichtig, gut gekleidet zu sein. „Die Leute sind gewohnt, dass ich gut aussehe! Also wenn ich mal nicht so gut aussehen würde … ich weiß nicht … nein!“ Er spielt auch bewusst mit seinem Aussehen und kleidet sich je nach Situation (Schule, Ausgehen etc.) unterschiedlich oder rasiert sich beispielsweise, wenn er jünger wirken will oder eben nicht, wenn er einen älteren Eindruck machen möchte. Mit seiner Figur zeigt er sich zufrieden. S e i t e | 132 Tom ist davon überzeugt, dass ein gutes Aussehen auch für beruflichen Erfolg von Bedeutung ist. Er betont dabei aber ebenso, dass ein gutes Verhalten nicht zu vernachlässigen ist. Vorbilder/Idole aus den Medien Toms Vorbild ist der HipHop-Sänger Chris Brown und er versucht ihn in seinem Aussehen nachzueifern. Seiner Meinung nach ist dieser Sänger durch sein Aussehen, seine Musik, seine Art zu Tanzen und seine Berühmtheit für viele Frauen attraktiv und dies wünscht sich Tom ebenfalls. Er ist davon überzeugt, dass man es im Leben leichter hat, wenn man dem Schönheitsideal der Medien entspricht. Weitere Anknüpfungspunkte findet Tom bei unterschiedlichen Fußballspielern, denn auch er möchte sich durch sportliche Leistungen profilieren. Tom träumt in gewisser Weise vom Ruhm seines Vorbilds und würde sich in einer ähnlichen Rolle gefallen. Deshalb würde er sich auch für eine Model-Castingshow bewerben, wenn es einen entsprechenden Aufruf für männliche Bewerber gäbe. Jedoch betrachtet er die öffentliche Popularität auch kritisch und räumt ein, dass es eventuell anstrengend sein könne, sich als Star nicht mehr frei in der Öffentlichkeit bewegen zu können. Zusammenfassung Tom befindet sich in einer Phase der intensiven Selbstauseinandersetzung und Identitätsfindung und es fällt ihm schwer, sich mit sich selbst und mit seiner Umwelt zurecht zu finden. Seine Identifikationsfigur ist Chris Brown, ein afroamerikanischer Rapper, in dem er sich als Junge, der durch seinen afroamerikanischen Migrationshintergrund in einem sozial schwierigen Stadtteil auffällt, wieder findet. Tom hat Probleme sich in die Gesellschaft einzuordnen und eine Lehrstelle zu finden und hat noch keine genaue Vorstellung davon, wie sein zukünftiges Leben aussehen soll. Er träumt davon, wie Chris Brown berühmt und von Frauen begehrt zu werden. Ach wenn er manche Kritik gegenüber Germany’s Next Topmodel äußert, so verfolgt er diese Model-Castingshow regelmäßig. Er achtet dabei genau auf die Darbietungen der Kandidatinnen und die Kritik der Jury. Heidi Klum verehrt er. Wenn es eine ähnliche Castingshow für männliche Kandidaten gäbe, würde er mitmachen in der Hoffnung, auf diese Weise seinen Traum, berühmt zu werden, zu erfüllen. Um dies zu erreichen, wäre er dazu bereit, einiges zu opfern und „an sich zu arbeiten“, um die Anforderungen der Jury zu erfüllen und sich auf diese Weise wie sein Vorbild aus dem sozialen Prekariat hochzuarbeiten. S e i t e | 133 Valentina Medienumgang in der Familie 15 Jahre, formal höher gebildet, Stadt Die Zeit im Bild 1 sowie die davor ausgestrahlten Nachrichten aus dem Bundesland sind ein fixer Bestandteil des Familienalltags und werden täglich gemeinsam rezipiert. Dies hat Valentina, wie zuvor schon angedeutet, bereits in ihrer persönlichen Mediennutzung habitualisiert. Andere Sendungen werden in Valentinas Familie nicht gemeinsam genutzt und auch Gespräche über Medieninhalte finden eher selten statt. Motto Ich mag Germany’s Next Topmodel, aber ich würde mich nie so hineinsteigern wie andere Mädchen. Soziales und familiäres Umfeld Valentina ist 15 Jahre alt und wohnt gemeinsam mit ihren Eltern, ihrem 18-jährigen Bruder und ihrer Großmutter in einem großen Haus am Stadtrand. Sie kommt aus einer gutbürgerlichen Familie und besucht ein naturwissenschaftliches Gymnasium. Valentina geht gerne zur Schule und versteht sich gut mit ihren MitschülerInnen. Sie fühlt sich auch zu Hause sehr wohl und versteht sich gut mit ihrer Familie. Das Mädchen betont, dass sie in ihrer Familie über alles sprechen könne und dass ihre Eltern für alles offen seien. Allgemeine Mediennutzung Valentina teilt sich mit ihrem Bruder einen gemeinsamen Laptop mit Internetanschluss; des Weiteren hat sie Zugang zu einem Familien-PC, der ebenfalls mit Internet ausgestattet ist. Das Internet ist für sie von großer Bedeutung, da es ihr wichtig ist, sich mit ihren FreundInnen über Instant Messaging, SchülerVZ oder Facebook auszutauschen. Ihr Handy nutzt sie ebenfalls vorwiegend zur Kontaktpflege. Valentina entspannt gerne bei Musik, die sie sich zumeist aus dem Internet herunterlädt. Manchmal blättert sie in Zeitschriften für junge Frauen wie etwa Touch oder Inside, generell liest sie aber nicht besonders gerne. Das Fernsehen nutzt sie gerne zur Entspannung; demnächst wird sie auch einen eigenen Fernseher bekommen. Valentinas Lieblingssender ist ORF 1 an dem sie besonders schätzt, dass es keine Werbeunterbrechungen gibt. Während anderen Tätigkeiten wie etwa ihren Hausübungen nutzt sie auch gerne MTV als Geräuschkulisse im Hintergrund. Valentina sieht sich bewusst regelmäßig die Nachrichten an, weil sie über aktuelle Geschehnisse in und außerhalb Österreichs informiert sein möchte. Sie gibt an, keine spezielle Lieblingssendung zu haben, sieht aber häufig CSI und Germany’s Next Topmodel. Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Valentina unterhält sich mit ihren Freundinnen gerne über die Model-Castingshow Germany’s Next Topmodel. Die Mädchen informieren sich dabei gegenseitig, falls eine von ihren eine Sendung verpasst hat, und diskutieren häufig über die Auftritte der Kandidatinnen sowie die Entscheidungen der Jury. Castingshows im Allgemeinen Valentina sieht generell gerne Castingshows, Germany’s Next Topmodel hat es ihr aber besonders angetan. Sie teilt sich ihren Alltag danach ein, um diese Show wöchentlich mitzuverfolgen. Wenn sie eine Sendung verpasst hat, ist es ihr wichtig, dies über YouTube nachzuholen, da sie über den neuesten Stand der Dinge informiert sein möchte. Das österreichische Pendant Austria’s Next Topmodel schätzt sie überhaupt nicht, denn sie findet die Show nachgemacht und billig. Model-Castingshows Valentina interessiert an Germany’s Next Topmodel vor allem das Verhalten der Kandidatinnen und die Art und Weise wie diese mit den jeweiligen Herausforderungen umgehen. Manchmal fiebert sie mit einzelnen Kandidatinnen mit, zumeist geht sie aber auf kritischen Abstand und macht sich über die jungen Frauen lustig. „Es ist witzig anzusehen, wie sich manche zum Deppen machen.“ Valentina mag es überhaupt nicht, wenn die jungen Frauen ihre Emotionen zu offen zeigen und „hysterisch überreagieren“. Eine gute Model-Kandidatin zeichnet sich für Valentina durch die Fähigkeit aus, Kritik anzunehmen und konstruktiv damit umgehen zu können. Sie mag es überhaupt nicht, wenn eine Kandidatin S e i t e | 134 hysterisch reagiert. Des Weiteren erachtet sie es als wichtig, dass die jungen Frauen miteinander kooperieren und sich gut in die Gruppe einfügen können. „Ich habe das sehr klug gefunden, dass manche Freundinnen geworden sind obwohl sie Konkurrentinnen waren. Genauso wie es manche akzeptieren, dass sie rausgeflogen sind und manche nicht.“ Da sich Valentina generell für Mode interessiert, holt sie sich hin und wieder Schmink- und Styling-Anregungen aus der Model-Castingshow und probiert diese zu Hause aus. Grundsätzlich haben für sie aber weder die Kandidatinnen noch die Jurymitglieder eine Vorbildfunktion. Dennoch ist sie davon überzeugt, dass diese für andere Mädchen ein Vorbild sein könnten und dass man aus der Show lernen könnte, wie man mit Kritik umgeht Valentina gefällt die Jury von Germany’s Next Topmodel und zumeist kann sie die geäußerte Kritik gegenüber den Kandidatinnen auch nachvollziehen. Nur manchmal findet sie diese etwas zu hart. Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Valentina kritisiert jedoch, dass bei Germany’s Next Topmodel das Thema Schönheit und eine perfekte Figur zu haben im Zentrum steht und denkt, dass dies auch einen negativen Einfluss auf die RezipientInnen haben könnte. „Sie geben vielleicht eine Figur wieder, die man wollen würde. Aber viele Models machen das ernähren sich gar nicht gesund und machen auch frischen Luft sondern sie essen einfach gar nicht. Beispiel dran nehmen.“ eigentlich gerne haben so künstlich. Also, sie gar keinen Sport an der Da sollte man sich kein Auf die Frage, was für sie persönlich Schönheit ausmache, betont sie, dass eine gute Figur alleine für sie nicht das Wichtigste sondern primär der Charakter eines Menschen von Bedeutung sei. Dennoch beschreibt sie hübsche Frauen und Männer als „eher auf der schlankeren Seite“, unterstreicht aber gleichzeitig, dass sie einem übertriebenen Schlankheitswahn nichts abgewinnen könne. Zusammenfassung Valentina wächst sehr behütet in einem eher konservativ-bürgerlichen und bildungsnahen Umfeld auf. Sie hat im Hinblick auf die Beurteilung von und den Umgang mit Medien vieles aus dem Vorbild ihrer Eltern verinnerlicht. Sie sieht regelmäßig die Nachrichten im Fernsehen, weil dies ein fixer Bestandteil des täglichen Familienrituals ist, und gibt sich bewusst kritisch-reflektiert im Gespräch über Medieninhalte. Manche ihrer Antworten –beispielsweise im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit Schönheitsidealen – wirken eher wie ein Anpassen an eine vermeintliche soziale Erwünschtheit, sind aber dennoch glaubhaft vor dem Hintergrund ihres restlichen Verhaltens und ihrer Gesamterscheinung. Sie ist ein ruhiges, intelligentes und natürliches Mädchen, das gepflegt, aber bewusst nicht geschminkt ist. Es macht ihr Spaß, die Model-Castingshow Germany’s Next Topmodel mitzuverfolgen und sich darüber mit Freundinnen auszutauschen. Zuweilen fiebert sie mit einzelnen Kandidatinnen mit, aber sie steigert sich nie sonderlich hinein und hat auch keine Lieblingskandidatin. Sie interessiert es mehr das Verhalten der Kandidatinnen, deren Umgang mit unterschiedlichen Herausforderungen sowie deren Kooperation und gleichzeitigen Konkurrenzkampf zu beobachten und mit Freundinnen zu diskutieren. Auch wenn sie sich nicht als Fan bezeichnen würde, ist es ihr wichtig keine Sendung zu verpassen und immer am neuesten Stand zu sein. Ihr ist es aber wichtig, diese Model-Castingshow als reflektierte Beobachterin von außen mitzuverfolgen. S e i t e | 135 Einzelfälle Land Astrid 16 Jahre, formal höher gebildet, Land Motto Hauptsache ich kann mitreden. Soziales und familiäres Umfeld Astrid besucht eine höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe und wohnt gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem um ein Jahr jüngeren Bruder auf einem Bauernhof auf dem Land. Sie versteht sich sehr gut mit ihrem Bruder, der für sie ein wichtiger Ansprechpartner bei Sorgen und Problemen ist. Als wichtigste weibliche Bezugsperson bezeichnet sie ihre Mutter. Astrid ist in einer festen Beziehung und hat einen großen Freundeskreis, viele dieser Freunde sind allerdings deutlich älter als sie. Mit ihren MitschülerInnen versteht sie sich weniger gut, da sie anderthalb Jahre älter ist und gänzlich andere Interessen hat. Allgemeine Mediennutzung Astridliebt es ihren Alltag mit Musik zu untermalen; sie steht morgens mit dem Radiowecker auf, hört wo immer es ihr möglich ist über ihren MP3-Player Musik und wählt auch beim Ausgehen Lokale bewusst nach deren Musikangebot aus. Ebenso wichtig ist ihr eine gute Anbindung an das Internet, um über die Kontaktplattform Facebook oder über den Instant Messanger Skype mit ihren FreundInnen vernetzt zu sein. Astrid liest nicht gerne, nur selten blättert sie eine Zeitung durch, wenn ihr eine Schlagzeile ins Auge sticht. Das Mädchen besitzt ein eigenes Fernsehgerät, nutzt aber auch häufig den „Familienfernseher“ im Wohnzimmer. Sie nutzt das Fernsehen allerdings selten nebenbei sondern sieht sich bewusst einzelne Sendungen an; großen Gefallen findet sie vor allem an Telenovelas wie Anna und die Liebe, Schmetterlinge im Bauch und Verliebt in Berlin. Medienumgang in der Familie In Astrids Familie wird selten gemeinsam ferngesehen und auch Gespräche über Medien finden kaum statt. Allerdings spricht sie manchmal mit ihrer Mutter und ihrer Tante über Germany’s Next Topmodel; vor allem ihre Tante interessiert sich sehr für diese Model-Castingshow. Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Manchmal unterhält sich Astrid während des Kochunterrichtes mit Mitschülerinnen über Telenovelas sowie über Germany’s Next Topmodel. Über diese Gespräche ist sie auch schnell informiert, wenn eine Sendung verpasst hat. Castingshows im Allgemeinen Sie mag Daily Soaps mehr als Castingshows, nur Germany’s Next Topmodel sieht sie hin und wieder. Austria’s Next Topmodel sieht sie sich nicht an, es keiner ihrer Freundinnen sieht. Sie glaubt, dass dabei der Fokus mehr auf der Model-WG als auf der Show liegt. Model-Castingshows Da Astrids Freundinnen regelmäßig Germany’s Next Topmodel und Die Model WG rezipieren, verfolgt sie diese ebenfalls regelmäßig, auch wenn sie sich wenig mit diesen Fernsehangeboten identifizieren kann. Für Astrid geht es in Germany’s Next Topmodel in erster Linie um das Aussehen der KandidatInnen; nichts anderes entscheidet ihrer Meinung nach über deren Erfolg bzw. Misserfolg. Sie sieht dies kritisch und verweist dabei auf öffentliche Diskurse über Model-Castingshows Essstörungen. Die Kommentare der Jury sieht sie ebenfalls kritisch und findet die Behandlung der Kandidatinnen zum Teil unmenschlich. Interviewerin: Und wie findest du die Jury? Astrid:Zu unmenschlich. Ja, so zum Beispiel, wenn sie raus gehen und dann „ja, ich hab kein Foto für dich“. – Da kommt nie „es tut mir leid“ oder so. Warum machen die das nicht einfach ein bisschen sensibler, nicht einfach so BAM! S e i t e | 136 Von Heidi Klum ist Astrid besonders enttäuscht, da sie diese zum einen zu hart findet und zum anderen durch Brüche in deren Verhalten bzw. Image irritiert ist. „Die [Heidi Klum] ist nur mehr wie eine Maschine. Die hat gar nichts Menschliches mehr. Sie sagt zu einer, die 40 kg hat „Du bist zu dick“, da denk ich mir dann, „hä, bist bescheuert?“ Einerseits steht die Heidi Klum für schlank und schön sein und Schönheitsideale und so und dann macht sie wieder Werbung für McDonald’s. Das passt ja alles irgendwie nicht zusammen.“ Zudem ist Astrid davon überzeugt, dass Model-Castingshows einen negativen Einfluss auf die Persönlichkeit der Kandidatinnen haben. „Nein, ich glaub, die verändern sich so vom Persönlichen her total. Möchte ich, glaube ich, nicht. Die Castingshow verändert dich einfach. Du kommst nicht so heim wie du gegangen bist.“ Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Für Astrid zeichnen sich die Kandidatinnen durch eine große Selbstsicherheit sowie einen perfekten Körper aus. Sie findet es legitim, dass in der Model-Branche in erster Linie das Aussehen zählt. In der Beschreibung ihres Schönheitsideals hält sie sich sehr an medienvermittelte Bilder des dynamisch-durchtrainierten Mannes und der schlanken, wohlproportionierten Frau, wenngeich sie einräumt, dass niemand perfekt sein könne. Sie ist davon überzeugt, dass Frauen ihr Aussehen geschickt einsetzen sollen, um beruflich und privat erfolgreich zu sein. „Wenn da jetzt zehn Leute zur Tür hereinkommen, dann siehst du auch den als ersten an, der am besten aussieht und nicht den, der da in der Ecke steht und nichts sagt. Vielleicht hat der zwar den besten Charakter, aber eben nicht die Ausstrahlung.“ Astrid ist es wichtig, gut auszusehen; sie treibt auch regelmäßig Sport, um eine schlanke Figur zu haben. In ihrem Körper fühlt sie sich derzeit nicht so wohl, da ihre Brüste größer sind als die anderer Mädchen und sie sich daher permanent von Männern beobachtet fühlt. Vorbilder/Idole aus den Medien Astrid ist der Meinung, dass sich viele Mädchen an den Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel ein Vorbild nehmen und begründet dies damit, dass sie manchmal das Gefühl habe, ihre MitschülerInnen hätten keine eigene Meinung mehr bzw. würden nur mehr die Meinungen der Kandidatinnen oder der Jury vertreten. Dies würde für sie selbst jedoch nie in Frage kommen. Dennoch räumt sie ein, dass man sich den Fleiß und die Zielstrebigkeit der Kandidatinnen zum Vorbild nehmen könnte und betont dies als wichtige Eigenschaften, die man auch für das Berufsleben bräuchte. Praktisch findet Astrid aber die Schminktipps aus Germany’s Next Topmodel, auch wenn sie diese selbst nicht umsetzt. Zusammenfassung Für Astrid ist die Rezeption von Model-Castingshows nicht zentral, dennoch sieht sie regelmäßig Germany’s Next Topmodel, um mitreden zu können. Sie hat zwar einen großen Freundeskreis, gilt aber in der Schule eher als Außenseiterin und ist auch mit ihrem Aussehen nicht zufrieden. Daher sprechen sie Telenovelas wie Verliebt in Berlin mehr an als Model-Castingshows, da dort das Thema der „hässlichen Außenseiterin“ explizit behandelt wird. In Model-Castingshows sieht sie gängige Schönheitsideale bestätigt, die sie zwar an sich teilt, mit denen sie sich aber nicht identifizieren kann, auch wenn sie diesen gerne entsprechen würde. So nimmt sie sich auch bewusst kein Vorbild an den Kandidatinnen, obwohl sie deren Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen beeindruckt. S e i t e | 137 Denise Model-Castingshows 17 Jahre, formal höher gebildet, Land Denise findet Model-Castingshows zwar unterhaltsam, steht diesen aber sehr kritisch gegenüber und ist davon überzeugt, dass vieles inszeniert ist. Motto Bei Model-Castingshows ist alles inszeniert. Soziales und familiäre Umfeld Denise wohnt mit ihren Eltern, ihrer 18-jährigen Schwester und ihren Großeltern in einem Haus auf dem Land. Ihr 26-jähriger Bruder ist bereits von zu Hause ausgezogen. Sie besucht eine höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe, geht gerne zur Schule und versteht sich gut mit ihren MitschülerInnen. Sie hat sechs enge Freundinnen, mit denen sie viel Zeit verbringt. Ihre Hobbys sind Volleyball und Reiten. Allgemeine Mediennutzung Denise hat ihren I-Pod immer dabei und hört wo immer es möglich ist Musik. Das Internet nutzt zumeist abends vor dem Schlafengehen, um über Facebook mit ihren FreundInnen zu kommunizieren. Ihr Lieblingsmedium ist jedoch das Fernsehen, sie nutzt es in erster Linie zur Entspannung und zur Unterhaltung. Ihre Lieblingsserie ist Desperate Housewifes. Das Lesen dient Denise ebenfalls zur Entspannung; vor allem im Sommer genießt sie es, mit einem spannenden Buch in der Sonne zu liegen. Medienumgang in der Familie Denise und ihre Schwester sehen des Öfteren gemeinsam fern. Auch Castingshows rezipiert sie zumeist gemeinsam mit ihrer Schwester und manchmal leistet den Mädchen dabei auch ihre Mutter Gesellschaft. So ergeben sich in der Familie auch hin und wieder Gespräche über die KandidatInnen. Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Denises Mitschülerinnen sind allesamt große Fans von Germany’s Next Topmodel und so wird auch in der Schule viel über diese Model-Castingshow gesprochen. Um mitreden zu können, informiert sich Denise im Internet über die Show und ab und an sieht sie sich auch eine Sendung an. „Da wird viel gespielt. Weil ich denk‘ mir oft bei so Sachen, das kann man nicht wirklich so erleben. […] Es ist zum Beispiel so, dass immer eine abgestempelt wird wie sie ist, eine ist immer die, die immer nörgelt, die andere ist die, die gewinnen wird, weil sie so super ist. Die werden halt meiner Meinung nach nicht so dargestellt, wie sie wirklich sind. […] Man weiß nie, wie die wirklich sind, weil wenn die Kamera weg ist, dann weiß man nicht, wie sie sich dann verhalten.“ Denise vermutet auch, dass die Gewinnerinnen der Model-Castingshow bereits vorab feststehen und alles wie in einem Drehbuch genau durchgeplant ist. Trotzdem findet sie die Funktion der Jury und die Kritik an den Kandidatinnen ein wichtiges Element der Show. Allerdings missfällt es ihr, wenn die Protagonistinnen ihrer Meinung nach unnötig bloßgestellt werden. „Manchmal werden Leute bloßgestellt. Das finde ich nicht gut, also, das hat keiner verdient, dass er da so bloßgestellt wird.“ Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Denise ist es wichtig, ein gepflegtes Äußeres zu haben. Sie fühlt sich wohl in ihrem Körper und treibt regelmäßig Sport. Dabei geht es ihr aber in erster Linie darum, Spaß zu haben. Schönheit ist für sie nicht alles, sie legt auch großen Wert auf den Charakter eines Menschen. „Wenn jemand präsenter ist und sich gut kleidet und auch noch hübsch ist, dann zieht er mehr Aufmerksamkeit auf sich. Aber da kommt es dann auch wieder auf den Charakter drauf an, wenn der keinen guten Charakter hat, dann ist er ja auch wieder nicht beliebt, weil wenn, dann muss er ja schon nett sein.“ Vorbilder/Idole aus den Medien Für Denise haben die Kandidatinnen von Model-Castingshows keine Vorbildwirkung haben. Sie räumt jedoch ein, dass andere Mädchen durch die S e i t e | 138 Model-Castingshow eventuell dazu motiviert werden könnten, mehr Sport zu treiben. Dies würde sie gut finden, da sie selbst regelmäßig läuft, um fit zu bleiben. Zusammenfassung Denise ist eine selbstbewusste Jugendliche. Sie sieht gerne fern und rezipiert unter anderem auch Model-Castingshows, denen sie sehr kritisch gegenübersteht. Sie unterhält sich gerne mit ihren Mitschülerinnen über Germany’s Next Topmodel. Diese ist in ihren Augen allerdings wenig authentisch und wirkt auf sie bis ins kleinste Detail durchinszeniert. Daher können sie weder die Jurymitglieder noch die Kandidatinnen beeindrucken. Marcel 15 Jahre, formal niedriger gebildet, Land Motto „Gute Männer“ wissen, dass Frauen Kurven brauchen. Soziales und familiäre Umfeld Marcel besucht eine berufsbildende Schule und wohnt mit seinen Eltern und einem jüngeren Bruder in einem Haus am Land. Er hat ein eigenes Zimmer und fühlt sich zu Hause sehr wohl. Seine Familie ist ihm sehr wichtig. Marcel hat einen großen Freundeskreis und seine besten Freunde gehen mit ihm in die gleiche Klasse. Der Großteil ist in seinem Alter, manche sind etwas älter. Er kann mit ihnen sehr offen über seine Probleme – beispielsweise über Beziehungsthemen – sprechen. Nach der Schule treffen sich die Jungen häufig um mit ihren Mopeds herumzufahren oder Musik zu hören. Marcel besucht auch die Musikschule und lernt dort Schlagwerk. Allgemeine Mediennutzung Marcels Lieblingsmedium ist sein MP3-Player, der ihn überall hin begleitet. Ebenso wichtig ist ihm das Handy, da er jederzeit für seine FreundInnen erreichbar sein will. Marcel verbringt auch viel Zeit im Internet, wo er sich gerne Videos auf YouTube ansieht und sich über Facebook mit seinen FreundInnen austauscht. In seinem Zimmer befinden sich neben einem Computer mit Internetanschluss auch eine Spielkonsole und ein Fernsehgerät. Letzteres dient ihm oft als Hintergrundmedium und zur Überbrückung von Langeweile. Abends sieht Marcel jedoch regelmäßig fern. Er hat eine Vorliebe für Actionfilme, mag aber auch USamerikanische Comedyserien wie Scrubs und Malcolm Mittendrin. Hin und wieder sieht er sich auch Germany’s Next Topmodel an. Für das Lesen kann sich Marcel nicht begeistern; wenn er zu Hause eine Zeitung in die Finger bekommt, liest er aber manchmal den Sport- und den Lokalteil. S e i t e | 139 Medienumgang in der Familie Marcel sieht zumeist alleine fern, nur die Nachrichten rezipiert er regelmäßig gemeinsam mit seinen Eltern. Im Anschluss daran unterhält er sich gerne mit diesen über diverse Themen aus den Nachrichten. Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen In Marcels Freundeskreis wird selten über Model-Castingshows gesprochen. Zuweilen diskutiert er aber dennoch mit Jungen aus seiner Schule über die Leistungen der Kandidatinnen. Castingshows im Allgemeinen Er kennt unterschiedliche Castingshows und mag vor allem Deutschland sucht den Superstar. Dabei amüsiert er sich besonders über jene KandidatInnen, die nicht sonderlich gut singen. Model-Castingshows Germany’s Next Topmodel und Austria’s Next Topmodel sind ihm bekannt und hin und wieder sieht er sich diese auch an. Er fand die ersten Staffeln sehr interessant, mittlerweile hat er aber etwas Interesse daran verloren. Marcel ist es peinlich über die Show und das Aussehen der Kandidatinnen zu sprechen; im Einzelinterview zeigt sich aber, dass er sehr gut Bescheid weiß. In der ersten Staffel von Germany’s Next Topmodel hatte Marcel auch eine Favoritin: Lena Gercke, die spätere Gewinnerin. In der Regel gefallen ihm aber alle Kandidatinnen und es gibt keine, die er bevorzugen würde. Er ist davon überzeugt, dass die Kandidatinnen der Model-Castingshows die hübschesten des Landes sind, da diese seiner Meinung nach sonst nicht in der Show mitmachen dürften. Besonders beeindrucken Marcel die Disziplin und die Zielstrebigkeit der Kandidatinnen. Er hat davon gehört, dass die Kandidatinnen während der Show nur wenig Kontakt zu ihren Familien haben dürfen. Dies hat ihn sehr schockiert, da ihm persönlich der Kontakt zu seiner Familie sehr wichtig ist. Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Für Marcel muss ein attraktiver Mann gepflegt, schlank und vor allem durchtrainiert sein. Außerdem sollte er lustig und sympathisch wirken. Eine attraktive Frau beschreibt er zum Teil in Anlehnung an die Kandidatinnen der Model-Castingshows, jedoch gefällt es ihm nicht, wenn diese zu dünn sind. „Also, ein bisschen was zum Angreifen ist nicht schlecht, aber ja, da gibt’s eh so einen Spruch: Gute Männer wissen, dass Frauen Kurven brauchen, oder so. Also, wenn da so ein Salzstangerl da steht, das geht gar nicht. Es sollte schon ein bisserl was dran sein.“ Marcel ist davon überzeugt, dass man auch beruflich und privat erfolgreicher ist, wenn man attraktiv ist, und umgibt sich gerne mit gut aussehenden Personen. „Naja… nein, ich muss glaub ich schon zugeben, dass es so ist, dass ich gut aussehende da mehr mag, aber sonst, nein, da schränke ich mich nicht so ein.“ So legt er auch großen Wert auf sein eigenes Äußeres; es ist ihm vor allem wichtig, eine gute Frisur zu haben und modisch gekleidet zu sein. Seine unreine Haut stört ihn sehr. Vorbilder/Idole aus den Medien Marcel hat selbst keine Vorbilder aus dem Fernsehen, kann sich aber gut vorstellen, dass die Kandidatinnen der Model-Castingshows jungen Mädchen als Vorbild dienen. Zusammenfassung Marcel zeichnet sich durch eine starke Bindung zu seiner Familie aus. Er wirkt im Interview eher unsicher und will sich bei seinen Antworten nicht gerne festlegen. Man hat den Eindruck als versuche er sich manchmal hinter sozial erwünschten Antworten zu verstecken, weil es ihm peinlich ist zuzugeben, dass ihm ModelCastingshows gefallen und ihn die Kandidatinnen interessieren. Generell ist ihm das Thema Mode und Schönheit sehr wichtig; dies erklärt vielleicht auch sein heimliches Interesse für Model-Castingshows. S e i t e | 140 Maria 16 Jahre, formal niedriger gebildet, Land Motto Ich kenne mich aus im Model-Geschäft Soziales und familiäres Umfeld Maria wohnt mit ihrer Mutter im Zentrum eines mittelgroßen Ortes auf dem Land wohnt. Ihre 19-jährige Schwester ist bereits von zu Hause ausgezogen. Maria besucht eine berufsbildende Schule. Sie fühlt sich in ihrer Nachbarschaft nicht sonderlich wohl und verbringt viel Zeit mit Freunden, die etwas außerhalb wohnen. Mit ihrer Mutter versteht sie sich zurzeit nicht sonderlich gut. Maria hat als Kind Erfahrungen als Fotomodell gemacht und kennt daher die Situation des Castings und der professionellen Fotographie aus eigener Erfahrung. Sie musste damit aufhören, weil sie bei einer nach ihren Angaben unseriösen Agentur gelandet war und bedauert dies sehr. Gerne würde sie wieder als Model arbeiten, auch wenn sie mit ihrer Figur nicht sonderlich zufrieden ist und sich zu klein und zu dick findet. Allgemeine Mediennutzung Maria besitzt ein Handy und in ihrem Zimmer befinden sich ein Fernsehgerät sowie ein Computer mit Internetzugang. Zur Entspannung sieht sie entweder fern oder hört Musik über ihren Computer. Manchmal passiert es ihr auch, dass sie während dem Fernsehen einschläft. Sie sieht selten gezielt fern sondern zappt einfach so lange herum, bis sie eine Sendung findet, die ihr zusagt. Zuweilen surft Maria auch im Internet während der Fernseher im Hintergrund läuft. Im Internet nutzt sie vor allem die Kontaktplattform Facebook, um mit ihren Freundinnen zu kommunizieren, aber auch unterschiedliche Musik-Plattformen sowie die Suchmaschine Google, wenn sie etwas für die Schule recherchieren muss. Maria liest auch gerne Jugendzeitschriften wie Bravo Girl und Bücher, die zu Filmen herausgebracht werden. Medienumgang in der Gleichaltrigengruppen Familie und im Kontext von Freunden und Maria und ihre Mutter sehen selten gemeinsam fern. Dadurch sprechen sie auch kaum über Fernsehsendungen oder andere Medieninhalte. Mit ihren Freundinnen tauscht sie sich gerne über Germany’s Next Topmodel aus. Gerne diskutieren die Mädchen über die Entscheidungen der Jury und die Leistungen der Kandidatinnen. Castingshows im Allgemeinen Maria interessiert sich vor allem für Germany’s Next Topmodel; andere Castingshows sieht sie sich kaum an. Model-Castingshows Maria sieht regelmäßig Germany’s Next Topmodel, da sie diese Model-Castingshow gerne mit den Erfahrungen aus ihrer Kindheit vergleicht. Sie ist beeindruckt von den Fotoaufnahmen und beneidet die Kandidatinnen um deren Reisen. Sie ist davon überzeugt, dass es im Modelgeschäft viele Möglichkeiten gibt, um gut zu verdienen, glaubt allerdings nicht, dass alle Kandidatinnen auch tatsächlich die nötigen Voraussetzungen dafür mitbringen. „Man sieht jetzt zum Beispiel ein paar von den Gewinnerinnen überhaupt gar nicht mehr. Und ein paar, so wie zum Beispiel die Erste, die in der ersten Staffel gewonnen hat, die sieht man halt jetzt öfters. Aber die müssen sich halt ranhalten, sonst wird das nichts.“ Maria ärgert sich daran, dass die Kandidatinnen von den Jurymitgliedern zu stark kritisiert und niedergemacht werden und findet dies kontraproduktiv. Zudem mag sie es nicht, wenn zu private Einblicke in das Leben der Models gezeigt werden und diese vor der Kamera mit emotionalen Gefühlsausbrüchen reagieren. Auch oder gerade weil sie das Model-Geschäft auch hinter den Kulissen kennt ist Maria davon überzeugt, dass man aus der Castingshow vieles für das berufliche sowie private Leben lernen kann. Mit Verweis auf die Funktion der Jury betont sie etwa, dass man lernen muss, Kritik zu ertragen und es auch im Beruf manchmal Dinge gäbe, die man, unabhängig davon ob es Spaß macht oder nicht, einfach S e i t e | 141 machen muss. Als weitere Eigenschaften, die in das alltägliche Leben übertragbar sind, nennt sie Selbstsicherheit und einen starken Willen. Außerdem misst sie den Kandidatinnen eine positive Vorbildwirkung für andere Mädchen bei, beispielsweise als Motivation, um mehr Sport zu treiben. Zwischen Austria’s Next Topmodel und Germany’s Next Topmodel kann Maria keine großen Unterschiede festmachen, auch wenn ihr die deutsche Show besser gefällt. Sie findet es aber dennoch gut, dass es auch ein österreichisches Format gibt. „Ich finde da gar nicht so einen großen Unterschied. Nur, dass Österreicher mal Chancen auf etwas haben, weil meistens sind es halt immer die aus Deutschland.(…) Ich finde das schon gut, dass die da halt auch mal eine Chance haben.“ Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Da Maria selbst schon einmal einen Einblick in die Mode-Szene hatte, fühlt sie sich als Expertin und hat genaue Vorstellungen, wie erfolgreiche Kandidatinnen einer Model-Castingshow aussehen müssen: sie sollten modisch gekleidet sein, auf hohen Absätzen laufen können und dürfen weder Tätowierungen noch Piercings tragen oder eine unreine Haut haben. Dennoch ist sie der Meinung, dass nicht jede Frau diesem Ideal zwangsläufig nacheifern muss. „Ja, schön ist jeder auf seine eigene Weise, aber halt für sich selber. Ja, man muss vor allem sich selber gefallen.“ Ein attraktiver Mann sollte in Marias Augen eher natürlich wirken, groß sein, schöne Zähne haben sowie ein besonderes Augenmerk auf seine Haare und seine Kleidung legen. Mit ihrem eigenen Körper setzt sich Maria sehr intensiv auseinander. Sie ist weder mit ihrer Größe noch mit ihrer Figur zufrieden und findet sich zu dick. Vorbilder/Idole aus den Medien Maria meint kein explizites Vorbild zu haben, bewundert aber dennoch die Kandidatinnen von Germany’s Next Topmodel um deren Ehrgeiz und die Fähigkeit, mit scharfer Kritik umgehen zu können. Auch wenn sie sich nach ihren Erfahrungen als Kinder-Model zurück sehnt und gerne wieder an Fotoshootings teilnehmen würde, möchte sie sich nicht für eine Model-Castingshow bewerben, da sie nicht so sehr in der Öffentlichkeit stehen will. „Ich find das kann jedem egal sein, was ich mache und da muss mich nicht jeder, weiß nicht, ein halbes Jahr im Fernsehen sehen und zusehen was ich da mache, ob ich das schlecht mache, ob ich das gut mache und ja.“ Positiv hebt Maria des Weiteren hervor, dass die Kandidatinnen Ihrer Meinung nach für andere Mädchen eine Vorbildwirkung haben und diese zu mehr Sport und bewussterer Ernährung animieren könnten. Zusammenfassung Maria hat als Kind Erfahrungen als Model gesammelt und sehnt sich gerne in diese Zeit zurück. Germany’s Next Topmodel bietet ihr die Möglichkeit, wieder in die Modewelt einzutauchen und die Kandidatinnen bei bekannten Situationen, wie etwa den Fotoshootings, mitzuverfolgen. Maria ist beeindruckt vom Ehrgeiz der Kandidatinnen und der Art und Weise, wie diese mit der Kritik der Jury umgehen und sich für die Erreichung ihrer Ziele einsetzen. Dennoch steigert sie sich nicht sehr in die Erlebnisse der Kandidatinnen hinein sondern betrachtet die Show eher als Beobachterin von außen. Sie schlüpft dabei gerne in die Rolle der Expertin, die genau weiß, was in der Modebranche zählt. S e i t e | 142 Michaela Castingshows im Allgemeinen 17 Jahre, formal niedriger gebildet, Land Michaelas Castingshow-Rezeption beschränkt sich ausschließlich auf Germany’s und Austria’s Next Topmodel. Motto Austria’s Next Topmodel ist authentischer. Soziales und familiäres Umfeld Michaela besucht eine berufsbildende Schule, in der sie sich sehr wohl fühlt obwohl ihre MitschülerInnen zwei Jahre jünger sind als sie. Ihre zwei besten Freundinnen gehen mit ihr in die gleiche Klasse. Gemeinsam mit ihren Eltern wohnt sie in einem Haus auf dem Land; sie ist mit dieser ländlichen Umgebung sehr eng verbunden. Sie besitzt fünf Hunde und widmet den Großteil ihrer Freizeit dem Hundesport. Model-Castingshows Michaela sieht beide derzeit im deutschsprachigen Raum angebotenen ModelCastingshows regelmäßig, wobei sie Austria’s Next Topmodel der deutschen Variante deutlich vorzieht. Auch wenn sie sowohl inhaltlich als auch formal wenige Unterschiede zwischen Austria’s und Germany’s Next Topmodel festmachen kann, begründet sie ihre Vorliebe für die österreichische Variante mit einer in ihren Augen größeren Authentizität des österreichischen Formats. Der österreichische Akzent der Kandidatinnen sowie das Verhalten der Moderatorin Lena Gercke lassen in ihren Augen die österreichische Model-Castingshow natürlicher und „echter“ wirken. Allgemeine Mediennutzung Michaelas Lieblingsmedium ist das Internet. Täglich ist sie mindestens eine Stunde online, in erster Linie um über Kontaktplattformen mit ihren Freundinnen zu kommunizieren. Neben einem eigenen Computer mit Internetzugang besitzt sie auch ein eigenes Fernsehgerät, das sie oft als Geräuschkulisse neben anderen Tätigkeiten sowie zur Entspannung vor dem Einschlafen nutzt. Ihre Lieblingssendungen sind Germany’s und Austria’s Next Topmodel sowieAnna und die Liebe. Wenn sie nicht gerade fernsieht, hört Michaela auch gerne Radio. „Ja, also die Lena Gercke macht nicht alles so übertrieben – von den Emotionen her, vom Sagen und Tun und so. Da ist die Heidi Klum eher mehr gespielt sag ich mal, also mehr gekünstelt. Weil Lena Gercke das mehr natürlicher macht und ja, echter rüber bringt, sag ich mal.“ Zudem hebt Michaela hervor, dass in Austria’s Next Topmodel „auch Österreicherinnen eine Chance auf einen Platz in der Castingshow bekommen.“ Medienumgang in der Familie Michaela sucht sich in jeder Staffel von Austria’s Next Topmodel eine Favoritin aus, mit der sie intensiv mitlebt. Dabei ist ihr weniger wichtig, dass diese Kandidatin besonders hübsch ist, sondern dass sie an sich selbst glaubt. Mit Ausnahme des Fernsehens während gemeinsamer Mahlzeiten (zumeist Kochshows), werden Medien in Michaelas Familie kaum gemeinsam genutzt. Ebenso wenig spricht sie mit ihren Eltern über Medieninhalte. Auseinandersetzung mit dem Thema Schönheit Medienumgang im Kontext von Freunden und Gleichaltrigengruppen Manchmal trifft sich Michaela, um gemeinsam mit ihren Freundinnen fernzusehen. Obwohl ihr Austria’s Next Topmodel wesentlich besser gefällt als die deutsche Variante, sieht sie auch regelmäßig Germany’s Next Topmodel, um sich in Gespräche mit ihren FreundInnen und MitschülerInnen einbringen zu können. Attraktive Menschen müssen für Michaela nicht zwangsläufig gertenschlank sein, dennoch gefallen ihr die wohlgeformten Körper der Kandidatinnen. Sie versucht ihr persönliches Mauerblümchendasein in der Schule damit zu rechtfertigen, dass sie betont, kein Mensch könne perfekt sein und jeder sei auf seine bzw. ihre individuelle Art und Weise schön. Sie glaubt aber, dass attraktivere Menschen automatisch beliebter sind. S e i t e | 143 Vorbilder/Idole aus den Medien Michaela ist sehr unsicher und hat wenig Selbstvertrauen. In ihrer Selbstbeschreibung hebt sie dies sogar positiv hervor und meint, dass sie durch ihr geringes Selbstvertrauen nicht arrogant wirke. Dennoch nimmt sie sich ein großes Vorbild an ihren Lieblingskandidatinnen und wünscht ebenso stark zu sein und zu lernen, mit harter Kritik umzugehen. Michaela würde gerne mehr Sport treiben, kann sich letztendlich aber nicht dazu aufraffen. In der Selbstdisziplin der Kandidatinnen findet sie so einen weiteren Anknüpfungspunkt, um sich ein Vorbild zu nehmen. Zusammenfassung Michaela ist zwei Jahre älter als ihre MitschülerInnen. Obwohl sie sich in der Schule wohlfühlt, fristet sie in ihrer Klasse eher ein unauffälliges Mauerblümchen-Dasein. Sie hat wenig Selbstvertrauen und findet sich nicht sonderlich attraktiv. Um in der Schule mitreden zu können und nicht gänzlich zur Außenseiterin zu werden, sieht sie regelmäßig Germany’s Next Topmodel obwohl ihr persönlich die österreichische Model-Castingshow besser gefällt, da sie sich damit besser identifizieren kann. Auch wenn sie für sich betont, nicht jeder Mensch könne perfekt sein und ihr geringes Selbstvertrauen als positive Charaktereigenschaft hervorhebt, wäre sie gerne auch so attraktiv, selbstbewusst und beliebt wie die Protagonistinnen der Model-Castingshows. Deshalb nimmt sie sich ein Vorbild an der Disziplin der Kandidatinnen sowie an der Art und Weise, wie diese harte Kritik ertragen.