ANNA SEGHERS” Das siebte Kreuz ”

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ANNA SEGHERS” Das siebte Kreuz ”
Projekt: Literatur des 20. Jahrhunderts
ANNA SEGHERS” Das siebte Kreuz ”
erarbeitet von Andrea Loss, Leistungskurs Deutsch 13, 1998/99
bialke@online-club.de
Die nachfolgende Arbeit entstand als sogenannte Facharbeit im Schuljahr 1998/99 im Rahmen des Leistungskurses
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Deutsch der 13. Jahrgangsstufe der Janusz-Korczak-Gesamtschule in Neuss. Mit Genehmigung der Schulaufsicht
wurde die zweite Klausur des ersten Schulhalbjahres durch diese Facharbeit ersetzt.
Die fachlichen Grundlagen für die Realisation dieses Projektes wurden durch die bisherige gemeinsame Arbeit gelegt:
Kurshalbjahr
Kursthemen, Unterthemen
1.
11/2
2.
1.
12/1
2.
1.
2.
12/2
13/1
1.
2.
Die Rolle der Liebe und von Partnerschaft im gesellschaftlichen Gefüge: Liebeslyrik in verschiedenen literarischen Epochen an
ausgewählten Beispielen
Text und Wirklichkeit: der Roman und die Novelle am Ende des 19. Jahrhunderts
Fontane “Effi Briest” und Keller “Romeo und Julia auf dem Dorfe”
Der Aufklärungsgedanke im bürgerlichen Trauerspiel des 18. Jahrhunderts am Beispiel von:
a.) G. E. Lessing “Nathan der Weise”
b.) Friedrich Schiller “Kabale und Liebe”
Der Aufklärungsgedanke in der Literatur des 20. Jahrhunderts am Beispiel von:
a.) Bertold Brecht “Das Leben des Galileo Galilei”
b.) Max Frisch “homo faber”
Die Wandlung des Realitätsbegriffes in der Literatur zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Beispiel von Franz Kafka
Die Kurzgeschichte (bes. nach 1945) als Widerspiegelung zeitgeschichtlicher Entwicklungen und geistesgeschichtlicher
Strömungen
Die Weimarer Klassik am Beispiel von Goethes “Faust I”
Die Kunsttheorie der Klassik
Die Facharbeit wurde realisiert im Rahmen des Unterrichtsvorhabens “Projekt: Literatur des 20. Jahrhunderts”: Aus
einer vorgegebenen Liste von Titeln der (deutschsprachigen) Literatur des 20. Jahrhunderts hatte jede Schülerin /
jeder Schüler einen Titel zu wählen, wobei es möglich war, selbst Autoren bzw. Werke vorzuschlagen, die in der
Liste nicht erfasst waren. Es durfte allerdings kein Autor von zwei Schülerinnen / Schülern zugleich bearbeitet
werden. Die Gesichtspunkte der Untersuchung des gewählten Werkes waren vorgegeben: Sie spiegeln sich in den
Kapitelüberschriften wider.
Es war darüber hinaus Auflage, die Facharbeit - formatiert nach vorgegebenen Kriterien - auf Diskette und als
Ausdruck vorzulegen. Jeder Schülerin / jedem Schüler stand ein Beratungstermin für seine Facharbeit zur
Verfügung: Bei dieser Gelegenheit konnte man sich Hilfestellungen und Tipps holen.
Ins Internet gestellt wurden die Arbeiten, welche mit der Note “ausreichend” und besser bewertet wurden. Bis auf
drei zufällige Ausnahmen wurden alle Arbeiten (ähnlich wie bei Abiturarbeiten) nicht nur von mir, als dem
Fachlehrer, sondern von Kolleginnen / Kollegen als “Zweitkorrektoren/Innen” beurteilt. (Die dabei feststellbaren
Abweichungen in der Bewertung waren in der Regel gering und nur in einem Fall gravierend: Die Zweitkorrektorin
bewertete - zutreffend - eine Arbeit mit “mangelhaft”, im Unterschied zu mir, der ich zunächst “ausreichend” erteilt
hätte.) Insgesamt erwies sich, dass die Erstellung einer solchen Facharbeit ein Leistungsvermögen erfordert, das
unter gewissen Gesichtspunkten höher ist als das bei einer “normalen” Klausur.
Über die Home-page der Schule (unter der Adresse http://www.jkg-neuss.de) bzw. unter der Email-Adresse der
Schule (popjkgs@pop-gun.de) oder unter der Email-Adresse des verantwortlichen Lehrers (bialke@online-club.de)
können weitere Informationen eingeholt und - was durchaus erwünscht ist - Kommentare abgegeben werden.
gez. Bialké
(Kursleiter)
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Inhaltsverzeichnis
1. Inhalte
1.1 Die Darstellung der Thematik
1.2 Skizze des Inhalts
2. Stilistik
2.1 Die Charakteristik der sprachlichen Gestaltung des Werkes insgesamt
2.2 Die detaillierte sprachliche Analyse einer typischen Passage
2.3 Die Frage nach der Angemessenheit der sprachlichen Mittel /
Die Bedeutung der Stilistik für die Rezipienten
3. Biographische Bezüge
3.1 Die Biographie der Autorin
3.2 Die Stellung des Werkes in der Vita der Autorin
4. Die Bedeutung des Werkes für das Lesepublikum
4.1 Ist die Thematik ein abstruser Einzelfall oder wird mit dem Besonderen auch
Allgemeines erfaßt ?
4.2 Gelingt über die gewählten Inhalte die Kontaktaufnahme zur Leserin / zum Leser ?
5. Skizze eines produktorientierten Interpretationsansatzes
6. Rezeptionsgeschichte
7. Zusammenfassendes 1Urteil ( “Leseempfehlung” )
1. Inhalte
1
4
1.1 Die Darstellung der Thematik
Der Roman “Das siebte Kreuz” von Anna Seghers soll ein Gesamtbild des deutschen Volkes
zur Zeit des Faschismus geben. Dabei vertritt die Autorin eine antifaschistische Grundhaltung.
Die Autorin stellt die gesichtslose, unabschätzbare Macht des Volkes, aber auch die
vorherrschende Ohnmacht dar. Es wird an einem Ereignis, der Flucht der sieben Häftlinge aus
Westhofen die Struktur des deutschen Volkes aufgerollt.
Die Situation in Deutschland ist gekennzeichnet durch systematische Vernichtung von
Menschen und der Inhaftierung aller Kräfte, die dem faschistischen Regime im Wege sind. Die
Zeit ist geprägt von Angst, Vertrauenslosigkeit und Diffamierungen zum persönlichen Vorteil.
Hilfe, Angst, Verrat und Hoffnung werden dargestellt. Beim Aufeinanderprallen der
humanistischen, antifaschistischen mit den menschenverachtenden faschistischen Kräften, aus
den Handlungen und dem Verhalten ihrer einzelnen Vertreter ergibt sich ein annähernd
vollständiges Bild der Gesellschaft in Deutschland 1937. Die Autorin zeigt, dass die Lage
schwierig, aber nicht aussichtslos ist. Auch die schlimmste Diktatur kann bekämpft und besiegt
werden, denn einem der Häftlinge gelingt die Flucht.
Das Hauptthema des Romans: der Kampf gegen Unfreiheit und Unterdrückung wird auf
eindrucksvolle Weise an den Leser gebracht. 2
1.2 Skizze des Inhalts
Der Roman “Das siebte Kreuz” von Anna Seghers zeichnet ein Bild des nationalsozialistischen
Deutschlands im Jahre 1937. Aus dem KZ Westhofen sind sieben Häftlinge geflohen.
Der Lagerkommandant Fahrenberg setzt alles daran, die sieben wieder einzufangen. Zur
Abschreckung läßt er sieben Kreuze errichten, die als Pranger für die Geflohenen und zu ihrer
Vernichtung dienen sollen. Fahrenberg kennt nur die Furcht, dass ihm einmal die Macht über
Tod und Leben entzogen wird und er ins gescheiterte, armselige, private Leben zurückkehren
müßte. Seine Handlanger Bunsen und Zillich sind gefügige Werkzeuge, die aus Haß oder Lust
zerstören, morden, quälen und willenlos Befehle ausführen.
Beutler, ein jüdischer Lebensmittelverkäufer, wird bereits nach wenigen Stunden gefaßt,
zusammengeschlagen und ins KZ gebracht. Kurz darauf wird auch Pelzer aufgegriffen und den
Kommissaren zum Verhör überstellt. Belloni, ein Zirkusartist, kann sich der Verhaftung nur
durch einen Sprung in den Tod entziehen.
Wallau, der kommunistische Funktionär und Leitfigur Heislers, wird verraten, so dass auch
seine Flucht mißlingt.
Aldinger, ehemaliger Bürgermeister von Unterbuchenbach und durch Denunziationen des
jetzigen Bürgermeisters ins KZ gelangt, gelingt die Flucht bis vor die Tore seines Heimatortes.
Dort verlassen ihn die Kräfte und er wird als toter Mann nach Hause gebracht.
Füllgrabe, ein ehemals wohlhabender Kaufmann, der wegen einer Devisengeschichte ins KZ
eingeliefert wurde, stellt sich freiwillig der Polizei. Er wird ebenfalls ans Kreuz gestellt.
Ein Kreuz allerdings bleibt leer. Dieses Kreuz ist für Georg Heisler bestimmt. Die Flucht des
Kommunisten Heisler steht im Mittelpunkt des Romans. Die ersten Stunden der Flucht ist
Georg völlig auf sich allein gestellt. Er hofft, sich bis zu seiner Freundin Leni durchzuschlagen,
um mit ihrer Hilfe endlich zu entkommen. Während dieser Zeit verläßt den entkräfteten und
geschundenen Mann öfters der Mut. Der Gedanke an Wallau, seinen geistigen Vater, richtet
ihn aber immer wieder auf und gibt ihm die Kraft, die Strapazen und Ängste zu überstehen.
In der ersten Nacht findet er Zuflucht in einer Kirche. Hier spürt er neben dem Gefühl der
scheinbaren Sicherheit zugleich Bedrohung, Entmutigung und den Rat zur Aufgabe der Flucht.
2
S.57, Neugebauer
5
Heisler besinnt sich seiner Ziele und seiner selbst und schöpft neue Kraft in seiner
Verzweiflung. Der Pfarrer ist ihm bei der Flucht, ohne das Georg es weiß, hilfreich, indem er
den Küster zur Beseitigung des blutverschmierten Lappens anweist, welcher in der Kirche
zurückbleibt. Schließlich gelangt Georg zu Leni, die ihn aber aus Angst und Selbstsucht
zurückweist.
So wie Leni verschließen viele ihre Augen vor den unvorstellbaren Greueln in den
Konzentrationslagern und vor dem brutalen Terror und werden so zu bewußten Stützen und
Helfershelfern des Faschismus. Sie entstammen meist der breiten Schicht des Kleinbürgertums
und werden so ohne merklichen inneren Widerstand zu Mitläufern oder Werkzeugen des
faschistischen Regimes..
Wieder auf sich allein gestellt sucht Heisler in seiner Vergangenheit nach Menschen, die ihm
weiter helfen könnten. Da sich das Netz der Verfolgung durch die Nazis um ihn herum immer
enger zieht, kommt keiner der alten Weggefährten in Frage. Da erinnert sich Georg an seinen
Schulkameraden Paul Röder, welcher nicht im Widerstandskampf tätig ist. Dieser Paul Röder
ist es schließlich, der aus Freundschaft und Menschlichkeit die erforderlichen Kontakte für
Georg aufnimmt und es den Genossen ermöglicht, Heisler zu retten.
Hierbei bemüht sich Franz Marnet, Georgs ehemaliger Freund und Weggefährte, in
besonderem Maße um Hilfe. Heislers Flucht reißt Franz aus seiner Isolierung heraus. Er sucht
und findet die Genossen und greift wieder aktiv in den Kampf des Naziregime ein.
Heisler gelingt aufgrund der Unterstützung vieler Menschen die Flucht ins Ausland. Sein Kreuz
bleibt leer. Es wird zum Symbol der Hoffnung und des Widerstandes
Zur Figurenkonstellation
Es existiert ein dominierender Held: Georg Heisler. Um seine Flucht baut sich die eigentliche
Geschichte auf. Neben ihm gibt es mit Wallau, Röder, Marnet und weiteren Personen, die
positive Charaktere verkörpern. Georgs unmittelbarer Gegenspieler ist Fahrenberg. Georgs
Sieg kommt Fahrenbergs Niederlage gleich.
Heisler steht für den Widerstand, speziell auch für den Kommunismus, wogegen Fahrenberg in
seiner persönlichen Schwäche das kranke und dem Untergang geweihte faschistische System
repräsentiert. Dabei hat der Hauptheld Heisler durchaus persönliche Schwächen, die aber im
Vergleich zu seinen Stärken und der Kraft, die er aus seiner Überzeugung schöpft, weniger ins
Gewicht fallen. Durch das puzzleförmige Zusammenfügen des Charakters von Georg wird
erreicht, dass der Leser ein komplexes Gesamtbild von Heisler hat und er ihn somit als
Menschen aus Fleisch und Blut erkennt. Die anderen Flüchtlinge sind von vornherein zum
Scheitern verurteilt, weil sie auf sich allein gestellt sind. Sie stehen für die verschiedenen Opfer,
die vom Terror des Naziregimes betroffen sind.
Anhand der Personen, mit denen Georg in Kontakt kommt, wird die Situation in Deutschland
aus Sicht der Autorin dargestellt. Hierbei werden alle möglichen gesellschaftlichen Schichten
repräsentiert. Neben Verrat und Egoismus trifft Georg auf Hilfe
Selbstlosigkeit und
Unterordnung persönlicher Interessen. Dabei handeln die Helfer vor allem aus emotionalen
Gründen. Somit wird vor allen Dingen Hoffnung geweckt, was der Absicht der Autorin
entspricht.
Zur Raumgestaltung
Ungewöhnlich eng ist der Raum vermessen, in dem sich die Handlung des Romans abspielt
Westhofen, Butzbach, Oppenheim, Griesheim und Kostheim - sie alle liegen innerhalb eines
kleinen Kreises um Mainz und Frankfurt.3 In diesem Kreis befindet sich die freilich von dem
authentischen Osthofen in fiktives Westhofen verlegte Folterhölle des KZ´s ebenso wie die
Apfelbäume der Marnets. In ihm ereignet sich Georgs Flucht und Rettung.
Hierbei legt die Autorin großen Wert auf Details, um die Schönheit, vor allem aber die
Beständigkeit der Natur zu verdeutlichen. Egal welches System vorherrscht, die Natur wird
3
S.86/87, Stephan
6
bleiben, wie sie ist, sich nicht unterwerfen. Ernst der Schäfer steht hier für das einfache Volk. Er
bewahrt sich ihm eigene Vorstellungen und Gedankenansätze4. In seiner Einfachheit ordnet er
sich nicht unter und behält seine Eigenständigkeit.
Viele Randfiguren des Romans werden nur mit Vornamen oder Spitznamen benannt. Neben
der liebevollen Beschreibung der deutschen Heimat erhöht ihr sanfter Glanz die Bitterkeit des
Geschehens. Deutschland, das ist nicht nur Tyrannei, sondern auch Schönheit.
Zur Zeitgestaltung
Begrenzt ist auch die Zeit, in der sich die Handlung des “Siebten Kreuzes” abspielt - nämlich
nach Art von Märchen, Bibel oder Chronik. In diesem Zeitraum erfüllt sich das Schicksal der
Flüchtlinge. In ihm komprimiert Anna Seghers den Bericht von den Verbrechen, den Ängsten
und dem Mut eines Volkes, das seit Jahren mit und vom Terror der Gewaltherrschaft lebt.
Einerseits war die Zeit geprägt von Hitlers Erfolgen, viele Menschen lebten davon, andererseits
wurden Gegner gnadenlos verfolgt und vernichtet. Andere Zeitebenen bleiben am Rande.
Zur Strukturierung der Erzählform
Anna Seghers bedient sich für die Erzählung der Geschichte der Romanform. Der Roman
besteht aus der eigentlichen Handlung und dem Rahmen, der diese Handlung umschließt. Er
gliedert sich in sieben Kapitel mit Unterkapiteln. Der Rahmen enthält die in Handlung
aufgelösten Erinnerungen eines Häftlings des KZ Westhofen. Diese Erinnerungen nehmen den
Schluß des Romans vorweg, die sieben Platanen werden gefällt.5
Im Hauptteil wird von der Flucht der sieben Häftlinge erzählt, die an sieben Tagen stattfindet
und mit dem Freibleiben des siebten Kreuzes endet. Die Handlung ist in insgesamt 127
Einzelabschnitte aufgeteilt, die entweder parallel geführt werden oder kontrastierend einander
gegenüberstehen. Rückblenden, Dialoge und innere Monologe bilden wesentliche Bestandteile
der literarischen Technik.6 So dienen Rückblicke auf Georgs Vergangenheit vor allem dazu,
dessen Charakter genauer zu umreißen. Die Unterkapitel geben dem Leser Einblick in das
facettenreiche Leben der beteiligten Personen. Georg Heisler ist die zentrale Gestalt, die alles
zusammenhält. Jede Teilhandlung, alle Aktionen sind auf ihn gerichtet und durch seine Flucht
bedingt.7 Die Reaktionen, die durch ihn und sein Verhalten ausgelöst werden bewirken
Wandlungen, die sich in den betroffenen Personen vollziehen. Mittelbar und unmittelbar werden
die Menschen in die Flucht hineingezogen und die Autorin führt sie alle ihrem Ziel zu.8 Für den
Leser entsteht der Eindruck, er sähe während der Lektüre nur zusammenhängende Splitter der
Wirklichkeit. Szenen brechen oft mitten in der Handlung ab um die Spannung des Lesers zu
steigern, weil man ihn auf die Fortsetzung der jeweiligen Szene warten läßt. Die
Romanabschnitte beginnen mit dem Namen der Person, die jetzt im Mittelpunkt steht, der
Name ist Signal und Orientierungspunkt. Aber keines der Kapitel und eine Minderzahl der
Unterkapitel ist ausschließlich einer Figur gewidmet. Immer wieder springt die Handlung von
einem Ort und Personenkreis zum anderen, vermittelt durch knappe Wendungen wie “in diesen
Zeiten” (S.162), “inzwischen” (S.194) oder “währenddessen” (S.312). 9
Am Ende steht der Leser einem Roman gegenüber, der ihn nicht nur unterhalten, sondern auch
gefesselt hat.
4
S.55, Schriftsteller der Gegenwart
S.55, Schriftsteller der Gegenwart
6
S.57, Zimmer
7
S.56, Schriftsteller der Gegenwart
8
S.57, Zimmer
9
S.83, Stephan
5
7
2. Stilistik
2.1 Die Charakteristik der sprachlichen Gestaltung des Werkes insgesamt
Symbol und Metapher
Bereits im Titel des Romans lassen sich zwei bedeutungstragende Wörter erkennen :
sieben und Kreuz.
Diese Leitwörter steuern stets den Gedankengang des Lesers, begleiten Geschehen und
Handlung. Der Zusammenhang von Symbol ( die Zahl Sieben ) und Metapher ( Kreuz ) gibt
einen Hinweis für die inhaltliche Erschließung des Romans.
Die Zahl Sieben ist im gesamten Roman allgegenwärtig. Sieben Flüchtlinge fliehen aus dem KZ
Westhofen. Sieben Tage dauert die Flucht. Sieben Kreuze werden errichtet. Der Roman ist in
sieben Kapiteln strukturiert. Er beginnt und endet damit, dass das siebte Kreuz leer bleibt. Die
Zahl Sieben spielt in nahezu allen Weltkulturen eine bedeutende Rolle. Man kennt z.B. die
sieben christlichen Tugenden, die sieben Todsünden, die sieben Weltwunder oder auch in
Märchen die sieben Geißlein, die sieben Zwerge. ...
Mit der literarischen Gestaltung des Kreuzes greift die Autorin auf mehrere Ebenen seiner
historisch- kulturellen Bedeutung zurück. Zunächst sind die errichteten Kreuze Schandpfähle
für die wieder eingefangenen Flüchtlinge. An den Kreuzen werden sie gedemütigt und
erniedrigt. Das Kreuz steht für die Macht über Menschen, über ihr Leben und ihre Würde. Es ist
Sinnbild der Menschenverachtung und Rückschrittlichkeit der nationalsozialistischen Ideologie.
Das Holz des Todes wird im Christlichen Glauben zum Auferstehungssymbol und
Heilszeichen.10 An diesen Bedeutungsaspekt wird einerseits angeknüpft z.B. bei Wallaus
Martyrium. Er geht in den Tod, weil er sich selbst treu bleiben will, seiner Idee, auch seinem
bisherigen Leben und natürlich der Ehre der Partei. Andererseits wird dieser Aspekt abgelehnt
z.B. bei Georg im Dom. Georg findet im Dom Zuflucht für eine Nacht. Er spürt neben dem
Gefühl der scheinbaren Sicherheit, die Bedrohung und Entmutigung, die von dieser Kirche
ausgeht. Sie bietet ihm Gnade statt Gerechtigkeit und Friede statt Todesangst. Jedoch liegen
Hoffnung und Zuversicht für Georg nicht in Tod und Erlösung, sondern im Bestreben die Flucht
fortzusetzen. Die Menschen gewinnen ihre Zuversicht aus dem Sieg des Lebens über die
lebensbedrohenden Mächte. Am Ende bleibt das siebte Kreuz leer. Es wird damit zum Symbol
der Hoffnung und des Widerstandes.
Der Erzähler
Der Erzähler berichtet meist in der Er - Form und beschreibt die Erlebnisse anderer. Dadurch
hat er einen größeren Spielraum und mehr Objektivität im Vergleich zur Ich - Form. Die Absicht
der Autorin, einen realistischen Roman zu schreiben, kommt somit deutlich zur Geltung. Der
Erzähler wählt häufig einen Standpunkt mitten im Geschehen , indem er aus der Sicht einer
anderen Person berichtet. Er tritt dabei selbst völlig zurück und nutzt die Perspektive der
handelnden Figur. Dadurch erreicht er, dass der Leser sich selbst am Schauplatz des
Geschehens glaubt. Der Erzähler ist allwissend. Er nutzt die Vogelperspektive, denn er kennt
das ganze Geschehen.11
Wir hören in Georg Heisler hinein, indem wir seinen inneren Monolog lesen. Der Leser kann
gleichzeitig in Herz und Gedankenwelt des Helden blicken, Georgs Zwiegespräche mit Wallau
verfolgen oder die Ängste Georgs miterleben, beispielsweise bei der Domszene “Er erwachte
vor Schreck. Der Dom dröhnte. Ein heller Lichtschein flog quer durch den ganzen Dom- über
seinen vorgestreckten Fuß weg. Sollte er fliehen? War noch Zeit? Wohin?...”(S.80 Z.1015).oder “Du mußt jetzt dein Zeug ausziehen, riet ihm Wallau, denn später wirst du zu schwach
sein. Er fügte sich. wie er sich Wallau immer gefügt hatte, und staunte, weil seine Erschöpfung
dabei abnahm.” (S.81 Z.4-7) Ein anderes Beispiel findet man in der Szene in der Praxis des Dr.
10
11
S.10-12, Zimmer
S.58, Zimmer
8
Löwenstein “Der Arzt hielt die Hände unter Wasser, dass es spritzte. Nicht mehr zum
Aushalten, was man mir antut. Jetzt noch das dazu. Das gibt es doch gar nicht, dass man so
leiden muß. Georg dachte mit zusammengezogenen Brauen, während das Wasser floß wie ein
Quell: Aber doch Sie nicht allein.” (S.104, Z. 11-17).
Sowohl im Prolog als auch im Epilog benutzt die Autorin die personale Erzählperspektive. Ein
ehemaliger KZ - Häftling überliefert die Fluchtgeschichte. Als anonymer Erzähler spricht er in
der Wir - Form und bezieht somit seine Mitgefangenen und den Leser mit ein. Die Autorin kann
sich und den Leser somit in eine Perspektive rücken, die es beiden erleichtert, die Geschichte
der Flucht mit den Augen der Gefangenen und Verfolgten zu lesen. Dadurch wird die
Sympathie des Lesers für die Flüchtlinge geweckt. Die Bereitschaft mitzubangen und
mitzuleiden wird verstärkt. Sie findet im optimistischen Schluß ihre Belohnung.
In der Wir - Form wird der Leser in die Geschichte eingeführt und in dieser Form findet der
Roman seinen Abschluß.
Bei Verhören beispielsweise wird die direkte Rede verwendet, um neutral und wahrheitsgemäß
zu berichten. Außerdem wird dadurch der Eindruck des Unmittelbaren, Bewegten und
Dramatischen stärker.
Anna Seghers will eine Geschichte erzählen, die spannend, unterhaltsam, glaubwürdig und
lehrreich ist. Mit den verschiedenen Erzählperspektiven wird es dem Leser ermöglicht, sich
während der Lektüre an verschiedenen Orten in verschiedenen Menschen und
Gedankenwelten einzufinden und damit literarischen Genuß zu erfahren.12
Durch häufigen Szenen - und Perspektivenwechsel wird die starke Bewegtheit der Flucht auch
äußerlich demonstriert.13
Sprache
Die Autorin verändert Zeiten und Räume. Aus Osthofen stellvertretend für ein beliebiges KZ in
Deutschland wird Westhofen. Anna Seghers bildet nach ihrer Vorstellung Figuren und
Figurenkonstellationen. Wesentliches wird betont ( Franz Marnet - der Kommunist, Georg
Heisler - der komplexe Held mit Schwächen und Stärken, Ernst der Schäfer - stellvertretend für
die Beharrlichkeit des einfachen alltäglichen Lebens ). Unwesentliches wird weggelassen. So
erhalten die anderen Häftlinge, deren Flucht von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, keine
detaillierten Charakterzüge. Zur Persönlichkeit der Nazis gibt es nur wenig Äußerungen. Es
werden nur einige markante menschenverachtende Züge hervorgehoben.
Die Fakten werden zur Geschichte verknüpft. Nach und nach entsteht somit ein Gesamtwerk
und eine poetische Wirklichkeit, die die objektive Realität widerspiegelt. Hierbei nutzt die
Autorin die Möglichkeit, Handlungsschwerpunkte zu setzen, bei denen sie länger verweilt (
Marnets Lebenssituation, Domszene ), während sie Unwesentliches für das weitere Handeln
rafft ( z.B. der Tod Bellonis, das Ende Fahrenbergs ).
Die lineare Abfolge der Ereignisse wird durch Rückblenden ( Georg und Elli, Georg und Franz )
und das Aufzeigen von Einzelschicksalen belebt. Parallel zur Geschichte Heislers treten Ernst
der Schäfer und Franz Marnet in Erscheinung. Die einzelnen Erzählphasen werden zu einem
einheitlichen Ganzen zusammengeführt.
Leitmotive dienen ebenfalls zum Zusammenhalten der Geschichte. So nimmt das Motiv der
Menschlichkeit im ganzen Roman eine zentrale Rolle ein. Jede Hilfe, die Georg zukommt,
beruht auf Menschlichkeit. Menschen jeder Kategorie und gesellschaftlichen Stellung sind zu
dieser Hilfe imstande.
Die Spannung wird gesteigert, indem das Netz um Georg immer enger gestrickt wird. Georg,
aber auch Fahrenberg, läuft die Zeit davon. Es werden Verzögerungselemente eingebaut,
indem von Nebenschauplätzen berichtet wird. Die Gegensätze werden verschärft und somit die
Spannung gesteigert.
12
13
S.58, Zimmer
S.56, Schriftsteller der Gegenwart
9
Das enge Anknüpfen an Märchentechniken zeigt sich bei der Beschreibung bestimmter
Charaktere. So findet man Namen wie Holzklötzchen, Hechtschwänzchen oder Pfeffernüßchen.
Diese Figuren haben etwas Unberechenbares und Launenhaftes. Ein weiteres sprachliches
Gestaltungsmittel bilden landschaftlich gefärbte Begriffe wie “utzen” (necken ) oder “Uhl” (Eule).
Umgangssprachliche Redewendungen finden sich durchgängig im Roman. Unmittelbarkeit und
Handlungsnähe werden dadurch produziert.14 Es wird weiterhin eine schichtspezifische
sprachliche Charakterisierung. Die Sprache der einfachen Leute der Arbeiter und Bauern einer
bestimmten Landschaft, die in ihrer Heimat beruflich, privat, aber auch emotional verwurzelt
sind, wird so von der Autorin hervorgehoben.
Der sprachliche und inhaltliche Bruch kommt nicht nur durch den Wechsel der
Erzählperspektive, sondern auch durch die nüchterne Wortwahl und den einfachen Satzbau
zustande. Die Sprache besitzt Reife, Klarheit und wirklichkeitsumfassende Aussagekraft.
Dieser Sprachstil sorgt für Nachdrücklichkeit und die notwendige Sachlichkeit. Die Autorin
schafft durch die sprachliche Komposition ein sprachliches Bekenntnis zur Sache der
Arbeiterklasse und ihrer Partei. Gleichzeitig wird durch Historisierung und Gegenwartsbezug
Wirklichkeitsnähe erreicht.15
2.2 Die detaillierte sprachliche Analyse einer typischen Passage
Mit dem Roman “Das siebte Kreuz” setzt Anna Seghers auch ihrer rheinhessischen Heimat ein
unvergängliches Denkmal(S.427 Z.5-7, Nachwort). Ernst der Schäfer erscheint in jedem der
sieben Kapitel. Mit seinem Auftreten ist stets eine Beschreibung der Landschaft verbunden.
Dem Leser werden zugleich historische Begebenheiten und Zusammenhänge dargestellt. Land
und Leute, deren Leben und Lebenseinstellung werden vorgeführt, um einerseits die
gegenwärtige gesellschaftliche Situation zu begreifen, andererseits aber auch das
vorbestimmte Ende als sicher anzunehmen. Somit haben diese Schilderungen große
Bedeutung für die Gesamteinstellung, die beim Leser erreicht werden soll. Weiterhin wird der
Tristesse und Unbarmherzigkeit der Gesellschaft Schönheit und Menschlichkeit
gegenübergestellt. Somit erscheint die Sprache weicher und wärmer und diese Art des
Kontrasts ist durchaus typisch für den Roman.
Im zweiten Abschnitt des ersten Kapitels schildert der Erzähler die Landschaft um den Ansitz
der Marnets aus Sicht von Franz. Er beschreibt die Gegend um das Gehöft der Marnets, läßt
den Leser Ernst den Schäfer mit seiner Herde beobachten. Zwischen” Auch der Schäfer, ein
Mensch aus Schmiedtheim...” und “...wo jetzt Ernst aus Schmiedtheim bei den Schafen
steht...”(S.12 Z.28-S.13 Z.27) erfolgt die Widerspiegelung des Landes im Laufe der Zeit. Ernst
dient dem Erzähler hier zum Verweilen. Die angrenzenden Felder und Hügel, die es schon
immer gab, egal in welcher geschichtlichen Epoche, werden dem Auge des Lesers vorgeführt.
Anhand der immer noch so bestehenden Landschaft werden diese einzelnen Epochen
aufgezeigt und somit auch deren Vergänglichkeit. Nur Land und Leute werden bestehen.” Doch
diese Hügelkette war lange der Rand der Welt...”(S.13 Z.15) ist eine Übertreibung des
Erzählers mit dem Ziel der Anschaulichkeit: Kaum einer sieht in diesem weiten Land über den
Tellerrand hinaus. “... Völker gar gekocht worden. Norden und Süden, Osten und Westen
haben ineinander gebrodelt, aber das Land wurde nichts von alledem und behielt doch von
allem etwas.”(S.13 Z.32-35) Hier werden Land und Volk als Süppchen gekocht. Diese
Süppchen steht symbolisch für die Geschichte und das Zeitgeschehen. Sie haben das Volk
geformt und beeinflußt, aber nicht zerkocht bzw. ausgelöscht und in seiner grundsätzlichen
Existenz verändert. Diese Aussage wird bestärkt durch “Aber sie waren so zäh und
unausrottbar wie Träume. Und so stolz steht der Schäfer da, so vollkommen gleichmütig, als
wüßte er all das und stünde nur darum so da...”(S.14 Z.3-6).Die Figur von Ernst steht
stellvertretend für dieses Volk. Wieder bezieht sich der Erzähler auf Ernst, der einen Radfahrer
grüßt, um erneut in der Geschichte zu verweilen. Durch die erneute Blende auf den Schäfer
wird Unmittelbarkeit erreicht. Der Leser befindet sich jetzt, zu diesem Zeitpunkt, direkt an dieser
14
15
S.54, Zimmer
S.55, Zimmer
10
Stelle. Der Erzähler setzt seine Zeitreise bis in die Gegenwart fort. Alle Epochen gehören der
Vergangenheit an. Die Beschreibung endet in der Neuzeit, doch auch das Ende dieser Zeit ist
vorbestimmt: “Brennende, johlende Stadt hinter dem Fluß...Wie viele Feldzeichen hat er schon
durch gespült, wie viele Fahnen.”(S.15 Z.35- S.16 Z.4) Die Zeitreise endet mit den Worten, die
einer Inschrift gleichkommen: “Jetzt sind wir hier. Was jetzt geschieht, geschieht uns.”(S.16
Z.6). Der Erzähler wählt somit seinen Standpunkt mitten im Geschehen, tritt aber selbst zurück,
da er sich eigener Kommentare enthält und die Perspektive Marnets benutzt. Dieser fühlt sich
seiner Heimat sehr verbunden. Allerdings hat das Heimatgefühl für ihn nicht die traditionelle
private Bedeutung. Er hat ein von kämpferischen Geschichtsbewußtsein geprägtes
Heimatgefühl, welches die tägliche Arbeit, Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterklasse
umfaßt :”Für Franz bedeutete es einfach zu diesem Stück Land gehören, zu seinen Menschen
und zu der Frühschicht, die nach Höchst fuhr, und vor allem, überhaupt zu den Lebenden.
”(S.12).
Mit dieser Aufzählung wirkt die Autorin eindringlich auf den Leser ein, durch Anhäufung der
Worte.
Anna Seghers vergleicht eine Schafherde mit Wölkchen, die sich an einen Abhang schmiegen.
Dadurch erreicht sie beim Leser Anschaulichkeit- es entsteht ein Bild in seinem Kopf. Die
Umschreibung der Landschaft beginnt immer wieder gleich: “. ..dass diese weiten,
ausgeschwungenen Abhänge. ..., dass der Fabrikrauch. .., dassdie glitzernden schimmrigen
Stellen im Nebel , dass das alles schon Rhein bedeutet. ”(S.13). Hierdurch erreicht sie
Eindringlichkeit und ästhetische Anschaulichkeit. Eindringlichkeit erreicht der Erzähler durch
den stets gleichen Beginn in der Aufzählung “...dass diese weiten, ausgeschwungenen
Abhänge..., dass der Fabrikrauch..., dass auch der Schäfer..., dass das alles schon Rhein
bedeutet.”(S.13 Z.1-8). Man hat den Eindruck es erfolge eine Steigerung mit einem letzten
Höhepunkt. Dieser ist dann auch die Zusammenfassung aller dargestellten Einzelheiten zum
Begriff Rhein schlechthin. Ästhetische Anschaulichkeit erreicht der Erzähler vor allem durch
blumige, liebevolle und bildhafte Beschreibung. Nicht etwa irgendwelche Berge, sondern weite,
ausgeschwungene Abhänge werden beschrieben. Der Nebel glitzert und schimmert. Somit
entstehen im Kopf des Lesers Bilder von der Anmut dieses Landstriches. Auch bei der
Beschreibung des Mädchens Sophie erreicht Erzähler diese Anschaulichkeit durch eine
Antithese: “... ein starkes, fast dickes, aber nicht plumpes Mädchen, mit ganz feinen Fuß-und
Handgelenken...”(S.12 Z.9-11) Sophie hat ihre eigene Schönheit und ist trotz starker Züge
ansehnlich und liebenswert. Auch das Land ist trotz seiner herben Züge schön. Somit steht
Sophie ebenfalls als Symbol für die Landschaft.
Die Symbole Straße, Nebel, Schäfer stehen für den Landstrich und seine Menschen insgesamt.
Die Sprache verliert in den Naturschilderungen die ihr eigentümliche Härte16 In den anderen
Passagen des Romans, wo die gesellschaftliche Situation bzw.Begebenheiten der Flucht
beschrieben werden, wählt der Erzähler eine andere Sprache. Die Sätze sind oft kurz und
prägnant. Sie enthalten nur wenige Substantive, auf bildhafte Vergleiche wird verzichtet.
Dadurch klingt alles sehr sachlich und kühl und kommt einem emotionslosen Zeitungsbericht
sehr nahe. Ausgenommen sind hier die Abschnitte, wo Personen charakterisiert werden z.B.bei
der Darstellung von Heislers Ängsten oder eben bei den Landschaftsbeschreibungen.. Die Zahl
der Substantive, der Bilder und Vergleiche nimmt zu. Durch Verwendung verschiedener
Zeitformen, vor allen Dingen des Präsens, steigert die Autorin den Eindruck des
Unmittelbaren17:” Ernst der Schäfer drehte sich nach dem Radfahrer um. Sein Halstuch wird
ihm schon zu heiß, er reißt es ab und wirft es auf das Stoppelfeld wie ein Feldzeichen.” Ernst
erscheint als positives Sinnbild dieser von der Geschichte geprägten Landschaft, mit seiner
überlegenen Ruhe und hintergründigen Verschmitztheit. Er begleitet das Geschehen so auch in
allen sieben Kapiteln18.
Die liebevolle Schilderung der mittelrheinischen Landschaft wird mit der Geschichte des Landes
16
S.65, Schriftsteller der Gegenwart
S.65, Schriftsteller der Gegenwart
18
S.55, Schriftsteller der Gegenwart
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11
verknüpft. Sie wird der Diktatur ihrer Beherrscher gegenübergestellt, am Schluß der
Textpassage wird auch das Ende des Hitlerreiches prophezeit :” Brennende, johlende Stadt
hinter dem Fluß ! Tausende Hakenkreuzelchen, die sich im Wasser kringelten ! Wie die
Flämmchen darüberhexten ! Als der Strom der Strom morgens hinter der Eisenbahnbrücke die
Stadt zurückließ, war sein stilles bläuliches Grau doch unvermischt. Wieviele Feldzeichen hat
er schon durchgespült ,wie viele Fahnen.” (S.15/16). Die Natur wird den Faschismus überleben.
Der Leser erfährt den Strom des historischen Prozesses, für den der Fluß eine Metapher ist,
als eine unanfechtbare, zeitlose Kraft.
2.3 Die Frage nach der Angemessenheit der sprachlichen Mittel / Die Bedeutung der Stilistik für
die Rezeptienten
Die einfache, volkstümliche Sprache macht die Erschließung des Romans einem breitem
Lesepublikum möglich. Zunächst hatte ich Schwierigkeiten die einzelnen Abschnitte zu einer
Gesamthandlung zusammenzusetzen. Durch die zahlreichen Sprünge war es nicht immer leicht
dem Geschehen zu folgen. Je tiefer ich mich aber in die Handlung hineinversetzte, dass heißt
je mehr ich las, um so deutlicher wurden die Zusammenhänge und die Charakteristiken der
einzelnen Personen. Die Einzelabschnitte fügten sich wie ein großes Puzzle zu einem
Gesamtbild zusammen.
Bei der Beschreibung der Flucht und aller Handlungen, um die Flucht wählte der Erzähler eine
sachliche Darstellungsweise mit kurzen, knappen Formulierungen und Sätzen.” Georg griff ins
Gestrüpp. Er kroch langsam seitlich. Er war jetzt vielleicht noch sechs Meter von dem letzten
Strunk weg.” (S:25 Z.17-19) Dies erleichterte es die Situation zu erfassen. Außerdem hatte ich
das Gefühl, mich zum gleichen Zeitpunkt, wie der Erzähler, nämlich am Ort des Geschehens zu
befinden. Die kühle Sprache mit wenigen Substantiven, Bilder und Vergleichen verdeutlicht die
kalte und harte Realität der Ereignisse.
Bei der Beschreibung der Landschaft und der Menschen dagegen ist die Sprache warmherzig
und weich(siehe 2.2). Eine Verliebtheit zum Detaill ist zu erkennen. Aufgrund zahlreicher Bilder
und Vergleiche, konnte ich mir die Gegend gut vorstellen bzw. wieder erkennen. Besonders
beeindruckt haben mich die” inneren Monologe” Heislers und Wallaus. In der Domszene konnte
ich so die Ängste des Haupthelden nachvollziehen und mich an seine Stelle versetzten.
Mit Erschauern las ich die Szene um Wallaus Verhör Auf jede Frage der Kommissare gab er
nur sich selbst die Antwort und stellte zugleich fest, dass es einmal einen Wallau gab, dem dies
alles geschehen ist. Dieser Mann ist tot. Mit diesem ”inneren Monolog” wird das ganze
Martyrium Wallaus überdeutlich.
Insgesamt halte ich die sprachliche Gestaltung der Thematik angepaßt und bin der Ansicht, das
Inhalt und Stil im Einklang sind.
Einerseits wird die kalte, unbarmherzige faschistische Gesellschaft dargestellt, andererseits
Hoffnung geweckt durch die gelungene Flucht, die zahlreichen Fluchthelfer, aber auch die
Beständigkeit der Natur und des Volkes.
3.1 Die Biographie der Autorin19
Anna Seghers, die mit bürgerlichen Namen Netty Reiling hieß, wurde am 19.11.1900 als
einzige Tochter einer angesehenen und wohlhabenden jüdischen Familie in Mainz geboren.
Der Vater war Kunst - und Antiquitätenhändler. Die die Literatur liebhabende Mutter förderte die
gleiche Neigung ihrer Tochter von Beginn an. Mit sechs Jahren wird das Mädchen auf eine
Privatschule geschickt. Sie wechselt 1910 auf die “Höhere Mädchenschule” und besucht
anschließend das Gymnasium, wo sie 1920 das Abitur ablegt. Der Umgang mit klassischer
deutscher Literatur, sowie die Begegnung mit der russischen Literatur werden von Schule und
Elternhaus gefördert. So wird in dem jungen Mädchen ein soziales Gewissen und Bewußtsein
19
S.88-97 ,Zimmer
12
für Gerechtigkeit vorbereitet, das über die Grenzen des jüdisch - bürgerlichen Familienlebens
hinausgeht. Netty Reiling beginnt 1920 in Heidelberg mit dem Studium der Kunstgeschichte. An
der Universität beginnt auch der Ablöseprozess vom Elternhaus. Sie besucht jetzt Vorlesungen
mit marxistischer Thematik. Sie beginnt das Studium der Sinologie ( Chinakunde ). Das Wissen
über diese ferne Kultur fließt später in ihr Werk ein. Während des Studiums trifft sie auf Werke
des niederländischen Malers Hercules Seghers, einem Zeitgenossen Rembrandts. Dessen
Werk zeichnet sich durch eine ungewöhnliche Eigenwilligkeit aus. Sein außerordentliches und
tragisches Schicksal beeindruckt die junge Studentin so sehr, dass sie sich später für diesen
Künstlernamen entscheidet. 1924 erscheint ihre erste Veröffentlichung, die Erzählung “Die
Toten auf der Insel Djal ”. 1925 heiratet sie Laszlo Radvanyi, der für sie der geeignete
Diskussionspartner bei der Auseinandersetzung mit den Idealen der neuen sozialistischen
Gesellschaft ist. 1926 zieht sie mit ihrem Mann nach Berlin. In der Konstellation zwischen
gesellschaftlicher Krisenerfahrung, subjektivem Gerechtigskeitsempfinden, sowie der politisch ideologischen Diskussion mit ihrem marxistischem Mann entwickelt sich das kommunistische
Weltbild der Autorin. Ebenfalls 1926 wird ihr Sohn Peter geboren. Für die 1927 veröffentlichte
Erzählung” Grubetsch” in Fortsetzungen erhält sie ein Jahr später den Kleist - Preis. Gewürdigt
wird somit auch ihr Buch” Der Aufstand der Fischer von St. Barbara ”. 1928 tritt sie der KPD
bei, ein Jahr später dem Bund proletarisch - revolutionärer Schriftsteller. Der Einfluß der KPD
auf diese Organisation ist groß. Einige Schriftsteller, unter ihnen auch Anna Seghers, widmen
ihre künstlerische Arbeit der politischen Agitation. 1930 besucht sie erstmals die Sowjetunion
und nimmt am Kongress der Vereinigung revolutionärer Schriftsteller teil.
Nach der Machtübernahme Hitlers muß Anna Seghers 1933 nach Frankreich fliehen. 1935
nimmt sie am Internationalen Schriftstellerkongreß zur Verteidigung der Kultur in Paris teil.
Anna Seghers stellt sich hinter die Auffassung, dass die Kommunisten konsequentester
Gegner des Nationalsozialismus wären und bezichtigt andere kritische Literaturkollegen des
Verrats. Diese Überlegungen scheinen auch Eingang in den Roman” Das siebte Kreuz”
gefunden zu haben. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen emigriert sie nach Mexiko. Das
Fluchtchaos der deutschen Emigranten hält sie im kafkaesken Roman” Transit” fest. Sie
schildert die Flucht eines kommunistischen Arbeiters aus Paris nach Südfrankreich.
In Mexiko schreibt sie Artikel und Aufsätze für die Zeitschrift “Das freie Deutschland”. Sie
verfaßt zahlreiche Erzählungen unter anderem auch “Der Ausflug der toten Mädchen”. Ihr
Hauptaugenmerk gilt der deutschen Jugend, deren moralische Werte zu tiefst erschüttert sind.
1947 kommt sie nach Deutschland zurück. In der sowjetischen Besatzungszone wird sie
Funktionärin der SED. Ihre Zweifel am System zerstreut sie durch Disziplin, Hoffnung auf
Besserung und Verdrängung. Sie richtet sich einer idealistischen Welt ein und ordnet sich
kritiklos unter. 1947 erhält sie den Georg - Büchner - Preis, 1951 den Nationalpreis der DDR.
Von 1952 bis 1978 ist sie Vorsitzende des Schriftstellerverbandes der DDR. Sie hält sich von
Kritik fern, auch als die DDR 1957 die Schauprozesse gegen Walter Janka veranstaltet. Zu
keiner Zeit macht sie ihren politischen Einfluß gegen die Unrechtspolitik geltend. 1981 erhält sie
die Ehrenbürgerschaft ihrer Heimatstadt Mainz.
1983 stirbt sie in Berlin im Alter von 83 Jahren.
3.2 Die Stellung des Werkes in der Vita der Autorin 20
Mit dem Roman “Das siebte Kreuz” hat sich Anna Seghers in die deutsche Literaturgeschichte
eingeschrieben. Dieses Werk der Exilliteratur stellt einen Höhepunkt in ihrem künstlerischen
Schaffen dar.
Die Autorin erteilte hier der normativen Literatur ( Widerspiegelung, Totalität, positver Held,
Vorbildfunktionen. ..) eine Absage. Mit ihrer zeitgebundenen, offenen, aber parteilichen
Vorstellung einer realistischen Schreibweise wurde sie der Unabgeschlossenheit des
historischen Prozesses gerecht. Obwohl in dem Roman tatsächliche historische und
20
S.71-75 ,Zimmer
13
gesellschaftliche Vorgänge erfaßt werden, geht es der Autorin nicht um reine Widerspiegelung
der Realität. Sie verwandelt und verdichtet die gesellschaftliche Wirklichkeit im Interesse einer
besseren Erkennbarkeit. Das Kunstwerk analysiert und erklärt nicht nur, sondern dringt in das
Innere des Lesers, treibt ihn zur Entscheidung und Parteinahme.
“Das siebte Kreuz” wurde zum Bestseller. Durch die Verfilmung 1944 wurde es einem breiten
Spektrum der Bevölkerung in aller Welt zugänglich. In den Erzählungen “Das Ende”, “Die
Saboteure” und “Vierzig Jahre der Margarete Wolf” führte Anna Seghers die Lebenswege
einiger Figuren aus dem Roman weiter.
Weitere Werke:
“Die Toten auf der Insel Djal”
“Grubetsch”
“Der Aufstand der Fischer von St. Barbara”
“Der Ausflug der toten Mädchen”
“Transit”
“Die Toten bleiben jung”
“Die Kraft der Schwachen”
“Die Rettung”
“Sonderbare Begegnungen”
“Das Vertrauen”
“Der Kopflohn”
“Die Saboteure”
“Der Mann und sein Name”
“Der Weg durch den Februar”
“Die Entscheidung”
4. Die Bedeutung des Werkes für das Lesepublikum
4.1 Ist die Thematik ein abstruser Einzelfall oder wird mit dem Besonderen auch Allgemeines
erfaßt ?
Die Autorin ist bemüht am Besonderen, dass heißt am Beispiel der Flucht aus Westhofen, die
gesamte gesellschaftliche Situation Deutschland zu erfassen. Dadurch, dass Georg bzw. die
anderen handelnden Personen in Kontakt treten, entsteht ein Bild von Deutschland im Jahre
1937. Georg Heisler steht für die Helden des Widerstandes. Er ist bereit seine persönlichen
Interessen unterzuordnen. Er hat sich aufgrund seiner Anlagen, aber vor allen Dingen wegen
seiner Erfahrungen und seinem Umfeld zu einem Kämpfer entwickelt, der bereit ist alle Qualen,
Entbehrungen auf sich zu nehmen, um der Sache zu dienen. Dabei besitzt er durchaus
Schwächen, die seine Identität nur glaubhafter machen. Wallau, der KPD - Funktionär, ist
sozusagen der Ziehvater von Georg. Er repräsentiert diie kommunistische Partei, ist eine Art
Überfigur, Rettungsanker und ideologischer Halt für Georg. Auch nach seinem Tod lebt er in
den Köpfen und Herzen seiner Mitstreiter weiter. Franz Marnet tritt nicht so sehr als Georgs
Freund, sondern vielmehr als überzeugter Mitstreiter für eine gerechte Sache in Erscheinung.
Er stellt seine Ideale höher als das eigene Leben. er verzichtet auf persönliches Glück
zugunsten der gesellschaftlichen Freiheit. Er ordnet alles der kommunistischen Ideologie unter.
Hiermit entspricht er wohl dem Ideal des Widerstandskämpfers. Hermann, Fiedler, Kreß und
14
Reinhardt verkörpern die “ruhenden Kämpfer”. Sie waren vor Hitlers Machtübernahme für die
Kommunisten tätig und haben sich dann aus Angst beziehungsweise zu ihrem Schutz
zurückgezogen. Für sie ist die Hilfe für Georg Heisler die Möglichkeit sich selbst
wiederzufinden, wach zu werden. Mettenheimer, Röder, Pfarrer Seitz, Dr. Löwenstein oder
auch Frau Marelli haben sich ihrer Menschlichkeit bewahrt. Sie riskieren viel für Heisler, nicht
wegen ihrer Kommunistischen Weltanschauung, sondern aus einer humanistischen
Grundhaltung heraus. Die Autorin will sicher verdeutlichen, dass es in allen
Gesellschaftsschichten “anständige” Deutsche gab. Deutschland 1937, das ist nicht nur
Unterdrückung, Nationalsozialismus und Charakterlosigkeit. Gerade Paul Röder riskiert sein
Leben und das Leben seiner Familie, seine soziale Sicherheit für einen Schulfreund. Solche
Menschen geben Hoffnung auf ein Ende der Diktatur und auf ein Weiterbestehen
Deutschlands. Möglicherweise war hier die Sicht der Autorin zu optimistisch. Denunziationen,
Selbstsucht oder einfach nur Angst waren vorherrschend. Viele Menschen handelten nur für
sich selbst und interessierten sich nicht für das Schicksal anderer. Dies wird noch am ehesten
am Schicksal der anderen Häftlinge deutlich: Wallau wurde verraten, die anderen waren völlig
auf sich allein gestellt. Der allmächtige Staatsapparat, die Fahrenbergs, Zillichs,
Emporkömmlinge wie Bunsen, saßen am längeren Hebel. Tod und Vernichtung lähmte das
tägliche Leben.21
Dennoch ist der Autorin ein optimistisches und weitgehend repräsentatives Abbild von der
Realität gelungen. Die Situation in Deutschland, die Angst, die Selbstzufriedenheit, aber auch
das Aufbegehren und die Hoffnung wurden sehr gut erfaßt.
Auch heute besitzt der Roman Realität. Die Geschehnisse sind auf andere Diktaturen
übertragbar. Der Roman kann Hoffnung geben.
4.2 Gelingt über die gewählten Inhalte die Kontaktaufnahme zur Leserin / zum Leser ?
Der Leser befindet sich von Beginn an mitten im Geschehen. Das siebte Kreuz in Westhofen
bleibt leer. Warum ? Nach und nach erfährt der Leser, was vorgefallen ist. Ein Puzzle fügt sich
zu einem Gesamtbild zusammen. Vor unserem geistigen Auge erscheinen Personen aus
Fleisch und Blut, ein Hauptheld mit komplexem Charakter. Das Netz um Heisler wird immer
enger, die Spannung für den Leser immer größer. Man leidet mit dem Helden, ist auf seiner
Seite, hofft auf seine Rettung. Die Wortwahl ist leicht verständlich, so dass es leicht fällt den
Inhalt aufzunehmen. Dabei gelingt es der Autorin ein Bild von den Menschen, als auch von der
Landschaft zu vermitteln, das eindringlich ist. Der Leser selbst befindet sich am Ort des
Geschehens, durchlebt die Geschichte und nimmt die Sicht des Erzählers ein.
5. Skizze eines produktorientierten Interpretationsansatzes
Historische Bezüge
Osthofen liegt auf halber Strecke zwischen Mainz und Ludwigshafen, wenige Kilometer vom
Rhein entfernt. 1933 im April errichteten die Nazis ihr erstes KZ im Regierungsbezirk Hessen.
Politisch Mißliebige, Kommunisten, Sozialdemokraten, Zentrumsleute, Mitglieder der
Arbeiterwohlfahrt und Juden wurden hier inhaftiert. Das KZ entstand auf dem Gelände einer
ehemaligen Papierfabrik. Der langgestreckte rote Backsteinbau steht dort noch heute.
Osthofen war ein reines Männerlager, höchste Aufnahmekapazität waren ca. 200 Menschen.
Anna Seghers erfuhr im Exil von der Existenz dieses Konzentrationslagers, das nur wenige
Kilometer südlich von Mainz lag.
Anna Seghers hatte mit vielen Flüchtlingen im Exil gesprochen und so erfuhr sie von der
Begebenheit mit dem Kreuz, an welches ein Häftling gestellt wurde, der wiedereingefangen
wurde Dies wurde Ausgangspunkt ihrer Geschichte.
Für die Figur des jüdischen Arztes Löwenstein hat Anna Seghers wahrscheinlich von dem
21
sinngemäß S.39-42, Zimmer
15
jüdischen Pädagogen und Schulreformer Dr. Kurt Löwenstein übernommen. Als Mitglied der
SPD und Stadtrat für Schulwesen stand er mit seinen Ideen im Kreuzfeuer rechter und linker
Kritik. Er stand einerseits der KPD nahe, andererseits verteidigte er die Weimarer Republik. Er
forderte die Trennung von Schule und Kirche und vertrat nachdrücklich den Einheitsgedanken.
Seine Stellung als Stradtrat ermöglichte ihm, dafür Realisierungsversuche zu unternehmen.
Nach der Machtergreifung Hitlers schlug ein Mordversuch auf Löwenstein fehl. Er verließ
Deutschland und emigrierte nach Paris 22.
Im 7. Abschnitt des 2. Kapitels schildert Anna Seghers die Flucht Wallaus. Sie erzählt vom
Verrat Bachmanns an Wallau, was zu dessen Ergreifung führt.
Eine historische Parallele findet man in den Umständen der Verhaftung Ernst Thälmanns. Im
März 1933 wurde der KPD- Vorsitzende in seiner illegalen Wohnung in Berlin verhaftet,
nachdem er von einem Kassierer einer Gartenkolonie verraten wurde. Thälmann wollte
unmittelbar nach dem Reichstagsbrand den Kontakt zu den Genossen nicht verlieren und
tauchte deshalb zunächst nur in Berlin unter. Dies wurde sein Verhängnis ,er wurde erschossen
23
.
Neben der fiktiven Geschichte gibt es die dargestellte historische Gegenwart. Namen von
Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung wie Bebel, Liebknecht, Luxemburg, Dimitroff oder
Beimler finden ebenso Eingang in den Roman wie Hitlerbezüge. Die Konzentrationslager
Dachau und Oranienburg werden als realhistorische Bezüge in die Fabel aufgenommen.
Biographische Bezüge
Die Fakten, die Anna Seghers zum Schreiben ihres Romanes benötigte, erhielt sie durch die
Überlieferungen von Flüchtlingen. Sie selbst lebte im Exil und hatte daher keinen unmittelbaren
Zugang zum Geschehen. Bei der Beschreibung der Landschaft und der Einwohner konnte sie
allerdings aus ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz schöpfen Das Gebiet um Mainz war aus
ihrer Kinder - und Jugendzeit bestens bekannt.
6. Rezeptionsgeschichte24
Die so gestaltete fiktive Welt des Romans erscheint glaubwürdig, so dass dem Roman in der
Rezeptionsgeschichte fälschlicherweise sogar geschichtlicher Quellencharakter zugesprochen
wurde.
Die Geschichte des Romans ist aufs engste mit der Person der Schriftstellerin Anna Seghers
verbunden, aber auch mit der deutschen Geschichte. Der 1938 begonnene Roman wurde 1942
in den USA in englischer Sprache in einer beachtenswerten Auflage von 600000 Exemplaren
veröffentlicht. 1944 wurde er mit großem Erfolg von Fred Zinnemann in Hollywood verfilmt.
Schließlich machte der Rowohlt-Verlag mit seiner Taschenbuchausgabe Anna Seghers Roman
auch in Westdeutschland einem breiten Publikum bekannt. Mit dem Kalten Krieg wurde die
Schriftstellerin und mit ihr der Roman “Das siebte Kreuz” aus dem Bewußtsein der Deutschen
verdrängt.Dagegen nahm die Schriftstellerin in der 1949 gegründeten DDR bald eine
herausragende Position ein, die von unbedingter Gefolgschaft gegenüber der DDR-Führung
geprägt war. Der Roman wurde fester Bestandteil des DDR-Deutschunterrichts. In der BRD
bezeichnete 1959 Marcel Reich-Ranicki den Roman als ein großes literarisches Kunstwerk,
dass sich gegen die Diktatur schlechthin wende. In den 70er Jahren, im Zuge der
Studentenbewegung und einer breiten Auseinandersetzung mit der NS Vergangenheit, hielt der
Roman Einzug in bundesdeutsche Universitäten und Gymnasien. Die Diskussion um Anna
Seghers und ihr Werk versachlichte sich. Der Realismus und der Sprachstil der Autorin werden
anerkannt. Dennoch gingen die Bewertungen weit auseinander. Nach Klaus Sauer(1978) liefert
der Roman Überlegungen, die den gewöhnlichen Faschismus als gesellschaftlich bedingte
Krankheit darstellen, die unter bestimmten Voraussetzungen die zur Heilung erforderlichen
22
S.49-53, Zimmer
S.56, Zimmer
24
S.71-75, Zimmer
23
16
Abwehrkräfte selber hervorbringe.Lutz Winkler unterstreicht 1979 nochmals den
Volkksfrontcharakter des Romans, indem er die sozialen und politischen Konturen des
antifaschistischen Bündnisses im Roman nachweist. 1990 meldete sich Marcel Reich-Ranicki
nochmals zu Wort. Seiner Auffassung, der Roman gehöre zu den besten Büchern der Autorin,
bleibt er treu. Er kritisiert allerdings die Vorliebe der Autorin für einfache Menschen “die wenig
denken und wenig verstehen und nie zweifeln - wenn sie Kommunisten sind, dann folgen sie
gehorsamst allen Befehlen”. In einer anderen Partei spreche man da von Führerprinzip.
Die Deutungen des Romans zeigen, dass eine einhellige Meinung eventuell in einem Punkt
gefunden werden kann: Die formale Gestaltung des Romans erfüllt die ästhetischen Normen
eines literarischen Kunstwerks. Die inhaltlichen Interpretationen gehen nach wie vor weit
auseinander. Auch die Gründung der Anna Seghers Gesellschaft in Berlin ist ein Indiz dafür,
dass der Diskurs nicht beendet ist.
7.Leseempfehlung
Ich halte den Roman “Das siebte Kreuz” für absolut lesenswert und würde ihn unbedingt für
den Literaturunterricht empfehlen. Die Zeit des Faschismus wird uns auf spannende und
eindrucksvolle Weise in Erinnerung gebracht. Es werden die gesellschaftlichen Verhältnisse,
das Leben in Angst, aber auch der mutige Kampf vieler Menschen gegen Unterdrückung
aufgezeigt. Der Roman ist, nachdem man sich mit den handelnden Figuren Vertraut gemacht
hat, nie langweilig. Man bangt mit dem Haupthelden und hofft auf seine Rettung. Die
abenteuerliche Flucht hält den Leser bis zum Schluß in Atem und die Ausdauer(das Buch hat
immerhin 425 Seiten) wird in jedem Fall belohnt. Die Geschehnisse sind auch auf heute
übertragbar, denkt man nur an Bosnien oder Afrika. Nach wie vor gibt es Regimes, die an ihrer
Allmacht glauben und nach wie vor gibt es Menschen, die bereit sind für ihre Freiheit und
Menschenrechte zu kämpfen. Daher bin ich der Meinung, dass der Roman nicht nur ein Stück
bittere deutsche Geschichte widerspiegelt, sondern auch noch heute Aktualität besitzt.
17
Anhang Quellenangabe
1)
Anna Seghers, “Das siebte Kreuz”
Aufbau Taschenbuch Verlag GmbH, Berlin, 1998
2)
Frank Wagner, “Das epische Werk von Anna Seghers” ( 1935-1943 )
Akademie- Verlag, Berlin, 1975
3)
Michael Zimmer, “Anna Seghers - Das siebte KreuzErläuterungen - Interpretationen - Materialien - Hinweise zum Unterricht”
Beyer-Verlag, Hollfeld, 1995
4)
Alexander Stephan, “Anna Seghers Das siebte Kreuz Welt und Wirkung eines Romans”
Aufbau Taschenbuch Verlag GmbH, Berlin, 1977
5)
Heinz Neugebauer, “Anna Seghers - Schriftsteller der Gegenwart”
Volkseigener Verlag, Berlin, 1961