Rika de Buhr Facharbeit zu Heinrich Böll “Ansichten eines Clowns”

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Rika de Buhr Facharbeit zu Heinrich Böll “Ansichten eines Clowns”
bialke@online-club.de
Rika de Buhr
Facharbeit zu
Heinrich Böll “Ansichten eines Clowns”
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Die nachfolgende Arbeit entstand als sogenannte Facharbeit im Schuljahr 1998/99 im Rahmen des Leistungskurses
Deutsch der 13. Jahrgangsstufe der Janusz-Korczak-Gesamtschule in Neuss. Mit Genehmigung der Schulaufsicht
wurde die zweite Klausur des ersten Schulhalbjahres durch diese Facharbeit ersetzt.
Die fachlichen Grundlagen für die Realisation dieses Projektes wurden durch die bisherige gemeinsame Arbeit gelegt:
Kurshalbjahr
Kursthemen, Unterthemen
1.
11/2
2.
1.
12/1
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13/1
1.
2.
Die Rolle der Liebe und von Partnerschaft im gesellschaftlichen Gefüge: Liebeslyrik in verschiedenen literarischen Epochen an
ausgewählten Beispielen
Text und Wirklichkeit: der Roman und die Novelle am Ende des 19. Jahrhunderts
Fontane “Effi Briest” und Keller “Romeo und Julia auf dem Dorfe”
Der Aufklärungsgedanke im bürgerlichen Trauerspiel des 18. Jahrhunderts am Beispiel von:
a.) G. E. Lessing “Nathan der Weise”
b.) Friedrich Schiller “Kabale und Liebe”
Der Aufklärungsgedanke in der Literatur des 20. Jahrhunderts am Beispiel von:
a.) Bertold Brecht “Das Leben des Galileo Galilei”
b.) Max Frisch “homo faber”
Die Wandlung des Realitätsbegriffes in der Literatur zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Beispiel von Franz Kafka
Die Kurzgeschichte (bes. nach 1945) als Widerspiegelung zeitgeschichtlicher Entwicklungen und geistesgeschichtlicher
Strömungen
Die Weimarer Klassik am Beispiel von Goethes “Faust I”
Die Kunsttheorie der Klassik
Die Facharbeit wurde realisiert im Rahmen des Unterrichtsvorhabens “Projekt: Literatur des 20. Jahrhunderts”: Aus
einer vorgegebenen Liste von Titeln der (deutschsprachigen) Literatur des 20. Jahrhunderts hatte jede Schülerin /
jeder Schüler einen Titel zu wählen, wobei es möglich war, selbst Autoren bzw. Werke vorzuschlagen, die in der
Liste nicht erfasst waren. Es durfte allerdings kein Autor von zwei Schülerinnen / Schülern zugleich bearbeitet
werden. Die Gesichtspunkte der Untersuchung des gewählten Werkes waren vorgegeben: Sie spiegeln sich in den
Kapitelüberschriften wider.
Es war darüber hinaus Auflage, die Facharbeit - formatiert nach vorgegebenen Kriterien - auf Diskette und als
Ausdruck vorzulegen. Jeder Schülerin / jedem Schüler stand ein Beratungstermin für seine Facharbeit zur
Verfügung: Bei dieser Gelegenheit konnte man sich Hilfestellungen und Tipps holen.
Ins Internet gestellt wurden die Arbeiten, welche mit der Note “ausreichend” und besser bewertet wurden. Bis auf
drei zufällige Ausnahmen wurden alle Arbeiten (ähnlich wie bei Abiturarbeiten) nicht nur von mir, als dem
Fachlehrer, sondern von Kolleginnen / Kollegen als “Zweitkorrektoren/Innen” beurteilt. (Die dabei feststellbaren
Abweichungen in der Bewertung waren in der Regel gering und nur in einem Fall gravierend: Die Zweitkorrektorin
bewertete - zutreffend - eine Arbeit mit “mangelhaft”, im Unterschied zu mir, der ich zunächst “ausreichend” erteilt
hätte.) Insgesamt erwies sich, dass die Erstellung einer solchen Facharbeit ein Leistungsvermögen erfordert, das
unter gewissen Gesichtspunkten höher ist als das bei einer “normalen” Klausur.
Über die Home-page der Schule (unter der Adresse http://www.jkg-neuss.de) bzw. unter der Email-Adresse der
Schule (popjkgs@pop-gun.de) oder unter der Email-Adresse des verantwortlichen Lehrers (bialke@online-club.de)
können weitere Informationen eingeholt und - was durchaus erwünscht ist - Kommentare abgegeben werden.
gez. Bialké
(Kursleiter)
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1.1. THEMA
In dem Roman "Ansichten eines Clowns" von Heinrich Böll schildert der Clown Hans Schnier
als Außenseiter der Gesellschaft seine Ansichten und kleine Ausschnitte aus seinem Leben. Er
kritisiert politische und religiöse Standpunkte und will seine individuelle Selbstbestimmung vor
gesellschaftlichen Einschränkungen durch Normen und Moral schützen. Hans Schnier deckt
sowohl den Einfluß der gesellschaftlichen Normen auf, die bis in seine private Liebesbeziehung
zu Marie hineinreichen und sie zerstören, als auch Heuchelei und Vertuschung der
nationalsozialistischen Vergangenheit.
1.2. INHALT
Im Roman "Ansichten eines Clowns" von Heinrich Böll wird aus einer subjektiven IchPerspektive des 27-jährigen Außenseiters etwas über Personen und Geschehen in
Vergangenheit und Gegenwart erzählt. Die Gegenwart umfasst den Zeitraum eines Abends,
und die Erinnerungen reichen bis in die Kindheit im "dritten Reich" zurück. Zur besseren
Überschaubarkeit wird die Rahmenhandlung von der Erinnerungsebene getrennt dargestellt.
Rahmenhandlung:
Der Berufskomiker Hans Schnier kommt abends von einer mißglückten Tournee, auf der er
sich mehr oder weniger absichtlich verletzt hat, nach Bonn in seine Wohnung zurück. Er ist
allein und dem Alkohol zugewandt, seitdem ihn seine Freundin Marie verlassen hat und
befindet sich deshalb auf dem beruflichen Abstieg. Er besitzt nur noch eine Mark und sieht sich
gezwungen, Verwandte oder Freunde um Geld zu bitten. Er führt darum einige Telefonate, die
jedoch erfolglos sind. Das Telefonat mit seiner Mutter und mit Katholiken führt zur
Auseinandersetzung mit der Bewältigung der Vergangenheit, dem Opportunismus seiner Mutter
und der Moral des Katholizimus. Als sein Vater Schnier persönlich vorbei kommt, um
Unterstützung in Form einer finanzierten Ausbildung anzubieten, lehnt Hans Schnier ab und
macht ihm Vorhaltungen über die damalige Lebensführung im Elternhaus. Sein Vater fängt an
zu weinen und schließlich endet das Gespräch, ohne dass Hans eine Unterstützung erhält.
Hans wirft schließlich seine einzige Mark aus dem Fenster. Er schminkt sein Gesicht wie das
eines Toten und führt noch einige Telefongespräche, in denen er unter anderem seinen Bruder
Leo um Geld bittet, jedoch auch ohne sichtbaren Erfolg. Auf die abschließende Frage Leos,
was er eigentlich für ein Mensch sei, charakterisiert Hans sich als Clown, der Augenblicke
sammelt. Geschminkt und verkleidet geht Hans Schnier schließlich mit seiner Gitarre zum
Bahnhof, wo er sich auf die Bahnhofstreppe setzt, seinen Hut neben sich legt und beginnt, zu
singen.
Erinnerungsebene:
In seiner Rückblende auf sein Leben berichtet Hans Schnier über den Tod seiner Schwester
Henriette, die von ihrer Mutter in den letzten Kriegstagen zur Flak geschickt wurde und dort
umkam. In den fünfziger Jahren erlebt er wiederum eine Trennung von einer geliebten Person,
seiner Freundin Marie. Nach sieben Jahren des Zusammenlebens in "wilder Ehe" will Marie,
dass sie heiraten, und so ihre zu erwartenden Kinder katholisch erziehen können. Hans Schnier
lehnt dies zunächst ab, da er denkt, dass der Einfluss der katholischen Gemeinde hinter dieser
Bitte steht. Schließlich überlegt er es sich doch anders, damit sie für immer zusammenbleiben.
Marie fühlt sich nicht ernst genommen, verlässt Schnier und heiratet den Katholiken Heribert
Züpfner, mit dem sie in die Flitterwochen nach Rom fährt.Daraufhin beginnt Hans Schniers
beruflicher Abstieg, der ihn letzten Endes in die Gosse führt.
2. STILISTIK
Der Ich-Monolog des Clowns Hans Schnier wechselt von der Erinnerungsebene im Imperfekt
zur gegenwärtigen Situation oder Allgemeinheiten im Präsens. Ein Beispiel dafür ist, wie er die
Wirkung des Betrunkenseins im Beruf in Präsens beschreibt und schließlich dazu eine
Erinnerung aus der Vergangenheit schildert: "Wenn ich betrunken bin, führe ich bei meinen
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Auftritten Bewegungen, die nur durch Genauigkeit gerechtfertigt sind, ungenau aus und verfalle
in den peinlichsten Fehler, der einem Clown unterlaufen kann: ich lache über meine eigenen
Einfälle. Eine fürchterliche Erniedrigung. Solange ich nüchtern bin, steigert sich die Angst vor
dem Auftritt bis zu dem Augenblick, wo ich die Bühne betrete (meistens mußte ich auf die
Bühne gestoßen werden), und was manche Kritiker 'diese nachdenkliche,kritische Heiterkeit'
nannten, 'hinter der man das Herz schlagen hört', war nichts anderes als eine verzweifelte
Kälte, mit der ich mich zur Marionette machte; schlimm übrigens, wenn der Faden riß und ich
auf mich selbst zurückfiel. Wahrscheinlich existieren Mönche im Zustand der Kontemplation
ähnlich; Marie schleppte immer viel mystische Literatur mit sich herum, und ich erinnere mich,
daß die Worte 'leer' und 'nichts' häufig darin vorkamen." (Heinrich Böll, Ansichten eines Clowns,
München 1974, S.9)
Dominant sind unterschiedlich lange Sätze mit vielen Nebensätzen sowie der häufige Gebrauch
von Klammer, Doppelpunkt und Semikolon, die das Ganze wie einen Montagetext aus
zusammengefügten Einzelteilen erscheinen lassen. Genauso trägt das Auslassen von
Verbindungswörtern im Konjunktionalsatz dazu bei und bewirkt eine Verdichtung der Erzählung
und eine Aneinanderreihung von Sätzen ohne zusammenhängende Verknüpfung. Diese
Erzählweise ist insofern identisch mit dem Inhalt des Buches, da es um die Ansichten des
Clowns geht. Er 'sammelt Augenblicke', das heißt, er nimmt einzelne Bewegungsabläufe wahr
und pickt sich aus einem ganzen Handlungsgefüge einzelne Situationen heraus, die er für sich
einzeln, nicht zusammenhängend, betrachtet, und so die Gesamtheit nicht erkennt. In diesem
Textauszug gibt es zwei Beispiele für fehlende Verbindungen: Im Konditionalsatz fehlt das
"dann" und im letzten zitierten Satz werden eine Aussage und ein Beispiel dazu in einem Satz
angeführt, die durch ein Semikolon getrennt sind, und nicht schlußfolgernd miteinander
verbunden werden. Es könnte der Schluß gezogen werden, dass mystische Literatur mit dem
Wort und Werk Gottes gemeinsam hat, dass die Worte "leer" und "nichts" häufig vorkommen,
und sich somit die Mönche mit nichtssagendem Inhalt beschäftigen.
Ebenfalls zu der Rolle des Clowns passt der satirische und ebenfalls humoristische Erzählstil,
denn es ist Aufgabe eines Clowns, Sachen übertrieben darzustellen, damit der Zuschauer die
unbemerkten gesellschaftlichen Mißstände erkennt. Er deckt die Doppelmoral auf, indem im
Gegensatz zur Moral stehende Verhaltensweisen nacheinander geschildert werden und lässt
sie ohne entlastende Hintergründe stehen.
3. BIOGRAPHISCHE BEZÜGE
Heinrich Böll wurde am 21.Dezember 1917als achtes Kind des Tischlermeisters Victor Böll und
seiner zweiten Ehefrau Maria (geb.Hermanns) in Köln geboren. Er erlebte eine glückliche
Kindheit in der katholisch geprägten Familie. Nach dem Besuch der katholischen Volksschule in
Köln-Raderthal von 1924-1928, ging er auf das humanistische "Kaiser-Wilhelm-Gymnasium" in
Köln, in dem er 1937 sein Abitur machte. Böll erfuhr durch den wirtschaftlichen Niedergang der
Firma seines Vaters die Folgen Weltwirtschaftskrise und später den Terror des Naziregimes.
Nach abgebrochener Buchhändlerlehre begann er 1939 sein Studium der Germanistik und
Altphilologie, wurde dann aber zum Kriegsdienst einberufen und an verschiedenen Fronten
eingesetzt. Im Jahre 1942 heiratete er seine Jugendfreundin Annemarie Cech, verlor 1944
seine Mutter bei einem Fliegerangriff, und kam 1945 geschwächt und zunächst arbeitsunfähig
aus britischer und amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Köln zurück.
Noch im selben Jahr erfolgte die Geburt und der Tod seines Sohnes Christoph. Böll nahm
wieder sein Studium auf und es wurden erste Erzählungen veröffentlicht. Es folgte die Geburt
der beiden Söhne Raimund und René. 1949 erschien das erste Buch: "Der Zug war pünktlich".
Sein Sohn Vincent kam zur Welt und es wurde die erste Sammlung von Kurzgeschichten
veröffentlicht: "Wanderer kommst du nach Spa...". Im Jahr 1951 wurde der Roman "Wo warst
du Adam?" herausgebracht und Heinrich Böll bekam für die Erzählung "Die schwarzen Schafe"
einen Preis der "Gruppe 47". Er besuchte zum ersten Mal Irland. 1960 starb sein Vater und
zwei Jahre später besuchte er die Sowjet-Union. 1963 erschien der Roman "Ansichten eines
Clowns". In den nächsten Jahren hielt Böll Poetik-Vorlesungen an der Universität Frankfurt
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a.M., wurde Präsident des PEN in der BRD und später des internationalen PEN.
1971 erschien das Buch "Gruppenbild mit Dame" und er machte im selben Jahr eine Reise in
die USA.
Später erhielt er den Nobelpreis für Literatur, den Ehrendoktor mehrerer Universitäten, die Carlvon-Ossietzky Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte und wurde Ehrenmitglied
der American Academy of Arts and Letters. Ein weiteres entscheidendes Ereignis in Bölls
Leben war der Austritt aus der katholischen Kirche. Er begründete dies mit der Ablehnung der
institutionellen Verwendung des Wortes "christlich", der Kirchensteuer, und der kirchlichen
Stellung zu Ehe und Liebe. 1979 lehnte er das Bundesverdienstkreuz ab. Er machte eine Reise
nach Ecuador und zeigte Engagement in der Friedensbewegung. Er hielt eine Rede auf der
Friedensdemonstration in Bonn gegen den NATO-Nachrüstungsbeschluß. Die Familie Böll zog
nach Bornheim-Merten um und Heinrich Böll arbeitete im Verlag seines Sohnes René mit. Im
selben Jahr 1982 starb sein Sohn Raimund. Später wurde er vom Ministerpräsi-denten von
NRW zum Professor ernannt und erhielt die Ehrenbürgerschaft in Köln. Außerdem nahm er an
der Blockade des US-Militärdepots Mutlangen teil und hielt auf der zentralen Friedensdemonstration in Bonn eine Ansprache.
1985 wurde Heinrich Böll nach längerer Krankheit operiert. Am 16. Juli 1985, einen Tag nach
seiner Entlassung aus der Klinik, verstarb er unerwartet.
Vor allem seit der Veröffentlichung seines vieldiskutierten Romans "Ansichten eines Clowns"
war Böll kein unbekannter Autor mehr. Vielmehr zählte er nun zu den erfolgreichsten
Gegenwartsschriftstellern und sein Roman fand starken Absatz.
Aus: Helmut Bernsmeier, Literaturwissen Heinrich Böll
(Weitere Angaben s. Quelle unten)
4. BEWERTUNGEN
Die Thematik des Romans kann kein abstruser Einzelfall sein, weil jeder Mensch in seinem
Leben den Verlust eines anderen Menschen erlebt (z.B. Tod, Trennung) und damit die Gefühle
der Trauer bis hin zur Depression erleben kann. Ein weiterer Punkt ist, daß unverheiratetes
Zusammenleben heute sowohl in katholischen wie nicht-kirchlichen Kreisen akzeptiert wird. Die
kritische Aussage des Romans, dass der katholische Glaube gesellschaftliche
Verhaltensweisen prägt, steht heute nicht mehr in diesem Maße zur Diskussion.
Gesellschaftliche Entwicklungen, wie z.B. Pille, Studentenbewegung und APO brachen den
Einfluss der katholischen Kirche und der bürgerlichen Moral. Ganz allgemein gesehen kann die
Thematik dazu anregen die Doppelmoral gesellschaftlichen Denkens und Handelns zu
reflektieren und Einblicke in die Denkstrukturen zur Zeit des Romans zu bekommen.
Ob nun über die in diesem Buch angeführte Thematik eine Kontaktaufnahme zu den Lesern
gelingt, hängt von der Auffassung und dem Interesse der jeweiligen Person ab. Durch
Vergleichbarkeit mit Erfahrungen und Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der geäußerten
Kritik, kann die aufgeführte Thematik den Leser entweder ansprechen, oder, wenn dies nicht
der Fall ist, ihn dazu veranlassen, nach ein paar Seiten das Buch wieder beiseite zu legen.
Beispielsweise die Sichtweise und Lebenslage eines gesellschaftlichen Außenseiters könnte
Desinteresse hervorrufen, da sich der Leser womöglich nicht mit der Außenseiterrolle
identifizieren kann. Und dies ist nötig, denn der Leser ist gezwungen die Sichtweise des Clowns
zu übernehmen, da der Leser die Personen und Situationen nur aus seiner kritisierenden Sicht
kennenlernt. Der Leser soll zwar alles kritisch betrachten, wird jedoch schonend mit der Kritik
an Mißständen konfrontiert, da sie indirekt durch Satire geäußert wird. Beispielsweise die
Doppelmoral der katholischen Repräsentanten wird ohne direkte Schuldzuweisung aufgedeckt.
Durch Beschreibung ihrer Verhaltensweisen und im Anschluß
daran
ihre dazu
gegensätzlichen moralischen Prinzipien, von denen sie sprechen, werden dem Leser hier die
Unterschiede von Theorie und Praxis klar. Insgesamt betrachtet ist der Roman sprachlich gut
verständlich.
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5. PRODUKTIONSORIENTIERTER INTERPRETATIONSANSATZ
Das Thema Katholizismus, welches eine große Rolle in diesem Roman spielt, spielte auch in
Heinrich Bölls Leben eine wichtige Rolle. Da er zwischen Arbeiter- und Bürgerkindern
aufwuchs, lernte er sowohl den bürgerlichen Wohlstand in seiner Familie kennen, als auch die
Armut der Arbeiterkinder. Dass sich die Kirche schließlich mit der Bourgeosie
zusammenschloß, löste bei Böll eine Protesthaltung aus, weil damit eine Anpassung des
Christentums an den Reichtum dieser Schicht verbunden war. Er hatte Armut kennengelernt
und merkte, dass die Ärmeren, mit denen er Kontakt hatte, Ausgestoßene in einer katholisch
beherrschten Umwelt waren. Ebenso wie die Kirche in Bölls Leben betreiben die katholischen
Repräsentanten in dem Roman eine Doppelmoral. Während sie selbst ein zufriedenes Leben
im Reichtum führen, propagieren sie von der Kanzel herab ein glückliches Leben in Armut nach
biblischem Vorbild. Der Widerspruch zwischen den Prinzipien und der Praxis des Katholizismus
in Bölls Leben spiegelt sich im Roman wider.
Ein weiteres Thema des Romans ist die Verdrängung der nationalsozialistischen
Vergangenheit. Schniers Mutter, die ihre Tochter zur Vertreibung der "jüdischen Yankees von
der heiligen deutschen Erde"(Ansichten eines Clowns,S.24) zur Flak in den Krieg geschickt
hatte, ist nun "Präsidentin des Zentralkomitees der Gesellschaften zur Versöhnung rassischer
Gegensätze" und möchte nicht mehr an Vergangenes erinnert werden. Ähnliche
Verdrängungsmechanismen erlebt Böll bei Kriegsende. Mit dem Neuanfang wurde
nationalsozialistische Vergangenheit nicht verarbeitet, sondern es blieben alte Strukturen z.B.
in Wirtschaft und Politik erhalten. Die Entnazifizierungsverfahren waren in den verschiedenen
Regionen unterschiedlich stark, und der Wiederaufbau sorgte schließlich für eine Milderung der
rigorosen Verfahrensweise, bis sie sogar noch Ende der 40er Jahre unter deutschem Druck
beendet wurde. Insofern besteht eine Parallele zwischen dem Roman und Bölls Leben, in
denen die nationalsozialistische Vergangenheit nicht verarbeitet sondern verdrängt wird.
6. REZEPTIONSGESCHICHTE
Gleich nachdem der Roman "Ansichten eines Clowns" veröffentlicht wurde, entstand eine
heftige Diskussion, die Ablehnung, besonders von Seiten der katholischen Kirche, hervorrief.
Der Roman löste außerdem eine literarisch-wissenschaftliche Diskussion aus, denn es
meldeten sich Literaturkritiker zu Wort und in Zeitungen wurden mehr Rezensionen zum Buch
veröffentlicht als üblich war. Der ganze Kritikerstreit, der ausgelöst worden war, machte die
"Ansichten eines Clowns" zu dem "meistdiskutierten Buch des ganzen Jahrzehnts" (Christiane
Rogler, Lektüre Durchblick, S.35). Es fanden sich sowohl Ablehner als auch Verfechter dieses
Romans. Einer der Ablehner war Marcel Reich-Ranicki, der kritisierte, dass sich "Bölls
Sozialkritik(...) totgelaufen habe" (Rogler, a.a.O., S.34). Dies liege auch an der Figurgestaltung;
die Figur des Ich-Erzählers sei unstimmig, weil der Clown als Atheist das katholische Milieu zu
gut kenne. Andere Kritiker waren der Auffassung, dass die Figuren Sommerwild und Schniers
Mutter zu überspitzt dargestellt wurden. Die Verfechter des Romans dagegen lobten die Idee
der Beschreibung der Zustände aus der Sicht eines Außenseiters, die so keine "analytische
Objektivität" erfordern und durch die "Optik des Clowns" (Rogler, a.a.O., S. 35) die Leser mit
seiner Gesellschaftskritik erreichen würde. Die Liebesgeschichte zeige außerdem das wirkliche
Leben und verdeutliche dadurch glaubhaft die Einengungen des Individuums in einer
katholischen Gesellschaft.
7.LESEEMPFEHLUNG
Das Buch ist zu empfehlen für Leser, die sich für eine Auseinandersetzung eines Außenseiters
mit der katholischen Kirche und der Gesellschaft in der Nachkriegszeit interessieren. Die
Erzählweise ist satirisch und humorvoll. Auch wenn der Inhalt des Romans "Ansichten eines
Clowns" heutzutage nicht mehr die gleiche Aktualität hat wie zum Zeitpunkt der Herausgabe,
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bleiben die angesprochenen Themen auch für die heutige Generation interessant. Auch
aufgrund der Stilistik der Erzählung ist dieses Werk sehr lesenswert.
8
Quellen:
Primärliteratur:
Heinrich Böll, Ansichten eines Clowns, 17.Auflage August 1974, Deutscher Taschenbuch
Verlag, München
Sekundärliteratur:
1. Helmut Bernsmeier, Literaturwissen für Schule und Studium Heinrich Böll, 1997 Philipp
Reclam Stuttgart (S.5 ff.)
2. Christiane Rogler, Lektüre Durchblick Band 313, Heinrich Böll, Ansichten eines Clowns,
1996 Mentor Verlag München (S.34, 45)