Das Pilotprogramm zum Schutz der tropischen Regenwälder
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Das Pilotprogramm zum Schutz der tropischen Regenwälder
Institut für Geographie Universität Hamburg Übung: Interdisziplinäres Seminar Globale Umweltveränderungen Leitung: PD Dr. G. Lammel. Dr. J. Léonardi WS 2001/2002 Alejandra Castro de Klede Der tropische Regenwald Brasiliens Teil II: Das Pilotprogramm zum Schutz der tropischen Regenwälder Brasiliens I. Einführung S. 1 II. Das internationale Pilotprogramm S. 1 III. Finanzilen Rahmen und Koordinationsstruktur S. 3 IV. Die Komponenten des Pilotprogramms S.3 V. Evaluation S. 5 VI. Bibliographie S. 7 Castro, A.: Regenwald Brasiliens I. Einführung Schon in den 80er Jahren wurde im Bereich der internationalen Umweltpolitik auf die Zerstörung der tropischen Regenwälder, "die Lungen der Erde", aufmerksam gemacht. So wurde als erstes internationales Programm zur Erhaltung der tropischen Regenwälder der Tropical Forest Action Plan ins Leben gerufen, welcher sich mit wenig Erfolg entwickeln konnte. Die Zerstörung der tropischen Regenwälder wurde ein zentrales Thema bei den Verhandlungen des Umweltgipfels von Rio de Janeiro 1992 (UNCED 1992). Doch die Diskrepanzen zwischen Industrie- und Entwicklungsländer verhinderten eine gemeinsame Regenwaldpolitik. Einige wichtige Aspekte der komplexen Thematik waren die Ursachen der Zerstörung des Regenwaldes und der diesbezüglichen Verantwortlichkeiten, des weiteren die Ziele hinsichtlich Schutz und Nutzung des Regenwaldes, internationale Schutzmaßnahmen und die dafür nötige finanzielle Kooperation. 172 Länder unterschrieben die "Waldgrundsatzerklärung", eine unverbindliche Erklärung über die Erhaltung der Wälder. Richtlinien für eine nachhaltige Waldnutzung wurden allerdings in die Agenda 21 eingefügt. Das Thema Schutz des Regenwaldes wurde auch in der Klimakonvention und in der Biodiversitätskonvention behandelt. Doch auch wenn eine Internationale Waldkonvention letztendlich nicht erreicht werden konnte, wurde die bedeutende Rolle der tropischen Regenwälder für das globale Klima und für die Erhaltung der biologischen Vielfalt anerkannt. Eine Grunderkenntnis von Rio 92 war, dass der Schutz der Tropenwälder nicht in der räumlichen Segregation von großen Flächen der Waldgebiete erfolgen kann, sondern indem durch nachhaltige Waldbewirtschaftung und Ressourcennutzung die lokalen, bzw. regionalen Waldbewohner integriert werden. Im Amazonasgebiet setzte die Waldzerstörung in großem Ausmaß erst in den 70er Jahren mit der infrastrukturellen Erschließung der Region ein. Illegaler Holzeinschlag, rücksichtslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, der Bau von Wasserkraftwerken, die Umwandlung von Waldflächen in Viehweiden und Sojaplantagen, Brandrodung und Brennholzgewinnung sind für den großflächigen Waldverlust verantwortlich. Amazonien ist das weltweit größte zusammenhängende Tropenwaldgebiet. Um seiner Zerstörung mit gravierenden Folgen für das globale Klima entgegen zu wirken, entschlossen die G7-Länder ein Programm zur Bewahrung der tropischen Regenwälder aufzulegen. Das Programm wurde schon auf Initiative Deutschlands beim G7-Wirtschaftsgipfel 1990 in Houston vorgeschlagen. Im Vorfeld des Umweltgipfels Rio 92 wurde ein Programmentwurf von der brasilianischen Regierung, der Weltbank, der EU und der G7 ausgearbeitet und schon im Dezember 1991 wurden die Konzeption, Ausführungsmodalitäten und Finanzierung verabschiedet. Im Rahmen des Umweltgipfels in Rio stimmte die brasilianische Regierung die Durchführung des Pilotprogramms zu (Kohlhepp 1998). II. Das internationale "Pilotprogramm zum Schutz der tropischen Regenwälder Brasiliens" Das Pilotprogramm ist ein unfassender Versuch globale Akteure wie Weltbank, G7Staaten, Europäische Union zusammen mit nationalen, regionalen und lokalen Akteure Brasiliens in einem Aktionsprogramm einzubinden, um eine Strategie für 2 Castro, A.: Regenwald Brasiliens eine nachhaltige Regionalentwicklung bezüglich der tropischen Regenwälder gemäß den Richtlinien der Agenda 21 umzusetzen. Leitziel des internationalen Pilotprogramms zur Erhaltung der brasilianischen Regenwälder ist die brasilianische Umweltpolitik zu unterstützen, um die noch verbleibenden tropischen Regenwälder Brasiliens (Amazonasgebiet und Atlantikküstenwälder) zu bewahren. Zugleich soll eine nachhaltige und ökonomisch rentable Entwicklung für die betreffenden Regionen und die dort lebenden Menschen vorangetrieben werden. Auch wenn das Pilotprogramm der kurzfristigen Regenwaldzerstörung nicht entgegen wirken kann, wird damit versucht, einen umweltpolitischen Rahmen zur Verlangsamung des Zerstörungsprozesses zu schaffen. Auch werden - im Sinne der Nachhaltigkeit - wirtschaftliche Alternativen mit umweltverträglichen Bewirtschaftungsmethoden für die regionale Bevölkerung entwickelt (productive conservation). Dabei soll nachgewiesen werden, dass es möglich ist, ökologische und ökonomische Ziele bei Schutz und nachhaltiger Nutzung zu vereinbaren. Dies soll durch die unterschiedlichsten Projekte im gesamten brasilianischen Amazonasraum aufgezeigt werden. Die Maßnahmen umfassen u.a. die Einrichtung von Naturschutzzonen, Modellprojekte zur angepassten Nutzung der Wälder (z.B. von der indigene Bevölkerung, Gummisammlern, Kleinbauern und Fischern) und neue Methoden der Forstwirtschaft. Ein wichtiger Punkt des Programms ist die Vernetzung aller Verwaltungsebenen, vom Umweltministerium bis zum örtlichen Gemeinderat, um die Ergebnisse aus den Modellprojekten fest in die Entwicklungsprogramme einbinden zu können. Folgende Ziele werden im Rahmen des Pilotprogramms angestrebt: 1. Der Beitrag zur Reduktion von CO2. In der Biomasse der Regenwälder befinden sich große CO2 Mengen gebunden, etwa 60 bis 80 t/ha (Kohlhepp 2000). Die Zerstörung der Regenwälder übt eine Doppelwirkung auf das enthaltene CO2 Volumen in der Atmosphäre aus. Einerseits wird Aufgrund der Brandrodungen CO2 freigesetzt. Brandrodungen verursachen 13% der CO2 Emissionen weltweit (Sandler 1997), die Brandrodungen Brasiliens bedeuten einen Anteil von 6,6% (Fearnside 1999a). Anderseits wird durch die Ausrodung der Wälder das Potenzial vernichtet CO2 aufzufangen. Angestrebte Ziele sind: - Die Verminderung der Brandrodungen, um CO2 Emissionen zu verringern. - Die Erhaltung der Wälder bzw. Aufforstungen für die Aufnahme von CO2. 2. Die Bewahrung der genetischen Ressourcen tropischer Waldökosysteme Die tropischen Regenwälder sind große Reservoirs der biologischen Vielfalt. Brasiliens ist eines der 17 Länder mit der reichsten Biodiversität (Conservation International 1997). Brasilien hat 55.000 Pflanzenarten, 22% der gesamten Arten der Welt; 524 Säugetierarten (davon sind 131 endemische Arten); 517 Amphibienarten (davon sind 294 endemische Arten); 1.622 Vogelarten (davon sind 191 endemische Arten); 468 Reptilen (davon sind 172 endemische Arten); etwa 3.000 Fischarten und zwischen 10 und 15 Millionen Insektenarten (Mittermeier 1997). 3. Der Schutz der Lebensräume der indigenen Bevölkerung Eine Priorität des Programms ist der Schutz der in Regenwäldern lebenden indigenen Bevölkerung und die Sicherung ihres Lebensraums sowie ihrer Wirtschaftsformen. 3 Castro, A.: Regenwald Brasiliens 4. Das Pilotprogramm soll ein Vorbild für Zusammenarbeit bezüglich der globalen Umweltprobleme zwischen Entwicklungsländer und Industrieländer sein. 5. Es wird die Vereinbarung von ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Zielen bei dem Schutz und der Nutzung des tropischen Regenwaldes angestrebt. III. Finanziellen Rahmen und Koordinierungsstruktur des Pilotprogramms Für die Finanzierung des Pilotgramms wurde ein Treuhandfond (Rain Forest Trust Fund) errichtet. Geldgeberländer sind die G7 Staaten. Für die Finanzierung dieses Entwicklungsprogramm wurden 300 Mio. US$ zugesagt. Die Weltbank wurde als Verwalter des Projektes eingesetzt. Finanzielle Beteiligung Deutschland 43% USA 5% EU 23% Groß Britannien 8% Brasil 15% Von der zugesagten Summe wurden bis Ende 1999 70 Mio. US$ ausgegeben. Das brasilianische Umweltministerium (MMA) hat eine zentrale Funktion bei der Koordination und Durchführung umweltpolitischer Maßnahmen. Das MMA arbeitet zusammen mit dem Wissenschafts- und Technologieministerium im Rahmen der Tropenwaldforschung und mit dem Justizministerium bezüglich den Indianergebiete, da die Indianerschutzbehörde (FUNAI) dem Justizministerium untergeordnet ist. Die Weltbank hat eine eigene Abteilung in Brasilia, welche die Steuerung, Koordination und Prüfung des Programms durchführt. Einige Geberländer und die EU haben eigene Programmkoordinatoren vor Ort. Deutschland spielt eine bedeutende Rolle bei der Konzipierung und der technische Zusammenarbeit. Ein Organigramm der Koordinationsstruktur wird in der Abbildung 1 dargestellt. 4 MMA/IBAMA NaturressourcenErhaltung Management DemonstrationsProjekte -----Naturressourcenpolitik gebiet MJ/FUNAI Indianer- Technische Sekretariate Brasilianische Regierung MMA MMA Internationale Beratungsgruppe Nationale Koordinierungskommission Das internationale Pilotprogramm zum Schutz der tropischen Regenwälder Abb. 1 Quelle: G. KOHLHEPP Tübinger geographische Studien Heft 19 Wissenschaft Technologie MCT Regenwaldfonds Weltbank Geberländer EU-G7-NL IV. Die Komponenten des Pilotprogramms Das Pilotprogramm soll eine Vorbildfunktion für die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene aber auch innerhalb Brasiliens haben. Das Amazonasgebiet ist ein komplexer Raum mit ca. 17 Millionen Einwohner, indem unterschiedliche Interessengruppe agieren. Eine Aufgabe des Programms ist die Vereinbarung der verschiedenen Interesse zu ermöglichen. Im Pilotprogramm werden unterschiedliche Teilprojekte durchgeführt, die sich in vier Subprogramme konzentrieren: 1. Subprogramm Naturressourcenpolitik. Das Ziel ist die Stärkung der bundesstaatlichen Behörden bei der Realisierung nachhaltiger Umweltpolitik. Die brasilianische Regierung soll im Bereich der Umweltpolitik verstärkt unterstützt werden. Es sollen die Interesse der Bundesstaaten einbezogen werden, um Interessenrivalitäten zwischen den lokalen Machtgruppen zu vermeiden. Es wird auch die Einbeziehung des privaten Sektors, von NRO und der lokale Bevölkerung (lokales Wissen) angestrebt. Im Rahmen des Subprogramms Naturressourcenpolitik wird die Dezentralisierung gefördert sowie auch ein Konzept für Raumordnung und Flächennutzungsplanung entwickelt. 2. Das Subprogramm Management natürlicher Ressourcen und Schutzgebiete dient der Verbesserung der Bewirtschaftung von Naturressourcen und des Management von Schutzgebieten. Es sollen Strategien zur Kontrolle des illegalen bzw. extensiven Holzeinschlags sowie der Brandrodungen durchgeführt werden. Als Alternative wird die Förderung des Ökotourismus und der Produktion von zertifiziertem Holz durch ökologische Forstbetriebe gefördert. Das Subprogramm Management natürlicher Ressourcen und Schutzgebiete hat folgende Basisprojekte: 2.1. Projekt zur Demarkierung und Legalisierung von Indianerschutzgebiete (PPTAL). Hier handelt es sich um einen innenpolitischen umstrittenes Projekt, da die indigene Bevölkerung in der Geschichte der territoriale Erschließung Amazoniens als Wirtschaftsraum eher als Entwicklungshindernis betrachtet wurde. Die Festlegung der Indianerschutzgebiete benötigt formale Schritte: Identifizierung des Gebietes: Die Behörde und die indigene Bevölkerung müssen zusammen einvernehmlich entscheiden. Ein Hindernis ist der Einfluss von wirtschaftlichen Interessengruppe wie Erdölförderungsunternehmer und Großgrundbesitzer, welche auch über ein Lobby auf lokaler politischer Ebene verfügen. Demarkierung: Die Festlegung der Grenzen. Öfter werden diese Grenzen von den Goldsucher und Landbesetzer nicht respektiert. Homologisierung: D. h. die offizielle Registrierung der Gebiete. Im Pilotprogramm ist die Demarkierung von 123 Gebiete und die Identifizierung von 42 Gebiete vorgesehen. 2.2. Projekt zur Einrichtung von vier Sammlerreservaten (RESEX) für nicht indigene Bevölkerung wie Kautschukzapfern oder Paranuss - Sammler. Sie sollen ein dauerhaftes kollektives Nutzungsrecht erhalten. Dazu wird die Produktion von Nicht-Holz Produkten wie Früchten, Palmmark und -fasern, ölliefernden Pflanzen einbezogen. Die Tendenz ist die Intensivierung der Nutzung im Sinne der Castro, A.: Regenwald Brasiliens Agroforstwirtschaft, um die Waldvernichtung zu verhindern und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. 2.3. Projekt zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung (PROMANEJO) Angesichts der wachsenden Beteilung Amazoniens am Hartholz-Welthandel von 2% 1989 auf 8% 1995 und des steigenden internationalen Drucks auf die Holzwirtschaftspolitik werden Reformen in der Forstverwaltung und Forstpolitik sowie Techniken zur schonenden Waldbewirtschaftung gefördert. Ein Beispiel dafür ist die Förderung des Ökosiegel FSC. 2.4. Projekt zum Schutz und Nutzung von Flussauenbereichen (PROVÁRZEA) Als Schwerpunk wird die Entwicklung der Fischereiwirtschaft als Alternative des Brandrodungsfeldbau vorgesehen. 2.5. Projekt zur Kontrolle und Überwachung von Brandrodungen (PRODESQUE) Es werden Maßnahmen zur Kontrolle von Brandrodung und Waldbränden durchgeführt. Zu diesem Projekt gehört auch die Entwicklung und Anwendung von Methoden zur Überwachung von illegalem Holzeinschlag, Waldzerstörung und Brände in festgelegten Prioritätszonen. 2.6. Projekt zur Einrichtung von "ökologischen Korridoren" Dieses Projekt dient zur Erhaltung der Biodiversität durch die Integration von zahlreichen Schutzgebieten in miteinander verbundene Waldschutzzonen. Das Ziel ist einen regionalen Verbund von großen Arealen zu schaffen. 3. Subprogramm Demonstrationsprojekte zur Förderung von Kleinprojekten regionaler NGO. Diese Demonstrationsprojekte sind im ganzen Amazonasgebiet verteilt. Es handelt sich um Vorschläge für eine nachhaltige Ressourcennutzung (Agroforstwirtschaft, Medizinalpflanzen, Rehabilitierung von degradierten Flächen und Aufforstung) auf lokaler und kommunaler Ebene. Dabei geht es um die Entwicklung und Erprobung von alternative Lösungen für die lokalen Umweltprobleme. Das Ziel ist die Wirtschaftsaktivitäten wie illegale Holzeinschlag, Landbesetzung oder Goldsuchen zu minimieren. In den Kleinprojekten sollen sich auch die indigene Bevölkerung, die Kleinbauern, die Kautschukzapfer und Umweltschützer beteiligen können. 4. Subprogramm zur Förderung angewandter Forschungen für eine nachhaltige Tropenwaldbewirtschaftung. Die zielorientierte, angewandte Forschung der tropischen Ökosysteme, die Forschung der Technologien für eine nachhaltige Entwicklung und die Forschung der Mensch-Umweltbeziehung stehen im Mittelpunkt der Förderungsmaßnahmen. Es wird auch die Beteiligung der Biotechnologie und Chemiekonzerne nach der Suche von neuen Wirkstoffen und andere "nicht traditionelle Produkte" gewünscht. 5. Subprogramm Wissenschaft und Technologie zur Förderung der tropenökologischen Forschung als problemorientierte Forschung durch innovativen Ansätze. 8 Castro, A.: Regenwald Brasiliens V. Evaluation des Pilotprogramms Das Programm lief 1995, erst nach mehrjähriger Planungsphase an. Mitte 1998 begann ein Projekt für Monitoring und Evaluierung des Gesamtprojektes. Nach einer fünfjährigen Laufzeit fand im Jahr 2000 eine Zwischenevaluierung des Pilotprogramms statt, bei der die Einzelprogramme auf ihre Effizienz untersucht und auf ihre Übertragbarkeit geprüft wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht alle der geplanten Subprogramme angelaufen. Als positive Auswertung des Programms werden folgende Schwerpunkte angegeben (Kohlhepp, 1998): • Der internationale Charakter des Umweltschutzprogramms • Der Schutz und die nachhaltige Nutzung stehen im Mittelpunkt des Programms • Die Akteure werden bis zur lokalen Ebene einbezogen Leider sind keine großen Erfolge bezüglich der Waldzerstörung erreicht worden. Nach Angaben der Umweltbehörde (IBAMA) waren z. B. 1995 - 1997 die Vernichtungsraten der Amazonaswälder immer noch sehr hoch. Dies bedeutet, dass Waldzerstörung und Brande schwierig zu stoppen sind. Als Ursache werden die Kürzungen des Budgets im umweltpolitischen Bereich Brasiliens und die entwicklungspolitischen Widersprüche der offiziellen brasilianische Politik angegeben, vor allem zwischen dem Umweltministerium und dem Entwicklungsministerium. So z. B. hat das Entwicklungsministerium ein Programm zur wirtschaftliche Entwicklung des Amazonasgebietes entworfen, das Programm "Avanςa Brasil". Dabei handelt es sich um über 300 Infrastrukturprojekte für Verkehrserschließung zum Transport von Eisen, Gold, Edelholz und Futtersoja in die USA und nach Europa sowie für die Energiewirtschaft, wie der Bau von Staudämmen für Elektrizitätsgewinnung und Pipelines für Erdgas. Es wird auch eine Expansion der Agrarfront für die Viehwirtschaft sowie Agrar- und Holzplantagen vorgesehen. Hier spielt der Einfluss der multinationalen Konzerne und die Lobby der Großgrundbesitzer in der Regionalpolitik eine große Rolle. Auch Großfirmen werden privatisiert, so dass der Staat keine Einflussmöglichkeiten mehr auf ihr Handeln hat. Zwischen diese Interessengruppe und der lokalen Bevölkerung, insbesondere den Indianergruppen kommt es immer wieder zu gewaltsamen Konflikten. Zu diesem Thema muss man hinzufügen, dass in Folge der Finanzkrise Brasiliens im Jahr 1998 weitere strukturelle Anpassungsmaßnahmen vom Internationalen Währungsfond und der Weltbank vorgeschrieben wurden. Dies bedeutet Sparmaßnahmen im staatlichen Haushalt, dabei ist auch der Umweltbereich betroffen, sowie auch weitere Privatisierungen der staatlichen Unternehmen. Auch bei dem Bau von Straßen und Staudämmen sowie der Erzförderung im Amazonasgebiet beteiligen sich Unternehmen der großen Handelspartner Brasiliens, wie der Bundesrepublik. Deutschland ist der zweiwichtigste Investor nach den USA und die meisten Auslandsniederlassungen deutscher Firmen sind in Brasilien ansässig. Hier wird es deutlich, dass die Wiedersprüche nicht nur zwischen Wirtschaftentwicklung und Umweltschutz innerhalb Brasiliens bestehen sondern auch exterritoriale wirtschaftliche Interventionen äußerst widersprüchlicher Art sind. Dennoch hat das Programm bei vielen Umwelt- und Sozialorganisationen in Brasilien große Hoffnungen geweckt. Mit Unterstützung dieses Programms haben sich über 350 Organisationen von Kleinbauern, indigener Bevölkerung, Kautschukzapfern und 9 Castro, A.: Regenwald Brasiliens Umweltschutzorganisationen in einer Arbeitsgruppe Amazoniens (Grupo de Trabalho Amazônico) zusammengefunden. Aber auch Umwelt- und Sozialorganisationen kritisieren manche Absichten der Geberländer und der Regierung Brasiliens bezüglich "Erhaltung und Nutzung". Ein umstrittenes Thema ist der Schutz der Biodiversität : "Die tropischen Regenwälder beherbergen eine einzigartige genetische Artenvielfalt. Eine große Hoffnung ist, dass vor allem die Medizin in den kommenden Jahren von diesem Artenreichtum profitieren und neue Wirkstoffe gegen chronische und tödliche Krankheiten nach dem Vorbild der Natur entwickeln kann" (BMZ, Zukunft Regenwald, o.J.) Hiermit wird der Boden für die Biotechnologie vorbereitet. Viele indigenen Gruppen und NRO haben sich über die sogenannte Biopiraterie beklagt und verschiedene Kampagnen gestartet. Da Patente auf biologische Produkte nur von solchen Konzerne oder Ländern erwirkt werden können, die über die entsprechende entwickelte Technologien verfügen, empfinden diese lokalen Gruppen die Patentierungen als Privatisierung bzw. Enteignung ihrer Ressourcen. Auch ein umstrittenes Thema ist die Bewirtschaftung der "nicht traditionellen Produkte", wie z.B. Paranüsse und Kokosfasern. Im Pilotprogramm wird eine Beteiligung der Privatwirtschaft für die Forschung und Gewinnung der Produkte beabsichtigt. Dabei wurde von den Gewerkschaften kritisiert, dass die internationale Unternehmen, die in dem Bereich tätig wurden, keine faire Preise für die gewonnenen Produkte bezahlen und dass von der ILO vorgeschriebenen internationalen Sozialstandards der Arbeitskräfte nicht erreicht werden. Abschließend sei erwähnt, dass dieses unfangreiche Programm mit seiner komplexen Struktur unterschiedlichste Interessensgruppe in ein Gesamtkonzept zu vereinbaren versucht. Es bleibt dabei die Frage offen, in welcher Weise die traditionelle Beziehung Nord-Süd mit ihren klassischen Determinanten das Pilotprogramm bis hin auf die lokale Ebene dominiert und das Ziel des Umweltschutzes konterkariert. Die wirtschaftlichen Interessen der Industrieländer und der internationalen Konzerne werden abgesichert, und das Pilotprogramm wird als einmaliges Beispiel für die vorbildliche Zusammenarbeit zur Lösung von Umweltproblemen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern dargestellt. 10 Castro, A.: Regenwald Brasiliens VI. Bibliographie BMZ – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (o. J) PPG7 Zukunft Regenwald in: Homepage des BMZ (www.bmz.de/BMZ/themen/projekte/pr1.html) C.B.D (o. J.) Brazilian Biodiversity in: Brazil, Chapter I. Brazil National Report First national report for the Covention on Biological Diversity www.biodiv.org/doc/world Godim, Abnor(2001): O ritual dos Pajés pelas patentes in: Jornal do Brasil, 22.11.2001, Rio de Janeiro www.jb.com.br/jb/papel/economia/2001/11/22/joresco20011122007.html Fischer-Thalheimer, Hartmut (2000): Internationales Pilotprogramm zur Bewahrung der tropischen Regenwälder in Brasilien in: Kooperation Brasilien - KoBra e.V http://www.tropenwaldnetzwerk-brasilien.de/suche/ Kirchlicher Entwicklungsdienst Bayern (o. J.): Deutsche Interessen O Brasil www.ked-bayern.apc.de/Brasilien/obrasil.htm Kohlhepp, Gerd (1998): Der Internationale Pilotprogramm zu Schutz der tropischer Regenwälder Brasiliens in: Mensch - Umwelt - Beziehungen und nachhaltige Entwicklung in der Dritten Welt, Heft 15, Hrsg. G. Kohlhepp und M. Coy. Selbstverlag des Geographischen Instituts der Universität Tübingen. n.n (2001): Brasil: nueva batalla para salvar los bosques in: Boletin del WRM Movimiento Mundial por los bosques tropicales Nr. 46, Mai 2001,Montevideo. www.wrm.org.uy/boletin/46.html Pasca, Dan (1999): Nachhaltige Ressourcennutzung vs. nachhaltiger Verlust von Ressourcen in: Mensch - Umwelt - Beziehungen und nachhaltige Entwicklung in der Dritten Welt, Heft 15, Hrsg. G. Kohlhepp und M. Coy. Selbstverlag des Geographischen Instituts der Universität Tübingen. 11