Nie iSt Ruh
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Nie iSt Ruh
S Or t s termin Nie iSt Ruh Glashütte ist das Zentrum der deutschen Uhrenbranche. Doch das idyllische Äußere täuscht. Denn hier rüstet sich die Industrie mit Hocheifer für die Zukunft Schnelllebigkeit ist nicht das erste Wort, das einem einfällt, wenn man Glashütte besucht. Und doch geht es in Deutschlands Uhrenzentrum, in dem an die 7 000 Menschen leben, hinter den Glasfronten mächtiger Neubauten gerade hektisch zu. Der Ort erlebt – zum dritten Mal in seiner Geschichte – eine Welle des Erfolgs. Die bedeutendsten Uhrenmarken des Landes, von A. Lange & Söhne bis zu Glashütte Original, sitzen hier. Ein neues, hoffnungsvolles Mitglied in dieser auserlesenen Runde thront bereits in einer riesig wirkenden Manufaktur auf dem Hügel gegenüber dem Ortskern. Die Unternehmerin Christine Hutter arbeitet hier daran, mit der Marke Moritz Grossmann einen in der sächsischen Kleinstadt historischen Namen wiederzubeleben. Der Maschinenpark steht, und es wurden schon 46 Arbeitsplätze geschaffen. Wenn man der Altenberger Straße, in der sich Manufaktur an Manufaktur reiht, folgt, wehen links vor der ehemaligen Bahnmeisterei Fahnen mit dem Logo von Tutima: Die Marke verlegte ihren Sitz 2012 – nach sechs Jahrzehnten im niedersächsischen Exil – wieder an den einstigen Gründungsort zurück. Gleich dahinter liegt eine Brücke, die den Firmensitz von A. Lange & platz für neueS Der mit dem Firmensitz von A. Lange & Söhne per Brücke verbundene Neubau birgt 5 400 Quadratmeter zusätzliche Arbeitsfläche FotoS: ARCHItEKtuRFotoGRAFIE KRuMNoW (1), SvEN DoERING/AGENtuR FoCuS (1) TexT Marco Rechenberg 64 GQ.de--Uhren 2014 business Or t s termin Söhne mit einem fünf Etagen hohen Neubau verbindet, der im kommenden Frühjahr fertig werden soll. Doch nicht nur bautechnisch betrachtet passiert viel in Glashütte. Es kommen auch interessante Neuigkeiten aus den Werkstätten der Uhrmacher. Die Entwickler von Glashütte Original etwa haben dieses Jahr mit dem „Seventies Chronograph Panoramadatum“ sowohl hinsichtlich Design als auch Handwerk Beachtliches geleistet. Eine weitere wichtige Innovation liefert Nomos: Die Manufaktur stellte ein eigenentwickeltes Schwingsystem vor, das ihr zukünftig größere Unabhängigkeit von Zulieferern verschaffen wird. Von dem unbedingten Willen der Glashütter Uhrenindustrie, sich ständig weiterzuentwickeln, zeugt auch die „Hommage Minutenrepetition“, die die eigentlich für robuste Fliegeruhren bekannte Manu- Entlang dEr StraSSE in glaShüttE rEiht S i c h M a n u fa kt u r a n Manufaktur A. Lange & Söhne Die nach der Neugründung 1994 vorgestellte „Lange 1“ hat sich schnell als Klassiker etabliert. Die „groSSe lange 1“ hat einen Durchmesser von 41 Millimetern. Handaufzugswerk, Weißgold. 34 500 Euro Glashütte Original Union Glashütte Wempe Im „SeventieS Chronograph panoramadatum“ arbeitet ein neues Manufaktur-Chronographenwerk. Edelstahlgehäuse. 12 000 Euro Das Gehäuse des „BeliSar Chronograph mondphaSe BiColor“ besteht aus Edelstahl und Roségold. Manufakturwerk, Saphirglasboden. 4 500 Euro Die „glaShütte i/Sa Sport tauCher automatik“ wird in der Alten Sternwarte hergestellt und in der Prüfstelle nebenan gleich getestet. 2 475 Euro Uhren 2014--GQ.de 65 Moritz Grossmann Tutima Nomos Mühle Glashütte Das „Benu tourBillon“ ist das erste Modell, das in der neuen, Aufsehen erregenden Manufaktur entsteht. Handaufzugswerk, Weißgold. 168 000 Euro Mit der „Saxon one“ knüpft die Marke an ihre tradition als Hersteller von Fliegeruhren an. Automatikwerk, Edelstahlgehäuse. 4 600 Euro Der Bau des eigenen Schwingsystems für die „metro“ ist eine der beachtlichsten Neuigkeiten in diesem Jahr. Das Design der uhr kommt aus Berlin. 2 600 Euro Das klassische Design des „teutonia ii Chronograph“ weist auf die lange Geschichte der Marke in Glashütte hin. Edelstahlgehäuse. 2 890 Euro faktur Tutima anlässlich ihres Umzugs nach Glashütte seit 2013 ausliefert. Und das Familienunternehmen Mühle Glashütte präsentiert mit der „Kampfschwimmer“ eine Taucheruhr, deren Verkaufserfolg außer Frage steht. Wempe wiederum steht vor einer ganz anderen Herausforderung: Die Firma muss ihren Maschinenpark in der Alten Sternwarte erweitern. Nicht nur, weil das Geschäft mit den dort montierten „Wempe Zeitmeister“-Uhren gut läuft, sondern auch, weil die Deutsche Chronometerprüfstelle, die das Hamburger Unternehmen hoch über der Stadt betreibt, an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen ist. Man muss aber über Glashütte auch wissen, dass der Ort, der sich jetzt so massiv auf die Zukunft ausrichtet, in der Vergangenheit immer wieder von Katastrophen und Krisen gebeutelt wurde. Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Erzgruben zu versiegen. Jedoch besaß Ferdinand Adolph Lange schon 1845 die Weitsicht, eine Uhrenmanufaktur in Glashütte zu gründen. Die erste Erfolgswelle kam in Glashütte an, als wenig später die anderen Gründungsväter folgten: Julius Assmann, Adolf Schneider und Moritz Grossmann. Der erste Ruin kam mit dem Ersten Weltkrieg. Auch wenn sich die Uhrenindustrie bereits wenige Jahre später wieder erholen 66 GQ.de--Uhren 2014 nicht zu untErSchät z E n i St, w i E E n g diE aktEurE dEr glaS hüttEr uhrEn i n d u St r i E M i t E i n a n dEr vErbundEn Sind konnte, machte der Zweite Weltkrieg erneut alles zunichte. Am 8. Mai 1945, einen Tag vor der deutschen Kapitulation, fielen noch Bomben auf die Stadt, später demontierten die russischen Besatzer die Produktionsanlagen. Anfang der 50er-Jahre schließlich wurden die ansässigen Marken unter dem Namen „VEB Glashütter Uhrenbetriebe“ zusammengeführt. Die zweite Welle des Erfolgs begann 1990, als die Treuhand nach Käufern suchte. Doch dieses Mal war Hilfe von außen nötig. Es war der Düsseldorfer Unternehmer Roland Schwertner, der Nomos wiederbelebte. Kurz darauf gewann der bayerische Uhrenprofi Günter Blümlein niemand anderen als Walter Lange, den Urenkel des Glashütter Gründervaters, für den Neubeginn der Marke A. Lange & Söhne, die 2001 vom Uhrenkonzern Richemont gekauft wurde. Und der ebenfalls bayerische Geschäftsmann Heinz W. Pfeifer gründete 1994 auf Basis der Glashütter Uhrenbetriebe die Marke Glashütte Original, die er 2000 an die Swatch Group verkaufte. Trotz wirtschaftlich turbulenter Zeiten gelang der Glashütter Uhrenindustrie der Aufschwung. Daran änderte auch die Flutkatastrophe nichts, die Anfang August 2002 den Ort besonders hart traf. Eine Besonderheit von Glashütte ist, wie eng die Akteure der dortigen Uhrenbranche miteinander verbunden sind: Jede Marke hat zu jeder anderen eine spezielle Beziehung, jede hat über die andere so manche Geschichte zu erzählen. Oft wechseln Mitarbeiter von einem Unternehmen zum nächsten, was nicht selten Streitigkeiten zur Folge hat. Und immer wieder wurde geklagt, wobei es meist um die Einhaltung der Glashütte-Regel ging, nach der mindestens 50 Prozent der Wertschöpfung an einer Uhr in der Stadt erfolgen müssen. Doch allen Streitigkeiten zum Trotz herrscht in Glashütte eine familiäre Kleinstadtatmosphäre, und wer ein versöhnliches Wort mit Kollegen oder Konkurrenten austauschen möchte, muss stets nur auf die andere Seite der Straße gehen. Auch dies gehört zum Erfolgsrezept. Und das schon seit mehr als 160 Jahren. FotoS: DAvID-BRANDt.DE (1) business