Bürsten und Beten - Chancengleichheit

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Bürsten und Beten - Chancengleichheit
BÜRSTEN
UND
BETEN
Frauen
Leben
Gottesdienst
Ein Gottesdienst zum
Thema „Frauen und Gesundheit“
Thematische Impulse
Bausteine für Gruppen
Gottesdienstentwurf zu Sprüche 31,10-31
BÜRSTEN
UND
BETEN
Frauen
Leben
Gottesdienst
Ein Gottesdienst zum
Thema „Frauen und Gesundheit“
Thematische Impulse
Bausteine für Gruppen
Gottesdienstentwurf zu Sprüche 31,10-31
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BÜRSTEN UND BETEN
Frauen Leben Gottesdienst
Ein Gottesdienst zum Thema
„Frauen und Gesundheit”
Thematische Impulse
Bausteine für Gruppen
Gottesdienstentwurf zu Sprüche 31,10-31
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
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A.
Gottesdienst
4
I.
Ankommen im Raum
5
II.
Ankommen bei mir – Ankommen bei Gott
5
III.
Thematische Entfaltung
8
IV.
Aufbrechen – sich senden und segnen lassen
13
B.
Anhang
17
I.
Materialien zum Gottesdienst
18
II.
Thematische Impulse
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III.
Bausteine für Gruppen
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Literatur
46
Arbeitshilfen
46
Kontakte
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Seite 3
Vorwort
Sie haben mit diesem Heft den dritten Gottesdienst der Reihe FrauenLebenGottesdienst in
den Händen. Diese Reihe stellt frauenspezifische Themen in den Mittelpunkt und bietet dazu
jeweils einen Gottesdienstentwurf. Die Gottesdienste knüpfen an den Dekadesonntag an, für
den im Rahmen der Ökumenischen Dekade „Solidarität der Kirchen mit den Frauen” (19881998) vom Landeskirchlichen Ausschuss zur Ökumenischen Dekade in den Jahren 1996,
1997 und 1998 Materialsammlungen herausgegeben wurden.
Dieser dritte Gottesdienst trägt den Titel BÜRSTEN UND BETEN – ein Gottesdienst zum
Thema „Frauen und Gesundheit”. Man mag sich fragen, wie Bürsten, Beten und Gesundheit zusammenhängen. Unter „Gesundheit” verstehen die meisten Menschen zunächst,
nicht krank zu sein oder auch sich wohl zu fühlen. Für dieses gesundheitliche Wohlbefinden
sorgen in unserer Gesellschaft in der Regel Frauen. Dazu gehören zahlreiche alltägliche
Tätigkeiten wie pflegen, waschen, putzen, kochen, bügeln oder für andere zu sorgen. Durch
diese Tätigkeiten schaffen Frauen Räume, in denen Leben wachsen und gedeihen kann.
Die „Bürsten” im Titel symbolisieren diese vielfältigen Sorgetätigkeiten der Frauen. Diese alltäglichen Handlungen sind aber oft auch begleitet von den Fragen nach dem, was das Leben
trägt und was ihm Sinn gibt. Für diese Frage steht der Begriff „Beten”. Der vorliegende
Gottesdienstentwurf will aufzeigen, wie die Frage nach dem Sinn des Lebens und die Frage
nach der eigenen Gesundheit, wie die Sorge um die Seele und die Sorge um den Körper
zusammenhängen.
Dieser Gottesdienstentwurf thematisiert, ausgehend vom Predigttext aus Sprüche 31, unterschiedliche Haltungen, die Frauen zu ihren Sorgetätigkeiten entwickeln können. Wenn
Frauen ihre Sorge nur auf andere, aber nicht auf sich selbst richten, entsteht leicht eine gesundheitsschädliche Überforderung. Wenn sie in ihren Tätigkeiten ihre Kraft entfalten, wird
aber auch Vitalität und Lebensfreude ausgedrückt. Nur im Wahrnehmen des Ganzen kann
Gesundheit und gesundheitsbewusstes Handeln wachsen. Deshalb sollen in diesem Gottesdienstentwurf beide Aspekte gleichermaßen zu Wort kommen: Körper und Geist.
Dieser Gottesdienstentwurf ist in seinen Formulierungen zwar ausschließlich auf Frauen
bezogen, aber allen, die damit arbeiten, steht es frei, so zu formulieren, wie es ihnen passend erscheint.
Dieser Entwurf wurde von Mitgliedern der „Fachgruppe Frauenliturgie” erarbeitet,
namentlich:
Bettina Hertel
Theologin und Psychologin,
Geschäftsführerin Evangelische Frauen in Württemberg
Rebekka Müller
Kurleiterin Mütterkurheim Bad Wurzach
Ariella Pavoni
Frauenbildung zu Gesundheitsthemen,
Referentin bei Evangelische Frauen in Württemberg
Anke Rüdinger
Pfarrerin z.A. im Büro der Frauenbeauftragten (bis 31.8.2006)
Elisabeth Schweizer
Pfarrerin, Klinikseelsorge Klinik am Aichert, Göppingen
Brigitte Straßner
Pfarrerin, Klinikseelsorge Klinikum Nordschwarzwald, Calw
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A. Gottesdienst
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A. I. Ankommen im Raum
A. I.
Ankommen
im Raum
EINGANGSSZENERIE
Im Eingangsbereich befindet sich eine Sammlung von unterschiedlichen Bürsten, z.B. hängen sie an einer Wäscheleine oder liegen im Waschkorb an den Seiten. Die Bürsten sind mit
Zetteln oder einer Aufschrift versehen, die die Besucherinnen interaktiv anregen sollen:
l
l
l
l
Betrachten Sie Ihre Bürste.
Was erzählt Ihre Bürste aus ihrem Alltag?
Wie viele Bürsten haben Sie schätzungsweise zu Hause?
Wer benutzt welche Bürste in Ihrem Haushalt?
Die Gottesdienstteilnehmerinnen nehmen sich beim Hereinkommen eine Bürste und suchen
sich einen Platz.
A. II. Ankommen bei mir – ankommen bei Gott
A. II.
Ankommen bei mir –
ankommen bei Gott
EINGANGSMUSIK
Bürsten- oder Besenbegleitung zu einem Musikstück von Bach aus dem Wohltemperierten
Klavier (siehe Anhang)
EINSTIMMUNG
Sprechmotette
Mit den Bürsten werden unterschiedliche Frauenrollen charakterisiert, die sowohl viele verschiedene Frauen symbolisieren können als auch viele Seiten ein und derselben Frau.
Einzelne Mitarbeiterinnen kommen nacheinander aus den Bankreihen nach vorne, zeigen
Ihre Bürste mit einer Bewegung und sprechen währenddessen einen Satz, passend zu ihrer
Bürste, z. B.:
Klo schrubben, so ein Mist. (die Opferrolle: immer ich!)
Immer wieder diese Haare auf dem Teppich. (die Perfekte)
Ich möchte glänzendes Haar bekommen. (die Schöne)
Kinder, putzt eure Zähne ordentlich! (die Sorgende)
Mit mir nicht, nein! Stop! So geht´s nicht weiter!
(die Widerborstige)
l Hauptsache, alle tanzen nach meiner „Bürste”.
(die, die alles im Griff hat)
l Ist doch alles nur ein Spiel… (die Leichte, jongliert mit Bürsten)
l Ja, ich bin´s! (die Selbstbewusste, die sich selbst Schätzende)
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Wenn die Mitarbeiterinnen vorne sind, „frieren sie ein”; die nächste, die dazukommt, ebenso, bis die letzte Frau vorne ist, sie friert auch kurz ein – und alle beginnen gemeinsam
gleichzeitig ihren Bürstensatz zu sprechen, werden lauter und hören auf ein Zeichen gemeinsam abrupt auf. Diese Einlage lebt vom zügigen Ablauf und sollte nicht länger als 5-7
Minuten dauern.
Thematische
Hinführung
THEMATISCHE HINFÜHRUNG
BÜRSTEN UND BETEN – so lautet der Titel unseres Gottesdienstes zum Thema „Frauen und
Gesundheit”.
„Bürsten und Beten” – statt „Küche und Kirche”? Typisch Frau, mögen da die einen denken, und andere fragen sich vielleicht, wie das zusammenhängen soll: das Bürsten, das
Beten und die Gesundheit.
Würde ich Sie fragen, was Sie unter Gesundheit verstehen, dann würden Sie wahrscheinlich
wie die meisten Menschen spontan antworten: nicht krank sein. Doch gesund zu sein heißt
noch mehr: „Ich bin gesund.” heißt auch: „Mir geht’s gut. Ich fühl mich wohl.”
In unserer Gesellschaft sind es in der Regel die Frauen, die für dieses Wohlbefinden sorgen.
Sie pflegen, putzen, waschen, bügeln, kochen und sorgen – sie schaffen Räume, in denen
Leben wachsen und gedeihen kann.
Bürsten – dieser Begriff steht für all die Tätigkeiten, die dazu verhelfen, dass Menschen
gesund bleiben und sich wohl fühlen können. Dabei kann es natürlich nicht nur um das
gehen, was wir Frauen für andere tun – es geht auch darum, was wir für uns tun, um
uns gesund zu halten.
Und dazu gehört nicht nur dieses „Bürsten”, sondern eben auch das „Beten” – denn alle alltäglichen Handlungen sind begleitet von den Fragen nach dem, was uns trägt und was unserem Leben Sinn gibt. Die Frage nach dem Sinn und unsere Gesundheit – sie hängen eng miteinander zusammen.
Das Gebet ist die Brücke, die Verbindung schafft zwischen unserem Alltag und der transzendenten Welt. Daran erinnert auch der bekannte Leitspruch der Benediktiner: Ora et labora,
deus adest sine mora (Bete und arbeite, Gott ist da ohne Verzug). Diese Regel zielt auf eine
Vermenschlichung des Mönchtums, indem sie die Mönche davor bewahrt, entweder nur in
die Kontemplation oder nur in die Aktion zu verfallen. Durch ein gleichwertiges Nebeneinander von geistlichen Pflichten und weltlichen Aufgaben kann ein Mensch in seinem
Leben eine Harmonie finden, die ihn näher zu Gott bringt. Auch dies hat mit Gesundheit zu
tun.
Beides: die Sorge um unseren Körper und die Sorge um unsere Seele gehören zu einem
gesundheitsbewussten Handeln. Schon die mittelalterliche Mystikerin Theresa von Avila
hat diesen Zusammenhang von Leibsorge und Seelsorge beschrieben, als sie sagte: „Tu
deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.” Darum: lasst
uns „bürsten und beten”.
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LIED
EG 577 Öffne meine Ohren, Heiliger Geist
EINGANGSWORT
In deinem Namen feiern wir diesen Gottesdienst:
Gott, du Quelle des Lebens –
Jesus Christus, du Grund unserer Hoffnung –
Heiliger Geist, du heilende Kraft.
EINGANGSGEBET (siehe Anhang)
Körpergebet
Ich nehme staunend die Welt wahr.
Ich gehe zu meinem Herzen, schützend und bergend.
Ich strecke mich zwischen Himmel und Erde.
Ich umarme die Fülle des Lebens, mit allem Schönen und Schweren.
Ich gehe zu meinen Wurzeln und schöpfe vom Grund und nehme es in meine Mitte.
PSALMGEBET (weitere Psalmen im Anhang)
Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist,
und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.
Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes
und dein Recht wie die große Tiefe,
Herr, du hilfst Menschen und Tieren.
Wie köstlich ist deine Güte, Gott,
dass Menschenkinder unter dem Schatten
deiner Flügel Zuflucht haben!
Sie werden satt von den reichen Gütern deines Hauses,
und du tränkst sie mit Wonne wie mit einem Strom.
Denn bei dir ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Lichte sehen wir das Licht. (Psalm 36,6-10)
GEBET
Gott, du Schöpfer,
zu deinem Ebenbild bin ich geschaffen.
Aus deiner Fülle lebe ich.
Ich komme zu dir, mit allem Schönen
und mit allen Mühen der vergangenen Woche.
Ich breite in der Stille vor dir aus, was mich bewegt.
STILLE
Nun bitten wir dich,
lass diesen Gottesdienst eine Unterbrechung sein,
in der wir zur Ruhe kommen
und aus der wir neue Kraft schöpfen. Amen
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LIED
EG 575 Komm göttliches Licht, erleuchte die Erde, erfüll unsre Herzen,
nimm Wohnung in uns
A. III.
Thematische
Entfaltung
A. III. Thematische Entfaltung
Textlesung Sprüche 31,10-31 in der Übersetzung der „Bibel in gerechter Sprache”
2006 erschien eine neue wissenschaftliche Bibelübersetzung: die „Bibel in gerechter
Sprache”. Diese Übersetzung bemüht sich um größtmögliche Nähe zum Urtext, sie bemüht
sich um Gerechtigkeit gegenüber den Geschlechtern, um Sensibilität für das christlich-jüdische Gespräch und um den Blick auf die sozialen Lebensbedingungen zur Zeit der Entstehung der biblischen Texte. Deshalb wurde sie diesem Gottesdienstentwurf zugrunde
gelegt.
Wo nach eigenem Ermessen die Lutherübersetzung oder eine andere als sinnvoller erachtet
wird, kann selbstverständlich auch diese zugrunde gelegt und verlesen werden.
TRIALOG zu Sprüche 31,10-31
Vorschlag zur Inszenierung des Trialogs
Drei Frauen inszenieren den Trialog in Form eines kleinen „Anspiels” im Kirchenraum. Um
das Thema „Bürsten und Beten” aufzugreifen, können sie während des Gesprächs mit
Kleiderbürsten je einen Mantel oder ein schönes Tuch bearbeiten, das sie sich am Ende des
Trialogs selbst umhängen – ein Symbol dafür, dass die Frauen das „Gewand der Würde”
bearbeiten, mit dem sie sich im Gespräch auseinandersetzen, das sie greifbar nah haben und
sich eigentlich nur noch „antun” müssen.
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Stimme 1
„Das Lob der tüchtigen Hausfrau” in Sprüche 31,10-31 ist ja eigentlich ein ganz
schrecklicher Text. Es sieht zwar so aus, als ob eine Frau hier gelobt wird, für das, was
sie tut, aber in Wirklichkeit wird ihr doch wieder nur Druck gemacht. Sie muss so viel
leisten, muss ihr Haus versorgen, auch noch Geld verdienen, und wenn sie Glück hat,
lobt ihr Mann sie dafür einmal. Anstatt sie zu entlasten! Ich kann mir gut vorstellen,
dass diese Frau irgendwann vor Erschöpfung zusammenbricht. Sie arbeitet Tag und
Nacht, ihre Lampe brennt nachts und zu all dem macht sie auch ein freundliches Gesicht
und tut ihrem Mann nie irgendetwas Böses. Das ist eine verklemmte, scheinbar stets
freundliche Frau, die nicht aufmüpfig ist und alles einsteckt. Früher oder später kriegt
sie gesundheitliche Probleme, wenn sie alles in sich hineinfrisst. Wo sind ihre
Aggressionen? Wo ist ihre Unzufriedenheit mit ihrer Situation? Wofür wird sie gelobt?
Nur dafür, dass sie leistet und funktioniert? Reicht es nicht, dass sie ein angenehmer
Mensch ist, darf sie keine Schwächen haben, um anerkannt zu bleiben?
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Stimme 2
Du kannst natürlich in jede Suppe spucken und an allem etwas Gemeines finden, aber
schau doch mal: diese Frau, die ist doch voll im FLOW! Sie hat Vergnügen an ihrer
Arbeit! Sie genießt das Leben und Arbeiten so sehr, dass sie sich auf den nächsten Tag
freut. Und ich glaube, sie besitzt deshalb so eine Vitalität, weil sie die Gelegenheit hat,
sich auszudrücken. Weil sie einen Ort hat, um ihre Gaben zu entfalten. Sie entwickelt ihr
ganzes kaufmännisches und kommunikatives Geschick, und gerade ihr Erfolg spornt sie
zu noch mehr Glanzstücken an! So sollte es doch sein mit der Arbeit: lustvoll mit den
eigenen Gaben wuchern und merken, wie das Leben – auch das Leben der anderen! –
bereichert wird und gelingt! Dann ist auch keine Angst mehr nötig davor, dass ich zu
kurz kommen könnte.
Ich finde, diese Frau macht ganz und gar nicht den Eindruck, zu kurz zu kommen.
Sie glänzt in ihrer ganzen Schönheit, Kraft und Würde! Und ihr Mann scheint auch noch
damit umgehen zu können: er redet ihr nicht dauernd rein und weiß alles besser, er hat
seinen eigenen Bereich und ist dort anerkannt, er ist nicht neidisch auf ihren Erfolg, sondern stolz auf sie – ist das etwa keine Unterstützung?
Ich finde es klasse, dass hier mal kein klein machendes Frauchen-Bild gemalt wird, sondern dass eine geschickte Händlerin mit intellektuellem Niveau zu sehen ist – eine glückliche, erfolgreiche, starke, charmante und warmherzige Managerin eines Kleinfamilienunternehmens.
Stimme 3
So positiv wie du habe ich den Text zunächst auch nicht wahrgenommen. Vielleicht ist
diese Frau ja tatsächlich „glücklich, erfolgreich, stark und charmant...”. Für mich allerdings klingt das ein bisschen wie in der Werbung. Da werden uns doch auch immer die
strahlenden Frauen gezeigt, die alles auf die Reihe kriegen. Wer von uns Frauen will
nicht so sein? All die vielfältigen Aufgaben bestens managen und dabei noch lächeln. All
den Erwartungen an uns gerecht werden. Aber sind wir Frauen so? Wir bemühen uns.
Oft sind Frauen auch tatsächlich unglaublich stark. Und lange Zeit geht das auch gut.
Auch bei mir ging es lange Zeit gut: die Kinder, die kranke Schwiegermutter und noch
zur Arbeit gehen, weil wir das Geld eben gut gebrauchen können... Manchmal wurde ich
gefragt: wie schaffst du denn das alles? Aber irgendwann konnte ich dann beim besten
Willen nicht mehr lächeln. Ich hatte keine Kraft mehr. Ich konnte keine Freude mehr
empfinden, war total erschöpft und meine Rückenschmerzen wurden unerträglich. Das
war für mich dann das Zeichen: so kann ich nicht weiterleben. In dieser Zeit habe ich
viel nachgedacht über mein Frau-Sein und über meine Gesundheit. Ich bin damals zu
einer Beratungsstelle gegangen und habe eine Mütterkur für mich in die Wege geleitet.
Diese Auszeit gehört zu der wertvollsten Zeit meines Lebens. Seither nehme ich auch
meine eigenen Bedürfnisse mehr wahr und schaffe mir immer wieder einen Freiraum.
Denn ich möchte einfach nicht noch einmal an den Punkt kommen, wo ich mich so ausgebrannt fühlte.
Stimme 1
Ja, und ich denke, zu so einer Einstellung sollte die Bibel uns doch helfen. Dass wir
Frauen uns nicht verausgaben, weil wir die ganzen Ansprüche spüren, die die Umwelt
an uns richtet. Dass wir immer versuchen, alles zu erfüllen, um gelobt – oder wie in
Sprüche 31, Vers 28 – gepriesen zu werden.
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Stimme 3
Das kommt in der Bibelstelle völlig zu kurz: die gute Frau kümmert sich um alle – aber
wir lesen nichts darüber, was sie für sich selbst tut.
Außerdem scheint die Frau im Bibeltext, wie du schon sagst, alle Erwartungen zu erfüllen, die an sie gestellt werden und die sie an sich selbst hat. Alle sind mit ihr zufrieden.
Lange Zeit habe ich mich sehr davon leiten lassen, es allen recht machen zu wollen. In
meiner Krankheitszeit ist mir jedoch durch Gespräche mit vielen anderen Frauen klar
geworden, dass wir Frauen gar nicht all die teilweise unvereinbaren Erwartungen erfüllen können. Damit müssen wir leben lernen. Das heißt auch: aushalten lernen, dass
nicht immer alle mit mir zufrieden sind. Darin übe ich mich. Natürlich fällt mir das nicht
immer leicht – aber immer öfter gelingt es mir, bei mir selbst zu sein. Ich selbst entscheide und übernehme die Verantwortung dafür. So habe ich nach langem Ringen
dann z.B. mit meiner Schwiegermutter über eine Putzfrau gesprochen – wir haben hier
eine gute Lösung gefunden, aber die Nachbarn konnten das nicht verstehen.
Stimme 1
Und deswegen gefällt es mir gut, dass es auch ein anderes „Lob der Frau” in der Bibel
gibt, nämlich die Geschichte von Maria und Marta im Lukasevangelium (Lk 10,38-42).
Dort lobt Jesus Marta, die sich beim Besuch Jesu geschäftig darum kümmert, ihn zu
bedienen: „Du machst dir viel Sorge und Mühe!“, und er lobt Maria, die gar nichts tut,
sondern die sich ihm zu Füßen setzt und ihm zuhört. Jesus verteidigt Maria gegen die
endlosen Zumutungen, für andere sorgen zu müssen. Das macht Mut, sich auch mal
Zeit für Dinge zu nehmen, die im Alltagsgeschäft sonst oft untergehen. Ich darf entscheiden, was wann wichtig ist. Ich würde mir wünschen, dass in der Bibel noch ein
„Lob der Frau” zu finden wäre, das zu der Geschichte von Maria und Marta passt.
Dieses „Lob der Frau” würde dann vielleicht lauten: „Sie kennt ihre Grenzen, sie achtet auf ihr Ruhebedürfnis, sie verausgabt sich nicht völlig, sondern sucht immer wieder
Freiräume für sich. Sie enttäuscht auch manchmal die Menschen um sich herum, sie
lässt ihre Wohnung in Unordnung und läuft in legerer Kleidung herum. Sie ist ein eindrucksvoller Mensch; wer ihr begegnet, merkt, wie wunderbar Gott Frauen erschaffen
hat.” Ich denke, das gerade ist doch der zentrale Punkt unseres Glaubens: wir sind
angenommen, bevor wir etwas leisten. Das hat auch sehr viel mit Gesundheit zu tun.
Wenn sich eine Frau ständig beweisen muss oder ständig gekränkt wird, weil sie
Ansprüche nicht erfüllt, wird sie früher oder später selbst krank.
Stimme 2
Hm, ihr macht mich ganz nachdenklich und auch ein bisschen traurig. Ich sehe da eine
Frau strahlen in ihrer Schönheit – auf eine fast übernatürliche Weise, das gebe ich zu.
Für mich stand gar nicht so sehr das im Vordergrund, was ihr mir hier als leider auch
real existierende Wirklichkeit von Frauen vorhaltet: die unglaublich vielen Erwartungen
und Ansprüche, die an Frauen und ihre Rolle gestellt wurden und werden – und der
größte unter ihnen: dass sie diese Ansprüche freundlich erfüllen.
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Stimme 3
Diese Erwartungen kommen ja von unseren inneren Bildern: was wir uns für ein inneres Bild von einer zufriedenen und gesunden Frau machen. Ist die Frau gesund, die von
morgens früh bis abends spät in Aktivismus versucht, alles zu leisten und zu erfüllen,
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oder ist die gesund, die sich einen Ruhetag gönnt, die mal einen Tag überhaupt nicht
aufsteht, weil sie ihre Kräfte sammelt? Ist die erste frisch und aktiv und die zweite
behutsam mit sich selbst? Oder ist die erste manisch und die zweite depressiv? Mit welchem Verhalten lassen wir Frauen gesund sein?
Ich finde es wichtig, zu wissen, dass Gott uns mit unseren Stärken und Schwächen
annimmt, uns als ganze Menschen sieht und nicht zuerst auf unsere Defizite schaut.
Jede Frau hat doch ihre Vorzüge, die es wert sind, dass ihre Kinder sie gleich morgens
beim Aufstehen preisen und ihr Mann von ihr begeistert ist (Sprüche 31,28 und 29).
Stimme 2
Und trotzdem: diese Frauengestalt, diese starke, sie ist ein wenig gespenstisch in ihrer
Tatkraft und Schönheit, macht sie denn nicht auch Mut? Sie ist doch ganz schön frech
– denn in ihrem begeisterten Tun und Treiben hält sie sich gar nicht an damalige patriarchale Rollenvorstellungen und Konventionen.
Die Frau, die hier gepriesen wird, hat doch gerade darin ihr großes Potential, dass sie
Konventionen und Erwartungen durchkreuzt! Sie macht es einfach anders! Händlerin zu
sein in ihrer Zeit? Das ging eigentlich gar nicht für eine Frau. Und gerade diese irgendwie auch eigensinnige Frau wird als Vorbild gepriesen? Das ist ein Skandal! Das ist
revolutionär!
Das macht doch Mut, auch mal aus der Reihe zu tanzen.
Und ich möchte ihr – die sie ja wirklich keine Wünsche offen lässt – ihren Zauber nicht
nehmen.
Ich verstehe sie nicht als Vorbild, das mich erschlagen soll, sondern als ein Bild für
Gottes Zusage, im Alltag einer jeden Frau erfahrbar zu sein.
Eure Einsprüche sind wahr. Und es tut mir auch weh, das zu sehen. Es ist wichtig, es
ist befreiend, zu sagen, was wirklich ist. Aber die Wirklichkeit hat viele Farben. Und ich
sehe in der Gestalt unserer Frau auch die Zusage Gottes durchscheinen, dass Alltag
gelingen darf. Es ist ein alltäglich – paradiesischer Zug an ihr.
Stimme 3
Du hast auf ganz andere Aspekte des Textes geachtet als ich. Mir sind zunächst weniger die aktiven, unkonventionellen Seiten aufgefallen. Vielmehr habe ich mich über die
klassische Rollenaufteilung aufgeregt. Die Frau ist zuständig für Hausarbeit, Nahrung,
Kleidung und Wohlbefinden der ganzen Großfamilie. Demgegenüber sitzt der Mann bei
den Ältesten, hat eine gute Position, ist wohl anerkannt und trifft wichtige
Entscheidungen für die Gemeinschaft. Diese Zuordnung der Haus- und Familienarbeit
zur Frauenarbeit ist doch genau der Hintergrund für die massive Überlastung vieler
Frauen! Durch Doppel- und Dreifachbelastung ist der Stress vorprogrammiert, es
kommt zu Erschöpfung und vielfach werden Frauen krank. Und dann kommt noch
hinzu, dass diese den Frauen zugeordnete Arbeit in unserer Gesellschaft wenig wertgeschätzt wird! Wo gibt es denn z.B. Anerkennung für die gesundheitliche Versorgung der
Familienangehörigen? Wir Frauen sind die Krankenschwestern unserer Kinder und
Männer und kümmern uns um die pflegebedürftigen Angehörigen. Wir organisieren und
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begleiten Arztbesuche, informieren uns über Gesundheitsfragen und sitzen am Bett des
fiebernden Kindes.
Stimme 1
Diese wichtigen Aufgaben werden gesellschaftlich viel zu wenig gesehen und wertgeschätzt, da hast du natürlich Recht. Aber noch einmal zurück zur Frauenrolle im
Bibeltext: Sie bleibt nicht auf diese traditionelle Familienrolle begrenzt. Sie wird ja auch
als eigenständige Geschäftsfrau beschrieben. Dies kann uns auf die Frage hinweisen,
wo wir in unserem Leben unsere ganz eigenen Bereiche haben – vielleicht in Form eines
eigenen Bankkontos?
Die Frau im Text scheint jedenfalls ihre beruflichen Tätigkeiten gut mit ihren
Familienaufgaben unter einen Hut zu bekommen und die vielfältigen Anforderungen
kraftvoll zu meistern. „Mit Kraft umgürtet sie ihre Lenden” heißt es im Text – und ich
frage mich: Wie macht sie das wohl? Um so mit Freude durch den arbeitsreichen Alltag
gehen zu können, braucht es ganz bestimmt Kraftquellen. Schade, dass hiervon nicht
viel zu lesen ist. Ich nehme an, dass ihr Glaube ihre Kraftquelle ist.
Stimme 3
Für mich und meine Gesundheit ist mir wichtig geworden, immer wieder darüber nachzudenken, wo ich denn Kraft schöpfe. Das gerät mir ab und zu aus dem Blick – aber ich
kann schon viel besser darauf achten als noch vor Jahren. Ich habe mir angewöhnt,
morgens meinen Körper mit einer Trockenbürste zu massieren. Das belebt mich! Und
oft bete ich während des Bürstens. Bewegung und ab und zu ein intensives Gespräch
mit einer guten Freundin gehören auch zu meinen Kraftquellen.
Du hast das so schön formuliert: Gottes Zusage, dass Alltag gelingen darf. Was ist denn
gelungener Alltag? Vermutlich hat hier jede ihre eigenen Antworten. Für mich muss da
gar nichts Tolles passieren. Ein Tag, an dem ich ab und zu inne halte und ganz bewusst
wahrnehme, was jetzt gerade ist – vielleicht auch, wofür ich dankbar bin.
Ab hier: Umhängen der gebürsteten Gewänder!
Stimme 1
Wenn du das erzählst, kriege ich auch Lust, etwas in der Art jeden Tag zu machen – eine
Unterstützung, die ich mir selber geben kann in einem nicht ganz einfachen Alltag.
Allerdings kann das nicht alles sein – dass ich allein verantwortlich dafür bin, dass es
mir gut geht! Ich finde, dass sich auch einiges außerhalb von mir verändern müsste:
„Gebt ihr Anteil am Ertrag ihrer Hände...!” heißt es in unserem Text – was ist denn
damit? Wie steht es um die Honorierung der von Frauen geleisteten Arbeit?
Stimme 2
So gesehen hat der Text auch eine politische Dimension!
12
Für mich persönlich ist das Bild des Gewandes besonders hängen geblieben: „Macht
und Hoheit sind ihr Gewand” heißt es im Text. In der Lutherübersetzung steht hier:
„Kraft und Würde sind ihr Gewand und sie lacht des kommenden Tages.” Ist das nicht
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eine schöne Formulierung? Wenn ich diesen Satz für mich selbst sage, richte ich mich
geradezu auf und werde größer! Würde hat mit Wertschätzung und Achtung zu tun.
Stimme 3
„Sie lacht des kommenden Tages”. Das heißt ja, sie freut sich auf die Herausforderungen, die es zu bewältigen gibt, auf das, was sie heute lernen und erleben kann. Ich habe
eine Idee: Ich sage mir diesen Satz nächste Woche jeden Morgen einmal beim Trockenbürsten. Dabei mache ich mir meine Kraft und meine Würde bewusst und ich übe mich
in einer positiven Haltung. Ich probiere einfach mal aus, wie es mir damit geht. Schadet
bestimmt nichts.
Stimme 1
Und immer dann, wenn ich denke, ich lebe nur noch in meiner Arbeit und finde keine Zeit
für die Dinge, die mir auch noch wichtig sind, oder wenn ich so erschöpft bin, dass ich
mich nicht einmal mehr dazu aufraffen kann, mir selbst etwas Gutes zu tun – dann möchte ich mich daran erinnern: Ich bin angenommen, bevor ich etwas leiste. Ich muss nicht
auch noch selbst dafür sorgen, dass ich Kraft und Würde besitze. Sondern Gott schenkt
sie mir, weil er mich liebt. Er kleidet mich in ein Gewand aus Kraft und Würde. Deshalb
darf ich des kommenden Tages lachen.
LIED
EG 432 Gott gab uns Atem, damit wir leben
A. IV. Aufbrechen – sich senden und segnen lassen
BESINNUNG
Der Trialog-Teil wird nun fortgesetzt als Einzelbesinnung der Besucherinnen.
Die Gottesdienstbesucherinnen werden aufgefordert, sich selbst zu besinnen zu folgender
Frage:
A. IV.
Aufbrechen – sich
senden und segnen
lassen
Was nehme ich mir vor, in der nächsten Zeit bewusst für meine eigene Gesundheit zu tun?
Hinweis: Es kann sich um einen ganz kleinen Schritt handeln. Wichtig ist, dass er umgesetzt
werden kann. Das, was ausgewählt wird, soll realistisch und möglichst konkret sein. Dabei
können folgende Fragen berücksichtigt werden: Was genau will ich? Wann? Wie oft? Wer
kann mich dabei unterstützen?
Anschließend wird ein Rezeptblock ausgeteilt mit dem Vorschlag, das Gedachte in Form
eines Rezepts aufzuschreiben, das mit nach Hause genommen werden kann:
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Kopiervorlage „Rezeptblock”
(siehe Anhang)
R e z e p t v e r s c h r e i b u n g
F ü r
F r a u / H e r r
LIED
EG 569 Dass Erde und Himmel dir blühen
FÜRBITTENGEBET
Eine:
Alle:
14
Gott, du sorgst für uns und zeigst uns, wie wir für uns und andere sorgen
können.
Wir bitten dich, dass wir sorgsam mit uns umgehen, dass wir spüren, was unsere Seele nährt, dass wir uns nehmen können, was wir brauchen und geben können, ohne uns zu verausgaben.
Hilf uns, immer wieder Ruhe zu finden für uns selbst und zu schöpfen aus der
Kraftquelle, die gespeist wird aus deiner unerschöpflichen Liebe.
Heile du uns, Gott, hilf uns, so ist uns geholfen,
heile du uns, Gott, und wir werden heil.
(gesprochen oder gesungen, Melodie siehe Anhang;
alternativer Kyrieruf EG 178.12)
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Eine:
Alle:
Eine:
Alle:
Eine:
Alle:
Eine:
Alle:
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Gott, du sorgst für uns und zeigst uns, wie wir für uns und andere sorgen
können.
Wir bitten für die, die unserer Fürsorge anvertraut sind. Für die Familie, in der wir
leben, für alle, die uns nahe stehen und mit denen wir täglich zu tun haben.
Hilf uns, achtsam miteinander umzugehen, Nähe zuzulassen und unsere Grenzen
zu setzen. Gib, dass wir Zeit füreinander haben.
Heile du uns, Gott, hilf uns, so ist uns geholfen,
heile du uns, Gott, und wir werden heil.
Gott, du sorgst für uns und zeigst uns, wie wir für uns und andere sorgen
können.
Wir bitten um Vertrauen und Solidarität überall, wo Menschen zusammen leben
und arbeiten, um gute Arbeitsbedingungen und gerechten Lohn. Wir bitten dich
gerade für solche Männer und Frauen, die nicht mehr mithalten können, die unter
dem Leistungsdruck zerbrechen und krank werden. Hilf uns, die vorhandene
Arbeit und die Belastungen besser zu verteilen, damit nicht die einen unter der
Last zerbrechen und die anderen leer ausgehen.
Heile du uns, Gott, hilf uns, so ist uns geholfen,
heile du uns, Gott, und wir werden heil.
Gott, du sorgst für uns und zeigst uns, wie wir für uns und andere sorgen
können.
Wir bitten dich um Offenheit und Verständnis für die Menschen, die anders sind
als wir, dass sie einen Platz in unserer Mitte finden. Wir bitten dich für alle, die
nicht ins Bild passen, dass sie nicht ausgestoßen oder vernachlässigt werden.
Wir bitten für alle, mit denen das Zusammenleben schwierig ist.
Hilf, dass wir einander mit Geduld und Respekt begegnen.
Heile du uns, Gott, hilf uns, so ist uns geholfen,
heile du uns, Gott, und wir werden heil.
Gott, du sorgst für uns und zeigst uns, wie wir für uns und andere sorgen
können.
Wir bitten für die Menschen, die Macht haben zu regieren, Recht zu sprechen, zu
verwalten und zu produzieren, dass sie das Wohl allen Lebens im Auge haben,
dass sie ihre Macht nicht missbrauchen und sich einsetzen für Recht und
Gerechtigkeit.
Wir bitten dich für unsere Kirche und Gemeinden, dass wir uns nicht so sehr
Sorgen um uns und unsere Existenz machen, sondern Licht für die Welt sein können und deinen Geist in diese Welt hineintragen, dass Glaube, Hoffnung und
Liebe stark werden.
Heile du uns, Gott, hilf uns, so ist uns geholfen,
heile du uns, Gott, und wir werden heil.
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VATERUNSER
SEGEN
Gott sei vor dir,
um dir den Weg zur Befreiung zu zeigen
aus alten Zwängen und aus zu hohen Ansprüchen an dich selbst.
Gott sei hinter dir,
um dir den Rücken zu stärken
für den aufrechten Gang und
für das Wahren deiner Grenzen.
Gott sei neben dir,
eine gute Freundin an deiner Seite.
Gott sei um dich,
wie ein schönes und wärmendes Kleid.
Gott sei in dir und mache dein Herz weit und stark
zu lieben und zu kämpfen.
(nach einem irischen Segen)
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B. Anhang
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B.I.
Materialien
zum Gottesdienst
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B.I. Materialien zum Gottesdienst
Zur Gottesdienstliturgie
Die Liturgie folgt dem Ablauf des Württembergischen Gottesdienstes. Dem Ankommen im
Raum kommt dabei ein eigenes Gewicht zu. Die Beschäftigung mit den Bürsten, die zunächst
wohl eher als Fremdkörper im Kirchenraum erlebt werden, will neugierig machen auf das
Thema und ist eine Möglichkeit, in Begegnung und ins Gespräch zu kommen mit anderen
Gottesdienstteilnehmerinnen.
Der Eingangsteil „Ankommen bei mir – ankommen bei Gott” enthält zusätzliche Elemente,
wie z.B. ein Körpergebet bzw. Liedstrophen. Sie verstärken die aktive Beteiligung der
Gottesdienstteilnehmerinnen und fördern die dialogische Bewegung zwischen Liturgin und
Gemeinde.
Die Körpergebete werden jeweils durch die Liturgin angeleitet.
Bach mit
Besenbegleitung
Hinweise zu „Wohltemperiertes Klavier” von Bach mit Besenbegleitung
Sie brauchen 2 Personen, einen Besen und ein Klavier oder ein Cembalo oder eine Orgel.
Beispiel:
Suchen Sie sich ein Stück aus der Sammlung des Wohltemperierten Klaviers aus. Es kann
auch ein anderes klassisches Musikstück sein. Begleiten Sie es mit einem Besengeräusch
(immer auf 2 und 4). Versuchen Sie, eine gleichmäßige rhythmische Begleitung durchzuhalten. Setzen Sie Ihre Akzente sparsam, aber hörbar ein.
Körpergebet
Hinweise zum Körpergebet
Die Liturgin nimmt die verschiedenen Körperhaltungen ein und spricht die dazugehörenden
Sätze. Die Gottesdienstteilnehmerinnen vollziehen die verschiedenen Körperhaltungen nach.
Am Schluss werden sie eingeladen, diejenige Haltung einzunehmen, die ihnen im Moment
am meisten entspricht.
Das Körpergebet A orientiert sich an den Vokalen, die in ihrer unterschiedlichen Wirkung
bestimmten Körperregionen zugeordnet werden.
Ich nehme staunend
die Welt wahr.
Ich gehe zu meinem Herzen,
schützend und bergend.
Ich strecke mich
zwischen Himmel und Erde.
Ich umarme die Fülle des Lebens,
mit allem Schönen und Schweren.
Ich gehe zu meinen Wurzeln,
schöpfe vom Grund und nehme es
in meine Mitte.
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(Arme ausgebreitet)
(Arme vor der Brust verschränkt)
(ein Arm zum Himmel, einer zur Erde
ausgestreckt)
(Arme als Kreis vor dem Körper)
(mit beiden Händen von der Erde
schöpfen,
(dann Arme als Kreis vor dem Körper)
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Das Körpergebet B besteht aus drei Haltungen:
(erhobene Hände, Handflächen zeigen
nach hinten)
Ich strecke mich aus zum dem, was kommt.
(erhobene Hände, Handflächen zeigen
nach vorne)
Ich schöpfe aus der Kraft, die beides ermöglicht. (Hände vor der Brust zusammengelegt /
Gebetshaltung)
Ich lasse los, was hinter mir liegt.
Alternativen zur Liturgie
Nach dem Eingangsgebet und/oder der körperlichen Einstimmung kann in Anlehnung an
ein Schuldbekenntnis und einen Vergebungszuspruch, wie es die Liturgie des Abendmahlsgottesdienstes vorsieht, ein selbständiger „Kyrie-Gloria-Teil” eingefügt werden. Diese
Kyrie-Meditation, unterbrochen durch Stille, reflektiert den Umgang des Menschen mit sich
selbst bzw. den Mitmenschen und leitet zugleich über zur Entfaltung des Trialogs zu
Sprüche 31.
1. Kyrie – Variante I:
(evtl. mit verschiedenen Sprecherinnen)
Kyrie
Gott, du nimmst mich an, wie ich bin.
Unter deinen liebenden Augen sehe ich mich und erkenne:
Ich achte oft zu wenig auf meine Grenzen und verausgabe mich.
Mein Körper leidet und gibt mir Signale, was er braucht.
Aber ich übergehe sie und verlange ihm noch mehr ab.
Ich möchte mir gerne öfters etwas Gutes tun und
Zugang bekommen zu meinen Kraftquellen.
Ich möchte entdecken, was in mir steckt und mich daran freuen.
Ich möchte Geduld haben und warten können,
bis meine Quellen wieder von selbst fließen.
(Stille)
Gott, du nimmst mich an, wie ich bin.
Gott, unter deinen liebenden Augen sehe ich mich und meine Mitmenschen.
Ich habe mich fremd bestimmen lassen und nach dem ausgerichtet,
was andere von mir erwarteten, statt auf mich selbst zu hören.
Ich möchte ungerechtfertigten Anforderungen an mich widerstehen und
immer wieder zu meiner Mitte finden.
Ich frage mich, ob ich durch meine Fürsorge und Liebe anderen nicht auch die
Luft zum Atmen nehme, statt ihnen Raum zur eigenen Entwicklung zu geben.
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Ich möchte die Balance finden zwischen Nähe und Distanz.
(Stille)
Gott, du nimmst mich an, wie ich bin.
Gott, unter deinen liebenden Augen sehe ich mich und das,
was du in mich hineingelegt hast.
Oft fehlt mir der Blick dafür oder ich wage nicht zu zeigen, was in mir
an schöpferischen Kräften steckt. Ich frage mich, ob ich genügend Zutrauen
habe zu dem, was du mir an Begabungen geschenkt hast.
Gott, ich möchte heraus aus meiner Enge, möchte meine Gaben nutzen
und deine Liebe widerspiegeln. Schenke mir immer wieder neu die Wachsamkeit
für dich und Nachsicht mit mir und meinen Mitmenschen.
(Stille)
Kyrie – Variante II:
Statt der Kyrie-Meditation kann auch das folgende „umgekehrte Schuldbekenntnis”
verwendet werden:
Christus, ich bekenne vor dir,
dass ich keinen Glauben an meine eigenen Möglichkeiten gehabt habe.
Dass ich in Gedanken, Worten und Taten Verachtung für mich
und für mein Können gezeigt habe.
Ich habe mich selbst nicht gleichviel geliebt wie die andern,
nicht meinen Körper, nicht mein Aussehen, nicht meine Talente,
nicht meine eigene Art zu sein.
Ich habe andere mein Leben steuern lassen.
Ich habe mich verachten und misshandeln lassen.
Ich habe mehr auf das Urteil anderer vertraut als auf mein eigenes
und habe zugelassen, dass Menschen gleichgültig und bösartig mir gegenüber gewesen
sind, ohne ihnen Einhalt zu gebieten.
Ich bekenne, dass ich mich nicht im Maße meiner vollen Fähigkeiten entwickelt habe,
dass ich zu feige gewesen bin, um in einer gerechten Sache Streit zu wagen,
dass ich mich gewunden habe, um Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Ich bekenne, dass ich nicht gewagt habe zu zeigen, wie tüchtig ich bin,
nicht gewagt habe, so tüchtig zu sein, wie ich es wirklich sein kann.
Gott, unser Vater und Schöpfer,
Jesus, unser Bruder und Erlöser,
Geist, unsere Mutter und Trösterin,
vergib mir meine Selbstverachtung,
richte mich auf,
gib mir Glauben an mich selbst und Liebe zu mir selbst.
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Lena Malmgren „Ein umgekehrtes Schuldbekenntnis”.
Aus einem Gottesdienst schwedischer Frauen.
aus: Heidi Rosenstock/Hanne Köhler, Du Gott, Freundin der Menschen.
Neue Texte und Lieder für Andacht und Gottesdienst
© Kreuz Verlag, Stuttgart 1991, S. 63
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Lied
EG 589 Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht
Gloria – Variante I
Mit schöpferischer Kraft begabt,
kann Versteinertes aufbrechen.
Gestärkt mit Hoffnung und Mut,
kann Leben in Fluss kommen.
Gott segnet euch und ihr werdet ein Segen für andere sein.
Gloria
Lied
EG 576 Meine Hoffnung und meine Stärke
Gloria – Variante II
So spricht Gott:
Ihr seid gesegnet,
ich gebe euch meinen Geist.
Ich mache euch stark, zu wirken und zu lieben.
Ich bin heilig und ihr sollt heilig sein.
Lied
Gottesklang 4 Heilig bist du, Ursprung der Welt
2. Eingangsgebete und Psalmen
Eingangsgebete
und Psalmen
Gebet (nach Psalm 36)
Heute, jetzt möchte ich mich neigen
zu dir, der Quelle des Lebens,
dem Brunnen des Heils.
Ich möchte dasein und schöpfen
mit meinen Augen
mit meinen Ohren
mit meinem Herzen.
Jetzt, heute und morgen möchte ich mich öffnen
und dich genießen.
Du wirst mich erfrischen
mit deiner Klarheit
und mich teilhaben lassen am Strömen des Lebens.
Heute, jetzt und morgen möchte ich mich neigen vor dir
der Quelle des Lebens
der Lebensspenderin,
mit Freude und Dank.
nach Elsbeth Rose Frank
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Meditation zu den vier Elementen
Licht – Sonne,
Sonne, die mich umhüllt wie ein Mantel,
dass Wärme mich durchströmt,
mein Herz warm und lebendig macht.
Sonne, die dem Leben Glanz verleiht.
Wasser – Mitte,
Mitte, aus der ich schöpfe,
Erfrischung für Körper und Geist.
Mitte, in die ich eintauche,
die mich weich umfängt und trägt.
Erde – Boden
auf der ich stehe und die mich trägt.
Erde, an die ich gebunden bin,
Erde, aus der das Grün kommt,
die Bäume, das Gras,
Erde, die Nahrung gibt, Menschen und Tieren,
genug für alle,
Erde, in die der Samen fällt und stirbt,
die Totes in Leben verwandelt,
Erde, in die wir zurückkehren werden,
Erde – werde ich sein.
Das Blau des Himmels
Tiefe der Unendlichkeit,
sie weckt die Sehnsucht in meinem Herzen.
Himmel – Weite,
die meinen Träumen Flügel verleiht
sie hinausträgt über die Grenzen,
die mir gesetzt sind
und die ich mir selbst setze,
Weite, die mir einen neuen Blick schenkt,
dass ich mit neuen Augen sehe das Alte.
Elisabeth Schweizer
Segen
3. Segen
Gott berühre dich im Kommen wie im Gehen.
Gott bewahre dich im Tun wie im Lassen.
Gott belebe dich im Schaffen wie im Träumen.
Gott behüte dich im Schlafen wie im Wachen.
Gott segne dein Leben und Sterben.
Verfasserin unbekannt
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4. Lieder
Lieder
EG 324
EG 398
EG 496
EG Wü 554
EG Wü 611
EG Wü 630
Ich singe dir mit Herz und Mund
In dir ist Freude
Lass dich, Herr Jesu Christ
Der Geist des Herrn
Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt
Du, Gott, stützt mich
Gottesklang 4
Gottesklang 22
Gottesklang 50
Gottesklang 110
Heilig bist du, Ursprung der Welt
Sanftmut den Männern, Großmut den Frauen
Du, meine Seele singe (Neudichtung nach EG 302)
Mögen sich die Wege vor deinen Füßen ebnen
Kanon Siegfried Metzger, Institut für Ganzheitliche Seelsorge, Geislingen
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B. II. Thematische Impulse
Marianne Williamson, Rückkehr zur Liebe
Unsere tiefste Angst ist nicht die, dass wir unzulänglich sind.
Unsere tiefste Angst ist die, dass wir über die Maßen machtvoll sind.
Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, das uns am meisten erschreckt.
Wir fragen uns: Wer bin ich denn, dass ich so brillant, großartig, talentiert,
fabelhaft sein sollte?
Aber wer sind Sie denn, dass Sie es nicht sein sollten?
Sie sind ein Kind Gottes. Wenn Sie sich klein machen, dient das der Welt nicht.
Es hat nichts von Erleuchtung an sich, wenn Sie sich so schrumpfen lassen, dass andere
Leute sich nicht mehr durch Sie verunsichert fühlen.
Wir sollen alle so leuchten wie die Kinder. Wir sind dazu geboren, die Herrlichkeit Gottes in
uns zu manifestieren. Sie existieren in allen von uns, nicht nur in ein paar Menschen.
Und wenn wir unser eigenes Licht leuchten lassen, erlauben wir auch unbewusst anderen
Menschen, das gleiche zu tun. Wenn wir von unserer eigenen Furcht befreit sind, befreit
unsere Gegenwart auch automatisch andere.
Gender und Gesundheit
Gesundheit meint heute nicht mehr nur körperliche Gesundheit. Schon 1946 hat die WHO
dazu ein wichtiges Zeichen gesetzt, indem sie verkündete, dass Gesundheit auch bedeutet,
sich psychisch und sozial wohl zu fühlen. In jüngster Zeit kommt auch das ökologische und
spirituelle Wohlbefinden hinzu. Welche Vorstellung von Gesundheit und Krankheit haben
wir?
B. II.
Thematische Impulse
Rückkehr zur Liebe
Gender
und Gesundheit
Welche Konsequenzen ergeben sich daraus, wenn wir unsere Meinung zu Ende denken?
Eine Konsequenz, die sich aus dem Paradigmenwechsel von der Pathogenese zur Salutogenese ergibt, ist die Verstärkung der gesundheitsfördernden Ansätze und Angebote.
Da Gesundheit/Krankheit als Querschnittskategorie in alle Bereiche des Lebens hineinwirkt,
wird hier die Notwendigkeit einer geschlechterdifferenzierten Betrachtungsweise von Gesundheit/Krankheit besonders deutlich: Frauen und Männer kommunizieren anders, deshalb
kommunizieren sie auch ihre Befindlichkeiten anders. Frauen und Männer haben eine andere Geschichte mit ihrem Körper. Frauen nehmen Körpersignale früher wahr, gehen entsprechend früher oder öfter zum Arzt – also sind Frauen in erster Linie die Leidtragenden der
Praxisgebühr. Die frühere Entlassung aus stationären Behandlungen trifft Frauen anders als
Männer: Wenn sie nach Hause kommen, sind sie in der Regel als Menschen, die auch für
andere sorgen, wieder voll gefordert, während in der Regel der männliche Teil der Bevölkerung zu Hause weitergepflegt wird.
Frauen werden im medizinischen System teilweise schlechter versorgt als Männer. Hierzu
einige Beispiele: Untersuchungen ergaben, dass Frauen deutlich häufiger zum Arzt/zur Ärztin gehen, bis ihre Symptome ernst genommen werden. Nach einem Herzinfarkt kommen
Frauen im Durchschnitt eine Stunde später in die Klinik als Männer. Und die Medikamente
für Frauen kosten im Schnitt 20% weniger als die Arznei, die für die männlichen Patienten
ausgewählt wird.
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Nach wie vor mangelt es an geschlechtsspezifischen Forschungsergebnissen, was die
Wirkung von Medikamenten angeht. Dies jedoch ist zwingend notwendig. Neuere Untersuchungen belegen unter anderem, dass Frauen durchschnittlich weniger Schmerzmittel
benötigen als Männer und viel häufiger unter schweren Nebenwirkungen bestimmter blutdrucksenkender Präparate leiden. Ein weiteres Beispiel: Frauen sind durch Aspirin weniger
gut vor Herzinfarkt geschützt als Männer.
Frauen sind anders gesund und anders krank als Männer. Ein Frauenleben besteht aus biologisch definierten körperlichen und seelischen Phasen wie Pubertät, Schwangerschaft und
Wechseljahren. Alle Übergänge sind mit körperlichen Veränderungen verbunden. Diese
Übergangsphasen hat in den letzten drei Jahrzehnten die Gynäkologie als riskante Ereignisse
interpretiert und „behandelt”. Der weibliche Körper wird (im Gegensatz zum männlichen) als
kontroll- und behandlungsbedürftig betrachtet. So werden beispielsweise viele junge
Mädchen in Teenagersprechstunden routinemäßig auf ihre „normale Entwicklung” hin überprüft. Schwangerschaft und Geburt werden als hoch risikoreiche, pathologische Vorgänge
betrachtet, die kontrolliert und überwacht werden müssen. Auch die Wechseljahre werden
vorwiegend unter der Perspektive von Mangelerscheinungen und körperlichen Symptomen
betrachtet. In Kulturkreisen, in denen die Frauen nach der Menopause als „weise Frauen”
angesehen und geehrt werden, leiden diese interessanterweise nur selten an körperlichen
Symptomen in den Wechseljahren.
Nach Schätzung der internationalen Gesundheitsforschung werden drei Viertel aller Gesundheitsprobleme im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis bewältigt.
Gesundheitsleistungen werden gesellschaftlich kaum wahrgenommen, weil sie ins
Alltagsleben integriert sind. Dies wird als sogenanntes „hidden health care system” bezeichnet. Die informelle und unbezahlte Gesundheitsarbeit wird überwiegend von Frauen geleistet. Diese Arbeit kann neben der Weitergabe von medizinischem Alltagswissen als Beziehungs- und Gefühlsarbeit beschrieben werden.
Frauen sind Expertinnen und geben oft praktische Hilfe. Frauen sind auch Providers of health
– wenn sie für häusliche Bedingungen sorgen (z.B. Essen, Putzen, Kochen Waschen,
Pflegen). Frauen sind „navigators of health”, wenn sie richtige Einstellungen und Verhaltensweisen zur Gesunderhaltung vermitteln und die Familienmitglieder sozialisieren.
Weiter sind Frauen „mediators of health”, wenn sie die Verbindung zum professionellen Gesundheitssystem herstellen und Kontakte vermitteln.
Frauen sind „gatekeepers” (Türöffnerinnen, Wegbereiterinnen) zwischen Familie und professionellem System.
Wie muss also die Gesundheitsförderung aussehen, damit sie den Differenzen innerhalb der
Geschlechter gerecht werden kann?
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Die WHO sagt dazu folgendes: „Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen
Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und
sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen. Um ein umfassendes körperliches,
seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne
als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen
und verwirklichen, sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können. In diesem Sinne ist
die Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und
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nicht als vorrangiges Lebensziel. Gesundheit steht für ein positives Konzept, das die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für die Gesundheit ebenso betont wie die körperlichen Fähigkeiten.
Die Verantwortung für Gesundheitsförderung liegt deshalb nicht nur bei dem Gesundheitssektor, sondern bei allen Politikbereichen und zielt über die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus auf die Förderung von umfassendem Wohlbefinden.”
Gesundheit erblüht im Laufe der Zeit
Der nachfolgende Text ist ein Auszug aus dem Buch „Überlebenskunst” von Dr. Luise
Reddemann. Er beschäftigt sich mit der Frage nach der Mobilisierung von Selbstheilungskräften, den Möglichkeiten der Selbsthilfe und den Befunden der Resilienzforschung.
Reddemann
„Überlebenskunst“
Zur Person: Luise Reddemann, Dr. med., Nervenärztin
und Psychoanalytikerin (DGPT, DGP), Fortbildung in
Systemischer Therapie und verschiedenen körpertherapeutischen Verfahren, Fachärztin für psychotherapeutische Medizin, war von 1985 bis 2003 Leitende
Ärztin der Klinik für psychotherapeutische und psychosomatische Medizin am Ev. Johanneskrankenhaus
Bielefeld; aktuell ist sie in Fort- und Weiterbildung auf
dem Gebiet der Psychotraumatologie tätig; Entwicklung der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie („PITT“). Sie ist Mitglied im Weiterbildungsausschuss der Deutschen Akademie für Psychotraumatologie, im Wissenschaftlichen Beirat der Lindauer
Psychotherapiewochen und in der wissenschaftlichen
Leitung der Psychotherapietage NRW. Weitere Informationen zu Luise Reddemann finden Sie unter:
www.luise-reddemann.info
Selbsthilfe, Selbstheilungskraft und Resilienz
An dieser Stelle möchte ich nun einiges zusammentragen, was wir heute über Förderung der
Selbstheilungskräfte mittels resilientem Verhalten, Erkenntnissen aus der Salutogenese- und
flow-Forschung und Glücksforschung und einigen anderen Bereichen wissen.
Selbsthilfe,
Selbstheilungskraft,
Resilienz
Es ist ein Zeichen von innerer Stärke, wenn man sich helfen lassen kann. Deshalb benötigen
Menschen mit einem Mangel an Selbstbewusstsein oft erst eine Unterstützung dabei, sich
so zu entfalten, dass sie Hilfe überhaupt annehmen können.
Ist man so weit, kann es sich lohnen, sich mit allen Möglichkeiten der Selbsthilfe zu beschäftigen. Dazu kann auch gehören, mit denen, die etwas Ähnliches erlitten haben wie man
selbst, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, d. h. sich Selbsthilfegruppen anzuschließen.
Nach langen Jahren der Überbetonung des Expertentums wird in den letzten Jahren verschiedentlich und von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, wie wichtig die Förderung
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der menschlichen Selbstheilungskraft ist. In einer eher am Modell der Krankheit orientierten
Heilkunde wurde der Patient immer mehr zum Empfänger von Wohltaten anderer, und seine
Fähigkeiten zur Selbstregulation wurden dadurch sowohl von ihm selbst wie von seinen
Behandlern immer weniger in den Blick genommen. Dem hat die Selbsthilfebewegung entgegengewirkt und das Selbstbewusstsein von PatientInnen entschieden gefördert. Aus meiner Sicht gibt es allerdings in der Selbsthilfebewegung auch Gefahren:
Es tut zwar vielen Menschen gut, über erlittenes Leid zu sprechen und dies mit anderen zu
teilen, auf der anderen Seite sollte man die Erkenntnisse der Psychotraumatologie über
Triggerwirkungen von belastendem Material nicht außer Acht lassen. Nur sehr stabile
Menschen verkraften es gut, unvorbereitet über lange zurückliegende Traumatisierungen zu
sprechen, bei allen anderen besteht die Gefahr, dass dies eine Verschlechterung bewirkt. Sie
sollten sich zunächst bewusst werden, welche Selbstheilungskräfte in ihnen schlummern
und diese zum Leben erwecken. Es kann also ungünstige Auswirkungen haben, wenn man
sich in einer Selbsthilfegruppe ausführlich mit Kindheitstraumata beschäftigt, ohne auf die
innere Stabilität zu achten und ohne die immer auch vorhandenen Ressourcen genauso zu
würdigen wie das Leid.
Die Menschen, die eben (wobei „eben“ bis zu eineinhalb Jahren meinen kann) erst eine
Extrembelastung erlitten haben, sollten allerdings so viel darüber sprechen können, wie sie
es brauchen und ihre Umgebung sollte zum Zuhören bereit sein, denn in diesem Fall hilft das
darüber Sprechen beim Verarbeitungsprozess. Dennoch ist es immer günstiger, wenn man
auch mit einem „Ressourcenohr“ zuhört und dabei hilft, Ressourcen bewusster verfügbar
zu machen, außer der betroffene Mensch lehnt das ausdrücklich ab.
Daraus leite ich ab, dass Selbsthilfegruppen eine andere Funktion als bisher haben sollten:
Im Wesentlichen sollte es darum gehen, Menschen, die schwere Belastungen erlitten haben,
Mut zu machen, so dass sich die wechselseitige Unterstützung weniger darauf bezieht, „was
uns Schlimmes widerfahren ist“ sondern auf „Wie sind wir mit dem Schlimmen bis jetzt fertig geworden und was kann uns helfen, damit in Zukunft noch besser fertig zu werden.“
Es sollte ebenfalls ein Austausch über angenehme Erfahrungen und welchen Menschen und
Situationen man dies verdankt, stattfinden. Letztere Empfehlung gründet sich auf die Forschungen von Seligman und seinen Mitarbeitern, wonach die Menschen am ehesten glücklich sind, die dankbar sein können.
Es sollten wenn möglich auch erfreuliche gemeinsame Erfahrungen gesammelt werden, d. h.
konkret, gemeinsam erfreuliche Dinge getan werden.
Resilienzorientierung
in der Selbsthilfe
Resilienzorientierung in der Selbsthilfe
Folgende Überlegung nach Gina O‘Connell Higgins, einer Resilienzforscherin, finde ich bereichernd und ermutigend:
Resilienz kann man kultivieren.
Sogar die Resilienten brauchen es, dass man sie an ihre Stärke erinnert.
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Resilienz hat mit Entwicklung zu tun und wird durch Visionen und Stehvermögen begünstigt.
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Man kann immer noch neue Freiheitsgrade erreichen und fördern.
Gesundheit erblüht im Laufe der Zeit.
„Die größte Überraschung der Befunde auf diesem Gebiet ist das Gewöhnliche an der
Resilienz. Menschliche Resilienz in der Entwicklung entsteht offenbar durch das ganz normale Operieren protektiver Systeme, von denen wir einige zweifellos mit anderen Arten teilen... Was resiliente Individuen charakterisiert, sind aber normale menschliche
Eigenschaften, (Hervorhebung L. R.) wie die Fähigkeiten zu denken, zu lachen, zu hoffen,
dem Leben einen Sinn zu geben, zu handeln oder das eigene Verhalten zu unterbrechen, um
Hilfe zu bitten und diese zu akzeptieren, auf Gelegenheiten zu reagieren oder Erfahrungen
und Beziehungen zu suchen, die für die Entwicklung gesund sind...“ schreibt Anne Masten,
eine andere sehr bekannte Resilienzforscherin.
Ich rate auch zu einem konsequenten Interesse für die so genannten „Ausnahmen vom
Problem“, wie das Steve de Shazer genannt hat. Es ist für die Selbsterkenntnis mindestens
so anregend herauszufinden, wann es einem gut geht und was man da denkt, fühlt und tut
wie die Beschäftigung mit Symptomen und Problemen.
Will man also Selbsthilfe fördern, so erscheint es sinnvoll, sich die Momente bewusst zu
machen, in denen es einem gut oder besser geht und sich zu fragen, was man da tut bzw.
lässt, und sich danach zu richten.
Dies ist auch in Einklang mit den Forschungsergebnissen von Mihalyi Czikszentmihaliy, der
als Quintessenz seiner nun schon jahrzehntelang andauernden Glücksforschung formuliert:
„Ob unser Leben vorzügliche Elemente enthält, hängt am Ende nicht vom Was, sondern
vom Wie unseres Tuns ab. (Man denke an Morrie Schwartz, L. R.) Der erste Schritt zur
Verbesserung der Lebensqualität besteht darin, genau darauf zu achten, was wir jeden Tag
tun, und zu erkennen, welche Gefühle die Tätigkeit, der Ort, die Tageszeit oder der Gefährte
in uns auslöst.
Es gibt kein Gesetz, wonach wir alle das Leben auf ein und dieselbe Weise erfahren müssen.
Das Entscheidende ist, dass Sie herausfinden, was sich in Ihrem Fall als besonders hilfreich
erweist.“
Die innere Erlaubnis zum aktiven Tun ist ebenfalls zur Förderung von Selbsthilfe sinnvoll.
Hierfür lohnt es sich zu überlegen, welche Tätigkeiten einem besonders angenehm sind und
wie man diese häufiger ausüben könnte. Insbesondere jegliche Art von Bewegung – eben
auch das sich Einlassen auf Neues i. S. geistiger Beweglichkeit – fördert Eigenkompetenz
und die Fähigkeit zu mehr selbst bestimmtem Handeln. Das hat u. a. damit zu tun, dass
Extrembelastungen fast immer mit Erstarrung und Nicht-mehr-handeln-Können einhergehen, d. h. mit Kontrollverlust. Wenn wir dann oft die Erfahrung machen, dass wir wieder
handlungsfähig sind, heilt das die Ohnmachtserfahrungen ein Stück weit.
Was man tun kann, wenn man nicht mit einer „Glückshaut“ geboren wurde
Menschen mit traumatischen Erfahrungen sehen sich im Allgemeinen nicht als Glückskinder.
Auch Bach war sicher kein „Glückskind“, denn dafür hatte er es immer wieder zu schwer in
seinem Leben.
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In dem italienischen Märchen „Glücklos“ wird davon erzählt, dass man für ein schlechtes
Schicksal nichts kann, dann aber nimmt das Märchen eine Wende und man hört‚ dass die
Heldin – mit Namen Glücklos – ihr Schicksal zunächst mit Hilfe ihrer Amme, aber auch mit
Entschlossenheit und Zuversicht ändert. Sie erhält sogar einen neuen Namen von ihrem
Schicksal, bezeichnenderweise Fortunata, also die Glückliche.
Schätzungsweise ist etwa fünfzig Prozent dessen, was uns an Glücks- oder Unglücksfähigkeit zur Verfügung steht, genetisch bedingt, die andere Hälfte können wir beeinflussen, wenn
wir das so wollen.
Im Märchen hält erst nur die Amme der armen Prinzessin Glücklos unbeirrbar daran fest,
dass sie ihr schlechtes Schicksal ändern könne. Allerdings tut sie das erst, nachdem sie der
Prinzessin vorgeschlagen hat, sich erst einmal zu erholen und gar nichts zu tun.
Resiliente Menschen haben so eine innere Amme, die immer wieder dafür sorgt, dass sie
nicht aufgeben, und diese innere Amme scheint Bach auch gehabt zu haben. Neuere Forschungen zeigen, dass Menschen von Anfang an intrauterin Beziehung erfahren und dadurch
Geborgenheit erleben können, und diese Erfahrung, so meint Gerald Hüther, kann ihnen niemand nehmen. Es könnten diese frühen Erfahrungen sein, die auch schwerst beschädigten
Menschen helfen, nicht aufzugeben und ihr Glück zu suchen.
Eine andere Geschichte „Vom Adler, der ein Huhn sein sollte“, erzählt von den Menschen
aus Ghana zu den Zeiten, als sie von den englischen Kolonialherren unterdrückt wurden.
In der Geschichte geht es um ein Huhn, das eigentlich ein Adler war, dies aber längst vergessen hatte.
Bis ein naturkundiger Mann kam, der es als Adler erkannte und nun mit dem Hühnerbesitzer
darum rang, dass dem Huhn eine Chance gegeben wurde, seine wahre Natur zu entdecken.
Dies gelingt schließlich beim dritten Versuch, als der Hühnerbesitzer schon gewonnen zu
haben schien.
Der naturkundige Mann lässt den Vogel in die Sonne blicken und sagt ihm, dass es ihm entspricht, in die Sonne zu fliegen. Und da fliegt das vermeintliche Huhn los, breitet seine Flügel
aus und fliegt zur Sonne.
Hier haben wir eine Entschlossenheit und das Vertrauen, dass sich etwas ändern lässt, und
dass man „seine wahre Natur“ (wieder) finden kann. Und auch hier ist wieder die Unterstützung eines anderen Menschen wesentlich.
Resilienzforschung
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Das Wesentliche aus der Resilienzforschung
Im Folgenden fasse ich die mir wesentlich erscheinenden Ergebnisse der verschiedensten
Richtungen der Resilienzforschung zusammen. Wie bereits verschiedentlich betont, beziehen sich diese Forschungsergebnisse auf Menschen, die den Wunsch nach Veränderung
verspürten. Auch Resilienzforscher wissen, dass es für manche Menschen aus unterschiedlichsten Gründen nicht ansteht, ihr Unglück verändern zu können oder auch zu wollen. Meine
Ausführungen bitte ich daher in diesem Sinn zu lesen.
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Es braucht Mut, Entschlossenheit und Einsatz, wenn man ein belastetes Leben ändern will,
man muss auch manche Unbequemlichkeit auf sich nehmen und es braucht vor allem Geduld.
Von Rückschlägen darf man sich nicht entmutigen lassen.
Es geht darum, Veränderung zu wollen, nicht aufzugeben, sich dazu zu entschließen, dass
man sein Schicksal ändern will, Negativzuschreibungen zu beenden und geduldig an Veränderungen zu arbeiten.
Denn Veränderungen brauchen Zeit.
Auch resiliente Menschen fühlen sich nicht dauernd wohl.
Nach schmerzlichen Erfahrungen braucht es geraume Zeit, bis sie wieder zu mehr Wohlbefinden zurückkehren können. Daher will ich mich jetzt eingehender mit der Frage beschäftigen, was man unter Resilienz alles verstehen kann.
Was ist Resilienz?
Wir verstehen darunter Widerstandskraft, in unserem Fall seelische. Das Wort stammt von
dem lateinischen Begriff „resilio“ – ich springe zurück – nämlich in den Zustand (vorhergehenden) Wohlbefindens.
Die Widerstandskraft eines Menschen gegenüber Belastungen bestimmt sich aus dem
Verhältnis zwischen Risiko- und Schutzfaktoren, das heißt, wenn die Belastungsfaktoren zu
hoch sind, hat jemand möglicherweise keine Kraft mehr für Veränderungen und seine resilienten Kräfte reichen nicht aus.
Verwandte Begriffe sind: Salutogenese, also die Lehre von den Bedingungen, wie Gesundheit
entsteht und Flow, und so finden sich die Grundlagen dazu in der Forschung zu Resilienz,
flow und Salutogenese, aber auch in der Glücksforschung.
Im ständig wachsenden Gebiet der Neuropsychologie, in der Positiven Psychologie und in
der Forschung zu dem, was als „traumatic growth“, also Wachstum durch traumatische
Erfahrungen, bezeichnet wird, finden sich ebenfalls wesentliche Anregungen.
Während früher fast ausschließlich die Entstehung von Krankheit interessierte, fragen wir
uns heute: „Wie schaffen Menschen es, trotz Belastungen gesund zu bleiben oder wieder
gesund zu werden? Was tun seelisch gesunde Individuen, das weniger Gesunde von ihnen
lernen könnten?“
Die Resilienzforschung unterscheidet personale und soziale Ressourcen, sowohl innerhalb
als auch außerhalb der Familie und konnte zeigen:
Resiliente Kinder hatten wenigstens eine sie beantwortende und fürsorgliche Bezugsperson,
so dass ein Großteil der Kinder sogar sichere Bindungsmuster entwickeln konnten. Ein
sicheres Bindungsmuster bedeutet, dass man sich einem anderen Menschen anvertrauen
kann und sich mit ihm innerlich auch dann noch verbunden fühlen kann, wenn er nicht
anwesend ist.
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Es lohnt sich anzuschauen, was resiliente Kinder an Kompetenzen haben:
Resiliente Vorschul- und Schulkinder erwarten von sich selbst, wirksam zu sein, man nennt
das eine hohe Effizienzerwartung, sie erwarten auch, dass sie Ereignisse beeinflussen können, bewerten Situationen aber dennoch realistisch und nehmen nicht an, Einfluss auf faktisch unbeeinflussbare Situationen nehmen zu können, d. h., sie haben realistische Kontrollüberzeugungen, darüber hinaus hohe Sozialkompetenz und die Fähigkeit, Unterstützung bei
anderen mobilisieren zu können.
Emmy E. Werner und Ruth S. Smith gelten als die Pionierinnen der Resilienzforschung und
Emmy Werner wurde auch als die „Mutter der Resilienz“ bezeichnet.
Sie führten von 1955 bis 1995 von der vorgeburtlichen Zeit bis ins 40. Lebensjahr insgesamt
6 Untersuchungen an einer Gruppe, man nennt das in der Forschung auch Kohorte, von 700
Kindern, bzw. später Erwachsenen, der hawaiianischen Insel Kauai durch, um darüber Aussagen machen zu können, wie die untersuchten Gruppenmitglieder mit belastenden Lebensereignissen fertig wurden.
Ihre wesentlichen Ergebnisse aus meiner Sicht sind:
Auch Kinder mit erheblichen Belastungen können sich gesund entwickeln, wenn sie wenigstens eine erwachsene Bezugsperson haben, die sich ihnen liebevoll zuwendet.
Die Pubertät erwies sich als eine wichtige Zeit, um trotz widriger Umstände gesunde Entwicklungsschritte nachholen zu können bzw. erstmalig zu machen.
Auch wenn in der Teenagerzeit erhebliche Probleme bestanden, hat ein großer Teil der 40Jährigen dennoch zu einem gesunden und befriedigenden Leben gefunden.
Die beiden Forscherinnen fanden als wichtigste Resilienzfaktoren:
Persönliche Kompetenz, Entschlossenheit, Unterstützung (durch einen Partner)‚ Vertrauen.
Über die gesamte Gruppe sagten Werner und Smith aufgrund der Untersuchung der inzwischen 40-Jährigen:
„Sie arbeiteten gut und waren liebesfähig unter Lebensumständen, die weit von den traumatischen Lebenssituationen entfernt waren, die ihre Kindheit charakterisiert hatten.“ Das
heißt, das Leben bietet uns viele Chancen, die Kindheit ist nicht das Einzige, und es liegt
daher ein Stück weit auch an jedem selbst, was er dann, wenn er nicht mehr klein und
abhängig ist, aus seinem Leben macht. Und dies zu wissen, scheint mir für vor allem für
PsychotherapeutInnen wichtig, die allzu oft selbst – i. S. einer Gegenübertragung – zu glauben scheinen, dass eine schwierige Kindheit so etwas wie das Ende von allem ist. Wenn
Psychotherapeutlnnen darum wissen, dass man Resilienz lebenslang fördern kann, können
sie in ganz anderer Weise helfen, als wenn sie davon ausgehen, schwer belastete Patienten
brauchten nur Verständnis für das Schwere, das sie erlitten haben. Das brauchen sie natürlich unbedingt auch, aber sie brauchen viel mehr. Sie brauchen aus meiner Sicht vor allem
Förderung ihrer resilienten Fähigkeiten und Anregungen, wie diese ausgebaut werden können.
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So konnten Lösel und seine Mitarbeiter in der so genannten Bielefelder Studie zeigen, dass
aktive Bewältigungsbemühungen, kognitive Kompetenzen, Erfahrungen der Selbstwirksam-
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keit, positives Selbstwertgefühl und Flexibilität, aber vor allem stabile emotionale Beziehungen (mindestens zu einem Elternteil oder einer außerfamiliären Bezugsperson) sowie Modelle positiver Bewältigung entscheidende Resilienzfaktoren darstellten. Das lese ich nun wie
eine Anleitung zu einer ressourcenorientierten Psychotherapie oder Arbeit mit sich selbst!
Von Interesse scheint mir auch die Forschung von Lewis an gesunden Familien. Er fand folgende Faktoren bei Familien, die er als gesund bezeichnet:
Eine grundlegende positive und freundliche Haltung, emotionale Unabhängigkeit, die Fähigkeit, Nähe zu genießen und auch gerne allein zu sein. In diesen Familien sind alle Gefühle
„erlaubt“, und es herrscht eine Atmosphäre von Freiheit, Freude und Witz.
Die Weltwahrnehmung ist klar und realistisch, so dass man sich gefasst auf Veränderungen
einstellt. Transzendente Wertesysteme spielen eine bedeutende Rolle.
Fast alle diese Faktoren kann man bei Bach finden, wenn man das Wenige, das man über ihn
weiß, zusammenfasst.
Kommen wir zu einem anderen Pionier: Aaron Antonovsky. Sein salutogenetisches Konzept
des „Sense of Coherence“, abgekürzt SoC, wird häufig zitiert und gilt Gerald Hüther als ein
zentraler Faktor seelischer Ausgeglichenheit: SoC wird verstanden als ein durchdringendes,
überdauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens, der inneren Stimmigkeit.
Es wird folgendermaßen definiert:
Sense of
Coherence
Die Anforderungen aus der inneren und äußeren Welt werden als strukturiert, vorhersagbar
und erklärbar erlebt, es herrscht die Gewissheit, dass Ressourcen verfügbar sind, die nötig
sind, um den Herausforderungen gerecht zu werden und sie zu handhaben, und schließlich
das, was ich für das Wichtigste halte: Auch schwere Anforderungen werden als Herausforderungen definiert, die Investition und Engagement verdienen, und sie erscheinen sinnhaft.
Dies alles sind subjektive Faktoren, die damit zusammenhängen, wie wir Situationen für uns
selbst bewerten, das heißt, wir haben es ein großes Stück mit unseren Bewertungen in der
Hand, ob wir diesen Sense of Coherence erreichen oder nicht.
Es konnte gezeigt werden, dass insbesondere psychisches Wohlbefinden mit dem Kohärenzgefühl zusammenhängt.
Wie wichtig das Konzept der Salutogenese inzwischen geworden ist, zeigt, dass der Weltgesundheitstag 2001 Salutogenese zum Thema hatte.
Und bei dem 36. Internationalen Ascona-Gespräch 2003 wird in der Einladung gesagt:
„Die Förderung der Resilienz des Patienten könnte man auch so definieren: „Schaue als Arzt
immer zuerst nach der vollen Hälfte deines Patienten und nicht immer nur nach der leeren
Hälfte“, das heiße: „den gesunden Menschen im Patienten fördern und nicht nur seinen
Krankheiten nachspringen.“
Von dort ist es dann kein weiter Weg zum „beidäugigen Sehen in Diagnostik und Therapie“,
das der Psychoanalytiker Peter Fürstenau empfiehlt. Er bezieht sich damit auf ein uraltes
ärztliches Wissen, dass nämlich der ganze Mensch mit seinen gesunden Seiten zuerst und
dann auch mit seinen kranken Seiten gesehen werden sollte, beidäugig eben. Das gilt ebenso für die Selbstwahrnehmung, d. h. jede/r hat die Freiheit, sich als ganzen Menschen mit
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Stärken und Schwächen zu betrachten, statt sich ausschließlich auf die Schwächen zu konzentrieren. Darüber hinaus gilt es auch zu entdecken, welche Stärke oft in einer Schwäche
verborgen ist, da es bei genauer Betrachtung „die“ Schwäche oder „die“ Stärke nämlich gar
nicht gibt.
Und zum Schluss möchte ich ein Konzept der Forscher Wohn und Wohn vorstellen, das ich
besonders ermutigend finde: Sie sprechen von einem Modell der Herausforderung durch
Krisen und Belastungen und fanden, dass Erkenntnis und Reflexionsfähigkeit, Unabhängigkeit, die Fähigkeit, Beziehungen knüpfen zu können, Initiative, Kreativität und Humor sowie
Wertmaßstäbe für seelisches Wohlbefinden von Bedeutung sind.
Vergleicht man die Forschungen miteinander, findet man viele Gemeinsamkeiten und ich
empfehle, bei sich selbst zu schauen, was da ist und wie man die vorhandenen Fähigkeiten
noch weiter ausbauen kann.
Wer gerne etwas im Internet nachlesen will, kann dies unter der web-site zum Thema
Resilienz, www.lifeline.de, tun.
Dort heißt es: Man solle resiliente Vorbilder suchen. Das finde ich wichtig und deshalb interessieren mich die Lebensläufe von Bach und anderen besonders.
Die Krise sollte akzeptiert werden, das ist schwer, bei Bach wird sich das allerdings als ein
ganz zentrales Moment herausstellen. Vielleicht kann man sagen, dass dadurch Energie freigesetzt wird, die sonst für innere Kämpfe gebraucht wird. Es erscheint mir wichtig anzuerkennen, dass die Fähigkeit zur Akzeptanz sich erst im Laufe der Zeit einstellen kann, und
dass es wenig Sinn hat, sich dazu zu zwingen!
Eine weitere Empfehlung ist, nach Lösungen aktiv zu suchen und sich helfen zu lassen.
Letzteres scheint mir ebenfalls besonders bedeutsam, jedoch gilt hier, dass es manchmal
viel Zeit braucht, bis jemand so weit ist.
Die Forschung zur Resilienz hat klar zeigen können, dass optimistisch und vorausplanend zu
bleiben, nach dem Sinn zu suchen und sich nicht dauerhaft selbst die Schuld geben sehr
resilienzfördernd ist.
Eine Untersuchung erregte in besonderer Weise mein Interesse, weil die Forscher SchulteCloos und Baisch sich die interessante Frage gestellt haben: „Welche Einstellungen haben
Helfer in Bezug auf die Fertigkeiten, die ihren Klienten helfen, Gesundheit in schwierigen
Lebenssituationen aufrechtzuerhalten oder wiederzuerlangen“ und fanden, dass die Thematik der Resilienz Psychologlnnen aus der Grundlagenforschung bekannt war, den ÄrztInnen
nicht. Das heißt, wenn man zum Arzt geht, kann man derzeit eher nicht damit rechnen, dass
er etwas von der Notwendigkeit der Resilienzförderung weiß, da sollte man sich selbst
darum kümmern. Und warum auch nicht?! Übernahme von Eigenverantwortung ist an dieser Stelle eben auch ein wichtiger Faktor für die Resilienz.
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In der Untersuchung von Schulte-Cloos und Baisch erwähnen Betroffene Spiritualität als
eine der wichtigsten Ressourcen, während Helfer sie an letzter Stelle einordnen. Sie setzen
nämlich in erster Linie auf Veränderungen durch die Therapie. Man kann daran sehen, dass
zumindest in dieser Studie die befragten Professionellen dem Konzept der Selbstheilung
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wenig Bedeutung beimaßen. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn sich beide
Konzepte zusammenfügen, bzw. zusammengefügt werden: Selbstheilungskräfte mit Hilfe
einer tragfähigen Beziehung zu fördern.
Was versteht man unter flow?
Flow
Mihaly Csikszentmihalyi versteht darunter eine besondere Form eines Glückszustandes.
Dieser Zustand wird von Menschen sehr ähnlich beschrieben, gleichgültig, was sie tun:
meditieren, an einem Rennen teilnehmen, Schach spielen, operieren, klettern u. v. a. m.
Das Wort „Flow“ hat Csikszentmihalyi gewählt, weil der Zustand beschrieben werden kann
als ein Fortgetragenwerden durch eine Macht, die sich dem Willen entzieht und eine Art
mühelose Bewegung in einem Strom von Energie.
Auffällig häufig wird flow bei der Arbeit erlebt und nicht, wie manche erwarten, in der
Freizeit.
Besonders eindrucksvoll finde ich das folgende Beispiel aus Csikszentmihalyis letztem Buch
„Flow im Beruf“:
„Es verschafft mir große Befriedigung draußen zu sein, mit den Leuten zu reden, mit meinen Tieren zusammen zu sein... Ich rede mit allen – mit Pflanzen, Vögeln, Blumen und
Tieren. In der Natur ist einem alles sehr nahe. Täglich kann man sehen, wie sich alles weiterentwickelt. Man fühlt sich makellos und glücklich. Nur schade, dass man müde wird und
nach Hause gehen muss ... Auch wenn man viel arbeiten muss, ist es doch sehr schön.“
Die Frau, die das sagt, war mehrere Kilometer bergab gegangen mit einem Bündel Heu auf
dem Rücken, das doppelt so groß war, wie sie selbst.
Flow vermittelt eine Erfahrung, bei der die Dinge um ihrer selbst willen getan werden. Sie
sind in sich belohnend. Genauso spielen Kinder, wenn man sich noch nicht allzu viel eingemischt hat.
Musik kann flow-Erlebnisse begünstigen. Es lohnt sich also auch aus diesem Grund, Musik,
die uns erfreut, in unser Leben holen. Bei Bach kommt noch die Orientierung an einer
übergeordneten Aufgabe dazu, die flow begünstigt.
Bach ist für mich auch ein Experte in „Herzensangelegenheiten“, denn seine Musik spricht
bei vielen unmittelbar das Herz an.
Aus: Luise Reddemann, Überlebenskunst, Von Johann Sebastian Bach lernen und Selbstheilungskräfte entwickeln, (Klett-Cotta Leben!), Klett-Cotta, Stuttgart, 2006
(160 Seiten, mit CD (Kantaten von J.S. Bach, Laufzeit ca. 45 Minuten), Euro 14,90)
Salutogenese – Was erhält Menschen gesund?
Die Veränderungen im Gesundheitssystem bedeuten nicht nur mehr finanzielle Belastungen
für die Einzelnen, sondern beinhalten auch ein großes Maß an Selbstsorge für die eigene
Salutogenese
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Gesundheit. Damit stellen sich viele Fragen, wie z.B.: Was erhält denn eigentlich Frauen und
Männer gesund? Was bedeutet „Gesundheit” im Einzelnen? Wie wird Krankheit definiert?
Aaron Antonovsky hat mit seinem Konzept der Salutogenese einige wesentliche Impulse für
ein verändertes Verständnis von Gesundheit und Krankheit angeregt. Er greift in seinem
Konzept die Ansätze, Gedanken und politischen Strömungen der 70er und 80er Jahre auf, in
denen von unterschiedlichen Seiten das System der gesundheitlichen Versorgung öffentlich
kritisiert wurde. Kritikpunkte waren die Technisierung der Medizin, die hohen Kosten der
gesundheitlichen Versorgung und die mangelnde Rücksicht auf ethische Fragestellungen.
Gefordert wurde eine sprechende Medizin und die Einbeziehung psychosozialer Aspekte.
salutogenes
und pathogenes
Verständnis
Einführung in das salutogene und das pathogene Verständnis von Gesundheit bzw. Krankheit
Aaron Antonovsky (1923-1994) unterrichtete am Institut für angewandte Sozialforschung in
der Abteilung für Sozialmedizin und arbeitete an verschiedenen Forschungsprojekten zum
Zusammenhang von Stressfaktoren und Gesundheit bzw. Krankheit.
Er entwickelte ein Stresskonzept, in dem Stressoren nicht mehr als grundsätzlich krankmachend gesehen wurden, sondern als Impulse, die einen Zustand der Anspannung auslösen, ohne dass dies zwangsläufig zu Stress führen muss.
Antonovsky versteht Krankheit und Gesundheit als ein Kontinuum: Beide sind nebeneinander vorhanden; die Menschen sind quasi „Schwimmer und Schwimmerinnen” im Lebensfluss, und es geht darum, darin gut zu werden, um beide Anteile – kranke wie gesunde – in
einer dynamischen Balance zu halten. Krankheit und Gesundheit hängen von vielen Faktoren
ab und sind demnach systemisch zu verstehen. Da die Folgen von Stress von den jeweiligen
individuellen Konstitutionen und Gegebenheiten abhängen, müssen die jeweiligen subjektiven Gesundheitskonzepte mit der globalen Orientierung des salutogenetischen Ansatzes
zusammengebracht werden.
Das pathogene (an Krankheiten orientierte) Modell geht von einer Dichotomie aus: Es gibt
entweder Gesundheit oder Krankheit. Beide Zustände sind objektiv messbar anhand festgelegter Normwerte. Damit ist Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit definiert. Das salutogenetische Modell dagegen definiert Gesundheit nicht, sondern fragt nach den Verhältnissen von Gesundheit.
Das pathogene Modell geht von einer Vorstellung des Lebens im Gleichgewicht (Homöostase) aus, während die Salutogenese Leben als einen dynamischen Prozess versteht, als
Selbsterhaltung im Ungleichgewicht (Heterostase). Krankheitsursachen im pathogenen
Modell sind sogenannte Risikofaktoren und negative Stressoren, die den Einsatz wirksamer
Heilmittel begründen, weil sie als potenziell krankheitsfördernd eingeschätzt werden. Gesundheitsursachen sind salutogenetisch verstanden heilsame Ressourcen und Kohärenzsinn. In der Reaktion auf äußere Reize geht es somit um die aktive Anpassung, Risikoreduktion und Ressourcenentwicklung.
Das Konzept:
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Die Hauptthese von Antonovsky und seinem sozialpsychologischen Konzept beinhaltet, dass
ein stark ausgeprägtes Kohärenzgefühl der entscheidende Faktor für eine erfolgreiche
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Bewältigung allgegenwärtiger Anforderungen und Stressoren (äußere Reize) und damit für
den Erhalt der Gesundheit ist. Das Kohärenzgefühl ist als gesundheitliche Ressource zu verstehen, die durch individuelle, historische, soziale und kulturelle Bedingungen geprägt ist.
Das Kohärenzgefühl (Sense of Coherence SoC) entwickelt sich durch Akkomodation und
Assimilation bis zum 30. Lebensjahr und bleibt dann relativ konstant. Es entspricht einer
Grundhaltung des Vertrauens, das durch drei Merkmale gekennzeichnet ist:
Verstehbarkeit (sense of comprehensibility): umschreibt das Ausmaß, in dem die Reize und
Situationen, mit denen eine Person alltäglich konfrontiert wird, Sinn machen und von ihr
kognitiv als klare geordnete Information verstanden werden.
Handhabbarkeit (sense of manageability): umschreibt das Ausmaß, in dem eine Person die
Anforderungen, die auf sie zukommen, mit den ihr verfügbaren Ressourcen bewältigen kann.
Als Persönlichkeitseigenschaft wächst damit ein instrumentelles Vertrauen ins Leben.
Bedeutsamkeit (sense of meaningfulness): bezieht sich auf das Ausmaß, in dem das eigene Leben emotional als sinnvoll erlebt wird und die Probleme und Anforderungen des
Lebens als solche erlebt werden, für die einzusetzen es sich lohnt. Strukturelle und gesellschaftliche Maßnahmen, die dem Einzelnen Einflussnahme und Teilhabe an sozial anerkannten Entscheidungsprozessen ermöglichen, ist für Antonovsky die beste Möglichkeit, das
Kohärenzgefühl positiv zu beeinflussen.
Welchen Einfluss hat nun ein hoher oder niedriger SoC für die Gesundheit ?
Stressoren sind Einflüsse, die den menschlichen Organismus in einen Spannungszustand
versetzen. Er unterscheidet physikalische, biochemische und psychosoziale Stressoren. Bei
den physikalischen und biochemischen hält er eine pathogene Sichtweise für angemessen,
für die psychosozialen eine salutogenetische.
Menschen mit einem hohen SoC nehmen die Reize wahr, bewerten sie als Stressor oder
Nicht-Stressor und entscheiden im Hinblick auf die Bewältigung über notwendige
Aktivierung bzw. Deaktivierung von Ressourcen, d.h. sie sind in der Lage zu unterscheiden,
wie viel Einsatz notwendig ist, um im Gleichgewicht zu bleiben. Gelingt es, den Spannungszustand zu bewältigen, dann stärkt dieses Erleben den SoC. Bei Misslingen entsteht Stress,
der aber nicht zwangsläufig krankmachend sein muss. Ob Ressourcen geweckt werden,
hängt davon ab, ob die Person bereits über einen hohen SoC verfügt und ob zusätzlich zum
Stress andere Faktoren (Krankheit, äußere Nöte) vorliegen. Menschen mit niedrigem SoC
erleben bereits auf der primären Bewertungsstufe den Reiz als Spannung und geraten auf
der zweiten Bewertungsstufe in Verwirrung, weil sie die Herausforderung des Stressors für
sich nicht einschätzen können.
Hier entscheiden generalisierte Widerstandsfaktoren (heilsame Faktoren) über den
Belastungsgrad. Sie sind das Potenzial, das zur Bewältigung aktiviert werden kann und prägen wiederum die Lebenserfahrung.
Zusammenfassung:
Gesundheit ist damit die dynamische Balance der produktiven Verarbeitung von äußeren und
inneren Anforderungen sowie der Verwirklichung selbstbestimmter Wünsche, Anliegen und
Zusammenfassung
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Hoffnungen. Die salutogenen Faktoren, die es ermöglichen, diese dynamische Balance aufrechtzuerhalten, sind in dem Konstrukt des Kohärenzgefühls (SoC) zusammengefasst.
Methodische
Vorschläge
Methodische Vorschläge zur Weiterarbeit mit dem Text
1. Diade-Übung: Was erhält Dich gesund?
Bei einer Diade-Übung sitzen sich zwei Menschen gegenüber.
Eine Person beginnt, der anderen die Frage zu stellen: Was erhält Dich gesund?
Die gefragte antwortet 5 Minuten lang einfach alles, was ihr dazu einfällt, möglichst ohne
nachzudenken. Die Fragende hört nur zu.
Beide halten Blickkontakt. Wenn die Einfälle stocken, kann die Fragende dieselbe Frage wiederholen.
Nach 5 Minuten werden die Rollen getauscht, ohne dazwischen zu sprechen oder zu kommentieren oder zu erklären, wie man etwas gemeint hat.
Die Übung kann mehrere Male wiederholt werden. Der Wechsel sollte mindestens 2-3 Mal
gemacht werden, um mehr auf das Wesentliche zu kommen.
Wenn die Übung beendet ist, sollte Zeit für den Austausch sein.
2. Vorstellung der Thesen von Antonovsky
(mit Tageslichtprojektor oder Stichworten am Flip-Chart)
Zeit für Rückfragen
Anschließend Diskussion mit folgenden gesprächsleitenden Fragen:
Welche Anregungen gibt das Konzept?
Wo stimme ich zu, wo denke ich anders?
3. Die eigenen gesundheitlichen Ressourcen bestimmen
Die Teilnehmenden tauschen sich in Kleingruppen zu folgender Frage aus:
Wo liegen meine gesundheitlichen Ressourcen?
(Die Teilnehmenden erhalten das nachstehende Ressourcenmodell als Kopie.)
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Ressourcen können sein:
Intern:
1. psycho-physiologische Aspekte, geistige und körperliche Gesundheit
2. emotionale Fähigkeiten
l Gefühle, Bestrebungen, Bewertungen
3. kognitive Fähigkeiten
l Wahrnehmen, Erinnern, Denken
4. pragmatische Fähigkeiten
l Geschicklichkeit, Handlungsvermögen
5. motivationale Aspekte
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Extern:
1. materielle Situation
l Wohnung, Gehalt, Vermögen, Besitz
2. psychosoziale Situation
l Familie, Partnerin, Freundinnen
3. soziokulturelle Situation
l Arbeit, Nachbarschaft, Hilfeeinrichtungen
Nach dem Austausch in Kleingruppen werden drei wichtige „Erkenntnisse” aus den jeweiligen Kleingruppen dem Plenum vorgestellt.
Schlussfragen könnten sein:
Wie soll´s weitergehen? Möchten wir in irgendeiner Form an dem Thema bleiben?
Wo besteht Handlungsbedarf? Auf welcher Ebene möchten wir ansetzen?
Was sind unsere nächsten Schritte?
Singen macht glücklich
Singen
Viele Menschen singen im Auto, unterwegs beim Wandern, unter der Dusche oder zusammen mit anderen im Chor. Singen entspannt, belebt, erfrischt und gleicht aus.
Zu diesem Ergebnis kam auch eine englische Studie: Sie stellte fest, dass der Serotoninspiegel bei Chormitgliedern nach der Probe erhöht war.
Im Übrigen gilt für Menschen, die einfach gerne singen, auch wenn andere oder sie selbst
meinen, dass sie nicht „richtig” singen könnten: Singen tut allen gut!
Die Stimme ist der direkteste musikalische Ausdruck des Menschen. Der eigene Körper ist
Resonanzraum für unsere Stimme, und unser Atem bringt unsere Stimmbänder zum
Schwingen. Wie wir gestimmt sind, merken wir am Klang und Ausdruck der Stimme.
Singen kann dazu helfen, eigenen Stimmungen und Gefühlen Ausdruck zu verleihen und
kann uns zu mehr „Stimmigkeit” bzw. Authentizität führen.
Dass Singen eine zutiefst originäre Ausdruckweise des Menschen ist, zeigt sich an der
Bedeutung des Singens in allen Religionen und Kulturen. Im Gesang kann ich mich vor Gott
bringen, so wie ich bin: direkt und unverstellt. Gemeinsames Singen kann unglaubliche
Kräfte freisetzen, aber wie wir aus der Geschichte wissen, können diese freigesetzten
Energien beim Singen auch für zerstörerische Zwecke missbraucht werden.
Dennoch: sich fallen lassen und gleichzeitig wach bleiben und eigene Verantwortung wahrnehmen ist kein Widerspruch – und kann unendlich wohl tun und heilsam sein.
Auch unsere Kirchenlieder – ob traditionell oder modern – laden dazu ein, die verschiedenen
Stimmungen und Gefühle in Text und Melodie auszudrücken: Freude und Glück, Trauer und
Wut, Sehnsucht nach Gott und dem Leben, Dankbarkeit, Verlassen-Sein und Klage, Geborgenheit in der Gemeinschaft und bei Gott.
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B. III.
Bausteine für Gruppen
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B. III. Bausteine für Gruppen
„Kyrie- Meditation”
Vorbemerkung:
Besonders Frauen sind für Schuldgefühle und Schuldzuweisungen jeglicher Art sehr empfänglich. Durch Jahrhunderte hindurch wurden sie als diejenigen, die für die Sünde der
Menschheit verantwortlich sind, stigmatisiert. Auch wenn dies heute – wo Frauen wenigstens theoretisch gleichberechtigt sind – nicht mehr argumentationsfähig ist, wirkt diese
lange Tradition unbewusst weiter. Schuldgefühle können krank machen: sie bohren, wüten,
pochen und nagen in einem. Sie tauchen nur allzu leicht bei jedem schweren „Nein” gegen
den Anderen, beim Streiten, beim Versäumnis des rechten Wortes oder der notwendigen Tat
auf.
Das häufig verbreitete Verständnis von Sünde als Stolz, Selbstüberschätzung und Selbstüberhebung spiegelt aus Sicht vieler Frauen allerdings weit stärker die männliche als die
weibliche Lebenswirklichkeit wider. Christliche Frauen sind in der Regel weit davon entfernt,
von Macht und Eigenliebe besessen zu sein. Sie leiden viel eher an einem grundlegenden
Mangel an Selbstwertgefühl. Eine Sündenlehre, die Sünde als Stolz interpretiert, nimmt nur
die Erfahrung der Hälfte der Menschheit in den Blick. Die Sünde vieler Frauen besteht vielleicht eher nicht in zu viel, sondern in zu wenig Stolz.
Die spezifisch weibliche Versuchung zur Sünde wäre demnach der Verzicht auf
Selbstbehauptung und übertriebene Selbsthingabe. Vor diesem Hintergrund ist das „Kyrie”
zu verstehen, das in diesem Gottesdienstentwurf als „umgekehrtes Schuldbekenntnis” vorgeschlagen wird:
Christus, ich bekenne vor dir,
dass ich keinen Glauben an meine eigenen Möglichkeiten gehabt habe.
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Dass ich in Gedanken, Worten und Taten Verachtung für mich und
für mein Können gezeigt habe.
Ich habe mich selbst nicht gleichviel geliebt wie die andern,
nicht meinen Körper, nicht mein Aussehen, nicht meine Talente,
nicht meine eigene Art zu sein.
Ich habe andere mein Leben steuern lassen.
Ich habe mich verachten und misshandeln lassen.
Ich habe mehr auf das Urteil anderer vertraut als auf mein eigenes
und habe zugelassen, dass Menschen gleichgültig und bösartig mir gegenüber
gewesen sind, ohne ihnen Einhalt zu gebieten.
Ich bekenne, dass ich mich nicht im Maße meiner vollen Fähigkeiten entwickelt habe,
dass ich zu feige gewesen bin, um in einer gerechten Sache Streit zu wagen,
dass ich mich gewunden habe, um Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Ich bekenne, dass ich nicht gewagt habe zu zeigen, wie tüchtig ich bin,
nicht gewagt habe, so tüchtig zu sein, wie ich es wirklich sein kann.
Gott, unser Vater und Schöpfer,
Jesus, unser Bruder und Erlöser,
Geist, unsere Mutter und Trösterin,
vergib mir meine Selbstverachtung,
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richte mich auf,
gib mir Glauben an mich selbst und Liebe zu mir selbst.
Lena Malmgren „Ein umgekehrtes Schuldbekenntnis”.
Aus einem Gottesdienst schwedischer Frauen.
aus: Heidi Rosenstock/Hanne Köhler, Du Gott, Freundin der Menschen.
Neue Texte und Lieder für Andacht und Gottesdienst
© Kreuz Verlag, Stuttgart 1991, S. 63
Vorschlag zur Erarbeitung eines eigenen Schuldbekenntnisses:
1. Abrufen des Bedeutungshorizontes
Bedeutungshorizont
Was für Vorstellungen, Phantasien, Assoziationen sind bei den Frauen vorhanden, wenn sie
mit den Begriffen „Sünde” und „Schuld” konfrontiert werden?
In der Mitte liegt ein großer Bogen Papier, auf dem die beiden Worte „Sünde” und „Schuld”
stehen. (Bei einer größeren Gruppe in kleinere Gruppen von 5-8 Frauen einteilen!)
Die Frauen erhalten nach der Methode des „Stummen Dialogs” den Auftrag, zu schreiben
oder zu malen, was jeder zu dem Begriff „Sünde” und „Schuld” einfällt. Es können Assoziationen, Gedanken, Meinungen, Bilder sein. Dabei wird nicht geredet. Eventuelle Dialoge
werden auf dem Papier ausgetragen, d.h. man kann also durchaus auf Geschriebenes von
anderen reagieren.
Im Anschluss äußern sich die Frauen in einer Blitzlichtrunde zu den Fragen: Wie ging’s mir
dabei? Was fällt auf?
Abschließend tauschen sich die Frauen in einem Plenumsgespräch aus: Was verstehen wir
als Sünde? Was als Schuld? Gibt es abweichende Meinungen?
2. Das Potential: Die Talente entdecken, die in mir sind, sie benennen und dazu stehen
Potential
Es fällt in der Regel sehr leicht zu benennen, was ich nicht kann oder nicht gut kann – viel
schwerer fällt es uns, zu sagen, was ich gut kann, worauf ich stolz bin. Jede hat Gaben und
Talente, jede ist ein einmaliges Geschöpf Gottes und von ihm wunderbar gemacht.
Gott sagt sein Ja zu mir – so wie ich bin – deshalb kann ich ja zu mir sagen.
Gott steht zu mir – deshalb kann ich zu mir stehen.
Gott achtet mich – deshalb kann ich mich achten.
Gott liebt mich – deshalb kann ich mich lieben.
Ich bin in Gottes Augen teuer und wertvoll – deshalb kann ich mich selbst wertschätzen.
Jede bekommt einen Zettel, auf dem folgende zu ergänzende Sätze stehen:
Ich mag an mir...
Ich finde es gut, dass ich...
.
Ich bin stolz, dass ich...
Ich schätze an mir, dass...
Die Frauen erhalten den Auftrag, die Sätze zu vollenden. (Hinweis für die Leitenden: darauf
hinweisen, dass es vielleicht schwer fällt, ungewohnt ist, ja frau sich fast geniert, und dass
es anonym bleibt!)
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Die Zettel werden eingesammelt. Dann nimmt jede einen, liest ihn vor und legt ihn in die
Mitte, so dass der ganze Reichtum dieser Gruppe in ihrer Mitte liegt.
Die Leitung weist auf diesen Reichtum hin. Schuld oder Sünde wäre also, dieses Potential
nicht zu leben oder es zu verbergen – dann würde jede sich selbst und Gott gegenüber
„schuldig”.
alternatives
Schuldbekenntnis
3. Ein alternatives Schuldbekenntnis formulieren
Die Gruppe sammelt gemeinsam Ideen zu der Frage: Wie sähe ein alternatives
Schuldbekenntnis aus? Für was müssten wir uns schuldig bekennen? (Im Sündenbekenntnis nehmen Menschen ihre Schuld wahr und bekennen sie vor Gott und den Menschen. Sie
bitten Gott um Vergebung, um Hilfe und um Stärkung, es ab jetzt anders zu machen und sich
anders verhalten zu können.)
Das obige alternative Schuldbekenntnis kann als Anregung für ein selbst formuliertes Bekenntnis oder als Diskussionsgrundlage verwandt werden.
Alternativ: den Text von Marianne Williamson (s.o. unter B.II. Thematische Impulse) gemeinsam lesen und sich darüber austauschen. Den Text als Ermutigung und Stärkung mit nach
Hause geben!
Im Zusammenhang mit dem Thema ist zu beachten:
Körperliches und seelisches Wohlbefinden sind eng miteinander verflochten. Wenn die Seele
weint und der Mund schweigt, spricht der Körper. Wenn wir diesen Zusammenhang sehen
und akzeptieren, besteht allerdings die Gefahr, dass Krankheit wiederum als „eigene
Schuld” gesehen wird und die Ursache für eine Krankheit vorschnell diagnostiziert wird.
Ähnlich wie der Tun-Ergehen-Zusammenhang ist auch das moderne Kausalitätsprinzip mit
dem Schuldverständnis eng verflochten. Wenn beispielsweise ein bestimmter Virus oder ein
Bakterium, ein technischer Fehler oder ein menschliches Versagen als Ursache für ein
Unglück oder eine Krankheit auszumachen sind, ist dies in der Regel eine ungeheure
Entlastung: das undurchsichtige Gemisch aus Betroffenheit, Rätsel und Ohnmacht klärt sich,
wird auf einen Faktor oder einige Parameter reduziert. Es ist für uns schwer, mit unlösbaren
Spannungen zu leben. Deshalb besteht die Gefahr, dass wir auch bei einer ganzheitlichen
Sichtweise des Menschen allzu schnell und allzu gern auf eine einfache „Lösung” zurückgreifen: „Sie ist schuld an ihrer Krankheit, weil sie nie nach sich geschaut hat ... weil sie in
dieser einengenden Beziehung geblieben ist …”
Zum einen ist die Erklärung einer Krankheit nicht so einfach – zum andern würde ein solches
sehr verkürztes Verständnis von Krankheit Frauen nur zu leicht wieder in die „Schuldfalle”
treiben. Nun sind sie nicht nur krank, sondern auch noch schuld daran.
„Trialog”
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4. Anregung zur Weiterarbeit am „Trialog”
Textlesung: Sprüche 31,10-31
Den Trialog (im Gottesdienstentwurf) in der Gruppe gemeinsam lesen. Am besten wäre es,
wenn drei Sprecherinnen ihn vortragen könnten.
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Nach einer kurzen Stille, in der jede den Text noch mal in sich nachklingen lässt, werden folgende Fragen bearbeitet:
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Wo sind meine Kraftquellen?
Was nehme ich heute als Anregung mit?
Wie sieht für mich „gelungener Alltag” aus?
Was würde ich mir selber als „Heilmittel” verordnen?
Was nehme ich mir vor, in der nächsten Zeit bewusst
für meine Gesundheit zu tun?
Diese oder ähnliche Fragen (am besten ist es, sich auf 1-3 zu beschränken) können auf
unterschiedliche Weise beantwortet werden:
1. Jede Frau schreibt für sich ihre Antworten auf. Anschließend Austausch in der Gruppe.
2. Die Frauen gehen paarweise zusammen: die eine erzählt der anderen, was ihr zu dieser
Frage (in diesem Fall nur eine auswählen!) durch den Kopf geht und wie sie sie beantworten würde. Die andere Frau hört zu ohne zu unterbrechen. Nach 5 Minuten Wechsel.
3. Frauen finden sich in Murmelgruppen zu 4-5 Personen zusammen.
4. Jede Frau erhält ein Blatt Papier; verschiedene Farbstifte, Wachsmalkreiden etc. liegen für
alle erreichbar in der Mitte. Die Teilnehmerinnen malen z.B. „meine Kraftquelle”. Dabei
geht es nicht darum, dass frau schön oder genau malt, sondern das, was in ihr auftaucht,
in Formen und Farben zu Papier bringt. Im Anschluss stellt jede Frau ihr Bild vor.
Superfrau!?
Anregungen zur Arbeit mit (Frauen-)Gruppen zum Vergleich biblischer Übersetzungen von
Ikf[h\hWk5
Sprüche
31,10-31
Superfrau!?
Anregungen zur Arbeit mit (Frauen-)Gruppen zum Vergleich biblischer Übersetzungen von Sprüche 31,10-31
TN: Teilnehmende
EA: Einzelarbeit
GA: Gruppenarbeit
Vorschlag für die Übersetzungen: Luther-Übersetzung und „ Bibel in gerechter Sprache“
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Plenum
Ankommen im Hier und Jetzt und im eigenen Körper
Evtl. mit einer Körperübung
Die TN werden aufgefordert, sich einen bequemen Platz
zum Hören zu suchen,
-
um den Bibeltext auf sich wirken zu lassen – auf alle
Sinne!
-
um unangestrengt wahr zu nehmen: welche Bilder,
Stimmungen, Gefühle, Worte, Assoziationen steigen
beim Hören in mir auf?
Die erste Übersetzung wird laut vorgelesen.
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EA
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Alle TN sammeln für sich auf Moderationskarten Stichworte ihrer Wahrnehmungen (3 Minuten).
Plenum
Kurz Durchschütteln, Durchatmen, evtl. Platzwechsel.
Die zweite Übersetzung wird laut vorgelesen.
EA
Alle TN sammeln für sich auf Moderationskarten Stichworte ihrer Wahrnehmungen (3 Minuten).
Bis hier:
20‘–30‘
2 Pinwände mit den vorberei-
Plenum/
Die zwei verschiedenen Übersetzungen, die in der Vorbe-
EA
reitung groß kopiert und auf je einer Pinwand aufgehängt teten Übersetzungstexten
10‘
wurden, nun für alle sichtbar aufstellen.
Pin-Nadeln
Alle TN werden gebeten, still und gleichzeitig ihre beschriebenen Karten den entsprechenden Stellen im Text
zuzuordnen und sie anzupinnen.
Anschließend betrachten alle die Assoziationswand.
EA
Die TN werden dann beauftragt:
5‘
Jede sucht für sich
-
1 Vers, der ihr gut gefällt.
-
1 Vers, der sie ärgert.
-
1 Vers, der Fragen aufwirft.
GA
Austausch in Kleingruppen bis zu 5 Personen:
20‘
1) Die TN teilen sich ihre Beobachtungen mit.
2) Sie vergleichen dazu die Übersetzungen miteinander was fällt auf?
3) Sie fokussieren gemeinsam ihre Ergebnisse auf 3
wichtige Beobachtungen, Fragen, Erkenntnisse und fixieren diese auf je einer Moderationskarte.
Plenum
Im Plenum stellen die Kleingruppen ihre Ergebnisse vor.
20‘-30‘
Es gibt anschließend Raum für Resonanz aus der Gruppe.
Abschluss
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1.
Gibt es Unterschiede in den Übersetzungen, wie/ woran sich der Wert einer Frau zeigt?
Wie bewerten Sie diese Aussagen?
Welche Fähigkeiten der Frau werden im Text (von wem) anerkannt?
Welche vermissen Sie?
2.
Wenn Sie sich auf die Suche nach den Motivationsquellen der großen Aktivität
der Frau in Sprüche 31 begeben, welche finden Sie dazu im Text?
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Mögliche Gesprächsthemen zum Bibeltext,
die aufkommen oder angestoßen werden können:
1. Gibt es Unterschiede in den Übersetzungen, wie/woran sich der Wert einer Frau zeigt?
Wie bewerten Sie diese Aussagen?
Welche Fähigkeiten der Frau werden im Text (von wem) anerkannt?
Welche vermissen Sie?
2. Wenn Sie sich auf die Suche nach den Motivationsquellen der großen Aktivität
der Frau in Sprüche 31 begeben, welche finden Sie dazu im Text?
Welche Unterschiede finden Sie in den verschiedenen Übersetzungen?
3. Wie beschreiben die unterschiedlichen Übersetzungen die Gottesbeziehung der Frau?
4. Wie wird in den verschiedenen Übersetzungen die Position der Frau in der Gesellschaft
beschrieben, ihre Kompetenzen, ihr Aktionsradius?
5. Welche Beziehungen gestaltet die Frau in Sprüche 31 und wie tut sie dies?
Finden Sie Unterschiede in den Übersetzungen.
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Literatur
l
Hedwig-Jahnow-Forschungsprojekt (Hrsg.):
Körperkonzepte im Ersten Testament.
Aspekte einer Feministischen Anthropologie, Kohlhammer 2003.
l
Reddemann, Luise: Überlebenskunst, Klett-Cotta 2006.
l
Schindele, Eva: Pfusch an der Frau, Hamburg 1993.
l
Wydler, Hans/Kolip, Petra/Abel, Thomas (Hrsg.):
Salutogenese und Kohärenzgefühl. Grundlagen, Empirie
und Praxis eines gesundheitswissenschaftlichen Konzepts,
Juwenta 2002.
l
Broschüre: Frauen Leben Gesundheit,
Herausgeberin: Bundeskoordination Frauengesundheit 2003.
l
Ist es gefährlich, eine Frau zu sein? Aus: BRIGITTE 23 /2006.
Arbeitshilfen
46
l
Bayrischer Mütterdienst der Ev.-Luth. Kirche e.V. (Hrsg.):
Frauengesundheit und Affidamento. Vom Wohlbehagen und
Wohlbefinden. Tagungsauswertung 18. März 2000.
Zu beziehen über: vs@muetterdienst.de
l
Diakonisches Werk der Ev. Kirche in Deutschland (Hrsg.):
danken und dienen. Wenn Krankheit Mauern baut.
Arbeitshilfe für Verkündigung, Gemeindearbeit und Unterricht,
Stuttgart 2006. Zu beziehen über: vertrieb@diakonie.de
l
Evangelische Frauenhilfe in Hessen und Nassau e.V. (Hrsg.):
Frauen und Gesundheit. Ein Handbuch für Gruppenarbeit mit Frauen
Teil 2, Darmstadt 2001.
Zu beziehen über: ulang@ev-frauenhilfe-hessen-nassau.de
l
Evangelische Frauen in Hessen und Nassau: Frauen Bildung
Spiritualität (Hrsg.): Bei mir bist Du schön. Frauen-Körper-Glaube.
Für Gruppen, Frauentage und andere Veranstaltungen, 2006.
Zu beziehen über: Marlies.Klinge@EvangelischeFrauen.de
l
Evangelische Frauenhilfe in Deutschland e.V. (Hrsg.):
Wellness. Wohlsein für Körper, Geist und Seele.
Arbeitshilfe zum Weitergeben 2003.
Zu beziehen über: efhid@frauenhilfe.de
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Kontakte
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Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Ostmerheimer Str. 220
51109 Köln
Tel.: 0221 8992-0
Fax: 0221 8992-300
E-Mail: poststelle@bzga.de
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Feministisches Frauengesundheitszentrum e.V. Stuttgart
Kernerstraße 31
70182 Stuttgart
Tel/ Fax: 0711 296356
E-Mail: ffgzstuttgart@tiscali.de
www.ffgzstuttgart.de
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Evangelische Frauen in Württemberg
Evangelische Mütterkurheime in Württemberg e.V.
Postfach 10 13 52
70012 Stuttgart
Tel.: 0711 2068 – 240/ 241
Fax: 0711 2068 – 346
E-Mail: info@muettergenesung-kur.de
www.muettergenesung-kur.de
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www.frauennews.de/index.htm
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www.akf-info.de
(akf = Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin,
Psychotherapie und Gesellschaft)
Bestelladresse
Evangelischer Oberkirchenrat – Büro der Frauenbeauftragten, Gerokstr. 21,
70184 Stuttgart, 0711 2149-571
E-Mail-Adresse: frauenbeauftragte@elk-wue.de
Impressum
Herausgegeben vom Büro der Frauenbeauftragten der Evangelischen Landeskirche
in Württemberg, Gerokstr. 21, 70184 Stuttgart
Redaktion: Imke Frodermann, Pfarrerin z.A.
Diese Materialsammlung wurde erarbeitet von: Bettina Hertel, Theologin und Psychologin;
Rebekka Müller, Kurleiterin; Ariella Pavoni, Referentin bei EFW; Anke Rüdinger, Pfarrerin
z.A., Elisabeth Schweizer, Pfarrerin; Brigitte Straßner, Pfarrerin
im Auftrag der Fachgruppe Frauenliturgie (FFL).
Druck: Georg Riederer KG, Stuttgart
Wir haben uns bemüht, für alle abgedruckten Texte die Rechte zu erhalten. An manchen
Stellen war es trotz eingehender Recherche nicht möglich, die Rechteinhaber zu ermitteln.
Wir bitten in solchen Fällen um Rückmeldung.
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BÜRSTEN
UND
BETEN
Frauen
Leben
Gottesdienst
Ein Gottesdienst zum
Thema „Frauen und Gesundheit“
Thematische Impulse
Bausteine für Gruppen
Gottesdienstentwurf zu Sprüche 31,10-31
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Leben
Gottesdienst
Ein Gottesdienst zum
Thema „Frauen und Gesundheit“
Thematische Impulse
Bausteine für Gruppen
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