Rückblick - Deutsch-Japanische Gesellschaft in Bayern eV
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Rückblick - Deutsch-Japanische Gesellschaft in Bayern eV
Rückblick Das 51. Jahr DJG in Bayern e.V. Mai 2013 Wie auch in den letzten Jahren haben wir in diesem Rückblick für alle Veranstaltungen nochmals ein kurzes Resumeé gezogen. Die einzelnen Artikel sind fast alle schon im Kaiho erschienen, teilweise inhaltlich aber ausführlicher, da wir für unser Rundschreiben häufig die Berichte kürzen mussten. Auch sind die einzelnen Beiträge reichhaltig illustriert. Wir danken allen unseren Kooperationspartnern, die auch in 2012 unsere Arbeit unterstützt und damit zum Erfolg der Gesellschaft, der sich auch in weiter wachsenden Mitgliederzahlen ausdrückt, beigetragen haben. Unser Dank gilt insbesondere dem Japanischen Generalkonsulat in München, dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München, dem Japanischen Kulturinstitut in Köln sowie dem Internationalen Begegnungszentrum (IBZ), und – nicht zuletzt – den vielen fleißigen Helfern aus unserem Mitgliederkreis Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 2 1. Die japanische Mentalität und ihre Begegnung mit Deutschland Vortrag von Akira Mizutani, Japanischer Generalkonsul in München, beim Business Luncheon am 18.01.2012 Für diesen Vortrag wurde keine Rückschau erstellt, da der Vortrag in voller Länge im kaiho 2/2012 veröffentlicht wurde. 2. Beginn und Ende des Zweiten Weltkrieges im Pazifik Vortrag von Prof.Dr.Dr.h.c. Gottfried-Karl Kindermann am 19.01.2012 im Hörsaal 104 der LMU München Der Pazifikkrieg begann in Asien mit dem Ausbruch des Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges am 7. Juli 1937. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 traten am Folgetag die USA in diesen Konflikt und damit in den Zweiten Weltkrieg ein. Weitere beteiligte Länder in diesem Kriegsgebiet waren Großbritannien, Australien, Neuseeland und die Niederlande. Auf Seiten Japans erklärten im Kriegsverlauf einige der von ihnen besetzten Länder den Alliierten den Krieg. Gegen Kriegsende traten einige asiatische Länder, nachdem die Japaner auf ihrem Territorium besiegt worden waren, auf Seiten der Alliierten in den Krieg ein. Am 2. September 1945 wurde auf dem USSchlachtschiff Missouri in der Sagami-Bucht der Pazifikkrieg und damit auch der Zweite Weltkrieg mit der Unterzeichnung der japanischen Kapitulationsurkunde beendet. Er war der einzige Krieg, in dem sowohl atomare (von den USA in Japan) als auch biologische und chemische Waffen (beide hauptsächlich von Japan in China) eingesetzt wurden. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 3 3. Die Eulenburg-Mission Ein Rückblick von Dr. Andrea Hirner auf den Vortrag von Professor Dr. Peter Pantzer beim shinnenkai 2012 Mit dem shinnenkai der Gesellschaft am 24. Januar endete nicht nur das unheilvolle Jahr 2011, sondern es endeten auch die Feiern zur Erinnerung an den ersten diplomatischen Kontakt zwischen Japan und Preußen, ein Ereignis, dem das ganze Jahr gewidmet war. Deshalb schien es angemessen zu sein, noch einmal im Rahmen unseres Neujahrsfestes auf die historische Bedeutung der preußischen Ostasienmission hinzuweisen. Professor Dr. Pantzer, der den Mitgliedern der Gesellschaft schon von mehreren früheren Vorträgen bekannt ist, hatte dieses Thema zum Jahresabschluss gewählt. Wir haben heute kaum eine Ahnung von den Schwierigkeiten, in den Jahren 1860 und 1861 überhaupt solch eine Mission auszuschicken; die Bedeutung des Königreichs Preußen innerhalb des deutschen Staatengebildes war ja noch ungesichert, und es besaß noch nicht einmal die geeigneten Schiffe für eine solche Überseereise. Mit zahlreichen Dokumenten und Zeichnungen, die auch bei der Ausstellung „Ferne Gefährten“ in Mannheim Teil der Ausstellung waren, führte Professor Pantzer deutlich die sehr unterschiedlichen Interessen und Ziele der Mission und ihrer handelnden Personen vor, an erster Stelle die Persönlichkeit von Graf zu Eulenburg, der der Expedition, denn eine solche war das Vorhaben, seinen Namen gab. Die Mission geriet in Japan in eine ähnlich ungeklärte politische Lage, die äußerst explosiv war, weshalb auch damals der liebenswürdige Dolmetscher Hendrik Heusken Opfer eines Komplotts wurde. Graf zu Eulenburg erreichte trotz der widrigen Umstände tatsächlich den Abschluß eines Vertrages. Nicht nur war der von großen Opfern begleitet, wie der Untergang des Schiffes „Frauenlob“ in einem Taifun, es war auch nur ein Teilvertrag, der in der deutschen Heimat sehr kritisiert wurde. Vielmehr bestimmten die Umstände, unter denen sich zum ersten Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 4 Mal Japaner und Preußen begegneten, die Zukunft beider Länder. Denn hier wurde ein erster Grundstein für die später folgende Annäherung der beiden Völker gelegt. Folgerichtig trat der Handel, das eigentliche Ziel, in den Jahren nach der Meiji-Restauration hinter anderen Bereichen wie Medizin oder Rechtswissenschaft zurück. Der Blick in eine Zeit vor eineinhalb Jahrhunderten, als Japan die ersten Schritte in eine vom Westen beherrschte Welt machte, begeisterte die Zuhörer; wunderschöne Bilder und Zeichnungen führten in die Welt des alten Japan zurück, das noch nichts von der Technologie des Westens übernommen hatte. Die lockere, aber fundierte Vortragsweise von Prof. Pantzer und das reiche und farbenfrohe Bildmaterial krönten unser diesjähriges Neujahrsfest. Zum ersten Mal trat beim shinnen-kai der Japanisch-Deutsche Projektchor auf. Er belebte den Vortrag mit japanischen Liedern, die in Deutschland bereits den Rang eines „Ohrwurms“ haben, weil sie auch unsere Gefühle ansprechen. Das wundert nicht, denn zwei von ihnen („Hana“ und „Kojō no tsuki“) wurden von Rentarō Taki komponiert, der in Deutschland Komposition studiert hat und ein gutes Beispiel für den vorerwähnten Kulturaustausch ist. „Sakura“ ist inzwischen bei uns so bekannt, daß man es mit dem „Heideröslein“ in Japan gleichstellen kann. Dabei basiert es auf einem Volkslied des 17. Jahrhunderts. Sehr lebhaft waren die beiden letzten Lieder „Shimauta“ von Kazufumi Miyazawa, das erst 1990 komponiert wurde, aber zeigt, wie frisch japanische Volkslieder auch heute noch sind. (Shimauta basiert auf einem solchen). Und das Lied „Saitara-bushi“ berührte alle, weil es aus der von den Unglücksfällen getroffenen Provinz Miyagi stammt. Das gemeinsame Singen im Chor verbindet Deutsche und Japaner, wie es auch das letzte Lied vermochte, das alle Gäste zusammen mit dem Chor gesungen Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 5 4. Japan nach der Katastrophe vom 11. März 2011 Vortrag von Prof.Dr. Klaus Vollmer am 26.01.2012 im Hörsaal 140 der LMU Wenn man heute über Deutschland und Japan spricht, dann kommt man nicht umhin, auch etwas über den 11. März diesen Jahres zu sagen. Denn wie unter einem Vergrößerungsglas bot sich hier, angesichts dieser beispiellosen Katastrophe, eine Momentaufnahme einiger zentraler Aspekte des deutsch-japanischen Verhältnisses - von Deutschland aus gesehen auch eine Momentaufnahme der Projektionen der deutschen Gesellschaft auf „Japan“ oder das, was die Medien davon berichten. Was die Reproduktion von Klischees über die japanische Gesellschaft in den meisten deutschen Medien angeht, könnte man angesichts der wenigen differenzierten Stimmen von einem Tiefpunkt sprechen. Auch das bald ausschließlich auf den Super GAU in Fukushima konzentrierte Interesse der deutschen Öffentlichkeit sprach Bände über die Selbstbezogenheit der deutschen Seite; geradezu grotesk etwa die Tatsache, dass Ende März in München in den meisten Apotheken Jod-Tabletten ausverkauft waren, so als ob man 10.000 Kilometer von Fukushima entfernt in Deutschland schon mal den Strahlentod simulieren wolle. Andererseits war die Reaktion in weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit von starker Sympathie, Anteilnahme und großem Interesse am Schicksal Japans geprägt. Auszüge aus diesem Vortrag wurden im kaiho 3/2012 veröffentlicht, Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 6 5. 2011 – Japan in Bewegung Rückblick von Jürgen Betten auf den Vortrag von Dr. Christian Geltinger am 30. Januar 2012 Das Jahr 2011 hat wie kaum ein anderes nicht nur Japan bewegt. Die Zuhörer im gut besetzten Bibliothekssaal der Staatlichen Münzsammlung in der Residenz in München waren daher gespannt auf den Vortrag von Dr. Christian Geltinger, der seit März 2010 Repräsentant des Freistaats Bayern in Japan ist und ein Büro in der Nähe des Tokyo Towers hat. Dr. Geltinger war von Oktober 2006 – Februar 2010 bayerischer Repräsentant in China, mit Büro in Qingdao und davor stellvertretender Referatsleiter von Invest in Bavaria. Der mit vielen Fakten und Zahlen versehene Vortrag war für die Anwesenden ein hervorragendes Update über die Lage in Japan sowie über die Beziehungen zwischen Japan und Bayern. 2011 haben sich – nach Angaben des Referenten – in Bayern 5 neue japanische Firmen angesiedelt, 4 japanische Firmen haben sich in Bayern erweitert und 5 japanische Firmen haben bayerische Firmen übernommen. So hat Japans größtes Internetunternehmen Rakuten das Bamberger Unternehmen Tradoria übernommen, einen führenden Anbieter von Mietshops im Internet. Damit ist Bayern mit 340 japanischen Firmen (bzw. 250 ohne Selbständige) knapp nach dem Raum Düsseldorf und vor dem Raum London der zweitgrößte Standort japanischer Firmen in Europa . Einen breiten Raum nahmen im Vortrag die japanische Energiepolitik bzw. die Energiewende und der Atomausstieg ein. Tatsache ist, dass derzeit nur noch 3 der 54 Atomkraftwerke in Betrieb sind. Sie werden Ende April ebenfalls abgeschaltet, da in Japan die AKWs alle 13 Monate für eine Wartung heruntergefahren werden. Dann ist Japan vorerst atomstromfrei. Zur Wiederinbetriebnahme ist die Zustimmung der Kommunen und Gouverneure erforderlich, mit der aufgrund der derzeitigen Stimmung in der Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 7 japanischen Öffentlichkeit vorerst nicht zu rechnen ist, so dass dies de facto einem Atomausstieg gleichkommt, zumal einige Präfekturen schon definitiv ihre AKWs abgeschaltet haben. Erstmals soll nun ein unabhängiger Untersuchungsausschuss herausfinden, was in Fukushima wirklich geschah und noch geschieht. Prominente Fürsprecher des Atomausstiegs sind der Ende August 2011 zurückgetretene Premierminister Naoto Kan (in Davos Ende Januar 2012) und der Literaturnobelpreisträger Kenzaburô Ôe , der am 8.Februar 2012 vor dem Club der Auslandskorrespondenten in Tokyo feststellte: „Dass der von der Ethikkommission „Sichere Energieversorgung“ der deutschen Regierung am 30.Mai 2011 empfohlene Ausstieg unter der Führung der Bundeskanzlerin Angela Merkel dann beschlossen wurde, hat einen „enormen Impuls“ auf die japanische Gesellschaft gehabt“. Wie soll der Strombedarf nun gedeckt werden? Die Aufforderung der Regierung an alle (Industrie und Bevölkerung) hat im Sommer 2011 eine Energieeinsparung von 15-20 % gebracht; im Winter 2011/12 sollen nochmals 10 % eingespart werden. Der Import von Flüssiggas ist enorm gestiegen, während der Ölimport auf gleichem Niveau bleibt. Der Stromanteil aus erneuerbaren Energien soll in 10 Jahren von 1 % auf 20 % gesteigert werden. Ein Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien wurde beschlossen. Solar-, Wasser- und Biomassenkraftwerke, Geothermie werden eine Rolle spielen. Im Dezember hat eine 45-köpfige japanische Unternehmergruppe Windparks an der deutschen Nordseeküste besucht. Vor der Küste von Fukushima soll ein Offshore-Projekt entstehen, um nur einige Aktivitäten zu nennen. Japan bleibt in Bewegung und prüft viele Möglichkeiten… Deutschland ist in Japan weiterhin hoch angesehen, was nicht zuletzt durch über 20.000 japanische Besucher beim Gartenfest im Garten der Deutschen Botschaft in Tokyo am 23.Oktober 2011 eindrucksvoll dokumentiert wurde. Die Spendenaktionen deutscher Unternehmen und Organisationen für die Katastrophenregion Tohoku haben inzwischen ca. 60 Mio. € ergeben und das Ziel ist 150 Mio. €, wobei viele Projekte die japanische Gesellschaft einbeziehen. Über die japanischen Fußballspieler, die in der deutschen Bundesliga spielen, wird in den japanischen Medien viel berichtet, nachdem der Sieg der japanischen Frauenmannschaft in Deutschland bei der Fußball-WM auch in Japan hohe Wellen geschlagen hatte. Süd-Korea ist derzeit für Japan der Konkurrent schlechthin, auch bei der Spitzentechnologie. Korea ist flexibler und hat schon im Juli 2011 das Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen, wobei sich die koreanische Regierung Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 8 gegen die starke Bauernlobby durchsetzen konnte. In Korea wurden viele Zwangsfusionen durchgeführt und es wurden Kräfte gebündelt. In der Elektrobranche sind es nur noch 2-3 große Unternehmen, während es in Japan 20 entsprechende Großunternehmen gibt, von denen sich derzeit einige schwer tun. Die koreanischen Firmen reagieren beim Aufgreifen neuer Trends schneller oder sind bereit, höhere Risiken einzugehen. Wie selbstbewusst und stark manche koreanische Firmen auf dem Weltmarkt agieren, zeigt derzeit die Firma Samsung mit seiner weltweiten Auseinandersetzung mit Apple um Tablets . Dass – nach Auffassung des Berichterstatters – die Innovationskraft der japanischen Firmen unverändert hoch ist, zeigt demgegenüber z.B. die Patentstatistik. Hier liegt Japan weiterhin z.B. mit 46.934 europäischen Patentanmeldungen (+12 %) im Jahr 2011 deutlich vor Korea mit 13.324 (+8 %). Zum Vergleich: Deutsche Firmen haben 33.289 (+0,55 %) europäische Patentanmeldungen eingereicht und chinesische Firmen 16.153 (+27,2 %). Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Deutschen Patent- und Markenamt, wo die entsprechenden Zahlen – für das Jahr 2010 – lauten: 2.970 deutsche Patentanmeldungen aus Japan und 684 Anmeldungen aus Korea. Gut entwickelt sich – nach Auffassung des Referenten – die Zusammenarbeit zwischen Japan und Bayern. Auf Vermittlung der japanischen Außenhandelsorganisation JETRO wird es zu einer Zusammenarbeit zwischen Firmen aus der nördlich an Tokyo angrenzenden Präfektur Saitama und den beiden bayerischen Clustern Mechatronik/Automation und Medizintechnik/ForumMed Pharma in den Regionen München und Nürnberg kommen. Die Präfektur Saitama hat mehr als 7 Mio. Einwohner und zahlreiche klein- und mittelständische „Hidden Champions“, die in ihrem Bereich Marktführer sind. Japan sei ein attraktiver und großer Markt, der sich stärker öffnen wird. Der Druck auf japanische Firmen sei groß und die deutschen Firmen würden ihre Chancen sehen. Seit dem 10.Februar 2012 arbeitet eine 250 Mitarbeiter umfassende Agentur zur Koordination für den Wiederaufbau, der noch 20-40 Jahre in Anspruch nehmen wird. Der Wiederaufbau bietet für ganz Japan große Chancen: Aufbau neuer Infrastrukturen (z.B. sind viele Basisstationen des Mobilfunks zerstört worden), Modellprojekte für Mobilität, Aufbau neuer Stadtteile oder gar ganzer Städte usw. Hier bieten sich auch deutschen Firmen große Chancen, etwa mit Niederenergie- oder Fertighäusern. Nach einem Bericht der Deutschen Welle vom 5.April 2011 boomen deutsche Passivhäuser in Japan. Der starke Yen und die Energieprobleme haben und werden vermehrt zu Auslandsinvestitionen in China, Indonesien und Thailand führen. So ist der Anteil des produzierenden Gewerbes an der Gesamtwirtschaft von 27 % in den 70er Jahren auf heute 17 % zurückgegangen. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 9 Erstmals seit 31 Jahren ist die Handelsbilanz Japans negativ, was aber wohl wesentlich auf Sondereinflüsse zurückzuführen sei, wie starker Yen, Produktionsausfälle durch die Katastrophe, große Sonder-Importe (z.B. von Autos durch Nissan). Auch wenn die japanischen Firmen weiterhin unter einer hohen Steuerlast (sie liege mit 41 % Unternehmenssteuer weit über dem OECD-Durchschnitt und auch über der von Deutschland) stöhnten, so seien sie doch liquide und könnten weltweit agieren. China ist inzwischen wichtigster Handelspartner Japan, sowohl für die Herstellung von Waren als auch als Markt, auch wenn inzwischen – aus Kostengründen – Teile der Herstellung nach Indonesien und Thailand verlegt wurden, wo die Flut im vergangenen Jahr die japanischen Firmen hart getroffen hatte. Nach der letzten Vorhersage eines japanischen Forschungsinstitutes wird Japans Bevölkerung von derzeit 128 Mio. auf 87 Mio. im Jahr 2060 schrumpfen, was dem Stand der 1950er Jahre entspricht. Gleichzeitig wird sich die Zahl der Senioren über 65 Jahre von derzeit 23 % auf 40 % nahezu verdoppeln. Zudem wird die erwerbsfähige Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren um die Hälfte auf 44 Mio. zurückgehen. Eine touristische Attraktion sei schon jetzt der in alter Pagodenbauweise (zweiteilige Struktur, die aus einem äußeren Stahlrahmen und einem, davon unabhängigen inneren Schaft in Zylinderform aus verstärktem Beton) erbaute Tokyo Sky Tree mit 634 m Höhe, der um den 11.März 2011 herum seine Endhöhe erreicht hatte und der dem großen Erdbeben ohne große Probleme standhielt. Er wird am 22.Mai 2012 eröffnet werden. Die Höhe von genau 634 m wurde so gewählt, dass sie leicht merkbar ist. Die Zahlen 6 (mu), 3 (sa) und 4(shi) ergeben „Musashi“, einen alten Namen für die Gegend, in der der Tokyo Sky Tree steht (Quelle: Wikipedia). Es wäre schön, wenn der Referent in einem Jahr wieder so ein interessantes und informatives Update machen könnte. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 10 6. Musikerstammstisch Ein Rückblick von Willi Huber auf den ersten Musikerstammtisch der DJG in Bayern e.V. Am 8. Februar fanden sich zum ersten Mal die musikinteressierten Mitglieder der DJG und deren Freunde zum neu gegründeten “Musikerstammtisch“ im Restaurant Kitcho. Bedingt durch Kälte- und Grippewelle hielt sich die Zahl der Teilnehmer zwar noch ein wenig in Grenzen, doch dadurch fanden die Anwesenden um so schneller zueinander und waren bald in angeregte Gespräche vertieft. Besonders reizvoll war - trotz der relativ kleinen Gruppe - die Vielfalt der von den Teilnehmern vertretenen musikalischen Aktivitäten. Vom reinen Musikliebhaber bis hin zum Profi, vom Designer elektronischer Musik bis hin zum klassischen Chorsänger, die Bandbreite hätte nicht größer sein können. Neben allgemeinen Themen über Japan, die uns ja immer bewegen, ergaben sich auch lebhafte Diskussionen über die Probleme der Urheberrechtswahrnehmung und der weltweiten digitalen Vermarktung von Musik über das Internet. Somit könnte sich der Musikerstammtisch in seinem weiteren Verlauf durchaus zu einem interessanten Forum für Musiker und Musikliebhaber entwickeln. Eine nächste Gelegenheit zur Fortsetzung bietet sich am Mittwoch, den 4. April - wieder im Restaurant Kitcho in der Wurzerstraße. Dann hoffentlich bei lieblicheren Temperaturen sowohl außen als auch innen, denn die eisige Kälte auch im Inneren des Restaurants sorgte leider für ein frühes Ende unseres sonst sehr angenehmen Treffens. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 11 7. Japanische Denkweise und Gefühlswelt. Rückblick von Dr. Andrea Hirner auf den Vortrag von Dr. Kamino am 28. Februar 2012 Einige Bilder der dreifachen Katastrophe vom 11. März 2011 haben sich auch in unser Gedächtnis eingebrannt: da ist einmal das große Schiff, das wie Spielzeug vom Tsunami getrieben auf einem Hausdach landet, und auf der anderen Seite ein Opfer, eine bejahrte Frau, die sich bei ihren Rettern dafür entschuldigt, ihnen so viele Umstände zu machen. Wie kam es in Japan zu dieser Einstellung? Nach Auffassung von Dr. Kamino gibt es keinen einzelnen Erklärungsgrund, wie etwa den Begriff von „Schicksal“, dem man sich unterwirft, sondern mehrere Faktoren, die zusammenkommen: die japanische Ur-Religion des Shinto, die keinen einzelnen Gott kennt, sondern göttliche Manifestationen in Felsen, Bäumen und anderem. Die Natur ist hier zumeist wohltätig, aber gelegentlich auch unberechenbar und grausam, was aber nicht bekämpft werden kann. Der Mensch kann nicht gegen die Natur leben, sondern nur mit ihr. Einen gewissen Schutz vor Katastrophen bietet die Gemeinschaft. Die Japaner sind eine Bauernnation, die beim Reispflanzen aufeinander Rücksicht nehmen musste und so das notwendige Gemeinschaftsgefühl entwickelte. Kein persönliches Schicksal sollte diesen Rahmen sprengen, aber es darf auch keiner hinausgedrängt werden. Als zweiten Faktor nannte Dr. Kamino den Buddhismus, der sich im Lauf der Jahrhunderte mit dem Shintoismus verband, nie aber gegen ihn kämpfte. Der Buddhismus brachte die Überzeugung, daß unsere zeitlich begrenzte leibliche Existenz nicht so bedeutend ist, wie wir heute im Westen glauben. Das Vertrauen in das eigene Schicksal gibt vielen Japanern eine innere Ruhe, um die sie oft beneidet werden. Für Dr. Kamino ist außerdem der „Bushido“, der „Weg des Kriegers“ noch heute in Japan allgegenwärtig. Obgleich es sich um einen Verhaltenskodex für eine begrenzte Gruppe des Volkes handelte, sind seine Werte ins Volk „abgesunken“ und werden noch immer gelebt. Eine Rolle mag auch spielen, dass es sich bei den besonders betroffenen Gebieten um Landstriche in Japan mit einer eher bäuerlichen Bevölkerung handelte, bei denen diese Werte noch stärker vorhanden sind als z.B. in den Großstädten. Dies war auch eine der vielen Fragen, die im Anschluss an den Vortrag an Herrn Dr. Kamino gestellt wurden: wie weit eine solche Haltung im modernen Japan überhaupt noch wirken kann, und ob es nicht gerade die Wucht der Katastrophe war, die die Menschen in ihrer Not darauf zurückgreifen ließ. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 12 8. Puccini und die Geishas Rückblick von Dr. Andrea Hirner auf den Vortrag von Herbert Eichele am 21. März 2011 Wer davon überzeugt ist, die „Madama Butterfly“ von Giacomo Puccini gut zu kennen – schließlich ist sie eine der bekanntesten Opern der Welt -, hätte sich den Vortrag von Herrn Eichele anhören sollen. Immerhin besuchten zahlreiche Mitglieder der DJG diesen Vortragsabend und kehrten mit zahlreichen neuen Informationen, Hör- und Bildbeispielen nach Hause zurück. Herr Eichele rekapitulierte zuerst den Ablauf der Geschichte, die die Oper bildet, und ihre Entstehung, die auf dem Zusammenspiel zahlreicher Zufälle beruhte. (Heute kann man sich nicht mehr vorstellen, dass die erste Aufführung ein Flop war). Das herausragende Besondere an der Oper ist wohl, dass Puccini dabei original japanische Tonfolgen einflocht, die er unter anderem bei Besuchen der Frau des japanischen Botschafters auf Schallplatten hörte, die zu den ersten ihrer Art gehörten. Schwieriger war es sicher für ihn als Komponist, sich in die Gefühlswelt einer Japanerin einzuleben. Zufällig trat damals auch in Italien die ehemalige Geisha Sadayakko Kawakami auf, die als erste mit ihrer Truppe durch Europa reiste und viel Aufsehen erregte. Außer der Frau des Botschafters und der Schauspielerin wird Puccini keine anderen Japanerinnen gesehen haben. Seine Madama Butterfly spiegelt deshalb auch den Geschmack der Zeit, der vom „Japonismus“, der schwärmerischen Spiegelung Japans in der europäischen Kultur, geprägt war. So wie Puccini bei der Musik japanische Tonfolgen benutzte, die er aus unterschiedlichen Quellen entnahm, so ist auch das Bild der unglücklichen Cho-cho-san aus verschiedenen Episoden zusammengestückelt, von denen er Kenntnis bekam. Denn nach der Öffnung Japans war es für europäische Männer durchaus einfach, sich bei einem Aufenthalt in Japan eine „Frau auf Zeit“ zu leisten. Nur selten erfuhr die Öffentlichkeit etwas von den Frauen, die davon betroffen waren. Herr Eichele erzählte also von den verschiedenen Affären, angefangen mit Tojin O-Kichi, die eine kurze Zeit lang Townsend Harris, den ersten amerikanischen Gesandten, pflegte und später Selbstmord beging. Oder von dem französischen See-Offizier Pierre Loti, der dieses Genre mit seinen Romanen bekannt machte. Es gibt sehr viele Theorien, welche Frau letztendlich das wirkliche Vorbild für Madama Butterfly war, aber das Rätsel wird sich nie mehr lösen lassen. Herr Eichele schenkte dafür mit seinen zahlreichen Bildern, seltenen Photos sowie den Hörbeispielen aus der Oper den Zuhörern einen genussreichen Abend, der begeistert angenommen wurde. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 13 9. Jugendreise nach Nara Ein Bericht von Dr. Oliver Schön über die Reise vom 31.03. bis zum 15.04.2012 Die zweite Jugendreise der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in Bayern e.V. zu der Partnergesellschaft in Nara fand in den Osterferien dieses Jahres statt. 10 Jugendliche zwischen 16 und 22 Jahren sind gemeinsam mit dem Präsidenten der DJG, Dr. Oliver Schön, in die traditionsreiche Kleinstadt Nara in der Nähe von Kyoto und Osaka gefahren. Die Reisezeit war so gelegen, dass sie genau in die Kirschblüte fallen sollte. Allerdings begann der Frühling in Japan dieses Jahr besonders spät, so dass es in der ersten Woche noch sehr kalt war und sich die Kirschblüte erst nach und nach entwickelte. Rechtzeitig zum dreitägigen Ausflug nach Kyoto hatte sie dann ihren Höhepunkt erreicht, so dass die Jugendlichen gemeinsam mit tausenden japanischen Touristen auf dem berühmten Philosophenweg unter Kirschbäumen wandeln konnten. Der Besuch in Kyoto mit seinen Tempeln und Ein-kaufsmöglichkeiten war der unumstrittene Höhepunkt der Reise. Das Austauschprogramm war von der Partnergesellschaft sehr gut organisiert. Alle Teilnehmer waren bei japanischen Gastfamilien untergebracht und haben so einen guten Einblick in das Leben einer japanischen Familie gewinnen können. Das Programm war auch abwechslungsreich. Neben einem Besuch in dem Tempel Daianji, wo die JapanischDeutsche Gesellschaft Nara ihren Stammsitz hat, waren auch eine Stadtführung zu den Sehenswürdigkeiten im Nara-Park und zu dem in den letzten Jahren renovierten Stadtteil „Nara-machi“ auf dem Programm. Dies war besonders interessant, da dabei ein Einblick in zahlreiche typisch japanische Traditionen gegeben wurde. Dafür eignet sich Nara besonders gut, weil dort noch viele Traditionen gepflegt werden, die in den größeren Städten bereits verschwunden sind. Neben Besuchen in Osaka und in Kyoto gab es auch exotische Beschäftigungen, wie Takuhon (Anfertigen von Tuscheabdrucken), ein TuscheKurs und japanisches Bogenschießen. Bis auf eine Ausnahme war es für die Teilnehmer der erste Aufenthalt in Japan. Mit der freundlichen Aufnahme durch unsere Partnergesellschaft in Nara und das zumindest zuletzt frühlingshafte Wetter mit herrlicher Kirschblüte kann es als ein gelungener Einstieg bezeichnet werden. Hoffentlich können wir uns bei einem Gegenbesuch durch die JDG Nara im nächsten Jahr für die Gastfreundschaft der japanischen Partnergesellschaft erkenntlich zeigen Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 14 10. Das Senryū Rückblick von Dr. Andrea Hirner auf den Vortrag von Prof. Dr. Peter Pörtner am 23. April im IBZ. Das senryū ist – einfach gesagt - eine der japanischen Gedichtformen. Allerdings ist es im Ausland nicht so populär geworden wie das haiku, das auch innerhalb der DJG besonders gepflegt wird. Dabei entstammt es der näheren Umgebung des haiku und besitzt wie dieses die gleiche dreizeilige Form von 5-7-5 Silben. Als Fachmann hat uns Herr Prof. Pörtner gleich darüber aufgeklärt, dass man eigentlich nicht von Silben sprechen kann, sondern dass es sich um „Moren“ handelt, Sprecheinheiten. Japanische Vokallängungen und Konsonantenverdoppelungen haben deshalb eine eigene Zählung. Haikus besitzen also eine eigene strenge Form, die bekannteste Eigenheit ist das „Jahreszeitenwort“. Das senryū ähnelt zwar dem haiku, allerdings ist der Bezug zu Jahreszeiten nicht notwendig, denn zum Ziel nimmt es sich eher menschliches Verhalten. Deshalb kann man einen humorvollen, mitfühlenden oder sogar spöttischen Ton daraus hören. Auch leichte Kritik an den Zuständen des Landes schimmert gelegentlich durch; aber der Inhalt war nie bösartig. Entstanden ist es im 18. Jahrhundert. Senryū („die Weide am Fluss“) war der Dichtername von Karai Hachiëmon (1718-1790), der seinen Beamtenstatus aufgab, um als „Reimerichter“ zu wirken. Im 18. Jahrhundert gab es in der Hauptstadt Edo zahlreiche Dichterzirkel, und wer nicht einem Zirkel angehörte, dichtete trotzdem. Er gab seinen Schülern „maeku“ („Vorverse“) vor, auf die dann in entsprechender oder überraschend anderer Form ein senryū als Antwort gedichtet werden musste. Manchmal wurden diese Vorverse auch wie eine Antwort auf eine Aussage an den Schluss gestellt und ergaben eine unerwartete Pointe. Das Ergebnis war dann witzig, poetisch oder vielschichtig und setzte zudem eine große Vertrautheit mit der Literatur voraus. Es war eine Gedichtform für Kenner und Liebhaber der Poesie. Die 5-7-5 Silbenfolge des haiku und senryū und die 7-7 Silbenfolge des maeku sind sehr rhythmisch und eingängig. Beide entsprechen der japanischen Sprache mit ihren vielen Möglichkeiten der spielerischen Anwendung und ihrer Vieldeutigkeit. Herr Prof. Pörtner hat uns viele Gedichte mit höchst unterschiedlichem Inhalt vorgetragen. Die Übersetzung ins Deutsche war dann inhaltlich genau, klang aber holprig. Woraus folgt, dass die Übertragung dieser Gedichtformen in andere Sprachen nicht ganz einfach ist. Da aber die Silbenzahl nicht als das einzige Kriterium gilt, ist der Anwendung auch in der deutschen Sprache nichts in den Weg gelegt. Das alles mag kompliziert klingen, aber in der Vortragsweise von Herrn Prof. Pörtner war davon nicht viel zu merken. Und so war der Abend ein Vergnügen für die zahlreichen interessierten Zuhörer. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 15 11. Die Kraft der Bündelung der Energien Ein Rückblick von Karlheinz Reichenstetter auf den Vortrag von Soke Keido Yamaue am 27. April 2012 Der Mensch zwischen Sonne und Erde, der Mensch aber auch als Teil seiner Umgebung, im Fluss der Energieströme. Energie aufnehmend und weitergebend, Energie zur eigenen Heilung und Genesung bei Krankheiten, aber auch zur Abwehr von Gefahr. Soke Keido Yamaue, der Großmeister, Kampfkünstler und Lehrer, vermittelte am Abend des 27. April im Münzkabinett der Residenz München einem interessiert und aufmerksam lauschenden Publikum die Geheimnisse seiner von ihm begründeten Variante des Japanischen Kampfsports Aikijutsu, die auch seinen Namen trägt: Yamaue Ryu Aiki Jutsu. Chi (Ki) gong ( 气功 oder 氣功) entstammt ursprünglich der chinesischen Praxis, Energie (Chi) aufzunehmen, auf eine ausgewogene Weise zu beherrschen und bei Bedarf aus der aufgenommenen und im eigenen Körper „gespeicherten“ Energie Kraft zu gewinnen. Dass dazu aber auch menschliche Intelligenz benötigt wird, wird von Kaido Yamaue besonders betont. Nicht dem Körper ist zu vertrauen, sondern dem Verstand, denn wenn der Mensch auch altert und damit schwächer wird, so ist sein Verstand doch stärker geworden. „Verlasse dich nicht auf deinen Körper, vertraue deinem Verstand“. Diese Auffassung hat für Keido Yamaue eine große Bedeutung gewonnen. Sein von ihm entwickeltes Yamaue Ryu Aiki Jutsu basiert darauf. Die Bedeutung des Verstandes erklärt Kaido Yamaue mit Wellen, die vom Gehirn ausgehen (brain waves). Der Verstand steuert und kontrolliert den Körper, ähnlich wie Wärmestrahlen, die der Körper fühlt und deren Energie er aufnimmt. Energie wird weitergeleitet: Durch die Berührung mit der Handfläche kann Energie zur Heilung beitragen oder ein möglicher Gegner abgewehrt werden. Doch wie lässt sich Energie gewinnen? Der Schlaf ist eine wichtige Quelle, Meditation eine andere. Der Religion misst Keido Yamaue hier keine große Bedeutung zu. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 16 Er unterteilt die Gehirnwellen in verschiedene Kategorien (brain activities), die auch den Zustand des Gehirns wiedergeben: Ein „klarer“ Kopf, wie wir sagen würden, oder – im gegenteiligen Fall - ein „schläfriger“ Kopf. Ein klarer Kopf sendet Ki-Wellen aus. Es gibt aber auch Wellen, die einem Chaos im Kopf entstammen, etwa in Ausnahmefällen. Diese Energie ist dann sehr mächtig, aber nicht kontrollierbar. Menschen können damit körperliche Leistungen hervorbringen, derer sie sonst nie fähig wären. Nur Ki-Wellen übertragen demnach Energie, die uns nützen kann. Dazu muss der Verstand entsprechend vorbereitet sein, er muss zuvor in einen Zustand versetzt worden sein, so dass diese Wellen ausgesendet werden können. Der normale Mensch befindet sich in einem Zustand der „geistigen Ausgewogenheit“. Er benützt seine Energie ohne andere Menschen zu schädigen. Liebe ist mit Kraft verbunden, ja mit ihr verwandt. Gewalt jedoch nicht. Ich will, ich muss, ich kann: Vom Gehirn ausgehend wird ein Zwang ausgelöst, der letztlich die Kraft freisetzt, etwas zu tun. Fehlt einer dieser drei Teile oder Stufen, kann der Energiefluss nicht funktionieren. Zen Meditation ist die optimale Voraussetzung um Energie zu gewinnen. Sie bringt den Verstand in die notwendige Ausgeglichenheit. Keido Yamaue hat hier ein paar praktische Hilfsmittel für den „modernen“ Menschen: Still hinsetzen, eine Viertelstunde ganz ruhige Musik hören, ein einfaches Bild betrachten oder eine ruhige Landschaft. Keido Yamaue hat auch ein paar seiner Schüler mitgebracht. Obwohl einen Kopf größer und sichtlich auch sehr viel gewichtiger, reichen ein paar wenige Handgriffe und Bewegungen aus, diese starken Männer buchstäblich „in die Knie“ zu zwingen. Für uns ungläubige Zuschauer äußerst erstaunlich und eindrucksvoll. Und als dann auch noch einige Zuschauer unter Anleitung von Soke Yamaue ihre Energie bündeln und so der Stärke seiner Schüler spielend widerstehen, ist die Überraschung und Begeisterung groß. Am Ende des Vortrags und nach den kleinen Kampfeinlagen ist der kleine Bibliothekssaal des Münzkabinetts fühlbar von Energie angefüllt. Die Zuhörer und Zuschauer sind begeistert. Ein langanhaltender Beifall beschließt den spannend und abwechslungsreich gehaltenen Abend. Alle sind sich einig – Soke Yamaue ist jederzeit wieder herzlich willkommen. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 17 12. Die Privatisierung der japanischen Staatsbahn Rückblick von Jürgen Betten auf den Vortrag von Gregor Leister am 8. Mai 2012 im IBZ In einem spannenden und interessanten Vortrag hat der Referent die Bahnprivatisierung in Japan erläutert und dabei auch einige Bezüge zur Bahnprivatisierung in Deutschland hergestellt. Der Referent, Richter am Landgericht München I, stammt aus einer alten Eisenbahnerfamilie, in der schon beide Großväter als Eisenbahnbeamte tätig waren. Er ist mit 11 Jahren, also in einem Alter, in dem viele Jungen „Eisenbahner“ werden wollen, für 3 Jahre mit der Familie nach Tokyo gezogen und hat dort die deutsche Schule besucht. Nach dem Jurastudium war er erneut für 2 Jahre in Tokyo. Zum Einstieg wurde die Geschichte der Eisenbahn in Japan dargestellt, die 1872 mit der Strecke Tokyo – Yokohama auf der englischen Kapspur (Schmalspur) begann. Die Engländer hatten sich – gegen die Amerikaner – als Berater durchgesetzt und lieferten auch die ersten Dampfloks. Die 1906/07 verstaatlichte japanische Bahn fuhr – nach ihrer Ausgliederung als JNR (Japan National Railway) aus dem Eisenbahnministerium – von 1949-1964 noch kostendeckend. Erst ab 1964 geriet sie in die Verlustzone, was in den Folgejahren zu Qualitätsmängeln, jährlichen Preiserhöhungen ab 1977, „illegalen“ Streiks und einem zunehmenden Vertrauensverlust bei der Bevölkerung führte. Dabei wurde die JNR auch von der Politik „missbraucht“. Sie hatte zu viel Personal, da sie nach dem 2. Weltkrieg u.a. viele Kriegsveteranen und aus dem Ausland zurückgekehrte Japaner aufnehmen musste. Obwohl Japan als ein „längliches“ Land gut für die Eisenbahn geeignet ist, wuchsen die Verluste und es kam auch zu schweren Unfällen. Dagegen zeigten die Privatbahnen, wie z.B. Seibu, wie man Gewinn macht, indem man sich selbst die Kunden schafft: durch Bau von Wohnungen, Hotels und Kaufhäusern, die durch die Eisenbahn mit den Zentren verbunden werden. So wurde auch der gerade fertiggestellte Tokyo Sky Tree (mit 300 Läden, Restaurants, Planetarium und Aquarium) zu einem großen Teil von der Eisenbahngesellschaft Tobu finanziert, die natürlich auch über eine Eisenbahnlinie zum neuen Tokyo Sky Tree verfügt. Mit dem 1. April 1987 hat sich das Gesicht der staatlichen Eisenbahn in Japan vollkommen gewandelt. Die JNR wurde privatisiert und in 7 private Gesellschaften aufgespalten: davon sechs Personentrans-portgesellschaften JR Hokkaido, JR East, JR Central (Tokai), JR West, JR Shikoku, JR Kyushu und eine Gütertransportgesellschaft JR Freight. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 18 Der Referent hat umfassend die wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe der sehr erfolgreichen Privatisierung der japanischen Staatsbahn geschildert. Die Welt war erstmals 1964 auf die japanische Eisenbahn aufmerksam geworden, als rechtzeitig zu den Olympischen Spielen in Tokyo der erste Shinkansen von Tokyo nach Osaka auf einem separaten Hochgeschwindigkeitsnetz (mit Normalspur) fuhr. Bei der Privatisierung wurde das Shinkansen-Netz im Wesentlichen von den 3 HonshuGesellschaften (JR East, JR Central und JR West) vom Staat „abgekauft“, und es läuft inzwischen hoch profitabel. Die Altlasten der japanischen Staatsbahn trägt der japanische Staat mit der staatlichen Auffanggesellschaft JNR Settlement Corp. (JNR SC), die auch Vorbild für das deutsche Bundeseisenbahnvermögen (BEV) nach der Wiedervereinigung war. Freiwerdende Grundstücke sollten für den Schuldenabbau sorgen, was aber durch verzögerten Verkauf nach der Bubble Keiki nicht geglückt ist. Heute ist die in den Regionen Tohoku, Kanto und Koshin´etsu tätige JR East die weltweit größte Bahngesellschaft, die durch die Dreifachkatastrophe und insbesondere das Nachbeben am 7.4.2011, bei dem große Schäden an Betonmasten für die Oberleitungen auftraten, schwer getroffen wurde. Festzustellen ist jedoch, dass das Erdbeben-Vorwarnsystem voll funktioniert hat. Das Schienennetz ist in Japan sehr ausgelastet. Pro Bahnkilometer werden täglich mehr als 46.000 Fahrgäste befördert. In Deutschland sind es dagegen knapp 5.000 Fahrgäste. Allein in Shinjuku gibt es täglich über 3 Millionen Passagiere (der MVG München kommt auf täglich 1,37 Millionen). Dies erklärt auch, dass die Bahnen in Japan hoch profitabel sind und es seit 1987 keine Preiserhöhungen mehr gegeben hat. Die Shinkansen-Züge fahren derzeit mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 km/h und werden ab Frühjahr 2014 auf bis zu 320 km/h beschleunigen. Bemerkenswert ist dabei, dass es beim Shinkansen bislang noch keinen tödlichen Unfall gab. Auch deutsche Zulieferer kommen beim Shinkansen zum Zuge: So liefert z.B. die Firma Knorr-Bremse, mit Hauptsitz in München-Milbertshofen, Bremssysteme für den Shinkansen sowohl für die neueste Generation E6 als auch für die Vorgängergeneration E5, und zwar an die JR East. Der Vortrag über dieses sehr spezielle Thema fand viele interessierte Zuhörer und er wurde abgerundet von einer lebhaften Diskussion, an der sich auch zwei Jungen im „Eisenbahneralter“, die einige Zeit in Japan gelebt haben, mit klugen Beiträgen beteiligten. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 19 13. Zwischenbilanz(en) – Ein Jahr nach Fukushima Vortrag von Dr. Matthias Koch, Freie Universität Berlin, am 10.05.2012 im Institut für Ostasienkunde, München Im Zentrum des Vortrages steht die Frage nach Kontinuität und Wandel der japanischen Kernenergiepolitik vor und nach „Fukushima“. Japan und die Welt ziehen Zwischenbilanz nach den Naturereignissen vom 11. März 2011. Was sind die Gründe und Ursachen sowie die Folgen des Fukushima-Nuklearunfalls? Was ist vom Krisenmanagement zu halten? Was passiert mit den von der Dreifachkatastrophe direkt und indirekt betroffenen Menschen? Wer trägt die Verantwortung für den Nuklearunfall? Wer zahlt die Kosten und kommt für Entschädigungen auf? Wie kommen die Dekontaminierungsarbeiten voran? Wie ist der aktuelle Stand der Diskussionen zur Revision der Grundzüge der Kernenergiepolitik in Japan? Setzt die japanische Regierung, wie in der Vor-Fukushima-Zeit, offen und offensiv auf die Unterstützung von Nukleartechnologieexport? Läutet Fukushima das Ende der Kernenergie in Japan ein oder leuchtet am Ende des Tunnels eine Renaissance der Kernenergie in Gestalt von Kernreaktoren der 4. Generation? Mit welchen Ländern unterhält Japan Kooperationsvereinbarungen auf dem Gebiet der Kernenergie, mit welchen Ländern verhandelt es gerade? Verfolgt Japan noch das Ziel einer geschlossenen nationalen Brennstoffkette? Viele Menschen fragen sich: War die Dreifachkatastrophe wirklich unvorstellbar und jenseits aller Erwartungen? Was bedeutet sicher im Rahmen einer probabilistischen Sicherheitsanalyse und wie vernachlässigbar ist das nukleare Restrisiko wirklich? Was passiert in Japan, wenn Anfang Mai 2012 auch der letzte der 54 kommerziellen Leistungsreaktoren abgeschaltet ist? Der Vortrag versucht, auf diese Fragen eine Antwort zu geben und wagt eine vorsichtige Prognose zu den ersten Amtshandlungen der seit April 2012 neu organisierten japanischen Atomaufsicht. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 20 14. „Japan - kein Markt für das schnelle Geld“ Rückblick auf den ersten Japan-Wirtschaftstag in Rosenheim am 16. Mai 2012 Japaner gelten als die anspruchsvollsten Kunden der Welt - ein Grund, warum die Wirtschaft im Freistaat im Export nach Japan große Potentiale sieht. Schließlich steht "made in Bayern" für hohe Qualität. Mut, den Eintritt auf diesen asiatischen Markt zu wagen, verbreitete der erste Japan-Wirtschaftstag in Rosenheim. Mit Ichikawa verbindet Rosenheim eine Städtepartnerschaft, die bisher vor allem kulturell und gesellschaftlich mit Leben erfüllt wurde. Jetzt - ein Jahr nach der verheerenden Dreifach-Katastrophe in der Region Fukushima - ist die Zeit nach Überzeugung von Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer reif, die wirtschaftlichen Kontakte zu vertiefen. Auch der japanische Generalkonsul in München, Akira Mizutani, war zur Premiere gekommen, zu der Stadt und Stadtmarketing sowie Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling ins Sparkassen-Hochhaus eingeladen hatten. Er begrüßte, dass Deutschland und Japan auf regionaler wirtschaftlicher Ebene enger zusammenrücken wollen. Japan als weltweit drittgrößte Volkswirtschaft besitzt nach Überzeugung von Bauer viel Potenzial für die oberbayerische Wirtschaft. Japan erwarte heuer ein Wachstum von 2,3 Prozent, locke mit hohen Margen. Die Bürger würden sich verstärkt für europäische Produkte interessieren. Und es gebe Wachstumsmärkte wie die erneuerbaren Energien, den energieeffizienten Gebäudebau, die Lebensmittelbranche und den Maschinenbau, in denen regionale Unternehmen punkten können. Wie der Markteintritt gelingt, erläuterten 100 Gästen renommierte Experten, die beim Wirtschaftstag, moderiert vom früheren Stadtdirektor Diethard Schinzel, praktische Tipps vermittelten - samt interessanter Erfahrungsberichte aus den Führungsebenen heimischer Firmen, die in Japan aktiv sind. "Wer es in Japan schafft, schafft es überall": Diese Überzeugung teilt Achim Gabor, Vorstandsvorsitzender der Gabor Shoes AG. Seit 18 Jahren verkauft sein Unternehmen in Japan erfolgreich Schuhe. Kein anderes Land bringt nach Erfahrungen Gabors einer hohen Qualität so viel Wertschätzung entgegen. Auch Konrad Irlbacher, der pro Jahr 10 000 Räder seiner Marke Corratec auf dem japanischen Markt verkauft, spricht von "positiven Erfahrungen". Nur eins zu eins könne ein deutsches Produkt oft nicht eingeführt werden. Corratec musste für den japanischen Markt beispielsweise zwei kleinere Fahrradgrößen entwickeln. Informationen aus der Praxis gab es auch von Dr. Helmut Schwarz, Werkleiter Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 21 der Krones AG in Rosenheim. Der stark exportorientierte Anlagenbauer für die Getränkeindustrie wies auch auf ein anderes Konsumentenverhalten in Japan hin: Hier werden Getränke nicht kistenweise, sondern in der Regel einzeln gekauft. Der Kunde besitze hohe Ansprüche, was Sauberkeit und Hygiene der Produkte im Regal angehe, bestätigte Jürgen Schmid von SKW East Asia. Andere Kriterien gelten auch beim Wachstumsmarkt Hausbau, berichtete Norbert Baumann (Ecotransfer), der Komponenten für Niedrig- und Passivenergiehäuser nach Japan verkauft. Eine dreiköpfige Familie lebe in der Regel nur auf etwa 34 Quadratmetern. Bereits seit 35 Jahren in Japan aktiv ist die Meggle AG mit Sitz in Wasserburg. Geschäftsführer Drs. Sil H. van der Ploeg sieht auch auf dem dortigen Lebensmittelmarkt großen Bedarf für Produkte aus Bayerns Milchregion. Doch der geschäftliche Erfolg stellt sich nur ein, wenn auch die Kultur berücksichtigt wird, zog der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling, Alfons Maierthaler, als Fazit. Denn alle Asien-Experten unterstrichen die Notwendigkeit, die japanische Tradition und Denkweise in unternehmerische Tätigkeiten einzubeziehen: Wichtig seien enge persönliche Kontakte zum lokalen Management und eine intensive Kommunikation auch in Japanisch. "Außerdem Geduld", betonte Krones-Werksleiter Schwarz - eine Einschätzung, die Lüder Paysen, Vorstandsmitglied der deutsch-japanischen Gesellschaft in Bayern, teilte: "Japan ist kein Markt für das schnelle Geld, hier hat nur Erfolg, wer langfristige Strategien entwickelt." Dabei hilft der deutsch-japanische Wirtschaftskreis, den Geschäftsführerin Julia Hollmann vorstellte. Japan-Experten wie Hajime Takatsuka, Direktor von Invest Japan, Marcus Schürmann, stellvertretender Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Japan, Ministerialrat Armin Schwimmbeck vom bayerischen Wirtschaftsministerium und der Asienfachmann der IHK für München und Oberbayern, Johannes Huber, sprachen über Förderprogramme und Instrumentarien der Außenwirtschaft. Die Hochschule Rosenheim unterstützt laut Präsident Professor Heinrich Köster bereits im Studium deutsch-japanische Kontakte und pflegt den Professorenaustausch. Ähnlich international aktiv ist die Fachhochschule Kufstein, so Professor Dr. Thomas Madritsch. 15. Private Fotografie in Japan Ein Vortrag von Katja Ferstl am 08.06.2012 Der Vortrag beschäftigt sich mit den Fragen, seit wann private Fotopraktiken in Japan Bestand haben und wie sie sich entwickelt haben. Der kurze chronologische Überblick zur Entfaltung privater Fotografie in Japan erstreckt sich von der Mitte des 19. Jahrhunderts. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 22 16. Mitgliederversammlung Rückschau von Dr. Andrea Hirner Etwa 50 Mitglieder fanden sich zur Mitgliederversammlung am 11. Juni 2012 ein, um dem ersten Bericht des neuen Präsidenten Dr. Schön zu lauschen, der die letzten acht Monate Revue passieren ließ. Zuvor stellte er Frau Vizekonsulin Yamada vom Japanischen Generalkonsulat vor, die einige Worte der Begrüßung sprach. Das vergangene Jahr hat wegen der zahlreichen Veranstaltungen zu den beiden Jubiläen einen erhöhten Umsatz der Gesellschaft von etwa 85.000 Euro gebracht. Das wird sich, wie Herr Hasieber, Schatzmeister der Gesellschaft, ausführte, in diesem normalen Jahr sicher nicht wiederholen. Dank zahlreicher Spenden von Mitgliedern konnten die erhöhten Anforderungen gemeistert werden, so dass der letztjährige Haushalt nahezu ausgeglichen war. Herr Dr. May als Rechnungsprüfer bestätigte die Rechtmäßigkeit aller Buchungen und dankte Herrn Hasieber für seine genaue Arbeit. Herr Dr. Schön berichtete dann vor allem über die Hilfsmaßnahmen der Gesellschaft nach der dreifachen Katastrophe vom 11. März. Die eingesammelten Spenden, die inzwischen nahezu 200.000 Euro betragen, wurden auf zwei der besonders betroffenen Städte im Katastrophengebiet verteilt, und zwar an Kinder, wie es von Anfang an geplant war. Wir alle hoffen, dass damit das Leid etwas gemildert werden kann. Der Präsident dankte anschließend den Vorstandsmitgliedern und den freiwilligen Helferinnen und Helfern, ohne die die Arbeit in der Gesellschaft nicht getan werden kann, für ihren Einsatz. Er bat nochmals darum, dass sich noch mehr Mitglieder engagieren sollten, wenn ihnen das zeitlich möglich ist. Mit knapp 800 Mitgliedern sind wir eine große Gesellschaft geworden, und der Arbeitsanfall ist dementsprechend gewachsen. Zur Entlastung des Arbeitsvolumens bat Herr Hasieber u.a. darum, dass die Mitglieder für die Gesellschaft eine Einzugsermächtigung für die Jahresbeiträge ausstellen sollten. Aus dem gleichen Grund werden keine Mitgliedsausweise ausgestellt, weil Arbeit und Nutzen in keinem Verhältnis stehen. Darüber gab es zwar eine kleine Diskussion, wie man sich dann ausweisen kann; aber alle waren sich einig, dass man sich auf die Ehrlichkeit aller Mitglieder verlassen könne. Die Diskussion danach war kurz, da sich bereits alle Gäste auf das Koto-Konzert der jungen und schönen Meisterin Fuyuki Enokido freuten, die als kulturelle Botschafterin Japans gerade in Deutschland weilt. Sie wurde von Herrn Generalkonsul Mizutani vorgestellt. Ihr kraftvolles Spiel überraschte alle Zuhörer. Sie begann mit dem Lied „Sakura“ und spielte dann noch mehrere Kompositionen, darunter auch eigene. Viele Mitglieder versammelten sich nach dem Konzert um sie, um ihre Erklärungen zu dem Instrument und zu den Kompositionen zu hören. Der Abend wurde durch einen kleinen japanischen Imbiss abgerundet, und die Mitglieder saßen noch längere Zeit gemütlich beisammen Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 23 17. Ausflug Rothenburg ob der Tauber Ulrich Hosemann berichtet über das bei japanischen Touristen so beliebte Reiseziel An einem herrlichen Sommertag fand am 16. Juni der Busausflug nach Rothenburg ob der Tauber statt. Die Stadt an der Romantischen Straße gehört seit vielen Jahren bei japanischen Touristen zu den beliebtesten Reisezielen in Deutschland. Die Teilnehmer des Ausflugs hatten vormittags die Gelegenheit, die Stadt bei einer Stadtführung näher kennenzulernen. Nach der Mittagspause empfing Herr Kempter, Tourismusdirektor von Rothenburg von 1986 bis 2008, die Gruppe im historischen Kaisersaal des Rathauses und berichtete über interessante Einzelheiten zwischen Rothenburg ob der Tauber und Japan. Seit 1995 gibt es eine Städtepartnerschaft mit Uchiko in der Präfektur Ehime auf Shikoku. Der Kontakt zwischen beiden Städten entstand 1986 als in Rothenburg ein Denkmalschutzsymposium stattfand.In Rothenburg mit seinen 11.000 Einwohner leben und arbeiten 43 Japaner und haben teilweise hier eingeheiratet. Die meisten von ihnen sind in der Tourismusbranche beschäftigt. Es gab allerdings auch schon einen Japaner, der sich in der Stadt zum Metzger ausbilden ließ und nun in der Partnerstadt Uchiko Wurst herstellt. Der berühmte japanische Landschaftsmaler Kaii Higashiyama ließ sich bei seinen Bildern von der Romantischen Straße inspirieren und trug in Japan so zur Popularität von Rothenburg bei. Der japanische Kunstprofessor Eichii Takeyama, der sich in seiner Freizeit der Malerei widmet, war von Rothenburg ebenfalls fasziniert und ließ sich nach seiner Pensionierung hier nieder. Er betreibt eine Galerie in der Herrngasse 23. Etwa 90% der Japaner kennen nach Herrn Kempters Informationen die Stadt. Die ersten japanischen Gäste kamen bereits in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, da die Stadt im Ausland als typisch deutsch präsentiert wurde. Gegenwärtig verzeichnet die Stadt jährlich 60.000 Übernachtungen von Japanern. Rothenburg hat mehr japanische Gäste als München. Diese kommen sowohl als Einzelreisende wie auch in Gruppen nach Rothenburg. Die Einzelreisenden sind tendenziell eher junge Leute, die in den preiswerteren Hotels oder der Jugendherberge übernachten und dann mehrere Tage in der Stadt verbringen. Die Gruppenreisenden nutzen eher die luxuriösen Hotels und bleiben meistens nur eine Nacht. Es fällt auf, dass japanische Frauen reisefreudiger sind als japanische Männer, denn sie machen 2/3 der japanischen Gäste aus. In der Stadt sind japanische Gäste beliebt, da sie angenehm und unkompliziert sind. Herr Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 24 Kempter berichtete aber auch von Schwierigkeiten mit japanischen Gästen, die mit der Benutzung der Badewannen nicht vertraut waren und diese zum Überlaufen brachten. Er erinnerte sich an einen japanischen Geschäftsmann, der sich im Treppenhaus des Rathauses mit einer kleinen Inschrift verewigte. Dies wurde in Japan bekannt und war dort tagelang Thema in den Medien. Der Druck auf den Geschäftsmann war so groß, dass er erneut nach Rothenburg fuhr und sich persönlich und mit einer Spende beim Bürgermeister entschuldigte. Rothenburg besitzt ein altes Denkmalschutzgesetz, das dafür sorgte, dass die im Zweiten Weltkrieg durch amerikanische Luftangriffe zerstörten Teile der Altstadt wieder originalgetreu aufgebaut werden mussten und so das historische Stadtbild erhalten werden konnte. Das Verständnis für Denkmalschutz in Rothenburg ist der Anlass für zahlreiche Besuche von Delegationen japanischer Stadtverwaltungen, die sich außerdem für Umweltfragen und Abfallwirtschaft interessieren. Ein Torbogen eines Turmes der Spitalbastei trägt die lateinische Inschrift "Pax Intranti-bus, Salus Exeuntibus", was übersetzt heißt: „Friede den Eintretenden, Wohlergehen den Hinausgehenden“. Diese Inschrift wurde ins Japanische übersetzt und ist nun am Empfangsgebäude des Flughafen Tokio-Haneda wiederzufinden. Die Stadt ist auch bekannt für das ganzjährig geöffnete Geschäft für Weihnachtsschmuck von Käthe Wohlfahrt. In diese Familie eingeheiratet hat die Japanerin Rumiko Wohlfahrt, die ihren Mann bei einem Interview für Werbeanzeigen kennengelernt hatte. Das Unternehmen betreibt auch Marktstände auf Weihnachtsmärkten in Japan. Abgerundet wurde der Empfang im Kaisersaal mit einem Humpen fränkischen Weins aus dem Taubertal, den der Kellermeister servierte. Mit diesem prachtvollen Glas-Humpen ist ein geschichtliches Ereignis verbunden. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt 1631 von 60.000 Mann unter General Graf von Tilly belagert und eingenommen. Nach der Legende leerte der damalige Bürgermeister Georg Nusch auf Befehl General Tillys 3,25 Liter Wein auf einen Zug und bewahrte damit die Stadt vor der Zerstörung. Aus diesem Anlass findet noch heute jährlich das Festspiel „Der Meistertrunk“ statt. 18. Successful German-Japanese Research Cooperation Vortrag von Dr. Wolfgang Kellerer beim Business Luncheon am 20.06.2012 im Hilton Park Hotel Für diesen Vortrag wurde keine Rückschau erstellt, da der Vortrag in voller Länge im kaiho 5/2012 veröffentlicht wurde Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 25 19. München Tomono-Kai Rückblick von Elke Föll-Großhans auf die Veranstaltung am 26. Juni 2012 im Münzkabinett Im gut besuchten und für diesen Abend liebevoll mit Origami ausgeschmückten Bibliothekssaal der Staatlichen Münzsammlung in der Münchner Residenz stellte der Verein „München Tomono-Kai“ seine Aufgaben und sein Wirken vor. Nach den einleitenden Worten von Keiko Kawata-Krüger, die mit ihrer Moderation schwungvoll durch den Abend führte, kamen die Vorsitzende von „München TomonoKai“ Rieko Kertels sowie weitere aktive Mitglieder Mitchiyo Ernst, Shizuko Nakaji-Schneider und die Origami-Meisterin Yoshiko Hattori-Peters zu Wort. Ergänzend hierzu sprach außerdem Uli Stemann, die Leiterin des Caritas Alten- und Service-Zentrums AuHaidhausen. Seit längerer Zeit weiß man, dass unter älteren Mitmenschen, die auf Hilfe angewiesen sind, die Zahl der Migranten in Deutschland stark zunimmt. Oft sind hier schlechte oder keine Deutschkenntnisse vorhanden, so dass dies das Leben – besonders im Alter – sehr erschwert. Um hier zu helfen, wurde im Oktober 2001 der Verein „München Tomono-Kai – Nachbarschaftshilfe für Japaner in München und Umgebung e.V.“ gegründet. Der Verein hilft Japanern, insbesondere älteren Personen, ihre Schwierigkeiten im Alltag zu meistern. Man ist stolz darauf, bereits ein 10-jähriges Jubiläum gefeiert zu haben und Vorbild für weitere Vereinsgründungen in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Stuttgart und Heidelberg zu sein. Ähnliche Vereine gibt es in der Schweiz und in den Niederlanden. Dies zeigt, dass diese Idee richtig war. Mittlerweile wurden übrigens zwei Broschüren „Igaku yogo shu“ (Medizinische Wörter) und „Kenko to shoku Seikatsu“ (Gesundheit und Essen) veröffentlicht. Unsere japanischen Mitmenschen haben ihre Krankenkasse und Pflegeversicherung in Deutschland, aber es gibt Hilfe, die Japaner nur von anderen Japanern bekommen können. Besonders wichtig ist hier das persönliche Gespräch auf Japanisch und die Hilfestellung bei sprachlichen Problemen von JapanerInnen, die in München und Umgebung wohnen bzw. sich in Krankenhäusern oder Pflegeheimen befinden. Wenn Menschen älter werden – besonders, wenn sie an Alzheimer leiden – vergessen sie oft ihre zweite Sprache und sprechen plötzlich nur noch ihre Muttersprache. So hat es sich „München Tomono-Kai“ zur Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 26 Aufgabe gemacht, Gespräche mit den jeweiligen Ärzten und Pflegepersonal hinsichtlich medizinischer Beratung, bei Problemen mit dem Essen und der Diät dolmetschend zu begleiten. Der Verein betreut seine Landsleute zuhause und unterstützt sie bei Behördengängen. Die Mitglieder versorgen sie mit japanischen Speisen, denn Menschen im Alter erinnern sich daran, was sie in der Kindheit besonders gerne gegessen haben. Beschaffung von Lesematerial in der Muttersprache ist sehr wichtig, und in besonderen Notsituationen setzt sich der Verein auch mit Familienmitgliedern in Japan in Verbindung. Die Origami-Meisterin Yoshiko Hattori-Peters, die seit 46 Jahren in Deutschland lebt, sprach über die Geschichte der Papierfaltkunst, die ihren ursprünglichen Weg von China nach Japan genommen hat und Anfang des 16. Jh. den religiösen und höfischen Zeremonien vorbehalten war. Der gefaltete Kranich gehört zu den ältesten Figuren dieser Kunst, und Frau Hattori-Peters berichtet, dass sie mit Patienten, die einen Schlaganfall erlitten haben, Origami faltet, denn diese Kunst wird heute gerne pädagogisch und therapeutisch eingesetzt. Man berichtet ihr dankbar, wie schön das Gefühl sei, langsam wieder die Geschicklichkeit der Finger zurückzugewinnen. Musikalische Einlagen gaben dieser Veranstaltung einen schönen Rahmen. Das Lied „Kōjō no Tsuki“ (Der Mond über der Ruine) wurde von Kumiko Tatai mit wohlklingendem Mezzosopran vorgetragen und von unserem Vorstandsmitglied Willi Huber einfühlsam auf der Zither begleitet. Willi Huber erzählte, dass er vor zehn Jahren so fasziniert von dem Lied „Sakura“ war, als er es zum ersten Mal von der Koto gespielt hörte, dass er versucht hat, die meditative Ruhe, die dieses Kirschblütenlied ausstrahlt, die Ästhetik der Koto auf die Zither zu übertragen. Was ihm – wie wir feststellen konnten - gut gelungen ist. Er machte uns außerdem mit weiteren seiner Kompositionen vertraut: Einem Prélude, nostalgisch an Wiener Klänge erinnernd, und einem Walzer, als kapriziös bezeichnet, leichte Unterhaltungsmusik zum Träumen und Entspannen. Im Laufe der Jahre hat sich aus den Mitgliedern von Tomono-Kai auch ein kleiner, schön klingender Chor gebildet, der uns mit „Ue o muite arukou“, dem in Europa als „Sukiyaki“ bekannten Song, ins Gedächtnis zurückrief. Zum Abschluss durften sich die Besucher aus der Vielfalt der Origami-Kunstwerke ein Geschenk auswählen und wurden noch mit selbstgebackenen Köstlichkeiten in europäischer/japanischer Geschmacksrichtung verwöhnt. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 27 20. No-Theater Workshop Das Komparu Ensemble zeigte seine Künste in einem Workshop am 30.06.2012 nachmittags im Carl-Orff-Auditorium in München Das Komparu Ensemble ist die älteste unter den fünf großen Nō-Theater-Schulen Japans und steht unter der Leitung von Mitsuhiro Honda, der gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Yoshiki und Fuyuki Honda in München einen erfolgreichen Workshop zum Nô – Theater veranstaltet hat. 21. No-Theater Demonstration Das Komparu Ensemble demonstrierte am 30.06.2012 abends im Carl-Orff-Auditorium seine Künste In der gut besuchten Aufführung wurde das Stück „Aoi no ue“ ausführlich erklärt, ebenfalls die verwendeten Masken und Gewänder. Danach wurden verschiedene Teile aus Nô Stücken demonstriert und als Höhepunkt wurden Auszüge aus „Aoi no ue“ vorgeführt. 22. Euro(pe) – Quo Vadis? Munich „Asa No Kai” German-Japanese Breakfast Meeting am 04.07.2012 im Mandarin Oriental Hotel in München Das Frühstückstreffen des DJW (Deutsch-Japanischer Wirtschaftskreis) mit Repräsentanten der deutschen und japanischen Wirtschaft in München wurde zum ersten Mal veranstaltet. Für diese Veranstaltung war die DJG in Bayern Partner. Nicht zuletzt wegen des aktuellen Themas war dieses Treffen sehr gut besucht. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 28 23. Japanfest 2012 Bereits zum siebzehnten Mal fand am 15. Juli 2012 das Japanfest im Gelände um das Teehaus im Englischen Garten statt. Dr. Jochen Kingler, im Vorstand der DJG verantwortlich für das Japanfest, berichtet. Wie immer wurde das Fest gemeinsam vom Japanischen Generalkonsulat, vom Japanclub und von unserer Deutsch-Japanischen Gesellschaft ausgerichtet. Diesmal allerdings wollte das Wetter nicht so recht mitspielen: Zu Beginn des Festes war der Himmel noch schön blau, später begannen dann, wie es in der Wettervorhersage so schön hieß, „ausgiebige Niederschläge“. Glücklicherweise ließen es sich die Besucher nicht verdrießen, und – verglichen mit den sonnigeren Festen der letzten Jahre – war gar nicht einmal so viel weniger Betrieb auf dem Fest. Sicher trug dazu auch bei, dass inzwischen viele der Stände, die sich regelmäßig am Japanfest beteiligen, mit Zelten überdacht sind, so dass die Zuschauer sich dort unterstellen konnten. Unsere Deutsch-Japanische Gesellschaft hatte gleich zwei repräsentative Zelte nebeneinander aufgebaut. In dem einen haben wir unsere Gesellschaft vorgestellt und entsprechende Materialien wie z.B. Exemplare des Kaiho ausgelegt. Eine Fotoausstellung informierte über unsere Spendenaktion für die Opfer der Erdbebenkatastrophe. Im zweiten Zelt fand der Wettbewerb des DJG-Haiku-Kreises statt. Nicht zuletzt auch wegen des trockenen Plätzchens gab es genügend Interessenten für eine Teilnahme... Die Preisträger sind inzwischen auf unserer Homepage veröffentlicht. Wegen des Regens und weil wir dieses Jahr auf eine Bühnenüberdachung verzichtet hatten, musste das Programm auf der Hauptbühne allerdings kürzer ausfallen. Dennoch konnten Frau Stadträtin Renner, Herr Generalkonsul Mizutani und die Präsidenten von Japanclub und DJG, Herr Matsukawa und Herr Dr. Schön, ihre Grußworte an die Besucher ausrichten. Es gab Gelegenheit, Tanzaufführungen zuzusehen und den JapanischDeutschen Projektchor zu hören. Trotz der widrigen Wetterverhältnisse war das Fest gut besucht, um es mit den Worten des Sieger-Haiku unseres Wettbewerbs zu sagen: Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 29 Am schmalen Bachweg zum Sommerfest gilt: „Geduld! Kimonotempo!” Zu bedauern waren allerdings dieses Jahr einige der eingeladenen japanischen Kampfsportgruppen, die traditionellerweise zwar ihre Sportmatten beim Fest auslegen, aber keine Überdachung haben– sie kämpften dieses Jahr mehr mit dem Regen als mit den Partnern. Erstaunlicherweise blieben aber selbst die filigranen Blumen-Arrangements der Ikebana-Ausstellung intakt. Wie stets in den letzten Jahren waren unter den Besuchern auch viele Jugendliche, die sich als ihre Lieblingsfiguren aus Mangas (japanische Comics) und Animes (japanische Zeichentrickfilme) verkleidet hatten, und die diesmal damit beschäftig waren, trotz der sich langsam aufweichenden nassen Wege ihre fantasievollen Kostüme sauber zu halten. Viele freiwillige Helfer tragen dazu bei, ein solches Fest erst möglich zu machen. Die Planung beginnt bereits über ein halbes Jahr vorher. Teilnehmer vom Konsulat, vom Japanclub und DJG treffen sich etwa einmal im Monat regelmäßig zur Besprechung der Einzelheiten, und dann geht jeder mit einem Bündel bis zum nächsten Treffen zu erledigender Aufgaben nach Hause. Traditionellerweise ist dabei der Japanclub für den Kontakt zu den Restaurants zuständig und die DJG für die Anmeldungen und die Organisation der teilnehmenden Stände. Dieses Jahr hatte der Japanclub auch die Organisation der Bühne übernommen. Dank eines guten Kontakts zum Haus der Kunst dürfen wir für das Fest teilweise dessen Infrastruktur (Strom- und Wasseranschluss, Garderobenräume usw.) nutzen. Wir freuen uns auch, einen Bereich des Englischen Gartens zur Verfügung gestellt zu bekommen, denn das Gelände am japanischen Teehaus bildet die passende Umgebung für diese Veranstaltung. Die Adressen aller Gruppen, die mitgewirkt haben, finden Sie zum Nachlesen auf dem Japanfest-Faltblatt, beim Japanfest-Eintrag im Veranstaltungsarchiv der DJG-Homepage www.djg-muenchen.de Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 30 24. Todesstrafe in Japan Rückblick von Gregor Stevens (Richter am Landgericht München) auf das Kolloqium am 07.09.2012 in der Münzsammlung In der gut besuchten Veranstaltung führte zunächst Prof. Dr. Rosenau (Universität Augsburg) mit dem Hinweis auf die in Japan kürzlich gegen fünf Verurteilte vollstreckten Todesstrafen in die Thematik ein. Gleichzeitig stellte er die hohe Zustimmung der japanischen Bevölkerung zur Todesstrafe und die weltweite Verbreitung der Todesstrafe dar. Demnach haben 97 Staaten der Erde die Todesstrafe vollständig abgeschafft, 8 Staaten haben die Todesstrafe in Friedenszeiten abgeschafft und 35 Staaten wenden die in ihren Gesetzen vorgesehene Todesstrafe nicht an, während 58 Staaten Todesurteile verhängen und vollstrecken. In Europa ist die Todesstrafe seit 2002 in allen Staaten außer Weißrussland abgeschafft. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Todesstrafe durch Art. 102 GG seit 1949 abgeschafft, wobei Umfragen in der Bundesrepublik seit den 70er Jahren durchgehend eine mehrheitliche Meinung in der Bevölkerung gegen die Todesstrafe ergaben. Dr. Schön erläuterte die Bestrebungen in Japan, den Strafprozess durch Reformen transparenter zu gestalten und Bürger daran zu beteiligen. Diese Bewegung führte dazu, dass 2009 ein Schöffensystem eingeführt wurde, das eine Mischung aus amerikanischen und europäischen Formen der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Rechtsprechung darstellt. Bei Strafprozessen, die Kapitalverbrechen mit einer drohenden Todesstrafe zum Gegenstand haben, sitzen seitdem normalerweise 6 Schöffen, welche nur für ein einziges Strafverfahren ausgewählt wurden, neben 3 Berufsrichtern auf der Richterbank. Der verbreiteten Befürchtung, die Schöffen könnten zu hart oder zu milde urteilen, begegnete man damit, dass im Richterzimmer auf Datenbanken zu früheren Fällen zurückgegriffen werden kann und dass es nur dann zu einer Verurteilung kommen kann, wenn auch mindestens ein Berufsrichter für die mehrheitliche Schöffenmeinung stimmt. Herr Prof. Dr. Ishizuka (Ryukoku Universität Kyoto) stellte anschließend die Statistiken zu den verhängten und zu den vollstreckten Todesstrafen der letzten Jahrzehnte für Japan vor. In Japan wurden zwischen 1946 und 1993 insgesamt 766 Personen zum Tode verurteilt, von denen 608 hingerichtet wurden. Zwischen 1995 und 2005 kam es zu einem „Peak“. Die Frage, wie es zu diesem starken Anstieg der Todesstrafen kam, werde teilweise mit dem Hinweis auf die mit dem U-Bahn-Terror durch die Aum-Sekte in Verbindung stehenden Urteile beantwortet. Tatsächlich dürfte aber eine schon zuvor verfolgte Politik der bis dahin regierenden LDP verantwortlich sein, die das Ziel härterer Strafen durch Aufhebung der Freiheitsstrafenhöchstgrenze von 30 Jahren und durch eine um 10.000 Mann verstärkte Polizei verfolgt habe. Dies führte auch zur heutigen Überbelegung der Gefängnisse um 7%. In Japan ist die Todesstrafe noch heute für insgesamt 19 Verbrechen vorgesehen, darunter Mord, Raub oder Vergewaltigung mit Todesfolge, Straßenverkehrsgefährdung mit Todesfolge, Terrorismus mit Todesfolge, Brandstiftung bewohnter Gebäude (!) und Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 31 schwere Verbrechen gegen den Staat wie Hochverrat. Derzeit werden etwa 15 bis 20 Personen pro Jahr zum Tode verurteilt, hingegen werden etwa 2000 Taten begangen, bei denen die Verhängung der Todesstrafe in Betracht kommt. Derzeit befinden sich 132 zum Tode Verurteilte in Haft. Zur Vollstreckung der Todesstrafe ist die Unterzeichnung einer entsprechenden Anordnung durch den Justizminister erforderlich. Es hängt letztlich von dessen jeweiliger Persönlichkeit ab, ob in seiner Amtszeit Hinrichtungen durchgeführt werden oder nicht. Die seit dem Regierungswechsel im September 2009 im Amt tätigen 8 Justizminister, deren Amtszeiten nach Tagen (zwischen 22 und 356) gezählt werden, haben insgesamt nur 8 Personen hinrichten lassen. Herr Prof. Dr. Tsujimoto (Kinki Universität Osaka) stellte anhand von zwei Beispielen die besonders in Grenzfällen mit heranwachsenden Straftätern auftretenden Abwägungsschwierigkeiten, die sich aus den vom japanischen obersten Gerichtshof aufgestellten Grundprinzipien ergeben können, dar. Im sogenannten „Hikari-Fall“ ermordete ein zur Tatzeit 18 Jahre und 1 Monat alter Täter eine 23 Jahre alte Mutter und ihr 11 Monate altes Kind. Dafür wurde er zunächst durch das LG Yamaguchi und in der Berufung durch das OLG Hiroshima zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der OGH das Urteil aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung an das OLG zurückverwiesen. Zur Begründung hat der OGH ausgeführt, dass in Ermangelung besonderer Umstände nur die Todesstrafe angemessen sei. Das Alter des Täters allein stelle keinen solchen besonderen Umstand dar. Mit zweitem Urteil des OLG wurde der Täter zum Tode verurteilt. Die Revision hiergegen hat der OGH verworfen, dieses Urteil allerdings wurde von einer abweichenden Meinung des Richters Miyagawa (ein in der japanischen Justiz äußerst seltener Vorgang) begleitet, der dafür plädierte, die Todesstrafe bei Heranwachsenden mit geringer seelischer Reife nicht zu verhängen und dazu auf die „Beijing-Rules“ (UN-Mindest-standards für die Verwaltung der Jugendgerichtsbarkeit), verwies. Im sogenannten „Ishinomaki-Fall“ hat ein 18 Jahre und 7 Monate alter Täter zwei Frauen getötet und einen Mann schwer verletzt. Das LG Sendai verhandelte in der Besetzung als Schöffengericht und verhängte die Todesstrafe. Das Berufungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Bemerkenswert an diesem Fall ist aber, dass der Verteidiger sich in der ersten Instanz einer Befragung eines Sozialarbeiters zu einem Ahndungsvorschlag widersetzte und er Berufung auch mit der Begründung eingelegt hat, dass ein Mordfall mit einem heranwachsenden Täter mit besonderer (wissenschaftlicher) Gründlichkeit aufzuarbeiten sei, wofür seiner Ansicht nach ein Schöffengericht nicht hinreichend qualifiziert sei. In der anschließenden sehr angeregt geführten Diskussion war auch die Vollstreckung der Todesstrafe in Japan selbst Thema. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob es nicht widersprüchlich sei, dass die japanische Verfassung die „grausame Strafe“ verbietet, andererseits die Todesstrafe durch Erhängen vollstreckt wird. Diese Praxis hat der japanische Verfassungsgerichtshof 1955 für verfassungskonform erklärt und das Erhängen „selbst aus einer humanitären Sicht“ für „nicht grausam“ befunden. Diskutiert wurden auch Alternativen, wie beispielsweise eine „Todesstrafe auf Bewährung“, etwa nach chinesischem Vorbild. Für die Zukunft dürfte aber das besondere Augenmerk auf der Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 32 Frage liegen, wie sich die Beeinflussung der Rechtsprechung durch die nunmehr beteiligten Schöffen auf die Zahl der ausgesprochenen Todesurteile auswirkt. Der interessante Vortragsabend zeigte in besonders spannender Art und Weise, welche der Vorbehalte, die die internationale Gemeinschaft inzwischen mehrheitlich gegen die Todesstrafe hat, von japanischen Anwälten, Professoren und auch Richtern geteilt werden. 25. Besuch aus Sapporo Zum 40jährigen Jubiläum der Städtepartnerschaft zwischen München und Sapporo ermöglichten Mitglieder der DJG den japanischen Gästen am 8.09.2012 eine home-visit Möglichkeit. Ein Bericht von Dr. Andrea Hirner In der Vorbereitung des Besuchs von Oberbürgermeister Ueda und einer umfangreichen Delegation aus der Stadt Sapporo anlässlich des 40jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen München und Sapporo war auch an die DJG die Bitte herangetragen worden, für Mitglieder der Reisegruppe ein home-visit-Programm zu organisieren. Auf einen ersten Aufruf hin meldeten sich so viele Mitglieder der DJG, dass nicht einmal alle berücksichtigt werden konnten. Von Anfang an war klar, dass die Kürze des Besuchs (vorgesehen war Samstag, der 8. September von 14 bis 18 Uhr) längere Anfahrtswege unmöglich machte. Deshalb mussten leider auch Bewerber abgewiesen werden, die außerhalb von München wohnen. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 33 Während der Oberbürgermeister, die Vertreter der Industrie- und Handelskammer von Sapporo und ein Direktor der Sapporo-Bierbrauerei nur einige Tage in München waren, stand wenigstens eine ganze Woche für die Bürgerdelegation zur Verfügung. Die war allerdings auch ausgefüllt mit Besichtigungen, Rundfahrten in München und außerhalb, einem Vortrag über Kinder aus den Katastrophengebieten, die von Bürgern nach Sapporo eingeladen werden, sowie einem Besuch des Bauzentrums in Poing wegen der dortigen Oeko-Häuser. Das Thema von Energieeinsparung, besserer Bauweise von Häusern und überhaupt ökologischen Fragen nahm bei den Damen und Herren der Bürgerdelegation einen großen Raum ein. Am Samstagnachmittag versammelten sich dann die zehn „Gastfamilien“ im Hilton City Hotel, um ihre 25 Gäste dort abzuholen und zu sich nach Hause zu begleiten. Die Gäste, gelegentlich Ehepaare, aber überwiegend ältere Damen, hatten sich dafür zu kleinen Grüppchen von zwei oder drei Personen zusammen geschlossen. Die Verteilung klappte vorzüglich, und die einzelnen deutsch-japanischen Gespanne verteilten sich nach dem ersten Kennenlernen in alle Himmelsrichtungen. Glücklicherweise zeigte sich das Wetter von seiner besten sonnigen Seite, und die meisten konnten noch um das Zuhause ihrer Gastfamilien einen Spaziergang machen oder auswärts Kaffee trinken. Dabei gab es interessante Gespräche, denn die meisten der Teilnehmer hatten spezielle Interessen oder Hobbys, waren schon einmal in München gewesen oder betätigten sich selbst in Japan in irgendeinem kulturellen Bereich. Sprachprobleme gab es kaum, denn die meisten Gastfamilien verfügten über Japanisch-Kenntnisse in irgendeiner Form, hatten japanische Freunde dazu gebeten oder behalfen sich mit Englisch. Alle Teilnehmer wirkten bei ihrer Rückkehr ins Hotel am Abend angeregt und zufrieden. Frau Takahashi, die von Sapporo aus das Programm organisiert hatte, bedankte sich im Namen aller Damen und Herren noch einmal bei der DJG dafür, dass so viele Gastfamilien an diesem Tag ein Zeichen von bayrisch-japanischer Gastfreundschaft gesetzt haben. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 34 26. Brillen (Megane) Vom Urlaub auf einer einsamen Insel erzählt dieser Film, der am 13.09.2012 im Gasteig gezeigt wurde Als die junge, gestresste Professorin und Großstädterin Taeko ihren Frühjahrsurlaub auf einer kleinen Insel zu verbringen gedenkt, ist sie bei Ankunft in ihrer Ferienpension überrascht: außer ihr gibt es keine Gäste in dieser Idylle. Die Frage nach dem Warum, klärt sich schnell, es gibt hier absolut nichts zu tun. 27. 1945, Sommer eines Jungen Kuroki Kazuo ist eigentlich als Regisseur von Dokumentarfilmen bekannt. 1945, Sommer eines Jungen basiert auf seinen eigenen Kindheitserlebnissen. Dieser Film wurde 14.09. 2012 im Gasteig gezeigt Die Geschichte spielt kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs im Sommer 1945. Yasuo, der in die dritte Klasse der Mittelschule geht, wurde aus Tôkyô evakuiert und so von seinen Eltern getrennt. Er lebt nun bei seinen strengen Großeltern in dem Dorf Kirishima auf Kyûshû. Yasuo freut sich zwar, dass er aufgrund seiner schlechten Gesundheit nicht zum Militärdienst eingezogen wurde, doch andererseits leidet er unter Schuldgefühlen, weil sein Freund vor seinen Augen bei einem Bombenangriff ums Leben kam. Außerdem macht ihm das militärfreundliche Umfeld zu schaffen, an das er sich nicht gewöhnen kann. 28. Das Gesicht (Kao) 顔 Dieser vielfach preisgekröntes Roadmovie, der in Japan zum Independent-Hit avancierte, wurde im Gasteig am 15.09.2012 gezeigt Die sadistische Yukari besucht gelegentlich ihre Schwester Masako, die ein trostloses Leben in Kobe führt. Masako ist eine recht unbeholfene und verschlossene Frau Ende Dreißig, die im Schatten ihrer jüngeren, bildschönen und koketten Schwester steht… Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 35 29. Japanische Gartengeschichte Rückschau von Dr. Andrea Hirner auf den Vortrag von Kanji Nomura am 20.09.2012 Wie bei der Übernahme von Schrift, Buddhismus und Künsten erfolgte auch in der Entwicklung der Gartenarchitektur ein Wechsel zwischen reiner Adaption der chinesischen und koreanischen Vorbilder und der Rückbesinnung auf eigene japanische Traditionen. So erläuterte Prof. Nomura anhand von Relikten die „Gärten der Gottheiten“ im Altertum aus dem Glauben heraus, dass sich in Quellen und in großen Steinen Gottheiten verbergen würden. In der Verehrung von Felsen und alten Bäumen ist das als Relikt noch im heutigen Japan spürbar. Dennoch heute vermeidet man ein Behauen von großen Steinen. Mit der Übernahme des Buddhismus wurden Tempelgärten geschaffen, während der Adel der Heian-Zeit die Anlage von Häusern und Gärten nach dem chinesischen Geomantie-Denken bevorzugte. Diejenigen berühmten Gärten, die heute Anziehungspunkte für Touristen sind, wurden vor allem in der Muromachi-Zeit geschaffen (Mitte des 14. bis Ende des 16. Jahrhunderts), ebenfalls ein Zeitraum der Rückbesinnung auf japanische Traditionen, in der auch die noch immer gültigen Prinzipien formuliert wurden: Einheit von Gebäude und Garten (Verschmelzen von Innen und Außen), Einbettung des Gartens in seine Umgebung, der Garten als verkleinertes Abbild des Kosmos und daraus abgeleitet die Verwendung von aus der Natur entnommenen Bestandteilen. Durch die Richtung des Zen im Buddhismus kamen einmal die „Gärten zum Herumwandern“ und dann auch die berühmten „leeren Gärten“ aus Steinen und Kies auf, die „kare sansui“-Gärten, die vorwiegend zur Meditation der Mönche angelegt wurden. Heute gelten sie als „der japanische Garten“ schlechthin. Auf das Lehrhafte an diesen Gärten, wie z.B. die Anlage von Wasserfällen (Wasser oder trocken, d.h. mit Steinen dargestellt), die den Weg zur Erleuchtung symbolisieren, konnte Prof. Nomura die Zuhörer durch Details hinweisen, die hier sicher nicht bekannt waren: So stellt der Ryōanji den „ruhenden Drachen“ dar, der die höchste Weisheit erlangt hat, wobei das Rautenmuster des Bambuszauns die Schuppen des empor gestiegenen Drachens darstellt. Aus solchen Details konnte jeder Zuhörer für sich den Schluss ziehen, dass ein japanischer Garten nicht durch das Einpflanzen von ein paar Bäumen und das Ausstreuen von Kies entsteht, sondern ein quasi-religiöses Konzept übernimmt. Dennoch gibt es seit der Neuzeit auch die Möglichkeit, lediglich nach den Prinzipien der überlieferten Gartenbaukunst moderne Gärten anzulegen. Die Zuhörer dankten Herrn Nomura durch reichen Applaus. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 36 30. Energiepolitik in Japan Vortrag des japanischen Botschafters S.E. Takeshi Nakane beim Business Luncheon am 2. 10. 2012 Für diesen Vortrag wurde kein Rückblick erstellt, da der Vortrag in voller Länge im kaiho 6/2012 abgedruckt wurde. 31. Lesung aus Werken von Yoko Ogawa Rückblick von Dr. Andrea Hirner auf die Lesung mit Ruth Geiersberger in der Münzsammlung am 07.11.2012 Der schöne alte Bibliotheksraum der Staatlichen Münzsammlung erwies sich als der bestens geeignete Raum für eine Lesung aus den Werken der japanischen Schriftstellerin Yoko Ogawa. Für die Lesung konnte die bekannte Sprecherin des BR, Frau Ruth Geiersberger, gewonnen werden. Dass auch die Mitarbeiterin Frau Susanne Fink des Liebeskind Verlages München, der die Werke von Yoko Ogawa übersetzt und bekannt gemacht hat, anwesend war, machte diesen Leseabend zu einem besonderen Highlight im Programm der DJG. Die 1962 geborene Yoko Ogawa zählt in Japan zu den bekanntesten modernen Schriftstellern; auch im Ausland, und da besonders in Deutschland, haben die Übersetzungen ihrer Erzählungen und Romane viele Leser gefunden. Vorgetragen wurden Teile aus „Der Ringfinger“ (deutsch 2002), „Das Ende des Bengalischen Tigers“ (2011) und aus ihrem neuesten Werk „Das Geheimnis der Eulerschen Formel“ (2012). Mit der ganzen Erfahrung als Sprecherin las Frau Geiersberger das Anfangskapitel des erstgenannten Buches, in dem sich das Rätselhafte und Geheimnisvolle leise ankündigt, das die Werke von Ogawa so oft auszeichnet. Immer wieder sind es Erinnerungen, die wie körperliche Erscheinungen das Geschehen dominieren und in diesem Buch eine junge Frau in das Treiben ihres Chefs hineinziehen. Im Anfangskapitel des zweiten Buches, das ein Roman von sehr unterschiedlichen Geschehnissen ist, die sich unabhängig voneinander entwickeln und doch auf rätselhafte Weise zusammengehörig sind, schleicht sich das Grauen leise an den Leser heran: Der Erstickungstod eines Kindes in einem Kühlschrank beherrscht das Leben seiner Mutter. In dieser Geschichte zeigt sich die Meisterschaft von Yoko Ogawa, Entsetzen in einigen wenigen Worten herauf beschwören zu können. Das dritte Buch überrascht durch einen Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 37 neuen und positiv gestimmten Tonfall und ein ungewöhnliches Sujet: die Beschäftigung mit der Mathematik, die hier für Klarheit im Leben der drei handelnden Personen sorgt. Nach der Lesung entwickelte sich eine längere und lebhafte Diskussion über die Werke von Yoko Ogawa, die ja unterschiedliche Aspekte aufweisen und kaum unter einem einzigen Begriff zu fassen sind. Vor allem die Frage, was an ihrem Werk „japanisch“ ist, wo doch praktisch nie etwas auftaucht, was der Leser als japanisch identifizieren könnte, wurde rasch gestellt. Denn viele Leserinnen und Leser spüren in ihren Büchern einen Bestandteil, den sie als „fremdartig“ bezeichnen. Frau Geiersberger und Frau Fink, die beide Frau Yoko Ogawa persönlich kennen lernen konnten, wurden deshalb intensiv zu der Schriftstellerin befragt. Es war ein Abend, der zum Nachlesen und Nachdenken anregte und mit viel Beifall aufgenommen wurde. 32. Dōgen Kigen - Mönch, Denker, Dichter Rückblick auf den Vortrag von Dr. Renate Syed am 13.11.2012 von Yuko Murato Frau Dr. Syed begann ihren Vortrag mit einer kurzen Biographie Dōgens. Er wurde im Jahre 1200 in einer hochadeligen Familie in Kyōto geboren,verlor früh seine Eltern und entschloss sich, Mönch zu werden. Dōgen ging nach China, erreichte bei seinem Lehrer Nyojō die Erleuchtung und kehrte nach Japan zurück. Damals herrschte in Japan eine unruhige Zeit. Mönche bewaffneten sich und kämpften gegeneinander. Dōgen, der die Sōtō-Schule gründete, ging den Streitereien um die Macht aus dem Weg und zog sich in die Berge zurück. Später baute er den Tempel Eihei-ji im heutigen Fukui, weit weg von der damaligen Hauptstadt Kyōto. Dōgen sagte, einzig wichtig sei shikan taza, das Sitzen. Alle anderen Übungen, Bücher, Lehren u. Ä. seien nur „Krücken“. Als Frau Syed von der Lehre Dogens zum ersten Mal erfuhr, war sie sehr überrascht, denn was er lehrte, war genau dasselbe, was die Yogis und der Buddha im alten Indien gelehrt hatten. Mit seinem gewaltigen Intuitionsvermögen durchschaute er, was das Wesentliche am Buddhismus war und was als Beiwerk auf dem Weg von Indien über China und Korea nach Japan hinzugefügt wurde. Ein Mensch im Lotossitz nimmt die Form eines Dreiecks ein. Frau Syed verglich das Dreieck mit dem Berg Fuji auf einem ihrer Bilder, nicht nur der Form nach, sondern weil der Meditierende wie der Fuji, der ein ruhender Vulkan ist, explodieren kann. Der Lotossitz wurde schon 500 v. Chr. im Upanishaden erwähnt. Während der Meditation darf man Gedanken nicht bekämpfen. Genau so wie die Wolken Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 38 den Fuji nicht berühren, sondern sich nur wie ein loser Schleier um ihn legen, darf der Meditierende von den Gedanken nicht fest ergriffen, sondern nur umhüllt werden. Dōgens Hauptwerk heißt Shōbōgenzō (95 Bände). An dem Werk erkennt man die Geistesgröße Dōgens. Aber seine wahre Größe erkennt man daran, dass er die Worte eines chinesischen Mönchs, der in einem Tempel als Koch arbeitete, sofort verstand und das ganze Leben lang beherzigte: Nicht mehr ist notwendig, als die Arbeit im Alltag mit voller Konzentration und Sorgfalt zu erledigen, denn Arbeit ist Übung. Frau Syed wiederholte die Stichwörter der Lehre Dōgens: „Achtsamkeit“, „Vorsicht“ und „Respekt vor den Lebewesen“. Es war ein ernsthafter, aber gleichzeitig sehr lebendiger und lustiger Vortragsabend. Alles war sehr anschaulich, auch dank ihrer Aufnahmen, die sie während ihrer Japanreise im September dieses Jahres gemacht hatte. 33. Wie der Laut des Windes Meditative Solomusik für die japanische Bambusflöte Shakuhachi am 15.11.2012 im Künstlerhaus München Unter den japanischen Musikinstrumenten zählt die Shakuhachi sicher zu den ungewöhnlichen, die aber in der letzten Zeit im Westen an Popularität gewonnen hat. Das liegt an ihrem rauen, teils auch scharfen Klang, der keine Ähnlichkeit mit einer harmonischen Melodie nach westlichem Empfinden besitzt. Mit ihrer Solomusik entspricht die Shakuhachi, eine schlichte Längsflöte aus Bambus, deshalb in besonderer Weise der traditionellen japanischen Musikästhetik und ihrem Ideal des „naturhaften Klangs“, in dem sich die Grenzen zwischen Geräusch und musikalischem Ton verwischen. Tadashi Tajima, der zu Japans herausragenden Shakuhachi-Spielern gehört, und nicht zum ersten Mal in München auftrat, begeisterte mit seiner ungewöhnlichen Ausdruckskraft und großer klanglicher Differenzierung wieder das zahlreich im Künstlerhaus erschienene Publikum. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 39 34. Selbsttötung und Selbsthinrichtung Rückblick von Dr. Andrea Hirner auf den Vortrag von Prof. Dr. Martin Lehnert am 27.11.2012 Das im Westen populärere Wort harakiri ist lediglich eine andere Lesung von seppuku, wie Herr Prof. Lehnert gleich zu Beginn seines Vortrages erläuterte. Den Bedeutungswandel dieser extremen Form des Selbstmordes machte er an zwei unterschiedlichen japanischen Schriftstellern fest. Nitobe Inazō (1862-1933), der selbst aus einer Samuraifamilie stammte, während seines Studiums in den USA aber zum Quäker wurde, versuchte in seinem bekannten Hauptwerk „Bushidō. Der Ehrenkodex der Samurai“ die Selbsttötung in Japan den westlichen Lesern zu erklären. Er sah in dieser extrem schmerzhaften Form den letzten Beweis der emotionalen Lauterkeit eines Kriegers, den Ausdruck von Kaltblütigkeit und die Verachtung der Todesangst. In gewissen Formen der Selbsttötung im europäischen Altertum erkannte er Parallelen. Der sehr viel jüngere Chiba Tokuji dagegen sah im seppuku gerade keinen „Selbst“mord, da für diese Zeremonie ein Assistent, der kaishaku-nin, bereit steht, um dem Ausführenden den eigentlichen Todesstoß zu versetzen. Für Chiba ist der seppuku eine ultimative Handlung der Wut und geschieht aus einem Affekt heraus, um in einer ausweglosen Situation dem Feind seine Verachtung zu demonstrieren. Daher auch das Herausziehen des eigenen Gedärms, um es dem Gegner sozusagen vor die Füße schleudern zu können. Chiba bezieht sich auf Literatur aus dem 8. Jahrhundert als erster Erwähnung einer Selbsttötung. Im japanischen Mittelalter, vor allem ab dem 12. Jahrhundert, wurde der seppuku von Kriegern zumeist in drei Fällen ausgeführt: als Treuebeweis beim Tod des Lehnsherrn, bei drohender Gefangennahme in kriegerischen Auseinandersetzungen oder als äußerster Protest gegen Fehlentscheidungen eines Vorgesetzten. 1493 wandelte sich diese Form der letzten eigenständigen Handlung auch zu einer privilegierten Strafe, indem die Selbstentleibung vor Zeugen an die Stelle der Enthauptung wie bei normalen Verbrechern trat. Ein kompliziertes Regelwerk wurde für den Akt selbst aufgestellt, er wurde „ritualisiert“ und verlor seinen affektiven Charakter. In letzter Konsequenz reichte es dann, wenn der Schnitt mit dem Dolch nur noch angedeutet und gar nicht mehr ausgeführt wurde. Die tödliche Enthauptung wurde aber immer von einem engen Freund oder Vertrauten, nicht von einem Henker ausgeführt. Darin lag die Bevorzugung der Samurai. Nur ihnen wurde die Nervenstärke zu einer solchen Selbstentleibung zugetraut. Unternahm ein Samurai seppuku zur Sühne eigener Schuld, konnte er damit seinen Besitzstand und die Ehre der Familie erhalten oder wieder herstellen. Mit der Meiji-Reform und der Aufhebung des Kriegerstandes wurde seppuku verboten. Er überlebte aber durch seine Heroisierung wie bei Nitobe und durch die Popularisierung des Theaterstückes von den 47 rōnin „Chushingura“. Theaterstücke und Filme im Westen taten ein übriges, um seppuku in die Sphäre übermenschlicher Willenskraft zu heben. Der Samurai und seppuku wurden nun zu einem Synonym. Obwohl offiziell verboten, beging General Nogi Maresuke seppuku entsprechend den Gefolgsleuten eines Fürsten in früherer Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 40 Zeit, als sein Befehlshaber, der Meiji-Kaiser, starb. Den letzten Selbstmord in dieser Form führte der Schriftsteller Mishima Yukio am 25.11.1970 in dem verzweifelten und erfolglosen Versuch aus, Japan in ein heroisches Zeitalter zurück zu führen. Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 41 Veramstaltungsrückblick 2012 Seite 42