Schwerbehinderte Menschen und ihr Recht

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Schwerbehinderte Menschen und ihr Recht
Schwerbehinderte
Menschen und ihr Recht
2
I MPRESSUM
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sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar
Herausgeber:
Arbeitskammer des Saarlandes, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit,
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Internet: www.arbeitskammer.de
Bearbeitung:
Thomas Jacobi, Agentur für Arbeit
in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz
Redaktion:
Harald Schiffer
Titel:
Kurt Heinemann, 66333 Völklingen
Herstellung:
Merziger Druckerei und Verlag GmbH und Co. KG, Gewerbegebiet Siebend, 66663 Merzig
22. Auflage: 600.001 - 620.000
Gedruckt auf Recyclingpapier
Arbeitskammer des Saarlandes
Mitglied im Umweltpakt Saar
Kostenlos für Mitglieder der Arbeitskammer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Saarland. Preis
für andere Besteller: 7 € zuzüglich Portokosten
ISBN 3-88968-238-3
3
V ORWORT
Arbeit ist für behinderte Menschen ein wichtiger Schritt zu gesellschaftlicher Integration. Und doch sind gerade sie unverhältnismäßig hoch von Arbeitslosigkeit betroffen, in den letzten Jahren sank die Beschäftigungsquote stetig. Wie alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen sich auch behinderte Menschen erhöhten
Anforderungen im Arbeitsleben ausgesetzt.
Umso wichtiger ist ein Rechtsrahmen zum Schutz behinderter und schwerbehinderter Menschen. Oft ist es schlichte Unkenntnis einschlägiger Gesetzesvorschriften
und unterstützender Hilfen, die den behinderten Menschen das Arbeitsleben erschwert.
Aufgabe der Broschüre „Schwerbehinderte Menschen und ihr Recht“ ist es, behinderten Menschen und ihren Angehörigen die ihnen zustehenden Rechte zu erläutern und aufzuzeigen, wohin sie sich mit ihren Problemen wenden können. Anleitung sein für ihre Arbeit als Interessenvertreter will die Broschüre darüber hinaus
Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen, Betriebs- und Personalräten sowie den Mitarbeitervertretungen. Die Broschüre „Schwerbehinderte Menschen und ihr Recht“, eine der am stärksten nachgefragten Publikationen der
Arbeitskammer des Saarlandes, wurde auf die neuesten Rechtsänderungen hin
überarbeitet.
Das Schwerbehindertenrecht ist seit dem 1. Juli 2001 als Teil 2 des Neunten Buches
in das Sozialgesetzbuch (SGB IX) eingeordnet. Durch das Gesetz zur Förderung der
Ausbildung und Beschäftigung schwer behinderter Menschen vom 23. April 2004
und in engem Zusammenhang mit der Dritten Verordnung zur Änderung der
Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung vom 16. Januar 2004 zuletzt
geändert durch Artikel 460 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407)
ist dieses Recht in einer Vielzahl von Punkten erneut geändert worden.
Das novellierte Sozialgesetzbuch IX soll Arbeitgeber motivieren, mehr behinderte
und schwerbehinderte Menschen auszubilden und zu beschäftigen. Hierdurch soll
es gelingen, die betrieblichen Ausbildungsmöglichkeiten für behinderte und
schwerbehinderte Jugendliche zu verbessern und die Zahl der schwerbehinderten
Beschäftigten auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen. Aus den „Anhaltspunkten
für die ärztliche Gutachtertätigkeit“ drucken wir einen Auszug ab.
Für Fragen stehen die Arbeitskammer des Saarlandes, die Integrationsämter sowie
das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz zur Verfügung.
Saarbrücken, im Oktober 2007
Hans Peter Kurtz
Vorsitzender des Vorstandes
Horst Backes
Hauptgeschäftsführer
4
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
1
Schwerbehindertenrecht
Sozialgesetzbuch IX/ Änderungen im Überblick. . . . . . . . .13
1.1
Benachteiligungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13
1.2
Neue Zugangsmöglichkeiten zur gesetzlichen
Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16
1.3
Was ändert sich an der Rente 2007? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20
1.4
Mehr Geld für Rentner – Was bringt die Rentenerhöhung
dem Einzelnen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .23
1.5
Diskriminierung schwerbehinderter Menschen abgeschafft . . . .23
1.6
Neues zum Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24
1.7
Änderungen und Neuregelungen im Zuständigkeitsbereich
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum
1. Januar 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27
1.8
Neue Sachbezugswerte für 2007 und 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28
1.9
Belange behinderter Menschen und Sozialhilfe . . . . . . . . . . . . . . .29
1.10
Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz . . . . . . . . . . . .30
2
Berechtigter Personenkreis
2.1
Wer ist schwerbehindert im Sinne des Gesetzes? . . . . . . . . . . . . 31
2.2
Wer ist Gleichgestellter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31
2.2.1
2.2.2
Wo ist die Gleichstellung zu beantragen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31
Was gilt für Gleichgestellte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32
2.3
Was bedeutet „Grad der Behinderung”? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.4
Wer stellt den Grad der Behinderung fest? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33
2.4.1
2.4.2
2.4.3
2.4.4
2.4.5
2.4.6
Sind weitere Feststellungen erforderlich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33
Bescheide oder Entscheidungen, die der Feststellung dienen . . . . . . . 33
Feststellung des Gesamt-Grades der Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . .34
Wo ist die Feststellung zu beantragen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35
Was müssen Ausländer und Grenzarbeitnehmer beachten? . . . . . . . . . 35
Hinweise, Anträge, Bescheide und Bescheinigungen des Landesamtes
für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . .35
Nachweise für Beförderung im Nahverkehr und
Kfz-Steuerermäßigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
2.4.7
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31
5
I NHALT
2.5
Gültigkeitsdauer des Ausweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37
2.6
Ende des Schutzes für schwerbehinderte
und gleichgestellte Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
2.7
Entziehung der besonderen Hilfe für
schwerbehinderte Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39
2.8
Rechtsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.9
Allgemeine amtliche Hinweise des saarländischen
Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz .40
3
Der behinderte Mensch am Arbeitsplatz
3.1
Der Arbeitsplatz muss stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.1.4
Eignungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54
Anforderungsprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Auswahl des geeigneten Arbeitsplatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55
Arbeitsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .56
3.2
Beispiele der an einen Arbeitsplatz für behinderte Menschen
zu stellenden Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
3.3
Aufgaben des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60
3.3.1
3.3.2
3.3.3
3.3.4
Benachteiligungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60
Behindertengerechte Gestaltung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61
Zuschüsse bei Integrationsamt, Agentur für Arbeit oder
Rehabilitationsträgern beantragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62
Bevorzugte Förderung der beruflichen Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
3.4
Freistellung von Mehrarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62
3.5
Anspruch auf Zusatzurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3.5.1
3.5.2
3.5.3
Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Saarländische Sonderregelung über Zusatzurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Zusatzurlaub bei Herabsetzung des Grades der Behinderung . . . . . . . .66
3.6
Einstellung, Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
3.6.1
3.6.2
3.6.3
Pflichten bei Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .67
Urlaubsentgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Urlaubsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
3.7
Die Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69
3.7.1
3.7.2
In welchen Betrieben und Dienststellen ist sie zu wählen? . . . . . . . . . . 70
Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
. . . . . . . . . . . . . . . 54
6
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
3.7.3
3.7.4
3.7.5
Rechte zur Durchführung ihrer Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Persönliche Rechte und Pflichten der Vertrauenspersonen . . . . . . . . . . 74
Information und Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
4
Kündigungsschutz für schwerbehinderte
und gleichgestellte Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
4.1
Zustimmung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79
4.2
Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80
4.3
Geschützter Personenkreis, Ausnahmen vom
Sonderkündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
4.4
Beginn des besonderen Kündigungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . 82
4.5
Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
4.6
Außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
4.7
Verfahren und Entscheidung des Integrationsamtes . . . . . . . . . . 85
4.8
Rechtsmittel nach Kündigung, Arbeitsangebot . . . . . . . . . . . . . . . 87
4.9
Beendigungsschutz bei teilweiser Erwerbsminderung,
Erwerbsminderung auf Zeit und Berufsunfähigkeit . . . . . . . . . . . 89
5
Hilfen im Arbeitsleben
5.1
Das Integrationsamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
5.1.1
5.1.2
5.1.3
Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Durchführung der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Berufsbegleitende Dienste des Integrationsamtes zur Betreuung
schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
5.2
Die Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
5.2.1
5.2.2
Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Umsetzen der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
5.3
Finanzielle Anreize für Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
5.3.1
5.3.2
5.3.3
5.3.4
5.3.5
… zur Schaffung neuer Arbeitsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
… zur Förderung der Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
… zur Probebeschäftigung behinderter Menschen . . . . . . . . . . . . . . . .97
… zur Sicherung der Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
Saarländisches Schwerbehinderten-Sonderprogramm . . . . . . . . . . . . . . 99
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
7
I NHALT
6
Praktische Tipps für Behinderte
6.1
Nachteilsausgleiche bei Einkommen- bzw. Lohnsteuer . . . . . . . 101
6.1.1
6.1.2
6.1.3
6.1.4
6.1.5
6.1.6
6.1.7
6.1.8
6.1.9
Pauschbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Rückwirkende Anerkennung oder Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Pauschbeträge für behinderte Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Berücksichtigung behinderter Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
Betreuungsfreibetrag für behinderte Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .103
Eintrag auf der Lohnsteuerkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Abgelten außergewöhnlicher Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Nachweis der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105
Inanspruchnahme eines Pauschbetrages nach
dem Tode eines behinderten Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .105
6.2
Nachteilsausgleiche bei Fahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106
6.2.1
6.2.2
6.2.3
6.2.4
6.2.8
Befreiung bzw. Ermäßigung von der Kraftfahrzeugsteuer . . . . . . . . .106
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .106
Privatfahrten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .107
Hilfen bei Anschaffung und Umrüstung
von Kraftfahrzeugen, Fahrerlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .108
Gebührennachlass bei TÜV, Straßenverkehrsbehörde . . . . . . . . . . . . .109
Parkerleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .110
Befreiung von der Gurtanschnallpflicht
und der Schutzhelmpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .113
Beitragsermäßigung bei Automobilclubs und Versicherungen . . . . . .114
6.3
Nachteilsausgleiche im Personenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115
6.3.1
6.3.2
6.3.3
Freifahrt im öffentlichen Nahverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .115
Unentgeltliche Beförderung: Begleitperson, Gepäck,
orthopädische Hilfsmittel, Führhund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .117
Preisermäßigung bei Flugverkehrsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . .118
6.4
Nachteilsausgleiche rund ums Haus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119
6.4.1
6.4.2
Gekürzter Einheitswert für die Grundsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119
Wohnungsbaufinanzierung und Wohngeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .119
6.5
Weitere Nachteilsausgleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .120
6.5.1
6.5.2
6.5.3
6.5.4
6.5.5
6.5.6
Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .120
Vergünstigungen im Telefondienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121
Förderung der Verständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121
Ermäßigter Eintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122
„Studium und Behinderung” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122
Vergünstigungen beim BAföG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .122
6.2.5
6.2.6
6.2.7
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
8
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
6.5.7
6.5.8
6.5.9
Befreiung vom Wehr- und Zivildienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123
Ferienführer, Stadtführer, Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123
Befreiung von der Hundesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .124
7
Anspruch auf Selbstbestimmung und Leistungen
zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben . . . . . . . . . . . . . .125
7.1
Leistungen zur Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126
7.1.1
7.1.2
7.1.3
Medizinische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126
Teilhabe am Arbeitsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126
Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen . . . . . . . . . .126
8
Träger der Leistungen zur Teilhabe
8.1
Gesetzliche Krankenkassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130
8.2
Bundesagentur für Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130
8.3
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . .130
8.4
Träger der Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130
8.5
Träger der Kriegsopferversorgung, Kriegsopferfürsorge . . . . . .130
8.6
Träger der Sozialhilfe, öffentlichen Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . .130
9
Zuständigkeit, Auskunft und Beratung
10
Phasen der Rehabilitation
10.1
Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133
10.1.1
10.1.2
10.1.3
10.1.4
Erste Phase: Medizinische Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133
Zweite Phase: Überleitung in die berufliche Rehabilitation . . . . . . . 133
Dritte Phase: Berufliche Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133
Vierte Phase: Eingliederung, Wiedereingliederung in Betrieb
oder Verwaltung (Soziale Rehabilitation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .134
11
Rechtsvorschriften über die Sozialversicherung
behinderter Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136
11.1
Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136
11.1.1
Neue Zugangsmöglichkeiten zur gesetzlichen Krankenversicherung .136
11.2
Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .140
11.3
Geringfügige Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .130
. . . . . . . . . . . . . . . .131
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .133
9
I NHALT
12
Krankenversicherung
12.1
Befreiung von Zuzahlungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .144
12.1.1
12.1.2
12.1.3
Zuzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .145
Belastungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .145
Generelle Befreiung und Befreiung von Zuzahlungen
oberhalb der Belastungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .147
13
Pflegeversicherung
13.1
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149
13.2
Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149
13.2.1
13.2.2
Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . .149
Mitgliedschaft in der privaten Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . .150
13.3
Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150
13.3.1
13.3.2
13.3.3
Beitragsatz, Beitragsbemessungsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150
Wer zahlt den Beitrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .151
Beitragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152
13.4
Begriff der Pflegebedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152
13.4.1
13.4.2
13.4.3
13.4.4
13.4.5
13.4.6
13.4.7
13.4.8
Wer stellt die Pflegebedürftigkeit fest? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152
Pflegestufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .152
Leistungen der häuslichen Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .153
Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson . . . . . . . . . . . . .154
Pflegehilfsmittel und technische Hilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .154
Teilstationäre Pflege, Tages- und Nachtpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Kurzzeitpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155
Vollstationäre Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .156
13.5
Leistungen zur sozialen Sicherung von Pflegepersonen . . . . . 157
13.5.1
13.5.2
Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Sonstige Leistungen zur Sicherung der Pflegepersonen . . . . . . . . . . . 158
13.6
Beratung und rechtliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .159
14
Betreuungsgesetz
15
Rentenversicherung
15.1
Erwerbsminderungsrente, Altersrente für schwerbehinderte
Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161
15.2
Änderungen im Rentenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .163
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .144
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .160
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .161
10
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
15.3
Berücksichtigungszeiten und Beitragszahlung bei Pflege von
Pflegebedürftigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164
15.4
Auskünfte, Rentenantragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164
16
Sonstige Ansprüche auf laufende Leistungen zum
Lebensunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .165
17
Blindheitshilfe
17.1
Gewährung einer Blindheitshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .167
17.2
Verhältnis Blindenhilfe zur Blindheitshilfe oder zum
Landesblindengeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .169
17.3
Blindengeld und verwandte Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170
17.4
Infos und Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170
18
Adressen
19
Sozialgesetzbuch Neuntes Buch
20
Schwerbehindertenausweisverordnung
21
Ausgleichsabgabeverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .244
22
Kraftfahrzeughilfeverordnung
23
Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .167
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .176
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178
. . . . . . . . . . . . . . .240
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .254
. . . .257
11
A BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abs.
AGG
AngKSchG
AHB
ArbZRG
ASiG
AVG
Az
Absatz
Allgemeines Gleichstellungsgesetz
Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten
Anschlussheilbehandlung
Gesetz zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts
Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für
Arbeitssicherheit
Angestelltenversicherungsgesetz
Aktenzeichen
BA
BAföG
BAG
BeamtVG
BetrVG
BG
BGB
BGBl.
BGG
BKGG
BPersVG
BSeuchG
BUrIG
BVG
Bundesagentur für Arbeit
Bundesausbildungsförderungsgesetz
Bundesarbeitsgericht
Beamtenversorgungsgesetz
Betriebsverfassungsgesetz
Berufsgenossenschaft
Bürgerliches Gesetzbuch
Bundesgesetzblatt
Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen
Bundeskindergeldgesetz
Bundespersonalvertretungsgesetz
Bundesseuchengesetz
Bundesurlaubsgesetz
Bundesversorgungsgesetz
DRV
DRV
Deutsche Rentenversicherung (Name des jew. Bundeslandes)
Bund Deutsche Rentenversicherung Bund
ErbStG
EStDV
EStG
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz
Einkommensteuerdurchführungsverordnung
Einkommensteuergesetz
f
ff
folgende
fortfolgende
GdB
GebOSt
gem.
ggfs.
GMBI-Saar
Grad der Behinderung
Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr
gemäß
gegebenenfalls
Gemeinsames Ministerialblatt Saar
HAG
HHG
Heimarbeitsgesetz
Häftlingshilfegesetz
KOV
KschG
Kriegsopferversorgung
Kündigungsschutzgesetz
12
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
MdE
MuSchG
Minderung der Erwerbsfähigkeit
Mutterschutzgesetz
o. ä.
OEG
oder ähnlich
Opferentschädigungsgesetz
RdErl
RVO
Runderlass
Reichsversicherungsordnung
s.
SaarSoSchwb
SGB V
SGB VI
SGB IX
SGB X
SGB XI
SGB XII
SPersVG
StVO
SVG
siehe
Richtlinien für die Durchführung des Saarländischen Sonderprogramms zur
Eingliederung Schwerbehinderter auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung
Seite
Sozialgesetzbuch, 1. Buch – Allgemeiner Teil
Sozialgesetzbuch, 2. Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende
Sozialgesetzbuch, 3. Buch – Arbeitsförderungsrecht
Sozialgesetzbuch, 4. Buch – Gemeinsame Vorschriften
für die Sozialversicherung
Sozialgesetzbuch, 5. Buch – Gesetzliche Krankenversicherung
Sozialgesetzbuch, 6. Buch – Gesetzliche Rentenversicherung
Sozialgesetzbuch, 9. Buch – Schwerbehindertenrecht
Sozialgesetzbuch, 10. Buch – Verwaltungsverfahren
Sozialgesetzbuch, 11. Buch – Pflegeversicherungsgesetz
Sozialgesetzbuch, 12. Buch – Sozialhilferecht
Saarländisches Personalvertretungsgesetz
Straßenverkehrsordnung
Soldatenversorgungsgesetz
u. ä.
und ähnliche
vgl.
v. H.
VStG
vergleiche
vom Hundert
Vermögensteuergesetz
z. B.
ZDG
zum Beispiel
Zivildienstgesetz
SchwbAV
S.
SGB l
SGB II
SGB lll
SGB IV
R ECHT
13
Ä NDERUNGEN
IM
Ü BERBLICK
1
Sozialgesetzbuch IX –
Änderungen im Überblick
1.1
Benachteiligungsverbot
Das Benachteiligungsverbot nach § 81 Abs. 2 SGB IX wurde im August 2006 im
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gesetzlich neu geregelt (vgl. 3.3.1
Benachteiligungsverbot, Seite 60 f.).
1.1.1
Ein langer Weg vom Antidiskriminierungsgesetz (ADG)
bis zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geht zurück auf den ursprünglichen
Gesetzentwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz vom 16. Dezember 2004 (BTDrucksache 15/4538) und war Ausfluss der Forderung der EU zur Umsetzung verschiedener europäischer Vorgaben, die in mehreren unterschiedlichen Richtlinien
Gleichbehandlungsgrundsätze für die Mitgliedstaaten verbindlich vorschrieben.
Das Antidiskriminierungsgesetz (ADG) wurde am 17. Juni 2005 „bis auf Weiteres“
vertagt, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) trat am 18. August 2006
in Kraft. Nach Verabschiedung des ADG durch den Bundestag vertagte der durch
den Bundesrat angerufene Vermittlungsausschuss das ADG, so konnte dieses
Gesetzgebungsprojekt zunächst nicht in Kraft treten.
Anfang Mai 2006 legte das Bundesministerium der Justiz einen Entwurf vor für ein
„Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des
Grundsatzes der Gleichbehandlung”. Es ist in 4 Artikel gegliedert.
•
•
•
•
Artikel 1 enthält das eigentliche Gesetz zum Schutz vor Benachteiligungen (in
Kurzform: „Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz” – AGG).
Artikel 2 enthält das Gesetz über die „Gleichbehandlung der Soldatinnen und
Soldaten” (oder in Kurzform: Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz”, abgekürzt: „SoldGG”).
Artikel 3 enthält diverse Änderungen in anderen Gesetzen und
Artikel 4 die Vorschriften über das Inkrafttreten.
Der Gesetzestext des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August
2006, zuletzt geändert durch Artikel 8 Abs. 1 des Gesetzes vom 2. Dezember 2006
BGBl. I Seite 2742) ist in der Broschüre „Arbeitsrecht für jeden” der Arbeitskammer
des Saarlandes enthalten.
14
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
1.1.2
UND IHR
R ECHT
Was bringt das AGG?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist ein Gesetz auf dem Gebiet des
Zivilrechts (bürgerliches Recht). Im Zivilrecht werden Rechtsverhältnisse zwischen
Privatpersonen geregelt. Es gilt für jede natürliche Person. Das bedeutet, dass
wegen des AGG grundsätzlich jeder verpflichtet werden kann.
Anders als in den verschiedenen Leistungsgesetzen geht es beim AGG allein um den
Schutz vor unzulässigen Ungleichbehandlungen und nicht um das Gewähren von
Leistungen, um das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen
durch Nachteilsausgleich zu erreichen.
Selbst im Vertragsrecht wird die Vertragsautonomie dort eingeschränkt, wo die
Interessen des Vertragspartners unangemessen verletzt werden (Prinzip von Treu
und Glauben in § 242 BGB).
Allerdings greifen diese und ähnliche Schutzprinzipien im Regelfall erst, wenn es
bereits zum Vertragsschluss gekommen ist.
Das AGG setzt bereits bei vorvertraglichen Schuldverhältnissen ein. Bevor es überhaupt zum Vertragsschluss gekommen ist, nimmt das AGG potentielle
Vertragspartner in die Pflicht. Das kann sogar soweit gehen, dass ein Anbieter nach
dem AGG verpflichtet werden kann, einen bestimmten Vertrag mit Betroffenen
abzuschließen.
Zum Vertragsschluss verpflichtet werden kann zum Beispiel, wer
ein Hotelzimmer nicht an einen schwer körperlich oder geistig behinderten
Menschen vermieten möchte,
keine Ausländer in seiner Gaststätte dulden will,
als Taxiunternehmer nur deutsche Kunden befördert.
•
•
•
Die Vertragsfreiheit hat – bezogen auf diese Verträge – dem Anspruch auf
Gleichberechtigung bzw. Gleichbehandlung zu weichen. Das AGG findet aber nur
auf ganz bestimmte Vertragstypen (Diskriminierungsverbot im Zivilrechtsverkehr)
bzw. ganz bestimmte Regelungsbereiche Anwendung.
Zunächst betrifft es solche Verträge, die typischerweise ohne Ansehen der Person
zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zu Stande kommen
(Massengeschäfte) oder Verträge, bei denen das Ansehen der Person nach der Art
des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren
Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zu Stande kommen.
Es betrifft den Kaufvertrag im Supermarkt oder beim Bäcker, die Buchung einer
Ferienreise, den Besuch einer Gaststätte oder eines Hotels, die Fahrt mit einem Taxi
oder einer Straßenbahn sowie den Besuch in einem Schwimmbad oder anderer
öffentlicher Veranstaltungen oder den Auftrag an einen Handwerker.
15
B ENACHTEILIGUNGSVERBOT
Darüber hinaus bezieht sich diese Norm auf private Versicherungsverträge (z.B. private Krankenversicherungsverträge, Unfallversicherungsverträge, Hausrats- und
Privathaftpflichtversicherungsverträge, u.ä.).
Alle Verträge, bei denen es dem Vertragspartner aber typischerweise auf die Person
des Gegenübers ankommt, sind hier nicht erfasst.
Dazu zählen z.B. diverse Dienstverträge (z.B. der Arztvertrag oder Kaufverträge),
wenn davon auszugehen ist, dass es dem Verkäufer besonders auf die Person des
Käufers ankommt, wie z.B. beim Verkauf eines Pferdes, bei Schenkungen,
Darlehensverträgen etc.
Eine Besonderheit gilt bei Wohnraummietverträgen. Das AGG findet keine
Anwendung, wenn der Vermieter nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet oder
wenn eine unterschiedliche Behandlung der Mietbewerber zur Schaffung oder
Erhaltung sozial stabiler und ausgewogener Bewohnerstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse erfolgt (Vermeidung
von Ghettobildung). Das bedeutet, dass Wohnraummietverträge praktisch nicht
mit erfasst werden.
Arbeitswelt: Ein wichtiger Regelungsbereich ist der Bereich der Arbeitswelt. Weder
im Auswahl- oder Bewerbungsverfahren noch im Rahmen der Beschäftigung (Ausund Weiterbildung, Personalentwicklung, Beurteilungswesen, etc.) sollen Ungleichbehandlungen eintreten dürfen.
Ein Bewerber soll nicht wegen einer Behinderung diskriminiert werden (§§ 6 ff.
AGG).
Auch und insbesondere vor sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz will das AGG
schützen (vgl. dazu § 3 Absatz 4 AGG).
Sozialer Bereich: Des Weiteren bezieht sich das AGG auf den sozialen Bereich.
Niemand soll wegen seiner Behinderung in diesem Bereich schlechter gestellt werden als ein Nichtbehinderter. Das gilt auch für den Bereich der Bildung und den
Zugang sowie die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen.
Möchte man einen Anspruch aus dem AGG begründen, muss man also zunächst
vier Fragen abklären.
•
•
•
•
Wem steht ein Anspruch aus dem AGG zu (geschützter Personenkreis)?
Auf welche Gebiete erstreckt sich das AGG (Anwendungsbereich)?
Was ist eine Benachteiligung nach dem AGG?
In welchen Fällen ist eine Benachteiligung zulässig?
(Vgl. hierzu Punkt 3.1.1 ab Seite 54)
16
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
1.2
Neue Zugangsmöglichkeiten zur gesetzlichen
Krankenversicherung
1.2.1
Gesundheitsreform 2007
Die Gesundheitsreform 2007, die im Wesentlichen am 1. April 2007 in Kraft getreten ist, bereitet den Weg zur neuen Gesundheitsversicherung. Hier die wichtigsten
Neuerungen im Überblick.
Sie gelten, wo nichts anderes angegeben ist, ab 1. April 2007.
Allgemeine Versicherungspflicht
Die Gesundheitsreform führt eine allgemeine Pflicht zur Krankenversicherung ab 1.
Januar 2009 ein. Wer den Versicherungsschutz verloren hat, soll im Zuge der
Neuregelung einen erneuten Zugang zu seiner letzten Versicherung erhalten. Dies
gilt für die gesetzliche und für die private Krankenversicherung (GKV und PKV).
Bis 2009 gelten Übergangsvorschriften:
•
•
Für Personen, die der GKV zuzuordnen sind (z.B. Angestellte), gilt die Versicherungspflicht bereits ab 1. April 2007.
Personen, die der PKV zuzuordnen sind (z.B. Selbstständige), haben ab 1. Juli
2007 ein Beitrittsrecht in den Standardtarif, ohne Leistungsausschlüsse,
Risikoprüfung und -zuschläge.
Neue und veränderte Leistungen Palliativversorgung: Gesetzlich Versicherte haben
künftig Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Dafür werden „Palliative Care Teams“ aus ärztlichem und pflegerischem Personal zugelassen.
Kinderhospize: Die Rahmenbedingungen für stationäre Kinderhospize werden verbessert. Sie müssen nur noch 5 % (bisher 10 %) ihrer Kosten selbst tragen – insbesondere durch Spenden.
Häusliche Krankenpflege: Sie wird künftig in Wohngemeinschaften, anderen
neuen Wohnformen (z.B. Einrichtungen der Lebenshilfe) und in besonderen
Ausnahmen auch in Heimen erbracht. Darauf besteht ein Rechtsanspruch.
Medizinische Behandlungspflege: Die medizinische Behandlungspflege für Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen wird dauerhaft Leistung der Pflegekassen.
Impfungen: Von der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts empfohlene Impfungen werden Pflichtleistungen der Kassen.
17
N EUER Z UGANG
ZUR
K RANKENVERSICHERUNG
Ambulante Versorgung in Krankenhäusern: Schwere oder seltene Krankheiten
können in geeigneten Krankenhäusern ambulant behandelt werden.
Welche Klinik dafür zugelassen wird, entscheidet das jeweilige Bundesland. Ambulante und stationäre Rehamaßnahmen werden Pflichtleistungen der Kassen.
Geriatrische Rehabilitation: Die Reha-Versorgung älterer Menschen kann wohnortnah oder durch mobile Reha-Teams erfolgen, was die Unterbringung in einem
Pflegeheim vermeiden hilft.
Mutter/Vater-Kind-Kuren: Sie werden Pflichtleistungen der Krankenkassen und
müssen bezahlt werden.
Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen: Kassenpatienten können künftig
zugelassene und zertifizierte Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen selbst
auswählen und müssen sich nicht mehr nach den Vorgaben ihrer Kasse richten. Sind
die Kosten höher als bei den Vertragseinrichtungen der Kassen, zahlt der Patient
die Mehrkosten.
Hilfsmittel: Die Versorgung mit Hilfsmitteln (z.B. Hörhilfen, Gehhilfen, Rollstühle)
erfolgt künftig durch Vertragspartner der Kassen.
Integrierte Versorgung: Die Finanzierung für Integrierte-Versorgungs-Projekte
wird bis Ende 2008 verlängert.
Selbstverschuldete Behandlungsbedürftigkeit: Die Kassen können Patienten im
Regressweg an den Kosten beteiligen, wenn eine Erkrankung Komplikationen nach
Schönheitsoperationen, Piercings, Tätowierungen etc. nach sich zieht.
Wahltarife in der Krankenkasse
Die Krankenkassen können ihren Versicherten Wahltarife anbieten:
Q Hausarzttarif
Krankenkassen müssen ihren Versicherten einen Wahltarif „Hausarztmodell“
anbieten. Die Teilnahme an Hausarztmodellen bleibt für Ärzte und Versicherte freiwillig.
Q Tarife für spezielle Versorgungsformen
Diese können im Rahmen der Integrierten Versorgung oder von DiseaseManagement-Programmen eingeführt werden.
Q Kostenerstattungstarife
Der Kassenpatient und die Familienversicherten zahlen ihre Behandlung selbst und
reichen die Rechnung danach bei der Krankenkasse ein. Die Krankenkasse erhebt
für die Bearbeitung der Rechnung eine Gebühr.
18
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Werden allerdings Leistungen, die von der Krankenkasse nicht übernommen werden, in Rechnung gestellt, muss der Patient diese selbst bezahlen. Auch den
Honoraraufschlag für die privatärztliche Leistung übernimmt die Kasse nicht.
Q Selbstbehalttarife
Der Kassenpatient zahlt bis zu einer bestimmten Höhe seine Behandlungskosten
selbst. Dafür erhält er von der Kasse z.B. eine Prämie. An den Tarif ist der
Versicherte drei Jahre gebunden. Nicht möglich ist dieses Modell für Mitglieder, die
ihre Beiträge nicht selbst zahlen, z.B. Empfänger von Arbeitslosengeld.
Q Beitragsrückerstattung
Wenn das Krankenkassenmitglied und die Familienversicherten ein Jahr lang keine
Leistungen in Anspruch genommen haben (außer Vorsorge und Früherkennung),
belohnt das die Kasse mit einer Prämie oder Zuzahlungsermäßigung. An den Tarif
ist der Versicherte drei Jahre gebunden.
Q Zuzahlungen und Vorsorge
Die reduzierte Belastungsgrenze bei Zuzahlungen für chronisch Kranke (1 % statt
2 %) gilt ab 1. Januar 2008 nur noch dann, wenn sich der Patient an regelmäßiger
Gesundheitsvorsorge beteiligt oder sich therapiegerecht verhält.
Hierbei gelten bestimmte Altersgrenzen:
Wer nach dem 1. April 1972 geboren ist und regelmäßig am allgemeinen Gesundheitscheck teilgenommen hat, kann die Ein-Prozent-Belastungsgrenze in Anspruch
nehmen, wenn er chronisch erkrankt.
Frauen, die nach dem 1. April 1987, und Männer, die nach dem 1. April 1962 geboren sind und an einer Krebsart erkranken, für die Vorsorgeuntersuchungen angeboten werden, können die Ein-Prozent-Belastungsgrenze in Anspruch nehmen,
wenn sie die Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen haben.
Für Menschen, die älter sind und chronisch erkranken, gilt die Ein-Prozent-Belastungsgrenze. Sie erhalten eine ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer
chronischen Erkrankung, wenn sie sich am Behandlungserfolg beteiligen, z.B. durch
Teilnahme an einem Disease-Management-Programm. Ausgenommen sind schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung über 60, psychisch Erkrankte und Pflegebedürftige der Pflegestufen II oder III.
Q Änderungen für Ärzte
Die vertragsärztliche Vergütung wird ab 1. Januar 2009 von Punktwerten auf EuroFestbeträge je Leistung umgestellt. Ab 1. Januar 2009 trägt das Risiko zunehmender Behandlungsbedürftigkeit der Patienten (Morbiditätsrisiko) die GKV. Den Ärzten wird dadurch mehr Honorar zur Verfügung gestellt.
Die Kassen können künftig mit Ärzten oder Ärztegruppen Einzelverträge schließen, die von der kollektivvertraglichen Versorgung abweichen oder darüber
hinausgehen, z.B. über
19
N EUER Z UGANG
•
•
•
ZUR
K RANKENVERSICHERUNG
die hausarztzentrierte Versorgung,
die gesamte ambulante ärztliche Versorgung oder auch
einzelne Bereiche der ambulanten Versorgung.
Q Änderungen für Apotheken
Medikamente eines Arzneimittelherstellers, mit dem die Krankenkasse einen Rabattvertrag geschlossen hat, können ganz oder zur Hälfte zuzahlungsbefreit an
den Versicherten abgegeben werden.
Der Rabatt, den die Apotheken für jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel an
die gesetzlichen Krankenkassen abzuführen haben, wird von 2 € auf 2,30 € erhöht.
Die Abgabe von einzelnen Tabletten („Auseinzelung“) wird erleichtert.
Q Arzneimittel
Vor der Verordnung spezieller neuer oder kostenintensiver Arzneimittel, z.B. sehr
stark wirksamer Krebsmedikamente oder biotechnologisch hergestellter Medikamente, muss künftig vom behandelnden Arzt eine Zweitmeinung eines fachlich
besonders ausgewiesenen Arztes eingeholt werden. Welche Mittel unter diese
Regelung fallen, bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss.
Neue Arzneimittel können in Zukunft daraufhin untersucht werden, wie sehr sie
den Patienten nutzen und welche Kosten dabei entstehen. Dazu werden die neuen
Arzneimittel im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Bewertung vorhandenen Arzneimitteln gegenübergestellt. Die Kosten-Nutzen-Bewertung nimmt das Institut für
Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen vor.
Gemeinschaftseinrichtungen, z.B. Hospize und Pflegeheime, die Arzneimittel vorrätig haben können, dürfen bestimmte nicht genutzte Betäubungsmittel künftig an
andere Patienten abgeben.
Q Krankenversicherungskarte
Die Krankenkassen müssen geeignete Maßnahmen gegen den Missbrauch von
Krankenversicherungskarten ergreifen, z.B. tagesaktuell den Verlust von Karten,
Änderungen beim Zuzahlungsstatus oder Ende des Versicherungsschutzes an einen
Versichertenstammdatendienst übermitteln, zu dem die Ärzte über ihre Praxissoftware Zugang erhalten.
Q Private Krankenversicherung (PKV)
Freiwillig Versicherte dürfen erst aus der GKV in die PKV wechseln, wenn sie drei
Jahre hintereinander die Jahresarbeitsentgeltgrenze (2007: 47.700 €) überschritten
haben. Private Krankenversicherungen sind ab 1. Januar 2009 verpflichtet, einen
„Basistarif“ anzubieten, der den jetzigen „Standardtarif“ ersetzt.
Leistungsbedingungen und -umfang des Basistarifs sind vergleichbar der GKV. Der
Basistarif muss allen offenstehen, bereits Versicherten ebenso wie Neukunden. Die
privaten Versicherer dürfen die Aufnahme in den Basistarif nicht ablehnen
20
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
(Kontrahierungszwang); die Prämien dürfen sich nur aufgrund von Alter und
Geschlecht unterscheiden.
Q Gesundheitsfonds und einheitlicher Beitragssatz
Der Gesundheitsfonds soll zum 1. Januar 2009 eingeführt werden. Zuständige
Stelle wird das Bundesversicherungsamt. Das Amt fungiert als Inkassostelle für die
Krankenkassen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen ihre Beiträge dann in den
Fonds ein. Der Beitragssatz (Prozentsatz) ist ab 1. Januar 2009 für alle Krankenkassen gleich hoch; der Beitrag ist weiterhin vom Einkommen abhängig.
Zur schrittweisen Finanzierung u.a. der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern
zahlt der Bund einen Steuerzuschuss in den Fonds ein. Dieser wird 4 Milliarden € in
2009 betragen und um jährlich 1,5 Milliarden € ansteigen, bis 2016 das geplante
Gesamtvolumen von 14 Milliarden € erreicht ist.
Q Spitzenverband Bund der Krankenkassen
Zum 1. Juli 2008 wird ein einheitlicher Dachverband für die GKV gebildet: Der
„Spitzenverband Bund der Krankenkassen“ löst die bestehenden sieben Bundesverbände der gesetzlichen Krankenkassen ab. Der neue Spitzenverband ist eine
Körperschaft des öffentlichen Rechts und untersteht der Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit. Er wird zum 1. Juli 2008 einen Medizinischen Dienst
der Krankenkassen auf Bundesebene gründen.
1.3
Was ändert sich an der Rente 2007 ?
Das „Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung” (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) – BGBl. I, Nr. 16, S. 554 vom 20.
April 2007 – enthält folgende Änderungen, die keinesfalls abschließend sein können:
1.3.1
Beitragssatz
Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung soll infolge der Reform trotz
der demographischen Entwicklung bis zum Jahr 2020 nicht über 20 Prozent und bis
2030 nicht über 22 Prozent des Bruttolohns steigen. Derzeit liegt der Satz bei 19,9
Prozent.
1.3.2
Altersgrenze
Das gesetzliche Renteneintrittsalter wird ab dem Jahr 2012 schrittweise angehoben. Betroffen sind die Jahrgänge ab 1947.
Wer beispielsweise 1947 geboren ist, muss dann bis 65 Jahre und einen Monat
21
Ä NDERUNGEN
BEI DER
R ENTE
arbeiten. Ab dem Jahrgang 1958 steigt das Rentenalter dann um jährlich um zwei
Monate an. Der Geburtsjahrgang 1964 ist dann der erste, der erst mit 67 abschlagsfrei in Rente gehen kann.
Der frühestmögliche Rentenbeginn wird künftig bei 63 Jahren liegen. Bisher konnte man zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr in Rente gehen. Auf das Versorgungsrecht der Beamten sollen die Maßnahmen der Rentenversicherung wirkungsgleich
übertragen werden.
1.3.3
Altersrente für Schwerbehinderte
Schwerbehinderte Menschen müssen für den Rentenbezug mindestens 35 Versicherungsjahre vorweisen. Auch hier wird das Renteneintrittsalter angehoben, von 63
auf 65 Jahre. Mit Abschlägen können schwerbehinderte Menschen bereits mit 62 in
Rente gehen.
1.3.4
Rentenabschläge
35 Versicherungsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung: Wer diese vorweisen kann, darf auch künftig bereits mit 63 in den Ruhestand gehen. Allerdings
erfolgen dann Abschläge von der Rente und zwar für die gesamte Rentenbezugsdauer. Der Abschlag beträgt 0,3 Prozent für jeden Monat, den man vor der gesetzlichen Regelaltersgrenze in Rente geht.
1.3.5
Ausnahmeregelungen
Langjährig Versicherte, d.h. Personen mit 45 Versicherungsjahren, können auch
weiterhin ohne Abschläge mit 65 in Rente gehen. Kindererziehung zählt bis zum
10. Lebensjahr des Kindes als Beitragszeit für die Rentenversicherung. Bisher
kommt lediglich ein kleiner Teil der Beschäftigten auf 45 Versichertenjahre: Nur 28
Prozent der Männer und 4 Prozent der Frauen.
Wer vor Januar 1955 geboren ist und bis Ende 2006 verbindlich einen Altersteilzeitvertrag mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hat, bleibt von der Anhebung der
Altersgrenzen verschont und genießt Vertrauensschutz. Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die „Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus” bezogen
haben.
1.3.6
Private Vorsorgeprodukte
Die höheren Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung sollen auch im
22
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Bereich der betrieblichen und privaten Altersvorsorge nachvollzogen werden.
Dadurch sind sicher Änderungen bei der Riester-Rente, der staatlich geförderten
betriebliche Altersvorsorge (Entgeltumwandlung), der Rürup-Rente und bei privaten Lebensversicherungen zu erwarten.
1.3.7
Nachgelagerte Besteuerung
Bereits vorher beschlossen wurde die nachgelagerte Besteuerung der Renten. Der
steuerpflichtige Anteil der Rente steigt in den nächsten Jahrzehnten schrittweise
an, von heute 54 auf dann 100 Prozent im Jahr 2040. Durch den beschlossenen späteren Renteneintritt fällt der steuerpflichtige Anteil höher aus.
1.3.8
Witwenrente
Die große Witwenrente, sie beläuft sich auf 50 bis 60 Prozent der Rente des
Verstorbenen, wird künftig erst ausgezahlt für Hinterbliebene ab 47 Jahren (bisher:
45 Jahre).
1.3.9
Erwerbsminderungsrente
Für den Personenkreis, der aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeit nicht mehr
ausüben kann, wird der Abschlag auf maximal 10,8 Prozent festgelegt. Die Betroffenen können weiter mit 63 abschlagsfrei Rente gehen, allerdings nur, wenn sie 35
Beitragsjahre (ab dem Jahr 2023: 40 Jahre) vorweisen können.
23
G ESETZE
GEGEN
D ISKRIMINIERUNG
1.4
Mehr Geld für Rentner –
Was bringt die Rentenerhöhung dem Einzelnen?
Nach einer vierjährigen Pause erhalten die rund 20 Millionen Rentner in Deutschland erstmals wieder mehr Geld. Zum 1. Juli dieses Jahres wird die Rente um 0,54
Prozent erhöht. Die folgende Übersicht zeigt, wie viel die Rentenerhöhung dem
Einzelnen bringt:
Monatsrente in €
250
500
750
1.000
1.500
1.750
2.000
Erhöhungsbetrag in €
+ 1,35
+ 2,70
+ 4,05
+ 5,40
+ 8,10
+ 9,45
+ 10,80
Derzeit liegt die Standardrente im Westen bei 1.175,85 €, im Osten bei 1.033,65 €
– ein Durchschnittsverdiener muss dafür 45 Jahre lang Beiträge gezahlt haben.
Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Bund liegt die Höchstrente bei
2.056 €.
Westdeutschland: Die monatliche Altersrente im Westen beträgt bei Männern im
Durchschnitt 976 € und bei Frauen 465 €.
Die Vergleichswerte im Osten: 1.056 und 663 €. Die höheren Zahlen im Osten ergeben sich aus den im Ost/West-Vergleich längeren Arbeitszeiten in der DDR.
1.5
Diskriminierung
schwerbehinderter Menschen abgeschafft
Um Diskriminierung schwerbehinderter Menschen zu verhindern, ist das
Schwerbehindertenrecht geändert worden.
Die Änderung erfasst alle schwerbehinderten Menschen mit Anspruch auf das
Merkzeichen „B“, also Personen, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind.
Diese erhalten nunmehr auf der Vorderseite des Schwerbehindertenausweises
bestätigt, dass „die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen
24
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
ist”. Die bisherige Regelung, die die Notwendigkeit der Begleitung zur Vermeidung
von Gefahren für sich und andere betont hatte, war mitunter missverstanden worden.
So ist beispielsweise Schwerbehinderten mit dem Merkzeichen „B“ im Ausweis der
Zutritt zu öffentlichen Schwimmbädern ohne Begleitung unter Hinweis auf die
Nutzungsbedingungen mit der Begründung verwehrt worden, um Gefahren zu
vermeiden sei entsprechend des Eintrages im Schwerbehindertenausweis eine Begleitung notwendig.
Durch die Änderung des Gesetzes ist nunmehr klargestellt, dass ein schwerbehinderter Mensch eine Begleitperson zwar mitnehmen darf, sie aber nicht mitnehmen
muss.
Die in der Vergangenheit ausgestellten Ausweise können bis zum Ablauf ihrer
Gültigkeit weiterhin benutzt werden. Es ist aber auch möglich, bei Bedarf einen
neuen Ausweis mit aktuellem Aufdruck zu erhalten.
1.6
Neues zum Steuerrecht
1.6.1
Gesetz zur steuerlichen Förderung
von Wachstum und Beschäftigung
Ziel des Gesetzes vom 26. April 2006 (BGBI. I S. 1091) ist unter anderem eine bessere Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit:
Doppelverdiener und Alleinerziehende können gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG ab 1.
Januar 2006 für Kinder bis 14 Jahre – unter denselben Voraussetzungen wie bei der
vorherigen Regelung in § 33c EStG – zwei Drittel der tatsächlichen anfallenden
Kinderbetreuungskosten, höchstens aber 4.000 € pro Kind und Jahr (vorher lediglich die 1.548 € übersteigenden Kosten), geltend machen, und dies nicht bloß als
außergewöhnliche Belastung, sondern als Sonderausgaben.
Ferner ist § 33c EStG ersetzt worden durch den neuen § 4f EStG, der den selbstständig tätigen Steuerpflichtigen – unter denselben Voraussetzungen wie nach dem
neuen § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG – erlaubt, entsprechende Ausgaben als Betriebsausgaben abzuziehen.
Darüber hinaus gibt es in § 10 Abs. 1 Nr. 5 eine Sonderregelung, die es erlaubt, bei
Kindern vom 3. bis zum 6. Lebensjahr die Kinderbetreuungskosten wie in der Nr. 8
als Sonderausgaben geltend zu machen, wobei nun aber die einengende
Voraussetzung – beide Elternteile sind berufstätig oder einer von ihnen ist krank –
entfällt.
„Haushaltsnahe Dienstleistungen” konnten vom Auftraggeber schon nach vorheri-
25
N EUES
ZUM
S TEUERRECHT
gem Recht (§ 35a EStG) in einem bestimmten Umfang steuermindernd geltend
gemacht werden.
Pflege- und Betreuungsleistungen für Personen, bei denen ein Schweregrad der
Pflegebedürftigkeit festgestellt wurde oder ein Anspruch auf Leistungen der
Pflegeversicherung besteht, werden durch die Neuregelung ebenfalls erfasst.
Bei Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen verdoppelt sich der
Höchstbetrag für haushaltsnahe Dienstleistungen auf 6.000 €, was eine Steuerermäßigung von höchstens 1.200 € im Jahr bedeutet (vorher 600 €).
Darüber hinaus ist die Regelung auch auf den Fall anwendbar geworden, dass die
Pflege nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen stattfindet, sondern im Haushalt des
Pflegebedürftigen, falls dann der steuerpflichtige Angehörige die Kosten trägt.
Damit soll gefördert werden,
•
•
dass die Pflegebedürftigen so lange wie möglich zu Hause gepflegt und
nicht ins Heim gebracht werden.
Die andere Erweiterung des § 35a EStG besteht darin, dass die haushaltsnahen
Dienstleistungen auf handwerkliche Tätigkeiten erweitert worden sind. Hier gilt
allerdings der alte Höchstbetrag von 600 Euro.
In der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/643) heißt es:
„Satz 2 gilt für alle handwerklichen Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um
regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und
Modernisierungsmaßnahmen handelt. Begünstigt sind handwerkliche Tätigkeiten,
die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte
Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B.
•
•
•
•
das Streichen und Tapezieren von Innenwänden,
die Beseitigung kleiner Schäden,
die Erneuerung eines Bodenbelags (Teppichboden, Parkett oder Fliesen),
die Modernisierung des Badezimmers oder der Austausch von Fenstern.
Hierunter fallen auch Aufwendungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem Grundstück, z. B. Garten- und Wegebauarbeiten. (...)
Satz 3 stellt klar, dass nur Arbeitskosten berücksichtigt sind – Materialkosten oder
sonstige gelieferte Waren bleiben außer Ansatz.”
1.6.2
Steueränderungsgesetz 2007
Das Gesetz sieht auszugsweise folgende Veränderungen vor:
26
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Q Kindergeld
Eltern erhalten ab 2007 für ihre Kinder ab dem Geburtsjahrgang 1983 das Kindergeld nur noch bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (bisher bis zur Vollendung
des 27. Lebensjahres).
Eine Übergangsregelung ist für die Kinder des Geburtsjahrgangs 1982 vorgesehen.
Sie erhalten das Kindergeld bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres. Die Kinder der
Geburtsjahrgänge 1980 und 1981 sind von der Gesetzesänderung nicht betroffen.
Das Gleiche gilt für Kinder, die vor dem 1. Januar 2007 zwischen 25 und 27 Jahren
alt waren und eine Behinderung erlitten haben, aufgrund derer sie sich nicht mehr
selbst unterhalten können. Der Grundwehrdienst bzw. der Zivildienst kann wie bisher berücksichtigt werden.
Die Absenkung der Altersgrenze hat darüber hinaus Auswirkungen auf verschiedene Bereiche, z.b. auf die kindbedingten Steuerfreibeträge wie z. B. Kinderzulage
nach dem Eigenheimzulagengesetz. Auch im Beamtenrecht ergeben sich Änderungen.
Q Pendlerpauschale
Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte bzw. Arbeitsstätte sind ab 2007 nicht mehr als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar, was jedoch aktuell wieder in der politischen Diskussion ist. Die Entfernungspauschale in Höhe von 0,30 € wird in Zukunft erst ab dem 21. Kilometer
wie Werbungskosten oder Betriebsausgaben berücksichtigt.
Für die behinderten Arbeitnehmer (ab GdB 70 oder GdB 50 plus Merkzeichen G)
bleibt die alte Regelung unverändert bestehen.
Anmerkung: Für die Frage, ob die Ein-Prozent-Regelung bei Betriebsfahrzeugen
anwendbar ist (betriebliche Nutzung mindestens zur Hälfte), werden die Fahrten
zwischen Wohnung und Betriebsstätte der betrieblichen Nutzung zugerechnet.
Q Sparerfreibetrag
Der Sparerfreibetrag sank zum 1. Januar 2007 auf 750 € für Ledige bzw. 1.500 €
für Verheiratete.
Q Steuerberatungskosten
Der Sonderausgabenabzug für Steuerberatungskosten, die nach dem 1. Januar
2006 bezahlt werden, ist gestrichen worden. Der Abzug als Werbungskosten bzw.
Betriebsausgaben ist davon nicht betroffen.
Q Steuersatzerhöhung
Zum 1. Januar 2007 wurde der allgemeine Umsatzsteuersatz von 16 % auf 19 %
erhöht. Dies gilt auch bei Anzahlungen, Abschlagszahlungen oder
Vorauszahlungen vor dem 1. Januar 2007. Die Steuerberechnung ist dann nachträglich zu korrigieren, oder wäre schon in 2006 mit 19 % abzurechnen gewesen.
Ausschlaggebend ist ausschließlich der Zeitpunkt der Lieferung oder Leistung.
27
Ä NDERUNG
DER
B EITRAGSSÄTZE
Geschieht dies vor dem 1. Januar 2007 (gilt für alle vor dem Datum der Anhebung
bewirkten Umsätze) kommt der alte Umsatzsteuersatz von 16 % zur Anwendung.
Dies gilt sinngemäß auch für Teilleistungen, und den Zeitpunkt, wann die Teilleistungen ausgeführt wurden.
Q Versicherungssteuer
Der Regelsatz der Versicherungssteuer erhöht sich zum 1. Januar 2007 von 16 auf
19 %.
Q Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer
...können ab 2007 nur noch dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten steuerlich berücksichtigt werden, wenn es den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen/
beruflichen Tätigkeit bildet. Aufwendungen für Arbeitsmittel (Schreibtisch,
Bücherregal, PC usw.) sind weiterhin als Betriebsausgaben oder Werbungskosten
abziehbar.
1.7
Änderungen und Neuregelungen im
Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales zum 1. Januar 2007
1.7.1
Änderungen der Beitragssätze, Zahlbeträge
Q Arbeitslosenversicherung
Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitsförderung auf 4,2 Prozent.
Q Gesetzliche und knappschaftliche Rentenversicherung
Anhebung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 19,9 Prozent und in der knappschaftlichen Rentenversicherung auf 26,4 Prozent; der Mindestbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt 79,60 €.
Q Rentenversicherungsbeitrages für Arbeitslosengeld II-Bezieher
Absenkung des Beitrags der Bezieher von Arbeitslosengeld II von 78 € / im Monat
auf 40 €/monatlich; die Beitragsbemessungsgrundlage für die Berechnung der
Rentenversicherungsbeiträge wird von monatlich 400 € auf monatlich 205 € reduziert.
Q Alterssicherung der Landwirte
Erhöhung des Einheitsbeitrages in der Alterssicherung der Landwirte von
199€/monatlich auf 204 €/monatlich in den alten Ländern, von 168 €/monatlich
auf 176 €/monatlich in den neuen Ländern.
Q Künstlersozialversicherung
Absenkung des Abgabesatzes der Künstlersozialversicherung von 5,5 auf 5,1
Prozent.
28
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
1.7.2
UND IHR
R ECHT
Aktualisierung der Rechengrößen der Sozialversicherung
Mit dem Sozialversicherungs-Rechengrößengesetz 2007 wurden die Rechengrößen
der Sozialversicherung aktualisiert. Sie orientieren sich an der Lohn- und
Gehaltsentwicklung im Jahr 2005. Beitragsbemessungsgrenzen für das Jahr 2007 in
der:
Q Allgemeinen Rentenversicherung
West: 5.250 € (63.000 €/jährlich), Ost: 4.550€/monatlich (54.600 €/jährlich),
Q Knappschaftlichen Rentenversicherung
West: 6.450 €/monatlich (77.400 €/jährlich), Ost: 5.550 €/monatlich (66.600 €/jährlich),
Q Kranken- und Pflegeversicherung
Bundeseinheitlich: 3.562,50 €/monatlich (42.750 €/jährlich).
Versicherungspflichtgrenzen für das Jahr 2007
Q Kranken- und Pflegeversicherung:
Bundeseinheitlich: 3.975,00 €/monatlich (47.700 €/jährlich)
Die Bezugsgrößen im Jahr 2007 betragen:
Die so genannte Bezugsgröße hat für viele Werte in der Sozialversicherung
Bedeutung; zum Beispiel bei der Festsetzung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung und
bei der Beitragsberechnung für versicherungspflichtige Selbstständige oder
Pflegepersonen in der gesetzlichen Rentenversicherung.
West: 2.450 €/monatlich (29.400 €/jährlich),
Ost: 2.100 €/monatlich (25.200 €/jährlich).
Q Bezugsgröße in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung:
Bundeseinheitlich: 2.450 €/monatlich (29.400 €/jährlich)
1.8
Neue Sachbezugswerte für 2007 und 2008
Die Sachbezugs- und die Arbeitsentgeltverordnung werden in einer neuen Sozialversicherungsentgeltverordnung zusammengefasst, wobei die bisherigen Bestimmungen grundsätzlich übernommen werden. Zum 1. Januar 2007 ändern sich
jedoch die Sachbezüge, die diesmal für zwei Jahre festgeschrieben werden. Der
Wert für Verpflegung wird um 2,30 € auf 205,00 € für die Jahre 2007 und 2008
angehoben (Frühstück: 45 €, Mittag- und Abendverpflegung: je 80 €).
29
S ACHBEZUGSWERTE
Neu ist, dass für ein erwachsenes Kind in der Familie die gleichen Verpflegungswerte wie für den Lebenspartner angesetzt werden. Ansonsten bleibt es bei den
bekannten Abschlägen. Bei den Werten für Unterkunft und Miete wird für das
gesamte Bundesgebiet ein neuer einheitlicher Wert festgelegt.
In den alten Bundesländern wird der Wert auf 198 € angehoben. In den neuen
Bundesländern wird dieser Unterkunftswert im Jahr 2007 um 3 Prozent gekürzt.
Die Werte für gemieteten Wohnraum werden auf einheitlich 3,45 € bzw. auf einheitlich 2,80 € pro Quadratmeter für einfache Wohnungen festgelegt. Für die
neuen Bundesländer gilt auch hier für 2007, dass diese Werte um 3 Prozent gekürzt
werden. Ab 2008 gelten dann diese Werte im gesamten Bundesgebiet.
1.9
Belange behinderter Menschen und Sozialhilfe
1.9.1
Regelsätze und Behilfen
Q Regelsätze in der Sozialhilfe:
Die Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 und die weiterentwickelte Regelsatzbemessung auf Grundlage einer gesamtdeutschen Verbrauchsstruktur ergeben einen einheitlichen Regelsatz in Höhe von 345 €.
Damit wird 16 Jahre nach der Wiedervereinigung nunmehr auch in der Sozialhilfe
die Grundlage für einheitliche Leistungen in ganz Deutschland geschaffen. Zum 1.
Januar 2007 setzten die Länder auf dieser Basis die Regelsätze in der Sozialhilfe
eigenständig neu fest.
Q Weihnachtsbeihilfe für Heimbewohner
Die Weihnachtsbeihilfe für Heimbewohner ist künftig Bestandteil des Barbetrages,
der hierzu um einen Prozentpunkt von 26 Prozent auf 27 Prozent angehoben wird.
Da diese Änderung jedoch nicht so zeitig in Kraft treten konnte, dass Heimbewohner die Leistungen für das Jahr 2006 im vollständigen Umfang erhalten, wurde
den Heimbewohnern darüber hinaus eine einmalige Leistung für das Jahr 2006 in
Höhe von mindestens 36,00 Euro gewährt.
Q Heranziehung bei stationärer Betreuung eines Ehepartners wegen
Behinderung oder Pflegebedürftigkeit
Eine weitere Änderung im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) betrifft Ehepaare, bei denen ein Partner wegen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit stationär betreut werden muss. Bisher waren aufgrund der bestehenden Heranziehungsvorschrift solche Ehepaare potentiell schlechter gestellt, bei denen das überwiegende Einkommen von dem weiter zu Hause lebenden Ehepartner erzielt wurde.
Zukünftig werden alle Erwerbsbiographien von Ehepaaren gleich behandelt und
dem zu Hause verbliebenen Partner genügend finanzielle Mittel belassen, damit er
seinen Lebensunterhalt ohne Sozialhilfe bestreiten kann (BMAS).
30
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
1.10 Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz
35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung – 35. BImSchV) – Auszug
§ 2 Zuordnung von Kraftfahrzeugen zu Schadstoffgruppen
(1) Kraftfahrzeuge, die mit einer Plakette nach Anhang gekennzeichnet sind, sind
von einem Verkehrsverbot im Sinne des § 40 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes befreit, soweit ein darauf bezogenes Verkehrszeichen dies vorsieht.
(2) Kraftfahrzeuge werden unter Berücksichtigung ihrer Schadstoffemissionen den
Schadstoffgruppen 1 bis 4 zugeordnet. Die Zuordnung der Kraftfahrzeuge zu den
Schadstoffgruppen im Einzelnen ergibt sich aus Anhang 2.
(3) Kraftfahrzeuge, die in Anhang 3 aufgeführt sind, sind von Verkehrsverboten
nach § 40 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auch dann ausgenommen,
wenn sie nicht gemäß Absatz 1 mit einer Plakette gekennzeichnet sind, Anhang 3
(zu § 2 Abs. 3). Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht nach § 2 Abs. 1.
Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 des BundesImmissionsschutzgesetzes auch dann ausgenommen, wenn sie nicht gemäß § 2 Abs.
1 mit einer Plakette gekennzeichnet sind:
1. mobile Maschinen und Geräte,
2. Arbeitsmaschinen,
3. land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen,
4. zwei- und dreirädrige Kraftfahrzeuge,
5. Krankenwagen, Arztwagen mit entsprechender Kennzeichnung im Einsatz zur
medizinischen Betreuung der Bevölkerung,
6. Kraftfahrzeuge, mit denen Personen fahren oder gefahren werden, die außergewöhnlich gehbehindert, hilflos oder blind sind und dies durch die nach § 3 Abs.
1 Nr. 1 bis 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung im Schwerbehindertenausweis eingetragenen Merkzeichen „aG”, „H” oder „BI” nachweisen,
7. Fahrzeuge, für die Sonderrechte nach § 35 der Straßenverkehrs-Ordnung in
Anspruch genommen werden können,
8. Fahrzeuge nichtdeutscher Truppen von Nichtvertragsstaaten der NATO, die sich
im Rahmen der militärischen Zusammenarbeit in Deutschland aufhalten, soweit
sie für Fahrten aus dringenden militärischen Gründen genutzt werden,
9. zivile Kraftfahrzeuge, die im Auftrag der Bundeswehr genutzt werden, soweit es
sich um unaufschiebbare Fahrten zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben der
Bundeswehr handelt.
31
B ERECHTIGTER P ERSONENKREIS
2
Berechtigter Personenkreis
2.1
Wer ist schwerbehindert
im Sinne des Gesetzes?
Nach § 2 SGB IX sind Menschen im Sinne des Teils 2, Sozialgesetzbuch IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt
und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung
auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, also in der Bundesrepublik Deutschland.
Menschen, die die genannten Voraussetzungen erfüllen, gelten kraft Gesetzes als
schwerbehindert. Ob eine schwere Behinderung vorliegt oder nicht, ist äußerlich
oft nicht erkennbar. Daher muss eine Behörde die Schwerbehinderteneigenschaft
feststellen (vgl. dazu 2.4). Außerdem benötigen schwerbehinderte Menschen einen
Ausweis, der ihre Behinderung nachweist und die Inanspruchnahme von Rechten
und Nachteilsausgleichen nach SGB IX und anderen Rechtsvorschriften erst ermöglicht.
Alle Menschen, die die Voraussetzungen des § 2 SGB IX erfüllen, haben Anspruch
auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft und können deren Anerkennung beim Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz bzw. zuständigen Versorgungsamt beantragen. Es ist unerheblich, ob es sich um eine
körperliche oder geistige Behinderung handelt oder ob mehrere Behinderungen
einen GdB von zusammen 50 ergeben.
2.2
Wer ist Gleichgestellter?
Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens
30, bei denen im Übrigen die Voraussetzung des § 2 SGB IX vorliegt, sollen auf
Grund einer festgestellten Behinderung und des Grades der Behinderung nach § 69
SGB IX auf ihren Antrag von der Agentur für Arbeit schwerbehinderten Menschen
gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung
einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1 nicht erlangen oder nicht
behalten können. Die Gleichstellung wird mit dem Tag des Eingangs des Antrags
wirksam. Sie kann befristet werden.
2.2.1
Wo ist die Gleichstellung zu beantragen?
Der Antrag ist bei der für den Wohnsitz zuständigen Agentur für Arbeit zu stellen.
32
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Lehnt die Agentur für Arbeit die Gleichstellung ab, so kann der Antragsteller gegen
die Entscheidung innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben, kann der Behinderte Klage beim Sozialgericht erheben.
Gewerkschaften und Behindertenverbände gewähren ihren Mitgliedern Rechtsschutz im Widerspruchs- und Klageverfahren (siehe auch unter 2.8, Rechtsstreitigkeiten).
2.2.2
Was gilt für Gleichgestellte?
Für gleichgestellte behinderte Menschen gilt der besondere Kündigungsschutz
nach den §§ 85 bis 92 SGB IX. Sie fallen unter den von dem Integrationsamt (früher
Hauptfürsorgestelle) zu betreuenden Personenkreis. Ihre Interessen werden in dem
Betrieb oder der Dienststelle von der Schwerbehindertenvertretung, im Regelfall
unter Beteiligung des Betriebs-/Personalrates, wahrgenommen. Bei der Wahl der
Schwerbehindertenvertretung sind Gleichgestellte wahlberechtigt und wählbar. Sie
haben das Recht, an der von der Schwerbehindertenvertretung einberufenen Versammlung schwerbehinderter Menschen teilzunehmen.
Keinen Anspruch haben Gleichgestellte auf den Zusatzurlaub von einer Arbeitswoche nach § 125 SGB IX und nicht auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen
Personennahverkehr nach Kapitel 13 des Sozialgesetzbuches IX. Ebenso steht ihnen
kein Anspruch zu auf Rente wegen Schwerbehinderung.
2.3
Was bedeutet „Grad der Behinderung”?
Nach dem Sozialgesetzbuch IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche
Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und ihre Teilhabe am Leben beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1).
Diese Begriffsbestimmung grenzt den Personenkreis ab, bei denen die Selbstbestimmung und die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu
fördern und somit die gesamten Regelungen des Neunten Buches von Bedeutung
sind. Die Abweichungen des typischen Zustandes für das Lebensalter sind als Grad
der Behinderung, nach Zehner-Graden abgestuft, von 20 bis 100 festzustellen. Eine
Feststellung ist nicht zu treffen, wenn der Grad der Behinderung 20 nicht erreicht.
Für den Grad der Behinderung gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz entsprechend. Feststellung oder Neufeststellung des Grades der Behinderung erfolgen nach § 69 SGB IX.
Für das Verfahren ist das Gesetz über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung entsprechend anzuwenden, in erster Linie gelten jedoch die Bestimmungen des Sozialgesetzbuches Neun (SGB IX). Eine Neufeststellung des Grades
33
G RAD
DER
B EHINDERUNG
der Behinderung ist somit gemäß § 48 SGB X immer dann möglich, wenn eine
wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, z. B. durch
Verschlimmerung bestehender oder neu hinzu gekommene Leiden, sollte ein Antrag auf Neufeststellung gestellt werden.
2.4
Wer stellt den Grad der Behinderung fest?
Die Zuständigkeit der Versorgungsverwaltung für die Durchführung des Feststellungs- und des Ausweisverfahrens wird beibehalten (§ 69 Abs. 1 und 5 SGB IX).
Den Bundesländern wird aber die Möglichkeit eröffnet, die Zuständigkeit durch
Landesrecht abweichend zu regeln. Im Saarland ist das Landesamt für Soziales,
Gesundheit und Verbraucherschutz zuständig und stellt auf Antrag Behinderung
und den Grad der Behinderung fest.
2.4.1
Sind weitere Feststellungen erforderlich?
Sind neben einem Grad der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale
Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines Nachteilsausgleiches, treffen ebenfalls die Versorgungsämter die erforderlichen Feststellungen (vgl. hierzu die Ausweisverordnung und § 69 SGB IX).
2.4.2
Bescheide oder Entscheidungen, die der Feststellung
dienen
Eine Feststellung nach § 69 SGB IX ist vom Versorgungsamt nicht zu treffen, wenn
die Behinderung sowie der Grad der Behinderung oder die Minderung der
Erwerbsfähigkeit bereits in einem Bescheid, einer entsprechenden Verwaltungsoder Gerichtsentscheidung oder einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidungen zuständigen Stellen festgestellt ist (§ 69 SGB IX).
Derartige Bescheide oder Entscheidungen gelten als Feststellung im Sinne des
Sozialgesetzbuches IX und können der Ausweisausstellung zu Grunde gelegt werden.
In Betracht kommen hier in der Regel:
•
•
Bescheide der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften),
Bescheide der Versorgungsämter über Rentenansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz und den das Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklärenden Gesetzen (HHG, SVG, ZDG, BSeuchG, OEG),
34
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
•
•
•
•
UND IHR
R ECHT
Bescheide der Entschädigungsbehörden über Rentenansprüche nach dem
Bundesentschädigungsgesetz,
Bescheide der Wehrbereichsgebührnisämter über den Anspruch auf Ausgleich
nach § 85 SVG,
Bescheide nach dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden und
Entscheidungen über den Unfallausgleich nach beamtenrechtlichen
Unfallvorschriften.
Nicht ausreichend sind Bescheide der Rentenversicherungsträger (DRV Bund,
Regionalträger, Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See) über die Gewährung von Erwerbsminderungsrenten, da diese Bescheide keine Feststellungen
über den Grad der Behinderung bzw. das Ausmaß der Erwerbsminderung enthalten.
Auch wenn in Bescheiden oder Entscheidungen wie den genannten bereits eine
Feststellung über die Behinderung und ihren Grad getroffen worden ist, muss das
Versorgungsamt dennoch eine neue Feststellung treffen, wenn der behinderte
Mensch ein Interesse an der Neufeststellung glaubhaft macht.
Ein berechtigtes Interesse an einer neuen Feststellung kann z. B. vorliegen, wenn
im Rahmen der früheren Feststellung nur bestimmte Leiden berücksichtigungsfähig
waren, oder wenn seit der ersten Feststellung neue Leiden hinzugetreten sind oder
bestehende Leiden sich verschlimmert haben.
2.4.3
Feststellung des Gesamt-Grades der Behinderung
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor,
so wird der Grad der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs.3 SGB IX).
Nach der Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 15. März 1979, AZ.
9 RVS 7/78 und 9 RVS 16/78) muss der Grad, in dem sich die einzelnen Gesundheitsstörungen in ihrer Gesamtheit auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, durch sorgfältige arbeitsmedizinische Beurteilung herausgearbeitet werden. Die Ergebnisse
dieser Beurteilung müssen nachvollziehbar sein; der ärztliche Sachverständige muss
also seine Gesamteinschätzung hinreichend begründen. Bei Feststellung des durch
mehrere Behinderungen bedingten Grades der Behinderung ist die Gesamtwürdigung ohne mathematische Formeln vorzunehmen.
Zur Verdeutlichung ein aktuelles Urteil in Stichworten: Unter Berücksichtigung der
Vorgaben von Punkt 19 der Anhaltspunkte zur gutachterlichen Tätigkeit…., ist bei
einem Einzel-GdB von 40 für das Funktionssystem „Verdauungsorgane“ und einem
weiteren Einzel-GdB von 20 im Funktionssystem „Augen“ ein Gesamt GdB von 50
zu bilden, weil die Behinderungen unabhängig nebeneinander stehen und völlig
unabhängige Bereiche, d. h. völlig unterschiedliche Organsysteme, betreffen
35
G RAD
DER
B EHINDERUNG
(Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Urteil vom 14. April 2005 – Az.: L 7 SB
158/02).
2.4.4
Wo ist die Feststellung zu beantragen?
Der Antrag ist bei dem für den Wohnsitz zuständigen Versorgungsamt zu stellen,
bei Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches des
SGB IX bei der Behörde, in deren Zuständigkeitsbereich die Tätigkeit als Arbeitnehmer ausgeübt wird.
2.4.5
Was müssen Ausländer und Grenzarbeitnehmer
beachten?
Bei Ausländern ist der rechtmäßige Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland
durch eine Bestätigung der Ausländerbehörde bei den Kreisen und kreisfreien
Städten oder die Vorlage der Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung
nachzuweisen. Grenzarbeitnehmer müssen die Arbeitsbescheinigung des jetzigen
Arbeitgebers und die Aufenthaltserlaubnis bzw. die amtliche Bescheinigung über
die Aufenthaltserlaubnis bzw. -berechtigung oder den Ausweis für den kleinen
Grenzverkehr vorlegen oder die Bestätigung durch die zuständige Ausländerbehörde auf dem Antrag vornehmen lassen.
2.4.6
Hinweise, Anträge, Bescheide und Bescheinigungen des
Landesamtes für Soziales, Gesundheit und
Verbraucherschutz
Ab Seite 40 sind abgedruckt: Allgemeine Hinweise des Landesamtes für Soziales,
Gesundheit und Verbraucherschutz, Anträge nach dem SGB IX, Schwerbehindertenausweis, das Beiblatt zum Ausweis sowie Erläuterungen zu den Merkzeichen.
2.4.7
Nachweise für Beförderung im Nahverkehr
und Kfz-Steuerermäßigung
Für die Kfz-Steuerermäßigung genügt bei Erfüllung der Voraussetzungen die
Vorlage des gültigen Ausweises für schwerbehinderte Menschen mit Beiblatt ohne
Wertmarke beim Finanzamt bzw. der Kfz-Zulassungsstelle [siehe §§ 3a und 17 des
Kraftfahrzeugsteuergesetz - KraftStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.
September 2002 (BGBl. I S. 3818), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom
24. März 2007 (BGBl. I S. 356)/ Stand: Neugefasst 26. September 2002, BGBl. I Seite
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R ECHT
3818, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 24. März 2007 BGBl. I S. 356)].
Die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr oder eine KfzSteuerermäßigung ist nur unter Vorlage eines vom Versorgungsamt ausgefüllten
Beiblattes zum Ausweis möglich.
Auf der Wertmarke werden eingetragen: Jahr und Monat, von dem an die
Wertmarke gültig ist, sowie Jahr und Monat, in dem ihre Gültigkeit abläuft.
Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke kostenlos an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die:
•
blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches oder entsprechender
Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder
entsprechender Vorschriften sind,
oder
•
die Leistungen nach dem Vierten Kapitel – Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung – des SGB XII oder Arbeitslosengeld II, laufende Leistungen
für den Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII oder dem Achten
Buch des Sozialgesetzbuchs oder entsprechende Leistungen nach dem
Bundesversorgungsgesetz beziehen.
Außerdem wird die Wertmarke kostenlos an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4
und Abs. 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und
Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen behinderten Menschen im Nahverkehr
erfüllten, solange der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge der anerkannten Schädigung auf wenigstens 70 v. H. festgestellt oder auf wenigstens 50 v.
H. festgestellt ist und sie infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sind. Dies
gilt auch für Menschen, die die vorgenannten Voraussetzungen nur deswegen
nicht erfüllt haben, weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu
diesem Zeitpunkt im Gebiet der ehemaligen DDR hatten.
Alle übrigen schwerbehinderten Menschen erhalten die Wertmarke gegen Entrichtung eines Betrages von 60 € für ein Jahr bzw. 30 € für ein halbes Jahr.
Unter Nahverkehr ist zu verstehen:
•
•
•
Straßenbahn, Bus, Obus, U- und S-Bahn,
Eisenbahn (2. Wagenklasse), wenn sie in einen Verkehrsverbund einbezogen ist
und mit Verbundfahrschein benutzt werden kann,
Eisenbahnen des Bundes in der 2. Wagenklasse in Zügen, die überwiegend dazu
bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Nahverkehr zu befriedigen (Züge des
Nahverkehrs), im Umkreis von 50 km um den Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt des schwerbehinderten Menschen.
37
G ÜLTIGKEITSDAUER
DES
A USWEISES
Die Versorgungsämter geben dazu spezielle Streckenverzeichnisse aus. Näheres
regelt die Fünfte Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes
(Nahverkehrszügeverordnung – SchwbNV) vom 30. September 1994 (BGBl. I S.
2962), geändert durch Artikel 58 des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046).
•
Ebenso zählen dazu: Schiffe im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr im Orts- und
Nachbarschaftsbereich.
Ist ein behinderter Mensch zur Mitnahme einer Begleitperson berechtigt (muss
durch das Ausweismerkmal „B“ nachgewiesen sein), fährt die Begleitperson immer
kostenlos, selbst dann, wenn der behinderte Mensch keine Wertmarke gekauft hat.
Schwerbehinderte Menschen können in Abhängigkeit der im Ausweis eingetragenen Merkzeichen auch orthopädische Hilfsmittel oder einen Blindenführhund
unentgeltlich mitnehmen.
Wie für alle anderen Fahrgäste auch gilt für behinderte Menschen im öffentlichen
Nah- und Fernverkehr die allgemeine Beförderungspflicht der Verkehrsunternehmer. Sie erstreckt sich auf das Reisegepäck, zu dem Rollstühle und andere
Hilfsmittel zu rechnen sind. Eine Beförderung kann nur im Ausnahmefall abgelehnt
werden, etwa wenn das Fahrzeug nicht zur Beförderung geeignet ist.
Bei Rückgabe des Beiblattes mit entgeltlicher Wertmarke vor Ablauf der Gültigkeitsdauer werden auf Antrag für jeden vollen Kalendermonat, für den die Wertmarke nach der Rückgabe noch gültig ist, 5 € erstattet. Der zu erstattende Betrag
darf jedoch 15 € nicht unterschreiten, d. h. in diesem Fall kommt eine Erstattung
nicht in Betracht.
2.5
Gültigkeitsdauer des Ausweises
Die Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) wurde zuletzt durch
Artikel des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742), wie folgt geändert:
Die Gültigkeit des Ausweises ist für die Dauer von längstens 5 Jahren vom Monat
der Ausstellung an zu befristen. In den Fällen, in denen eine Neufeststellung wegen
einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die für die
Feststellung maßgebend gewesen sind, nicht zu erwarten ist, kann der Ausweis
unbefristet ausgestellt werden (§ 69 Abs. 5 Satz 3 SGB IX i.V.m. § 6 Abs. 2
Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25. Juli 1991 - SchwbAwV).
Er kann in den Fällen unbefristet ausgestellt werden, in denen eine Neufeststellung
wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die für
die Feststellung maßgebend gewesen sind, nicht zu erwarten ist (§ 6 Abs. 2 Satz
SchwbAwV). Die bisherige weitere Voraussetzung, dass auch gewährleistet sein
muss, dass die zuständige Behörde regelmäßig über die persönlichen Verhältnisse
unterrichtet ist (§ 6 Abs. 2 Satz a. F. SchwbAwV), ist fallen gelassen worden.
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S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
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R ECHT
Auch in Fällen, in denen eine medizinische Nachprüfung vorzunehmen ist, z.B. bei
Behinderungen, die einer Heilungsbewährung unterliegen, kann die Gültigkeit des
Ausweises weniger als fünf Jahre betragen. Die Gültigkeit des Ausweises wird für
die Dauer von längstens 5 Jahren vom Monat der Ausstellung an befristet. Erhält
der Ausweisinhaber Rentenleistungen nach dem sozialen Entschädigungssgesetz
(„VB“, „EB“ oder „Kriegsbeschädigt“) kann sie auf längstens 15 Jahre befristet werden.
Bei Schwerbehinderten unter 10 Jahren sind die Ausweise bis zur Vollendung des
10. Lebensjahres befristet. Ab dem 10. Lebensjahr wird ein Passbild eingefügt.
Schwerbehinderte Menschen zwischen 10 und 15 Jahren erhalten ihren Ausweis bis
längstens zum Ende des Monats befristet, in dem der Inhaber das 20. Lebensjahr
vollendet.
Bei nichtdeutschen Schwerbehinderten, deren Aufenthaltsgenehmigung/-gestattung oder Arbeitserlaubnis befristet ist, ist der Ausweis längstens bis zum Ende des
Monats gültig, in dem diese Frist endet.
Die Gültigkeitsdauer kann auf Antrag höchstens zweimal verlängert werden. Dann
heißt es wieder einen neuen Ausweis beantragen.
Der Monat und das Jahr, bis zu deren Ende der Ausweis gültig sein soll, wird auf
der Vorderseite des Ausweises vermerkt.
2.6
Ende des Schutzes für schwerbehinderte
und gleichgestellte Menschen
Die besonderen Regelungen für schwerbehinderte und gleichgestellte behinderte
Menschen werden nicht mehr angewendet mit dem Wegfall der Voraussetzungen
des § 2 SchwbG.
Die besondere Regelung zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen gilt somit nicht
mehr, wenn der schwerbehinderte Mensch weder seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch eine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Geltungsbereich des Neunten Buches Sozialgesetzbuch hat.
Weiter endet der Schutz des schwerbehinderten Menschen, wenn sich der Grad der
Behinderung auf weniger als 50 verringert.
Für diesen Fall sehen die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen
eine Auslauffrist vor. Der Schutz des schwerbehinderten Menschen erlischt erst
Ende des dritten Kalendermonats nach dem Eintritt der Rechtskraft des Bescheides,
mit dem die Verringerung des Grades der Behinderung festgestellt worden ist.
Für gleichgestellte behinderte Menschen werden die besonderen Regelungen nach
dem Widerruf oder der Rücknahme der Gleichstellung nicht mehr angewendet. (§
39
E NTZIEHUNG
DER BESONDEREN
H ILFE
116 Abs. 2 SGB IX). Die Gleichstellung kann widerrufen werden, wenn die in § 2
Abs. 3 SGB IX genannten Voraussetzungen weggefallen sind (z.B. wenn die besonderen Regelungen für gleichgestellte behinderte Menschen nicht mehr erforderlich sind, um einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1 SGB IX
zu erlangen oder zu erhalten, oder wenn der Grad der Behinderung auf weniger
als 30 herabgesetzt worden ist).
2.7
Entziehung der besonderen Hilfe
für schwerbehinderte Menschen
Das Integrationsamt (früher Hauptfürsorgestelle) kann einem schwerbehinderten
Menschen die besonderen Regelungen nach dem SGB IX zeitweilig entziehen (§
117 Abs. 1 SGB IX), wenn er
a) einen zumutbaren Arbeitsplatz ohne berechtigten Grund aufgibt oder zurückweist,
b) sich ohne berechtigten Grund weigert, an einer berufsfördernden Maßnahme
zur Rehabilitation teilzunehmen,
c) durch sein Verhalten schuldhaft eine Eingliederung in Arbeit und Beruf vereitelt.
Der Entzug der Vorteile des Schwerbehindertenrechtes darf höchstens für sechs
Monate erfolgen. Das Integrationsamt muss den Betroffenen anhören (§ 117 Abs.
1 SGB IX); wenn nicht, ist der Entzug rechtswidrig.
Dies gilt auch für gleichgestellte behinderte Menschen.
2.8
Rechtsstreitigkeiten
Nach § 51 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz ist bei Streitigkeiten über die Feststellung der
Behinderung, des Grades der Behinderung und der gesundheitlichen Merkmale für
die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sowie über die Ausstellung, Berichtigung und Einziehung der Ausweise der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben.
Vor Erhebung der Klage muss jedoch zunächst das Widerspruchsverfahren gegen
die Entscheidung der zuständigen Versorgungsbehörde erfolgen.
Die Frist für die Erhebung des Widerspruchs beträgt einen Monat von dem Zeitpunkt an gerechnet, in dem dem Betroffenen die Entscheidung, die er angreifen
will, bekannt gegeben worden ist.
Ist durch die entscheidende Behörde keine ordnungsgemäße Rechtsmittelbeleh-
40
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rung erfolgt, kann der Widerspruch auch noch nach Ablauf der Monatsfrist eingelegt werden. Der Widerspruch ist bei dem zuständigen Versorgungsamt einzulegen.
Gegen Entscheidungen der Agenturen für Arbeit, die diese im Rahmen ihrer Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch IX treffen (z. B. Entscheidung über die Gleichstellung gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX) sowie gegen Entscheidungen der Integrationsämter (z. B. über die zeitweilige Entziehung des Schwerbehindertenschutzes) ist
ebenfalls das Rechtmittel des Widerspruchs gegeben. Der Widerspruch ist innerhalb
eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung bei der Stelle zu erheben, die
die Entscheidung getroffen hat. Auch hier ist jedoch unter bestimmten Umständen,
z. B. bei nicht ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung, eine spätere Einlegung
von Rechtsmitteln noch möglich.
Eine Klage gegen Entscheidungen der genannten Stellen kann erst nach dem
Widerspruchsverfahren erhoben werden. Die Frist für die Klageerhebung beträgt
einen Monat ab Zustellung des Widerspruchsbescheides.
Bei Streitigkeiten über Entscheidungen der Agenturen für Arbeit sind die Sozialgerichte, bei Streitigkeiten über Entscheidungen der Integrationsämter und Versorgungsämter die Verwaltungsgerichte zuständig. Es empfiehlt sich, Kontakt mit der
Schwerbehindertenvertretung, Behindertenverbänden oder der zuständigen Gewerkschaft vor Beschreiten des Klageweges aufzunehmen.
2.9
Allgemeine amtliche Hinweise des
saarländischen Landesamtes für Soziales,
Gesundheit und Verbraucherschutz
Hinweise zum Antrag auf Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung, auf Anerkennung besonderer gesundheitlicher Merkmale sowie auf Ausstellung eines entsprechenden Ausweises nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch
(Schwerbehindertenrecht) sind auf den folgenden Seiten abgedruckt.
Als Nachweis darüber, dass der behinderte Mensch zu dem begünstigten Personenkreis gehört, gilt im Regelfall der gültige Ausweis für schwerbehinderte Menschen,
also Personen mit einen Grad der Behinderung von mindestens 50. Mit dem Vordruck ab Seite 45 können Sie einen solchen Ausweis beantragen.
Beim Ausfüllen hilft Ihnen das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz oder der zuständige Träger der Sozialhilfe im Bedarfsfall.
Ein Ausweis kann nur ausgestellt werden, wenn vorher festgestellt ist, welche Behinderungen vorliegen, wie hoch der sich daraus ergebende Grad der Behinderung
41
A LLGEMEINE
AMTLICHE
H INWEISE
ist und welche Nachteilsausgleiche gegeben sind. Das Antragsformular nach dem
SGB IX verfolgt drei Ziele:
•
•
•
die Feststellung des Grades der Behinderung nach § 69 Abs. 1 SGB IX,
die Feststellung bestimmter gesundheitlicher Merkzeichen zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen nach § 69 Abs. 4 SGB IX und
die Ausstellung eines Ausweises zur Wahrnehmung von Rechten und Nachteilsausgleichen nach § 69 Abs. 5 SGB IX.
Beantworten Sie bitte alle Fragen. Geben Sie alle Ärzte oder Ärztinnen an, bei
denen das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz Unterlagen
bezüglich der geltend gemachten Behinderungen anfordern kann. Siehe insbesondere Ziffer 8 des Antragsformulars. Hierbei ist der Zeitraum von zwei Jahren zu beachten (Ziffer 9). Es empfiehlt sich, den Hausarzt/die Hausärztin über die Antragstellung zu informieren, da das Landesamt diese im Regelfalle mit der Bitte um
einen Befundbericht anschreibt.
Unterlagen im Besitz des Antragstellers/der Antragstellerin, die als Nachweis über
das Vorliegen von Behinderungen und deren Art und Ausmaß gelten können, sollten dem Antrag beigegeben werden. Befragen Sie auch Ihren Hausarzt/Ihre Hausärztin, welche Facharztberichte dort vorliegen. All dies dient der schnelleren Abwicklung des Feststellungsverfahrens.
Der Ausweis bestätigt den vorliegenden Grad der Behinderung seit der Antragstellung. Wenn Sie Rechte oder Ansprüche, die Ihnen aus Ihrer Behinderung zustehen,
noch für die Vergangenheit geltend machen wollen oder können, so tragen Sie
bitte in den Antrag ein, von welchem Zeitpunkt an eine Prüfung und Bescheinigung erfolgen soll (Ziffer 12 im Antrag).
Berücksichtigen Sie dabei bitte, dass Nachteilsausgleiche für die Vergangenheit nur
sehr begrenzt in Anspruch genommen werden können und dass es dem Landesamt
für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz nur dann möglich ist, Gültigkeitsvermerke für die Vergangenheit einzutragen, wenn nachgewiesen werden kann,
dass die Behinderung, der Grad der Behinderung und die Nachteilsausgleiche für
den zurückliegenden Zeitraum tatsächlich vorgelegen haben.
Zu den Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen gehören unter anderem auch die unentgeltliche Beförderung auf Nahverkehrsmitteln (Freifahrt) und
die Kfz-Steuerermäßigung. Die Freifahrt steht den schwerbehinderten Menschen
zum einen unter der Voraussetzung zu, dass eine erhebliche Beeinträchtigung in
der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr besteht.
Dies ist z. B. der Fall, wenn ein schwerbehinderter Mensch infolge einer erheblichen
Einschränkung des Gehvermögens, auch durch schwere innere Leiden, oder infolge
von häufigen Anfällen oder besonderen Störungen der Orientierungsfähigkeit
nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder
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S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
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andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch
zu Fuß zurückgelegt werden. Dies ist im Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen„G“ eingedruckt.
Zum anderen kommt die Vergünstigung der unentgeltlichen Beförderung auf Nahverkehrsmitteln dem Personenkreis von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie
anderen Behinderten zu, die Versorgung in Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes erhalten. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge der anerkannten Schädigung muss jedoch wenigstens auf 70 festgestellt sein und bereits
am 1. Oktober 1979 vorgelegen haben (so genannter Besitzstand). Da diese Behinderten nicht als erheblich gehbehindert gelten, ist dort das Merkzeichen „G“ im
Ausweis nicht abgedruckt. Ebenso steht die Freifahrt den Schwerbehinderten zu,
denen vom Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz das Merkzeichen„H“ (Hilflosigkeit) wegen der Behinderung zuerkannt wurde oder bei
denen Gehörlosigkeit (Merkzeichen Gl) vorliegt, sofern das Merkzeichen „G“ nicht
aus anderen Gründen zugesprochen wurde. Dieser Personenkreis gilt als „freifahrtberechtigt“, so dass das Merkzeichen „G“ im Ausweis nicht aufgeführt ist. Anzumerken ist, dass es sich bei den behinderten Menschen, denen lediglich das Merkzeichen „H“ zuerkannt wurde, hauptsächlich um Kinder und Jugendliche handelt.
So gilt das Merkzeichen „H“ z. B. für jugendliche Diabetiker.
Seit 1. Januar 1987 gilt für gehörlose Menschen die gleiche Regelung wie für gehbehinderte Menschen (Übersicht auf Seite 116). Gehörlose erhalten einen Schwerbehindertenausweis, der zur Freifahrt im öffentlichen Personennahverkehr berechtigt, jedoch wird das Merkzeichen „G“ im Ausweis gelöscht.
Für behinderte Menschen, die das zehnte Lebensjahr vollendet haben, ist der Ausweis mit einem Lichtbild zu versehen. Sofern Sie erwarten, dass der Grad der Behinderung auf mindestens 50 festgestellt wird, dient es der Beschleunigung des
Verfahrens, wenn Sie dem Antrag bereits ein Passbild beifügen; andernfalls werden
Sie zur Einsendung aufgefordert, sobald feststeht, dass ein Grad der Behinderung
von mindestens 50 vorliegt. Die Kosten des Passbildes sind vom Antragsteller zu tragen. Das Passbild sollte neueren Datums sein.
Behinderte Menschen mit einem Bescheid des im Saarland zuständigen
Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz über einen Grad der
Behinderung von 30 oder 40 erhalten eine Bescheinigung, wenn eine dauernde
Einbuße der körperlichen Beweglichkeit vorliegt. In früheren Ausgaben unserer
Broschüre abgedruckte Bescheide und Bescheinigungen, die mittlerweile mittels
elektronischer Datenverarbeitung individuell gestaltet sind, sind nicht mehr enthalten, lediglich der Antrag nach dem Gesetz.
43
E UROPÄISCHE PARKKARTE
Europäische Parkkarte
Zum 1. Januar 2001 wurde der EU-einheitliche Parkausweis für schwerbehinderte
Menschen eingeführt.
Der EU-einheitliche Parkausweis gilt außer in Deutschland auch in allen anderen
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Belgien, Bulgarien, Dänemark,
Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland,
Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen,
Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische
Republik, Ungarn, Zypern), sowie in folgenden weiteren Ländern: Albanien,
Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Georgien, Island, Jugoslawien, Kroatien,
Liechtenstein, Norwegen, Mazedonien, Moldawien, Russland, Schweiz, Türkei,
Ungarn, Ukraine, Weißrussland. Dieser Ausweis wird wie bisher bei den Gemeinden
und Landratsämtern beantragt.
Neu ist, dass zur Ausstellung des EU-einheitlichen Parkausweises ein Lichtbild benötigt wird.
Der Ausweis ist amtlicher Nachweis für die Eigenschaft als schwerbehinderter
Mensch, den Grad der Behinderung, die auf ihm eingetragenen weiteren gesundheitlichen Merkmale und die Zugehörigkeit zu Sondergruppen. Er dient dem
Nachweis für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen, die
schwerbehinderten Menschen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch oder nach
anderen Vorschriften zustehen.
Änderungen in den für die Eintragungen maßgebenden Verhältnissen sind der ausstellenden Behörde unverzüglich mitzuteilen.
Nach Aufforderung ist der Ausweis, der Eigentum der ausstellenden Behörde
bleibt, zum Zwecke der Berichtigung oder Einziehung vorzulegen. Die missbräuchliche Verwendung ist strafbar.
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B ESCHEIDE
UND
F ORMULARE
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B ESCHEIDE
UND
F ORMULARE
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B ESCHEIDE
UND
F ORMULARE
50
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Merkzeichen und ihre gesundheitlichen
Voraussetzungen
G
Bedeutung: Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im
Straßenverkehr/erhebliche Gehbehinderung/Geh- und Stehbehinderung. Das Merkzeichen hat unter anderem Bedeutung für die
unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr und für
Nachteilsausgleiche bei der Steuer.
Gesundheitliche Voraussetzungen: In seiner Bewegungsfähigkeit im
Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt (inhaltsgleich mit erheblicher Gehbehinderung/Geh- und Stehbehinderung) ist, wer infolge
einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden,
oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne
Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Auskunft und Antragstellung: Freifahrt: Landesamt für Soziales,
Gesundheit und Verbraucherschutz; Steuer: Finanzamt
aG
Bedeutung: Außergewöhnliche Gehbehinderung. Das Merkzeichen
aG hat insbesondere Bedeutung für Parkerleichterungen und für
Nachteilsausgleiche bei der Steuer.
Gesundheitliche Voraussetzungen: Außergewöhnlich gehbehindert
sind solche Personen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen
Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu
tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder
zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere
schwerbehinderte Menschen, die auch auf Grund von Erkrankungen
dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind.
Auskunft und Antragstellung: Freifahrt: Landesamt für Soziales,
Gesundheit und Verbraucherschutz; Parkerleichterung: Straßenverkehrsbehörde; Steuer: Finanzamt
Parkerleichterung und spezielle Parkerleichterung
Gesundheitliche Voraussetzungen: Parkerleichterung können nur
schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehin-
51
M ERKZEICHEN
derung (aG) und Blinde (Bl) erhalten. Die spezielle Parkerleichterung
können erhalten Ohnhänder (Ohnarmer) und kleinwüchsige
Menschen mit einer Körpergröße von 1,39 Metern und darunter, auch
ohne Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung.
Auskunft und Antragstellung: Für Parkausweis: Straßenverkehrsbehörde (Passbild erforderlich), spezielle Parkerleichterung:
Straßenverkehrsbehörde
B
Bedeutung: Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson. Das
Merkzeichen hat insbesondere Bedeutung für die unentgeltliche
Beförderung einer Begleitperson des schwerbehinderten Menschen
im öffentlichen Nahverkehr. Durch das Gesetz zur Änderung des
Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze, das am 12. Dezember
2006 in Kraft getreten, ist eine Klarstellung dahingehend erfolgt, dass
schwerbehinderte Menschen, bei denen das Merkzeichen „B“ festgestellt ist, zur Mitnahme einer Begleitperson aber nicht verpflichtet
sind.
Gesundheitliche Voraussetzungen: Die Berechtigung zur Mitnahme
einer ständigen Begleitung wird bei schwerbehinderten Menschen,
die infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind,
als nachgewiesen anerkannt. „Die Feststellung bedeutet nicht, dass
die schwerbehinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine
Gefahr für sich oder andere darstellt.“
Auskunft und Antragstellung: Landesamt für Soziales, Gesundheit
und Verbraucherschutz
BI
Bedeutung: Blindheit. Das Merkzeichen hat insbesondere Bedeutung
für Nachteilsausgleiche bei der Steuer und für Parkerleichterungen.
Gesundheitliche Voraussetzungen: Blind ist der Schwerbehinderte,
dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist auch der
Schwerbehinderte anzusehen, dessen Sehschärfe so gering ist, dass er
sich in einer ihm nicht vertrauten Umgebung ohne fremde Hilfe nicht
zurechtfinden kann.
Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn auf dem besseren Auge eine
Sehschärfe von nicht mehr als 1/50 besteht oder wenn andere
Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzuachten
sind.
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Auskunft und Antragstellung: Steuer: Finanzamt; Parkerleichterungen: Straßenverkehrsbehörde
H
Bedeutung: Hilflosigkeit. Das Merkzeichen hat insbesondere
Bedeutung für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen
Personenverkehr und für Nachteilsausgleiche bei der Steuer.
Gesundheitliche Voraussetzungen: Hilflos ist der schwerbehinderte
Mensch, der infolge der Behinderung nicht nur vorübergehend für
die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen
im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfange fremder
Hilfe dauernd bedarf.
Bei bestimmten Behinderungen (z. B. Querschnittslähmung, Verlust
mehrerer Gliedmaßen, schweren Hirnschäden mit einem GdB von 100
usw.) wird die Hilflosigkeit stets oder in der Regel unterstellt.
Auskunft und Antragstellung: Freifahrt: Landesamt für Soziales,
Gesundheit und Verbraucherschutz; Steuer: Finanzamt
RF
Bedeutung: Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die
Befreiung von der Rundfunk-Fernsehgebührenpflicht/Gebührenermäßigung für den Fernsprechhauptanschluss.
Gesundheitliche Voraussetzungen: Die Voraussetzungen erfüllen u. a.
• Sonderfürsorgeberechtigte nach § 27 e des Bundesversorgungsgesetzes,
• Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich Sehbehinderte mit
einem Behinderungsgrad ab 60 allein wegen der Sehbehinderung,
• Hörgeschädigte, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende
Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist,
• Behinderte Menschen ab einem Behinderungsgrad von mindestens
80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können (weder im Freien noch in geschlossenen Räumen), auch nicht mit Hilfsmitteln (z. B. Rollstuhl) oder
Begleitperson.
Auskunft und Antragstellung: Mit dem Achten Staatsvertrag) zur
Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) traten zum 1. April 2005 die Rundfunkbefreiungsverordnungen der Länder außer Kraft. Mit dieser Änderung obliegt die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht seit 1.
April 2005 nicht mehr den Sozialbehörden, sondern den jeweiligen
53
M ERKZEICHEN
Landesrundfunkanstalten, die ihrerseits die GEZ Köln beauftragt
haben, das Verfahren in ihrem Auftrag zentral durchzuführen. (s.
auch 6.5, Seiten 120 f).
Wegen einer Gebührenermäßigung für den Fernsprechhauptanschluss (Stichwort: Sozialtarif) wenden Sie sich an die Telekom. Die
Telekom gewährt (übrigens freiwillig) den zusätzlichen Sozialtarif für
bestimmte Kunden mit vorhandenem T-Net oder T-ISDN
Mehrgeräteanschluss (nicht Anlagenanschluss), wenn dieser nicht
überwiegend gewerblich genutzt wird.
GI
Bedeutung: Gehörlos. Das Merkzeichen hat u. a. Bedeutung für die
unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr und für
Nachteilsausgleiche bei der Steuer.
Gesundheitliche Voraussetzungen: Gehörlos sind Hörbehinderte, bei
denen Taubheit beiderseits vorliegt, sowie Hörbehinderte mit einer
an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn daneben
schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliegen. Das sind in der Regel Hörbehinderte, bei
denen die an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit angeboren oder in
der Kindheit erworben worden ist.
Auskunft und Antragstellung: Freifahrt: Landesamt für Soziales,
Gesundheit und Verbraucherschutz; Steuer: Finanzamt
1. KI.
Bedeutung: Notwendigkeit der Unterbringung in der 1. Wagenklasse.
Bei Reisen mit der Deutschen Bahn AG kann der schwerbehinderte
Mensch die 1. Wagenklasse mit Fahrausweis 2. Klasse benutzen.
Dieser Nachteilsausgleich kommt nur für Schwerkriegsbeschädigte
mit einer schädigungsbedingten MdE ab 70 v.H. und für NS-Verfolgte
mit einer schädigungsbedingten MdE ab 70 v.H. in Betracht.
Gesundheitliche Voraussetzungen: Der Zustand des/der Beschädigten
muss bei Eisenbahnfahrten dessen/deren Unterbringung in der ersten
Wagenklasse erfordern. Bei dieser Beurteilung können nur die anerkannten Schädigungsfolgen, nicht aber schädigungsunabhängige
Gesundheitsstörungen („zivile Behinderungen“) berücksichtigt werden.
Auskunft und Antragstellung: Landesamt für Soziales, Gesundheit
und Verbraucherschutz; Deutsche Bahn AG
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3
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Der behinderte Mensch
am Arbeitsplatz
Ziel des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von behinderten Menschen und die Beseitigung der Hindernisse, die ihrer Chancengleichheit entgegenstehen. Wie dies zu erreichen ist und
welche Hilfen in Anspruch genommen werden können bzw. wer Ansprechpartner
ist, wird in diesem Kapitel behandelt.
3.1
Der Arbeitsplatz muss stimmen
Stimmen die Fähigkeiten des behinderten Menschen und die Anforderungen des
Arbeitsplatzes überein, kann von einer Leistungsminderung in Verbindung mit dem
Begriff „behinderter Mensch“ nicht gesprochen werden. Nachfolgend beschriebene Schritte sollen zur Übereinstimmung von Fähigkeit und Anforderung beitragen.
Die behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen als eine besondere
Form der menschengerechten Gestaltung der Arbeit setzt eine Reihe spezieller
Kenntnisse voraus. Entscheidendes Kriterium für eine behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeit:
Die Arbeit muss ausführbar und erträglich sein, sie sollte der Behinderung angepasst werden.
Erfordert die Art und Schwere der Behinderung eine Reduzierung der Arbeitszeit,
so können schwerbehinderte Menschen eine Teilzeitbeschäftigung fordern.
3.1.1
Eignungsprofil
Behinderungen können unterschiedliche Ursachen haben, die sich auf die Einsatzfähigkeit des Schwerbehinderten auswirken. Es bedarf einer arbeitsmedizinischen
Feststellung, wieweit der schwerbehinderte Mensch in seinen Leistungsfunktionen
eingeschränkt ist.
Eignungseinschränkungen im Hinblick auf Körperhaltung, Körperbewegung, Gebrauch der Sinnesorgane und Anforderungen an die Arbeitsumgebung sind entscheidend für seinen beruflichen Einsatz und für Art und Umfang der nachgehenden Hilfe am Arbeitsplatz.
55
D ER
BEHINDERTE
3.1.2
M ENSCH
AM
A RBEITSPLATZ
Anforderungsprofil
In Betracht kommende Arbeitsplätze werden erfasst. Arbeitsbedingungen und
Arbeitsanforderungen werden ermittelt, die der Arbeitsplatz und die auszuführende Tätigkeit an den Arbeitenden stellen:
• Die zu übertragende Arbeitsaufgabe muss beschrieben werden. Was geschieht
an diesem Arbeitsplatz?
• Welche Ausbildung, welche Kenntnisse, welche Erfahrung muss der Arbeitsausführende haben?
• Mit welcher Geschicklichkeit oder Handfertigkeit muss die Arbeit ausgeführt
•
•
•
•
•
•
•
werden? Werden gesteigerte Anforderungen an die Körperbeherrschung gestellt?
Ist die Ausführung der Arbeit mit einer besonderen Verantwortung für das Enderzeugnis, das Betriebsmittel, die Arbeitssicherheit oder den Arbeitsablauf verbunden?
Ist die Arbeitsausführung mit besonderen Anforderungen an die Sinnesorgane,
an die Wahrnehmung verbunden?
Inwieweit werden durch die Tätigkeit Körperteile oder Einzelmuskelgruppen belastet? Ist die Belastung gering, unter 1 kg, mittel (ca. 1 bis 3 kg), schwer (Werkzeuge oder Hantierungen über 3 kg, Tragen über 10 kg) oder sehr schwer
(Hantierungen oder Tragen über 30 kg)? Wie hoch ist die Dauer der Beanspruchung in Stunden je Schicht?
Ist bei Ausführung der Tätigkeit mit besonderen Umgebungseinflüssen zu rechnen? Mit außergewöhnlichen Temperaturen, Schmutz, Staub, Gasen, Dämpfen,
Lärm, Erschütterungen, Lichtmangel oder Blendung, Erkältungsgefahr, Unfallgefährdung?
Welche Betriebsmittel sind zur Ausführung der Tätigkeit notwendig? In welchen
Dimensionen sind die Betriebsmittel ausgelegt, sind besondere Vorrichtungen
vorhanden, wie groß, schwer, sperrig?
Wie ist bei Ausführung der Tätigkeit der Arbeitsablauf organisiert: Einzelarbeit,
Fluss-System, unterbrochene oder ununterbrochene Ablauffolge?
Ist für die Erledigung der Arbeitsaufgabe ein besonderes Lohnsystem vorgesehen: Leistungslohn, Zeitlohn, Zeitvorgabe?
3.1.3
Auswahl des geeigneten Arbeitsplatzes
Vergleich von Eignungsprofil und Anforderungsprofil ermittelt den geeigneten
Arbeitsplatz. In vielen Fällen ist eine Übereinstimmung nicht ohne Weiteres zu erreichen. Hier muss behinderungsgerechte Gestaltung den Arbeitsplatz auf den
schwerbehinderten Menschen anpassen.
56
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
3.1.4
UND IHR
R ECHT
Arbeitsgestaltung
Die Arbeitsbedingungen müssen den physischen und psychischen Anlagen und
Fähigkeiten des Menschen entsprechen. Besondere Zielsetzung ist es dabei, die
Arbeitsaufgabe des schwerbehinderten Menschen seinen ausgefallenen oder eingeschränkten Körperfunktionen anzupassen und den Arbeitsplatz entsprechend
dem individuellen Leistungsbild so zu gestalten, dass eine maximale technische
Ergiebigkeit und Wirtschaftlichkeit erreicht wird.
Die Faktoren der Gestaltung von Arbeitssystemen sind:
• konstruktive Gestaltung (z. B. durch eine produktionsgerechte Konstruktion),
• technologische Gestaltung (z. B. durch die Auswahl des Werkstoffes und dessen
Bearbeitung),
• fertigungstechnische Gestaltung (z.B. durch die Fertigungsmethode und den
Grad der Mechanisierung),
• arbeitstechnische Gestaltung (z. B. durch Bewegungs- und Zeitstudium),
• organisatorische Gestaltung (z. B. durch Arbeitsteilung oder Einteilung der
Arbeitszeit),
• sicherheitstechnische Gestaltung,
• physiologische Gestaltung (z. B. durch Beeinflussung des Klimas im Arbeitsraum),
• informationstechnische Gestaltung (z. B. Verfahren und Darstellung der Information, An- und Zuordnung der Bedienungselemente),
• psychologische Gestaltung (z. B. Stimulation der Motivation, Entlohnungsmethode, Führungstechniken),
• soziologische Gestaltung (z.B. Gruppenbildung, Statussicherung).
Welche der angeführten Gestaltungsmöglichkeiten – einzeln oder in Verbindung
miteinander – im konkreten Fall gewählt werden, richtet sich nach
• dem Bau, der Konstruktion des menschlichen Körpers unter Berücksichtigung
der sich aus der Behinderung ergebenden Abweichungen und nach
• den Leistungsfunktionen des menschlichen Körpers (physiologisch, psycho-
logisch, bewegungstechnisch, informationstechnisch) entsprechend den im Leistungsprofil festgestellten Daten des jeweiligen behinderten Menschen.
3.2
Beispiele der an einen Arbeitsplatz für behinderte Menschen zu stellenden Anforderungen
Die folgende Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll ein
Leitfaden sein zur Gestaltung behindertengerechter Arbeitsplätze.
Q Hirnverletzungen ohne Anfälle
Keine Arbeiten:
57
A RBEITSPLATZ -A NFORDERUNGEN
1. unter Lärmeinwirkung,
2. unter Hitzeeinwirkung,
3. mit hohen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen,
4. unter dauerndem Zeitdruck,
5. am Fließband oder taktgebundene Arbeiten,
6. im Akkord,
7. bei denen schnelle Reaktionen verlangt werden,
8. die mit häufigem Bücken, mit schwerem Heben und Tragen oder dauernden
körperlichen Anstrengungen verbunden sind,
9. an schnell laufenden Maschinenteilen,
10. auf Leitern und Gerüsten.
Q Hirnverletzungen mit Anfällen
Wie bei „Hirnverletzungen ohne Anfälle”, außerdem keine Arbeiten,
1. die nicht zu ebener Erde ausgeführt werden können,
2. an Plätzen, die nur über ungesicherte Wege zu erreichen sind,
3. bei denen der schwerbehinderte Mensch längere Zeit allein ist,
4. die auch nur kurzfristig mit körperlichen Anstrengungen verbunden sind,
5. zwischen schnell laufenden oder scharfkantigen Maschinenteilen,
6. an stromführenden Teilen,
7. auf Fahrzeugen und Kränen,
8. in Tanks, Rohrleitungen oder engen Räumen.
Q Tbc-Erkrankungen
Keine Arbeiten:
1. unter starker Hitzeeinwirkung,
2. in Zugluft,
3. unter Nässeeinwirkung,
4. in unmittelbarer Berührung mit Nahrungsmitteln,
5. die mit schwerem Heben, Tragen oder dauernden körperlichen Anstrengungen
verbunden sind.
Q Erkrankungen der Atemwege
Keine Arbeiten:
58
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
1. in Zugluft,
2. bei Nässe,
3. unter starken Temperaturschwankungen
4. unter Hitzeeinwirkung,
5. unter Staubeinwirkung, insbesondere keine Schleif- oder Schneidearbeiten an
Steinen und Kunststoffen sowie Arbeiten mit Asbest,
6. mit Reizungen der Atemwege durch Gas oder starke Gerüche,
7. bei denen auch nur zeitweilig Atemschutzgeräte getragen werden müssen,
8. die mit schwerem Heben, Tragen oder dauernden körperlichen Anstrengungen
verbunden sind.
Q Erkrankungen der Verdauungsorgane
Keine Arbeiten:
1. bei denen Chemikalien in gas- oder staubförmiger Art eingeatmet werden,
2. die ständig eine gebückte Haltung erfordern,
3. bei denen Wechselschichten erforderlich sind,
4. bei denen die Einhaltung einer verordneten Diät nicht möglich ist.
Q Herz- und Kreislauferkrankungen
Keine Arbeiten:
1. unter starkem Zeitdruck oder im Akkord,
2. die auch nur kurzfristig mit körperlichen Anstrengungen verbunden sind,
3. bei denen Wechselschichten gefahren werden müssen,
4. unter schlechten Luftverhältnissen.
Q Erkrankungen der Wirbelsäule
Keine Arbeiten:
1. die häufiges Bücken, schweres Heben oder Tragen erfordern,
2. die ständiges Sitzen oder Stehen erfordern,
3. in Zwangshaltungen,
4. die häufiges Besteigen von Leitern und Gerüsten erfordern.
Q Verlust eines Auges
Keine Arbeiten:
1. bei denen räumliches Sehen erforderlich ist, insbesondere das Führen von Fahr-
59
A RBEITSPLATZ -A NFORDERUNGEN
zeugen und Kränen,
2. unter ungünstigen Lichtverhältnissen (Flimmern, Flackern, schneller Wechsel der
Lichtverhältnisse),
3. bei denen schnell laufende Maschinenteile zu beobachten sind,
4. bei denen eine Gefährdung des verbliebenen Auges durch umherfliegende
Materialsplitter oder durch Funkenflug gegeben ist, wenn nicht sicher gestellt
ist, dass ständig eine Schutzbrille getragen wird.
Q Verlust eines Unterschenkels
Keine Arbeiten:
1. bei denen ständiges Stehen oder Gehen erforderlich ist,
2. bei denen das Besteigen von Leitern und Gerüsten erforderlich ist,
3. auf schiefen Ebenen und glatten oder rutschigen Flächen,
4. bei denen schweres Heben oder Tragen erforderlich ist.
Q Verlust eines Oberschenkels
Wie bei „Verlust eines Unterschenkels”, außerdem keine Arbeiten:
1. an Plätzen, die nur durch lange Fußwege, über Treppen erreichbar sind,
2. die häufiges Bücken oder Erheben vom Sitzplatz erfordern,
3. auf Fahrzeugen,
4. bei denen Fahrzeugen oder Maschinenteilen ausgewichen werden muss.
Q Verlust oder Gebrauchsunfähigkeit einer Hand
Keine Arbeiten:
1. die schweres Heben oder Tragen erfordern,
2. die das Besteigen von Leitern oder Gerüsten notwendig machen,
3. bei denen Fahrzeuge oder Kräne bedient werden müssen.
Q Taubheit oder erhebliche Beeinträchtigung der Hörfähigkeit
Keine Arbeiten:
1. bei denen akustische Signale zu beachten sind, insbesondere keine Arbeiten auf
Verkehrswegen,
2. bei denen eine dauernde Kommunikation mit Mitarbeitern erforderlich ist,
3. mit Publikums- oder Telefonverkehr,
4. in feuer- oder explosionsgefährdeten Bereichen.
Weitere Informationen über ausgewählte Behinderungen und deren arbeitsmedizi-
60
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
nische Aspekte sowie technische Hilfen und organisatorische Hinweise erhalten Sie
bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder den Integrationsämtern.
3.3
Aufgaben des Arbeitgebers
Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, besonders mit bei der Agentur für Arbeit gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können (§ 81 Abs. 1 SGB IX).
Des Weiteren sind die Arbeitgeber verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen
sicherzustellen, dass in ihren Betrieben und Dienststellen wenigstens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung finden kann (§ 81 Abs. 3 SGB IX). Bei vorliegenden Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen verlangt die weitere Prüfungspflicht den Vergleich von Anforderungs- und Eignungsprofil.
Der technische Beratungsdienst der Agenturen für Arbeit sollte einbezogen werden, wenn Differenzen zwischen dem Anforderungs- und dem Eignungsprofil des
behinderten Menschen anzunehmen sind. Die Berater sind vertraut mit vielen
Einzelhilfen, sie wissen, wie ein Arbeitsplatz behinderungsgerecht angepasst werden kann, ohne dass die Wirtschaftlichkeit darunter leidet. Finanzielle Hilfe durch
die Bundesagentur für Arbeit soll Betrieben ihre Einstellungsbereitschaft erleichtern helfen.
3.3.1
Benachteiligungsverbot
Das in § 81 Abs. 2 in das SGB IX aufgenommene Benachteiligungsverbot wurde
durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 (BGBl
I 2006, 1897 geändert durch Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 (BGBI
I 2742) bestätigt (vgl. Broschüre „Arbeitsrecht für jeden“).
Über das bisherige Benachteiligungsverbot für schwerbehinderte Menschen hinaus
sollen durch dieses Gesetz jedwede Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder
Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindert oder beseitigt werden. Anders als in der Regelung des § 81 Abs. 2 SGB IX in der
bis 17. August 2006 geltenden Fassung enthaltene Diskriminierungsverbot schützt
das AGG nur schwerbehinderte Beschäftigte mit einem GdB von wenigstens 50 v.H.
sowie Gleichgestellte. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes
erfasst der Begriff „Behinderung“ im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG vom 27.
November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung
der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dagegen jede Einschränkung,
die auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist
61
A UFGABEN
DES
A RBEITGEBERS
und die ein länger andauerndes Hindernis für die Teilhabe am Berufsleben bildet.
§ 81 Abs. 2 SGB IX war daher bis zum Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) europarechtskonform anzuwenden, d.h. diese Regelung galt
auch für schwerbehinderte Beschäftigte mit einem Grad der Behinderung von
unter 50 (BAG, Az: 9 AZR 823/06 vom 10. April 2007).
Unzulässige Benachteiligungen im Sinne des AGG werden in:
a) unmittelbare Benachteiligung,
b) mittelbare Benachteiligung,
c) Belästigung,
d) sexuelle Belästigung,
e) Anweisung zur Benachteiligung einer Person,
unterschieden und deren rechtliche Wirkung unterschiedlich bewertet.
Der Gesetzgeber hat sich für den Begriff der „Benachteiligung“ statt der „Diskriminierung“ entschieden, um deutlich zu machen, dass nicht jede unterschiedliche
Behandlung, die mit der Zufügung eines Nachteils verbunden ist, diskriminierenden Charakter hat. Für bestimmte Fälle wird eine unterschiedliche Behandlung ausdrücklich zugelassen (wegen beruflicher Anforderungen, der Religion oder der
Weltanschauung, des Alters). Um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten,
sind Vorschriften über Entschädigung und Schadensersatz im Falle der Verletzung
des Benachteiligungsverbotes vorgesehen.
Die Beweislast ist für die Benachteiligten vereinfacht, da die Beweislast umgekehrt
wurde. Das heißt, wer sich benachteiligt sieht, muss Tatsachen glaubhaft machen,
die auf eine Benachteiligung schließen lassen. Die Beweislast wird auf die andere
Partei (z. B. den Arbeitgeber) übertragen und muss dann beweisen, dass keine
Benachteiligung vorliegt. Weiterhin werden die Rechte von der/dem Betroffenen
zur Durchsetzung von Rechten zusätzlich dadurch erleichtert, dass die Einschaltung
unterstützender Antidiskriminierungsverbände (als Beistände) zugelassen wird.
Ebenfalls wurde eine Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit klar definiertem
Überwachungsauftrag errichtet.
3.3.2
Behindertengerechte Gestaltung der Arbeit
Nach § 81 Abs. 4 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihrem
Arbeitgeber einen individuellen, einklagbaren Anspruch darauf, dass ihr
Arbeitgeber Arbeitsräume, Betriebsvorrichtungen, Maschinen und Gerätschaften
unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr so einrichtet und den Betrieb
so regelt, dass schwerbehinderte Menschen in ihren Betrieben dauerhafte Beschäftigung finden. Nach § 81 Abs. 5 sind Arbeitgeber verpflichtet, die Einrichtung von
Teilzeitarbeitsplätzen zu fördern. Fordert der behinderte Mensch wegen der Art
und Schwere der Behinderung eine Teilzeitbeschäftigung und seine Arbeitszeit
62
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
muss deshalb verkürzt werden, so muss der Arbeitgeber diesem Wunsch entsprechen.
Die Arbeitgeber sind ferner verpflichtet, den Arbeitsplatz mit den erforderlichen
technischen Arbeitshilfen auszustatten.
Diese Verpflichtungen bestehen nicht, soweit ihre Durchführung den Betrieb ernstlich schädigen würde, mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre
oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften ihnen entgegenstehen (Kriterien Betriebsgröße und finanzielle Situation).
3.3.3
Zuschüsse bei Integrationsamt, Agentur für Arbeit oder
Rehabilitationsträgern beantragen
Zu den Kosten der behinderungsgerechten Gestaltung oder Neueinrichtung von
Arbeits- bzw. Ausbildungsplätzen können Arbeitgeber Zuschüsse erhalten. Ob eine
Leistung zu gewähren ist und von welchem Rehabilitationsträger, teilt das Integrationsamt auf Anfrage mit. Einzelheiten regeln die Ausgleichsabgabeverordnung,
Leistungen des Integrationsamtes und der Bundesagentur für Arbeit.
3.3.4
Bevorzugte Förderung der beruflichen Bildung
Die Arbeitgeber haben schwerbehinderte Menschen so zu beschäftigen, dass diese
ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln
können. Sie haben die schwerbehinderten Menschen zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung bevorzugt zu berücksichtigen (§ 81 Abs. 4 SGB IX).
3.4
Freistellung von Mehrarbeit
Schwerbehinderte Menschen sind auf ihr Verlangen nach § 124 SGB IX von Mehrarbeit freizustellen. Sinn dieser Bestimmung ist es, dass die Leistungsfähigkeit nicht
über Gebühr in Anspruch genommen wird.
Hierbei ist laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 8. November
1989, AZ.: 5 AZR 642/88) unter Mehrarbeit nur die Arbeitszeit zu verstehen, die die
normale gesetzliche Arbeitszeit von acht Stunden nach § 3 des Arbeitszeitgesetzes
überschreitet. Überarbeit, d. h. solche Arbeit, die über die Arbeitszeit hinausgeht,
die der Arbeitnehmer laut Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebs- oder Dienstvereinbarung am jeweiligen Arbeitstag zu leisten verpflichtet ist, stellt demgegenüber nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts keine Mehrarbeit im Sinne von
§ 124 SGB IX dar, solange die Acht-Stundengrenze nicht überschritten wird. Bei Ver-
63
F REISTELLUNG
VON
M EHRARBEIT
einbarung von Teilzeitarbeit ist jedoch zu beachten, dass – unabhängig von § 124
SGB IX – Teilzeitbeschäftigte in wesentlich eingeschränkterem Maß als Vollzeitkräfte zur Leistung von Überstunden verpflichtet sind (vgl. dazu näher unsere Broschüre „Teilzeitbeschäftigung”).
3.5
Anspruch auf Zusatzurlaub
3.5.1
Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX
Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen
Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr; verteilt sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf mehr oder weniger als fünf Arbeitstage
in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub entsprechend.
Soweit tarifliche, betriebliche oder sonstige Urlaubsregelungen für schwerbehinderte Menschen einen längeren Zusatzurlaub vorsehen, bleiben sie unberührt.
Gleichgestellte im Sinne von § 2 SGB IX haben keinen Anspruch auf Zusatzurlaub.
Der gesetzliche Zusatzurlaub gemäß § 125 SGB IX ist kein Sonderurlaub. Er stellt
vielmehr einen zusätzlichen Erholungsurlaub dar, der zu dem Grunderholungsurlaub, der allen Arbeitnehmern zusteht, hinzukommt. „Mehrurlaub“, den der
Arbeitgeber über Gesetz oder Tarifvertrag hinaus gewährt, darf nicht auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen angerechnet werden.
Anspruch auf den Zusatzurlaub hat jeder schwerbehinderte Mensch mit einem
Grad der Behinderung von wenigstens 50. Selbst dann, wenn das Landesamt für
Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz der Schwerbehinderteneigenschaft
gemäß § 69 SGB IX noch nicht zugestimmt hat, besteht Anspruch auf Zusatzurlaub.
Als zusätzlicher Erholungsurlaub teilt der Zusatzurlaub das Schicksal des Grundurlaubs. Entstehen und Erlöschen des Anspruchs auf Zusatzurlaub richten sich nach
dem Grundurlaub. Zusatzurlaub ist kein Teilurlaub.
Berechnung:
Arbeitet ein schwerbehinderter Mensch weniger oder mehr als an fünf Tagen (Teilzeit oder rollierendes System), so ist der Zusatzurlaub entsprechend seiner persönlichen Arbeitszeit höher und niedriger zu bemessen. Auszugehen ist von 52
Wochen zu je fünf Arbeitstagen, also von 260 Arbeitstagen.
Arbeitet ein teilzeitbeschäftigter schwerbehinderter Mensch nur
130 Tage, so hat er Anspruch auf 130 : 5 = 2,5 Tage Zusatzurlaub.
Arbeitet ein schwerbehinderter Mensch in einem rollierenden System in einigen
Wochen an sechs Tagen und in anderen Wochen an fünf Tagen, so sind seine konkreten Arbeitstage, bezogen auf das Urlaubsjahr, festzustellen. Betragen die
Arbeitstage im Urlaubsjahr zum Beispiel 273, so erhält der schwerbehinderte Mensch
273 x 5 : 260 = 5,25 Tage Zusatzurlaub.
beispiel
64
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Bruchteile von Urlaubstagen werden weder auf- noch abgerundet (BAG-Urteile
vom 31. Mai 1990 – 8 AZR 296/89 – und vom 22. Oktober 1991 – 9 AZR 373/90). § 5
Bundesurlaubsgesetz gilt hier nicht, weil es sich nicht um einen Teilurlaub im Sinne
dieser Regelung handelt.
Neue Absätze 2 und 3 befassen sich mit dem Umfang des Zusatzurlaubs in Sonderfällen: Bei Eintritt oder Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft im Verlaufe des
Kalenderjahres und bei rückwirkender Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.
Liegt die Schwerbehinderteneigenschaft nicht während des gesamten Kalenderjahres vor, hat ein schwerbehinderter Mensch nicht mehr Anspruch auf den vollen
Zusatzurlaub, sondern nur auf anteiligen – 1/12 des vollen Zusatzurlaubs für jeden
vollen Monat. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind aufzurunden.
Was mit Zusatzurlaubstagen geschieht, deren Bruchteile weniger als 0,5 ergeben,
ist nicht geklärt. Nach gängiger Regelung müssten diese Fälle auf ganze
Urlaubstage abgerundet werden. Der dabei ermittelte Zusatzurlaub ist dem
Gesamt-Urlaubsanspruch hinzuzurechnen. Der so ermittelte, anteilige Zusatzurlaub
darf bei einer nicht ganzjährigen Beschäftigung nicht nochmals gekürzt werden.
Dies gilt in den Fällen, in denen die Anerkennung nicht das ganze Jahr vorliegt und
im gleichen Jahr die Beschäftigung beendet wird.
Es ist davon auszugehen, dass geringere Bruchteile nicht abzurunden, sondern in
dem geringeren Umfang zu gewähren sind. Der so errechnete Zusatzurlaub verlängert den Erholungsurlaub (Art. 1 Nr. 31, § 125 Abs. 2 SGB IX). Wird die Schwerbehinderteneigenschaft rückwirkend festgestellt, kann Zusatzurlaub aus den vergangenen Jahren nicht beansprucht werden (Art. 1 Nr. 31, § 125 Abs. 3 SGB IX).
Zusatzurlaub verfällt ebenso wie Grundurlaubsanspruch mit dem Ablauf des
Urlaubsjahres, wenn er nicht genommen wurde oder die Voraussetzungen für eine
Übertragung des Urlaubs nicht vorliegen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung (BAG-Urteile vom 26. Juni 1986, AZ: 8 AZR 266/84 und vom 4.
September 1986, AZ: 8 AZR 112/84) festgehalten.
Der zusätzliche Erholungsurlaub sollte stets rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres ordnungsgemäß beim Arbeitgeber geltend gemacht werden.
Nach dem Bundesurlaubsgesetz ist das Urlaubsjahr grundsätzlich das Kalenderjahr.
Die Geltendmachung muss also rechtzeitig vor Ablauf des Kalenderjahres erfolgen,
um einem Erlöschen des Urlaubsanspruches entgegenzuwirken. Gilt für das betreffende Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag und legt dieser das Urlaubsjahr abweichend vom Kalenderjahr fest, so ist der Zusatzurlaub rechtzeitig vor Ablauf des
maßgeblichen tariflichen Urlaubsjahres geltend zu machen.
Die ordnungsgemäße Geltendmachung vor Ablauf des Urlaubsjahres ist auch dann
65
Z USATZURLAUB
erforderlich, wenn der Arbeitnehmer zu dem Zeitpunkt, zu dem er den Zusatzurlaub beansprucht, zwar schwerbehindert im Sinne des SGB IX ist, die Schwerbehinderung aber durch das Landesamt für Soziales, Gesundheit und
Verbraucherschutz noch nicht festgestellt ist.
Für diesen Fall hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteilen vom 26. Juni 1986 (AZ: 8
AZR 266, 371, 550, 555/84, 8 AZR 75/83) folgende Regeln aufgestellt:
Ein Arbeitnehmer, der den Zusatzurlaub vor der behördlichen Feststellung verlangt, muss gegenüber dem Arbeitgeber seine Behinderung geltend machen und
außerdem verlangen, dass der Arbeitgeber ihm den Zusatzurlaub für das laufende
Urlaubsjahr gewährt. Weigert sich der Arbeitgeber, den Urlaub zu erteilen, gerät er
in Leistungsverzug.
Dem Arbeitnehmer steht dann als Schadensersatzanspruch Ersatzurlaub zu, wenn
der Urlaubsanspruch bis zur rechtskräftigen Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft zwischenzeitlich erloschen ist.
Die Erklärung des Arbeitnehmers, er mache den Zusatzurlaub nur „vorsorglich“
geltend, oder er wolle ihn „anmelden“, begründet den Leistungsverzug nicht. Erhebt der Arbeitnehmer Klage auf Gewährung des Zusatzurlaubes, kann dem der
Arbeitgeber nicht damit begegnen, ein Feststellungsbescheid sei noch nicht ergangen.
Bestreitet der Arbeitgeber die Behinderung, ist jedoch der Arbeitnehmer hierfür
beweispflichtig.
Gewährt der Arbeitgeber den Urlaub im laufenden Urlaubsjahr trotz ordnungsgemäßer Geltendmachung nicht, sollte rechtzeitig vor Ablauf des Übertragungszeitraumes (gemäß § 7 Abs. 3 BUrIG: 31. März des Folgejahres; eventuell abweichendes Datum bei Anwendbarkeit von Tarifverträgen) der Urlaubsanspruch
nochmals geltend gemacht werden.
Wird der Zusatzurlaub trotz ordnungsgemäßer Geltendmachung nicht gewährt
und stellt das Integrationsamt später rückwirkend die Schwerbehinderteneigenschaft fest, so stehen dem Arbeitnehmer als Schadensersatzanspruch so viele Tage
Ersatzurlaub zu, wie ihm Zusatzurlaubstage im maßgeblichen Urlaubsjahr bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Zusatzurlaubsanspruchs zugestanden hätten.
Q Abgeltung von Zusatzurlaub
Kann der gesetzliche Zusatzurlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
nicht gewährt werden, so ist er nach § 7 Abs. 4 BUrIG abzugelten (BAG-Urteil vom
25. Juni 1996 – 9 AZR 182/95). Der Abgeltungsanspruch entsteht ohne vorherige
Geltendmachung des Freistellungsanspruchs und wenn erstmals nach Ende des
Arbeitsverhältnisses auf die Schwerbehinderung verwiesen wird.
66
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
3.5.2
UND IHR
R ECHT
Saarländische Sonderregelung über Zusatzurlaub
Einen Zusatzurlaub von drei Arbeitstagen hatten bisher unter bestimmten Voraussetzungen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von 25 bis unter
50 erhalten.
Q Änderung seit 1. Januar 2000
Laut Beschluss des Landtages vom 23. Juni 1999 ist das Gesetz betreffend Regelungen des Zusatzurlaubes für kriegs- und unfallbeschädigte Arbeitnehmer in der
Privatwirtschaft vom 22. Juni 1950 (Amtsblatt S. 759), zuletzt geändert durch
Artikel 10 § 2 des Gesetzes vom 27. November 1996 (Amtsblatt S. 1313), ab dem 1.
Januar 2000 wie folgt geändert:
Seit 1. Januar 2000 ist dieses Gesetz außer Kraft, aber Anspruchsberechtigte, die bis
zur Außerkraftsetzung dieses Gesetzes einen Rechtsanspruch auf Zusatzurlaub hatten, erhalten diesen Zusatzurlaub weiter.
Q Öffentlicher Dienst
Im öffentlichen Dienst ist seit dem 1. Januar 1997 durch die Verordnung zur Änderung der Urlaubsverordnung für die saarländischen Beamten und Richter vom 15.
Mai 1996 der Zusatzurlaub von drei Arbeitstagen für behinderte Menschen mit
einem Grad der Behinderung (MdE) von 25 bis 50 gestrichen.
3.5.3
Zusatzurlaub bei Herabsetzung des Grades der
Behinderung
Wird durch einen Änderungsbescheid des Landesamtes für Soziales, Gesundheit
und Verbraucherschutz im Saarland, sonst des Versorgungsamtes, der Grad der Behinderung auf unter 50 herabgesetzt, endet der Anspruch auf Zusatzurlaub erst am
Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides. Wird der Änderungsbescheid durch Widerspruch und danach durch Klage angefochten, dann erlischt der Anspruch auf Zusatzurlaub erst mit Ende des dritten
Kalendermonats, der auf die Unanfechtbarkeit des letzten Bescheides erfolgt.
Der Änderungsbescheid vom 9. August 1999 setzte den Grad der
Behinderung von Hans Mayer von 60 auf 40 herab. Mayer legte
innerhalb der Monatsfrist keinen Widerspruch ein. Die Dreimonatsfrist begann also
am 1. Oktober und endete am 31. Dezember. Mayer hat Anspruch auf den gesamten Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen.
beispiel
67
E INSTELLUNG , U RLAUBSENTGELT, U RLAUBSGELD
3.6
Einstellung, Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld
3.6.1
Pflichten bei Einstellung
Die Frage eines Arbeitgebers bei der Einstellung eines Stellenbewerbers nach dessen Schwerbehinderteneigenschaft ist auch dann uneingeschränkt zulässig, wenn
die Behinderung, auf der die Anerkennung beruht, tätigkeitsneutral ist (BAG-Urteil
vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 923/94). Das heißt, die durch den Bescheid des
Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz anerkannte Schwerbehinderung (mindestens ein GdB von 50), muss dem Arbeitgeber mitgeteilt werden, auch wenn die anerkannten Leiden keine Auswirkung auf die auszuübende
Tätigkeit haben.
Wird eine solche Frage falsch beantwortet, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung nach § 123 anfechten. Beantwortet der schwerbehinderte Mensch Fragen nach seiner Schwerbehinderteneigenschaft unrichtig
oder falsch und fechtet der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an im Anschluss an eine Arbeitsunfähigkeit, so hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung (BAG-Urteil vom 3. Dezember 1998 – 2 AZR
754/97).
3.6.2
Urlaubsentgelt
Bei der Frage, welche Entgeltansprüche schwerbehinderten Arbeitnehmern während des Urlaubs zustehen, ist zu unterscheiden zwischen dem Urlaubsentgelt und
dem Urlaubsgeld. Als Urlaubsentgelt bezeichnet man den Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortzahlung der Vergütung während des Urlaubs.
Da § 125 SGB IX allen schwerbehinderten Arbeitnehmern einen Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub gewährt, haben somit alle schwerbehinderten Arbeitnehmer
Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgeltes während des Zusatzurlaubes. Das
Urlaubsentgelt für den Zusatzurlaub ist vom Arbeitgeber in der gleichen Höhe zu
zahlen wie das Urlaubsentgelt während des Erholungsurlaubs.
Sofern nicht eine günstigere vertragliche oder tarifvertragliche Regelung besteht,
steht dem schwerbehinderten Arbeitnehmer daher gemäß § 11 Bundesurlaubsgesetz (BUrIG) auch für die Dauer des Zusatzurlaubs mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn zu. Ungünstigere Regelungen
sind in Einzelarbeitsverträgen unzulässig und auch in Tarifverträgen nur bedingt
zulässig.
3.6.3
Urlaubsgeld
Als Urlaubsgeld bezeichnet man eine zusätzliche, über das Urlaubsentgelt hinaus
68
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
gezahlte Vergütung. Einen gesetzlichen Anspruch auf ein Urlaubsgeld gibt es nicht.
Ein Urlaubsgeld kann der Arbeitnehmer also nur verlangen, wenn eine solche
Zahlung vereinbart ist, sei es ausdrücklich in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag, sei es „stillschweigend“, indem sich der
Arbeitgeber durch wiederholte vorbehaltlose Zahlung zur Entrichtung des Urlaubsgeldes verpflichtet hat.
Ob und inwieweit schwerbehinderte Arbeitnehmer auch für den Zusatzurlaub ein
zusätzliches Urlaubsgeld neben dem Urlaubsentgelt beanspruchen können, ist
ebenfalls vom Inhalt der jeweiligen Vereinbarung abhängig. Der Anspruch auf
Urlaubsgeld für den Zusatzurlaub besteht nur, wenn dies vereinbart ist.
Hinsichtlich einer tarifvertraglichen Urlaubsgeldregelung, die vorsah, dass ein bestimmter Betrag pro Urlaubstag zu zahlen sei, hat das Bundesarbeitsgericht am 30.
Juli 1986 (8 AZR 241/83) entschieden, dass das Urlaubsgeld nur dann für die Tage
des Zusatzurlaubs zu zahlen sei, wenn der Tarifvertrag ausdrücklich auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen Bezug nimmt. Sieht der Tarifvertrag das
tägliche Urlaubsgeld dagegen nur für die Tage des tariflich für alle Arbeitnehmer
vereinbarten Grundurlaubs vor, so können schwerbehinderte Menschen nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts für die Tage des Zusatzurlaubs das Urlaubsgeld
nicht beanspruchen.
Diese Grundsätze sind auf anders ausgestaltete Urlaubsgeldregelungen in Einzelarbeitsverträgen oder Tarifverträgen jedoch nur bedingt übertragbar. Da es auf
den – gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden – Inhalt der Urlaubsgeldvereinbarung im Einzelfall ankommt, sollten schwerbehinderte Arbeitnehmer sich
beraten lassen, ob nach der für ihr Arbeitsverhältnis geltenden verträglichen oder
tarifvertraglichen Regelung ein Anspruch auf Urlaubsgeld auch für den Zusatzurlaub besteht. Diesen Rat können Kammermitglieder zum Beispiel durch die
kostenlose Dienstleistung der Abteilung Beratung der Arbeitskammer oder durch
Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat, Gewerkschaft erhalten. Kein Anspruch
auf zusätzliches Urlaubsgeld besteht in jedem Fall, wenn unabhängig von der
Dauer ein Urlaubsgeld in einer pauschal festgesetzten Höhe vereinbart ist.
Q Urlaubsgeld für in Heimarbeit Beschäftigte
Sofern eine besondere Regelung nicht besteht, erhalten die in Heimarbeit beschäftigten schwerbehinderten Menschen als zusätzliches Urlaubsgeld 2 Prozent des
vom 1. Mai des vergangenen bis zum 30. April des laufenden Jahres verdienten
Arbeitsentgelts ausschließlich der Unkostenzuschläge (vgl. § 127 Abs. 3).
69
D IE S CHWERBEHINDERTENVERTRETUNG
3.7
Die Schwerbehindertenvertretung
Für die Beratung behinderter Menschen am Arbeitsplatz kommen in erster Linie die
betrieblichen Helfer wie die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen, Mitglieder des Betriebs-/Personalrats sowie Beauftragte des Arbeitgebers in
Betracht.
Sind Probleme des behinderten Menschen auf dieser Ebene nicht zu lösen, wird im
Regelfall die Schwerbehindertenvertretung das Integrationsamt einschalten und
bitten, im Wege der begleitenden Hilfe tätig zu werden.
Das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29. September 2000 verbesserte die Stellung der Schwerbehindertenvertretung insoweit,
dass in Betrieben, in denen mindestens 200 schwerbehinderte und gleichgestellte
Menschen beschäftigt sind, die Schwerbehindertenvertretung auf Wunsch freizustellen ist (§ 96 Abs. 4 SGB IX). Sie hat darüber hinaus das Recht, das erste und das
zweite stellvertretende Mitglied zur Aufgabenerfüllung mit heranzuziehen.
Die Bundesregierung hat dieses Recht auf erweiterte Heranziehung eines, unter
Umständen eines zweiten stellvertretenden Mitglieds damit begründet, in Betrieben mit in der Regel mehr als 100 bzw. 200 schwerbehinderten oder gleichgestellten behinderten Menschen sei die Aufgabenbelastung so groß, dass sie ohne
Heranziehung des bzw. der Stellvertreter nicht leistbar sei.
Die Begründung der Bundesregierung kann die Vertrauensperson auch dazu nutzen, eine völlige Arbeitsbefreiung (Freistellung) nach § 96 Abs. 4 Ziffer 1 SGB IX
auch schon dann zu beanspruchen, wenn in der Regel mehr als 100 schwerbehinderte und ihnen nach § 68 Abs. 2 SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen zu
betreuen sind, nicht erst, wie in § 96 Abs. 4 Ziffer 2 SGB IX vorgesehen, bei in der
Regel wenigstens 200 schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten behinderten
Menschen.
Die Vertrauensperson braucht von ihrem Recht zur Heranziehung des ersten stellvertretenden Mitglieds, statt sich völlig von der Arbeit befreien zu lassen, nicht Gebrauch zu machen. Wird ein oder werden zwei stellvertretende Mitglieder zur Aufgabenerfüllung herangezogen, müssen deren Aufgaben bestimmt und der Arbeitgeber davon unterrichtet werden. Art.1 Nr. 22 lit. a doppellit. bb, § 95 Abs. 1 SGB
IX hebt das ausdrücklich hervor.
Ein Recht auf Schulungs- und Bildungsveranstaltungen hat nunmehr auch die stellvertretende Schwerbehindertenvertretung. Voraussetzungen sind:
• ständige Heranziehung nach § 95 SGB IX,
• häufige Vertretung der Vertrauensperson,
• absehbares Nachrücken in das Amt der Schwerbehindertenvertretung.
Ein wesentlicher Fortschritt für die Schwerbehindertenvertretungen ist, dass sie an
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Bewerbungsverfahren schwerbehinderter Menschen und bei der Prüfung, ob
schwerbehinderte Menschen in Betrieb oder Dienststelle beschäftigt werden können, beteiligt werden müssen.
3.7.1
In welchen Betrieben und Dienststellen ist sie zu
wählen?
In Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen (hierzu zählen auch Gleichgestellte) nicht nur vorübergehend beschäftigt
sind, ist eine Vertrauensperson und wenigstens eine Stellvertretung zu wählen.
Diese vertritt die Vertrauensperson in allen Fällen der Verhinderung durch Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben (§ 94 Abs. 1 SGB IX).
Scheidet die Vertrauensperson vorzeitig aus dem Amt, rückt für den Rest der Amtszeit die Vertretung nach, die mit der höchsten Stimmenzahl gewählt ist. Da Gleiches für die Stellvertreter gilt, empfiehlt es sich, gleich zwei zu wählen.
3.7.2
Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung
Die Schwerbehindertenvertretung hat nach § 95 Abs. 1 SGB IX die Eingliederung
schwerbehinderter Menschen in Betrieb oder Dienststelle zu fördern.
Q Überwachungsfunktion
Die Schwerbehindertenvertretung hat nach § 95 Abs. 1 Ziffer 1 SGB IX vor allem
darüber zu wachen, dass die zu Gunsten schwerbehinderter Menschen geltenden
Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und
Verwaltungsanordnungen eingehalten werden, insbesondere der Arbeitgeber die
ihm nach § 71, 72 und 81 bis 84 obliegenden Verpflichtungen erfüllt.
Q Vorsorgefunktion
Die Schwerbehindertenvertretung hat Maßnahmen, die den schwerbehinderten
Menschen dienen, insbesondere präventive Maßnahmen (s. auch § 84 SGB IX), bei
den zuständigen Stellen wie Integrationsamt, Agentur für Arbeit, Sozialversicherungsträger zu beantragen (§ 95 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX).
Q Vermittlungsfunktion
Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Menschen entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlung mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinzuwirken, ist eine zentrale Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung. Über den Stand und das Ereignis der Verhandlung hat sie
die schwerbehinderten Menschen zu unterrichten (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX).
Q Unterstützungsfunktion
Bei Anträgen an die Versorgungsverwaltung auf Feststellung einer Behinderung
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und ihres Grades sowie der Schwerbehinderteneigenschaft hat die Schwerbehindertenvertretung die Beschäftigten zu unterstützen (§ 95 Abs. 1 SGB IX).
Q Beratungsfunktion
Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs/Personalrates o.Ä. und deren Ausschüssen sowie des Arbeitsschutzausschusses beratend teilzunehmen (§ 95 Abs. 4 SGB IX).
Q Antragsrecht
Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht zu beantragen, dass Angelegenheiten, die einzelne schwerbehinderte Menschen oder diese als Gruppe besonders
betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Betriebs- bzw. Personalrates zu setzen sind (§ 95 Abs. 4 SGB IX).
3.7.3
Rechte zur Durchführung ihrer Aufgaben
Q Informations- und Anhörungsrecht
Der Rechtsanspruch der Schwerbehindertenvertretung auf Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben verpflichtet den Arbeitgeber, sie in allen Angelegenheiten,
die einen einzelnen schwerbehinderten Menschen oder die gesamte Gruppe der
schwerbehinderten Menschen und Gleichgestellten berühren, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und vor jeder Entscheidung zu hören. Die getroffene Entscheidung ist der Schwerbehindertenvertretung unverzüglich, also ohne Zeitverlust, mitzuteilen (§ 95 Abs. 2 SGB IX).
Der Arbeitgeber hat die Pflicht, die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die schwerbehinderte Menschen berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen (§ 95 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX).
Q Aussetzung von Maßnahmen
Verletzt der Arbeitgeber das Anhörungsrecht oder Informationsrechte der Schwerbehindertenvertretung, so kann diese verlangen, dass Durchsetzung oder Vollzug
der Entscheidung auszusetzen ist.
Die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen. Dann ist endgültig zu
entscheiden (§ 95 Abs. 2 SGB IX). Die Erfüllung dieser Pflichten ist bußgeldbewehrt
(§ 156 Abs. Nr. 9 SGB IX).
Der Bußgeldrahmen wird erhöht – von 2.500 auf 10.000 € entsprechend dem Bußgeldrahmen des § 121 BetrVG (Art. 1 Nr. 34 lit. b, § 156 Abs. 2 SGB IX).
Q Recht auf Überlassung und Einsichtnahme in Unterlagen,
die behinderte Menschen betreffen
Auch wenn § 95 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch hierzu keine ausdrückliche Bestim-
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mung enthält, hat nach unserer Auffassung die Schwerbehindertenvertretung das
Recht, vom Arbeitgeber zu verlangen, dass ihr die Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, die zur Durchführung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Überwachungsfunktion notwendig sind.
Gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX sind der Schwerbehindertenvertretung Abschriften des
Verzeichnisses der in Betrieb oder Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten
Menschen, Gleichgestellten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen sowie der
Anzeigen über die Beschäftigungssituation, die der Arbeitgeber jährlich gegenüber
der Agentur für Arbeit abzugeben hat, auszuhändigen.
Ebenso wie z. B. ein Betriebsratsmitglied nach § 83 Abs. 1 BetrVG dann Einsicht in
die Personalakte eines Arbeitnehmers nehmen kann, wenn dieser ihn zu der Akteneinsicht hinzuzieht, kann die Vertrauensperson Einsicht in die Personalakten des
schwerbehinderten Menschen nehmen, wenn dieser sie hinzuzieht (§ 95 Abs. 3 SGB
IX).
Für das Betriebs-/Personalratsmitglied und die Schwerbehindertenvertretung gilt,
dass sie Stillschweigen über den Inhalt der Personalakte zu bewahren haben, es sei
denn, der schwerbehinderte Mensch würde sie von dieser Verpflichtung entbinden.
Q Beteiligungsrecht bei Einstellungen
Werden in Betrieben oder Dienststellen neue Stellen geschaffen, so muss die
Schwerbehindertenvertretung bei der Prüfung beteiligt werden, ob in Betrieb oder
Dienststelle schwerbehinderte Menschen beschäftigt werden können.
Über die Vermittlungsvorschläge der Agentur für Arbeit und über die Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung informieren. Am Bewerbungsverfahren schwerbehinderter Menschen muss die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden (§ 95 Abs. 2 SGB IX).
Lehnt der Arbeitgeber die Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen ab und
die Schwerbehindertenvertretung ist mit dieser Entscheidung nicht einverstanden,
so muss der Arbeitgeber – wenn er bis dahin seiner Pflicht nicht nachgekommen ist
– seine Entscheidung gegenüber der Schwerbehindertenvertretung begründen.
Diese Neuerung ist von besonderer Bedeutung, weil dadurch die Schwerbehindertenvertretung Einfluss auf die Einhaltung der Beschäftigungsquote nehmen
kann.
Q Teilnahmerecht an allen Sitzungen der Personal-/Betriebsvertretung
Um die Belange behinderter Menschen besser vertreten zu können, hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs- oder Personalrats, des Betriebsausschusses und allen Ausschüssen mit beratender Stimme teilzunehmen (§ 95 Abs. 4 SGB IX, BAG-Urteil vom 21. April 1993 7 ABR 44/92). Zu diesen
Ausschüssen zählt auch der Wirtschaftsausschuss (BAG-Urteil vom 8. Februar 1989 7
ABR 83/86 und 6 ABR 70/85 vom 4. Juni 1987).
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Das Teilnahmerecht kann nicht deshalb eingeschränkt werden, weil etwa Ausschüsse Aufgaben zur selbstständigen Erledigung zugewiesen bekommen haben.
Das Teilnahmerecht der Schwerbehindertenvertretung an allen Sitzungen des Betriebs-/Personalrates und allen Ausschusssitzungen muss im Zusammenhang mit
dem Recht der Schwerbehindertenvertretung gesehen werden, Beschlüsse des Betriebs-/Personalrates auf eine Woche aussetzen zu lassen, wenn durch einen Beschluss die Interessen der behinderten Arbeitnehmer beeinträchtigt werden. Einen
Beschluss des Betriebs-/Personalrates aussetzen lassen kann die Schwerbehindertenvertretung auch deshalb, weil sie zuvor vom Arbeitgeber nach § 95 Abs. 2
SGB IX nicht beteiligt wurde.
Zu allen Sitzungen ist die Schwerbehindertenvertretung rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung einzuladen. In Betrieben und Dienststellen mit mehr als
100 schwerbehinderten Beschäftigten kann die Vertrauensperson den/die erste/n
und zweite/n Stellvertreter/in zu bestimmten Aufgaben heranziehen; z. B. bei einer
Teilung von Fachbereichen nimmt der/die jeweilige Stellvertreter/in an bestimmten
Ausschüssen des Betriebs-/Personalrates ständig beratend teil.
Das Heranziehen zu bestimmten Aufgaben schließt die Abstimmung untereinander
ein. Der Arbeitgeber ist hierüber zu unterrichten. Ist die Schwerbehindertenvertretung an einer Sitzungsteilnahme verhindert, so nimmt die Stellvertretung das
Teilnahmerecht (die Beratungspflicht) wahr.
Q Teilnahmerecht an der Monatsbesprechung
Die Schwerbehindertenvertretung ist zu Besprechungen nach § 74 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, § 66 Abs. 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes bzw.
nach den entsprechenden Bestimmungen der Landespersonalvertretungsgesetze
(im Saarland § 69 Abs. 1 SPersVG) zwischen dem Arbeitgeber und den in § 95 Abs.
4 genannten Vertretungen hinzuzuziehen.
Q Recht der Einberufung der Schwerbehinderten-Versammlung
Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, mindestens einmal im Jahr eine
Versammlung schwerbehinderter und gleichgestellter Arbeitnehmer zu halten, die
sie einzuberufen hat. Der Beauftragte des Arbeitgebers und der Arbeitgeber selbst
sind unter Mitteilung der Tagesordnung rechtzeitig einzuladen. Die Beauftragten
der im Betrieb oder in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften haben Teilnahmerecht. Beauftragte des Arbeitgeberverbandes können ebenfalls mit beratender Stimme teilnehmen. Es erscheint zweckmäßig, das Integrationsamt und die
Agentur für Arbeit zu bitten, Vertreter zu entsenden.
Q Recht der Teilnahme an Betriebs- und Personalversammlungen
Die Schwerbehindertenvertretung kann an Betriebs- und Personalversammlungen
in Betrieben und Dienststellen teilnehmen, für die sie als Schwerbehindertenvertretung zuständig ist, und hat dort ein Rederecht, auch wenn ihre Mitglieder nicht
Angehörige des Betriebes oder der Dienststelle sind (neu seit 1. Mai 2004, § 95 Abs.
8).
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Q Aufgaben und Kompetenz der Stufenvertretungen
Grundsatz ist, dass die Gesamtschwerbehindertenvertretung die Interessen der
schwerbehinderten und ihnen nach § 68 Abs. 2 SGB IX gleichgestellten behinderten Menschen in Angelegenheiten vertritt, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe oder Dienststellen des Arbeitgebers betreffen und von den Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe oder Dienststellen nicht geregelt
werden können (§ 97 Abs. 6 Satz 1 SGB IX).
Dieser Grundsatz gilt entsprechend für die Konzern-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung sowie für die Schwerbehindertenvertretung der obersten
Dienstbehörde (§ 97 Abs. 6 Satz 2 SGB IX). Das gilt auch für Verhandlungen über
Integrationsvereinbarungen und den Abschluss solcher Vereinbarungen (so jetzt
ausdrücklich Art. 1 Nr. 23, § 97 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 SGB IX). Schwerbehindertenvertretung i.S. des § 83 SGB IX ist nicht nur die örtliche für den Betrieb oder die
Dienststelle, sondern sind auch die Stufenvertretungen nach § 97 SGB IX.
Auch sie haben das Recht zu Verhandlungen über eine Integrationsvereinbarung
und zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung, soweit es um Angelegenheiten
im Sinne des § 83 Abs. 2 und 2a SGB IX geht, die das Gesamtunternehmen, mehrere Betriebe oder Dienststellen des Arbeitgebers betreffen und von den zuständigen
Schwerbehindertenvertretungen nicht geregelt werden können.
In einem Unternehmen mit mehreren Betrieben oder einem Unternehmensverbund mit mehreren Unternehmen und Betrieben sind also mehrere Integrationsvereinbarungen auf verschiedenen Ebenen abzuschließen, auf Konzern-, Unternehmens- und Betriebsebene.
Eine auf Konzernebene abgeschlossene Integrationsvereinbarung ersetzt nicht die
auch für das Unternehmen und seine Betriebe abzuschließenden Integrationsvereinbarungen mit ihrem auf diese organisatorischen Einheiten bezogenen Inhalt.
Das Entsprechende gilt im öffentlichen Dienst für die Schwerbehindertenvertretung, die Bezirks- und die Hauptschwerbehindertenvertretung.
3.7.4
Persönliche Rechte und Pflichten der
Vertrauenspersonen
Q Ehrenamtliche Tätigkeit
Die Vertrauensperson verwaltet ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Sie darf in der
Ausübung ihres Amtes nicht behindert oder wegen ihres Amtes nicht benachteiligt
oder begünstigt werden. Mit dieser Rechtsstellung soll eine möglichst breite Unabhängigkeit der Vertrauensperson im Rahmen von Aufgaben und Pflichten
sichergestellt werden.
Q Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz
Vertrauenspersonen besitzen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche
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Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz wie ein Mitglied des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates. Die stellvertretenden Vertrauenspersonen besitzen während der Dauer der
Vertretung die gleiche persönliche Rechtsstellung wie die Vertrauensperson.
Dies gilt auch, wenn sie in Betrieben oder Dienststellen mit mehr als 100 schwerbehinderten Beschäftigten von der Schwerbehindertenvertretung zu bestimmten
Aufgaben herangezogen worden sind für die Dauer der Heranziehung. Im Übrigen
besitzen stellvertretende Vertrauenspersonen die gleiche Rechtsstellung wie Ersatzmitglieder der oben genannten Interessenvertretungsorgane.
Q Keine Nachteile für die berufliche Entwicklung
Die Vertrauensperson darf in ihrer beruflichen Entwicklung nicht benachteiligt und
nicht von Maßnahmen der Berufsförderung ausgeschlossen werden. Sie hat das
Recht, die durch ihre Amtsführung und mögliche Arbeitsfreistellung unterbliebene
berufliche Entwicklung im Betrieb oder in der Dienststelle nachzuholen. Durch
Arbeitsbefreiung bzw. Freistellung darf es zu keiner Kürzung des Arbeitseinkommens und der üblichen betrieblichen sozialen Leistungen kommen.
Innerhalb eines Jahres nach Beendigung ihrer Freistellung ist ihnen im Rahmen der
Möglichkeiten des Betriebes oder der Dienststelle Gelegenheit zu geben, eine
wegen der Freistellung unterbliebene berufliche Entwicklung in dem Betrieb oder
der Dienststelle nachzuholen. Für Vertrauenspersonen, die drei volle aufeinander
folgende Amtszeiten freigestellt waren, erhöht sich der genannte Zeitraum auf
zwei Jahre.
Q Arbeitsbefreiung und Freistellung
Der Anspruch auf Befreiung von der beruflichen Tätigkeit ist ähnlich wie beim Betriebs- bzw. Personalratsmitglied. Dies ist erforderlich, um die durch das Gesetz auferlegten Aufgaben, Pflichten und Rechte ordnungsgemäß durchführen und in Anspruch nehmen zu können.
Sie sind zum Teil im Betrieb selbst, aber auch außerhalb des Betriebes zu erfüllen
und sind grundsätzlich während der Arbeitszeit abzuwickeln. Nur wenn aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen eine Wahrnehmung von Amtsaufgaben außerhalb der Arbeitszeit erforderlich ist, haben Vertreter der Vertrauensperson der
schwerbehinderten Menschen Anspruch auf Arbeits- bzw. Dienstbefreiung unter
Fortzahlung des Arbeitsentgelts.
Q Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen
Nach § 96 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch sind die Vertrauenspersonen für
die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen ohne Minderung des
Arbeitsentgeltes oder der Dienstbezüge von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien, wenn diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind. Dieser Rechtsanspruch besteht auch für die mit
der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Vertrauensperson in Be-
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trieben/Dienststellen, die in der Regel wenigstens 200 schwerbehinderte, auch
gleichgestellte Beschäftigte haben, wenn die Teilnahme an Bildungs- und Schulungsveranstaltungen erforderlich ist wegen
• ständiger Heranziehung nach § 95 SGB IX,
• häufiger Vertretung der Vertrauensperson für längere Zeit,
• absehbaren Nachrückens in das Amt der Schwerbehindertenvertretung in kurzer
Frist.
Die Arbeitskammer des Saarlandes richtet über eine Kooperationsvereinbarung die
Schulungen für das Integrationsamt aus und zwar für Vertrauenspersonen, Betriebs- und Personalräte, Mitarbeitervertretungen sowie Beauftragte des Arbeitgebers.
Q Kostenträger
Alle Kosten, die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehen,
trägt der Arbeitgeber (§ 96 Abs. 8 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch). Zu den Sachkosten gehören insbesondere: Kosten der Wahl, Kosten für Schreibmaterialien,
Büroausstattung, Gesetzesausgaben, Telefonkosten, Aufwendungen für Fahrtkosten zu Agentur für Arbeit oder Integrationsamt etc.
Die Räume und der Geschäftsbedarf, die der Arbeitgeber dem Betriebs- oder Personalrat für dessen Sitzungen, Sprechstunden und laufende Geschäftsführung zur
Verfügung stellt, stehen für die gleichen Zwecke auch der Schwerbehindertenvertretung zur Verfügung, soweit hierfür nicht eigene Räume und Sachmittel zur Verfügung gestellt werden.
Q Zusammenarbeit bei der Integration
Das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter regelte die berufliche Integration behinderter Menschen neu (seit 1. Oktober 2000).
Gemäß § 83 Abs.1 SGB IX sollen Arbeitgeber mit den betrieblichen Funktionsträgern eine verbindliche Integrationsvereinbarung treffen. Dieses Instrument verpflichtet den Arbeitgeber, mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebs- oder Personalrat und dem Beauftragten des Arbeitgebers auf den Betrieb
ausgerichtete Integrationsziele festzulegen und eine verbindliche Vereinbarung
abzuschließen. Ziel ist es, die berufliche Integration schwerbehinderter Menschen
so betriebsnah wie möglich zu gestalten. Auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung muss ein Arbeitgeber über eine Integrationsvereinbarung in Verhandlungen treten.
Diese neue Zuordnung des Antragsrechtes verändert die Zusammenarbeit zwischen
Schwerbehindertenvertretung und Betriebs- oder Personalrat in diesem Punkt. Bisher musste sich die Schwerbehindertenvertretung darum bemühen, als beratendes
Gastmitglied die Beschlüsse des Betriebs- oder Personalrates im Sinne ihrer Interessenvertretung zu beeinflussen. Jetzt hat die Schwerbehindertenvertretung zum
ersten Mal ein eigenes Mitwirkungsrecht.
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Ist in einem Betrieb oder einer Dienststelle keine Schwerbehindertenvertretung
vorhanden, so können Betriebs- oder Personalrat den Antrag stellen, eine Integrationsvereinbarung einzuführen. Werden Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretung sich nicht einig über den Inhalt einer Integrationsvereinbarung, so sieht das
Gesetz kein Einigungsverfahren vor. Sinnvoll ist es daher, auf Antrag von Arbeitgeber oder Schwerbehindertenvertretung das Integrationsamt gleich mit einzubeziehen, zumal es zu dessen zentralen Aufgaben gehört, die berufliche Integration behinderter Menschen zu fördern.
Inhalte einer Integrationsvereinbarung müssen insbesondere sein:
• Gestaltung des Arbeitsumfeldes,
• Personalplanung,
• Arbeitsorganisation,
• Arbeitszeit.
Seit 1. Mai 2004 können insbesondere Regelungen getroffen werden:
1. zur angemessenen Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier, frei werdender oder neuer Stellen,
2. zu einer anzustrebenden Beschäftigungsquote, einschließlich eines angemessenen Anteils schwerbehinderter Frauen,
3. zu Teilzeitarbeit,
4. zur Ausbildung behinderter Jugendlicher,
5. zur Durchführung der betrieblichen Prävention (betriebliches Eingliederungsmanagement) und zur Gesundheitsförderung,
6. über Hinzuziehen des Werks- oder Betriebsarztes für Beratungen über Leistungen zur Teilhabe sowie über besondere Hilfen im Arbeitsleben.
Um den Erfolg der Integrationsvereinbarung zu sichern, ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei Schwerbehindertenversammlungen über alle Angelegenheiten, die
im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen stehen, zu
berichten (§ 83 Abs. 3 SGB IX). Eine einmal getroffene Integrationsvereinbarung ist
schriftlich festzuhalten und der zuständigen Agentur für Arbeit zu übermitteln.
Dadurch erhält die Agentur für Arbeit einen Überblick über die innerbetrieblichen
Verhältnisse und sie kann zielgerichteter vermitteln.
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3.7.5
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Information und Zusammenarbeit
Q Arbeitgeber
Arbeitgeber, Beauftragter des Arbeitgebers, Schwerbehindertenvertretung und Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat arbeiten zur Teilhabe
schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben im Betrieb oder der Dienststelle eng
zusammen.
Q Betriebsrat-/Personalrat
Aus der Aufgabenstellung des Betriebs- und Personalrats, Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben zu fördern und insbesondere darauf zu achten,
dass die dem Arbeitgeber obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden, ergibt sich
die enge Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung. Diese Zusammenarbeit wird bekräftigt durch die Regelung nach § 99 SGB IX.
Q Außerbetriebliche Zusammenarbeit
Maßnahmen, die den schwerbehinderten Menschen dienen, sind bei den zuständigen Stellen zu beantragen (§ 95 Abs. 1 Ziffer 2 SGB IX). Das setzt Kontakte der
Schwerbehindertenvertretung zu außerbetrieblichen Stellen voraus. Zu diesen
Stellen gehören unter anderen:
• Integrationsamt,
• Fürsorge- und Versorgungsämter,
• Bundesagentur für Arbeit,
• Gewerbeaufsicht,
• Berufsgenossenschaft,
• Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherungsträger,
• zuständige Gewerkschaft,
• Arbeitskammer des Saarlandes,
• Behindertenverbände und die
• Verbände der Freien Wohlfahrtspflege.
Diese Kontakte sind die besten Voraussetzungen, dass die zu Gunsten der Arbeitnehmer – besonders der schutzbedürftigen Personen – geltenden Gesetze und Verordnungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. Die
Einhaltung zu überwachen ist Aufgabe des Betriebsrates (gemäß § 80 Abs. 1
BetrVG) bzw. des Personalrates (gemäß § 68 Abs. 1 BPersVG bzw. der entsprechenden Bestimmungen der Landespersonalvertretungsgesetze) und der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 1 Ziffer 1 SGB IX.
79
K ÜNDIGUNGSSCHUTZ
4
Kündigungsschutz für
schwerbehinderte und
gleichgestellte Arbeitnehmer
4.1
Zustimmung des Integrationsamtes
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen oder
Gleichgestellten durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des
Integrationsamtes (§ 85 SBG IX). Spricht der Arbeitgeber einem schwerbehinderten
Arbeitnehmer eine Kündigung aus, ohne dass das Integrationsamt zuvor seine Zustimmung erteilt hat, so ist die Kündigung unwirksam.
Die vorherige Zustimmung ist grundsätzlich bei allen Kündigungen Wirksamkeitsvoraussetzung. Die genannte Schutzbestimmung für schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer gilt daher nicht nur bei allen ordentlichen (fristgemäßen)
Kündigungen, sondern auch bei außerordentlichen (in der Regel fristlosen) Kündigungen aus wichtigem Grund und bei allen Änderungskündigungen. Wegen der
Besonderheiten bei außerordentlichen und bei Änderungskündigungen siehe aber
Punkt 4.5 und 4.6.
Die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen, besteht nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung
von Arbeitgeberseite. Sie besteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aus sonstigen
Gründen endet, also z. B. beim Auslaufen eines befristeten Arbeitsverhältnisses
oder beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages (siehe aber 4.9).
Wichtig: Mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages verzichtet der schwerbehinderte Arbeitnehmer auf den besonderen Schwerbehindertenschutz. Dies
kann die Verhängung einer Sperrfrist durch die Agentur für Arbeit (siehe § 144 SGB
lll Arbeitsförderungsrecht) und zeitweiliger Entzug des gesetzlichen Schutzes durch
das Integrationsamt (§ 116 SGB IX) zur Folge haben. Gleiches gilt bei Kündigung
des Arbeitsverhältnisses durch den schwerbehinderten Arbeitnehmer selbst.
Hat das Integrationsamt die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung erteilt,
kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung
des Zustimmungsbescheides erklären (§ 88 Abs. 3 SGB IX).
Will der Arbeitgeber nach Ablauf der Monatsfrist kündigen, muss er zuvor erneut
die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Eine ohne erneute Zustimmung
ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
Neben diesem besonderen Kündigungsschutz gelten für schwerbehinderte Arbeitnehmer selbstverständlich auch die sonstigen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzbestimmungen.
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Auch wenn das Integrationsamt die Zustimmung zu einer Kündigung erteilt hat,
können schwerbehinderte Arbeitnehmer, für deren Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz gilt (zum Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes vgl. §
1 Abs. 1 und § 23 KSchG), daher selbstverständlich Kündigungsschutzklage beim
Arbeitsgericht erheben, um die soziale Rechtfertigung der Kündigung und deren
Wirksamkeit gemäß § 1 KSchG überprüfen zu lassen.
Ebenso kann die Nichteinhaltung von Kündigungsfristen oder das Fehlen eines
wichtigen Grundes im Falle einer außerordentlichen Kündigung (siehe unter 4.6)
oder die Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Betriebsüberganges durch eine
Klage beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden, auch wenn das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat.
Wichtig: Mit der Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt ist keine
Entscheidung darüber getroffen, ob die Kündigung unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten insgesamt zulässig und wirksam ist. Hierüber haben allein die
Arbeitsgerichte zu entscheiden. Auch wenn das Integrationsamt die Zustimmung
zu einer Kündigung erteilt hat, kann daher eine Klage beim Arbeitsgericht erfolgreich sein, wenn die Kündigung gegen sonstige Kündigungsschutzbestimmungen
verstößt.
Vor Ausspruch der Kündigung hat der Arbeitgeber den Betriebs- bzw. Personalrat
in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise zu beteiligen. Geschieht dies nicht, ist die
Kündigung ebenfalls unwirksam. Ferner hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung anzuhören (§ 95 Abs. 2 SGB IX).
4.2
Kündigungsfrist
Gemäß § 86 SGB IX beträgt die Mindestkündigungsfrist für schwerbehinderte
Arbeitnehmer grundsätzlich vier Wochen; Ausnahmen siehe Punkt 4.3.
Gelten für das Arbeitsverhältnis ohnehin gesetzlich, tarif- oder einzelvertraglich
längere Kündigungsfristen, so sind diese Fristen maßgeblich. Für schwerbehinderte
Arbeitnehmer sind daher insbesondere die gesetzlichen Kündigungsfristregelungen des § 622 BGB zu beachten.
4.3
Geschützter Personenkreis;
Ausnahmen vom Sonderkündigungsschutz
Die besonderen Kündigungsschutzvorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch gelten grundsätzlich für alle Arbeitnehmer und Auszubildenden, die schwerbehindert im Sinne des § 2 SGB IX sind sowie für Gleichgestellte.
81
K ÜNDIGUNGSSCHUTZ
Die Kündigungsschutzbestimmungen des SGB IX gelten jedoch nicht für schwerbehinderte Menschen (auch Gleichgestellte),
1. deren Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung
ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht oder
2. auf Stellen beschäftigt werden im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 (mit Wirkung
vom 1. Januar 2005 in Kraft).
Das sind:
• Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, son•
•
•
•
dern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt
ist und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften,
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die
vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung oder Erziehung beschäftigt werden,
Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen,
Personen, die nach ständiger Übung in ihre Stellen gewählt werden,
Personen, deren Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet wird, sofern sie
das 58. Lebensjahr vollendet haben und Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung auf Grund eines Sozialplanes haben oder
Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung nach dem Sechsten Buch oder
auf Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus haben, wenn
der Arbeitgeber ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie
der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen.
Die Vorschriften dieses Kapitels finden ferner bei Entlassungen, die wegen des
Wetters vorgenommen werden, keine Anwendung, sofern die Wiedereinstellung
der schwerbehinderten Menschen bei Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet
ist. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen ist
nach § 85 SGB IX unwirksam, wenn sie ohne Zustimmung des Integrationsamtes
erfolgt.
Vom Zustimmungserfordernis erfasst werden jedoch nur Kündigungen gegenüber
solchen Arbeitnehmern, die bei Zugang der Kündigung bereits als Schwerbehinderte anerkannt sind oder den Antrag auf Anerkennung mindestens drei
Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt haben (§ 90 Abs. 2a SGB IX).
Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Oktober 2005 - 10 Sa 502/05 (aus BAG-Pressemitteilung Nr. 17/07).
82
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Auch Kündigungen gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern, die in Heimarbeit beschäftigt oder den in Heimarbeit Beschäftigten gleichgestellt sind (§ 1 Abs.
1 und 2 HAG), bedürfen grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, sofern nicht eine der vorstehenden Ausnahmen vorliegt (z. B. Beschäftigungsdauer unter sechs Monaten).
Für diesen Personenkreis bestehen jedoch Besonderheiten im Hinblick auf die einzuhaltenden Kündigungsfristen, auf die hier nicht näher eingegangen werden
kann.
4.4
Beginn des besonderen Kündigungsschutzes
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts greift der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer grundsätzlich nur dann ein, wenn im
Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Schwerbehinderteneigenschaft des
Arbeitnehmers entweder bereits nach § 69 SGB IX festgestellt war oder aber der
Arbeitnehmer zumindest einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter
gestellt hatte (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Februar 1977, AZ: 2
AZR 687/75).
Der besondere behördliche Kündigungsschutz für schwerbehinderte und nach § 68
Abs. 2 gleichgestellte behinderte Menschen – Abhängigkeit der Zulässigkeit der
Kündigung eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses von der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts und Mindestkündigungsfrist von vier Wochen (§§
85 und 86 SGB IX) – in der Auslegung durch das BAG bleibt grundsätzlich erhalten.
Die Ausnahmeregelung (§ 90 SGB IX) wird aber erweitert.
Danach gilt der besondere Kündigungsschutz nicht, wenn zum Zeitpunkt der
Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist
oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung des behinderten Menschen nicht treffen konnte (Art. 1 Nr. 21a lit. b, § 90 Abs. 2a SGB IX).
Die Eigenschaft als schwerbehinderte Menschen kann nicht nur durch einen Ausweis über die Schwerbehinderteneigenschaft, sondern auch durch einen Feststellungsbescheid der zuständigen Behörde nach § 69 Abs. 1 SGB IX oder einen anderweitigen Feststellungsbescheid nach § 69 Abs. 2 SGB IX nachgewiesen werden,
wenn es einer Feststellung nach § 69 Abs. 1 SGB IX nicht bedarf, weil anderweitige
Feststellungsbescheide über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der auf
ihr beruhenden Erwerbsminderung getroffen worden sind.
Ein Nachweis ist nicht erforderlich, wenn die Schwerbehinderteneigenschaft offenkundig i.S. von § 291 ZPO ist. Der Nachweis muss dem Arbeitgeber gegenüber geführt werden. Er bezieht sich auf den Zeitpunkt der Kündigung; maßgeblich ist der
Zugang der Kündigung, nicht der Ausspruch.
83
K ÜNDIGUNGSSCHUTZ
Ist eine Feststellung nicht getroffen, aber bei der zuständigen Behörde beantragt,
gilt nach bisherigem Recht der besondere Kündigungsschutz, wenn der Feststellungsantrag nachträglich, aber rückwirkend auf den Zeitpunkt der Kündigung für
den behinderte Menschen positiv beschieden wird.
Nach dem neuen Recht gilt das nicht mehr, wenn die zuständige Behörde zum Antrag auf Feststellung bis zum Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 SGB IX wegen fehlender Mitwirkung des behinderten Menschen keinen Bescheid erstellt. Welche
Mitwirkung des behinderten Menschen geboten ist, bestimmt sich nach § 60 Abs. 1
SGB I. Der Arbeitgeber, der sich darauf beruft, dass der besondere Kündigungsschutz nicht gilt (Ausnahmeregelung), muss darlegen und beweisen, dass die Frist
des § 69 Abs. 1 SGB IX ohne Bescheid verstrichen ist, weil der behinderte Mensch
pflichtwidrig nicht mitgewirkt hat. Das Versorgungsamt oder die sonstige zuständige Behörde nach § 69 Abs. 1 SGB IX wird eine solche Auskunft, zu der es nicht verpflichtet wird, nur schwerlich geben.
Das Integrationsamt soll die Entscheidung über einen Antrag auf Zustimmung zur
ordentlichen Kündigung – falls erforderlich, auf Grund mündlicher Verhandlung –
innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrags an treffen (§ 88 Abs. 1,
zur außerordentlichen Kündigung s. § 91 Abs. 3 SGB IX). Die Integrationsämter werden nunmehr in bestimmten Fällen strikt verpflichtet, die Entscheidung innerhalb
eines Monats zu treffen (Art. 1 Nr. 21, § 88 Abs. 5 SGB IX). Dabei geht es nicht, wie
vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) ursprünglich
beabsichtigt, um alle Fälle, in denen die Ausübung des Ermessens des Integrationsamts eingeschränkt ist (§ 89 SGB IX), sondern zum einen um die Fälle, in denen ein
Betrieb oder eine Dienststelle nicht nur vorübergehend (vollständig) eingestellt
oder aufgelöst wird und das Arbeitsentgelt mindestens drei Monate fortgezahlt
wird (§ 89 Abs. 1 SGB IX).
In diesem Fall hat das Integrationsamt die Zustimmung zu erteilen. Die maßgeblichen Fragen können binnen eines Monats geklärt werden. Wird innerhalb dieser
Frist eine – positive oder negative – Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt (Art. 1 Nr. 21, § 88 Abs. 5 SGB IX). Der Arbeitgeber kann also innerhalb eines Monats nach Eintritt der Fiktion (Frist zur Entscheidung des Integrationsamtes ist Zustimmungsfiktion) kündigen, die öffentlich-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung liegt vor.
Der Arbeitnehmer kann dagegen Widerspruch und Klage erheben (Art. 1 Nr. 21,
§ 88 V i.V. mit § 88 Abs. 3, SGB IV und SGB IX). Widerspruch und Anfechtungsklage
gegen die fiktive Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung haben keine
aufschiebende Wirkung.
Die gleiche Regelung gilt in einem zweiten Fall: wenn das Insolvenzverfahren über
das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet worden ist und das Integrationsamt unter
den unter Nrn. 1 bis 4 genannten Voraussetzungen die Zustimmung erteilen soll
(§ 89 Abs. 3 SGB IX).
84
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Das Verwaltungsverfahren vor dem Integrationsamt ist in § 87 SGB IX geregelt.
Dabei sah Absatz 2 bisher vor, dass das Integrationsamt auch eine Stellungnahme
der Agentur für Arbeit zu dem Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung einzuholen hat. Auf Vorschlag des Bundesrates ist dieses
Erfordernis gestrichen worden, ist also nicht mehr einzuholen.
4.5
Änderungskündigung
Unter einer Änderungskündigung ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses
durch den Arbeitgeber zu verstehen, die er verbunden mit dem Angebot ausspricht, den Arbeitnehmer unter geänderten Vertragsbedingungen weiter zu beschäftigen. Die angebotenen geänderten Vertragsbedingungen können z. B. darin
bestehen, dass der Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder
gegen geringeres Arbeitsentgelt oder statt in Vollzeit nur noch in Teilzeit beschäftigt werden soll.
Auch eine Änderungskündigung kann der Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer, der dem durch § 85 SGB IX geschützten Personenkreis angehört (siehe 4.3),
wirksam nur aussprechen, wenn das Integrationsamt vorher zugestimmt hat.
Auch bei Änderungskündigung besteht der besondere Schwerbehindertenkündigungsschutz ergänzend neben den allgemeinen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzbestimmungen (siehe 4.1). Sofern für das Arbeitsverhältnis des schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmers das Kündigungsschutzgesetz gilt, besteht daher die Möglichkeit, das Angebot, zu geänderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigt zu werden, unter dem Vorbehalt anzunehmen, dass es nicht „sozial
ungerechtfertigt“ ist.
Auch vor Ausspruch einer Änderungskündigung hat der Arbeitgeber die Pflicht, die
Schwerbehindertenvertretung sowie den Betriebs- bzw. Personalrat in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise zu beteiligen. Hier gilt das Gleiche wie bei der Beendigungskündigung (siehe auch 4.1). Für den Betriebsrat ergeben sich je nach der mit
der Änderungskündigung angestrebten Änderung der Arbeitsbedingungen neben
dem Anhörungsrecht bei der Kündigung unter Umständen weitere Beteiligungsrechte.
Soll mit der Änderungskündigung z. B. eine Versetzung des Arbeitnehmers ausgesprochen werden, besteht ergänzend zum Anhörungsrecht nach § 102 BetrVG
das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG. Entsprechendes gilt
für Personalräte im öffentlichen Dienst.
85
K ÜNDIGUNGSSCHUTZ
4.6
Außerordentliche Kündigung
Gemäß § 91 SGB IX ist der Arbeitgeber verpflichtet, auch vor einer außerordentlichen Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen. Geschieht
dies nicht, ist die Kündigung unwirksam.
Hinsichtlich der Voraussetzungen für den Sonderkündigungsschutz bei außerordentlichen Kündigungen und der Möglichkeit für den Arbeitnehmer, sich auch
noch nach Ausspruch der Kündigung auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen,
gilt das oben in Ziffer 4.1, 4.3 und 4.4 Gesagte entsprechend.
Eine außerordentliche Kündigung ist arbeitsrechtlich nur dann zulässig, wenn so
schwerwiegende Gründe vorliegen, dass es für den Arbeitgeber unzumutbar wäre,
das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen
(z. B. wenn der Arbeitnehmer Straftaten gegen den Betrieb oder den Arbeitgeber
verübt hat).
Der Arbeitgeber muss die Zustimmung zur Kündigung innerhalb von zwei Wochen
ab dem Zeitpunkt, zu dem er von dem Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat,
beim Integrationsamt beantragen. Erfolgt der Antrag später, darf das Integrationsamt einer außerordentlichen Kündigung nicht mehr zustimmen.
Das Integrationsamt hat über die Erteilung der Zustimmung binnen zwei Wochen
ab Antragseingang zu entscheiden. Ergeht innerhalb dieser Frist keine Entscheidung, gilt die Zustimmung als erteilt.
Ist die Zustimmung erteilt, wobei es gleichgültig ist, ob das Integrationsamt die Entscheidungsfrist hat verstreichen lassen oder dem Arbeitgeber die Zustimmung zu
der außerordentlichen Kündigung ausdrücklich erteilt hat, muss der Arbeitgeber
die Kündigung unverzüglich aussprechen. Die Kündigung kann unwirksam sein,
wenn sie dem Arbeitnehmer erst mit Verzögerung zugeht.
Schwerbehinderte Arbeitnehmer, denen lediglich aus Anlass eines Streiks oder
einer Aussperrung fristlos gekündigt worden ist, sind nach Ende des Streiks oder
der Aussperrung wieder einzustellen.
4.7
Verfahren und Entscheidung
des Integrationsamtes
Das Integrationsamt hat über den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zu
einer Kündigung grundsätzlich nach freiem Ermessen zu entscheiden. Die Entscheidung darf aber nicht willkürlich erfolgen, sondern das Integrationsamt muss unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eine sachgemäße Abwägung der
Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der
Interessen des schwerbehinderten Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes vornehmen.
86
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Das Integrationsamt hat dabei zu beachten, dass es insbesondere Zweck des besonderen Kündigungsschutzes ist, den behinderten Arbeitnehmer vor Kündigungen aus Gründen seiner Behinderung und vor langen Arbeitslosigkeitszeiten
auf Grund möglicherweise behinderungsbedingt schlechterer Vermittlungschancen
zu bewahren.
Arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte sind daher vom Integrationsamt bei der
Entscheidung ebenso zu prüfen wie Möglichkeiten, behinderungsbedingte Leistungsstörungen durch eine behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung, zumutbare Umorganisation der Arbeitsabläufe, nötigenfalls innerbetriebliche Umsetzung
des betroffenen Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz etc. aufzufangen.
Das Integrationsamt hat jedoch nicht über die Zulässigkeit oder Wirksamkeit der
beabsichtigten Kündigung unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten zu befinden.
Hierüber haben nach Ausspruch der Kündigung die Arbeitsgerichte zu entscheiden.
Damit eine sachgerechte Entscheidung möglich ist, hat das Integrationsamt die
Pflicht, Stellungnahmen der zuständigen Agentur für Arbeit, des Betriebs- oder
Personalrates sowie der Schwerbehindertenvertretung einzuholen. Sie hat ferner
den schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmer zu hören (§ 87 Abs. 2
SGB IX).
Im Rahmen der Anhörung sollte der Betroffene möglichst umfassend besonders
dazu Stellung nehmen, inwieweit die vom Arbeitgeber vorgetragenen Gründe für
die beabsichtigte Kündigung in einem Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Wird die Zustimmung ohne Anhörung des Betroffenen oder ohne Einholung
der oben aufgeführten Stellungnahmen ausgesprochen, sollte gegen die Entscheidung Widerspruch eingelegt werden (siehe Punkt 4.8).
In einigen Fällen (siehe § 89 und § 91 Abs. 4 SGB IX) ist der Entscheidungsspielraum
des Integrationsamtes eingeschränkt. Das heißt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ist das Integrationsamt gehalten oder sogar verpflichtet, die Zustimmung zu erteilen. So soll das Integrationsamt z. B. einer außerordentlichen
Kündigung zustimmen, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht
im Zusammenhang mit der Behinderung steht.
Das Integrationsamt ist verpflichtet, während des Zustimmungsverfahrens jederzeit
auf eine gütliche Einigung hinzuwirken (§ 87 Abs. 3 SGB IX).
Wichtig: Im Rahmen der Verpflichtung, auf eine gütliche Einigung hinzuwirken,
kann das Integrationsamt auch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorschlagen oder empfehlen. Auch bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages auf Anraten
des Integrationsamtes kann unter Umständen eine Sperrfrist durch die Agentur für
Arbeit drohen, nämlich dann, wenn kein wichtiger Grund für die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 144 SGB Abs. 3 (Arbeitsförderung) vorliegt.
Sofern dies nicht bereits durch das Integrationsamt geschehen ist, sollte daher in
jedem Fall vor Abschluss des Aufhebungsvertrages mit der zuständigen Agentur für
87
K ÜNDIGUNGSSCHUTZ
Arbeit eine Klärung erreicht werden über die rechtlichen Folgen des Aufhebungsvertrages für die Arbeitslosenversicherung.
Die Entscheidung über den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung ist dem schwerbehinderten Menschen und dem Arbeitgeber zuzustellen.
4.8
Rechtsmittel nach Kündigung, Arbeitsangebot
Bei der Kündigung von schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmern ist
eine Vielzahl von unterschiedlichen Fallgestaltungen denkbar, die unterschiedliche
rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer eröffnen. Unter Umständen muss ein zweigleisiges Verfahren geführt werden:
Hat das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung erteilt, so kann der Arbeitnehmer gegen den Zustimmungsbescheid mit Widerspruch und – falls das Rechtsmittel des Widerspruchs erfolglos bleibt – durch Klage vor dem Verwaltungsgericht
vorgehen.
Widerspruch und Klage haben jedoch keine aufschiebende Wirkung (§ 88 Abs. 4
SGB IX), d. h., der Arbeitgeber ist berechtigt, die Kündigung auszusprechen, auch
wenn die Zustimmung zur Kündigung wegen eines noch laufenden Widerspruchsoder verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens noch nicht rechtskräftig ist. Daher
muss gegebenenfalls parallel zum noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsstreitverfahren vor dem Arbeitsgericht gegen die ausgesprochene Kündigung geklagt
werden.
Dabei sind unterschiedliche Rechtsmittelfristen zu beachten:
•
•
Die Frist für die Erhebung des Widerspruchs gegen den Zustimmungsbescheid
des Integrationsamtes beträgt im Regelfalle einen Monat ab Bekanntgabe des
Bescheids.
Auch für die Erhebung der Klage vor dem Arbeitsgericht sind Fristen zu beachten. Hier gelten jedoch unterschiedliche Regelungen.
Wichtig: Die Einhaltung dieser Frist ist vor allem dann erforderlich, wenn Rechtsansprüche nach dem Kündigungsschutzgesetz ferner stets bei der Unwirksamkeit
von außerordentlichen Kündigungen geltend gemacht werden sollen; in diesen
Fällen ist eine spätere Klageerhebung nur in besonderen Ausnahmefällen möglich.
Die Einhaltung der dreiwöchigen Klagefrist wird im Regelfall jedoch auch in den
Fällen zu empfehlen sein, in denen die Klage auf Gründe gestützt wird, die unabhängig von bestimmten Klagefristen geltend gemacht werden können, da sich
hieraus für den Arbeitnehmer prozessuale Vorteile ergeben können.
Zum Beispiel bietet dies die Möglichkeit, noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung oder mangelhafte
88
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
soziale Auswahl rügen zu können, oder die Möglichkeit, Antrag auf Auflösung des
Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung nach dem Kündigungsschutzgesetz stellen zu können.
Darüber hinaus wird die auch bei nicht fristgebundenen Klagen mögliche Verwirkung des Klagerechts vermieden.
Wichtig: Wegen der Vielzahl von denkbaren Fallgestaltungen kann eine abschließende Darstellung der rechtlichen Verteidigungsmöglichkeiten und der bestehenden Fristregelungen im Rahmen dieser Broschüre nicht erfolgen. Es wird daher
empfohlen, in jedem Falle unverzüglich nach Erhalt der Kündigung eine rechtliche
Beratung über den günstigsten Verfahrensweg in Anspruch zu nehmen (z. B. bei
der Arbeitskammer, die ihre Mitglieder kostenlos berät, bei der zuständigen Gewerkschaft, Behindertenverbänden). Im Rahmen dieser Beratung sollte auch geprüft werden, inwieweit möglicherweise Ansprüche auf Weiterbeschäftigung nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen (z. B. nach § 102 Abs. 5 BetrVG oder
bei offensichtlich unwirksamer Kündigung).
Erhält ein schwerbehinderter oder gleichgestellter Arbeitnehmer eine Kündigung,
so kann es unter Umständen eine sehr lange Zeit dauern, bis über die Frage der
Rechtswirksamkeit der Kündigung abschließend entschieden ist. Während dieser
Zeit besteht meist Unklarheit darüber, ob das gekündigte Arbeitsverhältnis beendet ist oder wegen Unwirksamkeit der Kündigung fortbestanden hat.
Um die Gehaltsansprüche bis zur Klärung dieser Frage zu sichern, sollte in jedem
Fall der Arbeitnehmer, der sich gegen die Kündigung zur Wehr setzen will, unverzüglich nach Erhalt der Kündigung schriftlich, am besten per Einschreiben mit Rückschein, dem Arbeitgeber mitteilen, dass er die Kündigung für rechtsunwirksam hält
und davon ausgeht, dass das Arbeitsverhältnis deshalb fortbesteht und dem Arbeitgeber auch über den in der Kündigung vorgesehenen Beendigungstermin hinaus
die Arbeitskraft anbietet.
Beschäftigt der Arbeitgeber auf ein solches Arbeitsangebot hin den Arbeitnehmer
in der Zeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung nicht und stellt das Arbeitsgericht dann später fest, dass die Kündigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis fortbestanden hat, so kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber für die gesamte zurückliegende Zeit, in der eine Beschäftigung nicht erfolgt ist, die Nachzahlung des Gehaltes verlangen.
Wichtig bei lang dauernden Kündigungsschutzverfahren ist aber:
Ansprüche auf diesen so genannten „Annahmeverzugslohn“ verjähren mit Ablauf
des zweiten Jahres nach Fälligkeit. Damit die Verjährung nicht eintritt, muss der
Annahmeverzugslohn unter Umständen bereits während des noch laufenden
Rechtsstreites über die Wirksamkeit der Kündigung beim Arbeitsgericht eingeklagt
werden, oder der Arbeitnehmer muss sich vom Arbeitgeber einen Verzicht auf die
Erhebung der Einrede der Verjährung erklären lassen.
89
K ÜNDIGUNGSSCHUTZ
Wichtig: Darüber hinaus gelten für Arbeitsverhältnisse neben den gesetzlichen Verjährungsfristen häufig einzelvertraglich vereinbarte oder tariflich geregelte „Ausschlussfristen“, d. h. Klauseln, die regeln, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, sofern sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist und gegebenenfalls
auch in einer bestimmten Form (z. B. schriftlich) zunächst beim Arbeitgeber und
auch gerichtlich geltend gemacht werden.
Sofern derartige Klauseln gelten, sollten die Ansprüche auf den Annahmeverzugslohn in jedem Falle form- und fristgerecht geltend gemacht werden, da die Erhebung einer Kündigungsschutzklage allein in bestimmten Fällen zur Wahrung der
Ausschlussfrist nicht ausreicht.
Sofern die Ausschlussfrist-Bestimmung verlangt, Ansprüche gerichtlich geltend zu
machen, muss dies zur Wahrung der Ansprüche auf den Annahmeverzugslohn in
jedem Falle fristgerecht erfolgen.
4.9
Beendigungsschutz bei teilweiser
Erwerbsminderung, Erwerbsminderung auf Zeit
und Berufsunfähigkeit
Einige Tarifverträge (z.B. die Manteltarifverträge des Bundes und der Länder) enthalten Vorschriften, nach denen das Arbeitsverhältnis automatisch endet, sofern
der Arbeitnehmer auf Zeit berufs- oder erwerbsunfähig wird. In diesen Fällen
endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen muss.
Damit schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht wegen derartiger Klauseln ihren
Arbeitsplatz verlieren, ohne dass der besondere Kündigungsschutz zum Tragen
kommt, bestimmt § 92 SGB IX, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines
schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmers auch dann der vorherigen
Zustimmung des Integrationsamtes bedarf, wenn sie im Falle des Eintritts der
Erwerbsminderung auf Zeit oder der Erwerbsminderung durch Klauseln wie die
oben genannte ohne Kündigung eintritt.
Nur für den Fall des Eintritts einer dauernden Erwerbsminderung lässt also der
Gesetzgeber eine derartige automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses
ohne Zustimmung des Integrationsamtes zu.
Auch § 92 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch greift nur, wenn der Arbeitnehmer vor
dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis nach der betreffenden Regelung
endet, zumindest einen Antrag gestellt hat auf Anerkennung als schwerbehinderter oder gleichgestellter Mensch.
90
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Ist für den Fall der Gewährung von Renten auf Zeit nicht die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses vorgesehen, sondern lediglich bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis für die Dauer des Rentenbezuges ruht (vgl. z. B. § 59 Abs. 1 BAT), ist eine
Zustimmung des Integrationsamtes nicht erforderlich.
91
I NTEGRATIONSAMT
5
Hilfen im Arbeitsleben
5.1
Das Integrationsamt
5.1.1
Zuständigkeit
Aus § 102 SGB IX ergibt sich die Zuständigkeit des Integrationsamtes (früher Hauptfürsorgestelle). Dem Amt obliegen:
•
•
•
•
Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe,
Kündigungsschutz,
begleitende Hilfe im Arbeitsleben,
zeitweiliger Entzug der besonderen Hilfe für schwerbehinderte Menschen (§
117 SGB IX).
5.1.2
Durchführung der Aufgaben
Neben dem Kündigungsschutz kommt der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben eine
hervorragende Bedeutung zu. Sie ist als Kernstück des Gesetzes anzusehen.
Das Integrationsamt leistet sie in enger Zusammenarbeit mit den Dienststellen der
Bundesagentur für Arbeit und den Trägern der Rehabilitation.
Begleitende Hilfe umschreibt eine Pflichtaufgabe des Integrationsamtes. Sie erfasst
die im Erwerbsleben stehenden schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen
nach § 2 SGB IX. Sie bezieht sich sowohl auf den Schutz des einzelnen als auch auf
die Gesamtheit der im Betrieb/in der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten
Arbeitnehmer.
Die begleitende Hilfe hat eine vorbeugende Funktion zur Sicherung der beruflichen Eingliederung, d. h. das Integrationsamt hat darauf zu achten und gegebenenfalls darauf hinzuwirken, dass schwerbehinderte Menschen behindertengerecht beschäftigt werden und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse weiterentwickeln
können.
Insbesondere sollen sie in die Lage versetzt werden, ihre durch Rehabilitation erworbenen Kenntnisse zu erhalten und fortzuentwickeln. Bei dieser Aufgabe hat
das Integrationsamt mit den Agenturen für Arbeit und den Rehabilitationsträgern
zusammenzuarbeiten.
Sollte sich die Arbeitsleistung eines schwerbehinderten Beschäftigten auf Grund
der Behinderung wesentlich vermindern, so kann das Integrationsamt einen Lohnkostenzuschuss gewähren.
Die begleitende Hilfe soll dahin wirken, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer in
92
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
ihrer sozialen Stellung nicht absinken, sondern auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können. Außerdem sollen Behinderte durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit Nichtbehinderten zu behaupten. Dazu gehören auch
die befristet und die in Teilzeit (mindestens 15 Stunden wöchentlich) beschäftigten
behinderten Menschen.
Die begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben umfasst auch die nach den
Umständen des Einzelfalles notwendige psychosoziale Betreuung schwerbehinderter Menschen. Das Integrationsamt kann bei der Durchführung dieser Aufgabe
Integrationsfachdienste einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen beteiligen. Hierzu können auch Geldleistungen gewährt werden.
Daher gilt als Grundsatz: Begleitende Hilfe vor Kündigung
Das Integrationsamt soll außerdem darauf Einfluss nehmen, Schwierigkeiten bei
der Beschäftigung zu verhindern oder zu beseitigen. Sie hat hierzu Schulungs- und
Bildungsmaßnahmen für Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten, Beauftragte
der Arbeitgeber, Betriebs-, Personal-, Richter- und Präsidialräte zu organisieren.
Notwendige Maßnahmen zur Erhaltung des Arbeitsplatzes können z. B. technische
Verbesserungen am Arbeitsplatz oder die Herausnahme aus der Wechselschicht
sein. Aber auch die Beschaffung eines Kraftfahrzeuges für einen in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkten behinderten Arbeitnehmer zum Erreichen des
Arbeitsplatzes kann eine notwendige Hilfeleistung sein.
Die Übersicht „Finanzielle Anreize für Arbeitgeber” (5.3) zeigt mögliche Leistungen
des Integrationsamtes auf. Im Einzelfall können aber auch andere Leistungsträger
(z. B. Agentur für Arbeit, Rentenversicherungsträger oder eine Berufsgenossenschaft) in Betracht kommen. Hinsichtlich der Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes siehe § 20 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung sowie die
Bestimmungen der Kraftfahrzeughilfeverordnung (beide im Anhang).
Schwerbehinderten Arbeitnehmern ist zu empfehlen, sich an ihre Schwerbehindertenvertretung – wenn nicht vorhanden, an den Betriebs- oder Personalrat – zu
wenden, damit diese den Kontakt zum Integrationsamt herstellt.
Aus den zur Verfügung stehenden Mitteln kann das Integrationsamt auch Mittel
der Ausgleichsabgabe zur institutionellen Förderung von Werkstätten für Behinderte, Trägern von Integrationsunternehmen, Berufsförderungswerken und dergleichen bereitstellen, Hilfen zur Beschaffung und zur Erhaltung einer Wohnung,
die den besonderen Bedürfnissen eines schwerbehinderten Menschen entspricht,
geben und auch Arbeitgebern Geldleistungen gewähren.
Aus den §§ 102 und 104 SGB IX und im Einzelnen aus der Ausgleichsabgabever-
93
I NTEGRATIONSAMT
ordnung (vgl. Anhang) ergibt sich ferner, ob und für welche Leistungen an Arbeitgeber oder schwerbehinderte Menschen im Einzelfall das Integrationsamt oder die
Bundesagentur für Arbeit zuständig ist.
5.1.3
Berufsbegleitende Dienste des Integrationsamtes zur
Betreuung schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben
Im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenerfüllung bietet das Integrationsamt Berufsbegleitende Dienste zur besonderen Betreuung schwerbehinderter Menschen
im Arbeitsleben an:
Berufsbegleitende Dienste des Integrationsamtes für psychosoziale Betreuung
schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben
Träger: Saarland-Heilstätten GmbH
Großherzog-Friedrich-Straße 11, 66111 Saarbrücken
Telefon (0681) 38912-12, Telefax (0681) 38912-11
Saarlouiser Straße 6, 66763 Dillingen
Telefon (06831) 707980
Telefax (06831) 707670
Bahnhofstraße 43, 66538 Neunkirchen
Telefon (06821) 140814
Telefax (06821) 177114
Berufsbegleitende Dienste des Integrationsamtes für Hörbehinderte im Arbeitsleben
Träger: Verband der Hörgeschädigten e.V.
Großherzog-Friedrich-Straße 11, 66111 Saarbrücken
Telefon (0681) 38912-52 bis 54
Telefax (0681) 38912-51
Die Berufsbegleitenden Dienste beraten kostenlos:
– schwerbehinderte und gleichgestellte Menschen,
– langfristig psychisch Kranke und Menschen mit psychischen Problemen am
Arbeitsplatz,
– hörbehinderte Menschen, Schwerhörige, Gehörlose und Ertaubte,
– Arbeitgeber, die Probleme mit den genannten Personen haben und Beratung
zu entsprechenden Personal- und Sachfragen wünschen.
94
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
In die Betreuung einbezogen werden:
– Arbeitgeber, Betriebs- und Personalräte,
– Schwerbehindertenvertretungen,
– weitere betriebliche Helfer und Funktionsträger.
Hilfen werden besonders angeboten bei:
– Leistungsproblemen,
– Konflikten im Umgang mit Vorgesetzten, oder mit
– Kollegen und Kolleginnen,
– Versetzungen im Betrieb,
– drohender Kündigung,
– Eingliederung/Wiedereingliederung im Arbeitsleben,
– Hilfsmittelbeschaffung.
5.2
Die Bundesagentur für Arbeit
5.2.1
Aufgaben
Die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit ergibt sich aus § 104 SGB IX; sie ist
für folgende Aufgaben gegeben:
•
•
•
die Berufsberatung, Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Vermittlung von in Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt,
die Beratung der Arbeitgeber bei der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen mit schwerbehinderten Menschen,
die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere von schwerbehinderten Menschen,
a) die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung oder sonstiger Umstände im
Arbeitsleben besonders betroffen sind (§ 72 Abs. 1),
b) die langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 des Dritten Buches sind,
c) die nach einer Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte
Menschen oder einem Integrationsprojekt eingestellt werden,
d) die als Teilzeitbeschäftigte eingestellt werden oder
e) die zur Aus- oder Weiterbildung eingestellt werden,
95
B UNDESAGENTUR
•
•
•
•
•
•
FÜR
A RBEIT
im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die besondere Förderung
schwerbehinderter Menschen,
die Gleichstellung, deren Widerruf und Rücknahme,
die Durchführung des Anzeigeverfahrens (§ 80 Abs. 2 und 4 SGB IX),
die Überwachung der Erfüllung der Beschäftigungspflicht,
die Zulassung der Anrechnung und der Mehrfachanrechnung (§ 75 Abs. 2, § 76
Abs. 1 und 2),
die Erfassung der Werkstätten für behinderte Menschen, ihre Anerkennung und
die Aufhebung der Anerkennung.
5.2.2
Umsetzen der Aufgaben
Zum Umsetzen dieser Aufgaben sind bei den Agenturen für Arbeit besondere Vermittlungsstellen für schwerbehinderte Menschen eingerichtet. Zuständig ist jeweils
die Vermittlungsstelle der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der schwerbehinderte Mensch seinen Wohnort hat. Die Arbeitsverwaltung kann Arbeitsuchende,
wenn dies unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustandes für die Arbeitsvermittlung notwendig erscheint, mit deren Einverständnis ärztlich und psychologisch
untersuchen bzw. begutachten lassen.
Die Berufsberatung und die Vermittlung schwerbehinderter Menschen in Ausbildungsstellen wird in den Agenturen für Arbeit von eigenen Berufsberatern für behinderte Menschen vorgenommen. Die Agenturen für Arbeit haben bei der Berufsberatung die körperlichen, geistigen und charakterlichen Eigenschaften, die Neigungen und die persönlichen Verhältnisse der behinderten Menschen zu berücksichtigen.
Das Gleichstellungsverfahren für behinderte Menschen betreiben die Agenturen
für Arbeit, weil diese wegen ihrer Übersicht über den Arbeitsmarkt am besten beurteilen können, ob es auf besondere Schwierigkeiten stoßen wird, einen behinderten Menschen auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen.
Bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen werden behinderte Menschen,
deren Grad der Behinderung zwischen 30 und unter 50 liegt, den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt (siehe 2.2).
Im Rahmen der Überwachung des Anzeigeverfahrens und der Erfüllung der Beschäftigungspflicht nimmt die Bundesagentur für Arbeit Einfluss darauf, dass in
den Betrieben und Dienststellen Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen geschaffen und die Möglichkeiten zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen
verbessert werden.
Um Arbeitsplätze schwerbehinderter Menschen zu sichern und besondere Aufwendungen von Arbeitgebern zur Ausgestaltung von Arbeitsplätzen zu honorieren,
haben die Agenturen für Arbeit u. a. die Möglichkeit, Behinderte auf mehr als
einen Pflichtplatz anzurechnen (siehe § 76 SGB IX).
96
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R ECHT
Neu zu den Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit gehört es, dass sie dem
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung jährlich über die Ergebnisse ihrer
Förderung der Eingliederung Schwerbehinderter berichten muss. Der Ergebnisbericht muss beinhalten:
•
•
•
Anzahl der geförderten Arbeitgeber und Schwerbehinderten,
die insgesamt aufgewandten Mittel und
die durchschnittlichen Förderungsbeträge.
Da die Bundesagentur für Arbeit nach den Bestimmungen des SGB lll, Arbeitsförderung, an Werkstätten für Behinderte Investitionshilfen gewähren kann und daher
über die Situation dieser Werkstätten besonders gut informiert ist, wurde ihr das
Verfahren zur Anerkennung dieser Werkstätten übertragen.
Es handelt sich hier um Einrichtungen, die der Teilhabe behinderter Menschen am
Arbeitsleben dienen. Sie bieten denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art
oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein
können, Gelegenheit zur Ausübung einer geeigneten Beschäftigung.
5.3
Finanzielle Anreize für Arbeitgeber …
5.3.1
… zur Schaffung neuer Arbeitsplätze
Das Integrationsamt gewährt nachstehende Leistungen gemäß den genannten
Rechtsgrundlagen: Investitionshilfen zur Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze für schwerbehinderte Menschen (§ 15 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung).
Die Grundausstattung des Arbeits- oder Ausbildungsplatzes sowie behinderungsbedingte Mehrkosten, Zusatzkosten für eine besondere Ausbildung im Gebrauch
der geförderten Hilfsmittel können bis zur vollen Kostenhöhe durch Darlehen oder
Zuschüsse gefördert werden. Art und Höhe der Leistung bestimmen sich nach den
Umständen des Einzelfalles.
Voraussetzungen
1. Es entsteht ein neuer Ausbildungsplatz für schwerbehinderte Menschen.
2. Es wird ein neuer Arbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen geschaffen
durch Arbeitgeber, die nicht verpflichtet sind, schwerbehinderte Menschen zu
beschäftigen, oder ihre Beschäftigungspflicht (5 Prozent) erfüllt haben.
3. Es wird ein neuer Arbeitsplatz für besonders benachteiligte schwerbehinderte
Menschen geschaffen, deren Beschäftigung infolge der Behinderung mit außergewöhnlichen Aufwendungen für den Arbeitgeber verbunden ist.
97
F INANZIELLE A NREIZE
5.3.2
… zur Förderung der Einstellung
Die Agenturen für Arbeit gewähren die folgenden Leistungen gemäß den genannten Rechtsvorschriften:
•
•
•
Für schwerbehinderte oder sonstige behinderte Menschen kann die Förderhöhe
bis zu 70 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu 24 Monate betragen. Nach Ablauf von zwölf Monaten ist der Eingliederungszuschuss entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers und den abnehmenden Eingliederungserfordernissen gegenüber der bisherigen Förderhöhe, mindestens um zehn Prozentpunkte, zu vermindern (§ 218 Abs. 2 SGB III).
Für schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 104 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a bis
d des Neunten Buches und ihnen nach § 2 Abs. 3 des Neunten Buches von den
Agenturen für Arbeit gleichgestellte behinderte Menschen, die wegen in ihrer
Person liegender Umstände nur erschwert vermittelbar sind (besonders betroffene schwerbehinderte Menschen) darf die Förderung 70 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts sowie 36 Monate nicht überschreiten. Bei
schwerbehinderten Menschen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben (besonders betroffene ältere schwerbehinderte Menschen), darf die Förderdauer
96 Monate nicht übersteigen. Der Eingliederungszuschuss für besonders betroffene ältere schwerbehinderte Menschen ist erst nach Ablauf von 24 Monaten zu
vermindern.
Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung. Die Zuschüsse können in Höhe des Betrages erbracht werden, der sich als anteilige Ausbildungsvergütung einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag errechnet (§ 235 SGB III).
5.3.3
... zur Probebeschäftigung behinderter Menschen
Arbeitgebern können die Kosten für eine befristete Probebeschäftigung behinderter, schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen im Sinne von § 2
des Neunten Buches bis zu einer Dauer von drei Monaten erstattet werden, wenn
dadurch die Möglichkeit einer Teilhabe am Arbeitsleben verbessert wird oder eine
vollständige und dauerhafte berufliche Eingliederung zu erreichen ist (§ 238 SGB
III).
•
Bei Übernahme schwerbehinderter Menschen in ein Arbeitsverhältnis durch den
ausbildenden oder einen anderen Arbeitgeber im Anschluss an eine abgeschlossene Aus- und Weiterbildung kann ein Eingliederungszuschuss in Höhe von bis
zu 70 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts (§ 220) für die
Dauer von einem Jahr erbracht werden, sofern während der Aus- oder Weiterbildung Zuschüsse erbracht wurden (§ 235 a Abs. 3 SGB III).
98
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Voraussetzungen
Es werden arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit unmittelbar bedrohte schwerbehinderte Menschen eingestellt, deren Beschäftigung wegen der Behinderung
mit außergewöhnlichen Aufwendungen für den Arbeitgeber verbunden ist, bzw.
deren Vermittlung besonders schwierig ist.
Grundsätzlich bestimmen sich die Voraussetzungen nach den Umständen des
Einzelfalles. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Agenturen für Arbeit informieren.
5.3.4
.… zur Sicherung der Beschäftigung
Das Integrationsamt zahlt folgende Leistungen, wenn die dafür genannten Voraussetzungen erfüllt sind:
Q Finanzielle Hilfen zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen des Arbeitgebers (§ 27 SchwbAV)
Kosten, die im Rahmen der Eingliederung und Beschäftigung schwerbehinderter
Menschen durch außergewöhnliche Betreuung oder den Einsatz sonstiger Hilfsund Ersatzkräfte entstehen, können bezuschusst werden. Im Regelfall werden die
anteiligen Personalkosten bis zur vollen Höhe übernommen; Bemessungsgrundlage
ist das angemessene Bruttoarbeitsentgelt zuzüglich der Arbeitgeberanteile zur
Sozialversicherung.
Die Bewilligung erfolgt für einen Zeitraum von längstens zwei Jahren, kann jedoch
wiederholt werden, solange die Voraussetzungen weiter vorliegen.
Voraussetzungen
Die Leistungen werden gewährt, wenn:
1. alle technischen und organisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind,
schwerbehinderte Menschen von fremder Unterstützung unabhängig zu
machen, diese das tarifliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt erhalten und
2. schwerbehinderte Menschen wegen der Behinderung z. B. eine besondere Hilfskraft zur Betreuung oder Anleitung benötigen oder dem Arbeitgeber sonstige
außergewöhnliche Aufwendungen verursachen.
Die Leistungen werden vor allem erbracht, wenn ohne diese das Beschäftigungsverhältnis gefährdet wäre.
Q Lohnkostenzuschüsse bei verminderter Arbeitsleistung von schwerbehinderten
Menschen (§ 27 SchwbAV)
Die Lohnkostenzuschüsse betragen bis zu 409 € pro Monat. Die Bewilligung erfolgt
99
S ICHERUNG
DER
B ESCHÄFTIGUNG
für einen Zeitraum von längstens zwei Jahren, kann jedoch wiederholt werden, solange die Voraussetzungen weiter vorliegen.
Voraussetzungen
Die Arbeitsleistung des schwerbehinderten Menschen muss nicht nur vorübergehend aus behinderungsbedingten Gründen mindestens 30 Prozent unter der
Normalleistung liegen. Die Leistungen werden vor allem erbracht, wenn ohne diese
das Beschäftigungsverhältnis gefährdet wäre.
Q Finanzielle Hilfen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und
Ausbildungsplätzen (§ 26 SchwbAV)
Die Kosten für eine behinderungsgerechte Einrichtung, Ausstattung, Unterhaltung
und Modernisierung von Arbeitsplätzen einschließlich der Betriebsanlagen,
Maschinen, Geräte und technischen Arbeitshilfen können bis zur vollen Höhe durch
Darlehen oder Zuschüsse gefördert werden. Art und Höhe der Leistung bestimmen
sich nach den Umständen des Einzelfalles.
Voraussetzungen
Die Maßnahme soll helfen, eine möglichst dauerhafte, behinderungsgerechte Beschäftigung zu erreichen. Es muss sich um Mehr-Aufwendungen handeln, die durch
die Behinderung verursacht sind.
Der Arbeitgeber soll sich in einem angemessenen Verhältnis an den Gesamtkosten
beteiligen, besonders wenn ihm wirtschaftliche Vorteile durch die Maßnahme entstehen.
Q Investitionshilfen zur Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes im Rahmen innerbetrieblicher Umsetzung (§ 15 SchwbAV)
Die Kosten für den gesamten neuen Arbeitsplatz und behinderungsbedingte Mehrkosten, Zusatzkosten für Einweisungs- und Einarbeitungszeiten können im Einzelfall bis zur vollen Höhe durch Darlehen oder Zuschüsse gefördert werden. Art und
Höhe der Leistung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalles.
Voraussetzungen
Die Einrichtung des neuen Arbeitsplatzes ist erforderlich, um den schwerbehinderten Menschen behinderungsgerecht weiter zu beschäftigen oder eine Bedrohung des Arbeitsverhältnisses dauerhaft abzuwenden. Der Arbeitgeber soll sich
in einem angemessenen Verhältnis an den Gesamtkosten beteiligen, insbesondere
wenn ihm wirtschaftliche Vorteile durch die Maßnahme entstehen.
5.3.5
Saarländisches Schwerbehinderten-Sonderprogramm
Die Chancen, im Wettbewerb um einen Arbeitsplatz zu bestehen, sind für schwer-
100
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
behinderte Menschen weiter gesunken. Vielen droht wegen der allgemein schwierigen Wirtschaftslage die dauerhafte Ausgrenzung aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Vorrangiges Ziel des Saarländischen Sonderprogramms zur Eingliederung
Schwerbehinderter auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (SaarSoSchwb) ist es, zusätzliche Impulse zur Eingliederung betroffener schwerbehinderter Menschen auf den
Arbeitsmarkt zu geben.
Das 1994 aufgelegte Sonderprogramm der saarländischen Landesregierung ist 2004
um weitere zwei Jahre verlängert worden. Bis dahin waren durch das Programm
rund 1.600 schwerbehinderte Menschen bei der Eingliederung in den allgemeinen
Arbeitsmarkt gefördert worden.
Der saarländische Landesbeirat für die Belange von Menschen mit Behinderungen
hat dem saarländischen Sonderprogramm, aufgestockt um zusätzliche Mittel des
Sondervermögens Ausgleichsabgabe in Höhe von 2,3 Millionen €, zugestimmt.
Dem Landesbeirat gehören 28 Mitglieder, darunter Sozialverbände, Institutionen
und Behörden an.
Q Wesentliche Änderungen in den Richtlinien des Sonderprogramms
•
•
•
Aufnahme der Zielgruppe schwerbehinderte Jugendliche unter 25 Jahren und
schwerbehinderte Berufsrückkehrer/innen in den Förderkatalog des
Programms;
Förderanreize für Arbeitgeber bei Einstellung zur beruflichen Ausbildung und
Qualifizierung schwerbehinderter Menschen sowie anschließender Weiterbeschäftigung im gleichen Betrieb;
Verbesserung der Ausgestaltung der Förderkriterien für die Projekte „Übergang
aus den Werkstätten für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt“ (Neuerung: verlängerte Förderdauer bis 5 Jahre) und „Arbeitstrainingsplätze für psychisch behinderte Menschen im Saarland“ (Neuerung: Erhöhung
der Praktikums-Pauschale).
Q Weitere Länderprogramme für schwerbehinderte Menschen
Ähnliche Länderprogramme, die aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanziert werden und deren Inhalte und Durchsetzung durch die Agenturen für Arbeit im Einzelnen festgelegt werden, existieren auch in anderen Bundesländern. Betriebs-,
Personalräte und Schwerbehindertenvertretungen sind aufgerufen, sich aktiv bei
der Umsetzung der Sonderprogramme zu beteiligen, ihre Arbeitgeber hierüber zu
informieren.
101
N ACHTEILSAUSGLEICHE
6
Praktische Tipps für
behinderte Menschen
6.1
Nachteilsausgleiche
bei Einkommen- bzw. Lohnsteuer
Behinderten Menschen entstehen häufig Aufwendungen, die durch besondere Belastungen hervorgerufen werden, die gesunde Menschen nicht haben. Werden
diese Aufwendungen nicht ersetzt (z. B. durch eine Versicherung), „hilft” das
Finanzamt dadurch, dass es so genannte „außergewöhnliche Belastungen” zum
Abzug zulässt. Außergewöhnliche Belastungen wirken sich nur dann steuermindernd aus, wenn die Aufwendungen einen bestimmten Prozentsatz der Einkünfte
– die „zumutbare Belastung” – überschreiten. Vorausgesetzt natürlich, es werden
Steuern abgeführt, von denen man etwas absetzen kann.
6.1.1
Pauschbetrag
Wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die behinderten Menschen unmittelbar durch ihre Behinderung erwachsen, wird bei der Einkommens- und Lohnsteuer
auf Antrag ein zusätzlicher Pauschbetrag wegen der Behinderung eingeräumt.
Beim ermittelten Einkommen wird ein Pauschbetrag abgezogen.
Q § 33b Einkommensteuergesetz (EStG)
Der Pauschbetrag wird durch die ausstellende Gemeinde von Amts wegen in der
Lohnsteuerkarte eingetragen. Ist dies ausnahmsweise unterblieben, kann er bis
zum 30. November des Jahres vom Finanzamt eingetragen oder bei der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden.
Q Personenkreis und Nachweise
•
•
Behinderte Menschen mit einem GdB von mindestens 50 sowie Blinde (Merkzeichen Bl) und Hilflose (Merkzeichen H). Als Nachweis dienen der Schwerbehindertenausweis, der Feststellungsbescheid oder eine besondere Bescheinigung
des Versorgungsamtes oder Rentenbescheid.
Behinderten Menschen mit einem GdB von unter 50 wird der Pauschbetrag nur
gewährt, wenn die Behinderung
102
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
–
die körperliche Beweglichkeit dauernd beeinträchtigt (z. B. auch als Folge innerer Krankheiten oder einer Seh-/Hörbehinderung) oder
–
durch eine typische Berufskrankheit hervorgerufen wird oder
–
zum Bezug einer Rente berechtigt.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss dem Finanzamt nachgewiesen werden.
Das kann in den ersten beiden Fällen durch eine besondere Bescheinigung des Versorgungsamtes sowie im Übrigen durch die Vorlage des Rentenbescheides geschehen.
Q Höhe des Pauschbetrages
Der Pauschbetrag für den entsprechenden Grad der Behinderung wird stets in voller Höhe für das Kalenderjahr gewährt.
Wird der Grad der Behinderung im Laufe des Jahres herauf- oder herabgesetzt, so
wird der entsprechende Pauschbetrag berücksichtigt für den höchsten Grad der Behinderung, der im Laufe des Jahres festgestellt wurde. Die Höhe richtet sich nach
dem dauernden GdB.
Als Pauschbeträge werden gewährt:
Stufe
Bei einem Grad der
Behinderung von
1
2
3
4
5
6
7
8
25 und 30
35 und 40
45 und 50
55 und 60
65 und 70
75 und 80
85 und 90
95 und 100
Jahresbetrag
310 €
430 €
570 €
720 €
890 €
1.060 €
1.230 €
1.420 €
Monatsbetrag
25,83 €
35,83 €
47,50 €
60,00 €
74,17 €
88,33 €
102,50 €
118,33 €
Für blinde und behinderte Menschen, die wegen ihrer Behinderung ständig so hilflos sind, dass sie für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe bedürfen (Merkzeichen „H“ oder „Bl“), erhöht sich der Pauschbetrag auf insgesamt
3.700 € jährlich.
Die Voraussetzungen sind durch einen Schwerbehindertenausweis, der mit dem
Merkzeichen „H“ oder „Bl“ gekennzeichnet ist, oder durch einen Bescheid über die
Einstufung in Pflegestufe III nachzuweisen.
103
N ACHTEILSAUSGLEICHE
6.1.2
Rückwirkende Anerkennung oder Änderung
Wird für vorhergehende Kalenderjahre eine Behinderung anerkannt oder der GdB
erhöht, muss das Finanzamt den erhöhten Pauschbetrag rückwirkend gewähren,
denn der Bescheid des Landesamtes für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz ist ein Grundlagenbescheid.
6.1.3
Pauschbeträge für behinderte Kinder
Steht der Pauschbetrag für Behinderte einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige
einen Kinderfreibetrag erhält, so wird der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt.
Einen solchen Pauschbetrag erhalten:
•
•
•
•
zusammenveranlagte Ehegatten, wenn das Kind zu beiden in einem Kindschaftsverhältnis steht,
die Mutter in voller Höhe, wenn der Vater bereits verstorben ist,
geschiedene, dauernd getrennt lebende für ein gemeinsames Kind jeder Elternteil grundsätzlich die Hälfte des Pauschbetrages; im Veranlagungsverfahren
kann auf Antrag der gesamte Pauschbetrag auf einen Elternteil übertragen
werden. Vorausgesetzt, er kommt seiner Unterhaltspflicht nach,
unverheiratete Eltern je zur Hälfte.
Weitere steuerliche Vorteile enthält die AK-Broschüre „Einkommensteuer“.
6.1.4
Berücksichtigung behinderter Kinder
Kinder werden ohne altersmäßige Begrenzung berücksichtigt, wenn es ihnen
wegen ihrer Behinderung unmöglich ist, ihren gesamten notwendigen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten und die Behinderung vor
Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist. Behinderungen in diesem Sinne
sind körperliche, geistige oder seelische Zustände, die sich über einen längeren
Zeitraum erstrecken und deren Ende nicht absehbar ist. Auch Suchtkrankheiten
können dazu gehören.
6.1.5
Betreuungsfreibetrag für behinderte Kinder
Ein Betreuungsfreibetrag von 774 € ist vom Einkommen abzuziehen, wenn nach
§ 31 EStG das Kindergeld die mit dem Kinderfreibetrag und unter Umständen Betreuungsfreibetrag verbundene Einkommensteuerminderung nicht abdeckt. Bei
104
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
der Zusammenveranlagung von Ehegatten werden die Freibeträge für jedes Kind,
das zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht, auf 3.564 € bzw.
1.548 € verdoppelt.
Ist bei einem volljährigen behinderten Kind nicht nur der behinderungsbedingte
Mehrbedarf, sondern ausnahmsweise auch sein sächliches Existenzminimum bei
vollstationärer Unterbringung durch Eingliederungshilfe gedeckt, so dass es nicht
nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden kann, wird für dieses Kind
ein geminderter Betreuungsfreibetrag von 276 € vom Einkommen abgezogen,
wenn sich nach § 31 EStG ergibt, dass das entsprechende Teilkindergeld nach § 66
Abs. 1 Satz 2 EStG 15 E monatlich die mit dem geminderten Betreuungsfreibetrag
verbundene Einkommensteuerminderung nicht abdeckt. Bei der Einkommensteuerveranlagung prüft das Finanzamt, ob der Betreuungsfreibetrag zum Vorteil
ist.
6.1.6
Eintrag auf der Lohnsteuerkarte
Der Pauschbetrag für behinderte Arbeitnehmer kann auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden. Das hat den Vorteil, dass er bereits beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt wird. Der Eintrag erfolgt durch die Gemeinde, die die Lohnsteuerkarte
ausstellt.
Bei erstmaligem Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung der Pauschbeträge sind die Nachweise bei dem für den Wohnsitz zuständigen Finanzamt zu
erbringen, das die Gemeinde entsprechend unterrichtet. Hat die Gemeinde die
Pauschbeträge noch nicht eingetragen, kann dies auch beim Finanzamt beantragt
werden.
6.1.7
Abgelten außergewöhnlicher Belastungen
Durch die Pauschbeträge werden steuerlich die außergewöhnlichen Belastungen
abgegolten, die behinderten Menschen laufend unmittelbar infolge der Behinderung als typische Mehraufwendungen erwachsen.
Entstehen einem Steuerpflichtigen aus einer Behinderung höhere Aufwendungen,
so können sie anstelle der Pauschbeträge steuermindernd geltend gemacht werden. Eine zumutbare Belastung wird hierbei berücksichtigt. Zu den typischen Mehraufwendungen zählen z.B. ein erhöhter Wäscheverbrauch, besondere Hilfeleistungen und andere typische Erschwernisaufwendungen.
Werden anstelle des Pauschbetrags die tatsächlichen Aufwendungen geltend gemacht, so sind die gesamten Aufwendungen nachzuweisen oder glaubhaft zu
machen und nicht nur eine zusätzliche Belastung, die neben den Pauschbeträgen
anerkannt werden soll.
105
N ACHTEILSAUSGLEICHE
6.1.8
Nachweis der Voraussetzungen
Die Voraussetzungen sind nachzuweisen:
a) von behinderten Menschen, deren GdB auf mindestens 50 festgestellt ist, durch
einen Schwerbehindertenausweis;
b) von behinderten Menschen, deren GdB weniger als 50, aber mindestens 25 beträgt:
–
durch eine Bescheinigung des Versorgungsamtes, die auch eine Äußerung darüber enthalten muss, ob die Behinderung zu einer äußerlich erkennbaren dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat oder auf einer typischen Berufskrankheit beruht oder
–
wenn behinderten Menschen wegen der Behinderung nach den gesetzlichen
Vorschriften Renten oder andere laufende Bezüge zustehen, durch den Rentenbescheid oder den entsprechenden Bescheid. Es kann sich dabei z.B. um Rentenbescheide des Versorgungsamtes oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung oder bei Beamten, die Unfallruhegehalt beziehen, um einen entsprechenden Bescheid handeln. Der Rentenbescheid eines Trägers der gesetzlichen
Rentenversicherung der Arbeiter oder Angestellten genügt nicht.
An die für die Gewährung des Pauschbetrages erforderlichen Ausweise, Bescheide
und Bescheinigungen sind die Finanzämter gebunden.
6.1.9
Inanspruchnahme eines Pauschbetrages
nach dem Tode eines behinderten Menschen
Die Inanspruchnahme eines Pauschbetrages für behinderte Menschen gemäß § 33
b des Einkommensteuergesetzes ist auch nach dem Tode eines behinderten Menschen möglich, der keinen Antrag auf Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises oder einer Bescheinigung beim Versorgungsamt nach dem SGB IX gestellt
hat.
Die Angehörigen müssen die Anerkennung des Pauschbetrages beim Finanzamt
beantragen. Als Nachweis der Behinderung gilt nach § 65 Abs. 3 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung eine gutachtliche Stellungnahme des Versorgungsamtes. Diese Stellungnahme wird vom Finanzamt eingeholt.
106
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
6.2
Nachteilsausgleiche bei Fahrzeugen
6.2.1
Befreiung bzw. Ermäßigung von der
Kraftfahrzeugsteuer
UND IHR
R ECHT
Die Grafik auf Seite 116 zeigt den Kreis der schwerbehinderten Menschen, die eine
Kraftfahrzeugsteuerbefreiung bzw. -ermäßigung erhalten.
Zuständig:
Versicherungsunternehmen
Erforderliche Unterlagen:
Schwerbehindertenausweis, Kfz-Steuerbescheid, ggfs.
Beiblatt zum Behindertenausweis
Rechtsquelle/Fundstelle:
Tarife der Versicherungsunternehmen/Rundschreiben
des GDV
Seit der Freigabe der Versicherungsbedingungen Mitte 1994 haben die meisten
Versicherungsgesellschaften den Nachlass für schwerbehinderte Menschen sowohl
in der Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung als auch in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gestrichen.
Während vor der Freigabe der Tarife seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft
vorgeschrieben wurde, dass schwerbehinderten Menschen ein Sozialrabatt zu
gewähren sei, besteht diese Verpflichtung jetzt nicht mehr.
Es steht daher jeder Versicherungsgesellschaft frei, einen solchen Rabatt noch freiwillig zu gewähren.
6.2.2
Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
Mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom
26. April 2006 wurde des Einkommenssteuergesetz geändert. Unter anderem
wurde entschieden, dass die Aufwendungen von Arbeitnehmern für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte und für Familienheimfahrten mit
Wirkung des Veranlagungszeitraums für 2006 keine Werbungskosten sind.
Lediglich zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung
und regelmäßiger Arbeitsstätte ist ab dem 21. Entfernungskilometer für jeden
Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, für jeden vollen
Kilometer der Entfernung eine Entfernungspauschale von 0,30 € wie
Werbungskosten anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 € im Kalenderjahr; ein höherer Betrag als 4.500 € ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder
ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.
Gesetzestext § 9 EStG neu: Behinderte Menschen,
107
N ACHTEILSAUSGLEICHE
1. deren Grad der Behinderung mindestens 70 beträgt,
2. deren Grad der Behinderung von weniger als 70, aber mindestens 50 beträgt
und die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, können an Stelle der Entfernungspauschalen die tatsächlichen
Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und für die
Familienheimfahrten ansetzen.
Die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 sind durch amtliche Unterlagen nachzuweisen.
Zwischenzeitlich wurde klargestellt, dass dieser Personenkreis (Grad der
Behinderung (GdB) von 70 oder ein GdB von mindestens 50 und das Merkzeichen
„G“) weiterhin für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die tatsächlichen
Aufwendungen oder an Stelle der tatsächlichen Aufwendungen den Kilometersatz
von 0,30 € je gefahrenen Kilometer steuerlich geltend machen können.
Der steuerliche Nachteilsausgleich wird also wie bisher ab dem ersten gefahrenen
Kilometer und nicht erst wie allgemein gültig ab dem einundzwanzigsten
Kilometer gewährt.
6.2.3
Privatfahrten
Bei geh- und stehbehinderten Menschen mit einem GdB von 80 oder mindestens 70
mit Merkzeichen „G“ werden Aufwendungen für unvermeidbare Fahrten in angemessenem Rahmen anerkannt, soweit diese nachgewiesen oder glaubhaft gemacht
worden sind.
Aus Vereinfachungsgründen können grundsätzlich ohne weitere Einzelnachweise
0,30 € je Kilometer für Fahrten bis zu 3.000 km jährlich angesetzt werden. Bei
außergewöhnlich gehbehinderten (aG), blinden (Bl) oder hilflosen Menschen (H)
kann eine Fahrleistung bis zu 15.000 km berücksichtigt werden, wenn entsprechende tatsächliche Fahrten nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wurden. Werden
neben den Aufwendungen für Privatfahrten mit dem eigenen Pkw auch Ausgaben
für Fahrten mit anderen Verkehrsmitteln (z. B. Taxi) geltend gemacht, ist die als
noch angemessen anzusehende Fahrleistung von 3.000 km bzw. 15.000 km entsprechend zu kürzen (zumutbare Eigenbelastung).
Begünstigt sind nicht nur die unvermeidbaren Kosten zur Erledigung privater
Angelegenheiten, sondern im angemessenen Umfang auch Kosten für Erholungs-,
Freizeit- und Besuchsfahrten.
Behinderte Menschen, die die Voraussetzung für die Gewährung eines Pauschbetrages erfüllen, haben für jeden Veranlagungszeitraum ein Wahlrecht, ob sie
entweder ohne Einzelnachweis den Behinderten-Pauschbetrag oder aber unter
Kürzung um die zumutbare Belastung die tatsächlich entstandenen höheren behin-
108
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
derungsbedingten Aufwendungen geltend machen. In allen Fällen kann eine
Fahrleistung über 3.000 km jährlich nur anerkannt werden, wenn die Fahrten durch
die Behinderung verursacht sind und dies z. B. anhand eines Fahrtenbuches oder
sonst geeigneter Unterlagen (Verzeichnis über Privatfahrten) nachgewiesen wird.
Dafür sind zumindest für einen begrenzten Zeitraum entsprechende Aufzeichnungen zu führen und Belege zu sammeln.
Mittagsheimfahrten sind bei Behinderten auch dann steuerlich begünstigt, wenn
die Arbeitszeit mindestens vier Stunden unterbrochen ist. Unter den Begriff der tatsächlich angefallenen Aufwendungen fallen die Kosten, die durch den Einsatz des
Fahrzeugs entstehen. Hierzu sind die Gesamtfahrleistung eines Jahres und die während des Jahres angefallenen festen und laufenden Kfz-Kosten festzustellen.
Aus der Gesamtfahrleistung und den Gesamtkosten lässt sich ein Kilometersatz
errechnen, der jeweils mit der Zahl der beruflich gefahrenen Kilometer vervielfacht
wird. Dieser Kilometersatz kann längstens bis zum Ablauf des Abschreibungszeitraums des Fahrzeuges angesetzt werden, solange die Jahresfahrleistung und
die Jahresgesamtleistung konstant bleiben. Die Nutzungsdauer beträgt mindestens
fünf Jahre.
Aus Vereinfachungsgründen können als tatsächlich angefallene Aufwendungen für
jeden gefahrenen Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Hin- und
Rückfahrt) bei Benutzen eines Pkw ein Kilometer-Pauschbetrag von 0,30 € und
eines Motorrades oder Motorrollers ein Kilometer-Pauschbetrag von 0,13 € als
Werbungskosten angesetzt werden, sofern keine höheren Aufwendungen nachgewiesen werden können.
Blinde und andere behinderte Menschen im Sinne des § 9 Abs. 2 EStG ohne gültige Fahrerlaubnis oder Personen, die von einer Fahrerlaubnis keinen Gebrauch
machen aus Gründen, die mit der Behinderung im Zusammenhang stehen, oder das
Fahrzeug wegen der Behinderung zweifelsfrei nicht selbst lenken können und die
von einem Dritten (z. B. Ehegatten) zur Arbeitsstätte gefahren und nach Ende der
Arbeitszeit von dort wieder abgeholt werden, können auch die Aufwendungen als
Werbungskosten geltend machen, die ihnen durch die An- und Abfahrten des
Fahrers entstehen (Leerfahrten).
6.2.4
Hilfen bei Anschaffung und Umrüstung
von Kraftfahrzeugen, Fahrerlaubnis
Zur Eingliederung behinderter Menschen in das Arbeitsleben werden nach der
Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHv) Leistungen gewährt
•
•
•
zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges,
für eine behindertengerechte Zusatzausstattung,
um eine Fahrerlaubnis zu erlangen,
109
N ACHTEILSAUSGLEICHE
Die Leistungen setzen voraus, dass
•
•
der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung nicht nur vorübergehend
auf die Nutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, um seinen Arbeitsplatz
oder Ausbildungsort oder den Ort der sonstigen Maßnahme der beruflichen
Bildung zu erreichen,
er ein Kraftfahrzeug führen können muss oder dass gewährleistet ist, dass ein
Dritter das Fahrzeug für ihn fährt.
Ansprechpartner für die Leistungen sind:
•
•
•
•
•
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
Träger der gesetzlichen Rentenversicherung,
Träger der Kriegsopferfürsorge,
die Bundesagentur für Arbeit und
die Träger der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben.
Wichtig: Der Antrag muss vor Abschluss eines Kaufvertrages über das Kraftfahrzeug und die behindertengerechte Zusatzausstattung und vor Beginn der Schulung
zur Fahrerlaubnis gestellt werden (§§ 8 und 10 KfzHv). Die Höhe der Leistung richtet sich nach dem Einkommen des behinderten Menschen (§ 6 Kraftfahrzeughilfeverordnung).
6.2.5
Gebührennachlass bei TÜV, Straßenverkehrsbehörde und
Vergünstigungen für Behinderte bei Neuwagenkauf
Zusätzliche Gebühren können durch die Behinderung bei TÜV oder Straßenbehörden entstehen. Der Eintrag besonderer Bedienungseinrichtungen oder
Auflagen in den Führerschein etwa können diese Kosten verursachen. Hier ist es
möglich, auf die Behinderung hinzuweisen und so zu erreichen, dass die Gebühren
ermäßigt oder erlassen werden; eine Nachfrage lohnt sich hier allemal.
Allerdings sind Gebühren, die zum Beispiel durch die regelmäßige Überprüfung des
Fahrzeugs entstehen, davon nicht betroffen.
Viele Fahrzeughersteller bieten Sondernachlässe beim Neuwagenkauf auf Basis der
„Unverbindlichen Preisempfehlung“ („Listenpreis“) an. Der ADAC hat nachgefragt.
Den Rabatt gibt's dann über den Händler, der in der Regel eine Rückvergütung
über den Hersteller erhält. Natürlich hat der Händler das letzte Wort, d.h. mit diesem müssen Sie verhandeln, denn in seinem Ermessen liegt letztlich die
Rabattgewährung. Nicht unerheblich ist Ihr Verhandlungsgeschick, denn oft hat
der Händler Spielraum für Nachlässe – eine Tabelle finden sie unter www.adac.de
/Recht und Rat/Kauf Leasing Miete/Neuwagenkauf/Vergünstigungen.
110
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Vorausgesetzt wird im Allgemeinen ein Behinderungsgrad von mindestens 50% mit
Merkzeichen „G“, „aG“, „H“ oder „Blind“. Teilweise wird dem behinderten
Menschen eine Mindesthaltedauer auferlegt oder die Vorlage des Behindertenausweises gefordert und wichtig ist auch, dass das Fahrzeug auf den Behinderten
(also auch auf ein behindertes Kind) zugelassen wird. Einzelheiten hierzu klären Sie
bitte am besten selbst mit dem Verkäufer ab. Alle Angaben sind selbstverständlich
unverbindlich!
6.2.6
Parkerleichterungen
1. Schwerbehinderten Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und
Blinden kann gestattet werden,
a) im eingeschränkten Halteverbot bis zu drei Stunden zu parken. Die Ankunftszeit muss auf einer Parkscheibe eingestellt werden. Längere Parkzeit kann auf
Antrag für bestimmte Halteverbotsstrecken genehmigt werden.
b) in einem Zonenhalteverbot die zugelassene Parkdauer zu überschreiten,
c) auf gekennzeichneten öffentlichen Parkflächen, auf denen durch Zusatzschild
eine Begrenzung der Parkdauer angeordnet ist, über die zugelassene Zeit
hinaus zu parken,
d) in Fußgängerzonen, in denen das Be- und Entladen für bestimmte Zeiten freigegeben ist, während der Ladezeiten zu parken,
e) an Parkuhren zu parken ohne Gebühr und zeitliche Begrenzung, sofern in zumutbarer Entfernung keine andere Parkmöglichkeit besteht,
2. die Berechtigung ist durch einen Ausweis, der gut sichtbar hinter der Windschutzscheibe anzubringen ist, nachzuweisen.
Q Personenkreis
Als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit
fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges
bewegen können. Hierzu zählen: Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig
Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen,
oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkeloder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehend aufgeführten Personenkreis gleichzustellen sind.
Als Erkrankungen, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise
Herzschäden und Krankheiten der Atmungsorgane anzusehen, sofern die Ein-
111
N ACHTEILSAUSGLEICHE
schränkung der Herzleistung oder Lungenfunktion für sich allein einen Grad der
Behinderung um wenigstens 80 bedingt. Der Antrag auf Ausnahmegenehmigung
ist bei der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde zu stellen.
Der behinderte Mensch erhält einen mit dem Rollstuhlsymbol versehenen Parkausweis. Dieser ist beim Parken an der Windschutzscheibe anzubringen.
Der Parkausweis hat Gültigkeit für das gesamte Bundesgebiet, das europäische
Ausland und die Türkei. Führt der behinderte Mensch das Kraftfahrzeug wegen seiner Schwerbehinderung nicht selbst, dann wird im Parkausweis vermerkt, dass dieser für den jeweiligen Fahrer des Behinderten gilt. Die Dauerausnahmegenehmigung soll in der Regel für zwei Jahre bis auf Widerruf gebührenfrei erteilt werden. Antragstellern mit nichtbesserungsfähigen Körperschäden kann die Ausnahme unbefristet unter Widerrufsvorbehalt genehmigt werden.
Erlass vom 1. März 2006 für Parkerleichterungen im Saarland
Innen- und Sozialministerium erleichter Parken für schwerbehinderte Menschen im
Saarland – Ausnahmegenehmigung und Ausweis werden auch in Hessen, BadenWürttemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, SchleswigHolstein, Nordrhein-Westfalen anerkannt.
Behinderte Menschen, die zwar nicht außergewöhnlich gehbehindert, aber in ihrer
Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr doch erheblich beeinträchtigt sind, können
ab sofort im Saarland ebenfalls Parkerleichterungen in Anspruch nehmen. Damit
wird auch diesem Personenkreis künftig ein Mehr an Selbstbestimmung und
Integration in die Gesellschaft ermöglicht.
Die neuen Parkerleichterungen hat das Innenministerium in Abstimmung mit dem
Sozialministerium in einem Erlass vom 1. März 2006 geregelt. Sie gelten für folgende Gruppen:
1. Schwerbehinderte Personen, denen durch die Versorgungsverwaltung
a) ein Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 80 allein infolge Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule und die
Merkzeichen „G“ (erheblich gehbehindert) und „B“ (Notwendigkeit ständiger
Begleitung),
oder
b) ein Grad der Behinderung von wenigstens 70 allein infolge Funktionsstörungen
der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule und gleichzeitig ein
Grad der Behinderung von wenigstens 50 infolge Funktionsstörungen des
Herzens oder der Lunge und das Merkzeichen „G“
bescheinigt wurde,
112
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
2. Stomaträger mit doppeltem Stoma (künstlicher Darmausgang und künstliche
Harnableitung) und einem hierfür festgestellten Grad der Behinderung von
wenigstens 70,
3. Morbus-Crohn-Kranke und Colitis-Ulcerosa-Kranke mit einem hierfür festgestellten Grad der Behinderung von wenigstens 60
Soweit eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist – eine entsprechende Bestätigung
stellt das Landesamt für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz aus – stellt die
Straßenverkehrsbehörde auf Antrag eine Ausnahmegenehmigung und einen gelben Ausweis aus. Ausnahmegenehmigung und Ausweis werden auch in Hessen,
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern,
Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen anerkannt; umgekehrt gelten dort ausgestellte Ausweise auch im Saarland.
Weitere Informationen und Regelungen mit den entsprechenden Schildern finden
Sie in der Anlage zum Download.
Sie berechtigen den Behinderten selbst oder den sie befördernden Kraftfahrzeugführer:
1. Im eingeschränkten Haltverbot (Zeichen 286) bis zu drei Stunden und
2. im eingeschränkten Zonenhaltverbot (Zeichen 290) bis zu drei Stunden zu parken
3. Im eingeschränkten Zonenhaltverbot (Zeichen 290) mit begrenzter Parkdauer
und
4. an Stellen, die durch Zeichen „Parkplatz“ (Zeichen 314) oder „Parken auf
Gehwegen“ (Zeichen 315) mit einer begrenzten Parkdauer gekennzeichnet
sind,
die zugelassene Parkdauer zu überschreiten,
5. in Fußgängerzonen, in denen das Be- und Entladen für bestimmte Zeiten frei
gegeben ist, während der Ladezeit und
6. auf Parkplätzen mit Parkuhren oder Parkscheinautomaten ohne Gebühr und
ohne zeitliche Begrenzung und
7. auf Parkplätzen für Anwohner bis zu drei Stunden und
8. in verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325) außerhalb der gekennzeichneten Flächen, ohne den durchgehenden Verkehr zu behindern,
113
N ACHTEILSAUSGLEICHE
zu parken.
Voraussetzung für die Parkerlaubnis ist, dass in zumutbarer Entfernung keine andere Parkmöglichkeit besteht. Die höchstzulässige Parkzeit beträgt 24 Stunden.
Nicht erlaubt hingegen ist das Halten oder Parken
1. auf Parkplätzen mit dem Rollstuhlfahrersymbol,
2. in Haltverbotsbereichen (Zeichen 283).
Weitere Auskünfte zu den Parkerleichterungen erteilen die jeweils zuständigen
Straßenverkehrsbehörden bei den Landkreisen, dem Stadtverband sowie in
Saarbrücken, St. Ingbert und Völklingen.
6.2.7
Befreiung von der Gurtanschnallpflicht
und der Schutzhelmpflicht
Aus gesundheitlichen Gründen kann eine Ausnahmegenehmigung von der Gurtanschnallpflicht und der Schutzhelmpflicht nach Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung durch die Kfz-Zulassungsstelle oder Straßenverkehrsbehörde erteilt werden.
Autofahrer und Beifahrer können sich von der Gurtanschnallpflicht befreien lassen,
wenn
a) das Anlegen der Gurte aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist,
b) die Körpergröße weniger als 150 cm beträgt,
c) bei Körpergröße über 150 cm wegen der Anbringungshöhe der Gurtverankerung der Schutzzweck der angelegten Sicherheitsgurte nicht erreicht werden
kann.
Die Voraussetzungen gesundheitlicher Art sind durch eine ärztliche Bescheinigung
nachzuweisen. In der Bescheinigung ist ausdrücklich zu bestätigen, dass der Antragsteller von der Gurtanschnallpflicht bzw. der Schutzhelmpflicht zu befreien ist.
Die Diagnose braucht in der Bescheinigung nicht genannt zu werden.
114
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
6.2.8
UND IHR
R ECHT
Beitragsermäßigung bei Automobilclubs und
Versicherungen
Zuständig:
Automobilclub
Erforderliche Unterlagen:
Behindertenausweis bzw. Feststellungsbescheid des
Versorgungsamtes
Rechtsquelle/Fundstelle:
Beitragssatzung des Automobilclubs
Weitere Informationen:
www.adac.de, www.avd.de
Zahlreiche Automobilclubs räumen ihren schwerbehinderten Mitgliedern (GdB ab
50) Beitragsermäßigungen ein, z.B.:
ADAC-Mitgliedschaft
33,00 € jährlich statt 44,00 €
ADAC-Plus-Mitgliedschaft
67,00 € jährlich statt 78,00 €
AvD
44,00 € jährlich statt 59,00 €
AvD Premiummitgliedschaft
59,00 € jährlich statt 74,00 €
Näheres erfahren Sie im Internet unter www.avd.de bzw. www.adac.de
Rollstuhl-Versicherungen
Für:
Schwerbehinderte Menschen, die auf die Benutzung
eines Rollstuhls angewiesen
Zuständig:
Versicherungsunternehmen
Erforderliche Unterlagen:
Behindertenausweis bzw. Feststellungsbescheid des
Versorgungsamtes
Rechtsquelle/Fundstelle
Tarife der Versicherungsunternehmen/Rundschreiben des GDV
Rollstühle mit einer Geschwindigkeit von bis zu 6 km/h sind – gemäß den unverbindlichen Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen
Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) – in der Privathaftpflichtversicherung mit versichert.
Um Schwierigkeiten bei Eintritt des Versicherungsfalles zu vermeiden, sollte sich
der Rollstuhlfahrer bei Abschluss des Versicherungsvertrages schriftlich bestätigen
lassen, dass dieses Risiko prämienfrei mit versichert ist.
115
N ACHTEILSAUSGLEICHE
6.3
Nachteilsausgleiche im Personenverkehr
6.3.1
Freifahrt im öffentlichen Nahverkehr
Schwerbehinderte Menschen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr
erheblich beeinträchtigt sind (siehe dazu § 146 Abs. 1 SGB IX) oder die hilflos oder
gehörlos sind, haben Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der unentgeltlichen Beförderung ist, dass
der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist.
Wer im Einzelnen anspruchsberechtigt ist, wer die Wertmarke kostenlos erhält bzw.
wer sie für 60 € pro Jahr (30 € pro Halbjahr) kaufen muss, ist der Übersicht auf Seite
116 und den Ausführungen in Abschnitt 2.4.7 zu entnehmen.
Es ist zu beachten, dass ein Teil der schwerbehinderten Menschen zwischen der
Freifahrt im öffentlichen Nahverkehr und der Kfz-Steuerermäßigung wählen muss,
also nicht beide Nachteilsausgleiche gleichzeitig in Anspruch nehmen kann.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen wird dem behinderten Menschen vom Versorgungsamt ein Streckenverzeichnis ausgehändigt, aus dem sich ergibt, auf welchen
Strecken der Deutschen Bahn Anspruch auf unentgeltliche Beförderung besteht.
Was unter dem Begriff Nahverkehr zu verstehen ist, definiert § 147 SGB IX.
Was versteht der Gesetzgeber unter Nahverkehr?
Nahverkehr im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Schwerbehindertenrecht) ist der öffentliche Personenverkehr mit
1. Straßenbahnen und Obussen im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes;
2. Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach §§ 42 und 43 des Personenbeförderungsgesetzes auf Linien, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine
Strecke von 50 km nicht übersteigt, es sei denn, dass bei den Verkehrsformen
nach § 43 Personenbeförderungsgesetz die Genehmigungsbehörde auf die Einhaltung der Vorschriften über die Beförderungsentgelte gemäß § 45 Abs. 4
Personenbeförderungsgesetz ganz oder teilweise verzichtet hat;
3. S-Bahnen in der 2. Wagenklasse;
4. Eisenbahnen in der 2. Klasse in Zügen und auf Strecken und Streckenabschnitten, die in ein von mehreren Unternehmern gebildetes, mit den unter den
Nummern 1, 2 oder 7 genannten Verkehrsmitteln zusammenhängendes Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten einbezogen
sind;
5. Eisenbahnen des Bundes in der 2. Wagenklasse in Zügen, die überwiegend für
die Verkehrsnachfrage im Nahverkehr bestimmt sind (Züge des Nahverkehrs),
116
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
„Freifahrt” für schwerbehinderte Menschen
● mit Bus, U- und S-Bahnen und Straßenbahnen sowie im Verkehrsverbund mit Eisenbahnen (2. Klasse) ohne
Kilometer-Begrenzung im gesamten Bundesgebiet. Erforderlich: grün-/orangefarbener Schwerbehindertenausweis und Beiblatt mit Wertmarke
● mit der Deutschen Bahn AG (2. Klasse in Nahverkehrszügen, RB-, SE,- RE,- D- und IR-Zügen außerhalb von
Verkehrsverbünden) im 50-km-Umkreis um Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt. Erforderlich: grün-/orangefarbener Schwerbehindertenausweis und Beiblatt mit Wertmarke und Streckenverzeichnis.
● Das Versorgungsamt gibt das Streckenverzeichnis und die Wertmarke auf Antrag aus. Wird sie spätestens drei
volle Monate vor Ablauf der Gültigkeitsdauer zurückgegeben, so wird der gezahlte Betrag anteilig erstattet.
Kostenlos wird eine Wertmarke für ein Jahr ausgegeben, wenn der schwerbehinderte Mensch folgende
Leistungen erhält: Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder Leistungen nach dem
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilferecht), dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und
Jugendhilfe) oder den §§ 27a und 27d des Bundesversorgungsgesetzes.
● Die Betragsangaben auf den Wertmarken sind auf € bezogen.
Für wen?
Gehörlose
auch ohne Merkzeichen G
„gehbehindert”
aG
außergewöhnlich „gehbehindert”
H
und/
oder
„hilflos”
Kriegsbeschädigte
BI
„blind”
und andere Versorgungsberechtigte
nach dem sozialen
Entschädigungsrecht (MdE mind.
70% oder 50% und 60% mit G), die
schon am 1.10.1979 freifahrtberechtigt waren oder gewesen wären,
wenn sie nicht in der DDR gewohnt
hätten.
B
Berechtigung zur Mitnahme
einer Begleitperson
➧
60,-
30,-
FÜR 1 JAHR
FÜR 1/2 JAHR
➧
WERTMARKE
WERTMARKE
➧
WERTMARKE
➧
WERTMARKE
➧
Kfz-Steuerermäßigung
WERTMARKE
WERTMARKE
60,-
30,-
FÜR 1 JAHR
FÜR 1/2 JAHR
KO
ST
EN
LO
S
und
und
oder
KO
ST
EN
LO
S
G
mit Bahn
und Bus
Die Begleitperson kann ohne
Kilometerbegrenzung frei fahren,
auch wenn der schwerbehinderte
Mensch selbst bezahlen muss.
oder
50 %
und
100 %
und
100 %
und
100 %
117
N ACHTEILSAUSGLEICHE
im Umkreis von 50 km um den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des
schwerbehinderten Menschen;
6. sonstigen Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs im Sinne des § 2 Abs. 1 und
§ 3 Abs. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes in der 2. Wagenklasse auf Strecken, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 km nicht
übersteigt. Gemäß der Fünften Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes (Nahverkehrszügeverordnung) des Bundesministeriums
für Gesundheit und Soziale Sicherung und des Bundesministeriums für Verkehr
vom 30. September 1994 (BGBl. I S. 2962) sind Züge des Nahverkehrs Züge mit
folgenden Bezeichnungen: Regionalbahn (RB), Stadtexpress (SE), Regionalexpress (RE), Schnellzug (D) und Interregio (IR). Zuschlagpflichtig im Nahverkehr
sind die Züge: Schnellzug (D) und Interregio (IR);
7. Wasserfahrzeugen im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr, wenn dieser der
Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich dient und Ausgangs- und Endpunkt innerhalb dieses Bereichs liegen; Nachbarschaftsbereich
ist der Raum zwischen benachbarten Gemeinden, die, ohne unmittelbar aneinander grenzen zu müssen, durch einen stetigen, mehr als einmal am Tag
durchgeführten Verkehr wirtschaftlich und verkehrsmäßig verbunden sind.
Die Betragsangaben auf den Wertmarken sind auf € bezogen. Unternehmen, die
öffentlichen Personenverkehr betreiben, haben für den unter Nr. 2, 5, 6 und 7 genannten Verkehr im Fahrplan besonders darauf hinzuweisen, inwieweit eine Pflicht
zur unentgeltlichen Beförderung nach § 145 Abs. 1 SGB IX nicht besteht.
6.3.2
Unentgeltliche Beförderung: Begleitperson,
Gepäck, orthopädische Hilfsmittel, Führhund
Im Nah- und Fernverkehr werden unentgeltlich befördert:
1. die Begleitperson eines schwerbehinderten Menschen, sofern „die
Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen ist“ und dies im
Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist (Merkzeichen „B“,
„Bl“,
2. das Handgepäck, ein mitgeführter Krankenfahrstuhl, soweit die Beschaffenheit
des Verkehrsmittels dies zulässt, sowie sonstige orthopädische Hilfsmittel. Bei
Blinden kann statt der Begleitperson ein Führhund unentgeltlich befördert werden.
Wahlweise Begleitperson oder Blindenführhund befördern kostenfrei auch die
Staatsbahnen der meisten europäischen Länder. Näheres kann bei der
Bahnauskunft oder im Reisebüro erfragt werden.
Voraussetzung ist, dass der blinde Mensch eine Hin- und Rückfahrkarte hat, deren
118
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Start- und Zielbahnhof im Bereich der Deutschen Bahn AG gelegen ist. Diese
Vergünstigung kann nicht für Bahnfahrten ausschließlich im fremden Land in
Anspruch genommen werden.
Q Mobilitätsservice der Deutschen Bahn
Mobilitätseingeschränkte Reisende können den Mobilitätsservice der Bahn jetzt
auch online bestellen. Wer auf seiner Bahnreise Hilfe beim Ein-, Um- und
Aussteigen benötigt – beispielsweise einen Hublift für den Rollstuhl –, kann diese
ab sofort auch bequem im Internet (www.bahn.de ) bestellen.
Servicemitarbeiter der DB helfen beim Ein-, Um- und Aussteigen; eine Begleitung
zum Sitzplatz ist aber wegen der kurzen Haltezeiten nicht möglich. Diesbezügliche
Anfragen sollten bis spätestens einen Werktag vor der Abreise bis 18 Uhr, für
Anmeldungen an einem Sonntag oder Montag bis spätestens Samstag 14 Uhr, dort
eingegangen sein.
Die Buchung von Fahrscheinen und Reservierungen – werden auf Wunsch auch
gerne zugesandt –, können telefonisch unter der Rufnummer 01805/512 512 (0,14
€ je Minute) bestellt werden (Montag bis Freitag von 8 Uhr bis 20 Uhr und Samstag
von 8 Uhr bis 16 Uhr). oder per E-Mail an msz@bahn.de. Natürlich wird auch eine
Broschüre „Mobil mit Handicap“ vorgehalten, die es an allen Informationsstellen
der DB kostenlos gibt.
6.3.3
Preisermäßigung bei Flugverkehrsgesellschaften
Die Flugpreisermäßigung beträgt 30 Prozent im innerdeutschen Flugverkehr für
Schwerkriegsbeschädigte, Schwerwehrdienstbeschädigte der Bundeswehr oder rassisch und politisch Verfolgte – wenn der GdB auf den Verfolgungsschaden zurückzuführen ist. Die Ermäßigung wird auf die anwendbare Business-Class sowie auf
flexible Economy-Class und HBasic-Tarife gewährt. Ausgenommen sind alle anderen Flugpreise.
Den in Betracht kommenden behinderten Menschen sind auf Antrag vom
Versorgungsamt entsprechende Bescheinigungen auszustellen. An jeweils eine
Begleitperson können Freiflugscheine für deutsche Inlandsdienste ausgegeben
werden, sofern die Begleitperson den schwerbehinderten Menschen auf der
Flugreise betreut und die „Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson“ auf
dem Schwerbehindertenausweis (Merkzeichen „B“) vermerkt, oder durch
Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes mit Zusatzbescheinigung über die
Berechtigung zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr
und/oder den Merkzeichen „Kriegsbeschädigt“, VB (versorgungsberechtigt) oder
EB (entschädigungsberechtigt) nachgewiesen ist.
119
N ACHTEILSAUSGLEICHE
Q Behindertengerechte Einrichtungen der Verkehrsflughäfen
Hinweise für behinderte Reisende gibt die Broschüre „Informationen für behinderte Fluggäste Broschüre über den Service innerdeutscher Verkehrsflughäfen für
Behinderte“ der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Flughäfen (ADV), 70629 Stuttgart
Flughafen, Telefon (07 11) 9 48-0, Fax (07 11) 9 48-47 466.
6.4
Nachteilsausgleiche rund ums Haus
6.4.1
Gekürzter Einheitswert für die Grundsteuer
Kriegsbeschädigte und andere behinderte Menschen, die zum Erwerb oder zur
wirtschaftlichen Stärkung ihres Grundbesitzes eine Kapitalabfindung auf Grund
des Bundesversorgungsgesetzes oder eine Grundrentenabfindung nach dem
Rentenkapitalisierungsgesetz verwendet haben, erhalten einen Nachteilsausgleich
bei der Grundsteuer.
6.4.2
Wohnungsbaufinanzierung und Wohngeld
Ob öffentliche Mittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung gestellt werden können, hängt von der Höhe des Einkommens des Wohnungssuchenden ab. Hierfür vergibt das Saarland Landesbaudarlehen.
In bestimmten Fällen können schwerbehinderte Menschen weitere Leistungen erhalten. Nähere Hinweise geben die Institute, die die öffentlichen Baudarlehen verwalten, und das Ministerium der Finanzen, Am Stadtgraben 6-8, 66111 Saarbrücken.
Q Wohngeld
Um allen Bürgern angemessenen und familiengerechten Wohnraum zu sichern,
zahlt der Staat an Mieter, aber auch an Eigentümer von Eigenheimen usw. einen
Zuschuss, der den Unterschied zwischen den tatsächlichen und der zumutbaren Belastung ausgleichen hilft. Nähere Informationen enthält die Broschüre „Wohngeld“ der Arbeitskammer des Saarlandes.
Q Behinderte Mieter
Das Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts, das zum
1. September 2001 in Kraft trat, berücksichtigt zum ersten Mal den „behinderten
Mieter“. Das Gesetz räumt dem behinderten Mieter oder seinen Angehörigen ausdrücklich das Recht ein, die gemietete Wohnung im Bedarfsfall auf eigene Kosten
behindertengerecht auszubauen.
120
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
6.5
Weitere Nachteilsausgleiche
6.5.1
Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht
R ECHT
Befreiungen von der Rundfunkgebührenpflicht werden ausschließlich auf Antrag
gewährt. Voraussetzung ist, dass Rundfunkgeräte zum Empfang bereitgehalten
werden und der Antragsteller zum unten aufgeführten Personenkreis gehört.
Befreit werden können der Haushaltsvorstand, dessen Ehegatte oder ein
Haushaltsangehöriger für von ihm selbst zum Empfang bereitgehaltene Geräte,
wenn mindestens eine der nachfolgenden Befreiungsvoraussetzungen erfüllt wird:
1. Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des
Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialhilfe) oder nach § 27 a oder 27
d des Bundesversorgungsgesetzes,
2. Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes
Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches) Empfänger von Sozialgeld
oder Arbeitslosengeld II einschließlich Leistungen nach § 22 ohne Zuschläge
nach § 24 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches,
3. Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz,
a. Empfänger von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, die nicht bei den Eltern leben,
b. Empfänger von Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 99 , 100 Nr. 5 des
Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB III) oder nach dem Vierten Kapitel,
Fünfter Abschnitt des SGB III, die nicht bei den Eltern leben,
c. Empfänger von Ausbildungsgeld nach § 104 des Dritten Buchs des
Sozialgesetzbuchs, die nicht bei den Eltern leben,
4. Sonderfürsorgeberechtigte im Sinne des § 27 e des Bundesversorgungsgesetzes,
5. a. blinde oder nicht vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit
einem Grad der Behinderung von 60% allein wegen der Sehbehinderung (RFMerkzeichen oder Bescheinigung des Versorgungsamtes),
b. hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende
Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist: (RFMerkzeichen“ oder Bescheinigung des Versorgungsamtes),
6. behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend
wenigstens 80% beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen
Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können („RF-Merkzeichen“ oder
Bescheinigung des Versorgungsamtes),
7. Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches
des Sozialgesetzbuches oder von Hilfe zur Pflege als Leistung der
121
N ACHTEILSAUSGLEICHE
Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz oder von Pflegegeld
nach den landesgesetzlichen Vorschriften,
8. Empfänger von Pflegezulagen nach § 267 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes
oder Personen, denen wegen Pflegebedürftigkeit nach § 267 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
Buchstabe c des Lastenausgleichsgesetzes ein Freibetrag zuerkannt wird,
9. Kinder, Jugendliche und junge Volljährige, die im Rahmen einer
Leistungsgewährung nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches in einer
stationären Einrichtung nach § 45 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches
leben.
Die Befreiung beginnt mit dem Ersten des Monats, der auf den Monat folgt, in dem
der Antrag gestellt wurde und der Vordruck bei der GEZ eingegangen ist. Eine rückwirkende Befreiung ist nicht zulässig, auch wenn die Befreiungsvoraussetzungen
bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben.
Wird der Antrag vor Ablauf eines gültigen Befreiungsbescheides gestellt, wird der
Beginn der neuen Befreiung auf den Ersten des Monats nach Ablauf der Frist festgesetzt.
Den ausgefüllten und eigenhändig unterschriebenen Antrag mit der erforderlichen
Unterlage senden Sie bitte an die GEZ, 50656 Köln.
Der derzeit geltende Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStv) und der Antrag
auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ist im Anhang Gesetze und amtliche Texte beigefügt.
6.5.2
Vergünstigungen im Telefondienst
Wir empfehlen, sich bei dem jeweiligen Telefonanbieter nach dem gültigen Sozialtarif zu erkundigen. Wie Ihr persönliches Hörgerät am besten kombiniert werden
kann, erfahren Sie beim Deutschen Schwerhörigenbund, Technikkommission,
Breite Straße 3, 13187 Berlin-Pankow. Nähere Informationen über diese Zusatzeinrichtungen geben die Telekom und andere Anbieter am Markt. Ob Zuschüsse zu
den einmaligen Einrichtungskosten, den laufenden Gebühren gezahlt werden, ist
bei den Rehaträgern einschließlich Integrationsamt als Träger der begleitenden
Hilfe zu erfragen.
6.5.3
Förderung der Verständigung
Von großer Bedeutung für die Integration Gehörloser ist, dass sie nach den Erfordernissen der jeweiligen Lebenslage kommunizieren können. Nach § 17 Abs. 2
SGB IX haben hörbehinderte Menschen das Recht auf Gebärdensprache bei Ausführung von Sozialleistungen, bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen.
122
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Die für die Sozialleistungen zuständigen Träger sind verpflichtet, die Kosten, die
durch den Einsatz der Gebärdensprache entstehen, zu übernehmen. Anerkannt
sind die Lautsprache und die Gebärdensprache mit Handzeichen.
6.5.4
Ermäßigter Eintritt
Die Gemeinden räumen schwerbehinderten Menschen in der Regel Ermäßigungen
beim Besuch ihrer Schwimmbäder ein, meist gilt dies auch für die Kurtaxe und Veranstaltungen. Beim Lösen von Eintrittskarten sollte man den Schwerbehindertenausweis vorlegen oder sich erkundigen.
6.5.5
„Studium und Behinderung”
Unter diesem Titel gibt das Deutsche Studentenwerk (DSW), Monbijouplatz 11,
10178 Berlin, Tel. (030) 297727-0, Fax (030) 297727-99, eine Broschüre mit Tipps und
Informationen für Studienbewerber und Studenten mit Behinderungen und
chronischen Erkrankungen heraus (s. auch www.studentenwerk.de).
6.5.6
Vergünstigungen beim BAföG
Nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gelten bestimmte Einkünfte im Zusammenhang mit Behinderungen, z.B. Grundrenten und Schwerstbeschädigtenzulagen nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die das
Bundesversorgungsgesetz für anwendbar erklären, als anrechnungsfrei.
Keine Grundsicherung bei voller Erwerbsminderung mehr für Studierende (§ 22
Abs. 1 SGB XII) Schon bisher galt, dass Auszubildende deren Ausbildung dem
Grunde nach BAföG-förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt
nach dem SGB XII haben, es sei denn, ein besonderer Härtefall liegt vor. Neu ist nun,
dass sich die Ausschlussklausel auch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII
bezieht. Gemäß § 22 Abs.1 SGB XII können behinderte Studierende seit Ende letzten Jahres nun auch keine Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei voller
Erwerbsminderung mehr beantragen, auch wenn die besonderen Voraussetzungen
der vollen Erwerbsminderung dafür vorliegen. Lediglich in besonderen Härtefällen
können Leistungen als Beihilfe oder Darlehen erbracht werden. Das bedeutet, dass
– wenn z.B wegen Überschreitung der Altersgrenze bei Studienbeginn kein BAföG
beansprucht werden kann – dauerhaft erwerbsgeminderte chronisch Kranke und
Behinderte, die Grundsicherung wegen voller Erwerbsminderung beziehen, vom
Studium ausgeschlossen werden. Dabei bedeutet „voll erwerbsgemindert“ nicht
„studierfähig“, da sich Studierende ihre Arbeit in bestimmtem Rahmen selbst organisieren können und in einem ihnen angemessenen Tempo ein Studium erfolgreich
123
N ACHTEILSAUSGLEICHE
beenden können, das ihnen u.U. auch eine neue berufliche Perspektive bieten
kann.
6.5.7
Befreiung vom Wehr- und Zivildienst
Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 des Wehrpflichtgesetzes sowie gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 des
Zivildienstgesetzes sind schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 2 Abs. 2 des
SGB IX von der Ableistung des Wehr- oder Zivildienstes befreit.
Die genannten Rechtsvorschriften regeln ferner, welche Personen auf Antrag vom
Wehr- bzw. Zivildienst zu befreien sind.
Ein Befreiungsanspruch kann bestehen für Personen mit Angehörigen, die an den
Folgen von Schädigungen im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes oder
des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (also an Folgen nationalsozialistischer Verfolgungen, militärischer oder militärähnlicher Dienstverrichtung, Kriegseinwirkung, Kriegsgefangenschaft u.Ä.) verstorben sind.
Anträge auf Befreiung vom Wehr- bzw. Zivildienst sind jedoch nur innerhalb bestimmter Fristen möglich.
Wann und in welcher Form die Anträge zu stellen sind, ist für den Antrag auf Befreiung vom Wehrdienst geregelt in § 11 Abs. 2 des Wehrpflichtgesetzes, für den
Antrag auf Befreiung vom Zivildienst geregelt in § 12 des Zivildienstgesetzes.
6.5.8
Ferienführer, Stadtführer, Urlaub
Viele Städte bieten einen „Stadtführer für Behinderte“ kostenlos an, der beim
jeweiligen Sozial- oder Verkehrsamt angefordert werden kann.
Diesem „Stadtführer“ ist u. a. zu entnehmen, ob, zu welchen Tageszeiten und
unter welchen Bedingungen Behinderten-Fahrdienste im Stadtbereich in Anspruch
genommen werden können.
Hinweise auf geeignete Unterkünfte gibt die Bundesarbeitsgemeinschaft
„Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren
Angehörigen“ e.V. (BAG Selbsthilfe), Kirchfeldstraße 149, 40215 Düsseldorf.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Clubs Behinderter und ihrer Freunde hat ebenfalls eine Freizeit- und Urlaubsbroschüre zusammengestellt.
Diese Broschüre ist kostenlos erhältlich bei: Ministerium für Justiz, Gesundheit und
Soziales, Landesbeauftragter für Behindertenfragen, Franz-Josef-Röder-Str. 23,
66119 Saarbrücken, Telefon: (0681) 501-3189.
124
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
6.5.9
UND IHR
R ECHT
Befreiung von der Hundesteuer
Nach den Hundesteuergesetzen der Länder bzw. Kommunalabgabengesetzen, welche die Gemeinden zur Steuererhebung verpflichten oder zum Erlass von Steuersatzungen berechtigen, können Hunde von blinden, gehörlosen und völlig hilflosen Personen bei Vorlage von Bescheinigungen von der Hundesteuer befreit werden. Auskünfte erteilen die Stadt- und Gemeindeverwaltungen.
125
L EISTUNGEN
7
ZUR
T EILHABE
Anspruch auf Selbstbestimmung
und Leistungen zur Teilhabe am
gesellschaftlichen Leben
Die Selbstbestimmung und die Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben hebt § 10 SGB IX besonders hervor. Danach hat jeder Mensch, der eine
körperliche, geistige oder seelische Behinderung hat oder dem eine solche Behinderung droht, unabhängig von der Ursache der Behinderung, zur Förderung seiner Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe ein Recht auf Hilfe, die notwendig ist, um
•
•
•
•
•
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung
zu verhüten und ihre Folgen zu mildern,
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden,
zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den
vorzeitigen Bezug von Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu vermindern,
ihnen einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern,
ihre Entwicklung zu fördern und ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und
eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern sowie
Benachteiligung wegen der Behinderung entgegenzuwirken.
Mit dieser erweiterten Vorschrift hat der Gesetzgeber das Ziel einer umfassenden
Möglichkeit zur Selbstbestimmung und Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben festgelegt.
Die Vorschrift selbst gewährt jedoch keinen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Welche Leistungen im Einzelfall beansprucht werden können und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen, ist in einer Vielzahl von Rechtsvorschriften in
unterschiedlichen Gesetzen geregelt.
Die folgende Auflistung gibt jedoch einen Überblick, welche Leistungen zur Förderung der Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe behinderter Menschen
gesetzlich vorgesehen sind:
126
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
7.1
Leistungen zur Teilhabe
7.1.1
Medizinische Rehabilitation
UND IHR
R ECHT
a) Behandlung durch Ärzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe,
soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung
ausgeführt werden, einschließlich der Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln,
b) Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder,
c) Arznei- und Verbandmittel,
d) Heilmittel einschließlich physikalischer Sprach- und Beschäftigungstherapie,
e) Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
f) Hilfsmittel,
g) Belastungserprobung und Arbeitstherapie.
7.1.2
Teilhabe am Arbeitsleben
a) Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung, Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen,
b) Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen
Grundausbildung,
c) berufliche Anpassung und Weiterbildung, auch soweit die Leistungen einen zur
Teilnahme erforderlichen Abschluss einschließen,
d) berufliche Ausbildung auch, soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht
überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden können,
e) Überbrückungsgeld entsprechend § 57 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch
durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5,
f) sonstige Hilfen zur Förderung der Teilnahme am Arbeitsleben, um behinderten
Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten.
7.1.3
Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen
a) Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld, Ausbildungsgeld oder Unterhaltsbeihilfe,
127
L EISTUNGEN
ZUR
T EILHABE
b) Beiträge und Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung, Unfallversicherung,
Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, Pflegeversicherung,
c) ärztlich verordneter Rehabilitationssport in Gruppen, einschließlich der Übungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Frauen und Mädchen, die
der Stärkung des Selbstbewusstseins dienen,
d) ärztlich verordnetes Funktionstraining in Gruppen,
c) Reisekosten,
e) Betriebs- oder Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten.
4. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.
a) Versorgung mit Hilfsmitteln oder Hilfen,
b) heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind,
c) Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und
geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am
Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen,
d) Hilfen zur Förderung und Verständigung mit der Umwelt,
e) Hilfen bei der Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer Wohnung, die den
besonderen Bedürfnissen behinderter Menschen entspricht,
f) Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten,
g) Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben.
Während der Teilnahme an medizinischen oder berufsfördernden Reha-Maßnahmen sind folgende Geldleistungen vorgesehen:
a) Während medizinischer Maßnahmen zur Rehabilitation: Krankengeld,
Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder Übergangsgeld.
Das Krankengeld, Versorgungskrankengeld und Verletztengeld beträgt 70 vom
Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens,
soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt gemäß § 47 Fünftes
Buch Sozialgesetzbuch – SGB V). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete
Krankengeld darf 90 vom Hundert des bei entsprechender Anwendung des § 47
Abs. 2 SGB V berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen.
b) Übergangsgeld während beruflicher Rehabilitation, wenn der behinderte
Mensch arbeitsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung ist oder wegen Teilnahme an der Maßnahme keine ganztägige
Erwerbstätigkeit ausüben kann.
128
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Das Übergangsgeld wird geleistet für den Zeitraum, in dem die berufliche
Eignung abgeklärt ist und eine Arbeitserprobung erfolgt.
Bei der Berechnung des Übergangsgeldes wird der Betrag in Höhe von 58 Prozent des entgangenen regelmäßigen Entgelts, höchstens das entgangene
Nettoarbeitsentgelt herangezogen.
Das Übergangsgeld beträgt nach § 46 SGB IX:
1. für Leistungsempfänger, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs.1, 3 bis
5 des Einkommensteuergesetzes haben, oder deren Ehegatten, mit denen sie in
häuslicher Gemeinschaft leben, eine Erwerbstätigkeit nicht ausüben können,
weil sie die Leistungsempfänger pflegen oder selbst der Pflege bedürfen und
keinen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung haben
75 %,
2. für die übrigen Leistungsempfänger
68 %.
Beitragsbemessungsgrenzen betragen für die Krankenversicherung für das Jahr
2007 monatlich 3.562,50 €/mtl. sowie für die Renten- und Arbeitslosenversicherung
für 2007 monatlich 5.250 €.
Eine andere Berechnung des Übergangsgeldes findet nach § 48 SGB IX Anwendung, sofern bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
•
•
•
die Berechnung des Übergangsgeldes (§ 46) und des Regelentgeltes (§ 47) zu
einem zu einem geringeren Betrag führt,
kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt worden war oder
der letzte Tag des Bemessungszeitraumes zu Beginn der Maßnahme länger als
drei Jahre zurückliegt.
In diesen Fällen ist das Übergangsgeld aus 65 Prozent des auf ein Jahr bezogenen
tariflichen oder – wenn es an einer tariflichen Regelung fehlt –- des ortsüblichen
Arbeitsentgelts zu berechnen, das für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt
des behinderten Menschen gilt.
Voraussetzungen, Art, und Umfang der Leistungen eines Rehabilitationsträgers
richten sich im Einzelnen nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden besonderen Rechtsvorschriften.
So können die Rentenversicherungsträger Anträge auf Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation bei Erfüllung der sonstigen Leistungsvoraussetzungen nur noch
dann bewilligen, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung entweder die Wartezeit
von 15 Jahren (Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge, Kindererziehungszeiten
und Zeiten aus dem Versorgungsausgleich werden angerechnet) zurückgelegt
wurde, eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine
Hinterbliebenenrente wegen Erwerbsminderung bewilligt wurde.
Versicherte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, haben unter Umständen An-
129
L EISTUNGEN
ZUR
T EILHABE
spruch auf berufsfördernde Maßnahmen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit
(Agentur für Arbeit) nach den Bestimmungen des SGB lll (Arbeitsförderung). Nach
§ 19 erhalten behinderte Menschen, die „nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind”, Hilfe zur beruflichen Eingliederung.
In der gesetzlichen Krankenversicherung haben auch mitversicherte Ehegatten und
Kinder Anspruch auf Rehabilitationsleistungen. Um sicherzustellen, dass Kinder mit
angeborenen Behinderungen rechtzeitig die erforderlichen Hilfen erhalten, sind
alle Ärzte verpflichtet, den Krankenkassen Behinderungen, die ihnen bekannt werden, mitzuteilen. Die Krankenkassen müssen dann dafür sorgen, dass die notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen unverzüglich eingeleitet werden.
Diese Regelung ist erforderlich, weil manche Eltern sich leider immer noch scheuen, Behinderungen ihrer Kinder zu melden. Rehabilitationsmaßnahmen dürfen
grundsätzlich nur mit Zustimmung des behinderten Menschen erfolgen. Trotzdem
ist Vorsicht geboten bei einer Weigerung, an Rehabilitationsmaßnahmen teilzunehmen. Eine ungerechtfertigte Weigerung kann Versagung oder Entzug anderer
Sozialleistungen zur Folge haben.
130
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
8
UND IHR
R ECHT
Träger der Leistungen zur Teilhabe
Mögliche Rehabilitationsträger sind folgende Einrichtungen und Behörden:
8.1
Gesetzliche Krankenkassen
Ortskrankenkassen, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen, Seekrankenkassen (Seekasse), Ersatzkassen, Bundesknappschaft, landwirtschaftliche Krankenkassen.
8.2
Bundesagentur für Arbeit
Regionaldirektionen und Agenturen für Arbeit.
8.3
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
Gewerbliche Berufsgenossenschaften, landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften,
Gemeindeunfallversicherungsverbände, Ausführungsbehörden für Unfallversicherung des Bundes, der Länder und Gemeinden, Feuerwehrunfallkassen.
8.4
Träger der Rentenversicherung
Deutsche Rentenversicherung Bund, Regionalträger, Deutsche Rentenversicherung
Knappschaft-Bahn-See, Seekasse, landwirtschaftliche Alterskassen.
8.5
Träger der Kriegsopferversorgung,
Kriegsopferfürsorge
Landesversorgungsämter, Versorgungsämter, Hauptfürsorgestellen, Fürsorgestellen.
8.6
Träger der Sozialhilfe, öffentlichen Jugendhilfe
Überörtliche Träger der Sozialhilfe, örtliche Träger der Sozialhilfe, Jugendamt.
131
Z USTÄNDIGKEIT
9
Zuständigkeit, Auskunft und Beratung
Angesichts der Vielzahl rechtlicher Bestimmungen über Rehabilitationsleistungen
stellen sich für behinderte Menschen sowie für Menschen, die von einer Behinderung bedroht sind, die Fragen
•
•
•
welche Maßnahmen im Einzelfall sinnvoll bzw. erforderlich sind,
für welche Leistungen die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind und
welcher Leistungsträger im Einzelfall zuständig ist.
Um den Betroffenen die Klärung dieser Fragen zu erleichtern, hat der Gesetzgeber
durch die Zusammenfassung der Rechte der Rehabilitation behinderter Menschen
im Neunten Buch Sozialgesetzbuch den Leistungsträgern die Verpflichtung auferlegt, behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen alle sachdienlichen
Auskünfte über die Leistungsmöglichkeiten der medizinischen Maßnahmen, zur
Teilhabe am Arbeitsleben, unterhaltssichernde und andere ergänzende Maßnahmen sowie zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu erteilen. Hierfür wurden gemeinsame Servicestellen der Rehabilitationsträger geschaffen (§§ 22 bis 25
SGB IX), die für eine vertiefte und umfassende Beratung zuständig sind.
Obwohl die Zuständigkeit des jeweiligen Rehabilitationsträgers geregelt ist, können Fälle auftreten, in denen die Zuständigkeitsfrage zunächst unklar oder auch
aus sonstigen Gründen die unverzügliche Einleitung der notwendigen Maßnahme
gefährdet ist. Um auch hier eine möglichst schnelle Einleitung des Leistungsverfahrens zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber bestimmt, welcher Rehabilitationsträger in den genannten Fällen Leistungen zu erbringen hat. Es sind dies:
a) in Fällen medizinischer Rehabilitation: gesetzliche Krankenkassen, gesetzliche
Unfallversicherung, gesetzliche Rentenversicherung, Alterssicherung der Landwirte, Kriegsopferversorgung, Kriegsopferfürsorge, öffentliche Jugendhilfe,
Sozialhilfe;
b) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Bundesagentur für Arbeit, gesetzliche
Unfallversicherung, gesetzliche Rentenversicherung, Kriegsopferversorgung,
Kriegsopferfürsorge, öffentliche Jugendhilfe, Sozialhilfe;
c) Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen: gesetzliche Krankenkassen, Bundesagentur für Arbeit, gesetzliche Unfallversicherung, gesetzliche
Rentenversicherung, Alterssicherung der Landwirte, Kriegsopferversorgung,
Kriegsopferfürsorge;
d) Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft: gesetzliche Unfallversicherung, Kriegsopferversorgung, Kriegsopferfürsorge, öffentliche Jugendhilfe, Sozialhilfe.
132
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Die Rehabilitationsträger nehmen ihre Aufgaben selbstständig und eigenverantwortlich wahr. Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind, ist der für die Leistung zuständige Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass die beteiligten Rehabilitationsträger
miteinander und in Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten die nach dem
individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen funktionsbezogen
feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinander greifen.
Die Zuständigkeitserklärung ist in § 14 SGB IX geregelt. Innerhalb von zwei Wochen
nach Eingang des Antrages muss der Rehabilitationsträger festgestellt haben, ob er
nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz zuständig ist.
Q Servicestellen für behinderte Menschen
Deutsche Rentenversicherung (DRV) Saarland, Deutsche Rentenversicherung Bund
(BfA), Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, die AOK, die Ford-Betriebskrankenkasse (BKK) sowie die Agentur für Arbeit Saarlouis bieten vernetzte
Servicestellen an, um behinderte Menschen im Saarland über RehabilitationsMöglichkeiten zu beraten. Die Barmer Ersatzkasse und das Landesamt für Soziales,
Gesundheit und Verbraucherschutz sind mit weiteren Servicestellen dabei.
Ziel dieses Angebots der Rehabilitationsträger ist es, allen Betroffenen und
Ratsuchenden im Rehabilitations-Recht zielgerichtet weiterzuhelfen und schneller
zu Leistungen verhelfen. Die Geschäftsstellen der Rehabilitationsträger geben Auskunft, in welchen Städten und bei welchen Trägern vernetzte Servicestellen eingerichtet sind.
133
R EHABILITATION
10
Phasen der Rehabilitation
10.1
Personenkreis
•
Körperlich, geistig oder seelisch behinderte Menschen
– auch bei drohender Behinderung,
–
ungeachtet der Ursache,
–
auch ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.
10.1.1 Erste Phase:1) Medizinische Rehabilitation
•
•
•
•
•
•
Akuter Krankheitsprozess,
Zustand der Genesung,
erreichter Dauerzustand,
Belastungserprobung und Arbeitstherapie,
Teilmaßnahmen, um die Teilhabe zu erhalten und zu verbessern,
Ausstattung mit Körperersatzstücken sowie Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel.
Träger: gesetzliche Krankenkassen, gesetzliche Unfallversicherung, gesetzliche
Rentenversicherung, Altershilfe für Landwirte, Kriegsopferversorgung nach dem
Bundesversorgungsgesetz, öffentliche Jugendhilfe, Sozialamt.
10.1.2 Zweite Phase: Überleitung in die berufliche
Rehabilitation
•
Beratung in der Klinik/Heilstätte, Reha-Berater des Kostenträgers, u. U. mit Vertretern der Bundesagentur für Arbeit, Einzel- oder Team-Beratung.
10.1.3 Dritte Phase: Berufliche Rehabilitation – Einleitung
•
•
Auskunfts-/Beratungsstelle für berufliche Reha (Bundesagentur für Arbeit);
Anzeige und formloser Antrag an die zuständigen Kostenträger: Regionalträger, Deutsche Rentenversicherung Bund, Deutsche Rentenversicherung
Knappschaft-Bahn-See, Berufsgenossenschaft, Integrationsamt, Bundesagentur
für Arbeit;
1) Die vier Phasen der Rehabilitation laufen im Rahmen des Gesamtplanes ab. Sie sind keine streng getrennten
Vorgänge, sondern gehen je nach Erfordernis entweder ineinander über oder vollziehen sich gleichzeitig.
134
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
•
•
UND IHR
R ECHT
Prüfung der Zuständigkeit und der Voraussetzungen;
Aufforderung des Kostenträgers an Bundesagentur für Arbeit zur Erstellung des
Eingliederungs-Vorschlages.
Beratung
•
•
•
Beratung durch Reha-Berater der Bundesagentur für Arbeit unter Beteiligung
des Kostenträgers, z.B.:
–
über in Betracht kommende Tätigkeiten,
–
über notwendige Maßnahmen zur Eingliederung, Wiedereingliederung,
Einschalten des Amtsarztes, Berufsberater, Psychologe, Technischer Berater, gegebenenfalls im Team,
Eingliederungsvorschlag an Kostenträger unter Umständen Vorschaltung einer
Berufsfindung oder Arbeitserprobung.
Maßnahme
•
•
•
•
•
•
•
•
Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen
Grundausbildung,
Anpassung einschließlich Maßnahmen für schulischen Abschluss,
Einarbeitung, Aus- und Fortbildung, Umschulung nach Einweisung durch
Kostenträger, gegebenenfalls Vorleistung der Bundesagentur für Arbeit, wenn
die Maßnahme sich zu verzögern droht, mit dem Ziel der Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung einer ins Auge gefassten Tätigkeit,
Berufsbildungswerk, Berufsförderungswerk, Betrieb, Fachschule, Werkstatt für
behinderte Menschen,
Rehastättenberatung,
Einleitung der Wiedereingliederung,
Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit, unter Umständen Mitwirkung des Technischen Beraters,
Vermittlung mit und ohne Eingliederungshilfen (z. B. finanzielle Hilfen nach
dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch, SGB IX).
10.1.4 Vierte Phase: Eingliederung, Wiedereingliederung in
Betrieb oder Verwaltung (Soziale Rehabilitation)
•
Schaffung bzw. Stabilisierung eines Dauerarbeitsverhältnisses auf einem Arbeitsplatz in Betrieb oder Verwaltung, gegebenenfalls in Werkstätten für behinderte Menschen.
Dazu ist insbesondere erforderlich:
–
die Erhaltung/Erschließung vorhandener oder Schaffung neuer Arbeits-
135
P HASEN
DER
R EHABILITATION
plätze,
–
Gestaltung, Anpassung von Arbeitsplätzen für ältere und behinderte
Arbeitnehmer,
–
begleitende Hilfe in Betrieb oder Verwaltung,
–
Schaffung geeigneter Arbeitsplätze,
–
Gestaltung der Arbeitsplätze (technisch, human usw.)
–
Beseitigung baulicher und technischer Hindernisse,
–
arbeitsmedizinische Betreuung.
Arbeitseinkommen und Einkommensentwicklung
•
Lohn, Gehalt und sonstige betriebliche soziale Leistungen,
–
Einkommensgarantie bei betriebsbedingten Umsetzungen, Versetzungen,
–
Sicherung des Einkommens bei Leistungsminderung, die durch Behinderung
oder durch Alter bedingt ist,
–
Beteiligung an der allgemeinen betrieblichen Einkommensentwicklung.
Förderung des beruflichen Fortkommens
–
Vorzug bei betrieblichen Bildungs- und Fortbildungsmaßnahmen,
–
Erleichterung schaffen und Hilfe gewähren bei Teilnahme an solchen Maßnahmen, wenn sie außerbetrieblich durchgeführt werden,
Kostenträger hierbei sind: Betrieb, Agentur für Arbeit, Integrationsamt und andere. Gesetzliche Regelungen sollte man in Anspruch nehmen, ergänzende Regelungen durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen.
Beratung: Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrats-/Personalrat, Beauftragter
des Arbeitgebers, Betriebsarzt, Sicherheitsingenieur, Reha-Berater der außerbetrieblichen Kostenträger.
136
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
11
UND IHR
R ECHT
Rechtsvorschriften über die Sozialversicherung behinderter Menschen
Soweit behinderte, schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen im Sinne
des Neunten Buches Sozialgesetzbuch in einem Arbeitsverhältnis stehen, gelten für
sie die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen. Im Regelfall
wird daher Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bestehen, sofern es sich nicht um eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8
SGB IV handelt (zur geringfügigen Beschäftigung siehe unter 1.3).
Keine Versicherungspflicht besteht in der Arbeitslosenversicherung, wenn die Beschäftigung kurzzeitig und auf weniger als 15 Stunden in der Woche beschränkt ist,
sowie in der Krankenversicherung, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt
eine bestimmte Grenze (47.700 € ab dem 1. Januar 2007) nicht überschreitet.
Neben den allgemeinen Bestimmungen enthalten die sozialversicherungsrechtlichen Gesetze eine Reihe von Sondervorschriften für die Sozialversicherung behinderter Menschen. Eine umfassende Darstellung dieser Bestimmungen ist im
Rahmen dieser Broschüre nicht möglich. Im Folgenden soll daher nur auf einige
wichtige Regelungen hingewiesen werden, wie behinderte Menschen in die Sozialversicherung und die Beitragspflicht einbezogen sind.
11.1
Krankenversicherung
Das „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz) wurde am 2. Februar 2007 vom
Bundestag beschlossen. Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt und am 20. Juni
2007 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es ist im Wesentlichen am 1. April 2007 in
Kraft getreten.
Bei den nachfolgenden und den einleitenden Ausführungen haben wir uns sehr
eng an den Einschätzungen der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen
orientiert. Zusammengefasst stellt sich diese Reform wie folgt dar.
11.1.1 Neue Zugangsmöglichkeiten zur gesetzlichen
Krankenversicherung
Q Bisher Nichtversicherte werden Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung
Ab 1. April erhalten viele Menschen (wieder) Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung. Denn mit Inkrafttreten der Gesundheitsreform werden auch diejenigen Bundesbürger und in Deutschland lebenden Menschen versicherungspflichtig
in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, die bislang unversichert sind
137
R ECHTSVORSCHRIFTEN
und keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben.
Flankiert wird diese Regelung dadurch, dass auch die private Krankenversicherung
ab dem 1. Juli 2007 nicht versicherte Menschen im so genannten Standardtarif versichern muss. Kein in Deutschland lebender Mensch wird also mehr ohne ausreichende Absicherung im Krankheitsfall dastehen.
Q Der letzte Versicherungsschutz ist entscheidend
Der Krankenversicherungsschutz ist ab dem 1. April von der gesetzlichen
Krankenkasse sicherzustellen, bei der zuletzt eine Versicherung bestanden hat,
auch wenn diese Versicherung Jahrzehnte zurückliegt. Wenn diese ursprüngliche
Krankenkasse nicht mehr besteht, ist die Rechtsnachfolgerin zuständig. Bestand vor
dem 1. April 2007 zuletzt eine private Krankenversicherung, kommt eine
Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zustande. Dann ist die
private Krankenversicherung zuständig.
Wer bisher noch nie gesetzlich oder privat krankenversichert war, kann die
Krankenkasse frei wählen. Ausnahme: Beamte oder hauptberuflich Selbstständige.
Diese müssen sich an die private Krankenversicherung wenden.
Q Pflicht zur Beitragszahlung
Wer nach der neuen Regelung in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig wird, hat natürlich auch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen, und zwar aus allen beitragspflichtigen Einnahmen. Im Einzelfall
können die Beiträge auch vom Sozialamt übernommen werden.
Versicherungspflichtige ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im
Krankheitsfall, für die die Neuregelung in Frage kommt, sollten sich so schnell wie
möglich bei ihrer letzten Krankenkasse oder, wenn dies nicht zutrifft, bei einer ausgewählten Krankenkasse melden, damit das Versicherungsverhältnis zum 1. April
2007 begründet werden kann. Auch wer sich später meldet, wird rückwirkend zum
1. April Kraft Gesetzes versicherungspflichtig und muss ab diesem Zeitpunkt auch
die Beiträge nachzahlen.
Eine Versicherung kommt nicht zustande, wenn bereits ein ausreichender anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht. Insofern ist eine
Meldung bei einer Krankenkasse insbesondere in folgenden Fällen nicht erforderlich:
•
•
•
•
Bezug laufender Sozialhilfeleistungen, wie zum Beispiel laufende Hilfe zum
Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung,
Eingliederungshilfe für behinderte Menschen oder Hilfe zur Pflege,
Anspruch auf freie Heilfürsorge (z. B. Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleute),
Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz oder auf sonstige Gesundheitsfürsorge,
Anspruch auf Kranken- und Heilbehandlung nach dem Bundesversorgungs-
138
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
•
UND IHR
R ECHT
gesetz, dem Bundesentschädigungsgesetz oder vergleichbaren gesetzlichen
Regelungen,
Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz.
Weitergehende Auskunft erteilt in Zweifelsfällen jede Krankenkasse (im Übrigen,
siehe auch 1.2, Seite 16f.).
So wird für die in Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen beschäftigten behinderten Menschen und denen, die in anerkannten Werkstätten nach dem
SGB IX oder dem „Blindenwarenvertriebsgesetz vom 9. April 1965 (BGBl. I S. 311,
zuletzt geändert durch Artikel 148 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I
S. 2407)“ beschäftigt oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind, grundsätzlich das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt der Beitragsberechnung zu Grunde
gelegt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe von 20 v. H. der so genannten
„monatlichen Bezugsgröße“ (§ 235 SGB V). Diese wird jährlich angepasst, sie
beträgt 490 € monatlich im Kalenderjahr 2007.
Ist das von dem behinderten Menschen tatsächlich erzielte Entgelt niedriger als dieser Betrag, hat der Träger der jeweiligen Einrichtung den Betrag allein zu tragen.
Nur wenn das tatsächlich erzielte Entgelt höher ist, tragen der behinderte Mensch
und Einrichtungsträger den Betrag jeweils zur Hälfte (§ 251 Abs. 2 SGB V).
Beiträge, die auf Grund der Teilnahme an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
für versicherungspflichtige Teilnehmer zu entrichten sind, hat der zuständige Rehabilitationsträger zu tragen (§ 251 Abs. 1 SGB V). Dies gilt auch, wenn krankenversicherungspflichtig Beschäftigte während einer medizinischen Rehabilitation
Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld von einem Rehabilitationsträger erhalten.
Die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger in der gesetzlichen Krankenversicherung bei medizinischer Rehabilitation bleibt während des Bezuges der oben
genannten Leistungen erhalten (§192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V; hinsichtlich der Berechnung der Beiträge für die genannten Personenkreise vergleiche § 235 Abs. 1, 2
und 4 SGB V).
Personen, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen oder
beantragt haben und die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllen, sind
krankenversicherungspflichtig, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11
oder 12 SGB V erfüllt sind.
Personen, die durch Stellung eines Rentenantrages, durch Bezug einer Rente, durch
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Rehabilitation oder durch die Tätigkeit in einer nach dem SGB IX oder dem Blindenwarenvertriebsgesetz anerkannten
Werkstatt für behinderte Menschen oder in Anstalten, Heimen oder gleichartigen
Einrichtungen für behinderte Menschen versicherungspflichtig werden, können
139
R ECHTSVORSCHRIFTEN
sich auf Antrag nach § 8 SGB V von der Versicherungspflicht befreien lassen. Der
Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht zu
stellen. Die Befreiung kann jedoch nicht widerrufen werden.
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die sich nach der vorgenannten Regelung von der Versicherungspflicht haben befreien lassen, haben
bei Bezug von Übergangsgeld gegenüber dem zuständigen Leistungsträger gemäß
§ 258 SGB V Anspruch auf einen Zuschuss zu dem von ihnen zu zahlenden Beitrag
zur privaten Krankenversicherung.
Für Kinder, die als behinderte Menschen außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, besteht gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V, sofern die sonstigen Voraussetzungen für die Familienkrankenversicherung erfüllt sind, Anspruch auf Familienkrankenversicherung ohne Rücksicht auf das Lebensalter des Kindes, wenn die Behinderung bereits vor Erreichen der in § 10 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGB V genannten
Altersgrenzen vorlag.
Dies sind: 18. Lebensjahr, 23. Lebensjahr, wenn das Kind keine Erwerbstätigkeit ausübt, 25. Lebensjahr, wenn das Kind sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet
oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr leistet, auch höheres Lebensalter, wenn die Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllen einer gesetzlichen
Dienstpflicht unterbrochen oder verzögert worden ist.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der
Behinderung von mindestens 50 das Recht, sich freiwillig in der gesetzlichen
Krankenversicherung zu versichern, wenn sie selbst, ein Elternteil, der Ehepartner
oder ihr Lebenspartner in den letzten fünf Jahren vor dem Beitritt zur
Krankenversicherung mindestens drei Jahre versichert waren (Vorversicherungszeit).
Diese Voraussetzung gilt jedoch dann nicht, wenn die Vorversicherungszeit wegen
der Behinderung nicht erfüllt werden konnte. Die Vorversicherungszeiten brauchen nicht zusammenhängend zurückgelegt zu sein. Vorversicherungszeiten behinderter Menschen können jedoch nicht mit solchen des Ehepartners oder eines
Elternteils zusammengerechnet werden. Die dreijährige Vorversicherungszeit muss
entweder insgesamt vom behinderten Menschen selbst oder vom Ehepartner oder
einem Elternteil erfüllt sein.
Darüber hinaus sind die Krankenkassen berechtigt, in ihren Satzungen Altersgrenzen festzulegen, nach deren Überschreiten das Recht zur freiwilligen Versicherung nicht mehr besteht.
Der freiwillige Beitritt muss gegenüber der Krankenkasse innerhalb von drei
Monaten nach Feststellung der Schwerbehinderung erklärt werden. Nach Ablauf
dieser Frist ist der freiwillige Beitritt nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht mehr möglich.
140
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Sofern die vorstehend geschilderten Voraussetzungen für das besondere Beitrittsrecht für schwerbehinderte Menschen nicht erfüllt sind, kommt ein freiwilliger Beitritt zur gesetzlichen Krankenversicherung nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen eines der sonstigen in § 9 Abs. 1 SGB V genannten Beitrittsrechte erfüllt
sind. So besteht die Möglichkeit zum freiwilligen Beitritt z.B. nach einem Ausscheiden aus einer vorherigen Versicherungspflicht (hier reichen geringere Vorversicherungszeiten aus), beim Erlöschen einer Familienversicherung sowie für Berufsanfänger mit einem Verdienst oberhalb der Jahresarbeitsverdienstgrenze. Auch in
diesen Fällen muss der Beitritt der Kasse innerhalb von drei Monaten nach dem beitrittsberechtigenden Ereignis erklärt werden. Nähere Auskünfte über die bestehenden Möglichkeiten eines freiwilligen Beitritts zur gesetzlichen Krankenversicherung, über die Voraussetzungen im Einzelnen sowie über die satzungsmäßigen
Altersgrenzen für schwerbehinderte Menschen geben die Krankenkassen.
11.2
Rentenversicherung
Behinderte Menschen, die in nach dem SGB IX oder dem Blindenwarenvertriebsgesetz anerkannten Werkstätten beschäftigt sind oder von diesen Einrichtungen
als Heimarbeiter beschäftigt werden, sowie behinderte Menschen, die in Anstalten,
Heimen oder gleichartigen Einrichtungen für behinderte Menschen beschäftigt
sind und die oben unter 1.1 beschriebene Mindestleistung erbringen, sind nach § 1
SGB VI auch in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig.
Auf die wesentlichen Änderungen durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz – BGBl. I, Nr. 16, S. 554 – vom 20. April 2007) wurde bereits in der Einleitung
dieser Broschüre eingegangen.
Die nachfolgenden Regelungen bestehen unverändert (lediglich mit angepassten
Bezugsgrößen) fort.
Als Arbeitsentgelt ist für die Beitragsberechnung mindestens ein Betrag in Höhe
von 80 Prozent der monatlichen Bezugsgröße zu Grunde zu legen, für das Jahr
2007, also monatlich den Betrag in Höhe von im Westen 1.960 € (West) bzw. 1.680
€ (Ost). Ist der tatsächliche Arbeitsverdienst des behinderten Menschen geringer,
hat er als eigenen Betragsanteil die Hälfte des sich aus dem tatsächlichen
Arbeitsverdienst ergebenden Beitragsteils zu entrichten. Den Rest des sich aus dem
Mindestbetrag ergebenden Gesamtbeitrages zahlt der Träger der Einrichtung. Der
Einrichtungsträger hat den gesamten Beitrag zu tragen, wenn der Arbeitsverdienst
des behinderten Menschen 490 € nicht übersteigt.
Nach § 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI sind ferner alle Personen versicherungspflichtig in der
gesetzlichen Rentenversicherung, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in
141
R ECHTSVORSCHRIFTEN
Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen zu
einer Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen. Die Beiträge sind allein vom Träger
der Einrichtung zu tragen. Den Rest des sich aus dem Mindestbetrag ergebenden
Gesamtbeitrages zahlt der Träger der Einrichtung. Der Einrichtungsträger hat den
gesamten Beitrag zu tragen, wenn der Arbeitsverdienst des behinderten Menschen
490 € nicht übersteigt.
Nach § 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI sind ferner alle Personen versicherungspflichtig in der
gesetzlichen Rentenversicherung, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in
Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen zu
einer Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen. Die Beiträge sind allein vom Träger
der Einrichtung zu tragen.
Für sämtliche vorgenannten Personengruppen besteht die Versicherungspflicht in
der gesetzlichen Rentenversicherung auch dann, wenn lediglich eine geringfügige
Beschäftigung in den Grenzen des § 8 SGB IV vorliegt.
Die Bestimmungen über die grundsätzliche Versicherungsfreiheit bei geringfügiger
Beschäftigung finden ebenfalls keine Anwendung bei Personen, die auf Grund
einer stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach § 74 SGB V
lediglich in geringfügigem Umfang beschäftigt sind; auch sie sind versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung.
11.3
Geringfügige Beschäftigung
Seit dem 1. April 2003 sind die Regelungen bei der Beschäftigung von Mini-Jobbern
in Kraft.
Maßgeblich für die 400 €-Grenze ist der Verdienst für den jeweiligen Monat. Das
heißt: Angenommen, in den Monaten Januar bis November verdient der
Minijobber 400 € und im Monat Dezember 450 €, dann liegt er im Dezember über
der Verdienstgrenze und ist dann für diesen Monat sozialversicherungspflichtig. Es
gibt keine Höchstarbeitsdauer. Dies gilt für alle geringfügig Beschäftigten.
Entscheidend ist, dass die Verdienstgrenze nicht überschritten wird.
Man teilt die Geringfügige Beschäftigung in zwei Gruppen auf, einmal in die
Geringfügig entlohnte Beschäftigung und in die Kurzfristige Beschäftigung. Für
beide Arten müssen Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet werden.
Q Geringfügig entlohnte Beschäftigung
Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung liegt vor, wenn das Arbeitsentgelt aus
dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 € nicht übersteigt. Der
Arbeitnehmer ist bis zu dieser Grenze von der Sozialversicherung befreit (§ 8 Abs.1
Nr.1 SGB IV, § 7 Abs. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI, § 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI, § 27
Abs. 2 Nr. 1 SGB III).
142
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
•
UND IHR
R ECHT
Der Arbeitgeber hat für geringfügig Entlohnte, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei oder nicht versicherungspflichtig sind, folgende Pauschalabgaben (gerechnet vom Arbeitsentgelt) zu leisten:
• 13 % Krankenversicherungspauschale
• 15 % gesetzliche Rentenversicherungspauschale
• 2 % Pauschale für Lohnsteuer, Kirchensteuer u. Solidaritätszuschlag
• 0,1 % Umlage nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz
Wird die geringfügig entlohnte Beschäftigung in einem Privathaushalt ausgeübt
[haushaltsnahen Dienstleistungen: z.B. Tätigkeiten, die normalerweise
Familienmitglieder erledigen (Kochen, Putzen, Gartenarbeiten, etc.)], gelten folgende Pauschalabgaben:
• 5 % Krankenversicherungspauschale
• 5 % Rentenversicherungspauschale
• 2 % Pauschale für Lohnsteuer, Kirchensteuer u. Solidaritätszuschlag
• 0,1 % Umlage nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz
• 1,6 % Beiträge zur Unfallversicherung
In der Regel werden die Pauschalabgaben vom Arbeitgeber getragen, so dass der
Arbeitnehmer sein Arbeitsentgelt brutto für netto erhält. Die Pauschalabgaben
muss der Arbeitgeber an die zentrale Einzugstelle, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (auch Minijob-Zentrale genannt), zahlen. Diese teilt
den Pauschalbeitrag auf die einzelnen Versicherungszweige und die Steuern auf.
Achtung: den vollen Anspruch auf die Leistungen der gesetzlichen
Rentenversicherung – wie etwa Maßnahmen zur Rehabilitation oder vorzeitigen Rentenbeginn – können Minijobber nur dann erwerben, wenn sie die
Differenz von derzeit 4,9 Prozent zwischen dem Pauschalbetrag des
Arbeitgebers (15 Prozent) und dem vollen Rentenversicherungsbetrag (19,9
Prozent) selbst zahlen.
Das heißt, bei einem Bruttolohn von 400 € erhält man nicht 400 € ausbezahlt, sondern noch 380,40 €. Den Verzicht bzw. die Inanspruchnahme dieser Aufstockung
sollte man bereits zu Beginn der Beschäftigung schriftlich erklären.
Außerdem sind für die korrekte Anmeldung einer Aushilfe weitere Angaben wie
z.B. Rentenversicherungsnummer, Geburtsort, -datum und -name erforderlich.
Bei Arbeitnehmern, die eine geringfügige Beschäftigung ausüben und in dieser
Beschäftigung versicherungspflichtig sind, weil sie nach § 5 Abs. 2 Satz 2 auf die
Versicherungsfreiheit verzichtet haben, ist beitragspflichtige Einnahme das
Arbeitsentgelt, mindestens jedoch der Betrag in Höhe von 155 Euro (§ 163 Abs. 8
SGB VI).
143
R ECHTSVORSCHRIFTEN
Q Kurzfristige Beschäftigung
Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn die Beschäftigung von vorneherein
zeitlich begrenzt ist auf maximal zwei Monate oder 50 Arbeitstage innerhalb eines
Kalenderjahres.
Man geht vom Zwei-Monats-Zeitraum aus, wenn die Beschäftigung an mindestens
fünf Tagen pro Woche ausgeübt wird. Bei Beschäftigungen von regelmäßig weniger als 5 Tagen pro Woche geht man bei der Prüfung der Kurzfristigkeit von 50
Arbeitstagen aus.
Bei einer kurzfristigen Beschäftigung sind keine Sozialabgaben zu leisten, jedoch
ist das Arbeitsentgelt zu versteuern. Entweder über eine Pauschalsteuer, die der
Arbeitgeber zu zahlen hat, oder es werden Steuern entsprechend der Angaben auf
der Lohnsteuerkarte einbehalten und an das Finanzamt abgeführt.
Bei der Beurteilung darüber, ob Sozialabgabenfreiheit besteht, werden alle kurzfristigen Beschäftigungen eines Kalenderjahres zusammengezählt. Wird innerhalb
einer kurzfristigen Beschäftigung eine der zeitlichen Grenzen überschritten, wird
diese Beschäftigung sozialabgabenpflichtig nicht erst ab dem Überschreiten des
Zeitlimits, sondern von Anfang an.
Achtung: Die Tätigkeit darf nicht berufsmäßig ausgeübt werden, sofern das
Entgelt über 400 € liegt!
144
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
12
Krankenversicherung
12.1
Befreiung von Zuzahlungspflichten
UND IHR
R ECHT
Schwerwiegend chronisch Kranke („Chroniker“) sind vielfach häufiger auf
Leistungen der Krankenversicherung angewiesen als andere Versicherte. Dies wird
bei der Festsetzung der individuellen Belastungsgrenzen besonders berücksichtigt.
Die Zuzahlungen sind bei diesem Personenkreis auf ein Prozent der jährlichen
Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt begrenzt.
Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind generell von
Zuzahlungen befreit (damit auch von den Praxisgebühren); ausgenommen sind
Zuzahlungen bei Fahrkosten.
Für Sozialhilfeempfänger gelten dieselben Zuzahlungsregeln und Belastungsgrenzen wie für alle anderen Versicherten. Das heißt, auch sie zahlen zwei Prozent
beziehungsweise als chronisch Kranke ein Prozent dazu. Um die soziale Balance
sicherzustellen, ist Berechnungsgrundlage bei Sozialhilfeempfängern der Regelsatz
des Haushaltsvorstands.
Außerdem sind Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen von der Praxisgebühr
befreit. Hierzu gehören:
•
•
•
•
•
Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft,
Krebsfrüherkennungsuntersuchungen:
für Frauen
– ab dem 20. Lebensjahr Genitaluntersuchungen,
– ab dem 31. Lebensjahr zusätzlich Brust- sowie
– ab dem 51. Lebensjahr zusätzlich Dickdarm- und Rektumuntersuchungen.
Bei Männern
– ab 45 Prostata- und Genitaluntersuchungen,
– ab dem Alter von 50 Untersuchungen des Dickdarms und des Rektums,
Darmspiegelungen
bei Frauen und Männern ab dem 56. Lebensjahr.
Gesundheits-Check ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre für gesetzlich
Krankenversicherte. Schwerpunkte sind die Früherkennung von Herz-,
Kreislauf- und Nierenerkrankungen sowie der Zuckerkrankheit.
Schutzimpfungen, insbesondere gegen Kinderlähmung, Diphtherie, Tetanus,
Mumps, Masern, Röteln, Keuchhusten, Influenza, Hirnhauterreger (keine
Reiseprophylaxe).
Jährlich zwei Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt.
145
K RANKENVERSICHERUNG
Bestimmte Arzneimittel können vollständig von der Zuzahlungspflicht befreit werden.
Q Bonusregelung
Wer aktiv Vorsorge betreibt und an qualitätsgesicherten Präventionsmaßnahmen
teilnimmt, kann von seiner Krankenkasse einen finanziellen Bonus bekommen. Das
kann eine teilweise Befreiung von den Zuzahlungen oder auch eine Ermäßigung
des Beitrags sein. Das gilt auch für Versicherte, die an einem Hausarztsystem, an
einem strukturierten Behandlungsprogramm für Chroniker oder an einer
Integrierten Versorgung teilnehmen.
12.1.1 Zuzahlungen (§ 61 SGB V)
Zuzahlungsregelungen bestehen für nahezu alle Leistungen der gesetzlichen
Krankenversicherung. Hierunter fallen die Versorgung mit Arzneimitteln, Heil- und
Hilfsmitteln, Krankenhausaufenthalte, Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen,
häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, Fahrkosten und Arztbesuche.
Die Zuzahlung beträgt grundsätzlich zehn Prozent, mindestens jedoch 5 € und
maximal 10 €, allerdings nicht mehr als die Kosten des Mittels. Bei einer stationären Behandlung fällt ein Eigenanteil von täglich 10 € an, begrenzt auf 28 Tage im
Kalenderjahr. Abweichend von diesem Grundsatz beträgt die Zuzahlung bei
Heilmitteln und häuslicher Krankenpflege 10 € der Kosten sowie zusätzlich 10 € je
Verordnung. Die Zuzahlung bei häuslicher Krankenpflege ist ebenfalls auf 28 Tage
je Kalenderjahr begrenzt.
12.1.2 Belastungsgrenze (§ 62 SGB V)
Sämtliche Zuzahlungen können bei der Ermittlung der Belastungs-Grenze geltend
gemacht werden:
•
•
•
•
•
•
•
Praxisgebühr bei Arzt- und Zahnarztbesuchen,
Zuzahlungen zu Arznei- und Verbandmitteln,
Zuzahlungen zu Heilmitteln, wie zum Beispiel die physikalische Therapie
(Massagen, Krankengymnastik), die Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie, die
Ergotherapie sowie häusliche Krankenpflege,
Zuzahlungen zu Hilfsmitteln, wie z. B. Hörhilfen, Körperersatzstücke, Rollstühle
oder Gehhilfen,
Zuzahlungen im Krankenhaus,
Zuzahlungen bei der stationären Vorsorge und Rehabilitation,
Zuzahlungen bei der medizinischen Versorgung und Rehabilitation für Mütter
und Väter,
146
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
•
•
UND IHR
R ECHT
Zuzahlungen bei einer Soziotherapie, bei Inanspruchnahme von häuslicher
Krankenpflege oder bei einer Haushaltshilfe,
Zuzahlungen zu genehmigten Fahrkosten.
Nicht berücksichtigt werden hingegen Eigenanteile: zum Beispiel beim Zahnersatz,
bei Arzneimitteln oder bei künstlicher Befruchtung.
Die Belastungsgrenze für Zuzahlungen liegt bei zwei Prozent der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Unter Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt
fallen alle Einnahmen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt sind und
gegenwärtig zur Verfügung stehen, neben Arbeitseinkommen beispielsweise auch
Mieteinnahmen, Abfindungen oder Betriebsrenten. Familien können pro Kind
3.648 € von ihren anzurechnenden jährlichen Bruttoeinnahmen abziehen. Für den
Ehepartner können 4.410 € in Abzug gebracht werden.
Für Zahnersatz gilt die Härtefallregelung der neuen Festzuschussregelung:
•
•
•
Versicherte, die über ein geringes Einkommen verfügen – zum Beispiel
Empfänger von Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II oder Ausbildungsförderung –
erhalten von ihrer Krankenkasse einen Festzuschuss in Höhe der für die
Regelversorgung anfallenden Kosten. Die Leistungen der Regelversorgung
erhalten sie also kostenfrei.
Als geringes Einkommen gelten für das Jahr 2007 monatliche Bruttoeinnahmen
bis zu 980 € für Alleinstehende. Für Versicherte mit einem Angehörigen gelten
1.347,50 € und für jeden weiteren Angehörigen kommen zusätzlich 245 €
hinzu.
Versicherte, deren Einkommen oberhalb dieser Beträge liegt, haben mit der
gleitenden Härtefallregelung Anspruch auf einen erhöhten Festzuschuss. Dieser
hängt von der Einkommenshöhe ab. Dabei gilt die Regel: Jeder Versicherte muss
maximal das Dreifache des Betrages selbst leisten, um den sein Einkommen vom
geringen Einkommen abweicht.
Wie bereits beschrieben reduziert sich die Belastungsgrenze auf lediglich ein
Prozent, wenn ein Patient als schwerwiegend chronisch krank gilt.
Als chronisch krank gelten Patienten, die sich
•
•
•
•
•
nachgewiesen in ärztlicher Dauerbehandlung befinden,
durch einen Arztbesuch wegen derselben Krankheit pro Kalendervierteljahr
und zusätzlich pflegebedürftig in der Pflegestufe II oder Pflegestufe III sind oder
einen Grad der Behinderung von mindestens 60 % nach dem Bundesversorgungsgesetz haben oder
eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 60 % nach dem Sozialgesetzbuch VII (Unfallversicherung) haben oder
wenn nach ärztlicher Beurteilung eine regelmäßige medizinische Versorgung
(ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie,
147
K RANKENVERSICHERUNG
Versorgung mit Heil- oder Hilfsmitteln) erforderlich ist, ohne die nach ärztlicher
Einschätzung:
–
–
–
–
eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung oder
eine Verminderung der Lebenserwartung oder
eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die auf Grund
der Krankheit verursachten Gesundheitsstörung zu erwarten ist.
Sobald ein familienversicherter Familienangehöriger (Ehegatte, volljähriges Kind)
schwerwiegend chronisch krank ist, gilt für alle Familienmitglieder die maximale
Belastungsgrenze von einem Prozent. Das trifft auch dann zu, wenn der chronisch
kranke Ehepartner bei einer anderen gesetzlichen Krankenkasse versichert sein
sollte.
Grundlage für die Berechnung der Belastungsgrenze sind die Bruttoeinnahmen
zum Lebensunterhalt aller im Haushalt lebenden Familienangehörigen, abzüglich
der Freibeträge für die Kinder und den Ehepartner. Sobald die Zuzahlungen aller
Familienmitglieder insgesamt ein Prozent der Bruttoeinnahmen erreicht haben,
sind alle im Haushalt lebenden Familienmitglieder von Zuzahlungen für das restliche Jahr befreit. Wie die Umsetzung im Einzelfall erfolgt, erläutert Ihre
Krankenkasse.
12.1.3 Generelle Befreiung und Befreiung von Zuzahlungen
oberhalb der Belastungsgrenze
Von der Zuzahlung generell befreit sind Kinder unter 18 Jahren.
Von weiteren Zuzahlungen in einem laufenden Kalenderjahr können sich
Versicherte befreien lassen, deren geleistete Zuzahlungen die Belastungsgrenze
erreicht haben. Auf Antrag hin muss die Krankenkasse eine entsprechende
Bescheinigung ausstellen. Die Krankenkassen können in ihrer Satzung bestimmen,
dass als Bonus für ein gesundheitsbewusstes Verhalten eine Befreiung oder
Ermäßigung von den Zuzahlungen gewährt wird.
Zuzahlungsbefreiungen können vorgesehen werden für Versicherte, die:
•
•
an qualitätsgesicherten Maßnahmen der primären Prävention teilnehmen oder
regelmäßig Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten in Anspruch nehmen.
Ermäßigung von Zuzahlungen als Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten kann
Versicherten eingeräumt werden, die an besonderen Versorgungsformen teilnehmen.
Voraussetzung für eine Ermäßigung ist die Teilnahme:
148
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
•
•
R ECHT
an einer hausarztzentrierten Versorgung,
an strukturierten Behandlungsprogrammen bei chronischen Krankheiten
oder
•
UND IHR
an einer integrierten Versorgung.
149
P FLEGEVERSICHERUNG
13
Pflegeversicherung
13.1
Einführung
Das Pflegeversicherungsgesetz hat die Regelungen der Pflegeversicherung als
Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in das Sozialgesetzbuch eingefügt. Das
Schwerbehindertengesetz (SchwbG) und das Gesetz über die Angleichung der
Leistungen der Rehabilitation (Reha-Angleichungsgesetz) sind seit dem 1. Juli 2001
zusammengefasst im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Das folgende
Kapitel ist als Teil „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ in das
Sozialgesetzbuch eingefügt. Somit hat die Sozialversicherung sechs Säulen:
•
•
•
•
•
•
die gesetzliche Krankenversicherung (SGB V),
die gesetzliche Unfallversicherung (SGB Vll),
die gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI),
die Arbeitslosenversicherung (SGB lll),
die Pflegeversicherung (SGB XI) und
die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).
Träger der sozialen Pflegeversicherung sind die Pflegekassen, deren Aufgaben von
den Krankenkassen wahrgenommen werden. Wer nicht Mitglied der sozialen
Pflegeversicherung ist und sich dort auch nicht versichern kann, muss eine private
Pflegeversicherung abschließen.
13.2
Mitgliedschaft
13.2.1 Mitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung
Alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind grundsätzlich ohne
besonderen Antrag Mitglied der sozialen Pflegeversicherung, ebenso:
•
•
in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei mitversicherte Familienangehörige (§ 25 Abs. 1 und 2 SGB XI).
freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Personen,
die nach beamtenrechtlichen Vorschriften bei Pflegebedürftigkeit Anspruch auf
Beihilfe haben und für die Versicherungspflicht besteht (§ 20 Abs. 3 SGB XI).
Ausnahme: Ein freiwilliges Mitglied lässt sich innerhalb von drei Monaten nach
Beginn der freiwilligen Krankenversicherung von der Versicherungspflicht in der
sozialen Pflegeversicherung befreien. Allerdings muss dann der Nachweis eines privat abgeschlossenen Vertrages erbracht werden. Dieser muss Art und Umfang der
Leistungen der sozialen Pflegeversicherung entsprechen. Wer als freiwillig
150
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Versicherter die soziale Pflegeversicherung verlässt, hat keine Rückkehrmöglichkeit, es sei denn, er wird wieder Pflichtmitglied der sozialen Pflegeversicherung.
Personen, die nicht Mitglieder der gesetzlichen Pflegeversicherung sind, aber dem
Personenkreis nach § 21 SGB XI angehören, sind versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung. Dies gilt zum Beispiel für Bezieher einer Kriegsschadensrente oder Soldaten auf Zeit, die weder gesetzlich noch privat krankenversichert sind.
13.2.2 Mitgliedschaft in der privaten Pflegeversicherung
Privat Krankenversicherte sind verpflichtet, für sich und ihre Familienangehörigen
im Sinne des § 25 SGB Xl einen entsprechenden privaten Versicherungsvertrag
abzuschließen (§ 23 SGB XI). Dies gilt auch z. B. für
•
•
•
•
Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei
Pflegebedürftigkeit Anspruch auf Beihilfe haben,
Heilfürsorgeberechtigte,
Mitglieder der Postbeamten-Krankenkasse und
Mitglieder der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten,
soweit sie nicht in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind, oder
nicht nach § 20 Abs. 3 SGB XI als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen
Krankenversicherung der sozialen Pflegeversicherung angehören.
13.3
Beitrag
Die Ausgaben der sozialen Pflegeversicherung werden durch Beiträge der
Mitglieder und der Arbeitgeber, der Rentenversicherungs- oder anderer
Sozialleistungsträger finanziert.
13.3.1 Beitragssatz, Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI)
Der Beitragssatz beträgt 1,7 Prozent. Die Beitragshöhe richtet sich nach den beitragspflichtigen Einnahmen (Lohn, Gehalt, Rente etc.) der Mitglieder. Die
Beitragsbemessungsgrenze 2007 liegt für die alten und neuen Bundesländer unverändert bei monatlich 3.562,50 € (nicht zu verwechseln mit der Versicherungspflichtgrenze von 3975 €). Kinderlose Mitglieder haben seit 1. Januar 2005 einen
Zuschlag in Höhe von 0,25 v. H. zu tragen, d. h. der Beitragssatzanteil, z.B. eines kinderlosen Arbeitnehmers, erhöht sich von 0,85 auf 1,1 v.H. Zur Begründung wurde
der vom Bundesverfassungsgericht geforderte Beitragsabstand zwischen
Versicherten mit und ohne Kindern angeführt.
151
P FLEGEVERSICHERUNG
13.3.2 Wer zahlt den Beitrag?
Personenkreis
Beitragszahler
Versicherungspflichtig
Beschäftigte
Arbeitgeber und Arbeitnehmer
jeweils zur Hälfte
Freiwillig Versicherte
in der gesetzlichen Krankenkasse
das Mitglied selbst;
es erhält aber einen Zuschuss
in Höhe des Arbeitgeberanteils
Bezieher von Krankengeld
Mitglied und Krankenkasse
Bezieher von Arbeitslosengeld,
Eingliederungs-, Unterhaltsgeld
oder Altersübergangsgeld
Bundesagentur für Arbeit
Arbeitslosengeld II
der jeweilige Leistungsträger
Empfänger von Betriebsrenten,
Zusatzversorgung
das Mitglied selbst
Rentenbezieher aus der
gesetzlichen Rentenversicherung
Rentner und Versicherung
je zur Hälfte
Bezieher von Sozialhilfe
zuständiger Träger
Leistungsempfänger
nach § 21 Abs. 1 bis 5 SGB XI
(insbesondere Empfänger
einer Kriegsschadensrente,
von Kriegsfürsorgehilfen etc.)
Landesamt für Soziales,
Gesundheit und
Verbraucherschutz
Versicherte in der privaten
Pflegeversicherung
das Mitglied selbst;
es erhält jedoch einen Zuschuss
vom Arbeitgeber in der Höhe,
in der ein Arbeitgeber
Leistungen zur sozialen Pflegeversicherung zu leisten hätte.
152
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
13.3.3 Beitragsfreiheit (§ 56 SGB XI)
Familienangehörige sind für die Dauer der Familienversicherung nach § 25 SGB XI
beitragsfrei. Dies gilt auch dann, wenn Ehepartner und Kinder über eigenes
Einkommen verfügen, das unter der Geringfügigkeitsgrenze von 325 € monatlich
liegt.
Beitragsfrei sind auch Mitglieder während der Zeit des Bezuges von Mutterschaftsund Erziehungsgeld. Beitragsfrei sind auf Antrag Mitglieder, die auf nicht absehbare Dauer in stationärer Pflege sind und bereits Leistungen nach § 35 Abs. 6 des
Bundesversorgungsgesetzes oder nach Gesetzen erhalten, die eine Anwendung des
Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, wenn sie keine Familienangehörigen haben,
für die eine Versicherung nach § 25 besteht.
13.4
Begriff der Pflegebedürftigkeit
13.4.1 Wer stellt Pflegebedürftigkeit fest?
Pflegebedürftig ist nach § 14 Abs. 1 des Pflegeversicherungsgesetzes, wer wegen
einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die
gewöhnlichen, regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße auf Hilfe angewiesen ist.
Krankheiten oder Behinderungen in diesem Sinne sind:
1. Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und
Bewegungsapparat,
2. Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane,
3. Störungen des zentralen Nervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder
Orientierungsstörungen sowie endogene Psychosen, Neurosen, oder geistige
Behinderungen.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung stellt fest, ob und inwieweit
Pflegebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes vorliegt.
13.4.2 Pflegestufen
Neben der Feststellung der Pflegebedürftigkeit entscheidet der Medizinische
Dienst auch über die jeweilige Stufe der Pflegebedürftigkeit.
153
P FLEGEVERSICHERUNG
Stufen der Pflegebedürftigkeit und ihre Voraussetzungen
Pflegestufe
Hilfebedarf
Zeitaufwand 2)
im Tagesdurchschnitt
I
bei wenigstens
zwei Verrichtungen
1 x täglich
1,5 Stunden
II schwer
pflegebedürftig
mindestens drei Mal
täglich zu verschiedenen Tageszeiten 1)
3,0 Stunden
III schwerst
rund um die Uhr,
pflegebedürftig
5,0 Stunden
also auch nachts 1)
erheblich
pflegebedürftig
Entscheidend für die Zuordnung zu einer Pflegestufe ist, welchen Hilfebedarf der
Medizinische Dienst bei folgenden täglichen Verrichtungen feststellt:
Körperpflege: Beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen,
Rasieren, bei der Darm- und Blasenentleerung.
Ernährung: Bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung oder beim Essen
oder Trinken.
Mobilität: Beim selbstständigen Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und
Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder beim Verlassen und
Wiederaufsuchen der Wohnung.
Hauswirtschaftliche Versorgung: Beim Einkaufen, Kochen, Reinigen oder Beheizen
der Wohnung, Spülen, Wechseln oder Waschen der Kleidung, Wäsche.
13.4.3 Leistungen der häuslichen Pflege (§§ 36 bis 40 SGB XI)
Die Pflegekasse gewährt bei häuslicher Pflege:
1. Pflegesachleistung (§ 36) beim Einsatz professioneller Pflegedienste bzw.
Sozialstation.
2. Pflegegeld für selbstbeschaffte Pflegehilfen (§ 37) Angehörige, Freunde.
3. Kombinationsleistung (§ 38) – Kombination von Geld- und Sachleistung, d.h. das
Pflegegeld wird um den Vomhundertsatz gekürzt, zu dem der Pflegebedürftige
Sachleistungen in Anspruch genommen hat.
1) In allen drei Pflegestufen kommt hinzu, dass zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung nötig sind.
2) Der Zeitaufwand berechnet sich nach der Zeit, die eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Person benötigt.
154
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
Pflegesachleistung
z.B. durch Sozialstation
monatlich
Pflegestufe I
Pflegestufe II
Pflegestufe III
in Härtefällen1)
bis
bis
bis
bis
UND IHR
R ECHT
oder Pflegegeld
z.B. Angehörige pflegen
monatlich
384 €
921 €
1.432 €
1.918 €
Stufe I
Stufe II
Stufe III
205 €
410 €
665 €
Kombinationsleistung
Pflegesachleistung der Stufe ll wird bis zur Hälfte durch einen
professionellen Pflegedienst erbracht. Es bleibt ein Anspruch auf
die Hälfte der Pflegegeldleistung von 410 €, also 205 €.
beispiel
Bis zu 460 € mehr Zuschuss pro Jahr können seit 1. April 2002 pflegebedürftige
Menschen erhalten, die an einer Demenzerkrankung leiden und zu Hause gepflegt
werden.
Grundlage für diese neue Leistung ist eine Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der Leistungen der Pflegeversicherung.
13.4.4 Häusliche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson
(§ 39)
Ist häusliche Pflege nicht möglich, z.B. weil die pflegende Person durch Urlaub,
Krankheit oder aus anderen Gründen verhindert ist, dann übernimmt die
Pflegekasse für längstens vier Wochen die Kosten für eine stellvertretende
Pflegeperson in Höhe von bis zu 1.432 €.
Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson den Pflegebedürftigen mindestens zwölf
Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat, bevor sie erstmalig verhindert ist.
13.4.5 Pflegehilfsmittel und technische Hilfen (§ 40)
Für Pflegehilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind, wie z.B. Unterlagen,
Desinfektionsmittel und Körperpflegeartikel, übernimmt die Pflegekasse monatlich
bis zu 31 €, wenn nicht ein anderer Leistungsträger (Unfallversicherung,
Kriegsopferfürsorge) zuständig ist.
Technische Hilfen wie Pflegebetten, Rollstühle, Hebegeräte usw. werden zumeist
leihweise überlassen. Die Versicherten haben eine Zuzahlung von zehn Prozent,
höchstens von 25 € zu leisten.
155
P FLEGEVERSICHERUNG
Zum behindertengerechten Haus- und Wohnungsumbau kann die Pflegekasse
einen Zuschuss bis zu 2.557 € gewähren.
13.4.6 Teilstationäre Pflege, Tages- und Nachtpflege (§ 41)
Pflegebedürftige haben einen Anspruch auf Pflege in Einrichtungen der Tages- und
Nachtpflege (teilstationäre Pflege), wenn häusliche Pflege vorübergehend oder
nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden kann. Die teilstationäre
Pflege umfasst auch die Beförderung des Pflegebedürftigen von der Wohnung zur
Einrichtung und zurück.
Tages- und Nachtpflege als teilstationäre Pflege kann unter anderem auch in Frage
kommen,
•
•
um die Pflegeperson zu entlasten,
um rehabilitative Maßnahmen der Einrichtung zu nutzen.
Die Pflegekasse übernimmt monatlich folgende Höchstbeiträge:
Pflegestufen
Tages- und Nachtpflege
I
384 €
II
921 €
III
1.432 €
Wird der Höchstbetrag der Sachleistung in der einzelnen Pflegestufe nicht voll ausgeschöpft, dann kommt es zur Kombination von Geld- und Sachleistung. Für
Pflegebedürftige der Stufe lll darf der Gesamtwert der Leistungen nicht höher liegen als 1.432 €.
13.4.7 Kurzzeitpflege (§ 42)
Anspruch auf Kurzzeitpflege von vier Wochen pro Kalenderjahr in einer vollstationären Einrichtung besteht
•
•
für eine Übergangszeit im Anschluss an eine stationäre Behandlung des
Pflegebedürftigen oder
in sonstigen Krisensituationen, in denen vorübergehend häusliche oder teilstationäre Pflege nicht oder nicht ausreichend möglich ist. Dies kann unter anderem der Fall sein bei notwendigen Umbaumaßnahmen für eine sinnvolle Pflege
oder bei erheblicher Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit.
Kurzzeitpflege nach einer stationären Behandlung ist immer möglich. Sonst nur,
wenn die Pflegeperson den Pflegebedürftigen zuvor mindestens zwölf Monate in
seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat. Die Pflegekasse zahlt für die
Kurzzeitpflege maximal 1.432 € im Jahr.
156
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
13.4.8 Vollstationäre Pflege (§ 43)
Die Pflegekasse übernimmt die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung sowie die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege bis zum Gesamtbetrag von 1.432 € monatlich.
Dabei dürfen die jährlichen Ausgaben der einzelnen Pflegekasse für die bei ihr versicherten stationär Pflegebedürftigen im Durchschnitt 15.339 € je Pflegebedürftigen nicht übersteigen. Die Pflegekasse hat jeweils zum 1. Januar und zum 1. Juli
zu überprüfen, ob dieser Durchschnittsbetrag eingehalten ist.
Pflegestufen
I
II
III
Härtefall1)
1.023 €
1.279 €
1.432 €
1.688 €
Leistungen im Überblick
Pflegestufe des
Pflegebedürftigen
Häusliche Pflege:
Pflegegeld € monatlich
Pflegevertretung: – durch nahe Anehörige
– durch sonstige Personen
I
erheblich
II
schwer
III
schwerst
384
205
921
410
1.432
665
2051)
1.432
4101)
1.432
6651)
1.432
1.432
1.432
1.432
384
921
1.432
460
460
460
1.023
1.279
1.432
III
in besonderen
Härtefällen
1.918
Aufwendungen bis zu 4 Wochen im Kalenderjahr in €
Kurzzeitpflege:
Aufwendungen bis € jährlich
Teilstationäre Tages- und Nachtpflege:
Aufwendungen bis € monatlich
Ergänzende Leistungen für Pflegebedürftige mit
erheblichem allg. Betreuungsbedarf:
Leistungsbetrag bis € jährlich
Vollstationäre Pflege:
1.688
Aufwendungen bis € monatlich (pauschal)
Pflege in vollstationären Einrichtungen der
Behindertenhilfe
10% des Heimentgeltes, höchstens 256 € monatlich
Aufwendungen in Höhe von:
1) Auf Nachweis werden den ehrenamtlichen Pflegepersonen notwendige Aufwendungen (Verdienstausfall, Fahrtkosten
usw.) bis zum Gesamtbetrag von 1.432 € erstattet.
157
P FLEGEVERSICHERUNG
13.5
Leistungen zur sozialen Sicherung
von Pflegepersonen (§ 44)
13.5.1 Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung
Seit 1. April 1995 entrichtet die soziale Pflegeversicherung oder das private
Versicherungsunternehmen, bei dem eine private Pflege-Pflichtversicherung abgeschlossen worden ist, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, wenn
•
•
•
die Pflege langfristig und regelmäßig, das heißt an mindestens 14
Wochenstunden ausgeführt wird. Werden mehrere Personen versorgt, besteht
nur dann Anspruch auf soziale Absicherung, wenn der Pflegeeinsatz bei jeder
bzw. jedem Pflegebedürftigen mindestens 14 Stunden in der Woche beträgt.
Die Pflegeperson nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich – zusätzlich zur
Pflegetätigkeit in einer anderen Beschäftigung – erwerbstätig ist,
die bzw. der zu Pflegende hilfebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes ist. Auch wenn kein (anteiliges) Pflegegeld bezogen wird, sondern ein professioneller Pflegedienst im Einsatz ist und die nicht erwerbsmäßig
tätige Pflegeperson nur zusätzliche Unterstützung leistet, besteht der
Anspruch.
Der
Pflegebedürftige
ist
Die
Pflegeperson
pflegt den
Pflegebedürftigen
wöchentlich
mindestens
schwerstpflegebedürftig
– Stufe III –
Schwer
pflegebedürftig –
Stufe II –
Erheblich
pflegebedürftig –
Stufe I –
Die monatlichen
beitragspflichtigen
Einnahmen
betragen
Die monatlich
zu zahlenden
Beiträge
betragen
Ergibt pro Jahr
Pflegetätigkeit
zurzeit
eine mtl.
Brutto-Rente
von
28 Std.
West
Ost
1.960,00 € 1.680,00 €
West
390,04 €
Ost
West
334,32 € 20,97 €
Ost
18,51 €
21 Std.
14 Std.
21 Std.
14 Std.
1.470,00 €
980,00 €
1.306,67 €
871,11 €
1.260,00 €
840,00 €
1.120,00 €
746,67 €
292,53 €
195,02 €
260,03 €
173,35 €
250,74 €
167,16 €
222,88 €
148,59 €
13,88 €
9,25 €
12,34 €
8,23 €
14 Std.
653,33 €
560,00 €
130,01 €
111,44 € 6,99 €
15,73 €
10,49 €
13,98 €
9,32 €
6,17 €
158
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Teilen sich mehrere Personen die Pflege, dann können alle abgesichert werden,
wenn wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit jede der Pflegepersonen für
mindestens 14 Stunden die Pflege übernimmt und nicht mehr als 30 Stunden
wöchentlich erwerbstätig sind.
Die Höhe der Beiträge richtet sich nach Pflegestufe und dem wöchentlichen
Pflegeaufwand in Stunden.
13.5.2 Sonstige Leistungen zur Sicherung der Pflegepersonen
Q Unfallversicherung
Unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen Pflegepersonen in die
Rentenversicherung einbezogen werden, erfolgt auch eine Aufnahme in die
gesetzliche Unfallversicherung. Allerdings spielt es hier keine Rolle, ob die
Pflegeperson noch eine zusätzliche Beschäftigung von mehr als 30 Stunden
wöchentlich ausführt. Die Pflegepersonen sind – ohne, dass sie für diesen
Versicherungsschutz Beiträge aufbringen müssen – kostenlos in der gesetzlichen
Unfallversicherung bei der Pflegetätigkeit versichert. Der Versicherungsschutz gilt
für alle Unfälle, die im Zusammenhang mit der Pflegetätigkeit stehen – sowohl in
der Wohnung als auch außerhalb, so beispielsweise beim Einkaufen.
Q Arbeitslosenversicherung
Wer seine Angehörigen zuhause pflegt und deswegen ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis unterbricht oder aufgibt, kann ab dem 1. Februar 2006 bis vorerst
31. Dezember 2010 bei der Bundesagentur für Arbeit einen Antrag auf Fortzahlung
der Arbeitslosenversicherung stellen und sich somit freiwillig weiterversichern,
damit der Versicherungsschutz auch während der Pflegezeit aufrecht erhalten
bleibt.
Wenn die pflegebedürftige Person einer der Pflegestufen I bis III zugeordnet
wurde, Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII oder andere gleichartige Leistungen
bezieht, kann der/die Pflegende die Pflegezeit geltend machen,
•
•
•
wenn die Pflege unmittelbar im Anschluss an eine Beschäftigung aufgenommen
wird oder Entgeltersatzleistungen wie Arbeitslosengeld, Krankengeld o.ä.
bezogen werden,
wenn der/die Pflegende innerhalb der letzen 24 Monate mindestens 12 Monate
versicherungspflichtig beschäftigt war oder Entgeltersatzleistungen bezogen
hat,
wenn nicht anderweitig eine Versicherungspflicht besteht.
Die Pflegeperson muss einen Pflegeaufwand von mindestens 14 Stunden wöchentlich nachweisen. Die Pflegekasse muss dies für die Bundesagentur für Arbeit
bescheinigen.
159
P FLEGEVERSICHERUNG
Q Steuerfreies Pflegegeld
Für die bzw. den Pflegebedürftigen sind alle Leistungen aus der Pflegeversicherung
grundsätzlich steuerfrei. Wird das Pflegegeld an pflegende Angehörige oder andere nicht-professionelle Pflegende weitergegeben, muss es auch von diesen nicht
versteuert werden
13.6
Beratung und rechtliche Maßnahmen
Die Pflegekassen müssen Versicherte und ihre Angehörigen beraten in Fragen, die
mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängen. Dies gilt insbesondere für die
Leistungen, die sie zu erbringen hat.
Aber auch über Leistungen und Hilfen anderer Träger, z. B. der Unfallversicherung
oder der Sozialhilfe, hat sie zu beraten (§ 7 SGB XI). Darüber hinaus beraten im
Saarland Behindertenverbände, Gewerkschaften und die Arbeitskammer.
Sind Pflegebedürftige oder Pflegepersonen mit Entscheidungen der Pflegekassen
nicht einverstanden, z. B. weil die Pflegestufe nicht oder nicht in der erwarteten
Höhe gewährt wird oder die wöchentlichen Stunden für den Pflegeaufwand als zu
gering betrachtet werden, kann Widerspruch eingelegt oder Klage beim
Sozialgericht eingereicht werden.
Gewerkschaften und Behindertenverbände übernehmen dann auch die
Rechtsvertretung für ihre Mitglieder.
160
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
14
UND IHR
R ECHT
Betreuungsgesetz
Das Rechtsinstitut der rechtlichen Betreuung wurde in Deutschland durch das am
1. Januar 1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz geschaffen. Unter Betreuung
wird die rechtliche Vertretung verstanden und nicht eine Sozial- oder
Gesundheitsbetreuung. Die rechtliche Betreuung ist an die Stelle der früheren
Vormundschaft über Volljährige und der Gebrechlichkeitspflegschaft getreten und
geht über sie deutlich hinaus. Sie ist im Wesentlichen in den §§ 1896ff. des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt.
Das gesetzgeberische Ziel der Reform war Betreuung statt Entmündigung, um den
Betroffenen Hilfe zu einem frei selbstbestimmten Leben zu leisten. Das Grundrecht
auf Selbstbestimmung ergibt sich aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetz (GG). Die
Betreuung dient nicht zur Erziehung oder dazu, gesellschaftliche Wertmaßstäbe
durchzusetzen.
Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so bestellt das Vormundschaftsgericht (Teil des
Amtsgerichtes) für ihn auf seinen Antrag oder von Amts wegen einen Betreuer.
Betreuungsbehörden auf örtlicher Ebene sind die Landkreise, der Stadtverband
Saarbrücken und die kreisfreien Städte. Sie führen die Aufgaben als
Selbstverwaltungsangelegenheit durch.
Die örtlichen Betreuungsbehörden sind für die ihnen nach dem Betreuungsgesetz
obliegenden Aufgaben zuständig. Sie haben insbesondere
1. die Betreuer/innen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beraten und zu
unterstützen,
2. in ihrem Bezirk für ein ausreichendes Angebot zur Einführung der
Betreuer/innen in ihre Aufgaben und zu ihrer Fortbildung zu sorgen,
3. die Tätigkeit einzelner Personen sowie von gemeinnützigen und freien
Organisationen zugunsten Betreuungsbedürftiger anzuregen und zu fördern,
4. das Vormundschaftsgericht zu unterstützen.
Weitere Informationen geben die örtlichen Betreuungsbehörden, im Saarland die
Landratsämter (s. auch Wegweiser zur Erteilung von Vorsorgevollmacht,
Betreuungs- und Patientenverfügung des Ministerium für Justiz, Arbeit,
Gesundheit und Soziales des Saarlandes, Franz-Josef-Röder-Straße 23, 66119
Saarbrücken und Zähringerstraße 12, 66119 Saarbrücken, www.justiz-soziales.
saarland.de).
161
R ENTENVERSICHERUNG
15
Rentenversicherung
15.1
Erwerbsminderungsrente, Altersrente für
schwerbehinderte Menschen
Durch das Vorschaltgesetz wurde das Recht der gesundheitsbedingten vorzeitigen
Berentung zum 1. Januar 2001 vollständig verändert. An die Stelle der bis zum 31.
Dezember 2000 geltenden Systems der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten ist
die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit getreten. Für Renten wegen
Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, auf die am 31. Dezember 2000 ein Anspruch
bestand, gilt das alte Recht weiter.
Die Verminderte Erwerbsfähigkeit bezeichnet einen krankheits- bzw. behinderungsbedingten physischen bzw. psychischen Zustand, der die Fähigkeit eines
Menschen einschränkt, seinen Lebensunterhalt mit der Ausübung einer beruflichen
Tätigkeit zu verdienen.
Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat, wer
•
•
•
teilweise oder voll erwerbsgemindert ist,
die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt und
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles mindestens 36
Pflichtbeiträge hatte.
Eine teilweise Erwerbsminderung liegt vor, wenn der Antragsteller auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – unabhängig vom erlernten Beruf – nur noch drei bis unter
sechs Stunden täglich tätig sein kann (§ 43 SGB VI). Allerdings kann auch in diesem
Fall eine Rente wegen voller Erwerbsminderung als so genannte „Arbeitsmarktrente“ gewährt werden, wenn der (Teilzeit-)Arbeitsmarkt als verschlossen gilt. Das
ist dann der Fall, wenn der Versicherte keinen seinem Leistungsvermögen entsprechenden (Teilzeit-)Arbeitsplatz inne hat oder ihm kein solcher angeboten werden
kann. Da solche Arbeitsplätze selten konkret benannt werden können, sind
Arbeitsmarktrenten bei einem drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögen
eher die Regel als die Ausnahme.
Volle Erwerbsminderung ist dann gegeben, wenn die Erwerbsfähigkeit derart eingeschränkt ist, dass Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt weniger als drei Stunden
täglich verrichtet werden können (§ 43 SGB VI). Unabhängig von dieser quantitativen Grenze können aber auch bestimmte qualitative Einschränkungen zur vollen
Erwerbsminderung führen, selbst dann, wenn bei Beachtung dieser Einschränkungen noch ein über drei- oder gar über sechsstündiges Leistungsvermögen vorliegt. Zu solchen Einschränkungen gehören z.B. die so genannte Wegefähigkeit,
also die Fähigkeit, einen Arbeitsplatz überhaupt erreichen zu können, oder die
162
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Summe vieler, ungewöhnlicher Einschränkungen, wie auch die Notwendigkeit
betriebsunüblicher Pausen; kann die Erwerbstätigkeit nicht mehr regelmäßig ausgeübt werden, so liegt ebenfalls (volle) Erwerbsminderung vor.
Der Leistungsfall ist der Tag, an dem das Ereignis eingetreten ist, das zur
Verminderung der Erwerbsfähigkeit führte (der Beginn der letzten andauernden
Arbeitsunfähigkeit). Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung hat
auch, wer bereits vor Erfüllung der Wartezeit voll erwerbsgemindert war, und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert ist, wenn für 20 Jahre Beiträge
gezahlt wurden.
Tritt die Erwerbsminderung vor der Vollendung des 63. Lebensjahres ein, wird die
Rente gemindert. Renten wegen Erwerbsminderung werden grundsätzlich nur als
Zeitrenten bewilligt und werden längstens bis zum vollendeten 65. Lebensjahr
gezahlt. Danach werden sie in eine Regelaltersrente umgewandelt.
Seit 1. Januar 2005 stellt die Erwerbsfähigkeit auch ein Kriterium dafür dar, ob man
Ansprüche nach dem SGB-II (Arbeitslosengeld II) hat oder nach dem Sozialhilferecht
(SGB-XII; hier Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung oder Hilfe zum
Lebensunterhalt), sofern man seinen Lebensunterhalt nicht selbst sichern kann.
Wenn ein Versicherter neben dem Rentenbezug zusätzlich eine berufliche Tätigkeit
ausüben möchte oder Lohnersatzleistungen erhält, sind Einkommens-Höchstgrenzen zu beachten. Diese werden individuell berechnet und lösen nicht immer
eine volle Kürzung aus. Je nach Höhe des Hinzuverdienstes werden auch 3/4-, 1/2oder 1/4-Renten gezahlt. Eine zusätzlich abgeschlossene private Berufsunfähigkeitsversicherung stellt im Leistungsfall keinen Hinzuverdienst dar und hat
somit keinerlei Einfluss auf die Leistungen des gesetzlichen Rententrägers.
Q Hinzuverdienst bei Renten wegen Erwerbsminderung mit einem Rentenbeginn
ab 1. Januar 2001
Die Mindesthinzuverdienstgrenzen betragen seit dem 1. Juli 2003 (alte/neue
Bundesländer)
•
•
bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
– in voller Höhe 811,34 € / 713,22 €
– in Höhe der Hälfte 1.011,23 € / 888,94 €
und bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung
– in voller Höhe 400,00 € / 400,00 €
– in Höhe von drei Vierteln 611,44 € / 537,50 €
– in Höhe der Hälfte 811,34 € / 713,22 €
– in eines Viertels 1.011,23 € / 888,94 €.
163
R ENTENVERSICHERUNG
Hinzuverdienst bei Renten wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit einem
Rentenbeginn bis 31. Dezember 2000
Die Hinzuverdienstgrenze für eine Erwerbsunfähigkeitsrente beträgt 400 €. Wird
dieser Grenzwert überschritten, wird die Rente in Höhe einer ggf. anteiligen
Berufsunfähigkeitsrente gezahlt. Abhängig vom erzielten Hinzuverdienst wird eine
Rente gezahlt wegen Berufsunfähigkeit
•
•
•
in voller Höhe,
in Höhe von zwei Dritteln oder
in Höhe eines Drittels.
Die Mindesthinzuverdienstgrenzen betragen seit dem 1. Juli 2003 (alte/neue
Bundesländer) bei einer Berufsunfähigkeitsrente
•
•
•
in voller Höhe 685,91 € / 602,96 €
in Höhe von zwei Dritteln 914,55 € / 803,95 €
in Höhe von einem Drittel 1.143,19 € / 1.004,94 €.
15.2
Änderungen im Rentenrecht
Im März 2007 wurde die „Rente mit 67“ vom Bundestag und vom Bundesrat
beschlossen und mit dem Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die
demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der
gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersrentenanpassungsgesetz) im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2007, Teil I, Seite 554) am 30. April 2007 verkündet.
Neuregelungen meist zum 1. Januar 2008:
•
•
Die Altersgrenze steigt ab 2012 für die Jahrgänge 1947 bis 1964 schrittweise auf
67 Jahre. Wer 1947 geboren wurde, kann mit 65 Jahren und einem Monat in
Rente gehen, der Jahrgang 1959 mit 66 Jahren und zwei Monaten. Ab Jahrgang
1964 gibt es die Rente ohne Abzüge in der Regel erst mit 67 Jahren.
– Alle Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind gehen weiterhin mit 65 in Rente.
– Wer zwischen 1947 und 1958 geboren ist, der geht durch die Rente 67
zukünftig jeweils einen Monat später in Rente als der vorherige Jahrgang.
– Alle zwischen 1959 und 1963 Geborenen werden durch die Rente 67 jeweils
zwei Monate später in Rente gehen als der vorherige Jahrgang.
– Erst wer nach dem 1. Januar 1964 zur Welt kam, geht durch die Rente mit 67
Jahren wirklich erst mit 67 in Rente.
Wer 45 Jahre Beiträge gezahlt hat, soll nach den Plänen der Bundesregierung
auch weiterhin mit 65 Jahren ohne Abzüge in Rente gehen können. Dazu zählen auch Zeiten der Erziehung von Kindern bis zu deren zehnten Lebensjahr.
Zeiten der Arbeitslosigkeit zählen aber nicht dazu.
164
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
•
•
UND IHR
R ECHT
Bei Bergleuten, die langjährig unter Tage beschäftigt waren (25 Jahre und
mehr) wurde die Altersgrenze von 60 auf 62 Jahre erhöht.
Für schwerbehinderte Menschen steigt die Altersgrenze (ebenfalls ab 2012):
– für die Jahrgänge ab 1952 von 63 auf 65 Jahre.
– Alter für frühesten Rentenbeginn steigt bis 2029 von 60 auf 62 Jahre.
– Wer dann ab 62 statt mit 65 in Rente geht, muss Abzüge von 0,3 Prozent pro
Monat in Kauf nehmen – für drei vorgezogene Rentenjahre bis 10,8 Prozent.
Es gibt aber eine Vertrauensschutzregel: Wer vor dem 17. November 1950 geboren
ist und spätestens am 16. November 2000 anerkannt schwerbehindert war, kann
weiterhin mit 60 Jahren ohne Abzüge in Rente gehen.
•
Für Versicherte, die vor 1955 geboren sind und bis zum 31. Dezember 2006 mit
ihrem Arbeitgeber Altersteilzeitarbeit vereinbart haben, gibt es einen
Vertrauensschutz. Für sie gelten die jetzt noch bestehenden Vorschriften zu den
Altersrenten weiter.
Bei der Witwen- und Witwerrente steigt die Altersgrenze für die große Witwenoder Witwerrente ab 2012 stufenweise von 45 auf 47 Jahre – abhängig vom
Todesjahr des Versicherten. Ab 2029 wird diese Rente erst ab 47 Jahren gezahlt.
15.3
Berücksichtigungszeiten und Beitragszahlung
bei Pflege von Pflegebedürftigen
Wer eine pflegebedürftige Person, z. B. einen Angehörigen, Nachbarn etc., zu pflegen hat, wird in der Regel daneben eine rentenversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit nicht oder bestenfalls in Form einer Teilzeitbeschäftigung ausüben können. Die häufige Folge für die Pflegeperson: Renteneinbußen wegen Zeiten, die
entweder nicht oder mit niedrigen Pflichtbeiträgen belegt sind. Hier hat das Gesetz
zur Pflegeversicherung einiges verbessert (vgl. Kapitel 13).
15.4
Auskünfte, Rentenantragstellung
Nähere Auskünfte und Rentenantragstellung sind möglich beim zuständigen
Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, beim Versicherungsamt der zuständigen Stadt- oder Gemeindeverwaltung sowie bei den zahlreichen, ehrenamtlichen
Beratern und Versichertenältesten der Rentenversicherungsträger.
Auskunft: Beratungsstellensuche der Deutschen Rentenversicherung unter
www.deutscherentenversicherung-bund.de oder unter dem Servicetelefon 0800 10
00 480 70.
165
R ENTENVERSICHERUNG
16
Sonstige Ansprüche auf laufende
Leistungen zum Lebensunterhalt
Für Eltern von Kindern, die wegen einer körperlichen, seelischen oder geistigen Behinderung außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, und unter Umständen
auch für die betroffenen Kinder selbst können die im Folgenden aufgeführten Leistungen in Betracht kommen. Ein Leistungsanspruch besteht, wenn die Voraussetzungen nach den genannten Rechtsvorschriften erfüllt sind.
1. Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz und dem Bundeskindergeldgesetz über das 18. Lebensjahr bzw. über das 25. Lebensjahr (in Ausnahmefällen bis 27. Lebensjahr) des Kindes hinaus unbegrenzt (§ 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG § 2
Abs. 2 Nr. 3 BKGG),
Kindergeld kann ab Januar 2007 grundsätzlich längstens bis zur Vollendung des 25.
Lebensjahres weitergezahlt werden. Dies gilt erstmalig für nach dem 31. Dezember
1982 geborene Kinder. Darüber hinaus gelten folgende Übergangsregelungen:
•
•
Kinder, die im Jahr 2006 das 26. oder 25. Lebensjahr vollendet haben (betrifft
die Geburtsjahrgange 1980/81), werden kindergeldrechtlich bis zur Vollendung
des 27. Lebensjahres berücksichtigt.
Noch bis zum 26. Lebensjahr werden solche Kinder berücksichtigt, die im Jahr
2006 das 24. Lebensjahr vollendeten (Geburtsjahr 1982).
2. Kinderzuschlag: Eltern haben Anspruch auf Kinderzuschlag für ein in ihrem
Haushalt lebendes unverheiratetes Kind bis zur Vollendung des 25.
Lebensjahres, wenn für dieses Kind Kindergeld oder eine das Kindergeld ausschließende Leistung bezogen wird und sich das Einkommen bzw. das
Vermögen der Eltern in einem gesetzlich umschriebenen Bereich zwischen einer
Mindest- und einer Höchsteinkommensgrenze bewegt. Innerhalb dieses
Bereiches wird der Kinderzuschlag noch durch eigenes Einkommen und
Vermögen des Kindes selbst gemindert. Der Kinderzuschlag ist eine Sozialleistung und wird ausschließlich von den Familienkassen der Bundesagentur für
Arbeit festgesetzt. Näheres hierzu finden Sie im Internet unter www.kinderzuschlag.de.
3. Kinderzuschlag zur Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz bis
zum 16. Lebensjahr (§ 33b Abs. 4 Buchstabe c BVG);
•
über das 16. Lebensjahr des Kindes hinaus, längstens bis zur Vollendung des 27.
Lebensjahrs für ein Kind, dass:
– sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft
überwiegend in Anspruch nimmt und nicht mit der Zahlung von
166
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
•
UND IHR
R ECHT
Dienstbezügen, Arbeitsentgelt oder sonstigen Zuwendungen in entsprechender Höhe verbunden ist,
– ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des
Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres leistet,
solange dieser Zustand dauert, über die Vollendung des 27. Lebensjahrs hinaus,
für ein Kind, dass infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen spätestens bei
Vollendung des 27. Lebensjahrs außerstande ist, sich selbst zu unterhalten,
jedoch nur, wenn sein Ehegatte oder Lebenspartner außerstande ist, es zu
unterhalten.
4. Unverändert
5. Waisenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz über das 18. Lebensjahr der
Waise hinaus, solange sie spätestens bei Vollendung des 27. Lebensjahrs wegen
der Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten, solange dieser
Zustand dauert, über die Vollendung des 27. Lebensjahrs hinaus jedoch nur,
wenn ihr Ehegatte oder Lebenspartner außerstande ist, sie zu unterhalten.
6. Waisenrente aus der Unfallversicherung über das 18. Lebensjahr hinaus bis zur
Vollendung des 27. Lebensjahres der Waise, darüber hinaus im Falle einer
Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung durch
Wehr- oder Zivildienst (§ 67 SGB VII Abs. 3 und 4).
7. Unverändert.
8. Waisengeld nach dem Beamtenversorgungsgesetz gemäß § 45 über das 18.
Lebensjahr der Waise hinaus unbegrenzt, solange die in § 2 Abs. 2 Satz 5 und 6,
Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) genannten Voraussetzungen gegeben
sind. Mit Einkommensanrechnung und nach Vollendung des 25. Lebensjahres
nur, wenn keine Unterhaltsansprüche gegen einen Ehepartner bestehen bzw.
kein Unterhalt geleistet wird und die Behinderung vor Vollendung des 25.
Lebensjahres bzw. vor Abschluss einer für das Kindergeld unschädlich verzögerten Schul- oder Berufsausbildung eingetreten ist (§ 61 Abs. 2 BeamtVG).
167
S ONSTIGE A NSPRÜCHE
17
Blindheitshilfe
17.1
Gewährung einer Blindheitshilfe
Grundlage für den Bezug einer Blindheitshilfe im Saarland ist das Gesetz Nr. 1356,
Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung einer
Blindheitshilfe vom 21. Juni 1995 (Amtsblatt des Saarlandes vom 18. August 1995,
Seite 802). Auf Grund der Änderung des Saarländischen Blindheitshilfegesetzes
zum 1. April 2005 kann blinden Menschen über 18 Jahre neben der einkommensund vermögensunabhängigen Blindheitshilfe nach dem Blindheitshilfegesetz ggf.
ein (ergänzender) Anspruch auf Blindenhilfe nach § 72 SGB XII (Sozialhilfe), die
jedoch einkommens- und vermögensabhängig ist, bestehen.
Die Höhe des ergänzenden Anspruchs ergibt sich aus der Differenz zwischen der
Blindenhilfe nach § 72 SGB XII und der Leistung nach dem Blindheitshilfegesetz.
In den übrigen Bundesländern gelten eigene Gesetze (vgl. nachfolgende
Auflistung). Nach § 1 Abs. 1 des Saar-Gesetzes erhalten Blinde, die ihren Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthalt rechtmäßig im Saarland haben, auf Antrag
Blindheitshilfe.
Die Blindheitshilfe beträgt im Saarland seit 1. April 2005 im Monat:
293 €
für Blinde unter 18 Jahren und
470 € (438 € seit 1. Januar 2006)
für Blinde, die das 18. Lebensjahr
vollendet haben.
Die Erklärung, ob Sie mit dem Antrag auf Blindheitshilfe im Falle der Bewilligung
gleichzeitig Blindenhilfe gem. § 72 SGB XII beantragen wollen, können Sie bereits
im Antrag auf Blindheitshilfe abgeben. Wenn ja, wird Ihnen mit dem
Bewilligungsbescheid über die Blindheitshilfe ein Fragebogen zur Ermittlung der
Anspruchsvoraussetzungen übersandt.
Auf die Blindheitshilfe werden angerechnet:
1. gleichartige Leistungen, die zum Ausgleich der Blindheit nach anderen
Rechtsvorschriften gezahlt werden,
2. Leistungen bei häuslicher Pflege nach den §§ 36 bis 38 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), auch soweit es sich um Sachleistungen handelt,
bei der Pflegestufe I mit 60 v. H. des Pflegegeldes dieser Stufe (123 €),
bei den Pflegestufen II und III mit 40 v. H. des Pflegegeldes der Pflegestufe II
(164 €).
168
S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
UND IHR
R ECHT
Das Gleiche gilt bei entsprechenden Leistungen auf Grund eines Pflegeversicherungsvertrages mit einem privaten Versicherungsunternehmen und bei Leistungen
nach beamtenrechtlichen Vorschriften.
Für Blinde in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung, deren
Kosten des Aufenthalts voll oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher
Leistungsträger oder einer privaten Pflegeversicherung im Sinne des SGB XI getragen werden, verringert sich die Blindheitshilfe um die aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 v. H.
Das Gleiche gilt entsprechend, wenn die Leistungen zusammen mit Leistungen
nach beihilferechtlichen Vorschriften erbracht werden.
Sofern Sie die Blindheitshilfe beantragen, benötigt das Landesamt für Soziales,
Gesundheit und Verbraucherschutz einen formellen Antrag. Antragsvordrucke
erhalten Sie beim Landesamt sowie bei den Gemeindeverwaltungen.
Informationen zur Inanspruchnahme von Blindenhilfe nach § 72 SGB XII
(1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten
Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen
Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind
Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch, auch soweit es sich um
Sachleistungen handelt, mit 70 vom Hundert des Pflegegeldes der Pflegestufe I und
bei Pflegebedürftigen der Pflegestufen II und III mit 50 vom Hundert des
Pflegegeldes der Pflegestufe II, höchstens jedoch mit 50 vom Hundert des Betrages
nach Absatz 2, anzurechnen.
Satz 2 gilt sinngemäß für Leistungen nach dem Elften Buch aus einer privaten
Pflegeversicherung und nach beamtenrechtlichen Vorschriften. § 39 ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Blindenhilfe beträgt bis 30. Juni 2004 für blinde Menschen nach Vollendung
des 18. Lebensjahres 585 € monatlich, für blinde Menschen, die das 18. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben, beträgt sie 293 € monatlich. Sie verändert sich jeweils
zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang, wie sich der aktuelle Rentenwert in der
gesetzlichen Rentenversicherung verändert.
(3) Lebt der blinde Mensch in einer stationären Einrichtung und werden die Kosten
des Aufenthalts ganz oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher
Leistungsträger getragen, so verringert sich die Blindenhilfe nach Absatz 2 um die
aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 vom Hundert der
Beträge nach Absatz 2. Satz 1 gilt vom ersten Tage des zweiten Monats an, der auf
den Eintritt in die Einrichtung folgt, für jeden vollen Kalendermonat des
Aufenthalts in der Einrichtung.
Für jeden vollen Tag vorübergehender Abwesenheit von der Einrichtung wird die
Blindenhilfe in Höhe von je einem Dreißigstel des Betrages nach Absatz 2 gewährt,
169
B LINDHEITSHILFE
wenn die vorübergehende Abwesenheit länger als sechs volle zusammenhängende
Tage dauert; der Betrag nach Satz 1 wird im gleichen Verhältnis gekürzt.
(4) Neben der Blindenhilfe wird Hilfe zur Pflege wegen Blindheit (§§ 61 und 63)
außerhalb von stationären Einrichtungen sowie ein Barbetrag (§ 35 Abs. 2) nicht
gewährt. Neben Absatz 1 ist § 30 Abs. 1 Nr. 2 nur anzuwenden, wenn der blinde
Mensch nicht allein wegen Blindheit voll erwerbsgemindert ist. Die Sätze 1 und 2
gelten entsprechend für blinde Menschen, die nicht Blindenhilfe, sondern gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten.
(5) Blinden Menschen stehen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe
nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser
Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des
Sehvermögens vorliegen.
17.2
Verhältnis Blindenhilfe zur Blindheitshilfe
oder zum Landesblindengeld
Die im Rahmen der Sozialhilfe gemäß § 72 SGB XII (Bundesrecht) gewährte
Blindenhilfe ist von Sinn und Zweck her dasselbe wie das nach Landesrecht gewährte Blindengeld. Im Landesrecht gibt es zum Teil auch andere Bezeichnungen wie
„Blindheitshilfe”, „Landespflegegeld”, was aber keine Folgen hat. Wenn im
Folgenden von „Blindenhilfe” die Rede ist, dann soll immer die Sozialhilfeleistung
nach Bundesrecht gemeint sein.
Der Begriff der „Blindheit” (Merkzeichen Bl im Behindertenausweis) ist bei der
Blindenhilfe und bei allen Landesblindengeldgesetzen derselbe. Im Übrigen enthalten die einzelnen Landesblindengeldgesetze und die Blindenhilferegelung des
Bundes jedoch viele Unterschiede.
Über die wichtigsten informiert Sie die vom DBSV herausgegebene BlindengeldÜbersicht. Eine Leistung für hochgradig Sehbehinderte (Sehbehindertengeld) gibt
es nach Landesrecht in Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Eine der Blindenhilfe entsprechende
Leistung der Sozialhilfe für hochgradig Sehbehinderte gibt es jedoch nicht.
Der Hauptunterschied zwischen Blindenhilfe und Landesblindengeld liegt darin,
dass die Blindenhilfe wegen ihrer Zuordnung zum Sozialhilferecht abhängig von
Einkommens- und Vermögensgrenzen gewährt wird, für das Landesblindengeld
gelten diese Grenzen nicht. Jeder Blinde hat deshalb Anspruch auf das
Landesblindengeld in dem Land, in dem er seinen Wohnsitz bzw. seinen „gewöhnlichen Aufenthalt” hat.
Ausnahmen: Nachdem zunächst in Niedersachsen das Landesblindengeld sehr stark
gekürzt und an Altersgrenzen (ab 27. Lebensjahr kein Landesblindengeld) ange-
170
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R ECHT
passt worden ist, erhalten nunmehr ab 1. Januar 2007 alle Zivilblinden in Niedersachsen ein einkommens- und vermögensunabhängiges Landesblindengeld (LBG).
Dabei handelt es sich um eine freiwillige Leistung des Landes Niedersachsen (s. weiteren Text).
17.3
Blindengeld und verwandte Leistungen
Nur noch wenige der 16 Bundesländer zahlen ein Landesblindengeld, das in seiner
Höhe der Blindenhilfe des § 72 SGB XII entspricht.
Wissenswert für all jene, die über ein vergleichsweise geringes Einkommen und
wenig Erspartes verfügen: Sie können einen Antrag beim örtlichen Sozialamt stellen und erhalten meist den Differenzbetrag zwischen dem jeweiligen Landesblindengeld und der Blindenhilfe nach SGB XII gezahlt.
Die Einkommensgrenzen sind dabei von der jeweiligen Lebenssituation abhängig,
überraschenderweise gar nicht sehr niedrig, und müssen im Einzelfall geprüft werden. Die Summe des Ersparten sollte 4.000 € nicht übersteigen, doch hier gibt es
Ausnahmen z.B. bei selbstgenutztem Wohneigentum.
17.4
Infos und Adressen
Baden-Württemberg:
Bayern:
Gesetz über die Landesblindenhilfe
vom 8. Februar 1972
Bayerisches
Blindengeldgesetz
(BayBlindG) vom 7. April 1995 zuletzt
geändert durch §16 des Gesetzes vom
24. März 2004 und Art. 33 des 2.
VerwModG vom 26. Juli 2005
409,03 € für erwachsene Blinde,
204,52 € für Blinde unter 18 Jahren,
204,52 € für erwachsene Blinde in
Heimen,
102,26 € für minderjährige Blinde in
Heimen
Sehbehindertengeld: –
Das volle Blindengeld beträgt ab 1.
April 2004 monatlich 497 €.
Das Blindengeld wird nur zur Hälfte
(248,50 €) gezahlt, wenn sich die blinde Person in einem Heim oder in einer
gleichartigen Einrichtung aufhält und
die Kosten des Aufenthaltes ganz
oder teilweise aus Mitteln öffentlichrechtlicher Leistungsträger, z.B.:
Sozialhilfeträger, gesetzliche Krankenkassen, Pflegekassen oder Beihilfeträger bestritten werden oder Leistungen der privaten Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden.
171
B LINDENGELD
Hamburg:
Gesetz über die Gewährung von Blindengeld (Hamburgisches Blindengeldgesetz – HmbBlinGG)
Fundstelle: HmbGVBl. 1971, S. 29,
zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.
Dezember 2004, HambGVBl. 2004, S.
507
448 € unabhängig vom Lebensalter
mind. 224 € bei Heimunterbringung
und/oder Abspruch auf
Leistungen einer privaten
Pflegeversicherung.
Die Verringerung des Blindengeldes
darf bei Anwendung der Sätze 1 und 2
insgesamt nicht mehr als 50 v. H. des
oben genannten Betrages betragen.
Hessen:
Das Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde (Landesblindengeldgesetz – LBliGG) vom 25. Oktober
1977, zuletzt geändert durch Gesetz
vom 20. Dezember 2004 (GVBl. I S.
488, 494):
Die Höhe des Blindengeldes für blinde
Menschen beträgt seit dem 1. Januar
2004 86% der Blindenhilfe nach § 72
SGB XII das sind zurzeit monatlich
503,10 €. Wesentlich sehbehinderte
Menschen erhalten 30% dieses Betrages, also z. Zt. monatlich 150,95 €.
Kinder und Jugendliche erhalten auf
Grund des Alters niedrigere Beträge.
Eine Kürzung des Blindengeldes
erfolgt, wenn blinde Menschen oder
wesentlich sehbehinderte Menschen
in einer Einrichtung aufgenommen
werden (Krankenhaus, Heim usw.).
Der Differenzbetrag zur Blindenhilfe
nach dem SGB XII bis zu einer Höhe
von monatlich 81,90 € kann auf
Antrag für den Personenkreis der blinden volljährigen Menschen als Aufstockungsleistung nach § 72 SGB XII
zusätzlich bewilligt werden. Hierbei
handelt es sich um eine Sozialhilfeleistung, die jedoch einkommens- und
vermögensabhängig ist.
Mecklenburg-Vorpommern:
Gesetz über Landesblindengeld (Landesblindengeldgesetz – LBlGG –) in
der Fassung der Bekanntmachung
vom 28. August 1995 (Fundstelle:
GVOBl. M-V 1995, S. 426) zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes
vom 23. Mai 2006 (GVOBl. M-V S. 194).
546,10 € für erwachsene Blinde
273,05 € für Blinde unter 18 Jahren
273,05 € für erwachsene Blinde in
Heimen
136,53 € für minderjährige Blinde in
Heimen
Sehbehinderte mit einem Visus von
1/20 erhalten ein Sehbehindertengeld
in Höhe von 25% des Blindengeldes
(136,53 € für Erwachsene, 68,27 € für
Minderjährige).
Bei Heimunterbringung verringert sich
dieser Satz auf 5 % (27,31 € / 13,65 €).
Bei Aufenthalt in teilstationären Einrichtungen beträgt er 15% (81,92 € /
40,96 €).
172
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Berlin:
Bremen:
Landespflegegeld, Gesetz über Pflegeleistungen (PflegeG) vom 17. Dezember 2003
Bremisches Gesetz über die Gewährung von Pflegegeld an Blinde und
Schwerstbehinderte vom 27. April
1984
Zuständig ist jeweils das Sozialamt des
Wohnbezirks, Gesetz über Pflegeleistungen vom 17. Dezember 2003
468,00 € für Blinde nach dem vollendeten ersten Lebensjahr
234,00 € bei Heimunterbringung
Sehbehindertengeld:
117,00 € bei hochgradiger
Sehbehinderung
58,50 € bei Heimunterbringung
Brandenburg:
Gesetz über die Leistung von Pflegegeld an Schwerbehinderte, Blinde und
Gehörlose (LandespflegegeldgesetzLPflGG) zuletzt geändert durch Artikel
4 des Gesetzes vom 22. April 2003
Folgende einkommensunabhängigen
Leistungen kann man beanspruchen:
148 €/Monat bei Verlust beider Beine
oder beider Hände bzw.
Lähmungen oder gleichartigen Behinderungen
266 €/Monat bei Blindheit (wenn das
18. Lebensjahr vollendet
wurde)
133 €/Monat bei Blindheit (wenn das
18. Lebensjahr noch
nicht vollendet wurde)
82 €/Monat bei Gehörlosigkeit oder
einem GdB von 100
wegen Hörschädigung
vor dem 7. Lebensjahr.
Sehbehinderte erhalten keine Leistung.
340,00 € für erwachsene Blinde
170,00 € für Blinde unter 18 Jahren
170,00 € für erwachsene Blinde in
Heimen
85,00 € für minderjährige Blinde in
Heimen
Sehbehindertengeld: –
Sachsen:
Landesblindengeldgesetz (LblindG),
Gesetz über die Gewährung eines
Landesblindengeldes und anderer
Nachteilsausgleiche vom 14. Dezember 2001
333,00 € für Blinde ab dem 14. Lebensjahr
166,50 € für Blinde unter 14 Jahren
(keine Leistung vor dem ersten Lebensjahr)
166,50 € für erwachsene Blinde in
Heimen
83,25 € für minderjährige Blinde in
Heimen
Hochgradig Sehbehinderte (Visus
1/20) erhalten 52,00 €, Kinder von 1
bis 14 Jahren bekommen 75%,
Heimbewohner die Hälfte
173
B LINDENGELD
Sachsen-Anhalt:
Leistungen für blinde und sehbehinderte Menschen, Gesetz über das
Blinden- und Gehörlosengeld vom 19.
Juni 1992
350,00 € für erwachsene Blinde
250,00 € für Blinde unter 18 Jahren,
bei Heimbewohnern Kürzung auf die Hälfte, es sei
denn, der Betreffende trägt
die Heimkosten überwiegend selbst
175,00 € für erwachsene Blinde in
Heimen
87,50 € für minderjährige Blinde in
Heimen
Voraussichtliche Personengruppe
monatliche
Leistungshöhe
220,00 €
300,00 €
50,00 €
Sehbehindertengeld: 41 €, Visus 1/20
Schleswig-Holstein:
Gesetz über Landesblindengeld vom
12. Mai 1997
450,00 € für erwachsene Blinde
225,00 € für Blinde unter 18 Jahren
225,00 € für erwachsene Blinde in
Heimen
112,50 € für minderjährige Blinde in
Heimen
Sehbehindertengeld: –
Niedersachsen:
Gesetz über das Landesblindengeld
für Zivilblinde in der Fassung vom 18.
Januar 1993 (Nds. GVBl. S. 25), zuletzt
geändert durch Artikel 13 des
Gesetzes vom 17. Dezember 2004
(Nds. GVBl. S. 664), zuletzt geändert
durch das Haushaltsbegleitgesetz
2007 – VORIS 64000 – vom 15.
Dezember 2006 (Nds. GVBl. Nr.
33/2006 S. 597)
Höhe des Blindengeldes für über 25jährige Leistungsberechtigte
Höhe des Blindengeldes für unter 25jährige Leistungsberechtigte
Höhe des Blindengeldes bei Aufenthalt in stationären
Einrichtungen für
alle Altersgruppen
und
unabhängig
vom Vorliegen einer
Pflegestufe
Anrechnung von Leistungen der Pflegeversicherung auf das Landesblindengeld im häuslichen Bereich
97,00 € / mtl.
177,00 € / mtl.
Bei Pflegestufe I =
60% vom Pflegegeld
der Stufe I (205 €)
erfolgt eine Anrechnung in Höhe von
123,00 €
1.) Leistungsbetrag
bei über 25-jährigen Leistungsberechtigten
2.) Leistungsbetrag
bei unter 25-jährigen Leistungsberechtigten
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S CHWERBEHINDERTE M ENSCHEN
56,00 € / mtl.
Bei Pflegestufe II / III
= 40 % vom Pflegegeld der Stufe II
(410 €) erfolgt eine
in
Anrechnung
Höhe von 164,00 €
1.) Leistungsbetrag
bei über 25-jährigen Leistungsberechtigten
136,00 € / mtl.
2.) Leistungsbetrag
bei unter 25-jährigen Leistungsberechtigten
Nordrhein-Westfalen:
Gesetz über die Hilfen für Blinde und
Gehörlose (GHBG) vom 17. Dezember
1997 (Gesetz- und Verordnungsblatt
NW, Seite 436)
Informationen vom Landschaftsverband Rheinland, Informationen vom
Landschaftsverband Westfalen-Lippe,
585,00 € für Blinde bis 60 Jahren
473,00 € für Blinde über 60 Jahren
293,00 € für Blinde unter 18 Jahren
(das Pflegegeld wird unter
18-Jährigen nicht angerechnet)
Das Blindengeld wird im Regelfall
gekürzt bei einer Heimaufnahme um
50 von Hundert,
Leistungen der häuslichen und/oder
teilstationären Pflege um 143,50 € im
Monat
236,50 € für Blinde in Heimen (zwischen 18 bis 60 Jahren)
UND IHR
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77,00 € für hochgradig Sehbehinderte, die das 16. Lebensjahr
vollendet haben.
Die bisherige Angabe der Höhe des
Blindengeldes bei Heimunterbringung
in Höhe von 236,50 € ist nur in Bezug
auf den Personenkreis der Blinden
zwischen 18 und bis 60 Jahren korrekt.
Rheinland-Pfalz:
Ratgeber für soziale Hilfen – Auszug:
Landesblindengeldgesetz (LblindenGG), vom 28. März 1995
410,00 € für erwachsene Blinde
529,00 € bei Anträgen, die bis zum
30. März 2003 gestellt wurden (Bestandsschutz)
205,00 € für Blinde unter 18 Jahren,
Heimbewohner
erhalten
kein Blindengeld
Sehbehindertengeld: –
175
B LINDENGELD
Thüringen:
Thüringer Blindengeldgesetz vom 9.
März 2006
Höhe des mtl. Blindengeldes (€) ab 1.
Januar 2006, sofern das 27. Lebensjahr
noch nicht vollendet ist
Auf Grund des Artikels 17 des Thüringer Haushaltsbegleitgesetzes 2006/
2007 vom 23. Dezember 2005 (GVBl. S.
446) wird nachstehend der Wortlaut
des Thüringer Blindengeldgesetzes,
wie er sich aus
Heimbewohner
Häusl. Pflege nach SGB XI
in der Stufe I
Häusl. Pflege nach SGB XI
in den Stufen II und III
Volle Leistung
1. dem Thüringer Blindengeldgesetz
in der Fassung vom 24. Juni 2003
(GVBl. S. 367),
2. Artikel 13 des Thüringer Haushaltsstrukturgesetzes vom 10. März
2005 (GVBl. S. 58) und
3. Artikel 14 des Thüringer Haushaltsbegleitgesetzes 2006/2007 vom 23.
Dezember 2005 (GVBl. S. 446)
Anmerkung: Ab dem 1. Januar 2008
erhalten wieder alle Blinde (ohne
Altersbeschränkung) Blindengeld. Die
Höhe wird auf 220,00 € (geminderter
Betrag für Heimbewohner bzw. Empfänger von Pflegeleistungen im häuslichen Bereich) reduziert, wobei bisherige Empfänger bis zur Vollendung des
27. Lebensjahres Bestandschutz genießen.
ergibt, in der vom 30. Dezember 2005
an geltenden Fassung bekannt gemacht.
Änderung: Der anspruchsberechtigte
Personenkreis wird ab dem 1. Januar
2006 auf Blinde, die das 27. Lebensjahr
noch nicht vollendet haben, eingegrenzt.
Leistungen nach dem Thüringer
Blindengeldgesetz ab 1. Januar 2006
300,00 € für Blinde, die das 27.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Die ab Januar 2006 geltenden Blindengeldbeträge, die durch Leistungen
der Blindenhilfe nach § 72 des 12.
Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) aufgestockt werden können (s. Nr. 4) sind
der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen:
150 €
238 €
218 €
300 €
176
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18
UND IHR
Adressen
Arbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeträger
im Saarland – c/o Landratsamt Saarlouis
Kreissozialamt, Dieter Kipp
Professor Notton-Straße 2
66740 Saarlouis
Tel.: (06831) 444-238
Arbeitsgemeinschaft der Schwerbehindertenvertretungen im öffentlichen Dienst des Saarlandes
c/o Landespolizeidirektion
Mainzerstr. 132
66121 Saarbrücken
Tel.: (0681) 962-1536
Arbeitskammer
des Saarlandes
Fritz-Dobisch-Straße 6-8
66111 Saarbrücken
Tel.: (0681) 4005-0
BDH - Bundesverband für Rehabilitation
und Interessenvertretung Behinderter e.V.
Landesverband Saarland
Hauptbahnhof 4
66111 Saarbrücken
Tel.: (0681) 76649
Bundesagentur für Arbeit
Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland,
Rehaberater bei den Agenturen für Arbeit
Eschberger Weg 68
66121 Saarbrücken
Tel.: (0681) 849-0
Deutsche Alzheimer Gesellschaft
Landesverband Saarland e.V.,
Alzheimer Telefon 01805/336369
Universitätsklinik,
Gebäude 90/3
66421 Homburg
Tel.: (06841) 1626-331
Deutscher Gewerkschaftsbund
Landesbezirk Saarland
Fritz-Dobisch-Straße 5
66111 Saarbrücken
Tel.: (0681) 40001-0
Deutsche Rentenversicherung
Saarland
Martin-Luther-Straße 2
66111 Saarbrücken
Tel.: (0681) 3093-0
Institut für Sozialforschung
und Sozialwirtschaft e.V.
Trillerweg 68
66117 Saarbrücken
Tel.: (0681) 95424-0
Landesamt für Gesundheit,
Soziales und Verbraucherschutz
Hochstraße 67
66115 Saarbrücken
Tel.: (0681) 9978-0
R ECHT
177
A DRESSEN
Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten
für behinderte Menschen im Saarland e. V.
c/o Lebenshilfe
Am Beckerwald 31
66583 Spiesen-Elversberg
Tel.: (06821) 793 -174
Landesbeauftragter für die Belange
von Menschen mit Behinderungen
beim Ministerium für
Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales
Franz-Josef-Röder-Straße 23
66119 Saarbrücken
Tel.: (0681) 501-3253
Landeshauptstadt Saarbrücken
Sozialamt Behindertenberatungsstelle
Haus Berlin
66104 Saarbrücken
Tel.: (0681) 905-3263/64
Liga der freien Wohlfahrtspflege
c/o Caritasverband für Saarbrücken
und Umgebung e. V.
Johannisstr. 2
66111 Saarbrücken
Tel.: (0681) 3 09 06 -0
Sozialverband Deutschland e.V.
Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland
Pfründnerstr. 11
67659 Kaiserslautern
Tel.: (0631) 7 36 57
Sozialverband VdK Saarland e. V.
Neugeländstr. 11
66117 Saarbrücken
Tel.: (0681) 58459-0
Saarländischer Behinderten- und
Rehabilitationssportverband e.V.
c/o Hermann-Neuberger-Sportschule Geb. 54
Hermann-Neuberger-Sportschule 1
66123 Saarbrücken
Tel.: (0681) 3879-225, -444
Unabhängige Patientenberatung
Deutschland (UPD)
Beratungstelefon (06 81) 9273679
Dudweilerstraße 24
66111 Saarbrücken
Verband deutscher Alten- und
Behindertenhilfe e.V. (VDAB)
Landesgeschäftsstelle Saarland
Im Füllengarten 14-16
66115 Saarbrücken
Tel.: (0681) 75 59-90
Beratungs- und Koordinierungsstelle
für ambulante Altenhilfe
Diakonisches Zentrum
Gatterstr. 13
66333 Völklingen
Tel.: (06898) 9147614
178
A MTLICHE T EXTE
19.
Sozialgesetzbuch
Neuntes Buch
(SGB IX)
Rehabilitation und Teilhabe behinderter
Menschen – (Artikel 1 des Gesetzes vom 19.
Juni 2001, BGBl. I S. 1046, zuletzt geändert
durch Artikel 28 Abs. 1 des Gesetzes vom 7.
September 2007 (BGBl. I S. 2246)
Teil 1
Regelungen für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen
Kapitel 1
ALLGEMEINE REGELUNGEN
§ 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am
Leben in der Gesellschaft
Behinderte oder von Behinderung bedrohte
Menschen erhalten Leistungen nach diesem
Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am
Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und von Behinderung
bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen.
§ 2 Behinderung
(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit
länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu
erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt
oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz
im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt
werden sollen behinderte Menschen mit einem
Grad der Behinderung von weniger als 50,
aber wenigstens 30, bei denen die übrigen
Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen,
wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die
Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz
im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht
behalten können (gleichgestellte behinderte
Menschen).
§ 3 Vorrang von Prävention
Die Rehabilitationsträger wirken darauf hin,
dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich einer chronischen Krankheit vermieden
wird.
§ 4 Leistungen zur Teilhabe
(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die
notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung
1. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu
verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder
Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden
oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3. die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend
den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft
zu sichern oder
4. die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu
fördern und die Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft sowie eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung zu
ermöglichen oder zu erleichtern.
(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach
Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die
Leistungen im Rahmen der für sie geltenden
Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalls so
vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers
möglichst nicht erforderlich werden.
(3) Leistungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant
und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder
179
SGB IX
nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und
gemeinsam mit nicht behinderten Kindern betreut werden können. Dabei werden behinderte Kinder alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der
einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung
der Hilfen einbezogen.
§ 5 Leistungsgruppen
Zur Teilhabe werden erbracht
1. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
3. unterhaltssichernde und andere ergänzende
Leistungen,
4. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.
§ 6 Rehabilitationsträger
(1) Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein
1. die gesetzlichen Krankenkassen für Leistungen nach § 5 Nr. 1 und 3,
2. die Bundesagentur für Arbeit für Leistungen
nach § 5 Nr. 2 und 3,
3. die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Leistungen nach § 5 Nr. 1 bis 4,
4. die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen nach § 5 Nr. 1 bis 3, die
Träger der Alterssicherung der Landwirte für
Leistungen nach § 5 Nr. 1 und 3,
5. die Träger der Kriegsopferversorgung und
die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung
bei Gesundheitsschäden für Leistungen nach
§ 5 Nr. 1 bis 4,
6. die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für
Leistungen nach § 5 Nr. 1, 2 und 4,
7. die Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach
§ 5 Nr. 1, 2 und 4.
(2) Die Rehabilitationsträger nehmen ihre Aufgaben selbstständig und eigenverantwortlich
wahr.
§ 6a Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach
dem Zweiten Buch
Die Bundesagentur für Arbeit ist auch Rehabilitationsträger für die Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben für behinderte erwerbsfähige
Hilfebedürftige im Sinne des Zweiten Buches,
sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger
zuständig ist. Die Zuständigkeit der Arbeitsgemeinschaft oder des zugelassenen kommunalen Trägers für die Leistungen zur beruflichen
Teilhabe behinderter Menschen nach § 16 Abs.
1 des Zweiten Buches bleibt unberührt. Die
Bundesagentur für Arbeit unterrichtet die zuständige Arbeitsgemeinschaft oder den zugelassenen kommunalen Träger und den Hilfebedürftigen schriftlich über den festgestellten Rehabilitationsbedarf und ihren Eingliederungsvorschlag. Die Arbeitsgemeinschaft oder der
zuständige kommunale Träger entscheidet unter Berücksichtigung des Eingliederungsvorschlages innerhalb von drei Wochen über die
Leistungen zur beruflichen Teilhabe.
§ 7 Vorbehalt abweichender Regelungen
Die Vorschriften dieses Buches gelten für die
Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den
für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes
ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten
sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen.
§ 8 Vorrang von Leistungen zur Teilhabe
(1) Werden bei einem Rehabilitationsträger Sozialleistungen wegen oder unter Berücksichtigung einer Behinderung oder einer drohenden
Behinderung beantragt oder erbracht, prüft
dieser unabhängig von der Entscheidung über
diese Leistungen, ob Leistungen zur Teilhabe
voraussichtlich erfolgreich sind.
(2) Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor
Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich
erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen
wären. Dies gilt während des Bezuges einer
Rente entsprechend.
(3) Absatz 1 ist auch anzuwenden, um durch
Leistungen zur Teilhabe Pflegebedürftigkeit zu
vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder
eine Verschlimmerung zu verhüten.
§ 9 Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten
(1) Bei der Entscheidung über die Leistungen
180
A MTLICHE T EXTE
und bei der Ausführung der Leistungen zur
Teilhabe wird berechtigten Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen. Dabei wird
auch auf die persönliche Lebenssituation, das
Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der
Leistungsberechtigten Rücksicht genommen;
im Übrigen gilt § 33 des Ersten Buches. Den
besonderen Bedürfnissen behinderter Mütter
und Väter bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages sowie den besonderen Bedürfnissen
behinderter Kinder wird Rechnung getragen.
(2) Sachleistungen zur Teilhabe, die nicht in Rehabilitationseinrichtungen auszuführen sind,
können auf Antrag der Leistungsberechtigten
als Geldleistungen erbracht werden, wenn die
Leistungen hierdurch voraussichtlich bei gleicher Wirksamkeit wirtschaftlich zumindest
gleichwertig ausgeführt werden können. Für
die Beurteilung der Wirksamkeit stellen die
Leistungsberechtigten dem Rehabilitationsträger geeignete Unterlagen zur Verfügung. Der
Rehabilitationsträger begründet durch Bescheid, wenn er den Wünschen des Leistungsberechtigten nach den Absätzen 1 und 2 nicht
entspricht.
(3) Leistungen, Dienste und Einrichtungen lassen den Leistungsberechtigten möglichst viel
Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände und fördern ihre Selbstbestimmung.
(4) Die Leistungen zur Teilhabe bedürfen der
Zustimmung der Leistungsberechtigten.
§ 10 Koordinierung der Leistungen
(1) Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger
erforderlich sind, ist der nach § 14 leistende
Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass
die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit den
Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen funktionsbezogen feststellen und
schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos
ineinander greifen. Die Leistungen werden entsprechend dem Verlauf der Rehabilitation angepasst und darauf ausgerichtet, den Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung der
Besonderheiten des Einzelfalls die den Zielen
der §§ 1 und 4 Abs. 1 entsprechende umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
zügig, wirksam, wirtschaftlich und auf Dauer
zu ermöglichen. Dabei sichern die Rehabilitationsträger durchgehend das Verfahren entsprechend dem jeweiligen Bedarf und gewährleisten, dass die wirksame und wirtschaftliche
Ausführung der Leistungen nach gleichen
Maßstäben und Grundsätzen erfolgt.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend auch für die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und
sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 2.
(3) Den besonderen Bedürfnissen seelisch behinderter oder von einer solchen Behinderung
bedrohter Menschen wird Rechnung getragen.
(4) Die datenschutzrechtlichen Regelungen dieses Gesetzbuchs bleiben unberührt.
§ 11 Zusammenwirken der Leistungen
(1) Soweit es im Einzelfall geboten ist, prüft der
zuständige Rehabilitationsträger gleichzeitig
mit der Einleitung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation, während ihrer Ausführung und nach ihrem Abschluss, ob durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Erwerbsfähigkeit des behinderten oder
von Behinderung bedrohten Menschen erhalten, gebessert oder wiederhergestellt werden
kann. Er beteiligt die Bundesagentur für Arbeit
nach § 38.
(2) Wird während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation erkennbar, dass der bisherige Arbeitsplatz gefährdet ist, wird mit den
Betroffenen sowie dem zuständigen Rehabilitationsträger unverzüglich geklärt, ob Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind.
(3) Bei der Prüfung nach den Absätzen 1 und 2
wird zur Klärung eines Hilfebedarfs nach Teil 2
auch das Integrationsamt beteiligt.
§ 12 Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger
(1) Im Rahmen der durch Gesetz, Rechtsverordnung oder allgemeine Verwaltungsvorschrift
getroffenen Regelungen sind die Rehabilitationsträger verantwortlich, dass
1. die im Einzelfall erforderlichen Leistungen
zur Teilhabe nahtlos, zügig sowie nach Gegenstand, Umfang und Ausführung einheitlich erbracht werden,
2. Abgrenzungsfragen einvernehmlich geklärt
werden,
181
SGB IX
3. Beratung entsprechend den in §§ 1 und 4
genannten Zielen geleistet wird,
4. Begutachtungen möglichst nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführt werden sowie
5. Prävention entsprechend dem in § 3 genannten Ziel geleistet wird.
(2) Die Rehabilitationsträger und ihre Verbände
sollen zur gemeinsamen Wahrnehmung von
Aufgaben zur Teilhabe behinderter Menschen
insbesondere regionale Arbeitsgemeinschaften
bilden. § 88 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des
Zehnten Buches gilt entsprechend.
§ 13 Gemeinsame Empfehlungen
(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1
Nr. 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 12 Abs. 1 gemeinsame
Empfehlungen.
(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1
Nr. 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,
1. welche Maßnahmen nach § 3 geeignet
sind, um den Eintritt einer Behinderung zu
vermeiden, sowie über die statistische Erfassung der Anzahl, des Umfangs und der
Wirkungen dieser Maßnahmen,
2. in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere um eine durch
eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern,
3. in welchen Fällen und in welcher Weise die
Klärung der im Einzelfall anzustrebenden
Ziele und des Bedarfs an Leistungen
schriftlich festzuhalten ist sowie über die
Ausgestaltung des in § 14 bestimmten
Verfahrens,
4. in welcher Weise die Bundesagentur für
Arbeit von den übrigen Rehabilitationsträgern nach § 38 zu beteiligen ist,
5. wie Leistungen zur Teilhabe zwischen verschiedenen Trägern koordiniert werden,
6. in welcher Weise und in welchem Umfang
Selbsthilfegruppen, -organisationen und
-kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen
zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden,
7. wie während der Ausführung ambulanter
Leistungen zur Teilhabe Leistungen zum
Lebensunterhalt (§ 45) untereinander und
von anderen Entgeltersatzleistungen abzugrenzen sind, soweit für diesen Zeitraum
Anspruch auf mehrere Entgeltersatzleistungen besteht,
8. in welchen Fällen und in welcher Weise der
behandelnde Hausarzt oder Facharzt und
der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur
Teilhabe einzubinden sind,
9. zu einem Informationsaustausch mit behinderten Beschäftigten, Arbeitgebern und
den in § 83 genannten Vertretungen zur
möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie
10. über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.
(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger
Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher
Vorschriften und soll bei den gemeinsamen
Empfehlungen von diesen abgewichen werden
oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen
Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der
Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit
den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.
(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung sowie der Alterssicherung der
Landwirte können sich bei der Vereinbarung
der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre
Spitzenverbände vertreten lassen.
(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen
Empfehlungen werden die Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die
Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der
überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf
Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach dem Teil 2 über die
Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, beteiligt. Die
Träger der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an
182
A MTLICHE T EXTE
den vereinbarten Empfehlungen oder können
diesen beitreten.
(6) Die Verbände behinderter Menschen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen sowie die
für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen
Spitzenverbände werden an der Vorbereitung
der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der
Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen
auch die besonderen Bedürfnisse behinderter
oder von Behinderung bedrohter Frauen und
Kinder.
(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im
Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den
Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der Bundesbeauftragte für
den Datenschutz wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem
Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte
Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht
entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind
innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des
Vorschlags auszuräumen.
(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation jährlich
ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung sowie der Alterssicherung der Landwirte über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für
Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.
(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können
durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.
§ 14 Zuständigkeitsklärung
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt,
stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von
zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei
ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden
Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist;
bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung
auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs. 4 des
Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest,
dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die
Ursache der Behinderung geklärt werden und
ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht
möglich, wird der Antrag unverzüglich dem
Rehabilitationsträger zugeleitet, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt.
Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den
Sätzen 1 und 2 Feststellungen nach § 11 Abs.
2a Nr. 1 des Sechsten Buches und § 22 Abs. 2
des Dritten Buches nicht getroffen.
(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt
der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Muss für diese Feststellung ein Gutachten nicht eingeholt werden,
entscheidet der Rehabilitationsträger innerhalb
von drei Wochen nach Antragseingang. Wird
der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1
und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der
Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die in Satz 2 genannte Frist beginnt mit
dem Eingang bei diesem Rehabilitationsträger.
Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach
Vorliegen des Gutachtens getroffen. Kann der
Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, für die beantragte Leistung nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs.
1 sein, klärt er unverzüglich mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger, von wem und in welcher Weise über den
Antrag innerhalb der Fristen nach den Sätzen 2
und 4 entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß,
wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von
Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle
des Tages der Antragstellung der Tag der
Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.
(4) Wird nach Bewilligung der Leistung durch
einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz
183
SGB IX
2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die
Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen
nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften. Die Bundesagentur für Arbeit leitet für die
Klärung nach Satz 1 Anträge auf Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Feststellung
nach § 11 Abs. 2a Nr. 1 des Sechsten Buches
an die Träger der Rentenversicherung nur weiter, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür
hat, dass der Träger der Rentenversicherung
zur Leistung einer Rente unabhängig von der
jeweiligen Arbeitsmarktlage verpflichtet sein
könnte. Für unzuständige Rehabilitationsträger,
die eine Leistung nach Absatz 2 Satz 1 und 2
erbracht haben, ist § 105 des Zehnten Buches
nicht anzuwenden, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes.
(5) Der Rehabilitationsträger stellt sicher, dass
er Sachverständige beauftragen kann, bei denen Zugangs- und Kommunikationsbarrieren
nicht bestehen. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich,
beauftragt der Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen. Er benennt den Leistungsberechtigten in der Regel
drei möglichst wohnortnahe Sachverständige
unter Berücksichtigung bestehender sozialmedizinischer Dienste. Haben sich Leistungsberechtigte für einen benannten Sachverständigen entschieden, wird dem Wunsch Rechnung
getragen. Der Sachverständige nimmt eine umfassende sozialmedizinische, bei Bedarf auch
psychologische Begutachtung vor und erstellt
das Gutachten innerhalb von zwei Wochen
nach Auftragserteilung. Die in dem Gutachten
getroffenen Feststellungen zum Rehabilitationsbedarf werden den Entscheidungen der
Rehabilitationsträger zugrunde gelegt. Die gesetzlichen Aufgaben der Gesundheitsämter
bleiben unberührt.
(6) Hält der leistende Rehabilitationsträger weitere Leistungen zur Teilhabe für erforderlich
und kann er für diese Leistungen nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 sein, wird Absatz 1 Satz 2 entsprechend angewendet. Die
Leistungsberechtigten werden hierüber unterrichtet.
§ 15 Erstattung selbstbeschaffter Leistungen
(1) Kann über den Antrag auf Leistungen zur
Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 genannten Fristen entschieden werden, teilt der
Rehabilitationsträger dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig
mit. Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein
zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der
Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist der
zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen
verpflichtet. Die Erstattungspflicht besteht
auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für
die Träger der Sozialhilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge.
(2) Die Rehabilitationsträger erfassen,
1. in wie vielen Fällen die Fristen nach § 14
nicht eingehalten wurden,
2. in welchem Umfang sich die Verfahrensdauer vom Eingang der Anträge bis zur Entscheidung über die Anträge verringert hat,
3. in wie vielen Fällen eine Kostenerstattung
nach Absatz 1 Satz 3 und 4 erfolgt ist.
§ 16 Verordnungsermächtigung
Vereinbaren die Rehabilitationsträger nicht innerhalb von sechs Monaten, nachdem das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales sie
dazu aufgefordert hat, gemeinsame Empfehlungen nach § 13 oder ändern sie unzureichend gewordene Empfehlungen nicht innerhalb dieser Frist, kann das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales Regelungen durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen.
184
A MTLICHE T EXTE
Kapitel 2
AUSFÜHRUNG VON LEISTUNGEN
ZUR TEILHABE
§ 17 Ausführung von Leistungen, Persönliches Budget
(1) Der zuständige Rehabilitationsträger kann
Leistungen zur Teilhabe
1. allein oder gemeinsam mit anderen Leistungsträgern,
2. durch andere Leistungsträger oder
3. unter Inanspruchnahme von geeigneten, insbesondere auch freien und gemeinnützigen
oder privaten Rehabilitationsdiensten und einrichtungen (§ 19)
ausführen. Er bleibt für die Ausführung der
Leistungen verantwortlich. Satz 1 gilt insbesondere dann, wenn der Rehabilitationsträger die
Leistung dadurch wirksamer oder wirtschaftlicher erbringen kann.
(2) Auf Antrag können Leistungen zur Teilhabe
auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt
werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Bei der Ausführung des Persönlichen Budgets sind nach
Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs
die Rehabilitationsträger, die Pflegekassen und
die Integrationsämter beteiligt. Das Persönliche
Budget wird von den beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend als Komplexleistung
erbracht. Budgetfähig sind auch die neben den
Leistungen nach Satz 1 erforderlichen Leistungen der Krankenkassen und der Pflegekassen,
Leistungen der Träger der Unfallversicherung
bei Pflegebedürftigkeit sowie Hilfe zur Pflege
der Sozialhilfe, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen
und als Geldleistungen oder durch Gutscheine
erbracht werden können. An die Entscheidung
ist der Antragsteller für die Dauer von sechs
Monaten gebunden.
(3) Persönliche Budgets werden in der Regel als
Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich. In begründeten Fällen sind
Gutscheine auszugeben. Persönliche Budgets
werden auf der Grundlage der nach § 10 Abs.
1 getroffenen Feststellungen so bemessen,
dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt
wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Dabei soll die Höhe
des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht
überschreiten.
(4) Enthält das Persönliche Budget Leistungen
mehrerer Leistungsträger, erlässt der nach § 14
zuständige der beteiligten Leistungsträger im
Auftrag und im Namen der anderen beteiligten
Leistungsträger den Verwaltungsakt und führt
das weitere Verfahren durch. Ein anderer der
beteiligten Leistungsträger kann mit den Aufgaben nach Satz 1 beauftragt werden, wenn
die beteiligten Leistungsträger dies in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten vereinbaren; in diesem Fall gilt § 93 des Zehnten Buches entsprechend. Die für den handelnden
Leistungsträger zuständige Widerspruchsstelle
erlässt auch den Widerspruchsbescheid.
(5) § 17 Abs. 3 in der am 30. Juni 2004 geltenden Fassung findet auf Modellvorhaben zur Erprobung der Einführung Persönlicher Budgets
weiter Anwendung, die vor Inkrafttreten dieses
Gesetzes begonnen haben.
(6) In der Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2007 werden Persönliche Budgets erprobt. Dabei sollen insbesondere modellhaft
Verfahren zur Bemessung von budgetfähigen
Leistungen in Geld und die Weiterentwicklung
von Versorgungsstrukturen unter wissenschaftlicher Begleitung und Auswertung erprobt
werden.
§ 18 Leistungsort
Sachleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest
gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausgeführt werden, wenn
sie für die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit erforderlich sind.
§ 19 Rehabilitationsdienste und -einrichtungen
(1) Die Rehabilitationsträger wirken gemeinsam
unter Beteiligung der Bundesregierung und der
Landesregierungen darauf hin, dass die fachlich und regional erforderlichen Rehabilitationsdienste und -einrichtungen in ausreichender
185
SGB IX
Zahl und Qualität zur Verfügung stehen. Dabei
achten sie darauf, dass für eine ausreichende
Zahl solcher Rehabilitationsdienste und -einrichtungen Zugangs- und Kommunikationsbarrieren nicht bestehen. Die Verbände behinderter Menschen einschließlich der Verbände der
Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen sowie die für die Wahrnehmung der
Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene
maßgeblichen Spitzenverbände werden beteiligt.
(2) Soweit die Ziele nach Prüfung des Einzelfalls
mit vergleichbarer Wirksamkeit erreichbar sind,
werden Leistungen unter Berücksichtigung der
persönlichen Umstände in ambulanter, teilstationärer oder betrieblicher Form und gegebenenfalls unter Einbeziehung familienentlastender und -unterstützender Dienste erbracht.
(3) Bei Leistungen an behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Kinder wird eine gemeinsame Betreuung behinderter und nichtbehinderter Kinder angestrebt.
(4) Nehmen Rehabilitationsträger zur Ausführung von Leistungen besondere Dienste (Rehabilitationsdienste) oder Einrichtungen (Rehabilitationseinrichtungen) in Anspruch, erfolgt die
Auswahl danach, welcher Dienst oder welche
Einrichtung die Leistung in der am besten geeigneten Form ausführt; dabei werden Dienste
und Einrichtungen freier oder gemeinnütziger
Träger entsprechend ihrer Bedeutung für die
Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen berücksichtigt und die Vielfalt der Träger
von Rehabilitationsdiensten oder -einrichtungen gewahrt sowie deren Selbstständigkeit,
Selbstverständnis und Unabhängigkeit beachtet. 2§ 35 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ist anzuwenden.
(5) Rehabilitationsträger können nach den für
sie geltenden Rechtsvorschriften Rehabilitationsdienste oder -einrichtungen fördern, wenn
dies zweckmäßig ist und die Arbeit dieser
Dienste oder Einrichtungen in anderer Weise
nicht sichergestellt werden kann.
(6) Rehabilitationsdienste und -einrichtungen
mit gleicher Aufgabenstellung sollen Arbeitsgemeinschaften bilden.
§ 20 Qualitätssicherung
(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1
Nr. 1 bis 5 vereinbaren gemeinsame Empfeh-
lungen zur Sicherung und Weiterentwicklung
der Qualität der Leistungen, insbesondere zur
barrierefreien Leistungserbringung, sowie für
die Durchführung vergleichender Qualitätsanalysen als Grundlage für ein effektives Qualitätsmanagement der Leistungserbringer. § 13 Abs.
4 ist entsprechend anzuwenden. Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 und 7 können den Empfehlungen beitreten.
(2) Die Erbringer von Leistungen stellen ein
Qualitätsmanagement sicher, das durch zielgerichtete und systematische Verfahren und
Maßnahmen die Qualität der Versorgung gewährleistet und kontinuierlich verbessert. Stationäre Rehabilitationseinrichtungen haben
sich an dem Zertifizierungsverfahren nach Absatz 2a zu beteiligen.
(2a) Die Spitzenverbände der Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 3 bis 5 vereinbaren im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation grundsätzliche Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement nach Absatz 2 Satz 1 sowie
ein einheitliches, unabhängiges Zertifizierungsverfahren, mit dem die erfolgreiche Umsetzung
des Qualitätsmanagements in regelmäßigen
Abständen nachgewiesen wird. Den für die
Wahrnehmung der Interessen der stationären
Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene
maßgeblichen Spitzenverbänden sowie den
Verbänden behinderter Menschen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege,
der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen ist Gelegenheit
zur Stellungnahme zu geben.
(3) Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation bereitet die Empfehlungen nach Absatz
1 vor. Sie beteiligt die Verbände behinderter
Menschen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen
und der Interessenvertretungen behinderter
Frauen sowie die nach § 19 Abs. 6 gebildeten
Arbeitsgemeinschaften und die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und
stationären Rehabilitationseinrichtungen auf
Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände.
Deren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der
Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen.
(4) § 13 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden
für Vereinbarungen auf Grund gesetzlicher
Vorschriften für die Rehabilitationsträger.
186
A MTLICHE T EXTE
§ 21 Verträge mit Leistungserbringern
(1) Die Verträge über die Ausführung von Leistungen durch Rehabilitationsdienste und -einrichtungen, die nicht in der Trägerschaft eines
Rehabilitationsträgers stehen, enthalten insbesondere Regelungen über
1. Qualitätsanforderungen an die Ausführung
der Leistungen, das beteiligte Personal und
die begleitenden Fachdienste,
2. Übernahme von Grundsätzen der Rehabilitationsträger zur Vereinbarung von Vergütungen,
3. Rechte und Pflichten der Teilnehmer, soweit
sich diese nicht bereits aus dem Rechtsverhältnis ergeben, das zwischen ihnen und
dem Rehabilitationsträger besteht,
4. angemessene Mitwirkungsmöglichkeiten der
Teilnehmer an der Ausführung der Leistungen,
5. Geheimhaltung personenbezogener Daten
sowie
6. die Beschäftigung eines angemessenen Anteils behinderter, insbesondere schwerbehinderter Frauen.
(2) Die Rehabilitationsträger wirken darauf hin,
dass die Verträge nach einheitlichen Grundsätzen abgeschlossen werden; sie können über
den Inhalt der Verträge gemeinsame Empfehlungen nach § 13 sowie Rahmenverträge mit
den Arbeitsgemeinschaften der Rehabilitationsdienste und -einrichtungen vereinbaren. Der
Bundesbeauftragte für den Datenschutz wird
beteiligt.
(3) Verträge mit fachlich nicht geeigneten
Diensten oder Einrichtungen werden gekündigt. Stationäre Rehabilitationseinrichtungen
sind nur dann als geeignet anzusehen, wenn
sie nach § 20 Abs. 2 Satz 2 zertifiziert sind.
(4) Absatz 1 Nr. 1 und 3 bis 6 wird für eigene
Einrichtungen der Rehabilitationsträger entsprechend angewendet.
§ 21A Verordnungsermächtigung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundesrates Näheres zum Inhalt und Ausführung des Persönlichen Budgets, zum Verfahren sowie zur Zuständigkeit
bei Beteiligung mehrerer Leistungsträger zu regeln.
Kapitel 3
G E M E I N S A M E S E RV I C E S T E L L E N
§ 22 Aufgaben
(1) Gemeinsame örtliche Servicestellen der Rehabilitationsträger bieten behinderten und von
Behinderung bedrohten Menschen, ihren Vertrauenspersonen und Personensorgeberechtigten nach § 60 Beratung und Unterstützung an.
Die Beratung und Unterstützung umfasst insbesondere,
1. über Leistungsvoraussetzungen, Leistungen
der Rehabilitationsträger, besondere Hilfen
im Arbeitsleben sowie über die Verwaltungsabläufe zu informieren,
2. bei der Klärung des Rehabilitationsbedarfs,
bei der Inanspruchnahme von Leistungen
zur Teilhabe, bei der Inanspruchnahme eines
Persönlichen Budgets und der besonderen
Hilfen im Arbeitsleben sowie bei der Erfüllung von Mitwirkungspflichten zu helfen,
3. zu klären, welcher Rehabilitationsträger zuständig ist, auf klare und sachdienliche Anträge hinzuwirken und sie an den zuständigen Rehabilitationsträger weiterzuleiten,
4. bei einem Rehabilitationsbedarf, der voraussichtlich ein Gutachten erfordert, den zuständigen Rehabilitationsträger darüber zu
informieren,
5. die Entscheidung des zuständigen Rehabilitationsträgers in Fällen, in denen die Notwendigkeit von Leistungen zur Teilhabe offenkundig ist, so umfassend vorzubereiten,
dass dieser unverzüglich entscheiden kann,
6. bis zur Entscheidung oder Leistung des Rehabilitationsträgers den behinderten oder
von Behinderung bedrohten Menschen unterstützend zu begleiten,
7. bei den Rehabilitationsträgern auf zeitnahe
Entscheidungen und Leistungen hinzuwirken
und
8. zwischen mehreren Rehabilitationsträgern
und Beteiligten auch während der Leistungserbringung zu koordinieren und zu vermitteln.
Die Beratung umfasst unter Beteiligung der Integrationsämter auch die Klärung eines Hilfebedarfs nach Teil 2 dieses Buches. Die Pflege-
187
SGB IX
kassen werden bei drohender oder bestehender Pflegebedürftigkeit an der Beratung und
Unterstützung durch die gemeinsamen Servicestellen beteiligt. Verbände behinderter Menschen einschließlich der Verbände der Freien
Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und
der Interessenvertretungen behinderter Frauen
werden mit Einverständnis der behinderten
Menschen an der Beratung beteiligt.
(2) § 14 des Ersten Buches und § 10 Abs. 2
und § 11 Abs. 1 bis 3 und 5 des Zwölften Buches bleiben unberührt. Auskünfte nach § 15
des Ersten Buches über Leistungen zur Teilhabe
erteilen alle Rehabilitationsträger.
§ 23 Servicestellen
(1) Die Rehabilitationsträger stellen unter Nutzung bestehender Strukturen sicher, dass in allen Landkreisen und kreisfreien Städten gemeinsame Servicestellen bestehen. Gemeinsame Servicestellen können für mehrere kleine
Landkreise oder kreisfreie Städte eingerichtet
werden, wenn eine ortsnahe Beratung und Unterstützung behinderter und von Behinderung
bedrohter Menschen gewährleistet ist. In den
Ländern Berlin, Bremen und Hamburg werden
die Servicestellen entsprechend dem besonderen Verwaltungsaufbau dieser Länder eingerichtet.
(2) Die zuständigen obersten Landessozialbehörden wirken mit Unterstützung der Spitzenverbände der Rehabilitationsträger darauf hin,
dass die gemeinsamen Servicestellen unverzüglich eingerichtet werden.
(3) Die gemeinsamen Servicestellen werden so
ausgestattet, dass sie ihre Aufgaben umfassend
und qualifiziert erfüllen können, Zugangs- und
Kommunikationsbarrieren nicht bestehen und
Wartezeiten in der Regel vermieden werden.
Hierfür wird besonders qualifiziertes Personal
mit breiten Fachkenntnissen insbesondere des
Rehabilitationsrechts und der Praxis eingesetzt.
§ 112 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden.
(4) In den Servicestellen dürfen Sozialdaten nur
erhoben, verarbeitet und genutzt werden, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben nach
§ 22 Abs. 1 erforderlich ist.
§ 24 Bericht
(1) Die Rehabilitationsträger, die Träger der
Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über
ihre Spitzenverbände, teilen der Bundesarbeits-
gemeinschaft für Rehabilitation im Abstand
von drei Jahren, erstmals im Jahre 2004, ihre
Erfahrungen über die Einrichtung der gemeinsamen Servicestellen, die Durchführung und
Erfüllung ihrer Aufgaben, die Einhaltung des
Datenschutzes und mögliche Verbesserungen
mit. Personenbezogene Daten werden anonymisiert.
(2) Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation bereitet die Mitteilungen der Rehabilitationsträger auf, beteiligt hierbei die zuständigen obersten Landessozialbehörden, erörtert
die Mitteilungen auf Landesebene mit den Verbänden behinderter Menschen einschließlich
der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der
Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen behinderter Frauen und berichtet unverzüglich dem Bundesministerium für Arbeit
und Soziales und den Ländern.
§ 25 Verordnungsermächtigung
Sind gemeinsame Servicestellen nach § 23 Abs.
1 nicht bis zum 31. Dezember 2002 in allen
Landkreisen und kreisfreien Städten eingerichtet, bestimmt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundesrates das Nähere über
den Ort der Einrichtung, den Rehabilitationsträger, bei dem die gemeinsame Servicestelle
eingerichtet wird und der für die Einrichtung
verantwortlich ist, den Zeitpunkt, zu dem die
Einrichtung abgeschlossen sein muss, sowie
über die Organisation, insbesondere entsprechend ihrem Anteil an den Leistungen zur Teilhabe über Art und Umfang der Beteiligung der
Rehabilitationsträger in den gemeinsamen Servicestellen.
Kapitel 4
LEISTUNGEN ZUR
R E H A B I L I TAT I O N
MEDIZINISCHEN
§ 26 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
(1) Zur medizinischen Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen
werden die erforderlichen Leistungen erbracht,
um
1. Behinderungen einschließlich chronischer
Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu
mindern, auszugleichen, eine Verschlimme-
188
A MTLICHE T EXTE
rung zu verhüten oder
2. Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und
Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung
zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug
von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern.
(2) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
umfassen insbesondere
1. Behandlung durch Ärzte, Zahnärzte und Angehörige anderer Heilberufe, soweit deren
Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf
ärztliche Anordnung ausgeführt werden,
einschließlich der Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln,
2. Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder,
3. Arznei- und Verbandmittel,
4. Heilmittel
einschließlich
physikalischer,
Sprach- und Beschäftigungstherapie,
5. Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
6. Hilfsmittel,
7. Belastungserprobung und Arbeitstherapie.
(3) Bestandteil der Leistungen nach Absatz 1
sind auch medizinische, psychologische und
pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen
im Einzelfall erforderlich sind, um die in Absatz
1 genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern
und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere
1. Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheitsund Behinderungsverarbeitung,
2. Aktivierung von Selbsthilfepotentialen,
3. mit Zustimmung der Leistungsberechtigten
Information und Beratung von Partnern und
Angehörigen sowie von Vorgesetzten und
Kollegen,
4. Vermittlung von Kontakten zu örtlichen
Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten,
5. Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur
Förderung der sozialen Kompetenz, unter
anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit
Krisensituationen,
6. Training lebenspraktischer Fähigkeiten,
7. Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen der medizinischen
Rehabilitation.
§ 27 Krankenbehandlung und Rehabilitation
Die in § 26 Abs. 1 genannten Ziele sowie § 10
gelten auch bei Leistungen der Krankenbehandlung.
§ 28 Stufenweise Wiedereingliederung
Können arbeitsunfähige Leistungsberechtigte
nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und können sie
durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer
Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das
Erwerbsleben eingegliedert werden, sollen die
medizinischen und die sie ergänzenden Leistungen entsprechend dieser Zielsetzung erbracht werden.
§ 29 Förderung der Selbsthilfe
Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung, Behandlung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen
zum Ziel gesetzt haben, sollen nach einheitlichen Grundsätzen gefördert werden.
§ 30 Früherkennung und Frühförderung
(1) Die medizinischen Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und
von Behinderung bedrohter Kinder nach § 26
Abs. 2 Nr. 2 umfassen auch
1. die medizinischen Leistungen der mit dieser
Zielsetzung fachübergreifend arbeitenden
Dienste und Einrichtungen,
2. nichtärztliche sozialpädiatrische, psychologische, heilpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten, auch in fachübergreifend arbeitenden Diensten und Einrichtungen, wenn
sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht
werden und erforderlich sind, um eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen individuellen Behandlungsplan aufzustellen.
Leistungen nach Satz 1 werden als Komplexleistung in Verbindung mit heilpädagogischen
Leistungen (§ 56) erbracht.
189
SGB IX
(2) Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder umfassen des Weiteren nichtärztliche therapeutische, psychologische, heilpädagogische, sonderpädagogische, psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten durch interdisziplinäre Frühförderstellen, wenn sie erforderlich sind, um eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen oder die Behinderung durch gezielte
Förder- und Behandlungsmaßnahmen auszugleichen oder zu mildern.
(3) Zur Abgrenzung der in den Absätzen 1 und
2 genannten Leistungen und der sonstigen
Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen,
zur Übernahme oder Teilung der Kosten zwischen den beteiligten Rehabilitationsträgern,
zur Vereinbarung und Abrechnung der Entgelte sowie zur Finanzierung werden gemeinsame
Empfehlungen vereinbart; § 13 Abs. 3, 4 und 6
gilt entsprechend. Landesrecht kann vorsehen,
dass an der Komplexleistung weitere Stellen,
insbesondere die Kultusverwaltung, zu beteiligen sind. In diesem Fall ist eine Erweiterung
der gemeinsamen Empfehlungen anzustreben.
§ 31 Hilfsmittel
(1) Hilfsmittel (Körperersatzstücke sowie orthopädische und andere Hilfsmittel) nach § 26
Abs. 2 Nr. 6 umfassen die Hilfen, die von den
Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erforderlich sind, um
1. einer drohenden Behinderung vorzubeugen,
2. den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern
oder
3. eine Behinderung bei der Befriedigung von
Grundbedürfnissen des täglichen Lebens
auszugleichen, soweit sie nicht allgemeine
Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind.
(2) Der Anspruch umfasst auch die notwendige
Änderung, Instandhaltung, Ersatzbeschaffung
sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel. Der Rehabilitationsträger soll
1. vor einer Ersatzbeschaffung prüfen, ob eine
Änderung oder Instandsetzung von bisher
benutzten Hilfsmitteln wirtschaftlicher und
gleich wirksam ist,
2. die Bewilligung der Hilfsmittel davon abhängig machen, dass die behinderten Menschen
sie sich anpassen oder sich in ihrem Gebrauch ausbilden lassen.
(3) Wählen Leistungsempfänger ein geeignetes
Hilfsmittel in einer aufwendigeren Ausführung
als notwendig, tragen sie die Mehrkosten
selbst.
(4) Hilfsmittel können auch leihweise überlassen werden. In diesem Fall gelten die Absätze
2 und 3 entsprechend.
§ 32 Verordnungsermächtigungen
Das Bundesministerium für Gesundheit und
Soziale Sicherung wird ermächtigt, durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
1. Näheres zur Abgrenzung der in § 30 Abs. 1
und 2 genannten Leistungen und der sonstigen Leistungen dieser Dienste und Einrichtungen, zur Übernahme oder Teilung der
Kosten zwischen den beteiligten Rehabilitationsträgern, zur Vereinbarung und Abrechnung der Entgelte sowie zur Finanzierung zu
regeln, wenn gemeinsame Empfehlungen
nach § 30 Abs. 3 nicht innerhalb von sechs
Monaten, nachdem das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales dazu aufgefordert
hat, vereinbart oder unzureichend gewordene Empfehlungen nicht innerhalb dieser Frist
geändert worden sind,
2. Näheres zur Auswahl der im Einzelfall geeigneten Hilfsmittel, insbesondere zum Verfahren, zur Eignungsprüfung, Dokumentation
und leihweisen Überlassung der Hilfsmittel
sowie zur Zusammenarbeit der anderen Rehabilitationsträger mit den orthopädischen
Versorgungsstellen zu regeln.
Kapitel 5
LEISTUNGEN ZUR TEILHABE
ARBEITSLEBEN
AM
§ 33 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
(1) Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die
erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer
190
A MTLICHE T EXTE
Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern,
herzustellen oder wiederherzustellen und ihre
Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer
zu sichern.
(2) Behinderten Frauen werden gleiche Chancen im Erwerbsleben gesichert, insbesondere
durch in der beruflichen Zielsetzung geeignete,
wohnortnahe und auch in Teilzeit nutzbare Angebote.
(3) Die Leistungen umfassen insbesondere
1. Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines
Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur
Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen,
2. Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung,
3. berufliche Anpassung und Weiterbildung,
auch soweit die Leistungen einen zur Teilnahme erforderlichen schulischen Abschluss
einschließen,
4. berufliche Ausbildung, auch soweit die Leistungen in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden,
5. Gründungszuschuss entsprechend § 57 des
Dritten Buches durch die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 5,
6. sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe
am Arbeitsleben, um behinderten Menschen
eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu
ermöglichen und zu erhalten.
(4) Bei der Auswahl der Leistungen werden
Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie
Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
angemessen berücksichtigt. 2oweit erforderlich, wird dabei die berufliche Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung durchgeführt;
in diesem Fall werden die Kosten nach Absatz
7, Reisekosten nach § 53 sowie Haushaltshilfe
und Kinderbetreuungskosten nach § 54 übernommen.
(5) Die Leistungen werden auch für Zeiten notwendiger Praktika erbracht.
(6) Die Leistungen umfassen auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen,
soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in Absatz 1 genannten Ziele
zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfol-
gen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern
oder ihre Verschlimmerung zu verhüten, insbesondere
1. Hilfen zur Unterstützung bei der Krankheitsund Behinderungsverarbeitung,
2. Aktivierung von Selbsthilfepotentialen,
3. mit Zustimmung der Leistungsberechtigten
Information und Beratung von Partnern und
Angehörigen sowie von Vorgesetzten und
Kollegen,
4. Vermittlung von Kontakten zu örtlichen
Selbsthilfe- und Beratungsmöglichkeiten,
5. Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur
Förderung der sozialen Kompetenz, unter
anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit
Krisensituationen,
6. Training lebenspraktischer Fähigkeiten,
7. Anleitung und Motivation zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
8. Beteiligung von Integrationsfachdiensten im
Rahmen ihrer Aufgabenstellung (§ 110).
(7) Zu den Leistungen gehört auch die Übernahme
1. der erforderlichen Kosten für Unterkunft
und Verpflegung, wenn für die Ausführung
einer Leistung eine Unterbringung außerhalb
des eigenen oder des elterlichen Haushalts
wegen Art oder Schwere der Behinderung
oder zur Sicherung des Erfolges der Teilhabe
notwendig ist,
2. der erforderlichen Kosten, die mit der Ausführung einer Leistung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, insbesondere für Lehrgangskosten, Prüfungsgebühren, Lernmittel,
Arbeitskleidung und Arbeitsgerät.
(8) Leistungen nach Absatz 3 Nr. 1 und 6 umfassen auch
1. Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung,
2. den Ausgleich unvermeidbaren Verdienstausfalls des behinderten Menschen oder einer erforderlichen Begleitperson wegen
Fahrten der An- und Abreise zu einer Bildungsmaßnahme und zur Vorstellung bei einem Arbeitgeber, einem Träger oder einer
Einrichtung für behinderte Menschen durch
die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr.
191
SGB IX
2 bis 5,
3. die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes,
4. Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder
Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur
Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung
der Sicherheit auf dem Weg vom und zum
Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich
sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung
des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht
werden können,
5. Kosten technischer Arbeitshilfen, die wegen
Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung erforderlich sind und
6. Kosten der Beschaffung, der Ausstattung
und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung in angemessenem Umfang.
Die Leistung nach Satz 1 Nr. 3 wird für die
Dauer von bis zu drei Jahren erbracht und in
Abstimmung mit dem Rehabilitationsträger
nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 durch das Integrationsamt nach § 102 Abs. 4 ausgeführt. Der Der
Rehabilitationsträger erstattet dem Integrationsamt seine Aufwendungen. Der Anspruch
nach § 102 Abs. 4 bleibt unberührt.
§ 34 Leistungen an Arbeitgeber
(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1
Nr. 2 bis 5 können Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben auch an Arbeitgeber erbringen,
insbesondere als
1. Ausbildungszuschüsse zur betrieblichen Ausführung von Bildungsleistungen,
2. Eingliederungszuschüsse,
3. Zuschüsse für Arbeitshilfen im Betrieb,
4. teilweise oder volle Kostenerstattung für eine befristete Probebeschäftigung.
Die Leistungen können unter Bedingungen
und Auflagen erbracht werden.
(2) Ausbildungszuschüsse nach Absatz 1 Satz 1
Nr. 1 können für die gesamte Dauer der Maßnahme geleistet werden und sollen bei Ausbildungsmaßnahmen die von den Arbeitgebern
im letzten Ausbildungsjahr zu zahlenden monatlichen Ausbildungsvergütungen nicht übersteigen.
(3) Eingliederungszuschüsse nach Absatz 1
Satz 1 Nr. 2 betragen höchstens 50 vom Hundert der vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Entgelte, soweit sie die tariflichen Arbeitsentgelte oder, wenn eine tarifliche Regelung
nicht besteht, die für vergleichbare Tätigkeiten
ortsüblichen Arbeitsentgelte im Rahmen der
Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitsförderung nicht übersteigen; die Leistungen sollen
im Regelfall für nicht mehr als ein Jahr geleistet
werden. Soweit es für die Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich ist, können die Leistungen
um bis zu 20 Prozentpunkte höher festgelegt
und bis zu einer Förderungshöchstdauer von
zwei Jahren erbracht werden. Werden sie für
mehr als ein Jahr geleistet, sind sie entsprechend der zu erwartenden Zunahme der Leistungsfähigkeit der Leistungsberechtigten und
den abnehmenden Eingliederungserfordernissen gegenüber der bisherigen Förderungshöhe,
mindestens um zehn Prozentpunkte, zu vermindern. Bei der Berechnung nach Satz 1 wird
auch der Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag berücksichtigt. Eingliederungszuschüsse werden zurückgezahlt,
wenn die Arbeitsverhältnisse während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht,
längstens jedoch von einem Jahr, nach dem Ende der Leistungen beendet werden; dies gilt
nicht, wenn
1. die Leistungsberechtigten die Arbeitsverhältnisse durch Kündigung beenden oder das
Mindestalter für den Bezug der gesetzlichen
Altersrente erreicht haben oder
2. die Arbeitgeber berechtigt waren, aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers
liegen, oder aus dringenden betrieblichen
Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstehen, zu
kündigen.
Die Rückzahlung ist auf die Hälfte des Förderungsbetrages, höchstens aber den im letzten
Jahr vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährten Förderungsbetrag begrenzt; ungeförderte Nachbeschäftigungszeiten werden anteilig berücksichtigt.
192
A MTLICHE T EXTE
§ 35 Einrichtungen der beruflichen
Rehabilitation
(1) Leistungen werden durch Berufsbildungswerke, Berufsförderungswerke und vergleichbare Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, soweit Art oder Schwere der
Behinderung oder die Sicherung des Erfolges
die besonderen Hilfen dieser Einrichtungen erforderlich machen. Die Einrichtung muss
1. nach Dauer, Inhalt und Gestaltung der Leistungen, Unterrichtsmethode, Ausbildung
und Berufserfahrung der Leitung und der
Lehrkräfte sowie der Ausgestaltung der
Fachdienste eine erfolgreiche Ausführung
der Leistung erwarten lassen,
2. angemessene Teilnahmebedingungen bieten
und behinderungsgerecht sein, insbesondere
auch die Beachtung der Erfordernisse des
Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung gewährleisten,
3. den Teilnehmenden und den von ihnen zu
wählenden Vertretungen angemessene Mitwirkungsmöglichkeiten an der Ausführung
der Leistungen bieten sowie
4. die Leistung nach den Grundsätzen der
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, insbesondere zu angemessenen Vergütungssätzen, ausführen.
Die zuständigen Rehabilitationsträger vereinbaren hierüber gemeinsame Empfehlungen nach
den §§ 13 und 20.
(2) Werden Leistungen zur beruflichen Ausbildung in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, sollen die Einrichtungen bei
Eignung der behinderten Menschen darauf
hinwirken, dass Teile dieser Ausbildung auch in
Betrieben und Dienststellen durchgeführt werden. Die Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation unterstützen die Arbeitgeber bei der
betrieblichen Ausbildung und bei der Betreuung der auszubildenden behinderten Jugendlichen.
§ 36 Rechtsstellung der Teilnehmenden
Werden Leistungen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation ausgeführt, werden die
Teilnehmenden nicht in den Betrieb der Einrichtungen eingegliedert. Sie sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes
und wählen zu ihrer Mitwirkung besondere
Vertreter. Bei der Ausführung werden die ar-
beitsrechtlichen Grundsätze über den Persönlichkeitsschutz, die Haftungsbeschränkung sowie die gesetzlichen Vorschriften über den Arbeitsschutz, den Schutz vor Diskriminierungen
in Beschäftigung und Beruf, den Erholungsurlaub und die Gleichberechtigung von Männern
und Frauen entsprechend angewendet.
§ 37 Dauer von Leistungen
(1) Leistungen werden für die Zeit erbracht, die
vorgeschrieben oder allgemein üblich ist, um
das angestrebte Teilhabeziel zu erreichen; eine
Förderung kann darüber hinaus erfolgen,
wenn besondere Umstände dies rechtfertigen.
(2) Leistungen zur beruflichen Weiterbildung
sollen in der Regel bei ganztägigem Unterricht
nicht länger als zwei Jahre dauern, es sei denn,
dass das Teilhabeziel nur über eine länger dauernde Leistung erreicht werden kann oder die
Eingliederungsaussichten nur durch eine länger
dauernde Leistung wesentlich verbessert werden.
§ 38 Beteiligung der Bundesagentur für
Arbeit
Die Bundesagentur für Arbeit nimmt auf Anforderung eines anderen Rehabilitationsträgers
zu Notwendigkeit, Art und Umfang von Leistungen unter Berücksichtigung arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit gutachterlich Stellung.
Dies gilt auch, wenn sich die Leistungsberechtigten in einem Krankenhaus oder einer Einrichtung der medizinischen oder der medizinisch-beruflichen Rehabilitation aufhalten.
§ 39 Leistungen in Werkstätten für
behinderte Menschen
Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen (§ 136) werden erbracht,
um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der
behinderten Menschen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen,
die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre Beschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern.
§ 40 Leistungen im Eingangsverfahren
und im Berufsbildungsbereich
(1) Leistungen im Eingangsverfahren und im
Berufsbildungsbereich
einer
anerkannten
Werkstatt für behinderte Menschen erhalten
behinderte Menschen
193
SGB IX
1. im Eingangsverfahren zur Feststellung, ob
die Werkstatt die geeignete Einrichtung für
die Teilhabe des behinderten Menschen am
Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der
Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den behinderten
Menschen in Betracht kommen, und um einen Eingliederungsplan zu erstellen,
2. im Berufsbildungsbereich, wenn die Leistungen erforderlich sind, um die Leistungs- oder
Erwerbsfähigkeit des behinderten Menschen
so weit wie möglich zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen und erwartet werden kann, dass der behinderte
Mensch nach Teilnahme an diesen Leistungen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 136 zu erbringen.
(2) Die Leistungen im Eingangsverfahren werden für drei Monate erbracht. Die Leistungsdauer kann auf bis zu vier Wochen verkürzt
werden, wenn während des Eingangsverfahrens im Einzelfall festgestellt wird, dass eine
kürzere Leistungsdauer ausreichend ist.
(3) Die Leistungen im Berufsbildungsbereich
werden für zwei Jahre erbracht. Sie werden in
der Regel für ein Jahr bewilligt. Sie werden für
ein weiteres Jahr bewilligt, wenn auf Grund einer rechtzeitig vor Ablauf des Förderzeitraums
nach Satz 2 abzugebenden fachlichen Stellungnahme die Leistungsfähigkeit des behinderten Menschen weiterentwickelt oder wiedergewonnen werden kann.
§ 41 Leistungen im Arbeitsbereich
(1) Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen
erhalten behinderte Menschen, bei denen
1. eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder
2. Berufsvorbereitung, berufliche Anpassung
und Weiterbildung oder berufliche Ausbildung (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 bis 4)
wegen Art oder Schwere der Behinderung
nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in Betracht kommen und die in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen.
(2) Die Leistungen sind gerichtet auf
1. Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer
der Eignung und Neigung des behinderten
Menschen entsprechenden Beschäftigung,
2. Teilnahme an arbeitsbegleitenden Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der im
Berufsbildungsbereich erworbenen Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung
der Persönlichkeit sowie
3. Förderung des Übergangs geeigneter behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen.
(3) Die Werkstätten erhalten für die Leistungen
nach Absatz 2 vom zuständigen Rehabilitationsträger angemessene Vergütungen, die den
Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen. Ist der
Träger der Sozialhilfe zuständig, sind die Vorschriften nach dem Zehnten Kapitel des Zwölften Buches anzuwenden. Die Vergütungen, in
den Fällen des Satzes 2 die Pauschalen und Beträge nach § 76 Abs. 2 des Zwölften Buches,
berücksichtigen
1. alle für die Erfüllung der Aufgaben und der
fachlichen Anforderungen der Werkstatt
notwendigen Kosten sowie
2. die mit der wirtschaftlichen Betätigung der
Werkstatt in Zusammenhang stehenden
Kosten, soweit diese unter Berücksichtigung
der besonderen Verhältnisse in der Werkstatt und der dort beschäftigten behinderten
Menschen nach Art und Umfang über die in
einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen.
Können die Kosten der Werkstatt nach Satz 3
Nr. 2 im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann
eine Vergütungspauschale für diese werkstattspezifischen Kosten der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt vereinbart werden.
(4) Bei der Ermittlung des Arbeitsergebnisses
der Werkstatt nach § 12 Abs. 4 der Werkstättenverordnung werden die Auswirkungen der
Vergütungen auf die Höhe des Arbeitsergebnisses dargestellt. Dabei wird getrennt ausgewiesen, ob sich durch die Vergütung Verluste
oder Gewinne ergeben. Das Arbeitsergebnis
der Werkstatt darf nicht zur Minderung der
Vergütungen nach Absatz 3 verwendet werden.
§ 42 Zuständigkeit für Leistungen in
Werkstätten für behinderte Menschen
(1) Die Leistungen im Eingangsverfahren und
im Berufsbildungsbereich erbringen
194
A MTLICHE T EXTE
1. die Bundesagentur für Arbeit, soweit nicht
einer der in den Nummern 2 bis 4 genannten Träger zuständig ist,
2. die Träger der Unfallversicherung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für durch Arbeitsunfälle Verletzte und von Berufskrankheiten
Betroffene,
3. die Träger der Rentenversicherung unter den
Voraussetzungen der §§ 11 bis 13 des
Sechsten Buches,
4. die Träger der Kriegsopferfürsorge unter den
Voraussetzungen der §§ 26 und 26a des
Bundesversorgungsgesetzes.
(2) Die Leistungen im Arbeitsbereich erbringen
1. die Träger der Unfallversicherung im Rahmen ihrer Zuständigkeit für durch Arbeitsunfälle Verletzte und von Berufskrankheiten
Betroffene,
2. die Träger der Kriegsopferfürsorge unter den
Voraussetzungen des § 27d Abs. 1 Nr. 3 des
Bundesversorgungsgesetzes,
3. die Träger der öffentlichen Jugendhilfe unter
den Voraussetzungen des § 35a des Achten
Buches,
4. im Übrigen die Träger der Sozialhilfe unter
den Voraussetzungen des Zwölften Buches.
§ 43 Arbeitsförderungsgeld
Die Werkstätten für behinderte Menschen erhalten von dem zuständigen Rehabilitationsträger zur Auszahlung an die im Arbeitsbereich
beschäftigten behinderten Menschen zusätzlich zu den Vergütungen nach § 41 Abs. 3 ein
Arbeitsförderungsgeld. Das Arbeitsförderungsgeld beträgt monatlich 26 Euro für jeden im
Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen, dessen Arbeitsentgelt zusammen mit
dem Arbeitsförderungsgeld den Betrag von
325 Euro nicht übersteigt. Ist das Arbeitsentgelt höher als 299 Euro, beträgt das Arbeitsförderungsgeld monatlich den Unterschiedsbetrag
zwischen dem Arbeitsentgelt und 325 Euro. Erhöhungen der Arbeitsentgelte auf Grund der
Zuordnung der Kosten im Arbeitsbereich der
Werkstatt gemäß § 41 Abs. 3 des Bundessozialhilfegesetzes in der ab 1. August 1996 geltenden Fassung oder gemäß § 41 Abs. 3 können auf die Zahlung des Arbeitsförderungsgeldes angerechnet werden.
Kapitel 6
U N T E R H A LT S S I C H E R N D E U N D
ANDERE ERGÄNZENDE LEISTUNGEN
§ 44 Ergänzende Leistungen
(1) Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben der in
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 genannten Rehabilitationsträger werden ergänzt durch
1. Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld, Ausbildungsgeld oder Unterhaltsbeihilfe,
2. Beiträge und Beitragszuschüsse
a) zur Krankenversicherung nach Maßgabe
des Fünften Buches, des Zweiten Gesetzes
über die Krankenversicherung der Landwirte sowie des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
b) zur Unfallversicherung nach Maßgabe des
Siebten Buches,
c) zur Rentenversicherung nach Maßgabe
des Sechsten Buches sowie des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
d) zur Bundesagentur für Arbeit nach Maßgabe des Dritten Buches,
e) zur Pflegeversicherung nach Maßgabe des
Elften Buches,
3. ärztlich verordneten Rehabilitationssport in
Gruppen unter ärztlicher Betreuung und
Überwachung, einschließlich Übungen für
behinderte oder von Behinderung bedrohte
Frauen und Mädchen, die der Stärkung des
Selbstbewusstseins dienen,
4. ärztlich verordnetes Funktionstraining in
Gruppen unter fachkundiger Anleitung und
Überwachung,
5. Reisekosten,
6. Betriebs- oder Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten.
(2) Ist der Schutz behinderter Menschen bei
Krankheit oder Pflege während der Teilnahme
an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
nicht anderweitig sichergestellt, können die
Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld und zur
Pflegeversicherung bei einem Träger der gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung
195
SGB IX
oder, wenn dort im Einzelfall ein Schutz nicht
gewährleistet ist, die Beiträge zu einem privaten Krankenversicherungsunternehmen erbracht werden. Arbeitslose Teilnehmer an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation können für die Dauer des Bezuges von Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld einen Zuschuss zu ihrem Beitrag für
eine private Versicherung gegen Krankheit
oder für die Pflegeversicherung erhalten. Der
Zuschuss wird nach § 207a Abs. 2 des Dritten
Buches berechnet.
§ 45 Leistungen zum Lebensunterhalt
(1) Im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation leisten
1. die gesetzlichen Krankenkassen Krankengeld
nach Maßgabe der §§ 44 und 46 bis 51 des
Fünften Buches und des § 8 Abs. 2 in Verbindung mit den §§ 12 und 13 des Zweiten
Gesetzes über die Krankenversicherung der
Landwirte,
2. die Träger der Unfallversicherung Verletztengeld nach Maßgabe der §§ 45 bis 48, 52
und 55 des Siebten Buches,
3. die Träger der Rentenversicherung Übergangsgeld nach Maßgabe dieses Buches und
der §§ 20 und 21 des Sechsten Buches,
4. die Träger der Kriegsopferversorgung Versorgungskrankengeld nach Maßgabe der §§ 16
bis 16h und 18a des Bundesversorgungsgesetzes.
(2) Im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben leisten Übergangsgeld
1. die Träger der Unfallversicherung nach Maßgabe dieses Buches und der §§ 49 bis 52
des Siebten Buches,
2. die Träger der Rentenversicherung nach
Maßgabe dieses Buches und der §§ 20 und
21 des Sechsten Buches,
3. die Bundesagentur für Arbeit nach Maßgabe
dieses Buches und der §§ 160 bis 162 des
Dritten Buches,
4. die Träger der Kriegsopferfürsorge nach
Maßgabe dieses Buches und des § 26a des
Bundesversorgungsgesetzes.
(3) Behinderte oder von Behinderung bedrohte
Menschen haben Anspruch auf Übergangsgeld
wie bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Zeitraum, in dem die berufliche
Eignung abgeklärt oder eine Arbeitserprobung
durchgeführt wird (§ 33 Abs. 4 Satz 2) und sie
wegen der Teilnahme kein oder ein geringeres
Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen.
(4) Der Anspruch auf Übergangsgeld ruht, solange die Leistungsempfängerin einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld hat; § 52 Nr. 2
des Siebten Buches bleibt unberührt.
(5) Während der Ausführung von Leistungen
zur erstmaligen beruflichen Ausbildung behinderter Menschen und berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen sowie im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen leisten
1. die Bundesagentur für Arbeit Ausbildungsgeld nach Maßgabe der §§ 104 bis 108 des
Dritten Buches,
2. die Träger der Kriegsopferfürsorge Unterhaltsbeihilfe unter den Voraussetzungen der
§§ 26 und 26a des Bundesversorgungsgesetzes.
(6) Die Träger der Kriegsopferfürsorge leisten in
den Fällen des § 27d Abs. 1 Nr. 3 des Bundesversorgungsgesetzes ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a des Bundesversorgungsgesetzes.
(7) Wird bei ambulanter Ausführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder
Übergangsgeld geleistet, kann der Rehabilitationsträger im Rahmen der nach § 13 Abs. 2 Nr.
7 vereinbarten Empfehlung eine Erstattung seiner Aufwendungen für diese Leistungen verlangen.
(8) Das Krankengeld, das Versorgungskrankengeld, das Verletztengeld und das Übergangsgeld werden für Kalendertage gezahlt; wird die
Leistung für einen ganzen Kalendermonat gezahlt, so wird dieser mit 30 Tagen angesetzt.
§ 46 Höhe und Berechnung des Übergangsgelds
(1) Der Berechnung des Übergangsgelds werden 80 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens,
soweit es der Beitragsberechnung unterliegt
(Regelentgelt) zugrunde gelegt, höchstens jedoch das in entsprechender Anwendung des §
47 berechnete Nettoarbeitsentgelt; hierbei gilt
die für den Rehabilitationsträger jeweils gelten-
196
A MTLICHE T EXTE
de Beitragsbemessungsgrenze. Bei der Berechnung des Regelentgelts und des Nettoarbeitsentgelts werden die für die jeweilige Beitragsbemessung und Beitragstragung geltenden Besonderheiten der Gleitzone nach § 20 Abs. 2
des Vierten Buches nicht berücksichtigt. Das
Übergangsgeld beträgt
1. für Leistungsempfänger, die mindestens ein
Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des
Einkommensteuergesetzes haben, oder deren Ehegatten oder Lebenspartner, mit denen sie in häuslicher Gemeinschaft leben, eine Erwerbstätigkeit nicht ausüben können,
weil sie die Leistungsempfänger pflegen
oder selbst der Pflege bedürfen und keinen
Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung haben, 75 vom Hundert,
2. für die übrigen Leistungsempfänger 68 vom
Hundert des nach Satz 1 oder § 48 maßgebenden Betrages. Bei Übergangsgeld der
Träger der Kriegsopferfürsorge wird unter
den Voraussetzungen von Satz 2 Nr. 1 ein
Vomhundertsatz von 80, im Übrigen ein
Vomhundertsatz von 70 zugrunde gelegt.
(2) Für die Berechnung des Nettoarbeitsentgelts nach Absatz 1 Satz 1 wird der sich aus
dem kalendertäglichen Hinzurechnungsbetrag
nach § 47 Abs. 1 Satz 6 ergebende Anteil am
Nettoarbeitsentgelt mit dem Vomhundertsatz
angesetzt, der sich aus dem Verhältnis des kalendertäglichen Regelentgeltbetrages nach §
47 Abs. 1 Satz 1 bis 5 zu dem sich aus diesem
Regelentgeltbetrag ergebenden Nettoarbeitsentgelt ergibt. Das kalendertägliche Übergangsgeld darf das sich aus dem Arbeitsentgelt
nach § 47 Abs. 1 Satz 1 bis 5 ergebende kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen.
§ 47 Berechnung des Regelentgelts
(1) Für die Berechnung des Regelentgelts wird
das von den Leistungsempfängern im letzten
vor Beginn der Leistung oder einer vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit abgerechneten
Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das
während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um
einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte
Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden geteilt, für die es gezahlt wurde. Das Ergebnis
wird mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des
Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitsstunden vervielfacht und
durch sieben geteilt. Ist das Arbeitsentgelt
nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen 1 und
2 nicht möglich, gilt der 30. Teil des in dem
letzten vor Beginn der Leistung abgerechneten
Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt. Wird mit einer Arbeitsleistung Arbeitsentgelt erzielt, das für Zeiten einer Freistellung vor oder nach dieser Arbeitsleistung fällig wird (Wertguthaben nach § 7
Abs. A des Vierten Buches), ist für die Berechnung des Regelentgelts das im Bemessungszeitraum der Beitragsberechnung zugrunde liegende und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt maßgebend;
Wertguthaben, die nicht gemäß einer Vereinbarung über flexible Arbeitszeitregelungen verwendet werden (§ 23b Abs. 2 des Vierten Buches), bleiben außer Betracht. Bei der Anwendung des Satzes 1 gilt als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die Arbeitszeit, die dem
gezahlten Arbeitsentgelt entspricht. Für die Berechnung des Regelentgelts wird der 360. Teil
des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts, das in
den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn
der Leistung nach § 23a des Vierten Buches
der Beitragsberechnung zugrunde gelegen hat,
dem nach den Sätzen 1 bis 5 berechneten Arbeitsentgelt hinzugerechnet.
(2) Bei Teilarbeitslosigkeit ist für die Berechnung das Arbeitsentgelt maßgebend, das in
der infolge der Teilarbeitslosigkeit nicht mehr
ausgeübten Beschäftigung erzielt wurde.
(3) Für Leistungsempfänger, die Kurzarbeitergeld bezogen haben, wird das regelmäßige Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das zuletzt vor
dem Arbeitsausfall erzielt wurde.
(4) Das Regelentgelt wird bis zur Höhe der für
den Rehabilitationsträger jeweils geltenden
Leistungs- oder Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt, in der Rentenversicherung bis zur
Höhe des der Beitragsbemessung zugrunde liegenden Entgelts.
(5) Für Leistungsempfänger, die im Inland nicht
einkommensteuerpflichtig sind, werden für die
Feststellung des entgangenen Nettoarbeitsentgelts die Steuern berücksichtigt, die bei einer
Steuerpflicht im Inland durch Abzug vom Arbeitsentgelt erhoben würden.
197
SGB IX
§ 48 Berechnungsgrundlage in Sonderfällen
Die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld während Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wird aus 65 vom Hundert des auf
ein Jahr bezogenen tariflichen oder, wenn es
an einer tariflichen Regelung fehlt, des ortsüblichen Arbeitsentgelts ermittelt, das für den
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort
der Leistungsempfänger gilt, wenn
1. die Berechnung nach den §§ 46 und 47 zu
einem geringeren Betrag führt,
2. Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht
erzielt worden ist oder
3. der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei
Beginn der Leistungen länger als drei Jahre
zurückliegt.
Maßgebend ist das Arbeitsentgelt in dem letzten Kalendermonat vor dem Beginn der Leistungen bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze für diejenige Beschäftigung, für die
Leistungsempfänger ohne die Behinderung
nach ihren beruflichen Fähigkeiten, ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit und nach ihrem Lebensalter in Betracht kämen. Für den Kalendertag wird der 360. Teil dieses Betrages angesetzt.
§ 49 Kontinuität der Bemessungsgrundlage
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder
Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen
Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung
der diese Leistungen ergänzenden Leistung
zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde
gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt
die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
§ 50 Anpassung der Entgeltersatzleistungen
(1) Die dem Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld und Übergangsgeld
zugrunde liegende Berechnungsgrundlage wird
jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende
des Bemessungszeitraums entsprechend der
Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je
Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten
Buches) vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst.
(2) Der Anpassungsfaktor errechnet sich, indem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer für das vergangene Kalenderjahr durch
die entsprechenden Bruttolöhne und -gehälter
für das vorvergangene Kalenderjahr geteilt
werden; § 68 Abs. 7 und § 121 Abs. 1 des
Sechsten Buches gelten entsprechend.
(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt jeweils zum 30. Juni eines Kalenderjahres den Anpassungsfaktor, der für die folgenden zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesanzeiger bekannt.
§ 51 Weiterzahlung der Leistungen
(1) Sind nach Abschluss von Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, und können diese aus Gründen, die die Leistungsempfänger nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden, werden das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld oder das Übergangsgeld für diese Zeit
weitergezahlt, wenn
1. die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind
und keinen Anspruch auf Krankengeld mehr
haben oder
2. ihnen eine zumutbare Beschäftigung aus
Gründen, die sie nicht zu vertreten haben,
nicht vermittelt werden kann.
(2) Leistungsempfänger haben die Verzögerung insbesondere zu vertreten, wenn sie zumutbare Angebote von Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben in größerer Entfernung zu ihren Wohnorten ablehnen. Für die Beurteilung
der Zumutbarkeit ist § 121 Abs. 4 des Dritten
Buches entsprechend anzuwenden.
(3) Können Leistungsempfänger Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, aber voraussichtlich wieder in Anspruch nehmen, werden
Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe bis zum
Ende dieser Leistungen, längstens bis zu sechs
Wochen weitergezahlt.
(4) Sind die Leistungsempfänger im Anschluss
an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe
198
A MTLICHE T EXTE
am Arbeitsleben arbeitslos, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe während der
Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sie sich bei der Agentur für Arbeit
arbeitslos gemeldet haben und einen Anspruch
auf Arbeitslosengeld von mindestens drei Monaten nicht geltend machen können; die Dauer
von drei Monaten vermindert sich um die Anzahl von Tagen, für die Leistungsempfänger im
Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur
Teilhabe am Arbeitsleben einen Anspruch aus
Arbeitslosengeld geltend machen können.
In diesem Fall beträgt das Übergangsgeld
1. bei Leistungsempfängern, bei denen die Voraussetzungen des erhöhten Bemessungssatzes nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 vorliegen,
67 vom Hundert,
2. bei den übrigen Leistungsempfängern 60
vom Hundert
des sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 oder § 48 ergebenden Betrages.
(5) Ist im unmittelbaren Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine stufenweise Wiedereingliederung (§ 28) erforderlich, wird das Übergangsgeld bis zu deren Ende
weitergezahlt.
§ 52 Einkommensanrechnung
(1) Auf das Übergangsgeld der Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 werden
angerechnet
1. Erwerbseinkommen aus einer Beschäftigung
oder einer während des Anspruchs auf
Übergangsgeld ausgeübten Tätigkeit, das
bei Beschäftigten um die gesetzlichen Abzüge und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt
und bei sonstigen Leistungsempfängern um
20 vom Hundert zu vermindern ist,
2. Leistungen des Arbeitgebers zum Übergangsgeld, soweit sie zusammen mit dem
Übergangsgeld das vor Beginn der Leistung
erzielte, um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt übersteigen,
3. Geldleistungen, die eine öffentlich-rechtliche
Stelle im Zusammenhang mit einer Leistung
zur medizinischen Rehabilitation oder einer
Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringt,
4. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Verletztenrenten in Höhe des sich
aus § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 des Vierten
Buches ergebenden Betrages, wenn sich die
Minderung der Erwerbsfähigkeit auf die Höhe der Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld nicht ausgewirkt hat,
5. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die aus demselben Anlass wie die Leistungen zur Teilhabe erbracht werden, wenn
durch die Anrechnung eine unbillige Doppelleistung vermieden wird,
6. Renten wegen Alters, die bei Berechnung
des Übergangsgelds aus einem Teilarbeitsentgelt nicht berücksichtigt wurden,
7. Verletztengeld nach den Vorschriften des
Siebten Buches,
8. den Nummern 1 bis 7 vergleichbare Leistungen, die von einer Stelle außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzbuchs erbracht
werden.
(2) Bei der Anrechnung von Verletztenrenten
mit Kinderzulage und von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Kinderzuschuss
auf das Übergangsgeld bleibt ein Betrag in Höhe des Kindergeldes nach § 66 des Einkommensteuergesetzes oder § 6 des Bundeskindergeldgesetzes außer Ansatz.
(3) Wird ein Anspruch auf Leistungen, um die
das Übergangsgeld nach Absatz 1 Nr. 3 zu kürzen wäre, nicht erfüllt, geht der Anspruch insoweit mit Zahlung des Übergangsgelds auf den
Rehabilitationsträger über; die §§ 104 und 115
des Zehnten Buches bleiben unberührt.
§ 53 Reisekosten
(1) Als Reisekosten werden die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur
medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe
am Arbeitsleben erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen; hierzu gehören auch die Kosten für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist, für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls, für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich
ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist, sowie für den erforderlichen
Gepäcktransport.
(2) Während der Ausführung von Leistungen
199
SGB IX
zur Teilhabe am Arbeitsleben werden Reisekosten auch für im Regelfall zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der
Kosten für die Familienheimfahrten können für
Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum
Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und
zurück Reisekosten übernommen werden.
(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im
Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die
Leistungen länger als acht Wochen erbracht
werden.
(4) Als Fahrkosten ist für jeden Tag, an dem der
behinderte oder von Behinderung bedrohte
Mensch den Ort der Ausführung der Leistung
aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden
vollen Kilometer der Entfernung zwischen
Wohnung und Ausführungsort von 0,36 Euro
für die ersten zehn Kilometer und 0,40 Euro
für jeden weiteren Kilometer anzusetzen. Bei
einer erforderlichen auswärtigen Unterbringung ist für die An- und Abreise sowie für Familienheimfahrten nach Absatz 2 eine Entfernungspauschale von 0,40 Euro für jeden vollen
Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort
des eigenen Hausstands und dem Ort der Ausführung der Leistung anzusetzen. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung maßgebend. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der bei unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung zumutbarer auswärtiger Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu
leisten wäre.
§ 54 Haushalts- oder Betriebshilfe und
Kinderbetreuungskosten
(1) Haushaltshilfe wird geleistet, wenn
1. den Leistungsempfängern wegen der Ausführung einer Leistung zur medizinischen
Rehabilitation oder einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die Weiterführung des
Haushalts nicht möglich ist,
2. eine andere im Haushalt lebende Person den
Haushalt nicht weiterführen kann und
3. im Haushalt ein Kind lebt, das bei Beginn
der Haushaltshilfe das zwölfte Lebensjahr
noch nicht vollendet hat oder das behindert
und auf Hilfe angewiesen ist.
§ 38 Abs. 4 des Fünften Buches ist sinngemäß
anzuwenden.
(2) Anstelle der Haushaltshilfe werden auf Antrag die Kosten für die Mitnahme oder anderweitige Unterbringung des Kindes bis zur Höhe
der Kosten der sonst zu erbringenden Haushaltshilfe übernommen, wenn die Unterbringung und Betreuung des Kindes in dieser Weise sichergestellt ist.
(3) Kosten für die Betreuung der Kinder des
Leistungsempfängers können bis zu einem Betrag von 130 Euro je Kind und Monat übernommen werden, wenn sie durch die Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben unvermeidbar entstehen. Leistungen zur Kinderbetreuung werden nicht neben Leistungen
nach den Absätzen 1 und 2 erbracht. Der in
Satz 1 genannte Betrag erhöht sich entsprechend der Veränderung der Bezugsgröße nach
§ 18 Abs. 1 des Vierten Buches; § 77 Abs. 3
Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.
(4) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 erbringen die landwirtschaftlichen Alterskassen
und die landwirtschaftlichen Krankenkassen
Betriebs- und Haushaltshilfe nach den §§ 10
und 36 des Gesetzes über die Alterssicherung
der Landwirte und nach den §§ 9 und 10 des
Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte, die landwirtschaftlichen
Berufsgenossenschaften für die bei ihnen versicherten landwirtschaftlichen Unternehmer und
im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten
nach § 54 des Siebten Buches.
Kapitel 7
LEISTUNGEN ZUR TEILHABE AM
LEBEN IN DER GEMEINSCHAFT
§ 55 Leistungen zur Teilhabe am Leben
in der Gemeinschaft
(1) Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft werden die Leistungen erbracht,
die den behinderten Menschen die Teilhabe am
Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig
von Pflege machen und nach den Kapiteln 4
bis 6 nicht erbracht werden.
(2) Leistungen nach Absatz 1 sind insbesondere
200
A MTLICHE T EXTE
1. Versorgung mit anderen als den in § 31 genannten Hilfsmitteln oder den in § 33 genannten Hilfen,
2. heilpädagogische Leistungen für Kinder, die
noch nicht eingeschult sind,
3. Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse
und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie
erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen,
4. Hilfen zur Förderung der Verständigung mit
der Umwelt,
5. Hilfen bei der Beschaffung, dem Umbau, der
Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den besonderen Bedürfnissen der
behinderten Menschen entspricht,
6. Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten,
7. Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen
und kulturellen Leben.
§ 58 Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben
§ 56 Heilpädagogische Leistungen
Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres über Voraussetzungen, Gegenstand und
Umfang der Leistungen zur Teilhabe am Leben
in der Gemeinschaft sowie über das Zusammenwirken dieser Leistungen mit anderen Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen regeln.
(1) Heilpädagogische Leistungen nach § 55
Abs. 2 Nr. 2 werden erbracht, wenn nach fachlicher Erkenntnis zu erwarten ist, dass hierdurch
1. eine drohende Behinderung abgewendet
oder der fortschreitende Verlauf einer Behinderung verlangsamt oder
2. die Folgen einer Behinderung beseitigt oder
gemildert
werden können. Sie werden immer an
schwerstbehinderte und schwerstmehrfachbehinderte Kinder, die noch nicht eingeschult
sind, erbracht.
(2) In Verbindung mit Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung (§ 30) und schulvorbereitenden Maßnahmen der Schulträger
werden heilpädagogische Leistungen als Komplexleistung erbracht.
§ 57 Förderung der Verständigung
Bedürfen hörbehinderte Menschen oder behinderte Menschen mit besonders starker Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit auf Grund ihrer Behinderung zur Verständigung mit der
Umwelt aus besonderem Anlass der Hilfe Anderer, werden ihnen die erforderlichen Hilfen
zur Verfügung gestellt oder angemessene Aufwendungen hierfür erstattet.
Die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen
und kulturellen Leben (§ 55 Abs. 2 Nr. 7) umfassen vor allem
1. Hilfen zur Förderung der Begegnung und
des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen,
2. Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen
oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der
Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen,
3. die Bereitstellung von Hilfsmitteln, die der
Unterrichtung über das Zeitgeschehen oder
über kulturelle Ereignisse dienen, wenn wegen Art oder Schwere der Behinderung anders eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht oder nur unzureichend möglich
ist.
§ 59 Verordnungsermächtigung
Kapitel 8
SICHERUNG UND
DER TEILHABE
KOORDINIERUNG
Titel 1
Sicherung von Beratung und Auskunft
§ 60 Pflichten Personensorgeberechtigter
Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die
bei ihrer Personensorge anvertrauten Menschen Behinderungen (§ 2 Abs. 1) wahrnehmen oder durch die in § 61 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im
Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags die behinderten Menschen einer gemeinsamen Servicestelle oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation oder einem Arzt
zur Beratung über die geeigneten Leistungen
zur Teilhabe vorstellen.
201
SGB IX
§ 61 Sicherung der Beratung behinderter Menschen
(1) Die Beratung der Ärzte, denen eine Person
nach § 60 vorgestellt wird, erstreckt sich auf
die geeigneten Leistungen zur Teilhabe. Dabei
weisen sie auf die Möglichkeit der Beratung
durch eine gemeinsame Servicestelle oder eine
sonstige Beratungsstelle für Rehabilitation hin.
Bei Menschen, bei denen der Eintritt der Behinderung nach allgemeiner ärztlicher Erkenntnis
zu erwarten ist, wird entsprechend verfahren.
Werdende Eltern werden auf den Beratungsanspruch bei den Schwangerschaftsberatungsstellen hingewiesen.
(2) Hebammen, Entbindungspfleger, Medizinalpersonen außer Ärzten, Lehrer, Sozialarbeiter,
Jugendleiter und Erzieher, die bei Ausübung ihres Berufs Behinderungen (§ 2 Abs. 1) wahrnehmen, weisen die Personensorgeberechtigten auf die Behinderung und auf die Beratungsangebote nach § 60 hin.
(3) Nehmen Medizinalpersonen außer Ärzten
und Sozialarbeiter bei Ausübung ihres Berufs
Behinderungen (§ 2 Abs. 1) bei volljährigen
Menschen wahr, empfehlen sie diesen Menschen oder den für sie bestellten Betreuern, eine Beratungsstelle für Rehabilitation oder einen Arzt zur Beratung über die geeigneten
Leistungen zur Teilhabe aufzusuchen.
§ 62 Landesärzte
(1) In den Ländern können Landesärzte bestellt
werden, die über besondere Erfahrungen in
der Hilfe für behinderte und von Behinderung
bedrohte Menschen verfügen.
(2) Die Landesärzte haben vor allem die Aufgabe,
1. Gutachten für die Landesbehörden, die für
das Gesundheitswesen und die Sozialhilfe
zuständig sind, sowie für die zuständigen
Träger der Sozialhilfe in besonders schwierig
gelagerten Einzelfällen oder in Fällen von
grundsätzlicher Bedeutung zu erstatten,
2. die für das Gesundheitswesen zuständigen
obersten Landesbehörden beim Erstellen von
Konzeptionen, Situations- und Bedarfsanalysen und bei der Landesplanung zur Teilhabe
behinderter und von Behinderung bedrohter
Menschen zu beraten und zu unterstützen
sowie selbst entsprechende Initiativen zu ergreifen,
3. die für das Gesundheitswesen zuständigen
Landesbehörden über Art und Ursachen von
Behinderungen und notwendige Hilfen sowie über den Erfolg von Leistungen zur Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen regelmäßig zu unterrichten.
Titel 2
Klagerecht der Verbände
§ 63 Klagerecht der Verbände
Werden behinderte Menschen in ihren Rechten
nach diesem Buch verletzt, können an ihrer
Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände
klagen, die nach ihrer Satzung behinderte
Menschen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt
sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den behinderten Menschen
selbst vorliegen.
Titel 3
Koordinierung der Teilhabe behinderter
Menschen
§ 64 Beirat für die Teilhabe behinderter
Menschen
(1) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen gebildet, der es in Fragen der
Teilhabe behinderter Menschen berät und bei
Aufgaben der Koordinierung unterstützt. Zu
den Aufgaben des Beirats gehören insbesondere auch
1. die Unterstützung bei der Förderung von Rehabilitationseinrichtungen und die Mitwirkung bei der Vergabe der Mittel des Ausgleichsfonds,
2. die Anregung und Koordinierung von Maßnahmen zur Evaluierung der in diesem Buch
getroffenen Regelungen im Rahmen der Rehabilitationsforschung und als forschungsbegleitender Ausschuss die Unterstützung des
Ministeriums bei der Festlegung von Fragestellungen und Kriterien.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
trifft Entscheidungen über die Vergabe der
Mittel des Ausgleichsfonds nur auf Grund von
Vorschlägen des Beirats.
202
A MTLICHE T EXTE
(2) Der Beirat besteht aus 48 Mitgliedern. Von
diesen beruft das Bundesministerium für Arbeit
und Soziales
zwei Mitglieder auf Vorschlag der Gruppenvertreter der Arbeitnehmer im Verwaltungsrat der
Bundesagentur für Arbeit,
zwei Mitglieder auf Vorschlag der Gruppenvertreter der Arbeitgeber im Verwaltungsrat der
Bundesagentur für Arbeit,
sechs Mitglieder auf Vorschlag der Behindertenverbände, die nach der Zusammensetzung
ihrer Mitglieder dazu berufen sind, behinderte
Menschen auf Bundesebene zu vertreten,
16 Mitglieder auf Vorschlag der Länder,
drei Mitglieder auf Vorschlag der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände,
ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und
Hauptfürsorgestellen,
ein Mitglied auf Vorschlag des Vorstands der
Bundesagentur für Arbeit,
zwei Mitglieder auf Vorschlag der Spitzenverbände der Krankenkassen,
ein Mitglied auf Vorschlag der Spitzenvereinigungen der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
drei Mitglieder auf Vorschlag der Deutschen
Rentenversicherung Bund,
ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe,
ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege,
ein Mitglied auf Vorschlag der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung,
fünf Mitglieder auf Vorschlag der Arbeitsgemeinschaften der Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation, der Berufsförderungswerke, der Berufsbildungswerke, der Werkstätten
für behinderte Menschen und der Integrationsfirmen,
ein Mitglied auf Vorschlag der für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und
stationären Rehabilitationseinrichtungen auf
Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände,
zwei Mitglieder auf Vorschlag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer.
Für jedes Mitglied ist ein stellvertretendes Mitglied zu berufen.
§ 65 Verfahren des Beirats
Der Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen wählt aus den ihm angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Organisationen behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres einen
Vorsitzenden oder eine Vorsitzende und einen
Stellvertreter oder eine Stellvertreterin. Im Übrigen gilt § 106 entsprechend.
§ 66 Berichte über die Lage behinderter
Menschen und die Entwicklung ihrer
Teilhabe
(1) Die Bundesregierung unterrichtet die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bis
zum 31. Dezember 2004 über die Lage behinderter Frauen und Männer sowie die Entwicklung ihrer Teilhabe, gibt damit eine zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Aufwendungen zu Prävention, Rehabilitation und
Teilhabe behinderter Menschen im Hinblick auf
Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit ab und
schlägt unter Berücksichtigung und Bewertung
der mit diesem Buch getroffenen Regelungen
die zu treffenden Maßnahmen vor. In dem Bericht wird die Entwicklung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gesondert dargestellt.
Schlägt die Bundesregierung weitere Regelungen vor, erstattet sie auch über deren Wirkungen einen weiteren Bericht. Die Träger von
Leistungen und Einrichtungen erteilen die erforderlichen Auskünfte. Die obersten Landesbehörden werden beteiligt. Ein gesonderter Bericht über die Lage behinderter Menschen ist
vor diesem Zeitpunkt nicht zu erstellen.
(2) Bei der Erfüllung der Berichtspflicht nach
Absatz 1 unterrichtet die Bundesregierung die
gesetzgebenden Körperschaften des Bundes
auch über die nach dem Behindertengleichstellungsgesetz getroffenen Maßnahmen, über
Zielvereinbarungen im Sinne von § 5 des Behindertengleichstellungsgesetzes sowie über
die Gleichstellung behinderter Menschen und
gibt eine zusammenfassende, nach Geschlecht
und Alter differenzierte Darstellung und Bewertung ab. Der Bericht nimmt zu möglichen
weiteren Maßnahmen zur Gleichstellung behinderter Menschen Stellung. Die zuständigen
obersten Landesbehörden werden beteiligt.
203
SGB IX
(3) Die Bundesregierung unterrichtet die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bis
zum 31. Dezember 2006 über die Ausführung
der Leistungen des Persönlichen Budgets nach
§ 17. Auf der Grundlage des Berichts ist zu
prüfen, ob weiterer Handlungsbedarf besteht;
die obersten Landessozialbehörden werden beteiligt.
§ 67 Verordnungsermächtigung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung
des Bundesrates weitere Vorschriften über die
Geschäftsführung und das Verfahren des Beirats nach § 65 erlassen.
Teil 2
Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen
(Schwerbehindertenrecht)
Kapitel 1
GESCHÜTZTER PERSONENKREIS
§ 68 Geltungsbereich
(1) Die Regelungen dieses Teils gelten für
schwerbehinderte und diesen gleichgestellte
behinderte Menschen.
(2) Die Gleichstellung behinderter Menschen
mit schwerbehinderten Menschen (§ 2 Abs. 3)
erfolgt auf Grund einer Feststellung nach § 69
auf Antrag des behinderten Menschen durch
die Bundesagentur für Arbeit. Die Gleichstellung wird mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Sie kann befristet werden.
(3) Auf gleichgestellte behinderte Menschen
werden die besonderen Regelungen für
schwerbehinderte Menschen mit Ausnahme
des § 125 und des Kapitels 13 angewendet.
(4) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt
sind auch behinderte Jugendliche und junge
Erwachsene (§ 2 Abs. 1) während der Zeit einer Berufsausbildung in Betrieben und Dienststellen, auch wenn der Grad der Behinderung
weniger als 30 beträgt oder ein Grad der Behinderung nicht festgestellt ist. Der Nachweis
der Behinderung wird durch eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit oder durch einen
Bescheid über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. Die besonderen Regelun-
gen für schwerbehinderte Menschen, mit Ausnahme des § 102 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe c,
werden nicht angewendet.
§ 69 Feststellung der Behinderung,
Ausweise
(1) Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der
Behinderung fest. Beantragt eine erwerbstätige
Person die Feststellung der Eigenschaft als
schwerbehinderter Mensch (§ 2 Abs. 2), gelten
die in § 14 Abs. 2 Satz 2 und 4 sowie Abs. 5
Satz 2 und 5 genannten Fristen sowie § 60
Abs. 1 des Ersten Buches entsprechend. Das
Gesetz über das Verwaltungsverfahren der
Kriegsopferversorgung ist entsprechend anzuwenden, soweit nicht das Zehnte Buch Anwendung findet. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als
Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Die im Rahmen des § 30
Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend. Eine
Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein Grad
der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt.
Durch Landesrecht kann die Zuständigkeit abweichend von Satz 1 geregelt werden.
(2) Feststellungen nach Absatz 1 sind nicht zu
treffen, wenn eine Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer auf
ihr beruhenden Erwerbsminderung schon in einem Rentenbescheid, einer entsprechenden
Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder
einer vorläufigen Bescheinigung der für diese
Entscheidungen zuständigen Dienststellen getroffen worden ist, es sei denn, dass der behinderte Mensch ein Interesse an anderweitiger
Feststellung nach Absatz 1 glaubhaft macht.
Eine Feststellung nach Satz 1 gilt zugleich als
Feststellung des Grades der Behinderung.
(3) Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird
der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Für diese
Entscheidung gilt Absatz 1, es sei denn, dass in
einer Entscheidung nach Absatz 2 eine Gesamtbeurteilung bereits getroffen worden ist.
(4) Sind neben dem Vorliegen der Behinderung
204
A MTLICHE T EXTE
weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1.
(5) Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer
Feststellung der Behinderung einen Ausweis
über die Eigenschaft als schwerbehinderter
Mensch, den Grad der Behinderung sowie im
Falle des Absatzes 4 über weitere gesundheitliche Merkmale aus. Der Ausweis dient dem
Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach Teil 2 oder nach anderen Vorschriften zustehen. Die Gültigkeitsdauer
des Ausweises soll befristet werden. Er wird
eingezogen, sobald der gesetzliche Schutz
schwerbehinderter Menschen erloschen ist.
Der Ausweis wird berichtigt, sobald eine Neufeststellung unanfechtbar geworden ist.
§ 70 Verordnungsermächtigung
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Gestaltung der Ausweise, ihre Gültigkeit und das
Verwaltungsverfahren zu erlassen.
Kapitel 2
BESCHÄFTIGUNGSPFLICHT
ARBEITGEBER
DER
§ 71 Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen
(1) Private und öffentliche Arbeitgeber (Arbeitgeber) mit jahresdurchschnittlich monatlich
mindestens 20 Arbeitsplätzen im Sinne des §
73 haben auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Dabei sind schwerbehinderte Frauen besonders zu berücksichtigen. Abweichend
von Satz 1 haben Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 40 Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat einen
schwerbehinderten Menschen, Arbeitgeber mit
jahresdurchschnittlich monatlich weniger als 60
Arbeitsplätzen jahresdurchschnittlich je Monat
zwei schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen.
(2) (weggefallen)
(3) Als öffentliche Arbeitgeber im Sinne des
Teils 2 gelten
1. jede oberste Bundesbehörde mit ihren nachgeordneten Dienststellen, das Bundespräsidialamt, die Verwaltungen des Deutschen
Bundestages und Bundesrates, das Bundesverfassungsgericht, die obersten Gerichtshöfe des Bundes, der Bundesgerichtshof jedoch zusammengefasst mit dem Generalbundesanwalt, sowie das Bundeseisenbahnvermögen,
2. jede oberste Landesbehörde und die Staatsund Präsidialkanzleien mit ihren nachgeordneten Dienststellen, die Verwaltungen der
Landtage, die Rechnungshöfe (Rechnungskammern), die Organe der Verfassungsgerichtsbarkeit der Länder und jede sonstige
Landesbehörde, zusammengefasst jedoch
diejenigen Behörden, die eine gemeinsame
Personalverwaltung haben,
3. jede sonstige Gebietskörperschaft und jeder
Verband von Gebietskörperschaften,
4. jede sonstige Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts.
§ 72 Beschäftigung besonderer Gruppen
schwerbehinderter Menschen
(1) Im Rahmen der Erfüllung der Beschäftigungspflicht sind in angemessenem Umfang
zu beschäftigen
1. schwerbehinderte Menschen, die nach Art
oder Schwere ihrer Behinderung im Arbeitsleben besonders betroffen sind, insbesondere solche,
a) die zur Ausübung der Beschäftigung wegen ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend einer besonderen Hilfskraft bedürfen oder
b) deren Beschäftigung infolge ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend mit außergewöhnlichen Aufwendungen für den
Arbeitgeber verbunden ist oder
c) die infolge ihrer Behinderung nicht nur
vorübergehend offensichtlich nur eine wesentlich verminderte Arbeitsleistung erbringen können oder
d) bei denen ein Grad der Behinderung von
wenigstens 50 allein infolge geistiger oder
seelischer Behinderung oder eines Anfallsleidens vorliegt oder
205
SGB IX
e) die wegen Art oder Schwere der Behinderung keine abgeschlossene Berufsbildung
im Sinne des Berufsbildungsgesetzes haben,
2. schwerbehinderte Menschen, die das 50. Lebensjahr vollendet haben.
(2) Arbeitgeber mit Stellen zur beruflichen Bildung, insbesondere für Auszubildende, haben
im Rahmen der Erfüllung der Beschäftigungspflicht einen angemessenen Anteil dieser Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. 2Hierüber ist mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93 und der
Schwerbehindertenvertretung zu beraten.
§ 73 Begriff des Arbeitsplatzes
(1) Arbeitsplätze im Sinne des Teils 2 sind alle
Stellen, auf denen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und
andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte
beschäftigt werden.
(2) Als Arbeitsplätze gelten nicht die Stellen,
auf denen beschäftigt werden
1. behinderte Menschen, die an Leistungen zur
Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Abs. 3
Nr. 3 in Betrieben oder Dienststellen teilnehmen,
2. Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer
oder religiöser Art bestimmt ist, und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften,
3. Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung oder Erziehung erfolgt,
4. Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen,
5. Personen, die nach ständiger Übung in ihre
Stellen gewählt werden,
6. (weggefallen)
7. Personen, deren Arbeits-, Dienst- oder sonstiges Beschäftigungsverhältnis wegen Wehroder Zivildienst, Elternzeit, unbezahltem Urlaub, wegen Bezuges einer Rente auf Zeit
oder bei Altersteilzeitarbeit in der Freistellungsphase (Verblockungsmodell) ruht, solange für sie eine Vertretung eingestellt ist.
(3) Als Arbeitsplätze gelten ferner nicht Stellen,
die nach der Natur der Arbeit oder nach den
zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen nur auf die Dauer von höchstens acht
Wochen besetzt sind, sowie Stellen, auf denen
Beschäftigte weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden.
§ 74 Berechnung der Mindestzahl von
Arbeitsplätzen und der Pflichtarbeitsplatzzahl
(1) Bei der Berechnung der Mindestzahl von
Arbeitsplätzen und der Zahl der Arbeitsplätze,
auf denen schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen sind (§ 71), zählen Stellen, auf denen Auszubildende beschäftigt werden, nicht
mit. Das Gleiche gilt für Stellen, auf denen
Rechts- oder Studienreferendare und -referendarinnen beschäftigt werden, die einen Rechtsanspruch auf Einstellung haben.
(2) Bei der Berechnung sich ergebende Bruchteile von 0,5 und mehr sind aufzurunden, bei
Arbeitgebern mit jahresdurchschnittlich weniger als 60 Arbeitsplätzen abzurunden.
§ 75 Anrechnung Beschäftigter auf die
Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen
(1) Ein schwerbehinderter Mensch, der auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 Abs. 1
oder Abs. 2 Nr. 1, 4 oder 6 beschäftigt wird,
wird auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet.
(2) Ein schwerbehinderter Mensch, der in Teilzeitbeschäftigung kürzer als betriebsüblich,
aber nicht weniger als 18 Stunden wöchentlich
beschäftigt wird, wird auf einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen angerechnet. Bei Herabsetzung der wöchentlichen
Arbeitszeit auf weniger als 18 Stunden infolge
von Altersteilzeit gilt Satz 1 entsprechend.
Wird ein schwerbehinderter Mensch weniger
als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt, lässt
die Agentur für Arbeit die Anrechnung auf einen dieser Pflichtarbeitsplätze zu, wenn die
Teilzeitbeschäftigung wegen Art oder Schwere
der Behinderung notwendig ist.
(2a) Ein schwerbehinderter Mensch, der im
Rahmen einer Maßnahme zur Förderung des
Übergangs aus der Werkstatt für behinderte
Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
(§ 5 Abs. 4 Satz 1 der Werkstättenverordnung)
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A MTLICHE T EXTE
beschäftigt wird, wird auch für diese Zeit auf
die Zahl der Pflichtarbeitsplätze angerechnet.
(3) Ein schwerbehinderter Arbeitgeber wird auf
einen Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte
Menschen angerechnet.
(4) Der Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins wird, auch wenn er kein schwerbehinderter oder gleichgestellter behinderter
Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 oder 3 ist, auf
einen Pflichtarbeitsplatz angerechnet.
§ 76 Mehrfachanrechnung
(1) Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen,
besonders eines schwerbehinderten Menschen
im Sinne des § 72 Abs. 1 auf mehr als einen
Pflichtarbeitsplatz, höchstens drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen
zulassen, wenn dessen Teilhabe am Arbeitsleben auf besondere Schwierigkeiten stößt. Satz
1 gilt auch für schwerbehinderte Menschen im
Anschluss an eine Beschäftigung in einer
Werkstatt für behinderte Menschen und für
teilzeitbeschäftigte schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 75 Abs. 2.
(2) Ein schwerbehinderter Mensch, der beruflich ausgebildet wird, wird auf zwei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen
angerechnet. Satz 1 gilt auch während der Zeit
einer Ausbildung im Sinne des § 35 Abs. 2, die
in einem Betrieb oder einer Dienststelle durchgeführt wird. Die Bundesagentur für Arbeit
kann die Anrechnung auf drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn die Vermittlung in eine berufliche
Ausbildungsstelle wegen Art oder Schwere der
Behinderung auf besondere Schwierigkeiten
stößt. Bei Übernahme in ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis durch den ausbildenden
oder einen anderen Arbeitgeber im Anschluss
an eine abgeschlossene Ausbildung wird der
schwerbehinderte Mensch im ersten Jahr der
Beschäftigung auf zwei Pflichtarbeitsplätze angerechnet; Absatz 1 bleibt unberührt.
(3) Bescheide über die Anrechnung eines
schwerbehinderten Menschen auf mehr als
drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte
Menschen, die vor dem 1. August 1986 erlassen worden sind, gelten fort.
§ 77 Ausgleichsabgabe
(1) Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene
Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, entrichten sie für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte
Menschen eine Ausgleichsabgabe. Die Zahlung
der Ausgleichsabgabe hebt die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen
nicht auf. Die Ausgleichsabgabe wird auf der
Grundlage einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote ermittelt.
(2) Die Ausgleichsabgabe beträgt je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz
1. 105 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen
Beschäftigungsquote von 3 Prozent bis weniger als dem geltenden Pflichtsatz,
2. 180 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen
Beschäftigungsquote von 2 Prozent bis weniger als 3 Prozent,
3. 260 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen
Beschäftigungsquote von weniger als 2 Prozent.
Abweichend von Satz 1 beträgt die Ausgleichsabgabe je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für
schwerbehinderte Menschen
1. für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich
weniger als 40 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als einem
schwerbehinderten Menschen 105 Euro und
2. für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich
weniger als 60 zu berücksichtigenden Arbeitsplätzen bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als zwei
schwerbehinderten Menschen 105 Euro und
bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigung von weniger als einem schwerbehinderten Menschen 180 Euro.
(3) Die Ausgleichsabgabe erhöht sich entsprechend der Veränderung der Bezugsgröße nach
§ 18 Abs. 1 des Vierten Buches. Sie erhöht sich
zum 1. Januar eines Kalenderjahres, wenn sich
die Bezugsgröße seit der letzten Neubestimmung der Beträge der Ausgleichsabgabe um
wenigstens 10 Prozent erhöht hat. Die Erhöhung der Ausgleichsabgabe erfolgt, indem der
Faktor für die Veränderung der Bezugsgröße
mit dem jeweiligen Betrag der Ausgleichsabgabe vervielfältigt wird. Die sich ergebenden Beträge sind auf den nächsten durch fünf teilbaren Betrag abzurunden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt den Erhöhungsbetrag und die sich nach Satz 3 ergeben-
207
SGB IX
den Beträge der Ausgleichsabgabe im Bundesanzeiger bekannt.
(4) Die Ausgleichsabgabe zahlt der Arbeitgeber
jährlich zugleich mit der Erstattung der Anzeige nach § 80 Abs. 2 an das für seinen Sitz zuständige Integrationsamt. Ist ein Arbeitgeber
mehr als drei Monate im Rückstand, erlässt das
Integrationsamt einen Feststellungsbescheid
über die rückständigen Beträge und zieht diese
ein. Für rückständige Beträge der Ausgleichsabgabe erhebt das Integrationsamt nach dem
31. März Säumniszuschläge nach Maßgabe
des § 24 Abs. 1 des Vierten Buches; für ihre
Verwendung gilt Absatz 5 entsprechend. Das
Integrationsamt kann in begründeten Ausnahmefällen von der Erhebung von Säumniszuschlägen absehen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Feststellungsbescheid
haben keine aufschiebende Wirkung. Gegenüber privaten Arbeitgebern wird die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften über das
Verwaltungszwangsverfahren
durchgeführt.
Bei öffentlichen Arbeitgebern wendet sich das
Integrationsamt an die Aufsichtsbehörde, gegen deren Entscheidung es die Entscheidung
der obersten Bundes- oder Landesbehörde anrufen kann. Die Ausgleichsabgabe wird nach
Ablauf des Kalenderjahres, das auf den Eingang der Anzeige bei der Bundesagentur für
Arbeit folgt, weder nachgefordert noch erstattet.
(5) Die Ausgleichsabgabe darf nur für besondere Leistungen zur Förderung der Teilhabe
schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben
einschließlich begleitender Hilfe im Arbeitsleben (§ 102 Abs. 1 Nr. 3) verwendet werden,
soweit Mittel für denselben Zweck nicht von
anderer Seite zu leisten sind oder geleistet werden. Aus dem Aufkommen an Ausgleichsabgabe dürfen persönliche und sächliche Kosten
der Verwaltung und Kosten des Verfahrens
nicht bestritten werden. Das Integrationsamt
gibt dem Beratenden Ausschuss für behinderte
Menschen bei dem Integrationsamt (§ 103) auf
dessen Verlangen eine Übersicht über die Verwendung der Ausgleichsabgabe.
(6) Die Integrationsämter leiten den in der
Rechtsverordnung nach § 79 bestimmten Prozentsatz des Aufkommens an Ausgleichsabgabe an den Ausgleichsfonds (§ 78) weiter. Zwischen den Integrationsämtern wird ein Ausgleich herbeigeführt. Der auf das einzelne Inte-
grationsamt entfallende Anteil am Aufkommen
an Ausgleichsabgabe bemisst sich nach dem
Mittelwert aus dem Verhältnis der Wohnbevölkerung im Zuständigkeitsbereich des Integrationsamtes zur Wohnbevölkerung im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches und dem Verhältnis der Zahl der im Zuständigkeitsbereich des
Integrationsamtes in den Betrieben und Dienststellen beschäftigungspflichtiger Arbeitgeber
auf Arbeitsplätzen im Sinne des § 73 beschäftigten und der bei den Agenturen für Arbeit
arbeitslos gemeldeten schwerbehinderten und
diesen gleichgestellten behinderten Menschen
zur entsprechenden Zahl der schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten
Menschen im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs.
(7) Die bei den Integrationsämtern verbleibenden Mittel der Ausgleichsabgabe werden von
diesen gesondert verwaltet. Die Rechnungslegung und die formelle Einrichtung der Rechnungen und Belege regeln sich nach den Bestimmungen, die für diese Stellen allgemein
maßgebend sind.
(8) Für die Verpflichtung zur Entrichtung einer
Ausgleichsabgabe (Absatz 1) gelten hinsichtlich
der in § 71 Abs. 3 Nr. 1 genannten Stellen der
Bund und hinsichtlich der in § 71 Abs. 3 Nr. 2
genannten Stellen das Land als ein Arbeitgeber.
§ 78 Ausgleichsfonds
Zur besonderen Förderung der Einstellung und
Beschäftigung schwerbehinderter Menschen
auf Arbeitsplätzen und zur Förderung von Einrichtungen und Maßnahmen, die den Interessen mehrerer Länder auf dem Gebiet der Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben dienen, ist beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales als
zweckgebundene Vermögensmasse ein Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur
Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben gebildet. Das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales verwaltet den Ausgleichsfonds.
§ 79 Verordnungsermächtigungen
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
1. die Pflichtquote nach § 71 Abs. 1 nach dem
208
A MTLICHE T EXTE
jeweiligen Bedarf an Arbeitsplätzen für
schwerbehinderte Menschen zu ändern, jedoch auf höchstens 10 Prozent zu erhöhen
oder bis auf 4 Prozent herabzusetzen; dabei
kann die Pflichtquote für öffentliche Arbeitgeber höher festgesetzt werden als für private Arbeitgeber,
2. nähere Vorschriften über die Verwendung
der Ausgleichsabgabe nach § 77 Abs. 5 und
die Gestaltung des Ausgleichsfonds nach §
78, die Verwendung der Mittel durch ihn für
die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben und das Vergabe- und Verwaltungsverfahren des Ausgleichsfonds zu erlassen,
3. in der Rechtsverordnung nach Nummer 2
a) den Anteil des an den Ausgleichsfonds
weiterzuleitenden Aufkommens an Ausgleichsabgabe entsprechend den erforderlichen Aufwendungen zur Erfüllung der
Aufgaben des Ausgleichsfonds und der
Integrationsämter,
b) den Ausgleich zwischen den Integrationsämtern auf Vorschlag der Länder oder einer Mehrheit der Länder abweichend von
§ 77 Abs. 6 Satz 3 sowie
c) die Zuständigkeit für die Förderung von
Einrichtungen nach § 30 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung
abweichend von § 41 Abs. 2 Nr. 1 dieser
Verordnung und von Integrationsbetrieben und -abteilungen abweichend von §
41 Abs. 1 Nr. 3 dieser Verordnung
zu regeln,
die Ausgleichsabgabe bei Arbeitgebern, die
über weniger als 30 Arbeitsplätze verfügen, für
einen bestimmten Zeitraum allgemein oder für
einzelne Bundesländer herabzusetzen oder zu
erlassen, wenn die Zahl der unbesetzten
Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen die Zahl der zu beschäftigenden schwerbehinderten Menschen so erheblich übersteigt,
dass die Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen dieser Arbeitgeber nicht in
Anspruch genommen zu werden brauchen.
Kapitel 3
SONSTIGE PFLICHTEN DER
ARBEITGEBER; RECHTE DER
S C H W E R B E H I N D E RT E N M E N S C H E N
§ 80 Zusammenwirken der Arbeitgeber
mit der Bundesagentur für Arbeit und
den Integrationsämtern
(1) Die Arbeitgeber haben, gesondert für jeden
Betrieb und jede Dienststelle, ein Verzeichnis
der bei ihnen beschäftigten schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten behinderten Menschen und sonstigen anrechnungsfähigen Personen laufend zu führen und dieses den Vertretern oder Vertreterinnen der Bundesagentur
für Arbeit und des Integrationsamtes, die für
den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständig sind, auf Verlangen vorzulegen.
(2) Die Arbeitgeber haben der für ihren Sitz zuständigen Agentur für Arbeit einmal jährlich
bis spätestens zum 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr, aufgegliedert nach Monaten, die Daten anzuzeigen, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht,
zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe notwendig sind. Der Anzeige
sind das nach Absatz 1 geführte Verzeichnis
sowie eine Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses zur Weiterleitung an das für ihren
Sitz zuständige Integrationsamt beizufügen.
Dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat, der Schwerbehindertenvertretung und dem Beauftragten des Arbeitgebers ist je eine Kopie der Anzeige und
des Verzeichnisses zu übermitteln.
(3) Zeigt ein Arbeitgeber die Daten bis zum 30.
Juni nicht, nicht richtig oder nicht vollständig
an, erlässt die Bundesagentur für Arbeit nach
Prüfung in tatsächlicher sowie in rechtlicher
Hinsicht einen Feststellungsbescheid über die
zur Berechnung der Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen und der
besetzten Arbeitsplätze notwendigen Daten.
(4) Die Arbeitgeber, die Arbeitsplätze für
schwerbehinderte Menschen nicht zur Verfügung zu stellen haben, haben die Anzeige nur
nach Aufforderung durch die Bundesagentur
für Arbeit im Rahmen einer repräsentativen
Teilerhebung zu erstatten, die mit dem Ziel der
Erfassung der in Absatz 1 genannten Perso-
209
SGB IX
nengruppen, aufgegliedert nach Bundesländern, alle fünf Jahre durchgeführt wird.
(5) Die Arbeitgeber haben der Bundesagentur
für Arbeit und dem Integrationsamt auf Verlangen die Auskünfte zu erteilen, die zur Durchführung der besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter behinderter Menschen am Arbeitsleben
notwendig sind.
(6) Für das Verzeichnis und die Anzeige des Arbeitgebers sind die mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen abgestimmten Vordrucke der
Bundesagentur für Arbeit zu verwenden. Die
Bundesagentur für Arbeit soll zur Durchführung des Anzeigeverfahrens in Abstimmung
mit der Bundesarbeitsgemeinschaft ein elektronisches Übermittlungsverfahren zulassen.
(7) Die Arbeitgeber haben den Beauftragten
der Bundesagentur für Arbeit und des Integrationsamtes auf Verlangen Einblick in ihren Betrieb oder ihre Dienststelle zu geben, soweit es
im Interesse der schwerbehinderten Menschen
erforderlich ist und Betriebs- oder Dienstgeheimnisse nicht gefährdet werden.
(8) Die Arbeitgeber haben die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen (§ 94
Abs. 1 Satz 1 bis 3 und § 97 Abs. 1 bis 5) unverzüglich nach der Wahl und ihren Beauftragten für die Angelegenheiten der schwerbehinderten Menschen (§ 98 Satz 1) unverzüglich
nach der Bestellung der für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Agentur
für Arbeit und dem Integrationsamt zu benennen.
(9) Die Bundesagentur für Arbeit erstellt und
veröffentlicht alljährlich eine Übersicht über die
Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen bei den einzelnen öffentlichen Arbeitgebern.
§ 81 Pflichten des Arbeitgebers und
Rechte schwerbehinderter Menschen
(1) Die Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen,
ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten
Menschen, insbesondere mit bei der Agentur
für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Sie nehmen frühzeitig
Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf. Die
Bundesagentur für Arbeit oder ein Integra-
tionsfachdienst schlägt den Arbeitgebern geeignete schwerbehinderte Menschen vor. Über
die Vermittlungsvorschläge und vorliegende
Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 genannten
Vertretungen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten. Bei Bewerbungen schwerbehinderter Richter und Richterinnen wird der Präsidialrat unterrichtet und gehört, soweit dieser an
der Ernennung zu beteiligen ist. Bei der Prüfung nach Satz 1 beteiligen die Arbeitgeber die
Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs.
2 und hören die in § 93 genannten Vertretungen an. Erfüllt der Arbeitgeber seine Beschäftigungspflicht nicht und ist die Schwerbehindertenvertretung oder eine in § 93 genannte Vertretung mit der beabsichtigten Entscheidung
des Arbeitgebers nicht einverstanden, ist diese
unter Darlegung der Gründe mit ihnen zu erörtern. Dabei wird der betroffene schwerbehinderte Mensch angehört. All Beteiligten sind
vom Arbeitgeber über die getroffene Entscheidung unter Darlegung der Gründe unverzüglich zu unterrichten. Bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen ist die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen, wenn der
schwerbehinderte Mensch die Beteiligung der
Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich ablehnt.
(2) Arbeitgeber dürfen schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu die Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.
(3) Die Arbeitgeber stellen durch geeignete
Maßnahmen sicher, dass in ihren Betrieben
und Dienststellen wenigstens die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen eine
möglichst dauerhafte behinderungsgerechte
Beschäftigung finden kann. Absatz 4 Satz 2
und 3 gilt entsprechend.
(4) Die schwerbehinderten Menschen haben
gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf
1. Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten
und Kenntnisse möglichst voll verwerten
und weiterentwickeln können,
2. bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens,
210
A MTLICHE T EXTE
3. Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur
Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung,
4. behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich
der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte
sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des
Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation
und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr,
5. Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen
unter Berücksichtigung der Behinderung und
ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung. Bei
der Durchführung der Maßnahmen nach den
Nummern 1, 4 und 5 unterstützt die Bundesagentur für Arbeit und die Integrationsämter
die Arbeitgeber unter Berücksichtigung der für
die Beschäftigung wesentlichen Eigenschaften
der schwerbehinderten Menschen.
Ein Anspruch nach Satz 1 besteht nicht, soweit
seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre oder soweit die staatlichen oder berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschriften oder beamtenrechtliche
Vorschriften entgegenstehen.
(5) Die Arbeitgeber fördern die Einrichtung von
Teilzeitarbeitsplätzen. Sie werden dabei von
den Integrationsämtern unterstützt. Schwerbehinderte Menschen haben einen Anspruch auf
Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist; Absatz 4 Satz 3 gilt entsprechend.
§ 82 Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber
Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber
melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig
frei werdende und neu zu besetzende sowie
neue Arbeitsplätze (§ 73). Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist
entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Einer Integrationsvereinbarung
nach § 83 bedarf es nicht, wenn für die Dienst-
stellen dem § 83 entsprechende Regelungen
bereits bestehen und durchgeführt werden.
§ 83 Integrationsvereinbarung
(1) Die Arbeitgeber treffen mit der Schwerbehindertenvertretung und den in § 93 genannten Vertretungen in Zusammenarbeit mit dem
Beauftragten des Arbeitgebers (§ 98) eine verbindliche Integrationsvereinbarung. Auf Antrag
der Schwerbehindertenvertretung wird unter
Beteiligung der in § 93 genannten Vertretungen hierüber verhandelt. Ist eine Schwerbehindertenvertretung nicht vorhanden, steht das
Antragsrecht den in § 93 genannten Vertretungen zu. Der Arbeitgeber oder die Schwerbehindertenvertretung können das Integrationsamt
einladen, sich an den Verhandlungen über die
Integrationsvereinbarung zu beteiligen. Der
Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt,
die für den Sitz des Arbeitgebers zuständig
sind, wird die Vereinbarung übermittelt.
(2) Die Vereinbarung enthält Regelungen im
Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen, insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitsorganisation,
Arbeitszeit sowie Regelungen über die Durchführung in den Betrieben und Dienststellen. Bei
der Personalplanung werden besondere Regelungen zur Beschäftigung eines angemessenen
Anteils von schwerbehinderten Frauen vorgesehen.
(2a) In der Vereinbarung können insbesondere
auch Regelungen getroffen werden
1. zur angemessenen Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung
freier, frei werdender oder neuer Stellen,
2. zu einer anzustrebenden Beschäftigungsquote, einschließlich eines angemessenen
Anteils schwerbehinderter Frauen,
3. zu Teilzeitarbeit,
4. zur Ausbildung behinderter Jugendlicher,
5. zur Durchführung der betrieblichen Prävention (betriebliches Eingliederungsmanagement) und zur Gesundheitsförderung,
6. über die Hinzuziehung des Werks- oder Betriebsarztes auch für Beratungen über Leistungen zur Teilhabe sowie über besondere
Hilfen im Arbeitsleben.
(3) In den Versammlungen schwerbehinderter
211
SGB IX
Menschen berichtet der Arbeitgeber über alle
Angelegenheiten im Zusammenhang mit der
Eingliederung schwerbehinderter Menschen.
§ 84 Prävention
(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von
personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten
Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung
dieses Verhältnisses führen können, möglichst
frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung
und die in § 93 genannten Vertretungen sowie
das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle
Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die
Schwierigkeiten beseitigt werden können und
das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden
kann.
(2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres
länger als sechs Wochen ununterbrochen oder
wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung
im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten
Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen
oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden
kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird der Werksoder Betriebsarzt hinzugezogen. Die betroffene
Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor
auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der
hierfür erhobenen und verwendeten Daten
hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe
oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen
gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt
hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass
die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist
des § 14 Abs. 2 Satz 2 erbracht werden. Die
zuständige Interessenvertretung im Sinne des §
93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem die Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser
Vorschrift obliegenden Verpflichtungen erfüllt.
(3) Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter können Arbeitgeber, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen,
durch Prämien oder einen Bonus fördern.
Kapitel 4
KÜNDIGUNGSSCHUTZ
§ 85 Erfordernis der Zustimmung
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines
schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung
des Integrationsamtes.
§ 86 Kündigungsfrist
Die Kündigungsfrist beträgt mindestens vier
Wochen.
§ 87 Antragsverfahren
(1) Die Zustimmung zur Kündigung beantragt
der Arbeitgeber bei dem für den Sitz des Betriebes oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt schriftlich. Der Begriff des Betriebes und der Begriff der Dienststelle im Sinne
des Teils 2 bestimmen sich nach dem Betriebsverfassungsgesetz und dem Personalvertretungsrecht.
(2) Das Integrationsamt holt eine Stellungnahme des Betriebsrates oder Personalrates und
der Schwerbehindertenvertretung ein und hört
den schwerbehinderten Menschen an.
(3) Das Integrationsamt wirkt in jeder Lage des
Verfahrens auf eine gütliche Einigung hin.
§ 88 Entscheidung des Integrationsamtes
(1) Das Integrationsamt soll die Entscheidung,
falls erforderlich auf Grund mündlicher Verhandlung, innerhalb eines Monats vom Tage
des Eingangs des Antrages an treffen.
(2) Die Entscheidung wird dem Arbeitgeber
und dem schwerbehinderten Menschen zugestellt. Der Bundesagentur für Arbeit wird eine
Abschrift der Entscheidung übersandt.
(3) Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung
zur Kündigung, kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung erklären.
212
A MTLICHE T EXTE
(4) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen
die Zustimmung des Integrationsamtes zur
Kündigung haben keine aufschiebende Wirkung.
(5) In den Fällen des § 89 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 3 gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass die
Entscheidung innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrages an zu treffen ist.
Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung
nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt.
Die Absätze 3 und 4 gelten entsprechend.
zu entlassenden schwerbehinderten Menschen an der Zahl der beschäftigten schwerbehinderten Menschen nicht größer ist als
der Anteil der zu entlassenden übrigen Arbeitnehmer an der Zahl der beschäftigten
übrigen Arbeitnehmer und
4. die Gesamtzahl der schwerbehinderten
Menschen, die nach dem Interessenausgleich bei dem Arbeitgeber verbleiben sollen, zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht
nach § 71 ausreicht.
§ 89 Einschränkungen der Ermessensentscheidung
§ 90 Ausnahmen
(1) Das Integrationsamt erteilt die Zustimmung
bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt
oder aufgelöst werden, wenn zwischen dem
Tage der Kündigung und dem Tage, bis zu dem
Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens
drei Monate liegen. Unter der gleichen Voraussetzung soll es die Zustimmung auch bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen erteilen, die nicht nur vorübergehend wesentlich
eingeschränkt werden, wenn die Gesamtzahl
der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten
Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 ausreicht. Die Sätze 1 und 2
gelten nicht, wenn eine Weiterbeschäftigung
auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebes oder derselben Dienststelle oder auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb oder einer anderen Dienststelle desselben
Arbeitgebers mit Einverständnis des schwerbehinderten Menschen möglich und für den Arbeitgeber zumutbar ist.
(2) Das Integrationsamt soll die Zustimmung
erteilen, wenn dem schwerbehinderten Menschen ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist.
(3) Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet, soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn
1. der schwerbehinderte Mensch in einem Interessenausgleich namentlich als einer der zu
entlassenden Arbeitnehmer bezeichnet ist (§
125 der Insolvenzordnung),
2. die Schwerbehindertenvertretung beim Zustandekommen des Interessenausgleichs gemäß § 95 Abs. 2 beteiligt worden ist,
3. der Anteil der nach dem Interessenausgleich
(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten nicht
für schwerbehinderte Menschen,
1. deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des
Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht oder
2. die auf Stellen im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr.
2 bis 5 beschäftigt werden oder
3. deren Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet wird, sofern sie
a) das 58. Lebensjahr vollendet haben und
Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung auf Grund
eines Sozialplanes haben oder
b) Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung nach dem Sechsten Buch oder auf
Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus haben,
wenn der Arbeitgeber ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie der
beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen.
(2) Die Vorschriften dieses Kapitels finden ferner bei Entlassungen, die aus Witterungsgründen vorgenommen werden, keine Anwendung, sofern die Wiedereinstellung der
schwerbehinderten Menschen bei Wiederaufnahme der Arbeit gewährleistet ist.
(2a) Die Vorschriften dieses Kapitels finden ferner keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt
der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder
das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des
§ 69 Abs. 1 Satz 2 eine Feststellung wegen
fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte.
(3) Der Arbeitgeber zeigt Einstellungen auf Probe und die Beendigung von Arbeitsverhältnis-
213
SGB IX
sen schwerbehinderter Menschen in den Fällen
des Absatzes 1 Nr. 1 unabhängig von der Anzeigepflicht nach anderen Gesetzen dem Integrationsamt innerhalb von vier Tagen an.
§ 91 Außerordentliche Kündigung
(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten mit
Ausnahme von § 86 auch bei außerordentlicher Kündigung, soweit sich aus den folgenden Bestimmungen nichts Abweichendes ergibt.
(2) Die Zustimmung zur Kündigung kann nur
innerhalb von zwei Wochen beantragt werden;
maßgebend ist der Eingang des Antrages bei
dem Integrationsamt. Die Frist beginnt mit
dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von
den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
(3) Das Integrationsamt trifft die Entscheidung
innerhalb von zwei Wochen vom Tage des Eingangs des Antrages an. Wird innerhalb dieser
Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die
Zustimmung als erteilt.
(4) Das Integrationsamt soll die Zustimmung
erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit
der Behinderung steht.
(5) Die Kündigung kann auch nach Ablauf der
Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs erfolgen, wenn sie unverzüglich
nach Erteilung der Zustimmung erklärt wird.
(6) Schwerbehinderte Menschen, denen lediglich aus Anlass eines Streiks oder einer Aussperrung fristlos gekündigt worden ist, werden
nach Beendigung des Streiks oder der Aussperrung wieder eingestellt.
§ 92 Erweiterter Beendigungsschutz
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines
schwerbehinderten Menschen bedarf auch
dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, wenn sie im Falle des Eintritts einer
teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der
Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung
erfolgt. Die Vorschriften dieses Kapitels über
die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung
gelten entsprechend.
Kapitel 5
B E T R I E B S -, P E R S O N A L -, R I C H T E R -,
S TA AT S A N WA LT S - U N D
P R Ä S I D I A L R AT,
S C H W E R B E H I N D E RT E N V E RT R E T U N G ,
BEAUFTRAGTER DES ARBEITGEBERS
§ 93 Aufgaben des Betriebs-, Personal-,
Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrates
Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwaltsund Präsidialrat fördern die Eingliederung
schwerbehinderter Menschen. Sie achten insbesondere darauf, dass die dem Arbeitgeber nach
den §§ 71, 72, 81 bis 84 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden; sie wirken auf die Wahl
der Schwerbehindertenvertretung hin.
§ 94 Wahl und Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung
(1) In Betrieben und Dienststellen, in denen
wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen
nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, werden eine Vertrauensperson und wenigstens ein
stellvertretendes Mitglied gewählt, das die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung durch
Abwesenheit oder Wahrnehmung anderer Aufgaben vertritt. Ferner wählen bei Gerichten,
denen mindestens fünf schwerbehinderte Richter oder Richterinnen angehören, diese einen
Richter oder eine Richterin zu ihrer Schwerbehindertenvertretung. Satz 2 gilt entsprechend
für Staatsanwälte oder Staatsanwältinnen, soweit für sie eine besondere Personalvertretung
gebildet wird. Betriebe oder Dienststellen, die
die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllen, können für die Wahl mit räumlich nahe liegenden Betrieben des Arbeitgebers oder
gleichstufigen Dienststellen derselben Verwaltung zusammengefasst werden; soweit erforderlich, können Gerichte unterschiedlicher Gerichtszweige und Stufen zusammengefasst
werden. Über die Zusammenfassung entscheidet der Arbeitgeber im Benehmen mit dem für
den Sitz der Betriebe oder Dienststellen einschließlich Gerichten zuständigen Integrationsamt.
(2) Wahlberechtigt sind alle in dem Betrieb
oder der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen.
214
A MTLICHE T EXTE
(3) Wählbar sind alle in dem Betrieb oder der
Dienststelle nicht nur vorübergehend Beschäftigten, die am Wahltage das 18. Lebensjahr
vollendet haben und dem Betrieb oder der
Dienststelle seit sechs Monaten angehören; besteht der Betrieb oder die Dienststelle weniger
als ein Jahr, so bedarf es für die Wählbarkeit
nicht der sechsmonatigen Zugehörigkeit. Nicht
wählbar ist, wer kraft Gesetzes dem Betriebs-,
Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat nicht angehören kann.
(4) Bei Dienststellen der Bundeswehr, bei denen eine Vertretung der Soldaten nach dem
Bundespersonalvertretungsgesetz zu wählen
ist, sind auch schwerbehinderte Soldaten und
Soldatinnen wahlberechtigt und auch Soldaten
und Soldatinnen wählbar.
(5) Die regelmäßigen Wahlen finden alle vier
Jahre in der Zeit vom 1. Oktober bis 30. November statt. 2Außerhalb dieser Zeit finden
Wahlen statt, wenn
1. das Amt der Schwerbehindertenvertretung
vorzeitig erlischt und ein stellvertretendes
Mitglied nicht nachrückt,
2. die Wahl mit Erfolg angefochten worden ist
oder
3. eine Schwerbehindertenvertretung noch
nicht gewählt ist.
Hat außerhalb des für die regelmäßigen Wahlen festgelegten Zeitraumes eine Wahl der
Schwerbehindertenvertretung stattgefunden,
wird die Schwerbehindertenvertretung in dem
auf die Wahl folgenden nächsten Zeitraum der
regelmäßigen Wahlen neu gewählt. Hat die
Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung zu
Beginn für des für die regelmäßigen Wahlen
festgelegten Zeitraums noch noch nicht ein
Jahr betragen, wird die Schwerbehindertenvertretung im übernächsten Zeitraum für regelmäßige Wahlen neu gewählt.
(6) Die Vertrauensperson und das stellvertretende Mitglied werden in geheimer und unmittelbarer Wahl nach den Grundsätzen der
Mehrheitswahl gewählt. Im Übrigen sind die
Vorschriften über die Wahlanfechtung, den
Wahlschutz und die Wahlkosten bei der Wahl
des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates sinngemäß anzuwenden. In Betrieben und Dienststellen mit weniger als 50 wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen wird die Vertrauensperson und
das stellvertretende Mitglied im vereinfachten
Wahlverfahren gewählt, sofern der Betrieb
oder die Dienststelle nicht aus räumlich weit
auseinander liegenden Teilen besteht. Ist in einem Betrieb oder einer Dienststelle eine
Schwerbehindertenvertretung nicht gewählt,
so kann das für den Betrieb oder die Dienststelle zuständige Integrationsamt zu einer Versammlung schwerbehinderter Menschen zum
Zwecke der Wahl eines Wahlvorstandes einladen.
(7) Die Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung beträgt vier Jahre. Sie beginnt mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses oder, wenn die
Amtszeit der bisherigen Schwerbehindertenvertretung noch nicht beendet ist, mit deren Ablauf. Das Amt erlischt vorzeitig, wenn die Vertrauensperson es niederlegt, aus dem Arbeits-,
Dienst- oder Richterverhältnis ausscheidet oder
die Wählbarkeit verliert. Scheidet die Vertrauensperson vorzeitig aus dem Amt aus, rückt das
mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied für den Rest der Amtszeit
nach; dies gilt für das stellvertretende Mitglied
entsprechend. Auf Antrag eines Viertels der
wahlberechtigten schwerbehinderten Menschen kann der Widerspruchsausschuss bei
dem Integrationsamt (§ 119) das Erlöschen des
Amtes einer Vertrauensperson wegen grober
Verletzung ihrer Pflichten beschließen.
§ 95 Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung
(1) Die Schwerbehindertenvertretung fördert
die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle, vertritt ihre Interessen in dem Betrieb oder der
Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Sie erfüllt ihre Aufgaben insbesondere dadurch, dass sie
1. darüber wacht, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze,
Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder
Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt, insbesondere auch
die dem Arbeitgeber nach den §§ 71, 72
und 81 bis 84 obliegenden Verpflichtungen
erfüllt werden,
2. Maßnahmen, die den schwerbehinderten
Menschen dienen, insbesondere auch präventive Maßnahmen, bei den zuständigen
Stellen beantragt,
215
SGB IX
3. Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Menschen entgegennimmt
und, falls sie berechtigt erscheinen, durch
Verhandlung mit dem Arbeitgeber auf eine
Erledigung hinwirkt; sie unterrichtet die
schwerbehinderten Menschen über den
Stand und das Ergebnis der Verhandlungen.
Die Schwerbehindertenvertretung unterstützt
Beschäftigte auch bei Anträgen an die nach
§ 69 Abs. 1 zuständigen Behörden auf Feststellung einer Behinderung, ihres Grades und einer
Schwerbehinderung sowie bei Anträgen auf
Gleichstellung an die Agentur für Arbeit. In Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr
als 100 schwerbehinderten Menschen kann sie
nach Unterrichtung des Arbeitgebers das mit
der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen, in Betrieben und Dienststellen mit
mehr als 200 schwerbehinderten Menschen,
das mit der nächsthöchsten Stimmzahl gewählte weitere stellvertretende Mitglied. Die Heranziehung zu bestimmten Aufgaben schließt die
Abstimmung untereinander ein.
(2) Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten
Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich
und umfassend zu unterrichten und vor einer
Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen.
Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne
Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist
endgültig zu entscheiden. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung
am Verfahren nach § 81 Abs. 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 81 Abs. 1 oder
von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen.
(3) Der schwerbehinderte Mensch hat das
Recht, bei Einsicht in die über ihn geführte Personalakte oder ihn betreffende Daten des Arbeitgebers die Schwerbehindertenvertretung
hinzuzuziehen. Die Schwerbehindertenvertretung bewahrt über den Inhalt der Daten Stillschweigen, soweit sie der schwerbehinderte
Mensch nicht von dieser Verpflichtung entbunden hat.
(4) Die Schwerbehindertenvertretung hat das
Recht, an allen Sitzungen des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates
und deren Ausschüssen sowie des Arbeitsschutzausschusses beratend teilzunehmen; sie
kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne oder die schwerbehinderten Menschen als
Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Erachtet
sie einen Beschluss des Betriebs-, Personal-,
Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates als
eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen schwerbehinderter Menschen oder ist
sie entgegen Absatz 2 Satz 1 nicht beteiligt
worden, wird auf ihren Antrag der Beschluss
für die Dauer von einer Woche vom Zeitpunkt
der Beschlussfassung an ausgesetzt; die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und
des Personalvertretungsrechtes über die Aussetzung von Beschlüssen gelten entsprechend.
Durch die Aussetzung wird eine Frist nicht verlängert. In den Fällen des § 21 e Abs. 1 und 3
des Gerichtsverfassungsgesetzes ist die
Schwerbehindertenvertretung, außer in Eilfällen, auf Antrag eines betroffenen schwerbehinderten Richters oder einer schwerbehinderten
Richterin vor dem Präsidium des Gerichtes zu
hören.
(5) Die Schwerbehindertenvertretung wird zu
Besprechungen nach § 74 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, § 66 Abs. 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes sowie den entsprechenden Vorschriften des sonstigen Personalvertretungsrechtes zwischen dem Arbeitgeber und den in Absatz 4 genannten Vertretungen hinzugezogen.
(6) Die Schwerbehindertenvertretung hat das
Recht, mindestens einmal im Kalenderjahr eine
Versammlung schwerbehinderter Menschen im
Betrieb oder in der Dienststelle durchzuführen.
Die für Betriebs- und Personalversammlungen
geltenden Vorschriften finden entsprechende
Anwendung.
(7) Sind in einer Angelegenheit sowohl die
Schwerbehindertenvertretung der Richter und
Richterinnen als auch die Schwerbehindertenvertretung der übrigen Bediensteten beteiligt,
so handeln sie gemeinsam.
(8) Die Schwerbehindertenvertretung kann an
Betriebs- und Personalversammlungen in Be-
216
A MTLICHE T EXTE
trieben und Dienststellen teilnehmen, für die
sie als Schwerbehindertenvertretung zuständig
ist, und hat dort ein Rederecht, auch wenn die
Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung
nicht Angehörige des Betriebes oder der
Dienststelle sind.
§ 96 Persönliche Rechte und Pflichten
der Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen
(1) Die Vertrauenspersonen führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
(2) Die Vertrauenspersonen dürfen in der Ausübung ihres Amtes nicht behindert oder wegen ihres Amtes nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung.
(3) Die Vertrauenspersonen besitzen gegenüber
dem Arbeitgeber die gleiche persönliche
Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz
wie ein Mitglied des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates. Das stellvertretende
Mitglied besitzt während der Dauer der Vertretung und der Heranziehung nach § 95 Abs. 1
Satz 4 die gleiche persönliche Rechtsstellung
wie die Vertrauensperson, im Übrigen die gleiche Rechtsstellung wie Ersatzmitglieder der in
Satz 1 genannten Vertretungen.
(4) Die Vertrauenspersonen werden von ihrer
beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge befreit,
wenn und soweit es zur Durchführung ihrer
Aufgaben erforderlich ist. Sind in den Betrieben und Dienststellen in der Regel wenigstens
200 schwerbehinderte Menschen beschäftigt,
wird die Vertrauensperson auf ihren Wunsch
freigestellt; weiter gehende Vereinbarungen
sind zulässig. Satz 1 gilt entsprechend für die
Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln,
die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind. Satz 3 gilt auch für
das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte
stellvertretende Mitglied, wenn wegen
1. ständiger Heranziehung nach § 95,
2. häufiger Vertretung der Vertrauensperson
für längere Zeit,
3. absehbaren Nachrückens in das Amt der
Schwerbehindertenvertretung in kurzer Frist
die Teilnahme an Bildungs- und Schulungsver-
anstaltungen erforderlich ist.
(5) Freigestellte Vertrauenspersonen dürfen von
inner- oder außerbetrieblichen Maßnahmen
der Berufsförderung nicht ausgeschlossen werden. Innerhalb eines Jahres nach Beendigung
ihrer Freistellung ist ihnen im Rahmen der
Möglichkeiten des Betriebes oder der Dienststelle Gelegenheit zu geben, eine wegen der
Freistellung unterbliebene berufliche Entwicklung in dem Betrieb oder der Dienststelle nachzuholen. Für Vertrauenspersonen, die drei volle
aufeinander folgende Amtszeiten freigestellt
waren, erhöht sich der genannte Zeitraum auf
zwei Jahre.
(6) Zum Ausgleich für ihre Tätigkeit, die aus
betriebsbedingten oder dienstlichen Gründen
außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist,
haben die Vertrauenspersonen Anspruch auf
entsprechende Arbeits- oder Dienstbefreiung
unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts oder der
Dienstbezüge.
(7) Die Vertrauenspersonen sind verpflichtet,
1. über ihnen wegen ihres Amtes bekannt gewordene persönliche Verhältnisse und Angelegenheiten von Beschäftigten im Sinne des
§ 73, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt
nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren und
2. ihnen wegen ihres Amtes bekannt gewordene und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnete Betriebsoder Geschäftsgeheimnisse nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten.
Diese Pflichten gelten auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Sie gelten nicht gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, den Integrationsämtern und den Rehabilitationsträgern, soweit deren Aufgaben den schwerbehinderten Menschen gegenüber es erfordern,
gegenüber den Vertrauenspersonen in den
Stufenvertretungen (§ 97) sowie gegenüber
den in § 79 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes und den in den entsprechenden Vorschriften des Personalvertretungsrechtes genannten Vertretungen, Personen und Stellen.
(8) Die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten trägt der
Arbeitgeber. Das Gleiche gilt für die durch die
Teilnahme des mit der höchsten Stimmenzahl
gewählten stellvertretenden Mitglieds an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen nach Ab-
217
SGB IX
satz 4 Satz 3 entstehenden Kosten.
(9) Die Räume und der Geschäftsbedarf, die
der Arbeitgeber dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat für dessen
Sitzungen, Sprechstunden und laufende Geschäftsführung zur Verfügung stellt, stehen für
die gleichen Zwecke auch der Schwerbehindertenvertretung zur Verfügung, soweit ihr hierfür
nicht eigene Räume und sächliche Mittel zur
Verfügung gestellt werden.
§ 97 Konzern-, Gesamt-, Bezirks- und
Hauptschwerbehindertenvertretung
(1) Ist für mehrere Betriebe eines Arbeitgebers
ein Gesamtbetriebsrat oder für den Geschäftsbereich mehrerer Dienststellen ein Gesamtpersonalrat errichtet, wählen die Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Betriebe oder
Dienststellen eine Gesamtschwerbehindertenvertretung. Ist eine Schwerbehindertenvertretung nur in einem der Betriebe oder in einer
der Dienststellen gewählt, nimmt sie die Rechte und Pflichten der Gesamtschwerbehindertenvertretung wahr.
(2) Ist für mehrere Unternehmen ein Konzernbetriebsrat errichtet, wählen die Gesamtschwerbehindertenvertretungen eine Konzernschwerbehindertenvertretung. Besteht ein
Konzernunternehmen nur aus einem Betrieb,
für den eine Schwerbehindertenvertretung gewählt ist, hat sie das Wahlrecht wie eine Gesamtschwerbehindertenvertretung.
(3) Für den Geschäftsbereich mehrstufiger Verwaltungen, bei denen ein Bezirks- oder Hauptpersonalrat gebildet ist, gilt Absatz 1 sinngemäß mit der Maßgabe, dass bei den Mittelbehörden von deren Schwerbehindertenvertretung und den Schwerbehindertenvertretungen
der nachgeordneten Dienststellen eine Bezirksschwerbehindertenvertretung zu wählen ist.
Bei den obersten Dienstbehörden ist von deren
Schwerbehindertenvertretung und den Bezirksschwerbehindertenvertretungen des Geschäftsbereichs eine Hauptschwerbehindertenvertretung zu wählen; ist die Zahl der Bezirksschwerbehindertenvertretungen niedriger als zehn,
sind auch die Schwerbehindertenvertretungen
der nachgeordneten Dienststellen wahlberechtigt.
(4) Für Gerichte eines Zweiges der Gerichtsbarkeit, für die ein Bezirks- oder Hauptrichterrat
gebildet ist, gilt Absatz 3 entsprechend. Sind in
einem Zweig der Gerichtsbarkeit bei den Gerichten der Länder mehrere Schwerbehindertenvertretungen nach § 94 zu wählen und ist
in diesem Zweig kein Hauptrichterrat gebildet,
ist in entsprechender Anwendung von Absatz
3 eine Hauptschwerbehindertenvertretung zu
wählen. Die Hauptschwerbehindertenvertretung nimmt die Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung gegenüber dem Präsidialrat
wahr.
(5) Für jede Vertrauensperson, die nach den
Absätzen 1 bis 4 neu zu wählen ist, wird wenigstens ein stellvertretendes Mitglied gewählt.
(6) Die Gesamtschwerbehindertenvertretung
vertritt die Interessen der schwerbehinderten
Menschen in Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe oder
Dienststellen des Arbeitgebers betreffen und
von den Schwerbehindertenvertretungen der
einzelnen Betriebe oder Dienststellen nicht geregelt werden können, sowie die Interessen der
schwerbehinderten Menschen, die in einem
Betrieb oder einer Dienststelle tätig sind, für
die eine Schwerbehindertenvertretung nicht
gewählt ist; dies umfasst auch Verhandlungen
und den Abschluss entsprechender Integrationsvereinbarungen. Satz 1 gilt entsprechend
für die Konzern-, Bezirks- und Hauptschwerbehindertenvertretung sowie für die Schwerbehindertenvertretung der obersten Dienstbehörde, wenn bei einer mehrstufigen Verwaltung
Stufenvertretungen nicht gewählt sind. Die
nach Satz 2 zuständige Schwerbehindertenvertretung ist auch in persönlichen Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen, über die eine übergeordnete Dienststelle entscheidet, zuständig; sie gibt der Schwerbehindertenvertretung der Dienststelle, die den schwerbehinderten Menschen beschäftigt, Gelegenheit zur
Äußerung. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen der Personalrat der Beschäftigungsbehörde zu beteiligen ist.
(7) § 94 Abs. 3 bis 7, § 95 Abs. 1 Satz 4, Abs.
2, 4, 5 und 7 und § 96 gelten entsprechend, §
94 Abs. 5 mit der Maßgabe, dass die Wahl der
Gesamt- und Bezirksschwerbehindertenvertretungen in der Zeit vom 1. Dezember bis 31. Januar, die der Konzern- und Hauptschwerbehindertenvertretungen in der Zeit vom 1. Februar
bis 31. März stattfindet.
(8) § 95 Abs. 6 gilt für die Durchführung von
Versammlungen der Vertrauens- und der Be-
218
A MTLICHE T EXTE
zirksvertrauenspersonen durch die Gesamt-,
Bezirks- oder Hauptschwerbehindertenvertretung entsprechend.
§ 98 Beauftragter des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber bestellt einen Beauftragten,
der ihn in Angelegenheiten schwerbehinderter
Menschen verantwortlich vertritt; falls erforderlich, können mehrere Beauftragte bestellt werden. Der Beauftragte soll nach Möglichkeit
selbst ein schwerbehinderter Mensch sein. Der
Beauftragte achtet vor allem darauf, dass dem
Arbeitgeber obliegende Verpflichtungen erfüllt
werden.
§ 99 Zusammenarbeit
(1) Arbeitgeber, Beauftragter des Arbeitgebers,
Schwerbehindertenvertretung und Betriebs-,
Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat arbeiten zur Teilhabe schwerbehinderter
Menschen am Arbeitsleben in dem Betrieb
oder der Dienststelle eng zusammen.
(2) Die in Absatz 1 genannten Personen und
Vertretungen, die mit der Durchführung des
Teils 2 beauftragten Stellen und die Rehabilitationsträger unterstützen sich gegenseitig bei
der Erfüllung ihrer Aufgaben. Vertrauensperson und Beauftragter des Arbeitgebers sind
Verbindungspersonen zur Bundesagentur für
Arbeit und zu dem Integrationsamt.
§ 100 Verordnungsermächtigung
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Vorbereitung und Durchführung der Wahl der Schwerbehindertenvertretung und ihrer Stufenvertretungen zu erlassen.
Kapitel 6
DURCHFÜHRUNG DER BESONDEREN
REGELUNGEN ZUR TEILHABE
S C H W E R B E H I N D E RT E R M E N S C H E N
§ 101 Zusammenarbeit der Integrationsämter und der Bundesagentur für Arbeit
(1) Soweit die besonderen Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben nicht durch freie Entschließung der
Arbeitgeber erfüllt werden, werden sie
1. in den Ländern von dem Amt für die Sicherung der Integration schwerbehinderter
Menschen im Arbeitsleben (Integrationsamt)
und
2. von der Bundesagentur für Arbeit
in enger Zusammenarbeit durchgeführt.
(2) Die den Rehabilitationsträgern nach den
geltenden Vorschriften obliegenden Aufgaben
bleiben unberührt.
§ 102 Aufgaben des Integrationsamtes
(1) Das Integrationsamt hat folgende Aufgaben:
1. die Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe,
2. den Kündigungsschutz,
3. die begleitende Hilfe im Arbeitsleben,
4. die zeitweilige Entziehung der besonderen
Hilfen für schwerbehinderte Menschen (§
117).
Die Integrationsämter werden so ausgestattet,
dass sie ihre Aufgaben umfassend und qualifiziert erfüllen können. Hierfür wird besonders
geschultes Personal mit Fachkenntnissen des
Schwerbehindertenrechts eingesetzt.
(2) Die begleitende Hilfe im Arbeitsleben wird
in enger Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und den übrigen Rehabilitationsträgern durchgeführt. Sie soll dahin wirken,
dass die schwerbehinderten Menschen in ihrer
sozialen Stellung nicht absinken, auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre
Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und
weiterentwickeln können sowie durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen
der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nichtbehinderten Menschen zu behaupten. Dabei gelten
als Arbeitsplätze auch Stellen, auf denen Beschäftigte befristet oder als Teilzeitbeschäftigte
in einem Umfang von mindestens 15 Stunden
wöchentlich beschäftigt werden. Die begleitende Hilfe im Arbeitsleben umfasst auch die nach
den Umständen des Einzelfalls notwendige
psychosoziale Betreuung schwerbehinderter
Menschen. Das Integrationsamt kann bei der
Durchführung der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben Integrationsfachdienste einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen beteili-
219
SGB IX
gen. Das Integrationsamt soll außerdem darauf
Einfluss nehmen, dass Schwierigkeiten im Arbeitsleben verhindert oder beseitigt werden; es
führt hierzu auch Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für Vertrauenspersonen, Beauftragte der Arbeitgeber, Betriebs-, Personal-,
Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialräte
durch. Das Integrationsamt benennt in enger
Abstimmung mit den Beteiligten des örtlichen
Arbeitsmarktes Ansprechpartner, die in Handwerks- sowie in Industrie- und Handelskammern für die Arbeitgeber zur Verfügung stehen, um sie über Funktion und Aufgaben der
Integrationsfachdienste
aufzuklären,
über
Möglichkeiten der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben zu informieren und Kontakt zum Integrationsfachdienst herzustellen.
(3) Das Integrationsamt kann im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im
Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auch Geldleistungen erbringen, insbesondere
1. an schwerbehinderte Menschen
a) für technische Arbeitshilfen,
b) zum Erreichen des Arbeitsplatzes,
c) zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz,
d) zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung,
e) zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten und
f) in besonderen Lebenslagen,
2. an Arbeitgeber
a) zur behinderungsgerechten Einrichtung
von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für
schwerbehinderte Menschen,
b) für Zuschüsse zu Gebühren, insbesondere
Prüfungsgebühren, bei der Berufsausbildung besonders betroffener schwerbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener,
c) für Prämien und Zuschüsse zu den Kosten
der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener, die für die
Zeit der Berufsausbildung schwerbehinderten Menschen nach § 68 Abs. 4 gleichgestellt worden sind,
d) für Prämien zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements und
e) für außergewöhnliche Belastungen, die
mit der Beschäftigung schwerbehinderter
Menschen im Sinne des § 72 Abs. 1 Nr. 1
Buchstabe a bis d, von schwerbehinderten
Menschen im Anschluss an eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für
behinderte Menschen oder im Sinne des §
75 Abs. 2 verbunden sind, vor allem,
wenn ohne diese Leistungen das Beschäftigungsverhältnis gefährdet würde,
3. an Träger von Integrationsfachdiensten einschließlich psychosozialer Dienste freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen sowie an Träger von Integrationsprojekten.
Es kann ferner Leistungen zur Durchführung
von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen erbringen.
(4) Schwerbehinderte Menschen haben im
Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben
aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz.
(5) Verpflichtungen anderer werden durch die
Absätze 3 und 4 nicht berührt. Leistungen der
Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis
5 dürfen, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, nicht deshalb versagt
werden, weil nach den besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen entsprechende Leistungen vorgesehen sind; eine Aufstockung durch Leistungen des Integrationsamtes findet nicht statt.
(6) § 14 gilt sinngemäß, wenn bei dem Integrationsamt eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt wird. Das Gleiche gilt, wenn
ein Antrag bei einem Rehabilitationsträger gestellt und der Antrag von diesem nach § 16
Abs. 2 des Ersten Buches an das Integrationsamt weitergeleitet worden ist. Ist die unverzügliche Erbringung einer Leistung zur Teilhabe am
Arbeitsleben erforderlich, so kann das Integrationsamt die Leistung vorläufig erbringen. Hat
das Integrationsamt eine Leistung erbracht, für
die ein anderer Träger zuständig ist, so erstattet dieser die auf die Leistung entfallenden
Aufwendungen.
220
A MTLICHE T EXTE
(7) Das Integrationsamt kann seine Leistungen
zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben auch als
persönliches Budget ausführen. § 17 gilt entsprechend.
§ 103 Beratender Ausschuss für behinderte Menschen bei dem Integrationsamt
(1) Bei jedem Integrationsamt wird ein Beratender Ausschuss für behinderte Menschen gebildet, der die Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben fördert, das Integrationsamt bei der Durchführung der besonderen
Regelungen für schwerbehinderte Menschen
zur Teilhabe am Arbeitsleben unterstützt und
bei der Vergabe der Mittel der Ausgleichsabgabe mitwirkt. Soweit die Mittel der Ausgleichsabgabe zur institutionellen Förderung verwendet werden, macht der Beratende Ausschuss
Vorschläge für die Entscheidungen des Integrationsamtes.
(2) Der Ausschuss besteht aus zehn Mitgliedern, und zwar aus
zwei Mitgliedern, die die Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen vertreten,
zwei Mitgliedern, die die privaten und öffentlichen Arbeitgeber vertreten,
vier Mitgliedern, die die Organisationen behinderter Menschen vertreten,
einem Mitglied, das das jeweilige Land vertritt,
einem Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit vertritt.
(3) Für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter oder
eine Stellvertreterin zu berufen. Mitglieder und
Stellvertreter oder Stellvertreterinnen sollen im
Bezirk des Integrationsamtes ihren Wohnsitz
haben.
(4) Das Integrationsamt beruft auf Vorschlag
der Gewerkschaften des jeweiligen Landes
zwei Mitglieder,
der Arbeitgeberverbände des jeweiligen Landes
ein Mitglied,
der zuständigen obersten Landesbehörde oder
der von ihr bestimmten Behörde ein Mitglied,
der Organisationen behinderter Menschen des
jeweiligen Landes, die nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder dazu berufen sind, die
behinderten Menschen in ihrer Gesamtheit zu
vertreten, vier Mitglieder.
Die zuständige oberste Landesbehörde oder
die von ihr bestimmte Behörde und die Bundesagentur für Arbeit berufen je ein Mitglied.
§ 104 Aufgaben der Bundesagentur für
Arbeit
(1) Die Bundesagentur für Arbeit hat folgende
Aufgaben:
1. die Berufsberatung, Ausbildungsvermittlung
und Arbeitsvermittlung schwerbehinderter
Menschen einschließlich der Vermittlung von
in Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt,
2. die Beratung der Arbeitgeber bei der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen
mit schwerbehinderten Menschen,
3. die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere von
schwerbehinderten Menschen,
a) die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung oder sonstiger Umstände im Arbeitsleben besonders betroffen sind (§ 72
Abs. 1),
b) die langzeitarbeitslos im Sinne des § 18
des Dritten Buches sind,
c) die im Anschluss an eine Beschäftigung in
einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder einem Integrationsprojekt eingestellt werden,
d) die als Teilzeitbeschäftigte eingestellt werden oder
e) die zur Aus- oder Weiterbildung eingestellt werden,
4. im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die besondere Förderung schwerbehinderter Menschen,
5. die Gleichstellung, deren Widerruf und
Rücknahme,
6. die Durchführung des Anzeigeverfahrens (§
80 Abs. 2 und 4),
7. die Überwachung der Erfüllung der Beschäftigungspflicht,
8. die Zulassung der Anrechnung und der
Mehrfachanrechnung (§ 75 Abs. 2, § 76
Abs. 1 und 2),
9. die Erfassung der Werkstätten für behinderte Menschen, ihre Anerkennung und die
221
SGB IX
Aufhebung der Anerkennung.
(2) Die Bundesagentur für Arbeit übermittelt
dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales jährlich die Ergebnisse ihrer Förderung der
Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
nach dessen näherer Bestimmung und fachlicher Weisung. Zu den Ergebnissen gehören
Angaben über die Zahl der geförderten Arbeitgeber und schwerbehinderten Menschen, die
insgesamt aufgewandten Mittel und die durchschnittlichen Förderungsbeträge. Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht diese Ergebnisse.
(3) Die Bundesagentur für Arbeit führt befristete überregionale und regionale Arbeitsmarktprogramme zum Abbau der Arbeitslosigkeit
schwerbehinderter Menschen, besonderer
Gruppen schwerbehinderter Menschen, insbesondere schwerbehinderter Frauen, sowie zur
Förderung des Ausbildungsplatzangebots für
schwerbehinderte Menschen durch, die ihr
durch Verwaltungsvereinbarung gemäß § 368
Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 des Dritten Buches unter Zuweisung der entsprechenden Mittel übertragen werden. Über den Abschluss
von Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern ist das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales zu unterrichten.
(4) Die Bundesagentur für Arbeit richtet zur
Durchführung der ihr in Teil 2 und der ihr im
Dritten Buch zur Teilhabe behinderter und
schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben
übertragenen Aufgaben in allen Agenturen für
Arbeit besondere Stellen ein; bei der personellen Ausstattung dieser Stellen trägt sie dem besonderen Aufwand bei der Beratung und Vermittlung des zu betreuenden Personenkreises
sowie bei der Durchführung der sonstigen Aufgaben nach Absatz 1 Rechnung.
(5) Im Rahmen der Beratung der Arbeitgeber
nach Absatz 1 Nr. 2 hat die Bundesagentur für
Arbeit
1. dem Arbeitgeber zur Besetzung von Arbeitsplätzen geeignete arbeitslose oder arbeitssuchende schwerbehinderte Menschen unter
Darlegung der Leistungsfähigkeit und der
Auswirkungen der jeweiligen Behinderung
auf die angebotene Stelle vorzuschlagen,
2. ihre Fördermöglichkeiten aufzuzeigen, so
weit wie möglich und erforderlich, auch die
entsprechenden Hilfen der Rehabilitationsträger und der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben durch die Integrationsämter.
§ 105 Beratender Ausschuss für behinderte Menschen bei der Bundesagentur
für Arbeit
(1) Bei der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit wird ein Beratender Ausschuss für behinderte Menschen gebildet, der die Teilhabe der
behinderten Menschen am Arbeitsleben durch
Vorschläge fördert und die Bundesagentur für
Arbeit bei der Durchführung der in Teil 2 und
im Dritten Buch zur Teilhabe behinderter und
schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben
übertragenen Aufgaben unterstützt.
(2) Der Ausschuss besteht aus elf Mitgliedern,
und zwar aus
zwei Mitgliedern, die die Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen vertreten,
zwei Mitgliedern, die die privaten und öffentlichen Arbeitgeber vertreten,
fünf Mitgliedern, die die Organisationen behinderter Menschen vertreten,
einem Mitglied, das die Integrationsämter vertritt,
einem Mitglied, das das Bundesministerium für
Arbeit und Soziales vertritt.
(3) Für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter oder
eine Stellvertreterin zu berufen.
(4) Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit
beruft die Mitglieder, die Arbeitnehmer und
Arbeitgeber vertreten, auf Vorschlag ihrer
Gruppenvertreter im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit. Er beruft auf Vorschlag
der Organisationen behinderter Menschen, die
nach der Zusammensetzung ihrer Mitglieder
dazu berufen sind, die behinderten Menschen
in ihrer Gesamtheit auf Bundesebene zu vertreten, die Mitglieder, die Organisationen der behinderten Menschen vertreten. Auf Vorschlag
der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, beruft er
das Mitglied, das die Integrationsämter vertritt,
und auf Vorschlag des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales das Mitglied, das dieses
vertritt.
§ 106 Gemeinsame Vorschriften
(1) Die Beratenden Ausschüsse für behinderte
222
A MTLICHE T EXTE
Menschen (§§ 103, 105) wählen aus den ihnen
angehörenden Mitgliedern von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder Organisationen
behinderter Menschen jeweils für die Dauer eines Jahres einen Vorsitzenden oder eine Vorsitzende und einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin. Die Gewählten dürfen nicht derselben Gruppe angehören. Die Gruppen stellen in
regelmäßig jährlich wechselnder Reihenfolge
den Vorsitzenden oder die Vorsitzende und
den Stellvertreter oder die Stellvertreterin. Die
Reihenfolge wird durch die Beendigung der
Amtszeit der Mitglieder nicht unterbrochen.
Scheidet der Vorsitzende oder die Vorsitzende
oder der Stellvertreter oder die Stellvertreterin
aus, wird er oder sie neu gewählt.
(2) Die Beratenden Ausschüsse für behinderte
Menschen sind beschlussfähig, wenn wenigstens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist.
Die Beschlüsse und Entscheidungen werden
mit einfacher Stimmenmehrheit getroffen.
(3) Die Mitglieder der Beratenden Ausschüsse
für behinderte Menschen üben ihre Tätigkeit
ehrenamtlich aus. Ihre Amtszeit beträgt vier
Jahre.
§ 107 Übertragung von Aufgaben
(1) Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann die Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Ausweise nach § 69 Abs. 5,
für die eine Feststellung nach § 69 Abs. 1 nicht
zu treffen ist, auf andere Behörden übertragen.
Im Übrigen kann sie andere Behörden zur Aushändigung der Ausweise heranziehen.
(2) Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann Aufgaben und Befugnisse
des Integrationsamtes nach Teil 2 auf örtliche
Fürsorgestellen übertragen oder die Heranziehung örtlicher Fürsorgestellen zur Durchführung der den Integrationsämtern obliegenden
Aufgaben bestimmen.
(3) (weggefallen)
§ 108 Verordnungsermächtigung
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Voraussetzungen
des Anspruchs nach § 33 Abs. 8 Nr. 3 und §
102 Abs. 4 sowie über die Höhe, Dauer und
Ausführung der Leistungen zu regeln.
Kapitel 7
I N T E G R AT I O N S FA C H D I E N S T E
§ 109 Begriff und Personenkreis
(1) Integrationsfachdienste sind Dienste Dritter,
die bei der Durchführung der Maßnahmen zur
Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben beteiligt werden.
(2) Schwerbehinderte Menschen im Sinne des
Absatzes 1 sind insbesondere
1. schwerbehinderte Menschen mit einem besonderen Bedarf an arbeitsbegleitender Betreuung,
2. schwerbehinderte Menschen, die nach zielgerichteter Vorbereitung durch die Werkstatt
für behinderte Menschen am Arbeitsleben
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt teilhaben
sollen und dabei auf aufwendige, personalintensive, individuelle arbeitsbegleitende Hilfen angewiesen sind sowie
3. schwerbehinderte Schulabgänger, die für die
Aufnahme einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf die Unterstützung eines Integrationsfachdienstes angewiesen sind.
(3) Ein besonderer Bedarf an arbeits- und berufsbegleitender Betreuung ist insbesondere
gegeben bei schwerbehinderten Menschen mit
geistiger oder seelischer Behinderung oder mit
einer schweren Körper-, Sinnes- oder Mehrfachbehinderung, die sich im Arbeitsleben besonders nachteilig auswirkt und allein oder zusammen mit weiteren vermittlungshemmenden Umständen (Alter, Langzeitarbeitslosigkeit,
unzureichende Qualifikation, Leistungsminderung) die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erschwert.
(4) Der Integrationsfachdienst kann im Rahmen
der Aufgabenstellung nach Absatz 1 auch zur
beruflichen Eingliederung von behinderten
Menschen, die nicht schwerbehindert sind, tätig werden. 2Hierbei wird den besonderen Bedürfnissen seelisch behinderter oder von einer
seelischen Behinderung bedrohter Menschen
Rechnung getragen.
§ 110 Aufgaben
(1) Die Integrationsfachdienste können zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Ar-
223
SGB IX
beitsleben (Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer möglichst dauerhaften Beschäftigung) beteiligt werden, indem sie
1. die schwerbehinderten Menschen beraten,
unterstützen und auf geeignete Arbeitsplätze vermitteln,
2. die Arbeitgeber informieren, beraten und ihnen Hilfe leisten.
(2) Zu den Aufgaben des Integrationsfachdienstes gehört es,
1. die Fähigkeiten der zugewiesenen schwerbehinderten Menschen zu bewerten und einzuschätzen und dabei ein individuelles Fähigkeits-, Leistungs- und Interessenprofil zur
Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in enger Kooperation mit den schwerbehinderten Menschen, dem Auftraggeber
und der abgebenden Einrichtung der schulischen oder beruflichen Bildung oder Rehabilitation zu erarbeiten,
A. die Bundesagentur für Arbeit auf deren Anforderung bei der Berufsorientierung und
Berufsberatung in den Schulen einschließlich der auf jeden einzelnen Jugendlichen
bezogenen Dokumentation der Ergebnisse
zu unterstützen,
B. die betriebliche Ausbildung schwerbehinderter, insbesondere seelisch und lernbehinderter Jugendlicher zu begleiten,
2. geeignete Arbeitsplätze (§ 73) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erschließen,
3. die schwerbehinderten Menschen auf die
vorgesehenen Arbeitsplätze vorzubereiten,
4. die schwerbehinderten Menschen, solange
erforderlich, am Arbeitsplatz oder beim Training der berufspraktischen Fähigkeiten am
konkreten Arbeitsplatz zu begleiten,
5. mit Zustimmung des schwerbehinderten
Menschen die Mitarbeiter im Betrieb oder in
der Dienststelle über Art und Auswirkungen
der Behinderung und über entsprechende
Verhaltensregeln zu informieren und zu beraten,
6. eine Nachbetreuung, Krisenintervention
oder psychosoziale Betreuung durchzuführen sowie
7. als Ansprechpartner für die Arbeitgeber zur
Verfügung zu stehen, über die Leistungen
für die Arbeitgeber zu informieren und für
die Arbeitgeber diese Leistungen abzuklären,
8. in Zusammenarbeit mit den Rehabilitationsträgern und den Integrationsämtern die für
den schwerbehinderten Menschen benötigten Leistungen zu klären und bei der Beantragung zu unterstützen.
§ 111 Beauftragung und Verantwortlichkeit
(1) Die Integrationsfachdienste werden im Auftrag der Integrationsämter oder der Rehabilitationsträger tätig. Diese bleiben für die Ausführung der Leistung verantwortlich.
(2) Im Auftrag legt der Auftraggeber in Abstimmung mit dem Integrationsfachdienst Art,
Umfang und Dauer des im Einzelfall notwendigen Einsatzes des Integrationsfachdienstes sowie das Entgelt fest.
(3) Der Integrationsfachdienst arbeitet insbesondere mit
1. den zuständigen Stellen der Bundesagentur
für Arbeit,
2. dem Integrationsamt,
3. dem zuständigen Rehabilitationsträger, insbesondere den Berufshelfern der gesetzlichen Unfallversicherung,
4. dem Arbeitgeber, der Schwerbehindertenvertretung und den anderen betrieblichen
Interessenvertretungen,
5. der abgebenden Einrichtung der schulischen
oder beruflichen Bildung oder Rehabilitation
mit ihren begleitenden Diensten und internen Integrationsfachkräften oder -diensten
zur Unterstützung von Teilnehmenden an
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
5a. den Handwerks-, den Industrie- und Handelskammern sowie den berufsständigen
Organisationen,
6. wenn notwendig auch mit anderen Stellen
und Personen,
eng zusammen.
(4) Näheres zur Beauftragung, Zusammenarbeit, fachlichen Leitung, Aufsicht sowie zur
Qualitätssicherung und Ergebnisbeobachtung
wird zwischen dem Auftraggeber und dem Träger des Integrationsfachdienstes vertraglich geregelt. Die Vereinbarungen sollen im Interesse
finanzieller Planungssicherheit auf eine Dauer
224
A MTLICHE T EXTE
von mindestens drei Jahren abgeschlossen werden.
(5) Die Integrationsämter wirken darauf hin,
dass die berufsbegleitenden und psychosozialen Dienste bei den von ihnen beauftragten Integrationsfachdiensten konzentriert werden.
§ 112 Fachliche Anforderungen
(1) Die Integrationsfachdienste müssen
1. nach der personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung in der Lage sein, ihre gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen,
2. über Erfahrungen mit dem zu unterstützenden Personenkreis (§ 109 Abs. 2) verfügen,
3. mit Fachkräften ausgestattet sein, die über
eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und ausreichende Berufserfahrung verfügen, sowie
4. rechtlich oder organisatorisch und wirtschaftlich eigenständig sein.
(2) Der Personalbedarf eines Integrationsfachdienstes richtet sich nach den konkreten Bedürfnissen unter Berücksichtigung der Zahl der
Betreuungs- und Beratungsfälle, des durchschnittlichen Betreuungs- und Beratungsaufwands, der Größe des regionalen Einzugsbereichs und der Zahl der zu beratenden Arbeitgeber. Den besonderen Bedürfnissen besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen, insbesondere schwerbehinderter Frauen, und der
Notwendigkeit einer psychosozialen Betreuung
soll durch eine Differenzierung innerhalb des
Integrationsfachdienstes Rechnung getragen
werden.
(3) Bei der Stellenbesetzung des Integrationsfachdienstes werden schwerbehinderte Menschen bevorzugt berücksichtigt. Dabei wird ein
angemessener Anteil der Stellen mit schwerbehinderten Frauen besetzt.
§ 113 Finanzielle Leistungen
(1) Die Inanspruchnahme von Integrationsfachdiensten wird vom Auftraggeber vergütet. Die
Vergütung für die Inanspruchnahme von Integrationsfachdiensten kann bei Beauftragung
durch das Integrationsamt aus Mitteln der Ausgleichsabgabe erbracht werden.
(2) Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen vereinbart mit den Rehabilitationsträgern nach § 6
Abs. 1 Nr. 2 bis 5 unter Beteiligung der maßgeblichen Verbände, darunter der Bundesarbeitsgemeinschaft, in der sich die Integrationsfachdienste zusammengeschlossen haben, eine
gemeinsame Empfehlung zur Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste durch die Rehabilitationsträger, zur Zusammenarbeit und
zur Finanzierung der Kosten, die dem Integrationsfachdienst bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Rehabilitationsträger entstehen. §
13 Abs. 7 und 8 gilt entsprechend.
§ 114 Ergebnisbeobachtung
(1) Der Integrationsfachdienst dokumentiert
Verlauf und Ergebnis der jeweiligen Bemühungen um die Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben. Er erstellt jährlich eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse und legt diese
den Auftraggebern nach deren näherer gemeinsamer Maßgabe vor. Diese Zusammenstellung soll insbesondere geschlechtsdifferenzierte Angaben enthalten zu
1. den Zu- und Abgängen an Betreuungsfällen
im Kalenderjahr,
2. dem Bestand an Betreuungsfällen,
3. der Zahl der abgeschlossenen Fälle, differenziert nach Aufnahme einer Ausbildung, einer
befristeten oder unbefristeten Beschäftigung, einer Beschäftigung in einem Integrationsprojekt oder in einer Werkstatt für behinderte Menschen.
(2) Der Integrationsfachdienst dokumentiert
auch die Ergebnisse seiner Bemühungen zur
Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit
und die Begleitung der betrieblichen Ausbildung nach § 110 Abs. 2 Nr. A und B unter Einbeziehung geschlechtsdifferenzierter Daten
und Besonderheiten sowie der Art der Behinderung. Er erstellt zum 30. September 2006 eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse und legt diese dem zuständigen Integrationsamt vor. Die Bundesarbeitsgemeinschaft
der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen bereitet die Ergebnisse auf und stellt sie
dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Vorbereitung des Berichtes nach § 160
Abs. 2 bis zum 31. Dezember 2006 zur Verfügung.
§ 115 Verordnungsermächtigung
(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverord-
225
SGB IX
nung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über den Begriff und die Aufgaben des Integrationsfachdienstes, die für sie geltenden
fachlichen Anforderungen und die finanziellen
Leistungen zu regeln.
(2) Vereinbaren die Bundesarbeitsgemeinschaft
der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen und die Rehabilitationsträger nicht innerhalb von sechs Monaten, nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sie dazu
aufgefordert hat, eine gemeinsame Empfehlung nach § 113 Abs. 2 oder ändern sie die unzureichend gewordene Empfehlung nicht innerhalb dieser Frist, kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Regelungen durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen.
Kapitel 8
BEENDIGUNG
DER ANWENDUNG
DER BESONDEREN REGELUNGEN
ZUR TEILHABE SCHWERBEHINDERT E R U N D G L E I C H G E S T E L LT E R
B E H I N D E RT E R M E N S C H E N
§ 116 Beendigung der Anwendung der
besonderen Regelungen zur Teilhabe
schwerbehinderter Menschen
(1) Die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen werden nicht angewendet
nach dem Wegfall der Voraussetzungen nach §
2 Abs. 2; wenn sich der Grad der Behinderung
auf weniger als 50 verringert, jedoch erst am
Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt
der Unanfechtbarkeit des die Verringerung
feststellenden Bescheides.
(2) Die besonderen Regelungen für gleichgestellte behinderte Menschen werden nach dem
Widerruf oder der Rücknahme der Gleichstellung nicht mehr angewendet. Der Widerruf der
Gleichstellung ist zulässig, wenn die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 in Verbindung mit §
68 Abs. 2 weggefallen sind. Er wird erst am
Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt
seiner Unanfechtbarkeit wirksam.
(3) Bis zur Beendigung der Anwendung der besonderen Regelungen für schwerbehinderte
Menschen und ihnen gleichgestellte behinderte Menschen werden die behinderten Menschen dem Arbeitgeber auf die Zahl der Pflicht-
arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen
angerechnet.
§ 117 Entziehung der besonderen Hilfen
für schwerbehinderte Menschen
(1) Einem schwerbehinderten Menschen, der
einen zumutbaren Arbeitsplatz ohne berechtigten Grund zurückweist oder aufgibt oder sich
ohne berechtigten Grund weigert, an einer
Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen, oder sonst durch sein Verhalten
seine Teilhabe am Arbeitsleben schuldhaft vereitelt, kann das Integrationsamt im Benehmen
mit der Bundesagentur für Arbeit die besonderen Hilfen für schwerbehinderte Menschen
zeitweilig entziehen. Dies gilt auch für gleichgestellte behinderte Menschen.
(2) Vor der Entscheidung über die Entziehung
wird der schwerbehinderte Mensch gehört. In
der Entscheidung wird die Frist bestimmt, für
die sie gilt. Die Frist läuft vom Tage der Entscheidung an und beträgt nicht mehr als sechs
Monate. Die Entscheidung wird dem schwerbehinderten Menschen bekannt gegeben.
Kapitel 9
W I D E R S P R U C H S V E R FA H R E N
§ 118 Widerspruch
(1) Den Widerspruchsbescheid nach § 73 der
Verwaltungsgerichtsordnung erlässt bei Verwaltungsakten der Integrationsämter und bei
Verwaltungsakten der örtlichen Fürsorgestellen
(§ 107 Abs. 2) der Widerspruchsausschuss bei
dem Integrationsamt (§ 119). Des Vorverfahrens bedarf es auch, wenn den Verwaltungsakt
ein Integrationsamt erlassen hat, das bei einer
obersten Landesbehörde besteht.
(2) Den Widerspruchsbescheid nach § 85 des
Sozialgerichtsgesetzes erlässt bei Verwaltungsakten, welche die Bundesagentur für Arbeit
auf Grund des Teils 2 erlässt, der Widerspruchsausschuss der Bundesagentur für Arbeit.
§ 119 Widerspruchsausschuss bei dem
Integrationsamt
(1) Bei jedem Integrationsamt besteht ein Widerspruchsausschuss aus sieben Mitgliedern,
und zwar aus
226
A MTLICHE T EXTE
zwei Mitgliedern, die schwerbehinderte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind,
zwei Mitgliedern, die Arbeitgeber sind,
einem Mitglied, das das Integrationsamt vertritt,
einem Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit vertritt,
einer Vertrauensperson schwerbehinderter
Menschen.
(2) Für jedes Mitglied wird ein Stellvertreter
oder eine Stellvertreterin berufen.
(3) Das Integrationsamt beruft
auf Vorschlag der Organisationen behinderter
Menschen des jeweiligen Landes die Mitglieder, die Arbeitnehmer sind,
auf Vorschlag der jeweils für das Land zuständigen Arbeitgeberverbände die Mitglieder, die
Arbeitgeber sind, sowie
die Vertrauensperson.
Die zuständige oberste Landesbehörde oder
die von ihr bestimmte Behörde beruft das Mitglied, das das Integrationsamt vertritt. Die Bundesagentur für Arbeit beruft das Mitglied, das
sie vertritt.
Entsprechendes gilt für die Berufung des Stellvertreters oder der Stellvertreterin des jeweiligen Mitglieds.
(4) In Kündigungsangelegenheiten schwerbehinderter Menschen, die bei einer Dienststelle
oder in einem Betrieb beschäftigt sind, der
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung gehört, treten an die Stelle
der Mitglieder, die Arbeitgeber sind, Angehörige des öffentlichen Dienstes. Dem Integrationsamt werden ein Mitglied und sein Stellvertreter oder seine Stellvertreterin von den von
der Bundesregierung bestimmten Bundesbehörden benannt. Eines der Mitglieder, die
schwerbehinderte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind, muss dem öffentlichen
Dienst angehören.
(5) Die Amtszeit der Mitglieder der Widerspruchsausschüsse beträgt vier Jahre. Die Mitglieder der Ausschüsse üben ihre Tätigkeit unentgeltlich aus.
spruchsausschüsse ein, die aus sieben Mitgliedern bestehen, und zwar aus
zwei Mitgliedern, die schwerbehinderte Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind,
zwei Mitgliedern, die Arbeitgeber sind,
einem Mitglied, das das Integrationsamt vertritt,
einem Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit vertritt,
einer Vertrauensperson
Menschen.
schwerbehinderter
(2) Für jedes Mitglied wird ein Stellvertreter
oder eine Stellvertreterin berufen.
(3) Die Bundesagentur für Arbeit beruft
die Mitglieder, die Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen sind, auf Vorschlag der jeweils
zuständigen Organisationen behinderter Menschen, der im Benehmen mit den jeweils zuständigen Gewerkschaften, die für die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen wesentliche
Bedeutung haben, gemacht wird,
die Mitglieder, die Arbeitgeber sind, auf Vorschlag der jeweils zuständigen Arbeitgeberverbände, soweit sie für die Vertretung von Arbeitgeberinteressen wesentliche Bedeutung
haben, sowie
das Mitglied, das die Bundesagentur für Arbeit
vertritt und
die Vertrauensperson.
Die zuständige oberste Landesbehörde oder
die von ihr bestimmte Behörde beruft das Mitglied, das das Integrationsamt vertritt. Entsprechend gilt für die Berufung des Stellvertreters
oder der Stellvertreterin des jeweiligen Mitglieds.
(4) § 119 Abs. 5 gilt entsprechend.
§ 121 Verfahrensvorschriften
(1) Für den Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt (§ 119) und die Widerspruchsausschüsse bei der Bundesagentur für Arbeit (§
120) gilt § 106 Abs. 1 und 2 entsprechend.
§ 120 Widerspruchsausschüsse der Bundesagentur für Arbeit
(2) Im Widerspruchsverfahren nach Teil 2 Kapitel 4 werden der Arbeitgeber und der schwerbehinderte Mensch vor der Entscheidung gehört; in den übrigen Fällen verbleibt es bei der
Anhörung des Widerspruchsführers.
(1) Die Bundesagentur für Arbeit richtet Wider-
(3) Die Mitglieder der Ausschüsse können we-
227
SGB IX
gen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt
werden. Über die Ablehnung entscheidet der
Ausschuss, dem das Mitglied angehört.
Kapitel 10
SONSTIGE VORSCHRIFTEN
§ 122 Vorrang der schwerbehinderten
Menschen
Verpflichtungen zur bevorzugten Einstellung
und Beschäftigung bestimmter Personenkreise
nach anderen Gesetzen entbinden den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nach den
besonderen Regelungen für schwerbehinderte
Menschen.
§ 123 Arbeitsentgelt und Dienstbezüge
(1) Bei der Bemessung des Arbeitsentgelts und
der Dienstbezüge aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis werden Renten und vergleichbare Leistungen, die wegen der Behinderung bezogen werden, nicht berücksichtigt.
Die völlige oder teilweise Anrechnung dieser
Leistungen auf das Arbeitsentgelt oder die
Dienstbezüge ist unzulässig.
(2) Absatz 1 gilt nicht für Zeiträume, in denen
die Beschäftigung tatsächlich nicht ausgeübt
wird und die Vorschriften über die Zahlung der
Rente oder der vergleichbaren Leistung eine
Anrechnung oder ein Ruhen vorsehen, wenn
Arbeitsentgelt oder Dienstbezüge gezahlt werden.
§ 124 Mehrarbeit
Schwerbehinderte Menschen werden auf ihr
Verlangen von Mehrarbeit freigestellt.
§ 125 Zusatzurlaub
(1) Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub
von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr; verteilt
sich die regelmäßige Arbeitszeit des schwerbehinderten Menschen auf mehr oder weniger
als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Zusatzurlaub
entsprechend. Soweit tarifliche, betriebliche
oder sonstige Urlaubsregelungen für schwerbehinderte Menschen einen längeren Zusatzurlaub vorsehen, bleiben sie unberührt.
(2) Besteht die Schwerbehinderteneigenschaft
nicht während des gesamten Kalenderjahres,
so hat der schwerbehinderte Mensch für jeden
vollen Monat der im Beschäftigungsverhältnis
vorliegenden
Schwerbehinderteneigenschaft
einen Anspruch auf ein Zwölftel des Zusatzurlaubs nach Absatz 1 Satz 1. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag
ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden. Der so ermittelte Zusatzurlaub ist dem Erholungsurlaub hinzuzurechnen und kann bei
einem nicht im ganzen Kalenderjahr bestehenden Beschäftigungsverhältnis nicht erneut gemindert werden.
(3) Wird die Eigenschaft als schwerbehinderter
Mensch nach § 69 Abs. 1 und 2 rückwirkend
festgestellt, finden auch für die Übertragbarkeit des Zusatzurlaubs in das nächste Kalenderjahr die dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden urlaubsrechtlichen Regelungen
Anwendung.
§ 126 Nachteilsausgleich
(1) Die Vorschriften über Hilfen für behinderte
Menschen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen
(Nachteilsausgleich) werden so gestaltet, dass
sie unabhängig von der Ursache der Behinderung der Art oder Schwere der Behinderung
Rechnung tragen.
(2) Nachteilsausgleiche, die auf Grund bisher
geltender Rechtsvorschriften erfolgen, bleiben
unberührt.
§ 127 Beschäftigung schwerbehinderter
Menschen in Heimarbeit
(1) Schwerbehinderte Menschen, die in Heimarbeit beschäftigt oder diesen gleichgestellt
sind (§ 1 Abs. 1 und 2 des Heimarbeitsgesetzes) und in der Hauptsache für den gleichen
Auftraggeber arbeiten, werden auf die Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen dieses
Auftraggebers angerechnet.
(2) Für in Heimarbeit beschäftigte und diesen
gleichgestellte schwerbehinderte Menschen
wird die in § 29 Abs. 2 des Heimarbeitsgesetzes festgelegte Kündigungsfrist von zwei Wochen auf vier Wochen erhöht; die Vorschrift
des § 29 Abs. 7 des Heimarbeitsgesetzes ist
sinngemäß anzuwenden. Der besondere Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen
im Sinne des Kapitels 4 gilt auch für die in Satz
1 genannten Personen.
228
A MTLICHE T EXTE
(3) Die Bezahlung des zusätzlichen Urlaubs der
in Heimarbeit beschäftigten oder diesen gleichgestellten schwerbehinderten Menschen erfolgt nach den für die Bezahlung ihres sonstigen Urlaubs geltenden Berechnungsgrundsätzen. Sofern eine besondere Regelung nicht besteht, erhalten die schwerbehinderten Menschen als zusätzliches Urlaubsgeld 2 Prozent
des in der Zeit vom 1. Mai des vergangenen bis
zum 30. April des laufenden Jahres verdienten
Arbeitsentgelts ausschließlich der Unkostenzuschläge.
(4) Schwerbehinderte Menschen, die als fremde Hilfskräfte eines Hausgewerbetreibenden
oder eines Gleichgestellten beschäftigt werden
(§ 2 Abs. 6 des Heimarbeitsgesetzes) können
auf Antrag eines Auftraggebers auch auf dessen Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte
Menschen angerechnet werden, wenn der Arbeitgeber in der Hauptsache für diesen Auftraggeber arbeitet. Wird einem schwerbehinderten Menschen im Sinne des Satzes 1, dessen Anrechnung die Bundesagentur für Arbeit
zugelassen hat, durch seinen Arbeitgeber gekündigt, weil der Auftraggeber die Zuteilung
von Arbeit eingestellt oder die regelmäßige Arbeitsmenge erheblich herabgesetzt hat, erstattet der Auftraggeber dem Arbeitgeber die Aufwendungen für die Zahlung des regelmäßigen
Arbeitsverdienstes an den schwerbehinderten
Menschen bis zur rechtmäßigen Beendigung
seines Arbeitsverhältnisses.
(5) Werden fremde Hilfskräfte eines Hausgewerbetreibenden oder eines Gleichgestellten (§
2 Abs. 6 des Heimarbeitsgesetzes) einem Auftraggeber gemäß Absatz 4 auf seine Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet, erstattet der Auftraggeber die dem
Arbeitgeber nach Absatz 3 entstehenden Aufwendungen.
(6) Die den Arbeitgeber nach § 80 Abs. 1 und
5 treffenden Verpflichtungen gelten auch für
Personen, die Heimarbeit ausgeben.
§ 128 Schwerbehinderte Beamte und
Beamtinnen, Richter und Richterinnen,
Soldaten und Soldatinnen
(1) Die besonderen Vorschriften und Grundsätze für die Besetzung der Beamtenstellen sind
unbeschadet der Geltung des Teils 2 auch für
schwerbehinderte Beamte und Beamtinnen so
zu gestalten, dass die Einstellung und Beschäf-
tigung schwerbehinderter Menschen gefördert
und ein angemessener Anteil schwerbehinderter Menschen unter den Beamten und Beamtinnen erreicht wird.
(2) (weggefallen)
(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden auf
Richter und Richterinnen entsprechende Anwendung.
(4) Für die persönliche Rechtsstellung schwerbehinderter Soldaten und Soldatinnen gelten §
2 Abs. 1 und 2, §§ 69, 93 bis 99, 116 Abs. 1
sowie §§ 123, 125, 126 und 145 bis 147. Im
Übrigen gelten für Soldaten und Soldatinnen
die Vorschriften über die persönliche Rechtsstellung der schwerbehinderten Menschen, soweit sie mit den Besonderheiten des Dienstverhältnisses vereinbar sind.
§ 129 Unabhängige Tätigkeit
Soweit zur Ausübung einer unabhängigen Tätigkeit eine Zulassung erforderlich ist, soll
schwerbehinderten Menschen, die eine Zulassung beantragen, bei fachlicher Eignung und
Erfüllung der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen die Zulassung bevorzugt erteilt werden.
§ 130 Geheimhaltungspflicht
(1) Die Beschäftigten der Integrationsämter, der
Bundesagentur für Arbeit, der Rehabilitationsträger einschließlich ihrer Beschäftigten in gemeinsamen Servicestellen sowie der von diesen
Stellen beauftragten Integrationsfachdienste
und die Mitglieder der Ausschüsse und des Beirates für die Teilhabe behinderter Menschen (§
64) und ihre Stellvertreter oder Stellvertreterinnen sowie zur Durchführung ihrer Aufgaben
hinzugezogene Sachverständige sind verpflichtet,
1. über ihnen wegen ihres Amtes oder Auftrages bekannt gewordene persönliche Verhältnisse und Angelegenheiten von Beschäftigten auf Arbeitsplätzen für schwerbehinderte
Menschen, die ihrer Bedeutung oder ihrem
Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung
bedürfen, Stillschweigen zu bewahren, und
2. ihnen wegen ihres Amtes oder Auftrages
bekannt gewordene und vom Arbeitgeber
ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig
bezeichnete Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse nicht zu offenbaren und nicht zu
verwerten.
229
SGB IX
(2) Diese Pflichten gelten auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt oder nach Beendigung
des Auftrages. Sie gelten nicht gegenüber der
Bundesagentur für Arbeit, den Integrationsämtern und den Rehabilitationsträgern, soweit
deren Aufgaben gegenüber schwerbehinderten Menschen es erfordern, gegenüber der
Schwerbehindertenvertretung sowie gegenüber den in § 79 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes und den in den entsprechenden
Vorschriften des Personalvertretungsrechts genannten Vertretungen, Personen und Stellen.
§ 131 Statistik
(1) Über schwerbehinderte Menschen wird alle
zwei Jahre eine Bundesstatistik durchgeführt.
2Sie umfasst folgende Tatbestände:
1. die Zahl der schwerbehinderten Menschen
mit gültigem Ausweis,
2. persönliche Merkmale schwerbehinderter
Menschen wie Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Wohnort,
3. Art, Ursache und Grad der Behinderung.
(2) Für die Erhebung besteht Auskunftspflicht.
2Auskunftspflichtig sind die nach § 69 Abs. 1
und 5 zuständigen Behörden.
Kapitel 11
I N T E G R AT I O N S P R O J E K T E
§ 132 Begriff und Personenkreis
(1) Integrationsprojekte sind rechtlich und wirtschaftlich selbstständige Unternehmen (Integrationsunternehmen) oder unternehmensinterne oder von öffentlichen Arbeitgebern im
Sinne des § 71 Abs. 3 geführte Betriebe (Integrationsbetriebe) oder Abteilungen (Integrationsabteilungen) zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, deren Teilhabe an einer sonstigen
Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund von Art oder Schwere der Behinderung oder wegen sonstiger Umstände voraussichtlich trotz Ausschöpfens aller Fördermöglichkeiten und des Einsatzes von Integrationsfachdiensten auf besondere Schwierigkeiten stößt.
(2) Schwerbehinderte Menschen nach Absatz 1
sind insbesondere
1. schwerbehinderte Menschen mit geistiger
oder seelischer Behinderung oder mit einer
schweren Körper-, Sinnes- oder Mehrfachbehinderung, die sich im Arbeitsleben besonders nachteilig auswirkt und allein oder zusammen mit weiteren vermittlungshemmenden Umständen die Teilhabe am allgemeinen
Arbeitsmarkt außerhalb eines Integrationsprojekts erschwert oder verhindert,
2. schwerbehinderte Menschen, die nach zielgerichteter Vorbereitung in einer Werkstatt
für behinderte Menschen oder in einer psychiatrischen Einrichtung für den Übergang in
einen Betrieb oder eine Dienststelle auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt in Betracht kommen und auf diesen Übergang vorbereitet
werden sollen, sowie
3. schwerbehinderte Menschen nach Beendigung einer schulischen Bildung, die nur
dann Aussicht auf eine Beschäftigung auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben, wenn
sie zuvor in einem Integrationsprojekt an berufsvorbereitenden
Bildungsmaßnahmen
teilnehmen und dort beschäftigt und weiterqualifiziert werden.
(3) Integrationsunternehmen beschäftigen mindestens 25 Prozent schwerbehinderte Menschen im Sinne von Absatz 1. Der Anteil der
schwerbehinderten Menschen soll in der Regel
50 Prozent nicht übersteigen.
§ 133 Aufgaben
Die Integrationsprojekte bieten den schwerbehinderten Menschen Beschäftigung und arbeitsbegleitende Betreuung an, soweit erforderlich auch Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung oder Gelegenheit zur Teilnahme an
entsprechenden außerbetrieblichen Maßnahmen und Unterstützung bei der Vermittlung in
eine sonstige Beschäftigung in einem Betrieb
oder einer Dienststelle auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt sowie geeignete Maßnahmen zur
Vorbereitung auf eine Beschäftigung in einem
Integrationsprojekt.
§ 134 Finanzielle Leistungen
Integrationsprojekte können aus Mitteln der
Ausgleichsabgabe Leistungen für Aufbau, Erweiterung, Modernisierung und Ausstattung
einschließlich einer betriebswirtschaftlichen Beratung und für besonderen Aufwand erhalten.
230
A MTLICHE T EXTE
§ 135 Verordnungsermächtigung
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundesrates das Nähere über
den Begriff und die Aufgaben der Integrationsprojekte, die für sie geltenden fachlichen Anforderungen, die Aufnahmevoraussetzungen
und die finanziellen Leistungen zu regeln.
Kapitel 12
WERKSTÄTTEN
MENSCHEN
F Ü R B E H I N D E RT E
§ 136 Begriff und Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen
(1) Die Werkstatt für behinderte Menschen ist
eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Sinne des Kapitels 5
des Teils 1 und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie hat denjenigen behinderten
Menschen, die wegen Art oder Schwere der
Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht
wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können,
1. eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung
angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten und
2. zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln,
zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln.
Sie fördert den Übergang geeigneter Personen
auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen. Sie verfügt über ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und
Arbeitsplätzen sowie über qualifiziertes Personal und einen begleitenden Dienst.
(2) Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1 unabhängig
von Art oder Schwere der Behinderung offen,
sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung
erbringen werden. Dies ist nicht der Fall bei behinderten Menschen, bei denen trotz einer der
Behinderung angemessenen Betreuung eine
erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu
erwarten ist oder das Ausmaß der erforderli-
chen Betreuung und Pflege die Teilnahme an
Maßnahmen im Berufsbildungsbereich oder
sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen.
(3) Behinderte Menschen, die die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstatt nicht erfüllen, sollen in Einrichtungen
oder Gruppen betreut und gefördert werden,
die der Werkstatt angegliedert sind.
§ 137 Aufnahme in die Werkstätten für
behinderte Menschen
(1) Anerkannte Werkstätten nehmen diejenigen behinderten Menschen aus ihrem Einzugsgebiet auf, die die Aufnahmevoraussetzungen
gemäß § 136 Abs. 2 erfüllen, wenn Leistungen
durch die Rehabilitationsträger gewährleistet
sind; die Möglichkeit zur Aufnahme in eine andere anerkannte Werkstatt nach Maßgabe des
§ 9 des Zwölften Buches oder entsprechender
Regelungen bleibt unberührt. Die Aufnahme
erfolgt unabhängig von
1. der Ursache der Behinderung,
2. der Art der Behinderung, wenn in dem Einzugsgebiet keine besondere Werkstatt für
behinderte Menschen für diese Behinderungsart vorhanden ist, und
3. der Schwere der Behinderung, der Minderung der Leistungsfähigkeit und einem besonderen Bedarf an Förderung, begleitender
Betreuung oder Pflege.
(2) Behinderte Menschen werden in der Werkstatt beschäftigt, solange die Aufnahmevoraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen.
§ 138 Rechtsstellung und Arbeitsentgelt
behinderter Menschen
(1) Behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten stehen, wenn sie nicht
Arbeitnehmer sind, zu den Werkstätten in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis,
soweit sich aus dem zugrunde liegenden Sozialleistungsverhältnis nichts anderes ergibt.
(2) Die Werkstätten zahlen aus ihrem Arbeitsergebnis an die im Arbeitsbereich beschäftigten
behinderten Menschen ein Arbeitsentgelt, das
sich aus einem Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften
behinderten Menschen im Berufsbildungsbe-
231
SGB IX
reich zuletzt leistet, und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag zusammensetzt.
Der Steigerungsbetrag bemisst sich nach der
individuellen Arbeitsleistung der behinderten
Menschen, insbesondere unter Berücksichtigung von Arbeitsmenge und Arbeitsgüte.
(3) Der Inhalt des arbeitnehmerähnlichen
Rechtsverhältnisses wird unter Berücksichtigung des zwischen den behinderten Menschen
und dem Rehabilitationsträger bestehenden
Sozialleistungsverhältnisses durch Werkstattverträge zwischen den behinderten Menschen
und dem Träger der Werkstatt näher geregelt.
(4) Hinsichtlich der Rechtsstellung der Teilnehmer an Maßnahmen im Eingangsverfahren und
im Berufsbildungsbereich gilt § 36 entsprechend.
(5) Ist ein volljähriger behinderter Mensch gemäß Absatz 1 in den Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen
im Sinne des § 136 aufgenommen worden
und war er zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig, so gilt der von ihm geschlossene Werkstattvertrag in Ansehung einer bereits bewirkten Leistung und deren Gegenleistung, soweit
diese in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, als wirksam.
(6) War der volljährige behinderte Mensch bei
Abschluss eines Werkstattvertrages geschäftsunfähig, so kann der Träger einer Werkstatt
das Werkstattverhältnis nur unter den Voraussetzungen für gelöst erklären, unter denen ein
wirksamer Vertrag seitens des Trägers einer
Werkstatt gekündigt werden kann.
(7) Die Lösungserklärung durch den Träger einer Werkstatt bedarf der schriftlichen Form
und ist zu begründen.
§ 139 Mitwirkung
(1) Die in § 138 Abs. 1 genannten behinderten
Menschen wirken unabhängig von ihrer Geschäftsfähigkeit durch Werkstatträte in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten
der Werkstatt mit. Die Werkstatträte berücksichtigen die Interessen der im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten tätigen behinderten Menschen in angemessener und geeigneter Weise, solange für
diese eine Vertretung nach § 36 nicht besteht.
(2) Ein Werkstattrat wird in Werkstätten gewählt; er setzt sich aus mindestens drei Mit-
gliedern zusammen.
(3) Wahlberechtigt zum Werkstattrat sind alle
in § 138 Abs. 1 genannten behinderten Menschen; von ihnen sind die behinderten Menschen wählbar, die am Wahltag seit mindestens sechs Monaten in der Werkstatt beschäftigt sind.
(4) Die Werkstätten für behinderte Menschen
unterrichten die Personen, die behinderte
Menschen gesetzlich vertreten oder mit ihrer
Betreuung beauftragt sind, einmal im Kalenderjahr in einer Eltern- und Betreuerversammlung in angemessener Weise über die Angelegenheiten der Werkstatt, auf die sich die Mitwirkung erstreckt, und hören sie dazu an. In
den Werkstätten kann im Einvernehmen mit
dem Träger der Werkstatt ein Eltern- und Betreuerbeirat errichtet werden, der die Werkstatt und den Werkstattrat bei ihrer Arbeit berät und durch Vorschläge und Stellungnahmen
unterstützt.
§ 140 Anrechnung von Aufträgen auf
die Ausgleichsabgabe
(1) Arbeitgeber, die durch Aufträge an anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen
zur Beschäftigung behinderter Menschen beitragen, können 50 vom Hundert des auf die
Arbeitsleistung der Werkstatt entfallenden
Rechnungsbetrages solcher Aufträge (Gesamtrechnungsbetrag abzüglich Materialkosten) auf
die Ausgleichsabgabe anrechnen. Dabei wird
die Arbeitsleistung des Fachpersonals zur Arbeits- und Berufsförderung berücksichtigt,
nicht hingegen die Arbeitsleistung sonstiger
nichtbehinderter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 3Bei Weiterveräußerung von Erzeugnissen anderer anerkannter Werkstätten
für behinderte Menschen wird die von diesen
erbrachte Arbeitsleistung berücksichtigt. Die
Werkstätten bestätigen das Vorliegen der Anrechnungsvoraussetzungen in der Rechnung.
(2) Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass
1. die Aufträge innerhalb des Jahres, in dem
die Verpflichtung zur Zahlung der Ausgleichsabgabe entsteht, von der Werkstatt
für behinderte Menschen ausgeführt und
vom Auftraggeber bis spätestens 31. März
des Folgejahres vergütet werden und
2. es sich nicht um Aufträge handelt, die Träger
einer Gesamteinrichtung an Werkstätten für
232
A MTLICHE T EXTE
behinderte Menschen vergeben, die rechtlich unselbstständige Teile dieser Einrichtung
sind.
(3) Bei der Vergabe von Aufträgen an Zusammenschlüsse anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen gilt Absatz 2 entsprechend.
§ 141 Vergabe von Aufträgen durch die
öffentliche Hand
Aufträge der öffentlichen Hand, die von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen
ausgeführt werden können, werden bevorzugt
diesen Werkstätten angeboten. Die Bundesregierung erlässt mit Zustimmung des Bundesrates hierzu allgemeine Verwaltungsvorschriften.
§ 142 Anerkennungsverfahren
Werkstätten für behinderte Menschen, die eine
Vergünstigung im Sinne dieses Kapitels in Anspruch nehmen wollen, bedürfen der Anerkennung. Die Entscheidung über die Anerkennung
trifft auf Antrag die Bundesagentur für Arbeit
im Einvernehmen mit dem überörtlichen Träger
der Sozialhilfe. Die Bundesagentur für Arbeit
führt ein Verzeichnis der anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen. In dieses Verzeichnis werden auch Zusammenschlüsse anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen
aufgenommen.
§ 143 Blindenwerkstätten
Die §§ 140 und 141 sind auch zugunsten von
auf Grund des Blindenwarenvertriebsgesetzes
anerkannten Blindenwerkstätten anzuwenden.
§ 144 Verordnungsermächtigungen
(1) Die Bundesregierung bestimmt durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über den Begriff und die
Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen, die Aufnahmevoraussetzungen, die
fachlichen Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der Wirtschaftsführung sowie des Begriffs und der Verwendung des Arbeitsergebnisses sowie das Verfahren zur Anerkennung
als Werkstatt für behinderte Menschen.
(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestimmt durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundesrates im Einzelnen die
Errichtung, Zusammensetzung und Aufgaben
des Werkstattrats, die Fragen, auf die sich die
Mitwirkung erstreckt, einschließlich Art und
Umfang der Mitwirkung, die Vorbereitung und
Durchführung der Wahl, einschließlich der
Wahlberechtigung und der Wählbarkeit, die
Amtszeit sowie die Geschäftsführung des
Werkstattrats einschließlich des Erlasses einer
Geschäftsordnung und der persönlichen Rechte und Pflichten der Mitglieder des Werkstattrats und der Kostentragung. Die Rechtsverordnung kann darüber hinaus bestimmen, dass
die in ihr getroffenen Regelungen keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen finden, soweit sie eigene
gleichwertige Regelungen getroffen haben.
Kapitel 13
U N E N T G E LT L I C H E B E F Ö R D E R U N G
S C H W E R B E H I N D E RT E R M E N S C H E N
IM ÖFFENTLICHEN
PERSONENVERKEHR
§ 145 Unentgeltliche Beförderung,
Anspruch auf Erstattung der Fahrgeldausfälle
(1) Schwerbehinderte Menschen, die infolge
ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit
im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt
oder hilflos oder gehörlos sind, werden von
Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69
Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs.
1 unentgeltlich befördert; die unentgeltliche
Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagpflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen
Entrichtung eines Betrages von 60 Euro für ein
Jahr oder 30 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben. Wird sie vor Ablauf der Gültigkeitsdauer
zurückgegeben, wird auf Antrag für jeden vollen Kalendermonat ihrer Gültigkeit nach Rückgabe ein Betrag von 5 Euro erstattet, sofern
der zu erstattende Betrag 15 Euro nicht unterschreitet; Entsprechendes gilt für jeden vollen
Kalendermonat nach dem Tod des schwerbehinderten Menschen. Auf Antrag wird eine für
ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Satz 3 zu entrichten ist, an schwerbehinderte Menschen ausgegeben,
233
SGB IX
1. die blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des
Zwölften Buches oder entsprechender Vorschriften oder hilflos im Sinne des § 33b des
Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften sind oder
2. die Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz oder die Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem Zweiten
Buch oder für den Lebensunterhalt laufende
Leistungen nach dem Zwölften Buch, dem
Achten Buch oder den §§ 27a und 27d des
Bundesversorgungsgesetzes erhalten oder
3. die am 1. Oktober 1979 die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 und Abs. 3
des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung von Kriegs- und Wehrdienstbeschädigten sowie von anderen Behinderten im
Nahverkehr vom 27. August 1965 (BGBl. I S.
978), das zuletzt durch Artikel 41 des Zuständigkeitsanpassungs-Gesetzes vom 18.
März 1975 (BGBl. I S. 705) geändert worden
ist, erfüllten, solange der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge der anerkannten Schädigung auf wenigstens 70 Prozent festgestellt ist oder auf wenigstens 50
Prozent festgestellt ist und sie infolge der
Schädigung erheblich gehbehindert sind;
das Gleiche gilt für schwerbehinderte Menschen, die diese Voraussetzungen am 1. Oktober 1979 nur deshalb nicht erfüllt haben,
weil sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt in dem
in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten.
Die Wertmarke wird nicht ausgegeben, solange der Ausweis einen gültigen Vermerk über
die Inanspruchnahme von Kraftfahrzeugsteuerermäßigung trägt. Die Ausgabe der Wertmarken erfolgt auf Antrag durch die nach § 69
Abs. 5 zuständigen Behörden. 8Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann
die Aufgaben nach Absatz 1 Satz 3 bis 5 ganz
oder teilweise auf andere Behörden übertragen. 9Für Streitigkeiten in Zusammenhang mit
der Ausgabe der Wertmarke gilt § 51 Abs. 1
Nr. 7 des Sozialgerichtsgesetzes entsprechend.
(2) Das gleiche gilt im Nah- und Fernverkehr im
Sinne des § 147, ohne dass die Voraussetzung
des Absatzes 1 Satz 2 erfüllt sein muss, für die
Beförderung
1. einer Begleitperson eines schwerbehinderten
Menschen im Sinne des Absatzes 1, wenn
die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen und dies im Ausweis des schwerbehinderten Menschen eingetragen ist, und
2. des Handgepäcks, eines mitgeführten Krankenfahrstuhles, soweit die Beschaffenheit
des Verkehrsmittels dies zulässt, sonstiger
orthopädischer Hilfsmittel und eines Führhundes; das Gleiche gilt für einen Hund, den
ein schwerbehinderter Mensch mitführt, in
dessen Ausweis die Notwendigkeit einer
ständigen Begleitung eingetragen ist und
der ohne Begleitperson fährt.
(3) Die durch die unentgeltliche Beförderung
nach den Absätzen 1 und 2 entstehenden
Fahrgeldausfälle werden nach Maßgabe der §§
148 bis 150 erstattet.
§ 146 Persönliche Voraussetzungen
(1) In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch
durch innere Leiden oder infolge von Anfällen
oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit)
nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder
nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag,
die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt
werden. Der Nachweis der erheblichen Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr kann bei schwerbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von
wenigstens 80 nur mit einem Ausweis mit halbseitigem orangefarbenem Flächenaufdruck und
eingetragenem Merkzeichen G geführt werden,
dessen Gültigkeit frühestens mit dem 1. April
1984 beginnt, oder auf dem ein entsprechender Änderungsvermerk eingetragen ist.
(2) Zur Mitnahme einer Begleitperson sind
schwerbehinderte Menschen berechtigt, die
bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig
auf Hilfe angewiesen sind. Die Feststellung bedeutet nicht, dass die schwerbehinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für sich oder für andere darstellt.
§ 147 Nah- und Fernverkehr
(1) Nahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist der
öffentliche Personenverkehr mit
1. Straßenbahnen und Obussen im Sinne des
Personenbeförderungsgesetzes,
234
A MTLICHE T EXTE
2. Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach den
§§ 42 und 43 des Personenbeförderungsgesetzes auf Linien, bei denen die Mehrzahl
der Beförderungen eine Strecke von 50 Kilometer nicht übersteigt, es sei denn, dass bei
den Verkehrsformen nach § 43 des Personenbeförderungsgesetzes die Genehmigungsbehörde auf die Einhaltung der Vorschriften über die Beförderungsentgelte gemäß § 45 Abs. 3 des Personenbeförderungsgesetzes ganz oder teilweise verzichtet hat,
3. S-Bahnen in der 2. Wagenklasse,
4. Eisenbahnen in der 2. Wagenklasse in Zügen
und auf Strecken und Streckenabschnitten,
die in ein von mehreren Unternehmern gebildetes, mit den unter Nummer 1, 2 oder 7
genannten Verkehrsmitteln zusammenhängendes Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten einbezogen sind,
5. Eisenbahnen des Bundes in der 2. Wagenklasse in Zügen, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Nahverkehr zu befriedigen (Züge des Nahverkehrs), im Umkreis von 50 Kilometer um den
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des
schwerbehinderten Menschen,
6. sonstigen Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs im Sinne des § 2 Abs. 1 und § 3 Abs.
1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes in der
2. Wagenklasse auf Strecken, bei denen die
Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke
von 50 Kilometer nicht überschreiten,
7. Wasserfahrzeugen im Linien-, Fähr- und
Übersetzverkehr, wenn dieser der Beförderung von Personen im Orts- und Nachbarschaftsbereich dient und Ausgangs- und
Endpunkt innerhalb dieses Bereiches liegen;
Nachbarschaftsbereich ist der Raum zwischen benachbarten Gemeinden, die, ohne
unmittelbar aneinander grenzen zu müssen,
durch einen stetigen, mehr als einmal am
Tag durchgeführten Verkehr wirtschaftlich
und verkehrsmäßig verbunden sind.
(2) Fernverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist der
öffentliche Personenverkehr mit
1. Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach § 42
des Personenbeförderungsgesetzes,
2. Eisenbahnen, ausgenommen den Sonderzugverkehr,
3. Wasserfahrzeugen im Fähr- und Übersetzverkehr, sofern keine Häfen außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzbuchs angelaufen werden, soweit der Verkehr nicht Nahverkehr im Sinne des Absatzes 1 ist.
(3) Die Unternehmer, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, weisen im öffentlichen
Personenverkehr nach Absatz 1 Nr. 2, 5, 6 und
7 im Fahrplan besonders darauf hin, inwieweit
eine Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung
nach § 145 Abs. 1 nicht besteht.
§ 148 Erstattung der Fahrgeldausfälle im
Nahverkehr
(1) Die Fahrgeldausfälle im Nahverkehr werden
nach einem Prozentsatz der von den Unternehmern nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen im
Nahverkehr erstattet.
(2) Fahrgeldeinnahmen im Sinne dieses Kapitels sind alle Erträge aus dem Fahrkartenverkauf zum genehmigten Beförderungsentgelt;
sie umfassen auch Erträge aus der Beförderung
von Handgepäck, Krankenfahrstühlen, sonstigen orthopädischen Hilfsmitteln, Tieren sowie
aus erhöhten Beförderungsentgelten.
(3) Werden in einem von mehreren Unternehmern gebildeten zusammenhängenden Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten die Erträge aus dem Fahrkartenverkauf zusammengefasst und dem einzelnen Unternehmer anteilmäßig nach einem vereinbarten Verteilungsschlüssel zugewiesen, so
ist der zugewiesene Anteil Ertrag im Sinne des
Absatzes 2.
(4) Der Prozentsatz im Sinne des Absatzes 1
wird für jedes Land von der Landesregierung
oder der von ihr bestimmten Behörde für jeweils ein Jahr bekannt gemacht. Bei der Berechnung des Prozentsatzes ist von folgenden
Zahlen auszugehen:
1. der Zahl der in dem Land in dem betreffenden Kalenderjahr ausgegebenen Wertmarken und der Hälfte der in dem Land am Jahresende in Umlauf befindlichen gültigen
Ausweise im Sinne des § 145 Abs. 1 Satz 1
von schwerbehinderten Menschen, die das
sechste Lebensjahr vollendet haben und bei
denen die Berechtigung zur Mitnahme einer
Begleitperson im Ausweis eingetragen ist;
Wertmarken mit einer Gültigkeitsdauer von
einem halben Jahr werden zur Hälfte, zu-
235
SGB IX
rückgegebene Wertmarken für jeden vollen
Kalendermonat vor Rückgabe zu einem
Zwölftel gezählt,
2. der in den jährlichen Veröffentlichungen des
Statistischen Bundesamtes zum Ende des
Vorjahres nachgewiesenen Zahl der Wohnbevölkerung in dem Land abzüglich der Zahl
der Kinder, die das sechste Lebensjahr noch
nicht vollendet haben, und der Zahlen nach
Nummer 1.
Der Prozentsatz ist nach folgender Formel zu
berechnen:
Nach Nummer 1 errechnete Zahl
------------------------------------------ x 100.
Nach Nummer 2 errechnete Zahl
Bei der Festsetzung des Prozentsatzes sich ergebende Bruchteile von 0,005 und mehr werden auf ganze Hundertstel aufgerundet, im
Übrigen abgerundet.
(5) Weist ein Unternehmen durch Verkehrszählung nach, dass das Verhältnis zwischen den
nach diesem Kapitel unentgeltlich beförderten
Fahrgästen und den sonstigen Fahrgästen den
nach Absatz 4 festgesetzten Prozentsatz um
mindestens ein Drittel übersteigt, wird neben
dem sich aus der Berechnung nach Absatz 4
ergebenden Erstattungsbetrag auf Antrag der
nachgewiesene, über dem Drittel liegende Anteil erstattet. Die Länder können durch Rechtsverordnung bestimmen, dass die Verkehrszählung durch Dritte auf Kosten des Unternehmens zu erfolgen hat.
§ 149 Erstattung der Fahrgeldausfälle im
Fernverkehr
(1) Die Fahrgeldausfälle im Fernverkehr werden
nach einem Prozentsatz der von den Unternehmern nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen im
Fernverkehr erstattet.
(2) Der maßgebende Prozentsatz wird vom
Bundesministerium für Arbeit und Soziales im
Einvernehmen mit dem Bundesministerium der
Finanzen und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für jeweils
zwei Jahre bekannt gemacht. Bei der Berechnung des Prozentsatzes ist von folgenden, für
das letzte Jahr vor Beginn des Zweijahreszeitraumes vorliegenden Zahlen auszugehen:
1. der Zahl der im Geltungsbereich dieses Gesetzes am Jahresende in Umlauf befindlichen
gültigen Ausweise nach § 145 Abs. 1 Satz 1,
auf denen die Berechtigung zur Mitnahme
einer Begleitperson eingetragen ist, abzüglich 25 Prozent,
2. der in den jährlichen Veröffentlichungen des
Statistischen Bundesamtes zum Jahresende
nachgewiesenen Zahl der Wohnbevölkerung
im Geltungsbereich dieses Gesetzes abzüglich der Zahl der Kinder, die das vierte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und
der nach Nummer 1 ermittelten Zahl.
Der Prozentsatz ist nach folgender Formel zu
errechnen:
Nach Nummer 1 errechnete Zahl
------------------------------------------- x 100.
Nach Nummer 2 errechnete Zahl
§ 148 Abs. 4 letzter Satz gilt entsprechend.
§ 150 Erstattungsverfahren
(1) Die Fahrgeldausfälle werden auf Antrag des
Unternehmers erstattet. Bei einem von mehreren Unternehmern gebildeten zusammenhängenden Liniennetz mit einheitlichen oder verbundenen Beförderungsentgelten können die
Anträge auch von einer Gemeinschaftseinrichtung dieser Unternehmer für ihre Mitglieder
gestellt werden. Der Antrag ist bis zum 31. Dezember für das vorangegangene Kalenderjahr
zu stellen, und zwar für den Nahverkehr nach
§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und für den Fernverkehr an das Bundesverwaltungsamt, für den
übrigen Nahverkehr bei den in Absatz 3 bestimmten Behörden.
(2) Die Unternehmer erhalten auf Antrag Vorauszahlungen für das laufende Kalenderjahr in
Höhe von insgesamt 80 Prozent des zuletzt für
ein Jahr festgesetzten Erstattungsbetrages. Die
Vorauszahlungen werden je zur Hälfte am 15.
Juli und am 15. November gezahlt. Der Antrag
auf Vorauszahlungen gilt zugleich als Antrag
im Sinne des Absatzes 1. Die Vorauszahlungen
sind zurückzuzahlen, wenn Unterlagen, die für
die Berechnung der Erstattung erforderlich
sind, nicht bis zum 31. Dezember des auf die
Vorauszahlung folgenden Kalenderjahres vorgelegt sind.
(3) Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle legt die Behörden fest, die über
die Anträge auf Erstattung und Vorauszahlung
entscheiden und die auf den Bund und das
Land entfallenden Beträge auszahlen. § 11
Abs. 2 bis 4 des Personenbeförderungsgeset-
236
A MTLICHE T EXTE
zes gilt entsprechend.
(4) Erstreckt sich der Nahverkehr auf das Gebiet mehrerer Länder, entscheiden die nach
Landesrecht zuständigen Landesbehörden dieser Länder darüber, welcher Teil der Fahrgeldeinnahmen jeweils auf den Bereich ihres Landes entfällt.
(5) Die Unternehmen im Sinne des § 151 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1 legen ihren Anträgen an das
Bundesverwaltungsamt den Anteil der nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen im Nahverkehr
zugrunde, der auf den Bereich des jeweiligen
Landes entfällt; für den Nahverkehr von Eisenbahnen des Bundes im Sinne des § 147 Abs. 1
Satz 1 Nr. 5 bestimmt sich dieser Teil nach dem
Anteil der Zugkilometer, die von einer Eisenbahn des Bundes mit Zügen des Nahverkehrs
im jeweiligen Land erbracht werden.
(6) Hinsichtlich der Erstattungen gemäß § 148
für den Nahverkehr nach § 151 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 und gemäß § 149 sowie der entsprechenden Vorauszahlungen nach Absatz 2 wird dieses Kapitel in bundeseigener Verwaltung ausgeführt. Die Verwaltungsaufgaben des Bundes
erledigt das Bundesverwaltungsamt nach fachlichen Weisungen des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales in eigener Zuständigkeit.
(7) Für das Erstattungsverfahren gelten das
Verwaltungsverfahrensgesetz und die entsprechenden Gesetze der Länder. Bei Streitigkeiten
über die Erstattungen und die Vorauszahlungen ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
§ 151 Kostentragung
(1) Der Bund trägt die Aufwendungen für die
unentgeltliche Beförderung
1. im Nahverkehr, soweit Unternehmen, die
sich überwiegend in der Hand des Bundes
oder eines mehrheitlich dem Bund gehörenden Unternehmens befinden (auch in Verkehrsverbünden), erstattungsberechtigte Unternehmer sind,
2. im übrigen Nahverkehr für
a) schwerbehinderte Menschen im Sinne des
§ 145 Abs. 1, die wegen einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50
Prozent Anspruch auf Versorgung nach
dem Bundesversorgungsgesetz oder nach
anderen Bundesgesetzen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes haben oder Ent-
schädigung nach § 28 des Bundesentschädigungsgesetzes erhalten,
b) ihre Begleitperson im Sinne des § 145
Abs. 2 Nr. 1,
c) die mitgeführten Gegenstände im Sinne
des § 145 Abs. 2 Nr. 2 sowie
3. im Fernverkehr für die Begleitperson und die
mitgeführten Gegenstände im Sinne des
§ 145 Abs. 2.
Die Länder tragen die Aufwendungen für die
unentgeltliche Beförderung der übrigen Personengruppen und der mitgeführten Gegenstände im Nahverkehr.
(2) Die nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 auf den
Bund und nach Absatz 1 Satz 2 auf die einzelnen Länder entfallenden Aufwendungen für
die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr
errechnen sich aus dem Anteil der in dem betreffenden Kalenderjahr ausgegebenen Wertmarken und der am Jahresende in Umlauf befindlichen gültigen Ausweise im Sinne des
§ 145 Abs. 1 Satz 1 von schwerbehinderten
Menschen, die das sechste Lebensjahr vollendet haben und bei denen die Berechtigung zur
Mitnahme einer Begleitperson im Ausweis eingetragen ist, der jeweils auf die in Absatz 1 genannten Personengruppen entfällt. Wertmarken mit einer Gültigkeitsdauer von einem halben Jahr werden zur Hälfte, zurückgegebene
Wertmarken für jeden vollen Kalendermonat
vor Rückgabe zu einem Zwölftel gezählt.
(3) Die auf den Bund entfallenden Ausgaben
für die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr werden für Rechnung des Bundes geleistet. Die damit zusammenhängenden Einnahmen werden an den Bund abgeführt. Persönliche und sächliche Verwaltungskosten werden
nicht erstattet.
(4) Auf die für Rechnung des Bundes geleisteten Ausgaben und die mit ihnen zusammenhängenden Einnahmen wird § 4 Abs. 2 des
Ersten Überleitungsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 603-3,
veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2317) geändert worden ist, nicht angewendet.
§ 152 Einnahmen aus Wertmarken
Von den durch die Ausgabe der Wertmarke erzielten jährlichen Einnahmen sind an den Bund
237
SGB IX
abzuführen:
1. die Einnahmen aus der Ausgabe von Wertmarken an schwerbehinderte Menschen im
Sinne des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2,
2. ein bundeseinheitlicher Anteil der übrigen
Einnahmen, der vom Bundesministerium für
Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit
dem Bundesministerium der Finanzen und
dem Bundesministerium für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung für jeweils ein Jahr
bekannt gemacht wird. Er errechnet sich aus
dem Anteil der nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 vom Bund zu tragenden Aufwendungen
an den Gesamtaufwendungen von Bund
und Ländern für die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr, abzüglich der Aufwendungen für die unentgeltliche Beförderung
der in § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten
Personengruppen.
Die durch Ausgabe von Wertmarken an
schwerbehinderte Menschen im Sinne des §
151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erzielten Einnahmen
sind zum 15. Juli und zum 15. November an
den Bund abzuführen. Von den eingegangenen übrigen Einnahmen sind zum 15. Juli und
zum 15. November Abschlagszahlungen in Höhe des Prozentsatzes, der für das jeweilige Vorjahr nach Satz 1 Nr. 2 bekannt gemacht wird,
an den Bund abzuführen. Die auf den Bund
entfallenden Einnahmen sind für jedes Haushaltsjahr abzurechnen.
Abs. 2 zu ermittelnde Höhe der Aufwendungen sowie für die nach § 152 vorzunehmende
Aufteilung der Einnahmen aus der Ausgabe
von Wertmarken. Die zuständigen obersten
Landesbehörden teilen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Ergebnis der
Erfassung nach Satz 1 spätestens bis zum 31.
März des Jahres mit, in dem die Prozentsätze
festzusetzen sind.
§ 153 Erfassung der Ausweise
§ 155 Strafvorschriften
Die für die Ausstellung der Ausweise nach § 69
Abs. 5 zuständigen Behörden erfassen
1. die am Jahresende in Umlauf befindlichen
gültigen Ausweise, getrennt nach
a) Art,
b) besonderen Eintragungen und
c) Zugehörigkeit zu einer der in § 151 Abs. 1
Satz 1 genannten Gruppen,
2. die im Kalenderjahr ausgegebenen Wertmarken, unterteilt nach der jeweiligen Gültigkeitsdauer, und die daraus erzielten Einnahmen, getrennt nach Zugehörigkeit zu einer der in § 151 Abs. 1 Satz 1 genannten
Gruppen
als Grundlage für die nach § 148 Abs. 4 Nr. 1
und § 149 Abs. 2 Nr. 1 zu ermittelnde Zahl der
Ausweise und Wertmarken, für die nach § 151
(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich
gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder
Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen anvertraut worden oder sonst bekannt
geworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 154 Verordnungsermächtigungen
(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, in
der Rechtsverordnung auf Grund des § 70 nähere Vorschriften über die Gestaltung der
Wertmarken, ihre Verbindung mit dem Ausweis und Vermerke über ihre Gültigkeitsdauer
zu erlassen.
(2) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung werden ermächtigt,
durch Rechtsverordnung festzulegen, welche
Zuggattungen von Eisenbahnen des Bundes zu
den Zügen des Nahverkehrs im Sinne des §
147 Abs. 1 Nr. 5 und zu den zuschlagpflichtigen Zügen des Nahverkehrs im Sinne des §
145 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz zählen.
Kapitel 14
S T R A F -, B U ß G E L D - U N D
SCHLUSSVORSCHRIFTEN
(2) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der
Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern
oder einen anderen zu schädigen, so ist die
Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder
Geldstrafe. Ebenso wird bestraft, wer unbefugt
ein fremdes Geheimnis, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, zu dessen
Geheimhaltung er nach Absatz 1 verpflichtet
ist, verwertet.
(3) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.
238
A MTLICHE T EXTE
§ 156 Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich
oder fahrlässig
1. entgegen § 71 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach §
79 Nr. 1, oder § 71 Abs. 1 Satz 3 schwerbehinderte Menschen nicht beschäftigt,
2. entgegen § 80 Abs. 1 ein Verzeichnis nicht,
nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in
der vorgeschriebenen Weise führt oder nicht
oder nicht rechtzeitig vorlegt,
3. entgegen § 80 Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 4 eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise
oder nicht rechtzeitig erstattet,
4. entgegen § 80 Abs. 5 eine Auskunft nicht,
nicht richtig, nicht vollständig oder nicht
rechtzeitig erteilt,
5. entgegen § 80 Abs. 7 Einblick in den Betrieb
oder die Dienststelle nicht oder nicht rechtzeitig gibt,
6. entgegen § 80 Abs. 8 eine dort bezeichnete
Person nicht oder nicht rechtzeitig benennt,
7. entgegen § 81 Abs. 1 Satz 4 oder 9 eine
dort bezeichnete Vertretung oder einen Beteiligten nicht, nicht richtig, nicht vollständig
oder nicht rechtzeitig unterrichtet,
8. entgegen § 81 Abs. 1 Satz 7 eine Entscheidung nicht erörtert, oder
9. entgegen § 95 Abs. 2 Satz 1 die Schwerbehindertenvertretung nicht, nicht richtig,
nicht vollständig oder nicht rechtzeitig unterrichtet oder nicht oder nicht rechtzeitig
hört.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer
Geldbuße bis zu 10.000 Euro geahndet werden.
(3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36
Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Bundesagentur für Arbeit.
(4) § 66 des Zehnten Buches gilt entsprechend.
(5) Die Geldbuße ist an das Integrationsamt abzuführen. Für ihre Verwendung gilt § 77 Abs.
5.
§ 157 Stadtstaatenklausel
(1) Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg wird ermächtigt, die Schwerbehinderten-
vertretung für Angelegenheiten, die mehrere
oder alle Dienststellen betreffen, in der Weise
zu regeln, dass die Schwerbehindertenvertretungen aller Dienststellen eine Gesamtschwerbehindertenvertretung wählen. Für die Wahl
gilt § 94 Abs. 2, 3, 6 und 7 entsprechend.
(2) § 97 Abs. 6 Satz 1 gilt entsprechend.
§ 158 Sonderregelung für den Bundesnachrichtendienst
Für den Bundesnachrichtendienst gilt dieses
Gesetz mit folgenden Abweichungen:
1. Der Bundesnachrichtendienst gilt vorbehaltlich der Nummer 3 als einheitliche Dienststelle.
2. Für den Bundesnachrichtendienst gelten die
Pflichten zur Vorlage des nach § 80 Abs. 1
zu führenden Verzeichnisses, zur Anzeige
nach § 80 Abs. 2 und zur Gewährung von
Einblick nach § 80 Abs. 7 nicht. Die Anzeigepflicht nach § 90 Abs. 3 gilt nur für die
Beendigung von Probearbeitsverhältnissen.
3. Als Dienststelle im Sinne des Kapitels 5 gelten auch Teile und Stellen des Bundesnachrichtendienstes, die nicht zu seiner Zentrale
gehören. 2§ 94 Abs. 1 Satz 4 und 5 sowie §
97 sind nicht anzuwenden. In den Fällen des
§ 97 Abs. 6 ist die Schwerbehindertenvertretung der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes zuständig. Im Falle des § 94 Abs. 6
Satz 4 lädt der Leiter oder die Leiterin der
Dienststelle ein. Die Schwerbehindertenvertretung ist in den Fällen nicht zu beteiligen,
in denen die Beteiligung der Personalvertretung nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz ausgeschlossen ist. Der Leiter oder die
Leiterin des Bundesnachrichtendienstes kann
anordnen, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen ist, Unterlagen nicht
vorgelegt oder Auskünfte nicht erteilt werden dürfen, wenn und soweit dies aus besonderen nachrichtendienstlichen Gründen
geboten ist. Die Rechte und Pflichten der
Schwerbehindertenvertretung ruhen, wenn
die Rechte und Pflichten der Personalvertretung ruhen. § 96 Abs. 7 Satz 3 ist nach
Maßgabe der Sicherheitsbestimmungen des
Bundesnachrichtendienstes anzuwenden. 9§
99 Abs. 2 gilt nur für die in § 99 Abs. 1 genannten Personen und Vertretungen der
Zentrale des Bundesnachrichtendienstes.
239
SGB IX
4. Im Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt (§ 119) und die Widerspruchsausschüsse bei der Bundesagentur für Arbeit (§
120) treten in Angelegenheiten schwerbehinderter Menschen, die beim Bundesnachrichtendienst beschäftigt sind, an die Stelle
der Mitglieder, die Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber sind (§
119 Abs. 1 und § 120 Abs. 1), Angehörige
des Bundesnachrichtendienstes, an die Stelle
der
Schwerbehindertenvertretung
die
Schwerbehindertenvertretung der Zentrale
des Bundesnachrichtendienstes. Sie werden
dem Integrationsamt und der Bundesagentur für Arbeit vom Leiter oder der Leiterin
des Bundesnachrichtendienstes benannt. Die
Mitglieder der Ausschüsse müssen nach den
dafür geltenden Bestimmungen ermächtigt
sein, Kenntnis von Verschlusssachen des in
Betracht kommenden Geheimhaltungsgrades zu erhalten.
5. Über Rechtsstreitigkeiten, die auf Grund dieses Buches im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes entstehen, entscheidet
im ersten und letzten Rechtszug der oberste
Gerichtshof des zuständigen Gerichtszweiges.
§ 159 Übergangsregelung
(1) Abweichend von § 71 Abs. 1 beträgt die
Pflichtquote für die in § 71 Abs. 3 Nr. 1 und 4
genannten öffentlichen Arbeitgeber des Bundes weiterhin 6 Prozent, wenn sie am 31. Oktober 1999 auf mindestens 6 Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigt hatten.
(2) Auf Leistungen nach § 33 Abs. 2 des
Schwerbehindertengesetzes in Verbindung mit
dem Ersten Abschnitt der SchwerbehindertenAusgleichsabgabeverordnung jeweils in der bis
zum 30. September 2000 geltenden Fassung
sind die zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften weiter anzuwenden, wenn die
Entscheidung über die beantragten Leistungen
vor dem 1. Oktober 2000 getroffen worden ist.
(3) Eine auf Grund des Schwerbehindertengesetzes getroffene bindende Feststellung über
das Vorliegen einer Behinderung, eines Grades
der Behinderung und das Vorliegen weiterer
gesundheitlicher Merkmale gelten als Feststellungen nach diesem Buch.
(4) Die nach § 56 Abs. 2 des Schwerbehinder-
tengesetzes erlassenen allgemeinen Richtlinien
sind bis zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 141 weiter anzuwenden.
(5) § 17 Abs. 2 Satz 1 ist vom 1. Januar 2008
an mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf
Antrag Leistungen durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden.
(6) Auf Erstattungen nach Teil 2 Kapitel 13 ist
§ 148 für bis zum 31. Dezember 2004 entstandene Fahrgeldausfälle in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden.
§ 159a Übergangsvorschrift zum Dritten
Gesetz für moderne Dienstleistungen
am Arbeitsmarkt
§ 73 Abs. 2 Nr. 4 ist in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung weiter anzuwenden, solange Personen an Strukturanpassungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen.
§ 160 Überprüfungsregelung
(1) Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bis zum
30. Juni 2005 über die Situation behinderter
und schwerbehinderter Frauen und Männer
auf dem Ausbildungsstellenmarkt und schlägt
die danach zu treffenden Maßnahmen vor.
(2) Sie berichtet den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bis zum 30. Juni 2007
über die Wirkungen der Instrumente zur Sicherung von Beschäftigung und zur betrieblichen
Prävention. Dabei wird auch die Höhe der Beschäftigungspflichtquote überprüft.
240
A MTLICHE T EXTE
20
Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.
Juli 1991 (BGBl. I S. 1739), zuletzt geändert
durch Artikel 7 des Gesetzes vom 2. Dezember
2006 (BGBl. I S. 2742)
§ 1 Gestaltung des Ausweises
(1) Der Ausweis im Sinne des § 69 Abs. 5 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den
Grad der Behinderung und weitere gesundheitliche Merkmale, die Voraussetzung für die
Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch oder nach anderen Vorschriften sind,
wird nach dem in der Anlage zu dieser Verordnung abgedruckten Muster 1 ausgestellt. Der
Ausweis ist mit einem fälschungssicheren Aufdruck in der Grundfarbe grün versehen.
(2) Der Ausweis für schwerbehinderte Menschen, die das Recht auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr in Anspruch nehmen können, ist durch einen halbseitigen orangefarbenen Flächenaufdruck gekennzeichnet.
(3) Der Ausweis für schwerbehinderte Menschen, die zu einer der in § 151 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 Buchstabe a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch genannten Gruppen gehören, ist
nach § 2 zu kennzeichnen.
(4) Der Ausweis für schwerbehinderte Menschen mit weiteren gesundheitlichen Merkmalen im Sinne des Absatzes 1 ist durch Merkzeichen nach § 3 zu kennzeichnen.
§ 2 Zugehörigkeit zu Sondergruppen
(1) Im Ausweis ist auf der Vorderseite unter
dem Wort „Schwerbehindertenausweis“ die
Bezeichnung „Kriegsbeschädigt“ einzutragen,
wenn der schwerbehinderte Mensch wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50 vom Hundert Anspruch auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz hat.
(2) Im Ausweis sind auf der Vorderseite folgende Merkzeichen einzutragen:
1. VB
wenn der schwerbehinderte Mensch
wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50 vom Hundert Anspruch auf Versorgung nach anderen Bundesgesetzen in entsprechender Anwendung der
Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes
hat oder wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen des Zusammentreffens mehrerer
Ansprüche auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz, nach Bundesgesetzen in
entsprechender Anwendung der Vorschriften
des Bundesversorgungsgesetzes oder nach
dem Bundesentschädigungsgesetz in ihrer Gesamtheit wenigstens 50 vom Hundert beträgt
und nicht bereits die Bezeichnung nach Absatz
1 oder ein Merkzeichen nach Nummer 2 einzutragen ist,
2. EB
wenn der schwerbehinderte Mensch
wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50 vom Hundert Entschädigung nach § 28 des Bundesentschädigungsgesetzes erhält.
Beim Zusammentreffen der Voraussetzungen
für die Eintragung der Bezeichnung nach Absatz 1 und des Merkzeichens nach Satz 1 Nr. 2
ist die Bezeichnung „Kriegsbeschädigt“ einzutragen, es sei denn, der schwerbehinderte
Mensch beantragt die Eintragung des Merkzeichens „EB“.
VB
EB
§ 3 Weitere Merkzeichen
(1) Im Ausweis sind auf der Rückseite folgende
Merkzeichen einzutragen:
1. aG
wenn der schwerbehinderte Mensch
außergewöhnlich gehbehindert im
Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist,
2. H
wenn der schwerbehinderte Mensch
hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender
Vorschriften ist,
3. BI
wenn der schwerbehinderte Mensch
blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder ent-
aG
H
BI
241
S CHWERBEHINDERTENAUSWEISVERORDNUNG
sprechender Vorschriften ist,
4. GI
wenn der schwerbehinderte Mensch
gehörlos im Sinne des § 145 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist,
5. RF
wenn der schwerbehinderte Mensch
die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt,
6. 1. Kl.
1.Kl. wenn der schwerbehinderte Mensch
die im Verkehr mit Eisenbahnen tariflich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Wagenklasse
mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse erfüllt.
(2) Im Ausweis mit orangefarbenem Flächenaufdruck sind folgende Eintragungen vorgedruckt:
1. auf der Vorderseite das Merkzeichen B und der Satz: „Die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen".
2. auf der Rückseite im ersten Feld
das Merkzeichen G
Ist die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson im Sinne des § 146 Abs. 2 des
Neunten Buches nicht nachgewiesen, ist die
vorgedruckte Eintragung nach Nummer 1 zu
löschen. Das gleiche gilt für die vorgedruckte
Eintragung nach Nummer 2, wenn bei einem
schwerbehinderten Menschen, nicht festgestellt ist, daß er in seiner Bewegungsfähigkeit
im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt im
Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender
Vorschriften ist.
GI
RF
B
G
§ 3a Beiblatt
(1) Zum Ausweis für schwerbehinderte Menschen, die das Recht auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr in Anspruch nehmen können, ist auf Antrag ein Beiblatt nach dem in der Anlage zu dieser Verordnung abgedruckten Muster 2 in der Grundfarbe weiß auszustellen. Das Beiblatt ist Bestandteil des Ausweises und nur zusammen mit dem
Ausweis gültig.
(2) Schwerbehinderte Menschen, die das Recht
auf unentgeltliche Beförderung in Anspruch
nehmen wollen, erhalten auf Antrag ein Beiblatt, das mit einer Wertmarke nach dem in
der Anlage zu dieser Verordnung abgedruckten
Muster 3 versehen ist. Auf die Wertmarke werden eingetragen das Jahr und der Monat, von
dem an die Wertmarke gültig ist, sowie das
Jahr und der Monat, in dem ihre Gültigkeit abläuft. Sofern in Fällen des § 145 Abs. 1 Satz 3
des Neunten Buches Sozialgesetzbuch der Antragsteller zum Gültigkeitsbeginn keine Angaben macht, wird der auf den Eingang des Antrages und die Entrichtung der Eigenbeteiligung folgende Monat auf der Wertmarke eingetragen. Spätestens mit Ablauf der Gültigkeitsdauer der Wertmarke wird das Beiblatt ungültig.
(3) Schwerbehinderte Menschen, die an Stelle
der unentgeltlichen Beförderung die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung in Anspruch nehmen
wollen, erhalten auf Antrag ein Beiblatt ohne
Wertmarke. Bei Einräumung der Kraftfahrzeugsteuerermäßigung wird das Beiblatt mit einem Vermerk des zuständigen Finanzamtes
versehen. Die Gültigkeitsdauer des Beiblattes
entspricht der des Ausweises.
(4) Schwerbehinderte Menschen, die zunächst
die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung in Anspruch genommen haben und statt dessen die
unentgeltliche Beförderung in Anspruch nehmen wollen, haben das Beiblatt (Absatz 3)
nach Löschung des Vermerks durch das Finanzamt bei Stellung des Antrags auf ein Beiblatt
mit Wertmarke (Absatz 2) zurückzugeben. Entsprechendes gilt, wenn schwerbehinderte
Menschen vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der
Wertmarke an Stelle der unentgeltlichen Beförderung die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung in
Anspruch nehmen wollen. In diesem Fall ist das
Datum der Rückgabe (Eingang beim Versorgungsamt) auf das Beiblatt nach Absatz 3 einzutragen.
(5) Bis zum 30. Juni 1991 ausgegebene Beiblätter und Wertmarken behalten ihre Gültigkeit.
§ 4 Sonstige Eintragungen
(1) Die Eintragung von Sondervermerken zum
Nachweis von weiteren Voraussetzungen für
die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen, die schwerbehinderten Menschen nach landesrechtlichen Vorschriften zu-
242
A MTLICHE T EXTE
stehen, ist auf der Vorderseite des Ausweises
zulässig.
(2) Die Eintragung von Merkzeichen oder sonstigen Vermerken, die in dieser Verordnung (§§
2, 3, 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 3) nicht vorgesehen sind, ist unzulässig.
§ 5 Lichtbild
(1) Der Ausweis für schwerbehinderte Menschen, die das 10. Lebensjahr vollendet haben,
ist mit dem Lichtbild des Ausweisinhabers in
der Größe eines Passbildes zu versehen. Das
Lichtbild hat der Antragsteller beizubringen.
(2) Bei schwerbehinderten Menschen, die das
Haus nicht oder nur mit Hilfe eines Krankenwagens verlassen können, ist der Ausweis auf
Antrag ohne Lichtbild auszustellen.
(3) In Ausweisen ohne Lichtbild ist in dem für
das Lichtbild vorgesehenen Raum der Vermerk
„Ohne Lichtbild gültig“ einzutragen.
§ 6 Gültigkeitsdauer
(1) Auf der Rückseite des Ausweises ist als Beginn der Gültigkeit des Ausweises einzutragen:
1. in den Fällen des § 69 Abs. 1 und 4 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch der Tag
des Eingangs des Antrags auf Feststellung
nach diesen Vorschriften,
2. in den Fällen des § 69 Abs. 2 des Neunten
Buches Sozialgesetzbuch der Tag des Eingangs des Antrags auf Ausstellung des Ausweises nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch.
Ist auf Antrag des schwerbehinderten Menschen nach Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses festgestellt worden, dass die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, ein
anderer Grad der Behinderung oder ein oder
mehrere gesundheitliche Merkmale bereits zu
einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben,
ist zusätzlich das Datum einzutragen, von dem
ab die jeweiligen Voraussetzungen mit dem
Ausweis nachgewiesen werden können. Ist zu
einem späteren Zeitpunkt in den Verhältnissen,
die für die Feststellung und den Inhalt des Ausweises maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten, ist die Eintragung auf Grund der entsprechenden Neufeststellung zu berichtigen und zusätzlich das Datum einzutragen, von dem ab die jeweiligen
Voraussetzungen mit dem Ausweis nachgewie-
sen werden können, sofern der Ausweis nicht
einzuziehen ist.
(2) Die Gültigkeit des Ausweises ist für die
Dauer von längstens 5 Jahren vom Monat der
Ausstellung an zu befristen. In den Fällen, in
denen eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen
Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, nicht zu erwarten ist, kann
der Ausweis unbefristet ausgestellt werden.
(3) Für schwerbehinderte Menschen unter 10
Jahren ist die Gültigkeitsdauer des Ausweises
bis längstens zum Ende des Kalendermonats zu
befristen, in dem das 10. Lebensjahr vollendet
wird.
(4) Für schwerbehinderte Menschen im Alter
zwischen 10 und 15 Jahren ist die Gültigkeitsdauer des Ausweises bis längstens zum Ende
des Kalendermonats zu befristen, in dem das
20. Lebensjahr vollendet wird.
(5) Bei nichtdeutschen schwerbehinderten
Menschen, deren Aufenthaltstitel, Aufenthaltsgestattung oder Arbeitserlaubnis befristet ist,
ist die Gültigkeitsdauer des Ausweises längstens bis zum Ablauf des Monats der Frist zu
befristen.
(6) Die Gültigkeitsdauer des Ausweises kann
auf Antrag höchstens zweimal verlängert werden. Bei der Verlängerung eines nach Absatz 3
ausgestellten Ausweises über das 10. Lebensjahr des Ausweisinhabers hinaus, längstens bis
zur Vollendung des 20. Lebensjahres, gilt § 5
Abs. 1.
(7) Der Kalendermonat und das Kalenderjahr,
bis zu deren Ende der Ausweis gültig sein soll,
sind auf der Vorderseite des Ausweises einzutragen.
§ 7 Verwaltungsverfahren
(1) Für die Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung des Ausweises sind die
für die Kriegsopferversorgung maßgebenden
Verwaltungsverfahrensvorschriften
entsprechend anzuwenden, soweit sich aus § 69 Abs.
5 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nichts
Abweichendes ergibt.
(2) Zum Beiblatt mit Wertmarke (§ 3a Abs. 1
und 2) ist ein von der Deutsche Bahn Aktiengesellschaft oder ihren Tochtergesellschaften aufgestelltes, für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Ausweisinhabers maßge-
243
S CHWERBEHINDERTENAUSWEISVERORDNUNG
bendes Streckenverzeichnis nach dem in der
Anlage abgedruckten Muster 5 auszuhändigen. Das Streckenverzeichnis ist mit einem fälschungssicheren halbseitigen orangefarbenen
Flächenaufdruck gekennzeichnet.
(3) Ein Streckenverzeichnis gemäß Absatz 2 in
der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden
Fassung ist auch nach dem 1. Januar 1994
noch auszuhändigen, wenn ein Streckenverzeichnis gemäß Absatz 2 in der ab 1. Januar
1994 geltenden Fassung noch nicht zur Verfügung steht. Ein bis zum 31. Dezember 1993
oder gemäß Satz 1 danach ausgehändigtes
Streckenverzeichnis bleibt für den Ausweisinhaber gültig, bis ihm ein Streckenverzeichnis
nach Absatz 2 ausgehändigt wird, längstens
bis zum 31. Dezember 1994.
§ 8 Ausweis für sonstige freifahrtberechtigte Personen
(1) Der Ausweis für Personen im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr vom 9. Juli 1979 (BGBl.
I S. 989), soweit sie nicht schwerbehinderte
Menschen im Sinne des § 2 Abs. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch sind, wird nach
dem in der Anlage zu dieser Verordnung abgedruckten Muster 4 ausgestellt. Der Ausweis ist
mit einem fälschungssicheren Aufdruck in der
Grundfarbe grün versehen und durch einen
halbseitigen orangefarbenen Flächenaufdruck
gekennzeichnet. Zusammen mit dem Ausweis
ist ein Beiblatt auszustellen, das mit einer
Wertmarke nach dem in der Anlage zu dieser
Verordnung abgedruckten Muster 3 versehen
ist.
(2) Für die Ausstellung des Ausweises nach Absatz 1 gelten die Vorschriften des § 1 Abs. 3, §
2, § 3 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und
Satz 2, § 4 Abs. 2, § 5 und § 6 Abs. 2, 3, 4, 6
und 7 sowie des § 7 entsprechend, soweit sich
aus Artikel 2 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über
die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr nichts Besonderes ergibt.
§ 9 Übergangsregelung
(1) Ein Ausweis, der nach dem bis zum 30. Juni
2001 geltenden Recht ausgestellt worden ist,
bleibt bis zum Ablauf seiner Gültigkeitsdauer
gültig, es sei denn, er ist einzuziehen. Ein Ausweis, der nach dem bis zum 30. Juni 2001 geltenden Recht ausgestellt worden ist, kann auf
Antrag unter den Voraussetzungen des § 6
Abs. 6 verlängert werden.
(2) Ein Ausweis mit dem Merkzeichen B, der
vor dem 12. Dezember 2006 ausgestellt worden ist, bleibt bis zum Ablauf seiner Gültigkeitsdauer gültig, es sei denn, er ist einzuziehen. Der Ausweistext wird auf Antrag an § 3
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 in der seit dem 12. Dezember 2006 geltenden Fassung angepasst.
244
A MTLICHE T EXTE
21
Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung
(SchwbAV)
vom 28. März 1988 (BGBl. I S. 484), zuletzt geändert durch Artikel 28 des Gesetzes vom 7.
September 2007 (BGBl. I S. 2246)
§§ 1 bis 13 (weggefallen)
§ 14 Verwendungszwecke
(1) Die Integrationsämter haben die ihnen zur
Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe einschließlich der Zinsen, der Tilgungsbeträge aus Darlehen, der zurückgezahlten Zuschüsse sowie der unverbrauchten Mittel des
Vorjahres zu verwenden für folgende Leistungen:
1. Leistungen zur Förderung des Arbeits- und
Ausbildungsplatzangebots für schwerbehinderte Menschen,
2. Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben, einschließlich der Durchführung
von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen,
3. Leistungen für Einrichtungen zur Teilhabe
schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben und
4. Leistungen zur Durchführung von Forschungs- und Modellvorhaben auf dem Gebiet der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, sofern ihnen ausschließlich oder überwiegend regionale Bedeutung zukommt oder beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales beantragte
Mittel aus dem Ausgleichsfonds nicht erbracht werden konnten.
(2) Die Mittel der Ausgleichsabgabe sind vorrangig für die Förderung nach Absatz 1 Nr. 1
und 2 zu verwenden.
(3) Die Integrationsämter können sich an der
Förderung von Vorhaben nach § 41 Abs. 1 Nr.
3 bis 6 durch den Ausgleichsfonds beteiligen.
§ 15 Leistungen an Arbeitgeber zur
Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte
Menschen
(1) Arbeitgeber können Darlehen oder Zuschüsse bis zur vollen Höhe der entstehenden
notwendigen Kosten zu den Aufwendungen
für folgende Maßnahmen erhalten:
1. die Schaffung neuer geeigneter, erforderlichenfalls behinderungsgerecht ausgestatteter Arbeitsplätze in Betrieben oder Dienststellen für schwerbehinderte Menschen,
a) die ohne Beschäftigungspflicht oder über
die Beschäftigungspflicht hinaus (§ 71 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch) eingestellt werden sollen,
b) die im Rahmen der Erfüllung der besonderen Beschäftigungspflicht gegenüber
im Arbeits- und Berufsleben besonders
betroffenen schwerbehinderten Menschen (§ 71 Abs. 1 Satz 2 und § 72 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch) eingestellt werden sollen,
c) die nach einer längerfristigen Arbeitslosigkeit von mehr als 12 Monaten eingestellt
werden sollen,
d) die im Anschluss an eine Beschäftigung in
einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen eingestellt werden sollen
oder
e) die zur Durchführung von Maßnahmen
der besonderen Fürsorge und Förderung
nach § 81 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr.
1, 4 und 5 und Abs. 5 Satz 1 des Neunten
Buches Sozialgesetzbuch auf einen neu zu
schaffenden Arbeitsplatz umgesetzt werden sollen oder deren Beschäftigungsverhältnis ohne Umsetzung auf einen neu zu
schaffenden Arbeitsplatz enden würde,
2. die Schaffung neuer geeigneter, erforderlichenfalls behinderungsgerecht ausgestatteter Ausbildungsplätze und Plätze zur sonstigen beruflichen Bildung für schwerbehinderte Menschen, insbesondere zur Teilnahme
an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
nach § 33 Abs. 3 Nr. 3 des Neunten Buches
Sozialgesetzbuch, in Betrieben oder Dienststellen,
wenn gewährleistet wird, daß die geförderten
Plätze für einen nach Lage des Einzelfalles zu
245
SCHWERBEHINDERTEN-AUSGLEICHSABGABEVERORDNUNG
bestimmenden langfristigen Zeitraum schwerbehinderten Menschen vorbehalten bleiben.
Leistungen können auch zu den Aufwendungen erbracht werden, die durch die Ausbildung
schwerbehinderter Menschen im Gebrauch der
nach Satz 1 geförderten Gegenstände entstehen.
(2) Leistungen sollen nur erbracht werden,
wenn sich der Arbeitgeber in einem angemessenen Verhältnis an den Gesamtkosten beteiligt. Sie können nur erbracht werden, soweit
Mittel für denselben Zweck nicht von anderer
Seite zu erbringen sind oder erbracht werden.
Art und Höhe der Leistung bestimmen sich
nach den Umständen des Einzelfalles. Darlehen
sollen mit jährlich 10 vom Hundert getilgt werden; von der Tilgung kann im Jahr der Auszahlung und dem darauf folgenden Kalenderjahr
abgesehen werden. Auch von der Verzinsung
kann abgesehen werden.
(3) Die behinderungsgerechte Ausstattung von
Arbeits- und Ausbildungsplätzen und die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen können,
wenn Leistungen nach Absatz 1 nicht erbracht
werden, nach den Vorschriften über die begleitende Hilfe im Arbeitsleben (§ 26) gefördert
werden.
§ 16 Arbeitsmarktprogramme
schwerbehinderte Menschen
für
Die Integrationsämter können der Bundesagentur für Arbeit Mittel der Ausgleichsabgabe
zur Durchführung befristeter regionaler Arbeitsmarktprogramme gemäß § 104 Abs. 3
des Neunten Buches Sozialgesetzbuch zuweisen.
§ 17 Leistungsarten
(1) Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben können erbracht werden
1. an schwerbehinderte Menschen
a) für technische Arbeitshilfen (§ 19),
b) zum Erreichen des Arbeitsplatzes (§ 20),
c) zur Gründung und Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz (§ 21),
d) zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung (§ 22),
e) (weggefallen)
f) zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhal-
tung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten (§ 24) und
g) in besonderen Lebenslagen (§ 25),
2. an Arbeitgeber
a) zur behinderungsgerechten Einrichtung
von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für
schwerbehinderte Menschen (§ 26),
b) für Zuschüsse zu den Gebühren bei der
Berufsausbildung besonders betroffener
schwerbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener (§ 26a),
c) für Prämien und Zuschüsse zu den Kosten
der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener (§ 26 b),
d) für Prämien zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (§
26c) und
e) bei außergewöhnlichen Belastungen (§
27),
3. an Träger von Integrationsfachdiensten zu
den Kosten ihrer Inanspruchnahme (§ 27a)
einschließlich freier gemeinnütziger Einrichtungen und Organisationen zu den Kosten
einer psychosozialen Betreuung schwerbehinderter Menschen (§ 28) sowie an Träger
von Integrationsprojekten (§ 28a),
4. zur Durchführung von Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen (§ 29).
Daneben können solche Leistungen unter besonderen Umständen an Träger sonstiger Maßnahmen erbracht werden, die dazu dienen und
geeignet sind, die Teilhabe schwerbehinderter
Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Aufnahme, Ausübung oder
Sicherung einer möglichst dauerhaften Beschäftigung) zu ermöglichen, zu erleichtern
oder zu sichern.
(1a) Schwerbehinderte Menschen haben im
Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben
aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz.
(2) Andere als die in Absatz 1 und Absatz 1a
genannten Leistungen, die der Teilhabe
schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben
nicht oder nur mittelbar dienen, können nicht
erbracht werden. Insbesondere können medizi-
246
A MTLICHE T EXTE
nische Maßnahmen sowie Urlaubs- und Freizeitmaßnahmen nicht gefördert werden.
§ 20 Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes
§ 18 Leistungsvoraussetzungen
Schwerbehinderte Menschen können Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach
Maßgabe der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung
vom 28. September 1987 (BGBl. I S. 2251) erhalten.
(1) Leistungen nach § 17 Abs. 1 und Abs. 1a
dürfen nur erbracht werden, soweit Leistungen
für denselben Zweck nicht von einem Rehabilitationsträger, vom Arbeitgeber oder von anderer Seite zu erbringen sind oder, auch wenn
auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, erbracht werden. Der Nachrang der Träger der
Sozialhilfe gemäß § 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und das Verbot der Aufstockung von Leistungen der Rehabilitationsträger
durch Leistungen der Integrationsämter (§ 102
Abs. 5 Satz 2 letzter Halbsatz des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) und die Möglichkeit der
Integrationsämter, Leistungen der begleitenden
Hilfe im Arbeitsleben vorläufig zu erbringen (§
102 Abs. 6 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch), bleiben unberührt.
§ 21 Hilfen zur Gründung und Erhaltung
einer selbständigen beruflichen Existenz
(1) Schwerbehinderte Menschen können Darlehen oder Zinszuschüsse zur Gründung und zur
Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz erhalten, wenn
1. sie die erforderlichen persönlichen und fachlichen Voraussetzungen für die Ausübung
der Tätigkeit erfüllen,
2. sie ihren Lebensunterhalt durch die Tätigkeit
voraussichtlich auf Dauer im wesentlichen sicherstellen können und
(2) Leistungen an schwerbehinderte Menschen
zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben können
erbracht werden,
3. die Tätigkeit unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts
zweckmäßig ist.
1. wenn die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt
und durch die Leistungen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann und
(2) Darlehen sollen mit jährlich 10 vom Hundert getilgt werden. Von der Tilgung kann im
Jahr der Auszahlung und dem darauffolgenden
Kalenderjahr abgesehen werden. Satz 2 gilt,
wenn Darlehen verzinslich gegeben werden,
für die Verzinsung.
2. wenn es dem schwerbehinderten Menschen
wegen des behinderungsbedingten Bedarfs
nicht zuzumuten ist, die erforderlichen Mittel selbst aufzubringen. In den übrigen Fällen sind seine Einkommensverhältnisse zu
berücksichtigen.
(3) Sonstige Leistungen zur Deckung von Kosten des laufenden Betriebs können nicht erbracht werden.
(3) Die Leistungen können als einmalige oder
laufende Leistungen erbracht werden. Laufende Leistungen können in der Regel nur befristet erbracht werden. Leistungen können wiederholt erbracht werden.
§ 19 Technische Arbeitshilfen
Für die Beschaffung technischer Arbeitshilfen,
ihre Wartung, Instandsetzung und die Ausbildung des schwerbehinderten Menschen im
Gebrauch können die Kosten bis zur vollen Höhe übernommen werden. Gleiches gilt für die
Ersatzbeschaffung und die Beschaffung zur
Anpassung an die technische Weiterentwicklung.
(4) Die §§ 17 bis 20 und die §§ 22 bis § 27
sind zugunsten von schwerbehinderten Menschen, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben oder aufzunehmen beabsichtigen, entsprechend anzuwenden.
§ 22 Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung
(1) Schwerbehinderte Menschen können Leistungen erhalten
1. zur Beschaffung von behinderungsgerechtem Wohnraum im Sinne des § 16 des
Wohnraumförderungsgesetzes,
2. zur Anpassung von Wohnraum und seiner
Ausstattung an die besonderen behinderungsbedingten Bedürfnisse und
247
SCHWERBEHINDERTEN-AUSGLEICHSABGABEVERORDNUNG
3. zum Umzug in eine behinderungsgerechte
oder erheblich verkehrsgünstiger zum Arbeitsplatz gelegene Wohnung.
(2) Leistungen können als Zuschüsse, Zinszuschüsse oder Darlehen erbracht werden. Höhe,
Tilgung und Verzinsung bestimmen sich nach
den Umständen des Einzelfalls.
(3) Leistungen von anderer Seite sind nur insoweit anzurechnen, als sie schwerbehinderten
Menschen für denselben Zweck wegen der Behinderung zu erbringen sind oder erbracht
werden.
§ 23 (weggefallen)
§ 24 Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung
beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten
Schwerbehinderte Menschen, die an inneroder außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Erhaltung und Erweiterung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten oder zur Anpassung an die technische
Entwicklung teilnehmen, vor allem an besonderen Fortbildungs- und Anpassungsmaßnahmen, die nach Art, Umfang und Dauer den Bedürfnissen dieser schwerbehinderten Menschen entsprechen, können Zuschüsse bis zur
Höhe der ihnen durch die Teilnahme an diesen
Maßnahmen entstehenden Aufwendungen erhalten. Hilfen können auch zum beruflichen
Aufstieg erbracht werden.
§ 25 Hilfen in besonderen Lebenslagen
Andere Leistungen zur begleitenden Hilfe im
Arbeitsleben als die in den §§ 19 bis 24 geregelten Leistungen können an schwerbehinderte Menschen erbracht werden, wenn und soweit sie unter Berücksichtigung von Art oder
Schwere der Behinderung erforderlich sind, um
die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern.
§ 26 Leistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und
Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen
(1) Arbeitgeber können Darlehen oder Zuschüsse bis zur vollen Höhe der entstehenden
notwendigen Kosten für folgende Maßnahmen
erhalten:
1. die behinderungsgerechte Einrichtung und
Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte,
2. die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen für
schwerbehinderte Menschen, insbesondere
wenn eine Teilzeitbeschäftigung mit einer
Dauer auch von weniger als 18 Stunden,
wenigstens aber 15 Stunden, wöchentlich
wegen Art oder Schwere der Behinderung
notwendig ist,
3. die Ausstattung von Arbeits- oder Ausbildungsplätzen mit notwendigen technischen
Arbeitshilfen, deren Wartung und Instandsetzung sowie die Ausbildung des schwerbehinderten Menschen im Gebrauch der nach
den Nummern 1 bis 3 geförderten Gegenstände,
4. sonstige Maßnahmen, durch die eine möglichst dauerhafte behinderungsgerechte Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in
Betrieben oder Dienststellen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann.
Gleiches gilt für Ersatzbeschaffungen oder Beschaffungen zur Anpassung an die technische
Weiterentwicklung.
(2) Art und Höhe der Leistung bestimmen sich
nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung, ob eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Durchführung von
Maßnahmen nach Absatz 1 gemäß § 81 Abs.
3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und 5 und Abs. 5
Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch
besteht und erfüllt wird sowie ob schwerbehinderte Menschen ohne Beschäftigungspflicht
oder über die Beschäftigungspflicht hinaus (§
71 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) oder
im Rahmen der Erfüllung der besonderen Beschäftigungspflicht gegenüber bei der Teilhabe
am Arbeitsleben besonders betroffenen
schwerbehinderten Menschen (§ 71 Abs. 1
Satz 2 und § 72 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) beschäftigt werden.
(3) § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
§ 26a Zuschüsse zu den Gebühren bei
der Berufsausbildung besonders betroffener schwerbehinderter Jugendlicher
und junger Erwachsener
Arbeitgeber, die ohne Beschäftigungspflicht (§
71 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetz-
248
A MTLICHE T EXTE
buch) besonders betroffene schwerbehinderte
Menschen zur Berufsausbildung einstellen,
können Zuschüsse zu den Gebühren, insbesondere Prüfungsgebühren bei der Berufsausbildung, erhalten.
§ 26b Prämien und Zuschüsse zu den
Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener
Arbeitgeber können Prämien und Zuschüsse zu
den Kosten der Berufsausbildung behinderter
Jugendlicher und junger Erwachsener erhalten,
die für die Zeit der Berufsausbildung schwerbehinderten Menschen nach § 68 Abs. 4 gleichgestellt sind.
§ 26c Prämien zur Einführung eines
betrieblichen Eingliederungsmanagements
Arbeitgeber können zur Einführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements Prämien erhalten.
§ 27 Leistungen bei außergewöhnlichen
Belastungen
(1) Arbeitgeber können Zuschüsse zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen erhalten,
die mit der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen verbunden sind, der nach Art
oder Schwere seiner Behinderung im Arbeitsund Berufsleben besonders betroffen ist (§ 72
Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a bis d des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) oder im Anschluss an
eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder in Teilzeit
(§ 75 Abs. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch) beschäftigt wird, vor allem, wenn ohne
diese Leistungen das Beschäftigungsverhältnis
gefährdet würde. Leistungen nach Satz 1 können auch in Probebeschäftigungen und Praktika erbracht werden, die ein in einer Werkstatt
für behinderte Menschen beschäftigter
schwerbehinderter Mensch im Rahmen von
Maßnahmen zur Förderung des Übergangs auf
den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 5 Abs. 4 der
Werkstättenverordnung) absolviert, wenn die
dem Arbeitgeber entstehenden außergewöhnlichen Belastungen nicht durch die in dieser
Zeit erbrachten Leistungen der Rehabilitationsträger abgedeckt werden.
(2) Außergewöhnliche Belastungen sind über-
durchschnittlich hohe finanzielle Aufwendungen oder sonstige Belastungen, die einem Arbeitgeber bei der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen auch nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten entstehen und für die
die Kosten zu tragen für den Arbeitgeber nach
Art oder Höhe unzumutbar ist.
(3) Für die Zuschüsse zu notwendigen Kosten
nach Absatz 2 gilt § 26 Abs. 2 entsprechend.
(4) Die Dauer des Zuschusses bestimmt sich
nach den Umständen des Einzelfalls.
§ 27a Leistungen an Integrationsfachdienste
Träger von Integrationsfachdiensten im Sinne
des Kapitels 7 des Teils 2 des Neunten Buches
Sozialgesetzbuch können Leistungen nach §
113 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch zu
den durch ihre Inanspruchnahme entstehenden
notwendigen Kosten erhalten.
§ 28 Leistungen zur Durchführung der
psychosozialen Betreuung schwerbehinderter Menschen
(1) Freie gemeinnützige Träger psychosozialer
Dienste, die das Integrationsamt an der Durchführung der ihr obliegenden Aufgabe der im
Einzelfall erforderlichen psychosozialen Betreuung schwerbehinderter Menschen unter Fortbestand ihrer Verantwortlichkeit beteiligt, können Leistungen zu den daraus entstehenden
notwendigen Kosten erhalten.
(2) Leistungen nach Absatz 1 setzen voraus,
dass
1. der psychosoziale Dienst nach seiner personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung zur Durchführung von Maßnahmen der
psychosozialen Betreuung geeignet ist, insbesondere mit Fachkräften ausgestattet ist,
die über eine geeignete Berufsqualifikation,
eine psychosoziale Zusatzqualifikation und
ausreichende Berufserfahrung verfügen, und
2. die Maßnahmen
a) nach Art, Umfang und Dauer auf die Aufnahme, Ausübung oder Sicherung einer
möglichst dauerhaften Beschäftigung
schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgerichtet und
dafür geeignet sind,
b) nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durchgeführt wer-
249
SCHWERBEHINDERTEN-AUSGLEICHSABGABEVERORDNUNG
den, insbesondere die Kosten angemessen sind, und
c) aufgrund einer Vereinbarung zwischen
dem Integrationsamt und dem Träger des
psychosozialen Dienstes durchgeführt
werden.
Leistungen können gleichermaßen für Maßnahmen für schwerbehinderte Menschen erbracht werden, die diesen Dienst unter bestimmten, in der Vereinbarung näher zu regelnden Voraussetzungen im Einvernehmen
mit dem Integrationsamt unmittelbar in Anspruch nehmen.
(3) Leistungen sollen in der Regel bis zur vollen
Höhe der notwendigen Kosten erbracht werden, die aus der Beteiligung an den im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen entstehen. Das
Nähere über die Höhe der übernehmenden
Kosten, ihre Erfassung, Darstellung und Abrechnung bestimmt sich nach der Vereinbarung
zwischen dem Integrationsamt und dem Träger
des psychosozialen Dienstes gemäß Absatz 2
Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c.
§ 28a Leistungen an Integrationsprojekte
Integrationsprojekte im Sinne des Kapitels 11
des Teils 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, können Leistungen für Aufbau, Erweiterung, Modernisierung und Ausstattung einschließlich einer betriebswirtschaftlichen Beratung und besonderen Aufwand erhalten.
§ 29 Leistungen zur Durchführung von
Aufklärungs-, Schulungs- und Bildungsmaßnahmen
(1) Die Durchführung von Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für Vertrauenspersonen
schwerbehinderter Menschen, Beauftragte der
Arbeitgeber, Betriebs-, Personal-, Richter-,
Staatsanwalts- und Präsidialräte sowie die Mitglieder der Stufenvertretungen wird gefördert,
wenn es sich um Veranstaltungen der Integrationsämter im Sinne des § 102 Abs. 2 Satz 6 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch handelt. Die
Durchführung von Maßnahmen im Sinne des
Satzes 1 durch andere Träger kann gefördert
werden, wenn die Maßnahmen erforderlich
und die Integrationsämter an ihrer inhaltlichen
Gestaltung maßgeblich beteiligt sind.
(2) Aufklärungsmaßnahmen sowie Schulungs-
und Bildungsmaßnahmen für andere als in Absatz 1 genannte Personen, die die Teilhabe
schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben
zum Gegenstand haben, können gefördert
werden. Dies gilt auch für die Qualifizierung
des nach § 102 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch einzusetzenden Personals sowie
für notwendige Informationsschriften und -veranstaltungen über Rechte, Pflichten, Leistungen und sonstige Eingliederungshilfen sowie
Nachteilsausgleiche nach dem Neunten Buch
Sozialgesetzbuch und anderen Vorschriften.
§ 30 Förderungsfähige Einrichtungen
(1) Leistungen können für die Schaffung, Erweiterung, Ausstattung und Modernisierung
folgender Einrichtungen erbracht werden:
1. betriebliche, überbetriebliche und außerbetriebliche Einrichtungen zur Vorbereitung
von behinderten Menschen auf eine berufliche Bildung oder die Teilhabe am Arbeitsleben,
2. betriebliche, überbetriebliche und außerbetriebliche Einrichtungen zur beruflichen Bildung behinderter Menschen,
3. Einrichtungen, soweit sie während der
Durchführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderte Menschen
auf eine berufliche Bildung oder die Teilhabe
am Arbeitsleben vorbereiten,
4. Werkstätten für behinderte Menschen im
Sinne des § 136 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
5. Blindenwerkstätten mit einer Anerkennung
auf Grund des Blindenwarenvertriebsgesetzes vom 9. April 1965 (BGBl. I S. 311) in der
bis zum 13. September 2007 geltenden Fassung,
6. Wohnstätten für behinderte Menschen, die
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, in Werkstätten für behinderte Menschen oder in
Blindenwerkstätten tätig sind.
7. (weggefallen)
Zur länderübergreifenden Bedarfsbeurteilung
wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bei der Planung neuer oder Erweiterung
bestehender Einrichtungen nach Satz 1 Nr. 4
bis 6 beteiligt.
(2) Öffentliche oder gemeinnützige Träger eines besonderen Beförderungsdienstes für be-
250
A MTLICHE T EXTE
hinderte Menschen können Leistungen zur Beschaffung und behinderungsgerechten Ausstattung von Kraftfahrzeugen erhalten. Die Höhe der Leistung bestimmt sich nach dem Umfang, in dem der besondere Beförderungsdienst für Fahrten schwerbehinderter Menschen von und zur Arbeitsstätte benutzt wird.
(3) Leistungen zur Deckung von Kosten des
laufenden Betriebs dürfen nur ausnahmsweise
erbracht werden, wenn hierdurch der Verlust
bestehender Beschäftigungsmöglichkeiten für
behinderte Menschen abgewendet werden
kann. Für Einrichtungen nach Absatz 1 Nr. 4
bis 6 sind auch Leistungen zur Deckung eines
Miet- oder Pachtzinses zulässig.
§ 31 Förderungsvoraussetzungen
(1) Die Einrichtungen im Sinne des § 30 Abs. 1
können gefördert werden, wenn sie
1. ausschließlich oder überwiegend behinderte
Menschen aufnehmen, die Leistungen eines
Rehabilitationsträgers in Anspruch nehmen,
2. behinderten Menschen unabhängig von der
Ursache der Behinderung und unabhängig
von der Mitgliedschaft in der Organisation
des Trägers der Einrichtung offenstehen und
3. nach ihrer personellen, räumlichen und
sächlichen Ausstattung die Gewähr dafür
bieten, dass die Rehabilitationsmaßnahmen
nach zeitgemäßen Erkenntnissen durchgeführt werden und einer dauerhaften Teilhabe am Arbeitsleben dienen.
(2) Darüber hinaus setzt die Förderung voraus
bei
1. Einrichtungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr.
1:
Die in diesen Einrichtungen durchzuführenden Maßnahmen sollen den individuellen
Belangen der behinderten Menschen Rechnung tragen und sowohl eine werkspraktische wie fachtheoretische Unterweisung
umfassen. Eine begleitende Betreuung entsprechend den Bedürfnissen der behinderten
Menschen muß sichergestellt sein. 3Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine berufliche Bildung sollen sich auf mehrere Berufsfelder erstrecken und Aufschluss über Neigung und Eignung der behinderten Menschen geben.
2. Einrichtungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr.
2:
a) Die Eignungsvoraussetzungen nach den
§§ 27 bis 30 des Berufsbildungsgesetzes
oder nach den §§ 21 bis 22b der Handwerksordnung zur Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen müssen erfüllt sein. Dies gilt auch für Ausbildungsgänge, die nach § 66 des Berufsbildungsgesetzes oder nach § 42m der Handwerksordnung durchgeführt werden.
b) Außer- oder überbetriebliche Einrichtungen sollen unter Einbeziehung von Plätzen für berufsvorbereitende Maßnahmen
über in der Regel mindestens 200 Plätze
für die berufliche Bildung in mehreren Berufsfeldern verfügen. Sie müssen in der
Lage sein, behinderte Menschen mit besonderer Art oder Schwere der Behinderung beruflich zu bilden. Sie müssen über
die erforderliche Zahl von Ausbildern und
die personellen und sächlichen Voraussetzungen für eine begleitende ärztliche,
psychologische und soziale Betreuung
entsprechend den Bedürfnissen der behinderten Menschen verfügen. Bei Unterbringung im Internat muss die behinderungsgerechte Betreuung sichergestellt
sein. Die Einrichtungen sind zur vertrauensvollen Zusammenarbeit insbesondere
untereinander und mit den für die Rehabilitation zuständigen Behörden verpflichtet.
3. Einrichtungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr.
3:
Die in diesen Einrichtungen in einem ineinander greifenden Verfahren durchzuführenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben
müssen entsprechend den individuellen Gegebenheiten so ausgerichtet sein, dass nach
Abschluss dieser Maßnahmen ein möglichst
nahtloser Übergang in eine berufliche Bildungsmaßnahme oder in das Arbeitsleben
gewährleistet ist. Für die Durchführung der
Maßnahmen müssen besondere Fachdienste
zur Verfügung stehen.
4. Werkstätten für behinderte Menschen im
Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4:
Sie müssen gemäß § 142 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sein oder
voraussichtlich anerkannt werden.
5. Blindenwerkstätten im Sinne des § 30 Abs. 1
251
SCHWERBEHINDERTEN-AUSGLEICHSABGABEVERORDNUNG
Nr. 5:
Sie müssen auf Grund des Blindenwarenvertriebsgesetzes anerkannt sein.
6. Wohnstätten im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 6:
Sie müssen hinsichtlich ihrer baulichen Gestaltung, Wohnflächenbemessung und Ausstattung den besonderen Bedürfnissen der
behinderten Menschen entsprechen. Die
Aufnahme auch von behinderten Menschen,
die nicht im Arbeitsleben stehen, schließt eine Förderung entsprechend dem Anteil der
im Arbeitsleben stehenden schwerbehinderten Menschen nicht aus. Der Verbleib von
schwerbehinderten Menschen, die nicht
mehr im Arbeitsleben stehen, insbesondere
von schwerbehinderten Menschen nach
dem Ausscheiden aus einer Werkstatt für
behinderte Menschen, beeinträchtigt nicht
die zweckentsprechende Verwendung der
eingesetzten Mittel.
7. (weggefallen)
§ 32 Förderungsgrundsätze
(1) Leistungen sollen nur erbracht werden,
wenn sich der Träger der Einrichtung in einem
angemessenen Verhältnis an den Gesamtkosten beteiligt und alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten aus Mitteln der öffentlichen
Hände und aus privaten Mitteln in zumutbarer
Weise in Anspruch genommen worden sind.
(2) Leistungen dürfen nur erbracht werden, soweit Leistungen für denselben Zweck nicht von
anderer Seite zu erbringen sind oder erbracht
werden. Werden Einrichtungen aus Haushaltmitteln des Bundes oder anderer öffentlicher
Hände gefördert, ist eine Förderung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe nur zulässig, wenn
der Förderungszweck sonst nicht erreicht werden kann.
(3) Leistungen können nur erbracht werden,
wenn ein Bedarf an entsprechenden Einrichtungen festgestellt und die Deckung der Kosten des laufenden Betriebs gesichert ist.
(4) Eine Nachfinanzierung aus Mitteln der Ausgleichsabgabe ist nur zulässig, wenn eine Förderung durch die gleiche Stelle vorangegangen
ist.
§ 33 Art und Höhe der Leistungen
(1) Leistungen können als Zuschüsse oder Darlehen erbracht werden. Zuschüsse sind auch
Zinszuschüsse zur Verbilligung von Fremdmitteln.
(2) Art und Höhe der Leistung bestimmen sich
nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Anteil der schwerbehinderten
Menschen an der Gesamtzahl des aufzunehmenden Personenkreises, nach der wirtschaftlichen Situation der Einrichtung und ihres Trägers sowie nach Bedeutung und Dringlichkeit
der beabsichtigten Rehabilitationsmaßnahmen.
§ 34 Tilgung und Verzinsung von
Darlehen
(1) Darlehen nach § 33 sollen jährlich mit 2
vom Hundert getilgt und mit 2 vom Hundert
verzinst werden; bei Ausstattungsinvestitionen
beträgt die Tilgung 10 vom Hundert. Die durch
die fortschreitende Tilgung ersparten Zinsen
wachsen den Tilgungsbeträgen zu.
(2) Von der Tilgung und Verzinsung von Darlehen kann bis zum Ablauf von zwei Jahren nach
Inbetriebnahme abgesehen werden.
§ 35 Rechtsform des Ausgleichsfonds
Der Ausgleichsfonds für überregionale Vorhaben zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen
am Arbeitsleben (Ausgleichsfonds) ist ein nicht
rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes mit
eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung.
Er ist von den übrigen Vermögen des Bundes,
seinen Rechten und Verbindlichkeiten getrennt
zu halten. Für Verbindlichkeiten, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Verwalter des Ausgleichsfonds eingeht, haftet nur
der Ausgleichsfonds; der Ausgleichsfonds haftet nicht für die sonstigen Verbindlichkeiten
des Bundes.
§ 36 Weiterleitung der Mittel an den
Ausgleichsfonds
Die Integrationsämter leiten zum 30. Juni eines
jeden Jahres 30 vom Hundert des im Zeitraum
vom 1. Juni des vorangegangenen Jahres bis
zum 31. Mai des Jahres eingegangenen Aufkommens an Ausgleichsabgabe an den Ausgleichsfonds weiter. Sie teilen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zum 30. Juni
eines jeden Jahres das Aufkommen an Ausgleichsabgabe für das vorangegangene Kalenderjahr auf der Grundlage des bis zum 31. Mai
des Jahres tatsächlich an die Integrationsämter
gezahlten Aufkommens mit. Sie teilen zum 31.
252
A MTLICHE T EXTE
Januar eines jeden Jahres das Aufkommen an
Ausgleichsabgabe für das vorvergangene Kalenderjahr dem Bundesministerium für Arbeit
und Soziales mit.
§ 37 Anwendung der Vorschriften der
Bundeshaushaltsordnung
Für den Ausgleichsfonds gelten die Bundeshaushaltsordnung sowie die zur ihrer Ergänzung und Durchführung erlassenen Vorschriften entsprechend, soweit die Vorschriften dieser Verordnung nichts anderes bestimmen.
§ 38 Aufstellung eines Wirtschaftsplans
(1) Für jedes Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) ist
ein Wirtschaftsplan aufzustellen.
(2) Der Wirtschaftsplan enthält alle im Wirtschaftsjahr
1. zu erwartenden Einnahmen
2. voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und
3. voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermächtigungen.
Zinsen, Tilgungsbeträge aus Darlehen, zurückgezahlte Zuschüsse sowie unverbrauchte Mittel
des Vorjahres fließen dem Ausgleichsfonds als
Einnahmen zu.
(3) Der Wirtschaftsplan ist in Einnahmen und
Ausgaben auszugleichen.
(4) Die Ausgaben sind gegenseitig deckungsfähig.
(5) Die Ausgaben sind übertragbar.
§ 39 Feststellung des Wirtschaftsplans
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
stellt im Benehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und im Einvernehmen mit
dem Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen (Beirat) den Wirtschaftsplan fest. § 1 der
Bundeshaushaltsordnung findet keine Anwendung.
§ 40 Ausführung des Wirtschaftsplans
(1) Bei der Vergabe der Mittel des Ausgleichsfonds sind die jeweils gültigen Allgemeinen
Nebenbestimmungen für Zuwendungen des
Bundes zugrunde zu legen. Von ihnen kann im
Einvernehmen mit dem Bundesministerium der
Finanzen abgewichen werden.
(2) Verpflichtungen, die in Folgejahren zu Ausgaben führen, dürfen nur eingegangen wer-
den, wenn die Finanzierung der Ausgaben
durch das Aufkommen an Ausgleichsabgabe
gesichert ist.
(3) Überschreitungen der Ausgabeansätze sind
nur zulässig, wenn
1. hierfür ein unvorhergesehenes und unabweisbares Bedürfnis besteht und
2. entsprechende Einnahmeerhöhungen vorliegen.
Außerplanmäßige Ausgaben sind nur zulässig,
wenn
1. hierfür ein unvorhergesehenes und unabweisbares Bedürfnis besteht und
2. Beträge in gleicher Höhe bei anderen Ausgabeansätzen eingespart werden oder entsprechende Einnahmeerhöhungen vorliegen.
Die Entscheidung hierüber trifft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Benehmen
mit dem Bundesministerium der Finanzen und
im Einvernehmen mit dem Beirat.
(4) Bis zur bestimmungsmäßigen Verwendung
sind die Ausgabemittel verzinslich anzulegen.
§ 41 Verwendungszwecke
(1) Die Mittel aus dem Ausgleichsfonds sind zu
verwenden für
1. Zuweisungen an die Bundesagentur für Arbeit zur besonderen Förderung der Teilhabe
schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, insbesondere durch Eingliederungszuschüsse und Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, und zwar in Höhe von 170 Millionen
Euro für das Jahr 2004 und ab 2005 jährlich
in Höhe von 26 vom Hundert des Aufkommens an Ausgleichsabgabe,
2. befristete überregionale Programme zum
Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen, besonderer Gruppen von
schwerbehinderten Menschen (§ 72 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch) oder
schwerbehinderter Frauen sowie zur Förderung des Ausbildungsplatzangebots für
schwerbehinderte Menschen,
3. Einrichtungen nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 3,
soweit sie den Interessen mehrerer Länder
dienen; Einrichtungen dienen den Interessen
mehrerer Länder auch dann, wenn sie Bestandteil eines abgestimmten Plans sind, der
ein länderübergreifendes Netz derartiger
253
SCHWERBEHINDERTEN-AUSGLEICHSABGABEVERORDNUNG
Einrichtungen zum Gegenstand hat,
4. überregionale Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Förderung der Teilhabe
schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, insbesondere durch betriebliches Eingliederungsmanagement, und der Förderung der Ausbildung schwerbehinderter Jugendlicher,
5. die Entwicklung technischer Arbeitshilfen
und
§ 44 Entscheidung
(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales entscheidet über die Anträge aufgrund
der Vorschläge des Beirats durch schriftlichen
Bescheid.
(2) Der Beirat ist über die getroffene Entscheidung zu unterrichten.
§ 45 Vorhaben des Bundesministeriums
für Arbeit und Soziales
6. Aufklärungs-, Fortbildungs- und Forschungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Teilhabe
schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben, sofern diesen Maßnahmen überregionale Bedeutung zukommt.
Für Vorhaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die dem Beirat zur Stellungnahme zuzuleiten sind, gelten die §§ 43 und
44 entsprechend.
(2) Die Mittel des Ausgleichsfonds sind vorrangig für die Eingliederung schwerbehinderter
Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu
verwenden.
(1) Abweichend von § 36 leiten die Integrationsämter
1. zum 30. Juni 2005 30 vom Hundert des im
Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31.
Mai 2005 eingegangenen Ausgleichsabgabeaufkommens und 45 vom Hundert des
Ausgleichsabgabeaufkommens für das Kalenderjahr 2003 an den Ausgleichsfonds
weiter; dabei werden die nach § 36 Abs. 2
in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung geleisteten Abschlagszahlungen berücksichtigt,
2. bis zum Ablauf des Jahres, in dem die Förderung durch Investitionskostenzuschüsse der
vom Beirat für die Teilhabe behinderter Menschen vorgeschlagenen und von den Ländern bis zum 30. Juni 2006 bewilligten Projekte für Werk- und Wohnstätten für behinderte Menschen sowie Blindenwerkstätten
durch den Ausgleichsfonds endet, im Jahr
2005 zusätzlich zu Nummer 1 und ab dem
Jahr 2006 zusätzlich bis zu 4 vom Hundert
des Ausgleichsabgabeaufkommens an den
Ausgleichsfonds weiter, verringert um den
Betrag, den die Träger der Integrationsämter
in Abstimmung mit dem Bundesministerium
für Arbeit und Soziales für die Förderung der
genannten Projekte bewilligen.
(2) Abweichend von § 41 werden
1. im Jahr 2004 Zuweisungen an die Bundesagentur für Arbeit für die Förderung von Integrationsfachdiensten vorgenommen und
2. mindestens die nach Absatz 1 Nr. 2 an den
Ausgleichsfonds weitergeleiteten Mittel für
die Förderung von Einrichtungen nach § 30
(3) Der Ausgleichsfonds kann sich an der Förderung von Forschungs- und Modellvorhaben
durch die Integrationsämter nach § 14 Abs. 1
Nr. 4 beteiligen, sofern diese Vorhaben auch
für andere Länder oder den Bund von Bedeutung sein können.
(4) Die §§ 31 bis 34 gelten entsprechend.
§ 42 Anmeldeverfahren und Anträge
Leistungen aus dem Ausgleichsfonds sind vom
Träger der Maßnahme schriftlich beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu beantragen, in den Fällen des § 41 Abs. 1 Nr. 3 nach
vorheriger Abstimmung mit dem Land, in dem
der Integrationsbetrieb oder die Integrationsabteilung oder die Einrichtung ihren Sitz hat
oder haben soll. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales leitet die Anträge mit seiner
Stellungnahme dem Beirat zu.
§ 43 Vorschlagsrecht des Beirats
(1) Der Beirat nimmt zu den Anträgen Stellung.
Die Stellungnahme hat einen Vorschlag zu enthalten, ob, in welcher Art und Höhe sowie unter welchen Bedingungen und Auflagen Mittel
des Ausgleichsfonds vergeben werden sollen.
(2) Der Beirat kann unabhängig vom Vorliegen
oder in Abwandlung eines schriftlichen Antrags Vorhaben zur Förderung vorschlagen.
§ 46 Übergangsregelungen
254
A MTLICHE T EXTE
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6 verwendet.
(3) Abweichend von § 41 können Mittel des
Ausgleichsfonds verwendet werden zur Förderung von Integrationsbetrieben und -abteilungen nach dem Kapitel 11 des Teils 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, die nicht von öffentlichen Arbeitgebern im Sinne des § 71 Abs.
3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch geführt werden, soweit die Förderung bis zum
31. Dezember 2003 bewilligt worden ist, sowie
für die Förderung von Einrichtungen nach § 30
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6, soweit Leistungen als
Zinszuschüsse oder Zuschüsse zur Deckung eines Miet- oder Pachtzinses für bis zum 31. Dezember 2004 bewilligte Projekte erbracht werden.
22
derung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen
ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort
oder den Ort einer sonstigen Leistung der
beruflichen Bildung zu erreichen, und
2. der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug
führen kann oder gewährleistet ist, dass ein
Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt.
(2) Absatz 1 gilt auch für in Heimarbeit Beschäftigte im Sinne des § 12 Abs. 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, wenn das Kraftfahrzeug
wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist, um beim Auftraggeber die Ware abzuholen oder die Arbeitsergebnisse abzuliefern.
(3) Ist der behinderte Mensch zur Berufsausübung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses
nicht nur vorübergehend auf ein Kraftfahrzeug
angewiesen, wird Kraftfahrzeughilfe geleistet,
wenn infolge seiner Behinderung nur auf diese
Weise die Teilhabe am Arbeitsleben dauerhaft
gesichert werden kann und die Übernahme der
Kosten durch den Arbeitgeber nicht üblich
oder nicht zumutbar ist.
(4) Sofern nach den für den Träger geltendenbesonderen Vorschriften Kraftfahrzeughilfe für
behinderte Menschen, die nicht Arbeitnehmer
sind, in Betracht kommt, sind die Absätze 1
und 3 entsprechend anzuwenden.
Verordnung über
Kraftfahrzeughilfe
zur beruflichen Rehabilitation (KraftfahrzeughilfeVerordnung KfzHV)
vom 28. September 1987 (BGBl. I S. 2251),
zuletzt geändert durch Artikel 117 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I S.
2848)
§ 1 Grundsatz
Kraftfahrzeughilfe zur Teilhabe behinderter
Menschen am Arbeitsleben richtet sich bei den
Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung, der
gesetzlichen Rentenversicherung, der Kriegsopferfürsorge und der Bundesagentur für Arbeit
sowie den Trägern der begleitenden Hilfe im Arbeits- und Berufsleben nach dieser Verordnung.
§ 2 Leistungen
(1) Die Kraftfahrzeughilfe umfasst Leistungen
1. zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs,
2. für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung,
3. zur Erlangung einer Fahrerlaubnis.
(2) Die Leistungen werden als Zuschüsse und
nach Maßgabe des § 9 als Darlehen erbracht.
§ 3 Persönliche Voraussetzungen
(1) Die Leistungen setzen voraus, dass
1. der behinderte Mensch infolge seiner Behin-
§ 47 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
§ 4 Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs
(1) Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs
setzt voraus, dass der behinderte Mensch nicht
über ein Kraftfahrzeug verfügt, das die Voraussetzungen nach Absatz 2 erfüllt und dessen
weitere Benutzung ihm zumutbar ist.
(2) Das Kraftfahrzeug muss nach Größe und
Ausstattung den Anforderungen entsprechen,
die sich im Einzelfall aus der Behinderung erge-
255
K RAFTFAHRZEUGHILFE -V ERORDNUNG
ben und, soweit erforderlich, eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung ohne unverhältnismäßigen Mehraufwand ermöglichen.
(3) Die Beschaffung eines Gebrauchtwagens
kann gefördert werden, wenn er die Voraussetzungen nach Absatz 2 erfüllt und sein Verkehrswert mindestens 50 vom Hundert des seinerzeitigen Neuwagenpreises beträgt.
§ 5 Bemessungsbetrag
(1) Die Beschaffung eines Kraftfahrzeugs wird
bis zu einem Betrag in Höhe des Kaufpreises,
höchstens jedoch bis zu einem Betrag von
9.500 Euro gefördert. Die Kosten einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung bleiben
bei der Ermittlung unberücksichtigt.
(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 wird im
Einzelfall ein höherer Betrag zugrundegelegt,
wenn Art oder Schwere der Behinderung ein
Kraftfahrzeug mit höherem Kaufpreis zwingend erfordert.
(3) Zuschüsse öffentlich-rechtlicher Stellen zu
dem Kraftfahrzeug, auf die ein vorrangiger Anspruch besteht oder die vorrangig nach pflichtgemäßem Ermessen zu leisten sind, und der
Verkehrswert eines Altwagens sind von dem
Betrag nach Absatz 1 oder 2 abzusetzen.
§ 6 Art und Höhe der Förderung
(1) Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs
wird in der Regel als Zuschuss geleistet. Der
Zuschuss richtet sich nach dem Einkommen
des behinderten Menschen nach Maßgabe der
folgenden Tabelle:
Einkommen
bis zu v.H. der monatlichen
Bezugsgröße nach
§ 18 Abs. 1 des Vierten
Buches Sozialgesetzbuch
40
45
50
55
60
65
70
75
Zuschuss
in v.H des
Bemessungsbetrags nach
§5
100
88
76
64
52
40
28
16
Die Beträge nach Satz 2 sind jeweils auf volle 5
Euro aufzurunden.
(2) Von dem Einkommen des behinderten
Menschen ist für jeden von ihm unterhaltenen
Familienangehörigen ein Betrag von 12 vom
Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach §
18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch
abzusetzen; Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Einkommen im Sinne der Absätze 1 und 2
sind das monatliche Netto-Arbeitsentgelt, Netto-Arbeitseinkommen und vergleichbare Lohnersatzleistungen des behinderten Menschen.
Die Ermittlung des Einkommens richtet sich
nach den für den zuständigen Träger maßgeblichen Regelungen.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für die Hilfe
zur erneuten Beschaffung eines Kraftfahrzeugs. Die Hilfe soll nicht vor Ablauf von fünf
Jahren seit der Beschaffung des zuletzt geförderten Fahrzeugs geleistet werden.
§ 7 Behinderungsbedingte Zusatzausstattung
Für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung erforderlich ist, ihren Einbau, ihre
technische Überprüfung und die Wiederherstellung ihrer technischen Funktionsfähigkeit
werden die Kosten in vollem Umfang übernommen. Dies gilt auch für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung eines Dritten
erforderlich ist, der für den behinderten Menschen das Kraftfahrzeug führt (§ 3 Abs. 1 Nr.
2). Zuschüsse öffentlich-rechtlicher Stellen, auf
die ein vorrangiger Anspruch besteht oder die
vorrangig nach pflichtgemäßem Ermessen zu
leisten sind, sind anzurechnen.
§ 8 Fahrerlaubnis
(1) Zu den Kosten, die für die Erlangung einer
Fahrerlaubnis notwendig sind, wird ein Zuschuss geleistet. Er beläuft sich bei behinderten
Menschen mit einem Einkommen (§ 6 Abs. 3)
1. bis 40 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (monatliche Bezugsgröße) auf die volle Höhe,
2. bis zu 55 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße auf zwei Drittel,
3. bis zu 75 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße auf ein Drittel
der entstehenden notwendigen Kosten; § 6
Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 gilt entsprechend.
3 Zuschüsse öffentlich-rechtlicher Stellen für
den Erwerb der Fahrerlaubnis, auf die ein vor-
256
A MTLICHE T EXTE
rangiger Anspruch besteht oder die vorrangig
nach pflichtgemäßem Ermessen zu leisten sind,
sind anzurechnen.
(2) Kosten für behinderungsbedingte Untersuchungen, Ergänzungsprüfungen und Eintragungen in vorhandene Führerscheine werden
in vollem Umfang übernommen.
§ 9 Leistungen in besonderen Härtefällen
(1) Zur Vermeidung besonderer Härten können
Leistungen auch abweichend von § 2 Abs. 1,
§§ 6 und 8 Abs. 1 erbracht werden, soweit
dies
1. notwendig ist, um Leistungen der Kraftfahrzeughilfe von Seiten eines anderen Leistungsträgers nicht erforderlich werden zu
lassen, oder
2. unter den Voraussetzungen des § 3 zur Aufnahme oder Fortsetzung einer beruflichen
Tätigkeit unumgänglich ist.
Im Rahmen von Satz 1 Nr. 2 kann auch ein Zuschuss für die Beförderung des behinderten
Menschen, insbesondere durch Beförderungsdienste, geleistet werden, wenn
1. der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug
nicht selbst führen kann und auch nicht gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2), oder
2. die Übernahme der Beförderungskosten anstelle von Kraftfahrzeughilfen wirtschaftlicher und für den behinderten Menschen zumutbar ist;
dabei ist zu berücksichtigen, was der behinderte Mensch als Kraftfahrzeughalter bei Anwendung des § 6 für die Anschaffung und die berufliche Nutzung des Kraftfahrzeugs aus eigenen Mitteln aufzubringen hätte.
(2) Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 können als
Darlehen erbracht werden, wenn die dort genannten Ziele auch durch ein Darlehen erreicht
werden können; das Darlehen darf zusammen
mit einem Zuschuss nach § 6 den nach § 5
maßgebenden Bemessungsbetrag nicht übersteigen. Das Darlehen ist unverzinslich und
spätestens innerhalb von fünf Jahren zu tilgen;
es können bis zu zwei tilgungsfreie Jahre eingeräumt werden. Auf die Rückzahlung des
Darlehens kann unter den in Absatz 1 Satz 1
genannten Voraussetzungen verzichtet werden.
§ 10 Antragstellung
Leistungen sollen vor dem Abschluss eines
Kaufvertrages über das Kraftfahrzeug und die
behinderungsbedingte Zusatzausstattung sowie vor Beginn einer nach § 8 zu fördernden
Leistung beantragt werden. Leistungen zur
technischen Überprüfung und Wiederherstellung der technischen Funktionsfähigkeit einer
behinderungsbedingten Zusatzausstattung sind
spätestens innerhalb eines Monats nach Rechnungstellung zu beantragen.
§§ 11 bis 12 (weggefallen)
§ 13 Übergangsvorschriften
(1) Auf Beschädigte im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes und der Gesetze, die das
Bundesversorgungsgesetz für entsprechend
anwendbar erklären, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung Hilfe zur Beschaffung eines
Kraftfahrzeugs im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben, sind die bisher geltenden Bestimmungen weiterhin anzuwenden,
wenn sie günstiger sind und der Beschädigte
es beantragt.
(2) Über Leistungen, die bei Inkrafttreten dieser
Verordnung bereits beantragt sind, ist nach
den bisher geltenden Bestimmungen zu entscheiden, wenn sie für den behinderten Menschen günstiger sind.
(3) (weggefallen)
§ 14 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. Oktober 1987 in
Kraft.
257
A MTLICHE
23
TEXTE
Anhaltspunkte für
die ärztliche Gutachtertätigkeit
im sozialen Entschädigungsrecht, im
Schwerbehindertenrecht (SGB IX)
Mit freundlicher Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung übernehmen wir aus dem Buch „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im
sozialen Entschädigungsrecht und im Schwerbehindertenrecht” einen Auszug aus dem Kapitel 26.
Herausgeber der „Anhaltspunkte” ist das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Postfach
500, 53108 Bonn. Dort kann die vollständige
Schrift bezogen werden. Über Internet
(www.bmgs.bund.de) können die hier im Auszug abgedruckten Daten vollständig eingesehen werden. Berücksichtigt sind hier nur die
wichtigsten und schwerere Fälle.
Die nachfolgend in Klammern gesetzten Nummern entsprechen dem Nummernverzeichnis
der „Anhaltspunkte”. Den Begriff „Minderung
der Erwerbsfähigkeit” führte die Neufassung
des Schwerbehindertengesetzes am 24. Juli
1986 ein. Die letzte Änderung der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit” ist
mit Stand Juli 2005 erschienen.
Allgemeine Hinweise
zur GdB/MdE-Tabelle (26.1)
(1) Die nachstehend genannten GdB/MdE-Sätze sind Anhaltswerte. Es ist unerlässlich, alle
leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet in jedem Einzelfall zu berücksichtigen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des
Einzelfalles Rechnung. Auf die Nummern 18
und 19 wird verwiesen.
(2) Bei Gesundheitsstörungen, die im Folgenden nicht aufgeführt sind, ist der GdB/MdEGrad in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen.
(3) Nach Transplantationen innerer Organe und
nach der Behandlung bestimmter Krankheiten,
die zu Rezidiven neigen, ist bei der GdB/MdEBemessung eine Heilungsbewährung abzuwarten.
Insbesondere gilt dies bei malignen Geschwulstkrankheiten. Für die häufigsten und
wichtigsten solcher Krankheiten sind im Folgenden GdB/MdE-Anhaltswerte angegeben.
Sie sind auf den Zustand nach operativer oder
anderweitiger Beseitigung der Geschwulst bezogen.
Der Zeitraum des Abwartens einer Heilungsbewährung beträgt in der Regel fünf Jahre. Ein
Zeitraum von zwei bzw. drei Jahren kommt nur
bei bestimmten, in der GdB/MdE-Tabelle besonders genannten Tumorformen in Betracht,
bei denen medizinisch-wissenschaftlich gesichert ist, dass zwei bzw. drei Jahre nach Beseitigung der Geschwulst die Rezidivgefahr nur
noch sehr gering ist. Maßgeblicher Bezugspunkt für den Beginn der Heilungsbewährung
ist der Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch
Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann; eine zusätzliche adjuvante Therapie hat keinen Einfluss auf
den Beginn der Heilungsbewährung.
Die aufgeführten GdB/MdE-Werte beziehen
den regelhaft verbleibenden Organ- oder
Gliedmaßenschaden ein.
Außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung – z.B. lang dauernde
schwere Auswirkungen einer wiederholten
Chemotherapie – sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen.
Bei den im Folgenden nicht genannten malignen Geschwulstkrankheiten ist von folgenden
Grundsätzen auszugehen:
Bis zum Ablauf der Heilungsbewährung – in
der Regel bis zum Ablauf des fünften Jahres
nach der Geschwulstbeseitigung – ist in den
Fällen, in denen der verbliebene Organ- oder
Gliedmaßenschaden für sich allein keinen
GdB/MdE-Grad von wenigstens 50 bedingt, im
Allgemeinen nach Geschwulstbeseitigung im
Frühstadium ein GdB/MdE-Grad von 50 und
nach Geschwulstbeseitigung in anderen Stadien ein GdB/MdE-Grad von 80 angemessen.
Bedingen der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden und/oder außergewöhnliche
Folge- oder Begleiterscheinungen der Behand-
258
A MTLICHE T EXTE
lung einen GdB/MdE-Grad von 50 oder mehr,
ist der bis zum Ablauf der Heilungsbewährung
anzusetzende GdB/MdE-Grad entsprechend
höher zu bewerten.
Tabellarische Übersicht
Kopf und Gesicht (26.2)
Substanzverluste am knöchernen Schädel und
Schädelbrüche sind selten isoliert, vielmehr
meist im Zusammenhang mit den Störungen
durch die vom Schädel eingeschlossenen Organe zu bewerten.
GdB/MdE-Grad in v.H.
Schädelnarben am Hirnschädel
mit erheblichem Verlust von Knochenmasse
ohne Funktionsstörung des Gehirns
(einschließlich entstellender Wirkung) . . . . . 30
Hierzu gehören insbesondere alle traumatisch entstandenen erheblichen (nicht gedeckten) Substanzverluste am Hirnschädel, die auch das innere Knochenblatt betreffen.
Einfache Gesichtsentstellung
nur wenig störend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
sonst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 – 30
Abstoßend wirkende Entstellung
des Gesichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Eine abstoßend wirkende Gesichtsentstellung liegt
vor, wenn die Entstellung bei Menschen, die nur
selten Umgang mit behinderten Menschen haben,
üblicherweise Missempfindungen wie Erschrecken
oder Abscheu oder eine anhaltende Abneigung
gegenüber dem behinderten Menschen auszulösen
vermag. Bei hochgradigen Gesichtsentstellungen
mit außergewöhnlichen psychoreaktiven Störungen kommen entsprechend höhere Werte in Betracht.
Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich
leicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0 – 10
ausgeprägt,
den oralen Bereich einschließend. . . . . 20 – 30
Gesichtsneuralgien
(z. B. Trigeminusneuralgie)
leicht (seltene, leichte Schmerzen) . . . . . 0 – 10
mittelgradig (häufigere, leichte bis
mittelgradige Schmerzen, schon durch
geringe Reize auslösbar) . . . . . . . . . . . 20 – 40
schwer (häufige, mehrmals im Monat
auftretende starke Schmerzen bzw.
Schmerzattacken) . . . . . . . . . . . . . . . . 50 – 60
besonders schwer (starker Dauerschmerz
oder Schmerzattacken mehrmals
wöchentlich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 – 80
Echte Migräne
je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen (vegetative Störungen, Augensymptome, andere zerebrale Reizerscheinungen).
leichte Verlaufsform (Anfälle
durchschnittlich einmal monatlich). . . . . 0 – 10
mittelgradige Verlaufsform
(häufigere Anfälle, jeweils einen
oder mehrere Tage anhaltend) . . . . . . . 20 – 40
schwere Verlaufsform
(lang dauernde Anfälle mit stark
ausgeprägten Begleiterscheinungen,
Anfallspausen von nur wenigen Tagen) 50 – 60
Periphere Fazialisparese
einseitig
kosmetisch nur wenig
störende Restparese. . . . . . . . . . . . . . . . 0 – 10
ausgeprägtere Restparese oder
Kontrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 – 30
komplette Lähmung
oder entstellende Kontraktur . . . . . . . . . . . . 40
beidseitig komplette Lähmung. . . . . . . . . . . 50
Nervensystem und Psyche (26.3)
Hirnschäden
Hirnbeschädigte sind behinderte Menschen,
bei denen das Gehirn in seiner Entwicklung gestört wurde oder durch äußere Gewalteinwirkung, Krankheit, toxische Einflüsse oder Störungen der Blutversorgung organische Veränderungen erlitten und nachweisbar behalten
hat.
Als nachgewiesen ist ein solcher Hirnschaden
anzusehen, wenn Symptome einer organischen
Veränderung des Gehirns – nach Verletzung
oder Krankheit nach dem Abklingen der akuten Phase – festgestellt worden sind; dies gilt
auch, wenn bei späteren Untersuchungen keine hirnorganischen Funktionsstörungen und
Leistungsbeeinträchtigungen mehr zu erkennen sind (GdB/MdE-Grad dann – auch unter
Einschluss geringer z. B. vegetativer Beschwer-
259
A NHALTSPUNKTE
ÄRZTLICHE
G UTACHTERTÄTIGKEIT
den – 20; nach offenen Hirnverletzungen nicht
unter 30).
Bestimmend für die Beurteilung des GdB/MdEGrades ist das Ausmaß der bleibenden Ausfallserscheinungen.
Dabei sind der neurologische Befund, die Ausfallserscheinungen im psychischen Bereich unter Würdigung der prämorbiden Persönlichkeit
und ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen
zu beachten. Bei der Mannigfaltigkeit der Folgezustände von Hirnschädigungen kommen
für die GdB/MdE-Beurteilung Sätze zwischen
20 und 100 in Betracht.
Bei einem mit Ventil versorgten Hydrozephalus
ist ein GdB/MdE-Grad von wenigstens 30 anzusetzen.
Nicht nur vorübergehende vegetative Störungen nach Gehirnerschütterung (reversible und
morphologisch nicht nachweisbare Funktionsstörung des Gesamthirns) rechtfertigen im ersten Jahr nach dem Unfall einen GdB/MdE-Grad
von 10 – 20.
Bei der folgenden GdB/MdE-Tabelle der Hirnschäden soll die unter A genannte Gesamtbewertung im Vordergrund stehen. Die unter B.
angeführten isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndrome stellen eine ergänzende Hilfe
zur Beurteilung dar.
A. Grundsätze der Gesamtbewertung
von Hirnschäden
1. Hirnschäden mit geringer
Leistungsbeeinträchtigung . . . . . . 30 – 40
2. Hirnschäden mit mittelschwerer
Leistungsbeeinträchtigung . . . . . . 50 – 60
3. Hirnschäden mit schwerer
Leistungsbeeinträchtigung . . . . . 70 – 100
B. Bewertung von Hirnschäden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen
(bei Begutachtungen im sozialen Entschädigungsrecht auch zur Feststellung der
Schwerstbeschädigtenzulage):
Organisch-psychische Störungen
Hierbei wird zwischen hirnorganischen Allgemeinsymptomen, intellektuellem Abbau (Demenz) und hirnorganischen Persönlichkeitsveränderungen unterschieden, die jedoch oft
kombiniert sind und fließende Übergänge zeigen können.
Zu den hirnorganischen Allgemeinsymptomen
(„Hirnleistungsschwäche“) werden vor allem
Beeinträchtigungen der Merkfähigkeit und der
Konzentration, Reizbarkeit, Erregbarkeit, vorzeitige Ermüdbarkeit, Einbuße an Überschauund Umstellungsvermögen und psychovegetative Labilität (z. B. Kopfschmerzen, vasomotorische Störungen, Schlafstörungen, affektive Labilität) gerechnet.
Die hirnorganische Persönlichkeitsveränderung
(„hirnorganische Wesensänderung“) wird von
einer Verarmung und Vergröberung der Persönlichkeit mit Störungen des Antriebs, der
Stimmungslage und der Emotionalität, mit Einschränkung des Kritikvermögens und des Umweltkontaktes sowie mit Akzentuierungen besonderer Persönlichkeitseigenarten bestimmt.
Auf der Basis der organisch-psychischen Veränderungen entwickeln sich nicht selten zusätzliche psychoreaktive Störungen.
Hirnschäden mit psychischen Störungen
(je nach vorstehend beschriebener Art)
leicht
(im Alltag sich gering auswirkend) . . . . 30 – 40
mittelgradig (im Alltag sich
deutlich auswirkend) . . . . . . . . . . . . . . 50 – 60
schwer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 – 100
Zentrale vegetative Störungen
als Ausdruck eines Hirndauerschadens
(z. B. Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus,
der Vasomotorenregulation oder der
Schweißregulation)
leicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
mittelgradig, auch mit vereinzelten
synkopalen Anfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
mit häufigeren Anfällen oder erheblichen
Auswirkungen auf den Allgemeinzustand . . 50
Koordinations- und
Gleichgewichtsstörungen
(spino-)zerebellarer Ursache je nach dem Ausmaß der Störung der Ziel- und Feinmotorik einschließlich der Schwierigkeiten beim
Gehen und Stehen. . . . . . . . . . . . . . . 30 – 100
Hirnschäden mit kognitiven
Leistungsstörungen
(z. B. Aphasie, Apraxie, Agnosie)
leicht (z. B. Restaphasie). . . . . . . . . . . . 30 – 40
mittelgradig (z. B. Aphasie mit