Auch Mill war „Held von Berlin”
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Auch Mill war „Held von Berlin”
Das DFB-Pokalfinale Das DFB-Pokalfinale „Mach‘s noch einmal, Borussia!“ „Mach‘s noch einmal, Borussia!“ Auch Mill war „Held von Berlin” So lief das Finale 1989 gegen Bremen: „Teddy” de Beers Glanztat gegen Rune Bratseth raubte Werder den Nerv Gerade erst hatte Diego im Achtelfinalspiel einen Strafstoß verwandelt. Nun lief Bremens Brasilianer mit der feinen Torschusstechnik wieder an... (Bild: Heyer&) ... aber Marc Ziegler hatte die Ecke „gerochen” und fischte sich den Ball. Werder war geschlagen und der BVB stand erstmals seit vielen Jahren wieder im Viertelfinale. (Bild: Heyer&) Der Siegeszug begann in Magdeburg Borussias Weg nach Berlin: Im Viertel- und Halbfinale Heimspiele gegen die Zweitligisten Hoffenheim und Jena Das Los meinte es gut mit den Borussen. Sie mussten nur in der ersten Runde auswärts antreten, schalteten danach aber die in der Tabelle deutlich besser platzierten BundesligaKonkurrenten Werder Bremen und Eintracht Frankfurt aus. Wilfried Wittke zeichnet den Weg nach Berlin nach. nur zu einem Treffer (Eric Agyemang) zu nutzen wusste. Eiskalt schlugen die Dortmunder durch Mladen Petric (75.) und Diego Klimowicz (90.) zurück. „Das Resultat täuscht, das Spiel stand auf des Messers Schneide”, resümierte Thomas Doll nach dem Abpfiff. 1. FC Magdeburg - BVB 1:4 Das war alles andere als eine klare Sache. Zunächst profitierten die Dortmunder vor 25 230 Zuchauern im ausverkauften Magdeburger Stadion von krassen Schnitzern der gegnerischen Abwehr, für die sich Ebi Smolarek und Diego Klimowicz mit den Toren zur 2:0-Führung bedankten. Dann schlug der BVB-Defensivbereich einschließlich Torhüter Marc Ziegler tollste Kapriolen, die der Regionalligist BVB - Eintr. Frankfurt 2:1 Das Zweitrundenspiel begann alles andere als planmäßig: Denn Ioannis Amanatidis schloss den ersten Frankfurter Angriff nach Flanke von Albert Streit mit einem Kopfball zur 1:0-Führung ab. BVB-Schlussmann Marc Ziegler machte dabei nicht die die beste Figur. Doch Schwarzgelben kämpften sich mit Herz und Leidenschaft ins Spiel zurück. Markus Brzenska, der Kapitän Christian Wörns erneut auf die Bank verdrängt hatte, schoss kurz nach dem Seitenwechsel zum Ausgleich ein, und Mladen Petric krönte seine überragende Leistung mit dem Siegtreffer in der 65. Minute. Marc Ziegler der Held beim 2:1 gegen Bremen BVB - Werder Bremen 2:1 Held des Spiels war Marc Ziegler, der in der 85. Minute einen Strafstoß von Diego parierte und den Dortmundern damit den Gang in die Verlängerung ersparte. Borussia eröffnete die später abwechslungsreiche und hoch dramatische Partie mit einem Paukenschlag. Giovanni Federico erzielte nach glänzender Vorarbeit von Mladen Petric mit einem platzierten Rechtsschuss die 1:0-Führung. Vorher hatten die Gäste reihen- weise beste Chancen versiebt. Der eingewechselte Diego Klimowicz erhöhte in der 80. Minute auf 2:0 - alles schien damit klar zu sein für den Einzug ins Viertelfinale. Doch Werder drehte noch einmal groß auf. Diego verwandelte in der 82. Minute einen Elfmeter, nachdem Sebastian Kehl Angreifer Markus Rosenberg von den Beinen geholt hatte. Der Brasilianer verkürzte auf 1:2. Martin Amedick verursachte nur 120 Sekunden später den nächsten Elfmeter. Diesmal hielt Marc Ziegler. BVB - Hoffenheim 3:1 Thomas Doll waren nach einer packenden und von den Gästen klar dominierten Schlussphase Steine vom Herzen gefallen. „Die spielen richtig guten Fußball, aber am Ende war es ein verdienter Sieg”, resümierte der BVBTrainer. Gegen den aufstrebenden Dorfverein lief es für die Dortmunder zunächst nach Wunsch. Giovanni Federico eröffnete - wie gegen Bremen - mit einem satten Schuss von der Strafraummarke den Torreigen (20.). Der Brasilianer Tinga ließ schnell das 2:0 folgen (23.), aber die von der Kulisse (55 400 Zuschauer) mächtig beeindruckten Hoffenheimer steckten nicht auf. Sie nutzten ein Elfmetergeschenk von Schiedsrichter Felix Brych zum Anschlusstreffer (38., Copado). Borussias 3:1-Führung (Petric, 54.) beantworteten sie mit wütenden Attacken. Aber Marc Ziegler schien tausend Hände zu haben. BVB - Carl Zeiss Jena 3:0 Sportdirektor Michael Zorc nannte den Sieg über Pokalschreck Jena „eine Zangengeburt”. Dabei schienen mit dem frühen 1:0 durch Tinga vor 80 708 Zuschauern im ausverkauften Signal Iduna Park die Weichen frühzeitig gestellt. Doch Köpfe und Beine der Borussen-Profis spielten nicht mit. Der abstiegsbedrohte Zweitligist stürzte Dortmunds Abwehr ständig in die Bredouille. Erst als der Unparteiische Manuel Gräfe Jenas Spielgestalter Jan Simak wegen Schiedsrichterbeleidigung die Rote Karte gezeigt hatte (53.), erlahmte der Widerstand. „Joker” Diego Klimowicz und Mladen Petric funktionierten mit ihren Treffern die Arena in ein Tollhaus um. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin”, skandierten die euphorisierten Fans. Sieg im Elfmeterschießen: In Burghausen drohte Riesen-Blamage, ein 18-jähriger Torwart trieb Toni, Klose und Co. zur Verzweiflung Bayerns Weg nach Berlin: Der Top-Favorit musste zwei Mal in die Verlängerung - Schiedsrichter stand beim Derby im Mittelpunkt Der FC Bayern benötigte ein Elfmeterschießen (in Burghausen) und eine Verlängerung (gegen München 1860), um sich für das Pokalfinale zu qualifizieren. Wilfried Wittke zeichnet seinen Weg ins Pokalfinale nach. Burghausen - Bayern 1:1, 3:4 nach Elfmeterschießen. Oliver Kahn hatte den TopFavoriten mit zwei gehaltenen Bällen im Elfmeterschießen vor einer Blamage beim SüdRegionalligisten bewahrt. Erst in der 79. Minute rettete Miroslav Klose die Bayern mit dem 1:1-Ausgleich in die Verlängerung. Der Rekord-Pokalsieger verzweifelte an Burghausens Schlussmann Manuel Riemann. „Da steht einer im Tor, der hat einen Magnet in den Handschuhen,” sagte Uli Hoeneß. Der 18-Jährige lieferte das Spiel seines Lebens ab. Die Dramaturgie im Elfmeterschießen fesselte die Zuschauer im Stadion und an den Fernsehgeräten. Denn nachdem die Münchner Sosa, Altin- top und Demichelis ihre Strafstöße verschossen hatten, bot sich Markus Palionis die Riesen-Chance, den Bayern den Garaus zu bereiten. Doch er verlor die Nerven, ebenso wie später Thomas Mayer. Für München trafen Ribery, van Bommel, Lahm und Lell. FC Bayern - Borussia Mönchengladbach 3:1 Die Platzherren taten sich lange Zeit schwer gegen den großen Rivalen der 70er Jahre. Kahn-Vertreter Michael Rensing verhinderte gegen Oliver Neuville kurz nach dem Wechsel einen Rückstand. Danach erst drehten die Bayern auf und gingen durch zwei Tore von Luca Toni in Führung. Beide Male hatte Lukas Podolski die Vorarbeit geleistet. Marcel Ndjeng ließ bei den Borussen zwar noch einmal Hoffnung keimen, doch Miroslav Klose machte alles klar. Wuppertal - FC Bayern 2:5 Bis zur 50. Minute witterten die 61 482 Zuschauer in der ausverkauften Veltins-Arena auf Schalke eine Sensation. Denn der Regionalligist rang dem haushohen Favoriten bis dahin ein 2:2 ab. Dem 0:1 und 1:2 durch Miroslav Klose ließen die Bergischen jeweils prompt den Ausgleich folgen (Damm, Ball war von Lucio abgefälscht, und Saglik). Erst nach dem Wechsel machten die Münchner einen ZweiKlassen-Unterschied deutlich und zogen durch Treffer von van Buyten, Luca Toni und Hamit Altintop auf 5:2 davon. Frank Ribéry traf in der 120. Minute zum 1:0 Bayern - 60 München 1:0 n. V. Erst in der 120. Minute bewahrte Franck Ribery mit einem eiskalt verwandelten Elfmeter die „Roten” im Lokalderby vor dem Gang ins Elfmeterschießen. In der kampfbetonten, vom FCB überlegen geführten Partie, stand Schiedsrichter Peter Gagelmann im Blickpunkt. Der Unparteiische aus Bremen verweigerte Bayern kurz vor Schluss der regulären Spielzeit einen Foulelfmeter. Vorher hatte er Luca Toni die Gelb-Rote Karte gezeigt (84.). In der Verlängerung leistete er Wiedergutmachung. Nach einer Schauspieleinlage von Franck Ribery stellte er Markus Thorandt vom Platz, und noch lange nach dem Abpfiff erhitzten sich die Gemüter an Gagelmanns Strafstoßentscheidung. FC Bayern - Wolfsburg 2:0 Es war wie immer, wenn die Niedersachen in München antreten: Sie versteckten sich wie das Kaninchen vor der Schlange. „Unseren großen Respekt vor dem großen FC Bayern und dem großen Stadion konnten wir nie ablegen”, resümierte VfL-Trainer Felix Magath. Den Bayern, die sich zuvor in der Bundesliga bei der 0:2-Niederlage in Cottbus blamiert hatten, fiel die Wiedergutmachung fast in den Schoß. Ribery und Klose drückten ihre Überlegenheit auch in Toren aus. Der FC Bayern löste damit die Fahrkarten nach Berlin. Der Mann des Abends beim Derby: Franck Ribéry erlöste die Bayern in der 120. Minute mit einem verwandelten Elfmeter. Dr. Müller: „Mannschaft kann, wenn sie will.” Watzke: „Mannschaft soll sich zerreißen.” „Ich bin sehr gespannt auf das Endspiel und freue mich auf den Anpfiff. Das Finale gewinnt der BVB, weil die Mannschaft schon wiederholt gezeigt hat, dass sie kann, wenn sie nur will!” Dr. Werner Müller, Vorstandsvorsitzender von Evonik Industries AG, Hauptsponsor des BVB. „Ich freue mich auf Berlin, weil wir nach sechs Jahren erstmals wieder in einem Endspiel sind. Und das ist schließlich ein Highlight im Leben jedes Sportlers. Und uns tut es gut, dass wir in jedem Fall im europäischen Wettbewerb sind. Ich hoffe auf kein bestimmtes Ergebnis, ich erwarte von der Mannschaft, dass sie sich bis zum Allerletzten zerreißt.” Hans-Joachim Watzke, Vorsitzender der Geschäftsführung der BVB KGaA So besiegt man Bayern Wie besiegt man Bayern München? Wir haben nachgefragt und mit Horst Heldt (Manager VfB Stuttgart), Boran Prašnikar (Trainer Energie Cottbus) und Jürgen Röber (Ex-Trainer Borussia Dortmund) gesprochen. Sie sind Rekordpokalsieger-Besieger und damit Fachleute bei diesem wichtigen Thema. Bojan Prašnikars Cottbusser haben die Bayern im März 2:0 besiegt, es war die jüngste Niederlage für den kommenden Meister. „Wir waren klarer Außenseiter gegen das Starensemble. Aber uns war auch klar, dass im Vorwärtsdrang der Bayern Lücken entstehen werden. Darauf habe ich das Team vorbereitet und genauso ist es gekommen. Wir haben den FC Bayern sicher an einem schwarzen Tag erwischt. Bei uns hat dagegen alles funktioniert. Ich habe meiner Mannschaft gesagt, Bayern hat sicher die besseren Einzelspieler, aber wir können als Team besser funktionieren. So war es auch.” Horst Heldts Stuttgarter hatten die Bayern im September mit 3:1 geschlagen, „wie, wissen wir selbst nicht so genau”, sagt der Manager des NochMeisters. Die Schwaben hatten damals eine ganz andere Taktik gewählt als die Cottbusser. „Man darf sich nicht hinten reinstellen, hoffen, dass die Null stehen bleibt und auf Konter warten. Man muss mutig nach vorne agieren, sein Spiel durchziehen”, erklärt Heldt. Zwingende Voraussetzung: „Alle Spieler müssen 100 Prozent geben, jeder muss perfekt spielen und man darf sich keine Fehler erlauben.” Allerdings warnt Heldt: „Bei der individuellen Klasse der Bayern ist immer Vorsicht geboten. Sie sind in der Lage, jeden Spieler durch einen anderen fast gleichwertig zu ersetzen. Spielt Ribery nicht, kommt Schweinsteiger. Ist Klose angeschlagen, spielt Podolski.” Beim letzten BVB-Sieg gegen die Bayern, dem 3:2 im Januar 2006, stand Jürgen Röber an der Linie. Sein Erfolgsrezept: „Da muss alles stimmen, alles passen. Und die Bayern haben ja jetzt eine Riesentruppe im Vergleich zum 3:2.” Röber weiter: „Man muss am Limit spielen und hoffen, dass die Bayern dich vielleicht unterschätzen und nicht einen ganz so guten Tag haben. Und man muss ein bisschen Glück haben.” (tosch) Coup mit Biene Maja Die Vergangenheit hatte Pokalsieger Dortmund 1989 eingeholt. Gleicher Tag, gleicher Monat (24. Juni), gleicher Ort (Berlin) - genau wie 33 Jahre zuvor: Da wurde der BVB zum ersten Mal deutscher Meister. Weite Hemden, knielange Hosen, schwarz-gelb geringelte Stutzen - 1956 das Markenzeichen für Klasse-Fußball, zelebriert von Max Michallek, Adi Preißler, Alfred Kelbassa oder Alfred Niepieklo. Michael Zorc, Frank Mill, Andy Möller, Thomas Helmer und Co. hatten historische Fotos von den ersten Meisterspielern gesehen, jener legendären Mannschaft, die gleich zwei Mal hintereinander in derselben Besetzung Deutscher Meister geworden war. Dann kam ausgerechnet Frank Mill auf eine verrückte Idee: „Mensch, wenn auch wir so in Berlin auflaufen würden, das wäre doch ne tolle Sache." „Den Geist der alten Borussen eingeatmet” Das Präsidium zeigte sich begeistert, gab die Ringelstutzen á la Biene Maja beim damaligen Ausrüster adidas in Auftrag - und der Griff in die „Mottenkiste" erwies sich als Volltreffer. Ein Staunen und Raunen ging durch das Rund des Olympiastadions, und später, beim Bankett im Hotel Kempinski ließ Präsident Gerd Niebaum Tradition und Nostalgie aufleben: „Die Mannschaft von heute hat den Geist der alten Borussen eingeatmet.” Symbolischer Beweis dafür: Herbert Sandmann, im vergangenen Jahr verstorbener Verteidiger der Meister-Elf von 1956 und 1957, forderte Kapitän Michael Zorc auf: „Nimm Du meinen Ehrenring, den ich vor 33 Jahren bekommen habe. Bei dir ist er am besten aufgehoben.” Der Bund zwischen damals und einer neuen BVBGeneration war geschlossen. „Ich habe Herberts Geste als riesige Ehre empfunden”, sagt Zorc heute. Diesmal wird die Mannschaft von Borussia Dortmund mit schwarzen Strümpfen auflaufen - da steckt Aberglaube hinter . Denn in dieser Montur gewann sie alle bisherigen Pokalspiele. (wiwi) BVB-Sportdirektor Michael Zorc weiß, wovon er spricht. „Man muss sich in einen Ausnahmezustand bringen”, empfiehlt er den BVB-Profis. Genau das ist jener Mannschaft gelungen, die am 24. Juni 1989 mit einem sensationellen 4:1Sieg über Werder Bremen deutscher Pokalsieger geworden ist. Borussia war beseelt, dieses Finale gegen die bereits vorher für den UEFA-Cup qualifizierten Hanseaten zu gewinnen. Trainer Horst Köppel erinnert sich: „Vielleicht fehlte ihnen deshalb der letzte Biss.” Der BVB hatte sie erst niedergekämpft - und am Ende ausgespielt. So mutig und entschlossen möchte man die Mannschaft auch morgen sehen. Dabei schien anfangs alles für Werder zu sprechen: Routine, Ausgeglichenheit und Selbstbewusstsein der Mannschaft, ihre Erfahrung aus zig Europacupspielen und nicht zuletzt der gewiefte Taktiker Otto Rehhagel. Folgerichtig erzielten die Bremer in der 14. Minute die 1:0-Führung. Torschütze: Karl-Heinz Riedle, der neun Jahre später, im Champions-League-Finale von München gegen Juventus Turin, zwei BVB-Treffer für die Ewigkeit erzielen sollte. Olympiastadion war um 19.55 Uhr ein Tollhaus Alles schien für Bremen programmgemäß zu verlaufen. Borussias Mittelfeld-Stratege Michael Rummenigge sagte damals: „Wenn du gegen Werder auf neutralem Platz in Rückstand gerätst, dann ist die Sache eigentlich gelaufen. Aber mit diesem Tor ging ein Ruck durch die Mannschaft.” Michael Zorc ergänzte: „Wir standen bei unseren tollen Fans in der Pflicht. Dieses Spiel mussten wir einfach umbiegen - um jeden Preis.” Sie haben investierten mehr Laufbereitschaft, noch mehr Einsatz und Aggressivität - mit Erfolg. „Man konnte förmlich spüren: Die Jungs helfen sich, Die Sensation ist perfekt und nach 23 langen Jahren endlich wieder eine Trophäe in Dortmund: Stolz präsentiert Andy Möller den DFB-Pokal im Berliner Olympiastadion. Norbert Dickel (rechts) strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Vorn im Bild Kapitän Michael Zorc. (Bild: Bodo Goeke) die packen das”, blickt Horst Köppel zurück. Und wie sie sich Respekt verschafften! Die Uhr zeigte 18.20 Uhr, als folgendes passierte: Frank Mill, der ein Riesenspiel machte, tanzte Thomas Wolter auf der linken Seite aus und passte den Ball in die Mitte. Dann folgte der erste Streich von Norbert Dickel. Der schildert die Situation so: „Rune Bratseth steht noch vor mir. Ich denke: Hoffentlich kommt der nicht mehr ran. Aber er ist einen Schritt zu spät. Ich habe freie Bahn, die rechte Ecke ist leer. Peng, das Ding ist drin. Mensch, ich werde verrückt.” In diesem Augenblick spürte Dickel: Mensch, du hast heute das Zeug zum Pokal-Helden! Dann, kurz vor der Pause, vielleicht die Schlüsselszene dieses Endspiels: Der lange Bratseth hechtete in eine Flanke von Wolter - der Ball musste einfach drin sein. Aber „Teddy” de Beer schnappte ihn sich mit einem Riesensatz. Michael Zorc: „Da wusste ich - den Pott können nur wir holen.” Otto Rehhagel setzte im zweiten Durchgang voll auf Angriff - und Borussia konterte eiskalt. Um 19.21 Uhr das 2:1. Torschütze Frank Mill beschreibt Entstehung und Vollendung so: „Michael Zorc hebt den Ball in den Strafraum. Nicht sehr scharf. Aber ich kann frei springen, dem Ball per Kopf noch etwas Druck und die richtige Richtung ge- ben. Ich musste mich abdrehen, konnte den Abschluss der Aktion nicht mehr sehen - hatte nur noch die Fans im Auge. Wie sie plötzlich hochsprangen und jubelten. Dann war es dunkel um mich. Da lagen die anderen Jungs schon über mir, brüllten vor Freude.” Die Fans jubelten: „Und wir haben den Pokal” Mill hatte schon 1984 mit Borussia Mönchengladbach im Finale gegen den FC Bayern gestanden, die „Fohlen” 1:0 in Führung geköpft, aber das Elfmeterschießen verloren. Jetzt, in Berlin, wollte Mill endlich seinen ersten Titel. Und so spielte er auch. Wie aufgedreht und beseelt vom Willen, dieses Finale zu gewinnen. Um 19.27 Uhr war Mill wieder Vorbereiter. Seinen Schuss konnte Oliver Reck noch abwehren, „Frankie” hockte am Boden, rappelte sich schnell wieder auf und flankte überlegt auf die linke Seite. Da lauerte Dickel. „Nobby” schildert: „Ich sehe den Ball kommen und denke: Nimm ihn nur nicht mit der Innenseite, das macht dein Knie nicht mit. Also voll drauf. Es passte: der Punkt, an dem ich den Ball treffe, die Körperhaltung, die Schussrichtung.” Es sollte noch schöner kommen. Michael Lusch, gerade für Günter Breitzke eingewechselt, hatte freie Bahn, Schuss aus zwölf Metern - 4:1 um 19.28 Uhr. Das Spiel war gelaufen. „Und wir haben den Pokal, halleluja...”, dröhnte es aus 40 000 Kehlen. Wahnsinn. Dann durfte Norbert Dickel raus und Bernd Storck rein. 14 Minuten später pfiff Schiedsrichter Karl-Heinz Tritschler (Freiburg) ab. Um 19.55 Uhr verwandelte sich das Olympiastadion in ein schwarz-gelbes Tollhaus: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble überreichte Michael Zorc die Trophäe. „Und wir haben den Pokal...”! Mach es noch einmal, Borussia Dortmund, am Samstag an gleicher Stelle gegen den Rekordpokalsieger Bayern München. Wilfried Wittke Von Kutowski bis Zorc: Dieses Team hat Geschichte geschrieben Borussia Dortmund hat die Pokalsieger von 1989 nach Berlin eingeladen - Michael Rummenigge wäre gern Sportmanager geworden Die „Helden von Berlin” treffen sich wieder. Am 19. April in Berlin, wenn ihre Nachfolger versuchen, das Kunststück zu wiederholen, im Finale einen haushohen Favoriten zu besiegen. Wie am 24. Juni 1989. Der BVB hat alle Vorstandsmitglieder, Trainer, Spieler und Betreuer „von damals” in die Hauptstadt eingeladen - eine tolle Geste. Und sie holten damals den Pokal: „Teddy” de Beer: Fast ein BVB-Urgestein. Kam 1986 vom MSV Duisburg und war über Jahre ein zuverlässiger Schlussmann. Wurde von Stefan Klos abgelöst. In Berlin nur von „Kalle” Riedle bezwungen. Trainiert heute Borussias Torhüter. Günter Kutowski: Der Verteidiger wurde schon mit 18 Jahren Stammspieler und war ein Kämpfer vor dem Herrn. An ihm gab es kein Vorbeikommen. Heute noch in der BVB-Traditionsmannschaft Fußball-Fachmann beim DSF: Thomas Helmer. aktiv - bissig wie eh und je. Thomas Kroth: Kam als technisch versierter Mittelfeldspieler im Sommer 1988 vom Hamburger SV zum BVB und wurde von Horst Köppel zum umsichtigen Libero umfunktioniert. Heute ist er als Spielerberater u. a. von BVB-Profi Giovanni Federico - tätig. Thomas Helmer: Besetzte in der Abwehr beinahe alle Positionen, wurde beim BVB Nationalspieler. Wechselte dann un- ter dubiosen Umständen zum FC Bayern. Heute u. a. als TVModerator beim DSF am Ball. Günter Breitzke: Der Mann mit den Säbelbeinen konnte an guten Tagen eine ganze Abwehr schwindlig spielen. Borussia hatte ihn 1988 für „kleines Geld” vom SC Köln-Brück geholt. Hätte mehr aus seinem Talent machen müssen. Heute verstärkt er die Traditionsmannschaft. Lieblingsbeschäftigung: „Trainer ärgern” Murdo McLeod: Dortmunds Lieblingsschotte - bis Paul Lambert kam. Er war Borussias „Mädchen für alles” - und gab ständig alles. McLeod trug das BVB-Emblem im Herzen. Michael Zorc: Krönte sein erstes Jahr als BVB-Kapitän mit dem Pokalsieg. In Berlin der einzige defensive Mittelfeldspieler. Seit 1998 Borussias Sportdirektor. Michael Rummenigge: Gegen seinen Transfer liefen da- mals die Fans Sturm. Später begleiteten sie den fußballerisch überragenden Mittelfeldspieler mit Applaus. Heute in vielen Sätteln gerecht, u. a. betreibt er Fußballschulen. Er wäre beim BVB gern Sportmananger geworden. Andreas Möller: Damals, mit 21 Jahren, noch ein außergewöhnliches Talent. Der BVB zahlte 1987 an Eintracht Frankfurt für ihn die RekordAblösesumme von 2,4 Millio- Einsteiger im Trainergeschäft: Andi Möller. nen DM. Vielleicht der begnadeteste Fußballer, der in den letzten 30 Jahren das schwarzgelbe Trikot getragen hat. Trainiert heute Viktoria Aschaffenburg. Norbert Dickel: Der „Held von Berlin”, weil er zwei spielentscheidende Tore geschossen hat. War ein paar Wochen vorher noch am Meniskus operiert worden. Musste wegen einer chronischen Knie-Verletzung seine Karriere beenden. Heute „Event-Manager” und Stadionsprecher. Frank Mill: Ein Schlitzohr. Trickreich, torgefährlich, mit allen Wassern gewaschen. Als er mal nach seiner Lieblingsbeschäftigung befragt wurde, sagte er: „Trainer ärgern.” Die konnten ein Lied von ihm singen. Bis Ottmar Hitzfeld kam. Der rasierte ihn. Michael Lusch: Wurde in Berlin in der 73. Minute für Breitzke eingewechselt. Ein dankbarer Spieler, der keine Ansprüche stellte, aber stets Betreibt Fußballschulen: Michael Rummenigge. Leistungen sprechen ließ. Bot seine stärksten Spiele im rechten Mittelfeld. Auch heute noch in der Traditionsmannschaft aktiv. Bernd Storck: Hätte Horst Köppel seinen Kopf durchgesetzt, wäre der Verteidiger für die Anfangsformation nominiert worden. Als Dickel seine Pflicht und Schuldigkeit getan hatte, kam er in der 76. Minute ins Spiel. War zuletzt Assistent von Jürgen Röber. (wiwi)