Festrede
Transcription
Festrede
Festrede zur Einweihung des Tile KolupKolup-Denkmals am 16. November 2005 in Wetzlar von Dr. Helmut Scharf Sehr verehrte Damen und Herren, bitte haben Sie noch etwas Geduld, wir erwarten noch einen Ehrengast... ... Da, hören Sie !? ... Ein Rascheln im herabgefallenen Laub, ein Windstoß in der Abendluft, ein Raunen im Hintergrund, ein leises Pfeifen in den Ästen der kahlen Bäume. ... Ich, glaube, das ist er! .. (Tile Kolup, mit tiefer Stimme): Gestatten mein Name ist Kolup, Tile Kolup, alias Dietrich Holzschuh, früherer Kaiser Friedrich II. Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung. Hatte Probleme mich zurecht zu finden. Die alte Teichsstadt hat sich doch enorm vergrößert und ist unübersichtlicher geworden. Kaum Menschen in den Gassen, die man nah den Weg fragen kann. Und dann die wie durch Zauberhand gelenkten Kutschen, die sich in großer Schar und hoher Geschwindigkeit den Berg hinauf winden, ohne dass ihnen auch nur ein einziges Ross vorgespannt worden wäre (Helmut Scharf): Seien Sie herzliche willkommen! Mein Name ist Scharf, Helmut Scharf, promovierter, aber leider mehr oder weniger erwerbsloser Kunsthistoriker, der hier die Festrede halten sol. Ich fühle mich Ihnen und Ihren Ideen eng verbunden. Doch hatte ich in meinem bisherigen Leben nicht den Mut als Hochstapler und Ketzer oder gar als falscher Kaiser auftreten. (T.K.): Nun ja, alles hat seine Vor -und Nachteile. Auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden ist auch kein besonders lustvolles Gefühl. Und damit war die Angelegenheit noch lange nicht erledigt. Siebenhundertzwanzig Jahre, vier Monate und neun Tage hat der liebe Gott mich für meine Taten im Fegefeuer schmoren lassen. Und das nur, weil der allwissende Herr so entscheidungsschwach war und zu keinem Ergebnis kam, ob er mich letztendlich in die Hölle oder in den Himmel schicken sollte. Eine gewisse Sympathie hat der alte Herr ja schon für mich. Aber er ist leider auch nicht besonders mutig und glaubt es den vielen Fraktionen von Heiligen und Engeln allesamt recht machen zu müssen. Mit einem halbherzigen Halleluja in der himmlischen Kulturkommission weiß er sie immer wieder zu beschwichtigen und gleichzeitig wird für den kleinen Mann von der Straße eifrig das Feuer geschürt. (H.S.): Nun Herr Kolup, das wollen wir von heute an grundlegend ändern. Wir sind zusammen gekommen um in wenigen Minuten ein Denkmals für Sie, Tile Kolup , alias Dietrich Holzschuh, früherer Kaiser Friedrich II, einzuweihen. Drei Jahre lang haben Leute aus der WALI daran gearbeitet, Leute die sonst keine Arbeit haben, Leut' von denen nur geringer Teil Ihre Person vorher schon gekannt hat. Jeder hat sein Scherflein dazu beigetragen: Fantastische Ideen und Gedanken, handwerkliches Geschick und Ausdauer, künstlerische Brillanz, historisches und kunstgeschichtliches Wissen. Ein Denkmal in Gestalt eines Thrones erwartet Sie, verkleidet nach Art eines Gaudi, Hundertwasser oder einer Niki de Saint Phalle mit unzähligen farbigen Mosaiksteinchen. Auch an die Flammen haben wir gedacht. siebenhundertzwanzig Jahre, vier Monate und neun Tage nach Ihrem tragischen Tod auf dem Scheiterhaufen wollen wir Ihre Rückkehr feiern (T.K.): Zuviel der Ehre, zuviel der Ehre !!! Außerdem ist es mir peinlich mit jenen Arbeitgebern und Künstlern in Verbindung gebracht zu werden, die im 19.Jahrhundert mit nationalem und militärischem Eifer Denkmäler verschönern. Sie alle habe ich im Fegefeuer an mir vorüber ziehen sehen. Die einen machten sich auf den Weg in den Himmel, die anderen fuhren zur Hölle. Sie blieben nur kurz, keinen mussten so lange schmoren wie ich. Doch ein Kriegsdenkmal oder ein Nationaldenkmal wie der Hermann im Teutoburger Wald oder die Walhalla am Hochufer der Donau sind nicht mehr zeitgemäß. Sie haben viele Menschen zu blutigen Taten verführt und die Kluft zwischen Armen und Reichen verschleiert. Was soll also ein Denkmal in heutiger Zeit? (H.S.): Ich kann Sie beruhigen, Herr Kolup! Wir haben uns da etwas besonderes einfallen lassen. Auch wir sind der Meinung, dass die Denkmäler des 19.Jahrhunderts längst passé sind. Säbelrasseln und nationale Überheblichkeit wollen wir in unserem Denkmal ersetzen durch das Streben nach sozialer Gerechtigkeit und weltweiter Friedfertigkeit denn arme und hungernde Menschen gibt es auf der ganzen Welt. Sie, Herr Kolup, mussten sich vielleicht noch als Kaiser ausgeben, um sich durch Autorität und Würde Gehör zu verschaffen. Wir haben einen Thron für jedermann gebaut, auf dem sich auch ein Arbeitsloser nieder lassen kann. In geistiger Versenkung kann er seine eigene Autorität und Würde wieder erlangen. Unser Thron ist repräsentativer Herrschersitz, das Sitzen auf dem Thron ist keine symbolische Handlung, die auf Gottheiten und Herrscher beschränkt ist. Es ist ein leerer Thron, der dazu einlädt mit menschlichem Leben gefüllt zu werden, mit dem Bildnis des Mannes un der Frau aus dem Volke. Passend zu einem Goethe-Spruch, der da lautet: “Doch bleibt immer das schönste Denkmal des menscheneigenes Bildnis“. (T.K.): Also kein Thron für einen Kaiser oder einen Gott? Darf ich mich also als der einfache Dietrich Holzschuh auf diesem Thron niederlassen, ohne Gefahr zu laufen wieder als Hochstapler und Ketzer verbrannt zu werden und weitere siebenhundertzwanzig Jahre, vier Monate und neun Tage im Fegefeuer zu schmoren. Der Thron ist jedoch wahrlich auch ein Thron Salomons, ein Thron der Weisheit, denn wer sich auf ihm niederlässt kann Weisheit erlangen und eine Welt voll Habgier und Gewalt ersetzen durch eine Welt von Brüderlichkeit und Frieden. Und das Bildnis des leeren Throns, das es auch zu meiner Zeit schon gab und von den Gebildeten als Hetoimasia bezeichnet wurde, ist das Sinnbild des Herrscherstuhls, der für keinen weltlichen oder geistlichen Würdenträger bereit steht. Vielmehr ist er dem Allerhöchsten vorbehalten, der sich am Jüngsten Tag hier niederlässt um das Weltengericht abzuhalten. Dann spätestens, wenn das Gute vom Bösen getrennt wird, muss auch die Entscheidung fallen, zu wem ich, Tile Kolup , alias Dietrich Holzschuh, früherer Kaiser Friedrich II zu rechnen bin In Deutschland ist es schließlich eine alte Tradition, dass zu aller erst nicht diejenigen angeprangert werden, die die Missstände verursacht haben , sondern diejenigen , die auf sie aufmerksam machen. Und was habe ich anderes getan als mich für die Armen in Deutschland und gegen die erdrückenden Steuern des Rudolf von Habsburg einzusetzen. In den Letzten Jahren hat so mancher Politiker Steuersenkungen versprochen. Verbrannt worden ist dafür meines Wissens keiner. (H.S.): Denkmalzeiten sind für das Volk arme Zeiten, Herr Kolup. Was haben Ihrer Zeit die prächtigen kaiserlichen Reiterstandbilder in Bamberg und Magdeburg am Hunger und Elend des Volkes geändert? Sind sie nicht Symbole der Reichen und Mächtigen, mit denen sich das niedere Volk identifizieren soll? Auf die sie stolz sein sollen ohne dass sich ihre Lage tatsächlich verbessert. Immerhin ist Kultursponsoring – verzeihen Sie mir dieses hässliche neudeutsche Wort -, wie es sich im Denkmal für Tile Kolup bewährt hat, ein symbolischer Handschlag zwischen der Wirtschaft und den Arbeitslosen, dem konkrete Taten folgen können. Immerhin konnte es mit Hilfe des Zentrums für Hightech- und Kultur überhaupt verwirklicht werden, während maßgebliche Politiker der alten Reichsstadt weiter grübeln dürfen, ob Tile Kolup nach demokratischem Recht ebenso wie im Feudalrecht des Mittelalters ein Schurke und Verbrecher ist, oder ob er nach modernen Gesichtspunkten nicht einfach ein sozialer Rebell war, der sich heute gegen Hartz IV und für ein gerechte Reichensteuer einsetzen würde. Tile Kolup – auch Du bist Deutschland ! (T.K.): Dem einfachen Volk ging es unter Friedrich II. Einfach besser als unter Rudolf von Habsburg und so bin ich flugs in das Gewand des beliebten Stauferkaisers geschlüpft. Zugegebenermaßen war das schon etwas geschummelt. Aber tun das nicht Politiker bis in die Gegenwart auch ? In dem sie sich als Enkel des rheinischen Altkanzlers Konrad bezeichnen ? (H.S.): Auch an Friedrich II von Staufen haben wir bei unserem Denkmalbau gedacht. Der achteckige Grundriss, das Oktogon, galt seit alten Zeiten als eine Ideslform aus einem Kreis und zwei ineinander verschränkten Quadraten. Die Acht als Verdoppelung der Vier galt als heilige Zahl, die an vier Evangelisten ebeso erinnert wie an die vier Jahreszeiten. In dieser idealen Grundform erinnert der Sockel des Tile Kolup-Denkmals an das Castel del Monte in Apulien, dem Lieblingsschloss Kaiser Friedrichs II. Hier widmete sich der Staufer nicht nur der Wissenschaft und Kunst, sondern auch der von ihm mit Bravour betriebenen Jagd mit dem Falken. (T.K.): Erstaunlich, erstaunlich! Sie haben offensichtlich an alles gedacht. Außerdem wissen sie über die Person, die ich einmal verkörperte gut bescheid. Bleibt nur noch die Frage, warum mein Denkmal gerade heute, dem Buß- und Bettag 2005 eingeweiht wird. Insbesondere da er vor numehr elf Jahren als gesetzlicher Feiertag abgeschafft wurde und die arbeitende Bevölkerung einen freien Tag opfern musste. (H.S.): Seit Theodosius dem Großen war der Buß- und Bettag im Kirchenjahr ein Feiertag, der dem Zweck diente durch gemeinsame Buße des Volkes die Landesnot zu beheben. Durch ihre Buße im Fegefeuer während siebenhundertzwanzig Jahre, vier Monaten und neun Tagen haben Sie die deutsche Nation von aller Not erlöst. Jetzt gibt es nur noch Optimismus und Tatendrang auf dem Weg in eine glückliche Zeit ohne Krieg, Hunger, Elend und Arbeitslosigkeit. Wir danken Ihnen dafür mit der Einweihung des Flammenthrons für Tile Kolup als ein öffentliches Denkmal.