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Transport + Logistik Interview V I TA & U N T E R N E H M E N Peter Fog-Petersen Peter Fog-Petersen ist 1972 in Dänemark geboren. Nach seinem Master in Supply Chain Management startete Fog-Petersen im Jahr 1995 als Trainee bei DSV und übernahm innerhalb des Unternehmens seit 1997 diverse Führungspositionen, unter anderem als Regional Director DACH der DSV Road Holding. Seit 2012 ist Fog-Petersen CEO der DSV Road GmbH in Bremen. DSV Das Transport- und Logistikunternehmen DSV - Global Transport & Logistics hat seinen Hauptsitz in Brondby/Dänemark. Im vergangenen Oktober gab DSV die Übernahme des US-amerikanischen Speditions- und Logistikunternehmens UTI Worldwide bekannt. DSV setzt damit seine Wachstumsstrategie der vergangenen Jahre fort. 2015 erwirtschaftete das Unternehmen weltweit einen Umsatz von 6,8 Milliarden Euro. Umsatzzahlen zu Deutschland veröffentlicht DSV nicht. UTI erwirtschaftete im vergangenen Jahr mit 21.000 Mitarbeitern in 58 Ländern rund 3,9 Milliarden US-Dollar Umsatz, war aber zuletzt finanziell angeschlagen. eh „Ich frage mich: Braucht es in Deutschland noch den 24-Stunden-Zustellservice?“ DSV PETER FOGPETERSEN CEO DSV Road Germany Will in Deutschland die weißen Flecken tilgen: DSV-RoadDeutschlandchef Peter Fog-Petersen „Das ist ungesund für alle Anbieter“ Warum DSV in Deutschland Standorte zusammenlegt, hier fast keine eigenen Lkw hat und den 24-Stunden-Zustellservice hinterfragt. Ein Interview mit DSV-Road-Geschäftsführer Peter Fog-Petersen. Gemessen an der Marge zählte DSV bislang zu den führenden Logistikunternehmen. Im ersten Quartal sank allerdings die operative 18 21/2016 VerkehrsRUNDSCHAU Marge von DSV im Vorjahresvergleich von 5,1 auf 4,2 Prozent. Inwiefern schlägt da die Übernahme von UTI Worldwide durch? Das ist eine Frage, auf die unser DSV-Vorstandsvorsitzender Jens Bjørn Andersen Auskunft gibt. Fakt ist: Wir stellen uns im Zusammenspiel mit UTI weltweit deutlich breiter auf. So können wir allein in den USA die Zahl unserer Niederlassungen mehr als verdoppeln. Und dank UTI sind wir mit unseren Air- & Sea- und Road-Aktivitäten nun auch in Afrika präsent, insbesondere in Südafrika. Außerdem verstärken wir uns mit UTI in Europa. Und natürlich haben wir gemeinsam mehr Volumen und können dadurch wichtige Einkaufsvorteile erzielen. Was ändert sich durch die Zusammenlegung der Aktivitäten von DSV und UTI in Deutschland? Im Landverkehr gibt es mit unserer deutschen Road-Sparte, die ich als Geschäftsführer verantworte, sehr wenige Überschneidungen. UTI war ja hierzulande kaum im Landverkehr tätig. Bei Air & Sea ist das anders. Da prüfen wir derzeit sehr sorgfältig, wie wir die Aktivitäten sinnvoll integrieren, zumal beide Unternehmen mehr oder minder an den gleichen Standorten ihre Niederlassungen haben. Dieser physische Merger befindet sich im Prozess. Klar ist: Die Synergien sind da und die wollen wir auch heben. Das ist einerseits mit BetriebsratsThemen verbunden, andererseits wollen und werden wir dank UTI wachsen. Ihr Unternehmen kommt allerdings nicht wirklich zur Ruhe. DSV bündelt ja aktuell auch seine Sparten Road, Air & Sea sowie Solutions an neuen Großstandorten. Das ist richtig. Wenn alle drei Sparten in eine Niederlassung ziehen und unter einem Dach sind, bringt das aber große Vorteile. Wir sind dann ein Team, können so Synergien schaffen und alle Services aus einer Hand anbieten – Stichwort Cross-Selling. Wie gut das funktioniert, zeigt unser Großstandort Krefeld, den wir im vergangenen Herbst eröffnet haben. Das zeigt, wohin unsere Reise in Deutschland geht. Wir wollen sehr einfache, sehr flache Strukturen und keine aufgeblähte Administration. Welche Standorte wird DSV als Nächstes zusammenlegen und bis wann soll dieses Projekt abgeschlossen sein? Beide Fragen kann ich Ihnen heute noch nicht beantworten. Denn durch die UTIÜbernahme haben wir viel mehr Niederlassungen. DSV hat deutschlandweit derzeit über 54, davon entfallen auf den RoadBereich 20, und inklusive der übernommenen UTI-Standorte sind es über 70. Diese Zahl wird kräftig sinken. Denn Ziel ist es, überall da unser Großstandort-Projekt umzusetzen, wo es sinnvoll und möglich ist, vor allem in Großstädten. Das wird aber nicht am Reißbrett entschieden, sondern im Zusammenspiel mit Betriebsrat und Mitarbeitern. Wie viel Euro wollen Sie dadurch einsparen und wie viel Prozent Ihrer Mitarbeiter müssen dafür gehen? Wir glauben, dass wir durch diese Maßnahmen so viel Geschäft und Wachstum generieren, dass wir keine Mitarbeiter abbauen müssen. Und im Sales-Bereich werden wir ganz sicher nicht einsparen! Da wollen wir Gas geben. Wir haben ja ein Wachstumsprogramm aufgelegt. Und es sieht gut aus, dass wir unsere Ziele in diesem Jahr erreichen. Gerade im Road-Bereich sind wir mit dem ersten Quartal sehr zufrieden. Ergebnis ist: Wir haben einen deutlich größeren Fokus auf das einzelne Geschäftsfeld. Im Gegensatz zu den früheren Niederlassungsleitern, die alles können mussten, fokussieren sich unsere Produktverantwortlichkeiten ausschließlich auf ein Produkt, dessen optimale Produktion und die Optimierung der Prozesse dahinter. Das wirkt sich sehr positiv auf unser Wachstum und unsere Ertragsentwicklung aus. Im vergangenen Jahr soll Ihr Umsatz hierzulande bei mehreren hundert Millionen Euro gelegen haben. Welches Wachstumsziel haben Sie sich für 2016 gesetzt? Außerdem wollen Sie, wie man hört, in der Road-Sparte die DV-Systeme und Prozesse vereinheitlichen. Was steckt da dahinter? Deutschland ist der Markt, in dem wir ganz stark wachsen wollen. Im Moment wächst der Markt um rund zwei Prozent. Wir planen fünf Prozent mehr Umsatz, Mehr zum Thema finden Sie im Dossier „Stückgut“ www.verkehrsrundschau.de/dossiers also mehr als doppelt so viel. Und unsere Ebit-Marge soll ebenfalls steigen. Wir verfolgen hier eine zweigleisige Strategie: Zum einen verfolgen wir eine Wachstumsstrategie. Zum anderen wollen wir dank einer stärkeren Vereinheitlichung und Standardisierung unsere Kosten optimieren – Stichwort IT-Optimierung. Welches Renditeziel geben Sie Ihrer RoadSparte in diesem Jahr vor? Europaweit lag die Ebit-Marge von DSV im Landverkehr in 2015 bei 3,7 Prozent. Wie sich diese in unseren einzelnen Länderregionen entwickelt, kommunizieren wir nicht. Nur so viel: Wir schreiben in Deutschland im Landverkehr schwarze Zahlen. Wie wollen Sie Ihre Renditeziele erreichen? Wir drehen da an sehr vielen Schrauben. Im Road-Bereich zahlt sich vor allem aus, dass wir vier Business-Units „National“, „International“, „Automotive“ und „Retail“ mit Produktverantwortlichen geschaffen und die Niederlassungsleiter an den einzelnen Standorten „abgeschafft“ haben. Dieses Programm haben wir in 2013 gestartet und nun an allen Standorten umgesetzt. Das Dieses Projekt werden wir in der Tat im Landverkehr umsetzen. Zunächst in Deutschland und dann sukzessive international. Ziel ist es, dass alle unsere Kunden immer mit den gleichen Prozessen unsere Dienstleistungen einkaufen können, egal an welchem Standort und egal in welchem Land. Die Strategie dahinter lässt sich mit drei Worten zusammenfassen: Standardisierung, Automatisierung und dadurch Optimierung. An diesem einheitlichen Prozess hat unser Management-Board in den vergangenen Monaten sehr intensiv gearbeitet und diesen werden wir nun so schnell wie möglich operativ umsetzen. Das ist harte Arbeit. Das ist echtes Change Management. Es bringt aber viel; in einzelnen Bereichen sogar richtig, richtig viel! Das zeigen erste Projekt-Erfahrungen. Sie sagten eingangs, dass DSV in Deutschland mächtig wachsen will. In welchen Geschäftsfeldern sehen Sie das größte Wachstumspotenzial? Sehr viel Potenzial sehen wir im Retailbereich. Für die Drogeriekette DM sind wir heute schon in der Filialbelieferung und im Retourenmanagement sehr aktiv. Wachstum sehen wir außerdem im ECommerce und im Automotive durch eine stärkere Zusammenarbeit mit OEMs und Tier2-Zulieferern. Generell wollen wir auch unser internationales Netz stärker nutzen. Hier wollen weiter wachsen. Gibt es noch weiße Flecken, die DSV in Deutschland erschließen will? An der „West-Küste“ Deutschlands sind wir gut aufgestellt. Aber im Osten von Deutschland sind wir bislang kaum präsent. Da VerkehrsRUNDSCHAU 21/2016 19 Transport + Logistik Interview Bislang hat DSV fast keine eigenen Lkw und setzt nahezu komplett auf Frachtführer. Ändert sich das durch den Fahrermangel, den viele Kleinbetriebe aktuell beklagen? DSV DSV gibt in Deutschland mächtig Gas und schließt auch Zukäufe nicht aus sehen wir durchaus Bedarf. Interessant sind für uns vor allem Orte an den Grenzübergängen Richtung Polen. Polen ist für uns ein wichtiger Markt. Auch in Hamburg, München, Regensburg, Nürnberg und Dresden müssen wir uns stärker aufstellen. Sind Zukäufe ein Thema? Entscheidend ist, dass wir wachsen. Entweder durch die Gründung eigener Büros oder durch Zukäufe. Das hängt auch von der Gelegenheit ab. Wir planen dieses Jahr zwar vor allem ein organisches Wachstum. Wenn wir aber ein gutes Angebot erhalten, sagen wir nicht „Nein“. Das Investitionsvolumen würden wir von unserem Mutterkonzern erhalten. Wir streben das aber nur in den Bereichen Automotive, Retail sowie Teil- und Komplettladungen an. Welches Potenzial sehen Sie im deutschen Stückgutgeschäft? Das Stückgutgeschäft ist nach wie vor in Deutschland ein Wachstumsbringer – nicht zuletzt dank unserer Kooperation mit IDS Logistik, die für uns sehr wichtig ist. Wir alle aber haben es in Deutschland verpasst, den Kunden den Mehrwert unserer Dienstleistung zu vermitteln. Wir sind deshalb selbst schuld an dieser Misere. Wir erbringen unseren Service für frei, obwohl wir alle in den letzten Jahren sehr viel Geld in IT und neue Produkte investiert haben. Das ist wirtschaftlich ungesund – für alle Anbieter im Markt. Da wird und muss etwas passieren. Es wird eine zweite und dritte Welle geben. Es gibt noch viel zu viele Akteure im Stückgutgeschäft. Woran hakt es hier konkret? Der deutsche Stückgutmarkt ist hoch professionell wie kein anderer in Europa. Viele Stückgutspediteure haben aber eine zu niedrige Lkw-Auslastung. Ich frage mich deshalb: Braucht es noch den 24-Stunden-Zustellservice? Warum müssen alle Sendungen 20 21/2016 VerkehrsRUNDSCHAU binnen 24 Stunden zugestellt sein? Unsere Kunden können dank der modernen ERPSysteme heute so intelligent planen, dass dieser Zustellservice vielleicht nicht mehr so nötig ist wie vor Jahren. Der Auslastung vieler Speditionen würde das guttun. Wenn ein Betrieb, fiktiv gesprochen, derzeit eine Auslastung von 90 Prozent hat, könnte er durch eine 48-Stunden-Zustellung diese um fünf Prozent steigern und automatisch ein bis zwei Prozent mehr verdienen. Was tun Sie, um hier vernünftige Renditen zu erzielen? „Es ist heute auch egal, ob ein rumänischer oder ein deutscher Fahrer die Produkte fährt“ PETER FOGPETERSEN CEO DSV Road Germany Wie gesagt, die Lkw-Auslastung vieler Stückgutspeditionen ist zu niedrig. Das liegt auch an der in Deutschland üblichen Trennung von Stückgut- und Teilladung. Wenn man diese zwei Abwicklungsmethoden miteinander verschmilzt, lässt sich die Effizienz deutlich steigern. Genau daran arbeitet DSV. Wir sind dabei, unser Teilladungs- und Stückgutgeschäft zusammenzulegen. Wir sehen uns deshalb nicht als reine Stückgutspedition, sondern als Fullservice-Provider. Was ändert sich damit für Ihre Frachtführer? Ganz einfach: Ein Transportpartner, der bislang ausschließlich Stückgutsendungen bei unseren Kunden abgeholt hat, kann in der Abholung auch die Teilpartien mitnehmen. Und bei der Zustellung kann er neben dem Stückgut auch Teilpartien mitnehmen. Für unsere Frachtführer hat das den Vorteil, dass sie dadurch die Auslastung ihrer Fahrzeuge erhöhen, und wir sparen uns damit Verkehre ein. Wir denken in der Tat derzeit stark darüber nach, ob wir künftig nicht in mehr eigene Lkw investieren und mehr Transporte selbst erbringen. Zumindest im internationalen Geschäft. Vielleicht gründen wir für den Fuhrpark auch eine eigene Auslandsniederlassung. Auf bestimmten internationalen Relationen könnten wir selbst sicher manche Transporte günstiger selbst erbringen. In Deutschland macht ein Selbsteintritt aber keinen Sinn für uns. Da arbeiten wir mit über 1000 Frachtführern. Frachtführer sind flexibler und kostengünstiger. Mussten Sie aufgrund des Fahrermangels schon Aufträge ablehnen? Nein, noch ist das Problem nicht so groß. Wir spüren ihn aber über unsere Frachtführer. Die Frage ist, warum nutzen wir die EUArbeitnehmerfreizügigkeit nicht stärker; warum müssen wir deutsche Fahrer beschäftigen? Als Spediteur ist es mir – überspitzt formuliert – egal, wo ich meine Frachtführerleistung einkaufe. Es ist heute auch egal, ob ein rumänischer oder ein deutscher Fahrer die Produkte fährt. Hauptsache ist, er erfüllt seine Aufgaben mit hoher Qualität. DSV könnte sein international geplantes Wachstum gar nicht mit ausschließlich deutschen Fahrern erreichen. Das schaffen wir nur mit Fahrern aus dem EU-Ausland. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Frachtführer kein Sozialdumping betreiben? Wir machen kein Sozialdumping. Das wollen wir nicht. Wir haben hier einen Code of Conduct mit festen Kriterien definiert, den unsere Frachtführer erfüllen müssen. Dazu müssen diese zum Beispiel ihre Sendungslaufzeiten und Schadensquote übermitteln. Das wollen wir alles elektronisch. Wir wollen keine Anrufe, kein Papier. Unsere Disponenten werten diese Daten täglich aus und ermitteln auf dieser Basis Qualitätskennzahlen, nach denen wir unsere Frachtführer bewerten. Zudem haben wir das beste PreisLeistungs-Verhältnis. Da sind wir besser als alle anderen Firmen der Branche. Was gibt bei Ihrer Transportvergabe den Ausschlag: der Preis oder die Qualität? Letztlich die Qualität. Ein Cent weniger pro Kilometer lohnt sich zwar kurzfristig, ᆙᆚᆚ aber nicht langfristig. Eva Hassa