Marcello - Museen, kulturelle Institutionen, Sammlungen
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Marcello - Museen, kulturelle Institutionen, Sammlungen
Marcello Adèle d’Affry 1836–1879 Herzogin von Castiglione Colonna Deutsch museo-vela.ch SAAL IX Marcello. Adèle d’Affry (1836–1879), Herzogin von Castiglione Colonna Erdgeschoss VII VIII VI V XX VIII I IV VII VI III XXI XXII V II I IV XX X XXI XXII Erstes Geschoss IX III II XI XII X XIX XIII IX XIX XI XIV XVIII XVII bis XVI XII XV bis XIII XIX XIV XVIII XVII XIX XVI XV Diese Wanderausstellung ist Frucht mehrjähriger Studien, die das Museo Vincenzo Vela in Zusammenarbeit mit drei französischsprachigen Museen durchführte: dem Museum für Kunst und Geschichte Freiburg, dem Musée des Suisses dans le Monde in Pregny-Genf und den musées nationaux du palais de Compiègne in Frankreich. Protagonistin der Ausstellung ist Adèle d’Affry, eine der wenigen Frauen, denen es gelang, im Bereich der europäischen Bildhauerkunst der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beachtlichen Erfolg zu erlangen. Sie war Tochter einer alteingesessenen Aristokratenfamilie aus Freiburg, Ehefrau eines Mitglieds des berühmten römischen Geschlechts der Colonna und Freundin des französischen Kaiserpaares. Obwohl sie in Paris und Rom wirkte, blieb Freiburg zeitlebens ihr beständiger Bezugspunkt. Adèle d’Affry nahm 1863 das Pseudonym Marcello an, um den Vorurteilen zu entgehen, die damals in der Kunstwelt im Hinblick auf Geschlecht und Rang herrschten. Marcello war in ihrer Zeit eine faszinierende und moderne Persönlichkeit; eine Aristokratin, die sich der Kühnheit ihrerLebens entscheidungen und der Schwierigkeiten, die sich für sie daraus ergeben würden, stets bewusst war. Eine Künstlerin, deren Identität auf halber Strecke zwischen ihrer auf Fotografien zur Schau gestellten und durch Garderobe betonten Weiblichkeit und der oft androgyn wirkenden Monumentalität der von ihr skulptural porträtierten Heldinnen zu suchen ist. Dank ihrer Intelligenz und Willenskraft, und trotz der Zwänge jener Zeit, die ihr den Besuch der École des Beaux-Arts (und damit den Zugang zu grossen Arbeiten und Aufträgen aus öffentlicher Hand) verwehrten, gelang es Adèle einerseits aus ihrer Zugehörigkeit zum Adel den grössten Nutzen zu ziehen und gleichzeitig auch die Aufmerksamkeit und Wertschätzung zahlreicher hoch rangiger Künstler auf sich zu lenken, die als Bewunderer, Mentoren oder Verehrer ihr Leben begleiteten: darunter Clésinger, Carpeaux, Courbet und Fortuny. SAAL IX Die Etappe, welche die Ausstellung im Tessin einlegt, rückt Themen in den Vordergrund, die an anderen Ausstellungsorten lediglich angedeutet werden. Dies sind insbesondere die Anfangsjahre im römischen Atelier von Heinrich Max Imhof (1795–1869), einem anerkannten, aber wenig erforschten Bildhauer aus dem Kanton Uri, und die Nähe der Freiburgerin Marcello zu dem wesentlich bekannteren Gustave Courbet. Die Ausstellung präsentiert ausserdem einen sehr interessanten Dialog mit Skulpturen von Vincenzo Vela (1820–1891) und Adelaide Maraini-Pandiani (1836–1917). Letztere hatte denselben Jahrgang wie Marcello und war in Lugano und ebenfalls in Rom tätig gewesen. SAAL IX – BIOGRAFIE 1836 Adélaïde Nathalie Marie Hedwige Philippine d’Affry wird am 6. Juli in Freiburg geboren. Sie ist die älteste Tochter des Grafen Louis d’Affry und der Lucie de Maillardoz. 1839 Adèles jüngere Schwester Cécile Marie Philippine Caroline (1839–1911) kommt zur Welt. 1841 Louis d’Affry stirbt am 26. Juni. Adèle und Cécile werden von ihrer Mutter erzogen. 1853–54Adèle erhält die klassische Ausbildung für Mädchen ihres Standes. Dazu gehört Zeichenund Aquarellierunterricht. In Rom besucht sie Modellierkurse beim Schweizer Bildhauer Heinrich Max Imhof. 1856 Am 5. April heiraten Adèle d’Affry und Carlo Colonna in Rom. Die Ehe ist von kurzer Dauer, am 18. Dezember stirbt Adèles Ehemann unvermutet in Paris an Typhus. 1857 Adèle reist nach Rom, um die Erbschaft ihres Gattens zu regeln. Ihre künstlerische Berufung erwacht: sie modelliert die Büste ihres verstorbenen Mannes und ein Selbstbildnis. 1859 Reise nach Paris, Adèle verkehrt in der glanzvollen Gesellschaft des Second Empire. 1863 Adèle stellt am Salon unter dem Pseudonym «Marcello» aus. Dank des Erfolgs der Bianca Capello wird Kaiserin Eugénie auf die Künstlerin aufmerksam. Marcello ist von nun an am Hofe eingeladen. 1866 Marcello stellt in London an der Royal Academy Exhibition aus. 1867 Sie präsentiert acht Plastiken an der Weltausstellung in der Abteilung des Kirchenstaats. 1868 Reise nach Spanien mit ihren Künstlerfreunden Henri Regnault und Georges Clairin. SAAL IX – BIOGRAFIE SAAL IX 1869 Édouard-Théophile Blanchard (1844–1879) Portrait von Marcello, Herzogin von Castiglione Colonna, 1877 Nach Rom zurückgekehrt, vollendet sie ihr Meisterwerk, die Pythia, die Charles Garnier für sein neues Opernhaus in Paris erwirbt. 1870–71 Marcello stellt im Salon von 1870 aus und hält sich während des Krieges und der Kommune in der Schweiz auf. 1872 Wieder in Paris setzt sie ihre Malstudien unter der Leitung von Léon Bonnat fort. 1873 Betroffen vom Tod Napoleons III., begibt sich Marcello nach England, um der Kaiserin ihre Anteilnahme auszudrücken. Sie zeigt fünf Büsten an der Wiener Weltausstellung. 1874 Das von ihr am Salon eingegebene Gemälde Die Verschwörung des Fiesco wird von der Jury abgelehnt, was sie zutiefst verletzt. 1875 Teilnahme mit Werken am Salon. Bei der Eröffnung der Oper wird die Pythia vom Publikum und von der Kritik positiv aufgenommen. 1876 Marcello zeigt am Salon die Büste der Baronin von Keffenbrinck. Dies bringt ihr nur eine ehrenhafte Erwähnung ein, was sie verbittert. 1877 Von Husten und Gelenkschmerzen geschwächt, sucht sie Zuflucht an der Sonne Südfrankreichs und verbringt den Dezember in Italien. 1878 Reisen zwischen Neapel, der Schweiz und Paris auf der Suche nach einem Klima, das ihre Schmerzen lindert. Am 2. Januar erstellt sie eine zweite Fassung ihres Testaments. Sie listet darin die Plastiken auf, die sie dem Staat Freiburg unter der Bedingung vermacht, dass ein Museum für ihre Werke eingerichtet wird. 1879 In Castellammare arbeitet Marcello weiter an ihren Memoiren. Am 16. Juli stirbt sie an Tuberkulose. Öl auf Leinwand Museum für Kunst und Geschichte Freiburg Dieses Portrait gab Marcello 1875 dem jungen französischen Maler Édouard Blanchard in Auftrag, dem Gewinner des Prix de Rome, den die Herzogin einige Jahre zuvor in der Villa Medici kennengelernt hatte. Blanchard gehörte zusammen mit Henri Regnault und Georges Clairin zu ihren Künstlerfreunden. Gemäss Marcellos Wünschen sollte das Portrait «die Erinnerung an eine seriöse und wahrhafte Künstlerin und zugleich an eine Frau aus bester Gesellschaft» festhalten. In dem Werk wird jedoch der aristokratische Status Adèles stärker hervorgehoben als die Tatsache, dass sie Künstlerin ist. Die als Ganzfigur dargestellte Marcello trägt ein elegantes und tief ausgeschnittenes Kleid aus schwarzem Samt und eine Visite – eine Jacke, die man bei nachmittäglichen gesellschaftlichen Besuchen trug – aus violetter Seide, reich geschmückt mit Stickereien, Perlen und Posamenten. Die Einrichtung mit edlen Möbeln und kostbaren Stoffen spiegelt einen erlesenen Geschmack. Nur zwei Gegenstände sind ein ausdrücklicher Hinweis auf ihr künstlerisches Schaffen: die Skizzenmappe auf einem Stuhl und eine Bronzefassung der Gorgo, der Büste, die mit grossem Erfolg beim Salon von 1865 ausgestellt worden war und hier rechts hinten im Schatten zu erkennen ist. Blanchard zeigte das Bild zu Marcellos grosser Zufriedenheit am Salon von 1877. Sie nannte es «wunderbar und sehr geeignet, eine gute Erinnerung an mich zu hinterlassen», um dann mit selbstironischer Erleichterung hinzuzufügen: «Jetzt kann ich mich endlich gehen lassen.» SAAL X SAAL X Adèle d’Affry, Künstlerin und Herzogin Filippo Bigioli (1798–1878) Vittoria Colonna zu Besuch im Atelier von Michelangelo, 1850 Öl auf Leinwand Privatsammlung Die ersten Kontakte von Adèle d’Affry mit den Colonna, einem alten und berühmten römischen Patriziergeschlecht, fanden in Neapel im Sommer 1855 statt. Adèle wurde mit Carlo Colonna (1825–1856) verlobt; die beiden heirateten im April des folgenden Jahres in Rom in der Basilica dei Santi Apostoli. Einen Monat danach erhielten sie den Titel der Herzöge von Castiglione Altibrandi. Im Herbst reiste das Paar nach Paris, wo Carlo im Dezember im Alter von nur 31 Jahren unerwartet an Typhus verstarb. Der jähe Tod des Gemahls brachte die junge Ehefrau in eine äusserst delikate Situation, auch weil die Colonna den Ehevertrag zunächst nicht respektieren wollten. Die jährliche Pension, die ihr dann zuletzt doch zugesprochen wurde, genügte zwar, um ihren Unterhalt zu bestreiten, sie war jedoch zu bescheiden, um ihr auch eine bedeutende gesellschaftliche Position zu garantieren und sie gleichzeitig als Künstlerin tätig sein zu lassen. Denn dies war ein tiefer Wunsch Adèles, den sie trotz einigen Ungemachs mit nie endendem Engagement umsetzte. 1863 nahm Adèle zum ersten Mal am Pariser Salon teil, unter dem Künstlernamen Marcello. Die Wahl des Pseudonyms – eine Hommage an den venezianischen Komponisten Benedetto Marcello (1686–1739) – sollte zum einen Vorurteile wegen ihres Geschlechts gar nicht erst aufkommen lassen und schien andererseits der Versuch zu sein, ihren adeligen Status zu verschleiern, der in der Kunstwelt schon immer recht «den Weg versperrend» sein konnte. In der Gesellschaft dagegen kultivierte, ehrte und beanspruchte Adèle ihren Titel als Herzogin. Er garantierte ihr, dass die Organisatoren der Pariser Salons ihr freundlich geneigt waren und dass Napoleon III. sie unterstützte. Gleichzeitig machte die Entscheidung für die Wahl eines Pseudonyms ihre Anstrengungen weniger glaubhaft, wie alle anderen Künstler behandelt und bewertet zu werden und um eine Medaille zu konkurrieren. Der 1798 geborene Filippo Bigioli wirkte in der Region zwischen Rom und den Marken als Maler religiöser, mythologischer und historischer Sujets sowie als Illustrator. Den Auftrag für dieses Bild erhielt Bigioli vom römischen Fürsten Alessandro Torlonia. Das Werk war gedacht als Geschenk für dessen Frau Teresa Colonna, Schwester von Carlo Colonna und somit zukünftige Schwägerin von Adèle d’Affry. Es ist anzunehmen, dass Adèle das Gemälde auffiel, denn es betrifft sie zwar nicht direkt, doch versammelt es in sich einige Motive, die emblematisch für ihren eigenen persönlichen und künstlerischen Werdegang stehen, nämlich die Beziehung zu Rom und zum Geschlecht der Colonna sowie ein leidenschaftliches Interesse für Michelangelo. Das Bild stellt Vittoria Colonna dar, die das Atelier des grossen Meisters besucht. Die Dichterin, eine der faszinierendsten Figuren der italienischen Renaissance, trägt Witwenkleidung und wird von ihrer Adoptivtochter sowie weiterem Gefolge begleitet. Michelangelo zeigt ihr den Moses, während einer seiner Gehilfen an der Madonna für das Grab von Julius II. arbeitet. Im Hintergrund ist eine Zeichnung für das Jüngste Gericht dargestellt. In der schlichten Ausstattung des Ambientes sticht die eindrucksvolle Statue des Moses durch ein geschicktes Spiel von Licht und Schatten hervor. Auf ihn sind auch die Blicke der Anwesenden gerichtet, die dem Meister lauschen. Die zentrale Figur der Komposition ist jedoch die berühmte Adelige, deren schwarzes Gewand ihre schneeweisse Haut kontrastreich unterstreicht. SAAL X SAAL X Die Zeit der Ausbildung zwischen Rom und Paris Adèle d’Affry wurde in eine altehrwürdige Freiburger Familie «von Kriegern, Magistraten und Diplomaten» hineingeboren, wuchs in einer kultivierten Umgebung auf, die ihren Hang zu Literatur und Kunst förderte, und nahm anfangs Unterricht in Zeichnen und Malerei. 1853–54 setzte sie ihr Kunststudium in Rom im Atelier des Schweizer Bildhauers Heinrich Max Imhof fort. Zu jener Zeit war Imhof ein anerkannter Künstler und hatte sich gut in die deutschsprachige Gemeinde eingefügt, die in der Stadt tätig war. Er besass einen soliden Bestand an internationalen Auftraggebern, zu denen auch Vertreter des gehobenen Bürgertums und des Adels aus Deutschland, England und Russland zählten. Der Autor von Werken mit biblischen und mythologischen Sujets und bedeutende Vertreter des Spätklassizismus war auch als Portraitkünstler gefragt. In seinen Werken kombinierte er Elemente, die von seiner römischen Lehrzeit bei Bertel Thorvaldsen geprägt waren, mit der Bildsprache der Nazarener. Adèle kehrte 1857 erneut in Imhofs Atelier zurück, kurz nachdem sie im Alter von nur zwanzig Jahren plötzlich zur Witwe geworden war. Sie modellierte eine Büste ihres früh verstorbenen Ehemannes und arbeitete gleichzeitig an einem Selbstportrait für ihre Mutter, das hier ausgestellt ist, und an einer kleinen Statue für eine Freundin. Rom, das Lieblingsziel der Künstler jener Zeit und Wiege der westlichen Zivilisation, war für Adèle der geeignete Ort, um ihre Kenntnisse der antiken und italienischen Kunst zu vertiefen. In ihren mit Skizzen übervollen Notizheften gibt es unzählige Kopien von Werken Michelangelos, den die junge Frau verehrte, ja beinahe vergötterte. Sie wurde Schülerin von Auguste Clésinger, von dem sie sich einige Jahre später distanzierte, der jedoch die Anfänge ihrer Karriere als Bildhauerin begleitete. 1859 begannen ihre Aufenthalte in Paris. In der französischen Hauptstadt verbrachte Adèle Zeiten des Vergnügens und der Arbeit. Sie besuchte den Louvre und die Häuser der gehobenen Gesellschaft, absolvierte jedoch gleichzeitig ein strenges Studienprogramm. Um Kurse in Sezieren belegen zu können, schreckte sie nicht davor zurück, sich als Mann zu verkleiden. Mit Hilfe ihrer hervorragenden Beziehungen bewarb sie sich auch an der École des Beaux-Arts, wurde jedoch abgelehnt, denn damals nahm das renommierte Institut Frauen generell noch nicht an. Was die intellektuelle Sphäre betrifft, war sich die junge Adèle ihrer Wissenslücken sehr wohl bewusst, und ebenso der Hindernisse, die sie vor allem als Frau überwinden musste, um diese zu schliessen. So auferlegte sie sich ab Ende der 1850er-Jahre ein autodidaktisches Studium in Kunst, Philosophie, Religion, Geschichte und Literatur – um ihr Wissen mit Hilfe von Lektüre und dem Lernen von berühmten Lehrmeistern zu perfektionieren. SAAL X SAAL X Heinrich Max Imhof (1795–1869) Selbstbildnis-Büste, ca. 1835 Heinrich Max Imhof (1795–1869) Atalante, im Wettlauf die goldenen Äpfel des Hippomenes aufhebend (Fragment), ca. 1834 Gips Altdorf, Historisches Museum Uri Der 1795 in Bürglen im Kanton Uri geborene Imhof erhielt seine Ausbildung bei Johann Dannecker in Stuttgart und bei Bertel Thorvaldsen in Rom. 1836 wurde Imhof von König Otto von Griechenland nach Athen berufen, wo er als Hofbildhauer und Professor für Bildhauerei an der neu gegründeten Kunstakademie wirkte; er besorgte die Restaurierung der Karyatiden des Erechtheions auf der Akropolis. 1838 kehrte er nach Rom zurück, wo er bis zu seinem Tod lebte, unter Beibehaltung regelmässiger Kontakte zu seinem Heimatland. Der Vertreter eines von den archaisierenden Elementen der Nazarener gemilderten Klassizismus schuf 1827–28 David triumphierend mit dem Haupt des Goliath, den wir als Gipsmodell auf einer Fotografie bewundern können. Eine Marmor-Version dieses Werkes fand Eingang in die Sammlung des Kronprinzen von Preussen, und dieser Kauf brachte dem Künstler Anerkennung und neue Auftraggeber. Das Werk ist inspiriert von Thorvaldsens Jason, zeigt jedoch einen langsameren Rhythmus, grössere Solidität und weniger ausgearbeitete Konturen. Zu den Meisterwerken des Künstlers gehört auch Rebekka mit dem Armband (1841), eine hier in einer Fotografie präsentierte Gipsskulptur. Sie ist Teil einer beachtlichen Serie von Frauenfiguren aus dem Alten Testament, die Imhof im Verlauf seiner Karriere schuf. Das Werk lässt die Athener Karyatiden anklingen und ist gekennzeichnet von der Strenge der Komposition und der feinfühligen Kalibrierung der Volumen, welche diese biblische Figur in heiterer Harmonie erscheinen lassen. Imhof war auch ein fähiger Portraitkünstler, wie das hier ausgestellte Selbstportrait zeigt, das den etwa vierzigjährigen Künstler darstellt, und die Portraitbüste Heinrich Pestalozzi (1746–1827), die 1846 im Auftrag des Stadtrats von Zürich entstand, um den einhundertjährigen Geburtstag des grossen Schweizer Pädagogen zu feiern. Gips Kunstmuseum Bern Das Werk, von dem einzig das hier ausgestellte Fragment erhalten ist, wurde um 1834 vom Schweizer Heinrich Max Imhof geschaffen, der es um 1841 dem Staat Bern verkaufte. Eine Fotografie, die in den 1860er-Jahren im römischen Atelier des Künstlers aufgenommen wurde und die in diesem Saal ausgestellt ist, zeigt das Originalmodell integral in Gips. In einer Erzählung der griechischen Mythologie erklärt Atalante, eine jungfräuliche Jägerin, die der Heirat abhold ist, sie werde nur einen Mann zum Gemahl nehmen, der sie im Wettlauf besiegen könne. Da sie sehr geschwind ist, gewinnt sie stets und tötet alle ihre Freier. Hippomenes dagegen gelingt es mit Hilfe einer List, sie zu schlagen: Während des Wettlaufs lässt er drei goldene Äpfel fallen, die Aphrodite ihm geschenkt hat. Atalante verliert, weil sie die Äpfel einsammelt, und muss ihn nun heiraten. Atalante wird hier dargestellt, wie sie einen der Äpfel aufhebt und ihren zufriedenen Blick auf ihn richtet; in der linken Hand hält sie bereits einen weiteren Apfel. Bei der Umsetzung dieses wesentlichen Augenblicks der Erzählung konzentriert Imhof seine Darstellung auf die Faszination, die von oberflächlichen weltlichen Gütern ausgeht und den Menschen vom Wesentlichen ablenkt. Ins Auge fallen besonders die sorgfältige Darstellung der Frisur der jungen Frau, die in weichen Locken fällt, und der dichte und fein gearbeitete Faltenwurf ihres Gewandes, der Bewegung suggeriert. In diesem Sinn stellt die Skulptur einen der ersten Versuche Imhofs dar, die strengen formalen Regeln des Klassizismus hinter sich zu lassen, zu Gunsten einer realistischeren Darstellung der Figur. SAAL XI SAAL XI Weibliche Künstler Frauen als Bildhauerinnen Zur Zeit Marcellos bestand die künstlerische Ausbildung nicht mehr aus einer Lehrzeit bei einem Meister, sondern es gehörte der Besuch eines Gemeinschaftsateliers unter Leitung eines Künstlers und einer Kunstakademie dazu. Bis 1896 war die Kunstschule allerdings ausschliesslich Männern vorbehalten, und vor Beginn der 1870er-Jahre gab es kein Atelier, das eine Einschreibung für Frauen vorsah, die dort die Bildhauerei hätten erlernen können. Sie mussten folglich über die nötigen Beziehungen oder über Geldmittel für Privatunterricht verfügen, oder eine persönliche Beratung in Anspruch nehmen. Meist stammten diese Frauen aus einer Künstlerfamilie oder wie Marcello aus wohlhabendem Milieu. Weibliche Künstler lebten damals in einer Zeit des Übergangs und konnten manchmal Breschen schlagen wie Berthe Morisot auf dem Gebiet der Malerei. Ausstellungen waren für sie unerlässlich, auch wenn nur ein paar wenige von ihnen Auszeichnungen erhielten, da sie einem von männlichen Kollegen, Juroren und Kritikern beherrschten System unterworfen waren. Mehrere Künstlerinnen gehörten wie Marcello dem Adel an, unter ihnen Madame de Saulx, Madame de Beaumont und die Prinzessin Mathilde. 1865 drückte der Kritiker Balthasar Robin sein Staunen aus angesichts von Marcellos Skulpturen: «Wer hätte gedacht, dass die Hand einer Frau – eine feine, elegante, geschmeidige, zarte, aristokratische Hand, die nur dazu geschaffen zu sein scheint, Spitzen und Seide zu raffen – auch den Marmor behauen, den Modellierstab handhaben und den schweren Hammer der Bildhauer halten könnte? […] Das hängt auch damit zusammen, dass die Herzogin Colonna vor einem Marmorblock nicht mehr Frau, sondern Künstlerin ist.» Indem Robin die Frau der Künstlerin gegenüberstellt, drückt er die Ungläubigkeit und das Missbehagen der Zeit hinsichtlich der zunehmenden Zahl von Bildhauerinnen aus und zitiert zugleich den Diskurs um die Frage der Männlichkeit der Kunst und insbesondere der Plastik. Das tatsächliche Handicap der Bildhauerinnen war nicht ihre körperliche Schwäche, sondern es war der Zugang zu den Ausbildungsstätten für Bildhauerei (Schulen, Ateliers, Baustellen), der ihnen verwehrt war. Marcello beklagte dies in einem Brief an ihre Mutter: «Man stellt sich nicht vor, wie sehr das Frausein alles hemmt.» SAAL XI SAAL XI Marcello (1836–1879) Helena oder Die schöne Helena, 1860 Pietro Tenerani (1789–1869) Marija Nikolajewna, 1843–46 Gips Freiburg, Fondation Marcello Gips © Roma Capitale – Sovrintendenza capitolina ai beni culturali – Museo di Roma Die schöne Helena ist die erste mythologische Figur, die Marcello schuf. Anfangs arbeitete sie zusammen mit Clésinger an diesem Werk, beschloss dann jedoch, die Helena alleine fertigzustellen. Sie überarbeitete sie mehrere Male und vollendete sie in Paris. 1860 unterzeichnete sie mit Barbedienne einen Vertrag über eine Reproduktion des Werkes in Bronze. Marcello begann damit ihre Karriere als professionelle Bildhauerin und erzielte erste Erfolge. Ein Bronzeguss der Schönen Helena, hergestellt vom Pariser Giesser und heute Teil der Sammlung des Museum für Kunst und Geschichte Freiburg, wird hier neben einem Gips desselben Sujets ausgestellt, der im Besitz der Fondation Marcello ist. Helena, Tochter des Zeus und Ehefrau des Menelaos, war für ihre aussergewöhnliche Schönheit berühmt. Ihre Entführung durch Paris war der Ursprung des langen Krieges um Troja. Seit der Antike hat der Mythos der Helena unzählige Schriftsteller, Künstler und Musiker zu Werken inspiriert. Marcello folgt dieser Tradition und stellt Helena in entspannter Haltung auf einem Thron sitzend dar, mit übereinander geschlagenen Beinen. Das Gewand mit einem feinen Faltenwurf lässt die Körperformen durchscheinen, die auf eine aufmerksame anatomische Studie hinweisen. Die Sinnlichkeit der griechischen Heldin wird jedoch in klassizistischer Gemessenheit dargestellt, ganz nach der Lehre Imhofs. Die sitzende Position weist ausserdem auf die Nähe zu einigen Skulpturen Clésingers hin – George Sand im antiken Stil (1847) und die Gruppe Cornelia und ihre Kinder (1861) –, die Marcello höchstwahrscheinlich bekannt waren. Deutlich erkennbar ist auch eine Anlehnung an die klassische Ikonografie der sogenannten Agrippina in den Kapitolinischen Museen in Rom, die heute allseits einhellig identifiziert wird als eine Statue der Helena, Mutter des Kaisers Konstantin, aus dem 4. Jht. Dieser Bildtypus, der von einem spätklassischen griechischen Prototyp abstammt, war in der Portraitkunst des alten Rom besonders beliebt, da er eine gelassene Feierlichkeit darstellte. Für Die schöne Helena liess sich Marcello von der Statue der Helena aus den Kapitolinischen Museen inspirieren, die hier in Fotografie wiedergegeben ist. Die Ikonografie der berühmten Skulptur war im 19. Jahrhundert weit verbreitet, sie regte grosse Bildhauer wie Canova, Thorvaldsen und Bartolini zu Arbeiten an. Auch in dem Ganzfigurportrait der Grossfürstin Marija Nikolajewna von Russland (1819–1876) von Pietro Tenerani lässt sich ein Verweis auf die Skulptur der Kapitolinischen Museen erkennen. 1845 schuf er das Gipsmodell des Werkes, von dem hier eine fotografische Reproduktion zu sehen ist. Die einige Jahre später entstandene definitive Bearbeitung in Marmor befindet sich in den Sammlungen der Kunstakademie von Sankt Petersburg. Tenerani stellt die Lieblingstochter von Zar Nikolaus I. auf einem Stuhl sitzend dar. Die kontemplative Haltung und die fein gearbeitete Modellierung verleihen der Figur eine Aura edler Distanziertheit. SAAL XI SAAL XI Marcello (1836–1879) Portrait der Gräfin Lucie d’Affry (Mutter der Künstlerin), 1863–64 Marcello (1836–1879) Mater amabilis (Bildnis Gräfin Lucie d’Affry, geb. Maillardoz) Heft XXIX, 1864 Marmor Freiburg, Fondation Marcello Wie so viele junge Künstler, die noch keine Aufträge haben, aber Bestätigung suchen, begann auch Marcello mit Portraits von Familienmitgliedern. Zu ihren ersten Arbeiten gehört eine Skulptur ihrer Mutter, der Gräfin Lucie d’Affry. Adèle vermied bei dieser Büste jegliche Geziertheit und konzentrierte sich weniger auf den sozialen Status der Abgebildeten als auf innere Werte. So trägt die Gräfin ein Kleid, das nur von einer Blume am Ausschnitt verziert wird, und ihre Frisur ist schlicht. Ihr sanfter Gesichtsausdruck betont das gute Verhältnis zu ihrer Tochter, der sie mit Herz und Geist tief verbunden war. In seiner schlichten und gemessenen Gestaltung zeigt das Werk einige Analogien zu den Portraits des Bildhauers Pietro Tenerani, von dem wir hier in Fotografie die Büste der Margareth Canton (1831) zeigen, der Marquise von Northampton. Tenerani erhielt seine Ausbildung in Carrara und war, wie Imhof, ein Schüler Thorvaldsens in Rom. In seinem Werk verbindet sich die klassizistische Lehre mit der bildhauerischen Tradition der Toskana des 15. Jahrhunderts. Für Marcello war diese Anlehnung an die römische, im weiteren Sinne klassizistische Richtung jedoch nicht von langer Dauer. Ihr Kontakt zu den französischen Bildhauern, allen voran Carpeaux und Clésinger, ihre Spanienreise mit Regnault und Clairin, aber vor allem ihre beständige Bewunderung Michelangelos liessen sie schon bald einen anderen Weg einschlagen. Tinte auf Papier Freiburg, Fondation Marcello Zu den Empfängern der umfangreichen Korrespondenz, die Marcello verfasste, gehörte an erster Stelle ihre Mutter, die Gräfin Lucie d’Affry. Die Briefe an ihre Mutter liefern wertvolle Informationen zur intellektuellen, künstlerischen und geistigen Entwicklung der Künstlerin und zeigen ausserdem, welche bedeutende Rolle Lucie d’Affry spielte, wenn es darum ging, Strategien zugunsten der Hochzeits chancen, gesellschaftlichen Positionierung und künstlerischen Entwicklung ihrer Tochter zu entwickeln. Nach dem frühen Tod Marcellos kümmerte sich die Gräfin um den künstlerischen Nachlass und sorgte dafür, dass der letzte Wille ihrer Tochter umgesetzt wurde, insbesondere durch die Schaffung des Musée Marcello in Freiburg. Die Zeichnung Mater amabilis, die 1864 entstand und hier ausgestellt ist, stellt eine Hommage der Künstlerin an ihre Mutter dar. Der lateinische Titel spielt auf eines der beliebtesten Sujets der Marienikonografie an, in dem die mütterliche Hingabe der Muttergottes hervorgehoben wird. Lucie d’Affry wird auf einem Sessel sitzend dargestellt und nimmt trotz der häuslichen Umgebung eine königliche Pose ein. Die würdevolle Haltung wird noch unterstrichen durch den Lorbeerkranz, den sie auf dem Kopf trägt. Das liebevolle Verhältnis, das sie zu ihrer Tochter pflegte, spiegelt sich in ihrem wohlwollenden Gesichtsausdruck. SAAL XII SAAL XII Paris 1863: Marcello, «ein Künstler- und Kampfname» Bianca Capello (1548–1587) Anlässlich des Salons von 1863 präsentierte sich Adèle neu unter dem Künstlernamen Marcello. Sie zeigte drei Büsten, die ihr eine ehrenhafte Erwähnung einbrachten, das Bildnis des Grafen Gaston de Nicolaÿ, das Bildnis der Herzogin von San Cesario und vor allem ihre Bianca Capello, die das Publikum und die Kritik bezauberte. Indem sie unter einem Pseudonym ausstellte, wollte sich die Herzogin Colonna ihrem gesellschaftlichen Status entziehen und von der Kritik wie auch von ihren Kollegen ernst genommen werden. Ihre Teilnahme am Salon blieb allerdings nicht unbemerkt, und ihr Geheimnis wurde rasch gelüftet. Einige Zeitungen publizierten ihren Stammbaum und verkündeten, die Kaiserin Eugénie habe Marcellos Talent bereits bei der Eröffnung lobend hervorgehoben und sie nach Fontainebleau eingeladen. In wenigen Wochen war Marcello zu einer Persönlichkeit des kaiserlichen Tout-Paris geworden, was ihr Bemühen um eine vorbehaltlose Anerkennung in der Kunstwelt kompromittierte, da sie sich nun endgültig von den anderen Künstlern unterschied. Marcello widmete der berühmten toskanischen Grossherzogin eines ihrer bekanntesten Werke, das wir in diesem Saal in verschiedenen Versionen zeigen. Als faszinierende, doch auch umstrittene Heldin gilt Bianca Capello als eine der Femmes fatales der Renaissance. Die Geschichte dieser Adeligen, über die sich die offizielle Geschichtsschreibung des Grossherzogtums der Toskana anfangs in Schweigen hüllte, wurde erst im 18. Jahrhundert aufgedeckt und ist seither bekannt. Die venezianische Patrizierin Bianca Capello floh im zarten Alter von nur fünfzehn Jahren aus Liebe zum Florentiner Kaufmann Pietro Bonaventuri mit diesem nach Florenz. Ihr Vater setzte die Diplomatie in Bewegung, um sie nach Venedig zurück zu holen, doch die Hochzeit der beiden hatte bereits stattgefunden. In Florenz erwarb sich die junge Frau die Gunst von Francesco de’ Medici und wurde seine Geliebte. Im Hintergrund dieser Beziehung zwischen Bianca und dem Grossherzog gab es einige Morde und wenig klare Umstände, angefangen mit dem Tod ihres Ehegatten, der 1572 ermordet wurde. Nach dem Tod der Johanna von Österreich (1578), der ersten Frau von Francesco I., heiratete dieser Bianca. Sie war bei den Florentinern wenig beliebt und hatte die Familie der Medici stets gegen sich. Die Geschichte endete tragisch: 1587 starben Francesco und Bianca unvermutet in ihrer Villa in Poggio a Caiano; zuerst er, und nur wenige Stunden später auch sie. Die Gerüchte liessen verschiedene Erklärungen kursieren, man sprach von einer Vergiftung, einem Selbstmord und auch von Mord durch die Hand von Francescos Bruder, dem Kardinal Ferdinando. Eine Untersuchung des Leichnams des Grossherzogs aus dem Jahr 2010 lässt eine wesentlich banalere Erklärung möglich erscheinen: Die beiden verstarben wohl an Malaria. SAAL XII SAAL XII Marcello (1836–1879) Bianca Capello, nach 1879 Marcello (1836–1879) Bianca Capello, 1863 Marmor Museum für Kunst und Geschichte Freiburg Bronze, patiniert und vergoldet Freiburg, Fondation Marcello Nachdem sie ein männliches Pseudonym angenommen hatte, das auf Italien und die Renaissance hinwies, stellte die Bildhauerin 1863 zum ersten Mal beim Salon in Paris aus. Sie präsentierte dort erfolgreich ihre Bianca Capello. Mit diesem Werk, das in der französischen Bildhauerei des 19. Jahrhunderts einen wichtigen Platz einnimmt, verlässt Marcello die klassizistische Tradition und orientiert sich an der florentinischen Kunst der Spätrenaissance. Von dem Werk existieren verschiedene Versionen. Das hier ausgestellte Exemplar in Marmor wurde nach dem Tod der Künstlerin nach ihren testamentarischen Verfügungen hergestellt, um ihren Nachlass zu Gunsten des Staates Freiburg zu bereichern. Was den generellen Charakter der Büste betrifft, liess sich Marcello von einer berühmten Zeichnung Michelangelos inspirieren, dem Idealen Kopf, besser bekannt als Zenobia, Königin von Palmyra (1522). Marcello veränderte die Vorlage jedoch beträchtlich, indem sie die Brust mit einem Schleier bedeckte, und indem sie vor allem das orientalische, olivfarbene Gesicht der Königin durch ein entschieden griechisches, also klassischeres Profil ersetzte. Ein Hinweis auf die erlesene Kunst Benvenuto Cellinis und Jean Goujons findet sich in den reichen und fein ziselierten Ornamenten, die das Gewand von Bianca Capello schmücken, sowie in ihrer differenziert ausgearbeiteten Frisur. Marcello überliess Ferdinand Barbedienne die Reproduk tionsrechte für ihre Bianca Capello, weshalb von der Skulptur verschiedene Versionen existieren. Der Vertrag mit dem Pariser Giesser sah vor, dass Marcello, als Eigentümerin des Modells, für jeden Guss einen bestimmten Betrag erhalten würde, und dass jedes Exemplar einzigartig sein und sich in bestimmten Details von den anderen unterscheiden müsse. Ausserdem wurde der Künstlerin die Möglichkeit vorbehalten, an allen Reproduktionen eine letzte Feinbearbeitung vorzunehmen. Und so unterscheiden sich die beiden hier ausgestellten Bronzeexemplare trotz ihrer gleichen generellen Anlage sowohl in der Patina als auch in der Farbgebung, die im Fall der Bianca im Besitz der Fondation Marcello schlichter und zurückhaltender erscheint. Gemäss der Vorliebe der Epoche für Polychromie zeigt das andere Exemplar dagegen eine gewagtere Farbgebung, welche die Formen durch Kontraste verstärkt und gleichzeitig das wertvolle Kleid und den Schmuck hervorhebt. Die Skulptur wurde von der Künstlerin zu ihren «heroischen Büsten» gezählt und vermittelt die Vorstellung von Kraft. Das ungezähmte Wesen der Heldin kommt in ihrem ernsten Gesichtsausdruck, dem stolzen Blick, der aufrechten Haltung und den beeindruckenden Dimensionen zum Ausdruck. Im Text, den sie für den Katalog der Ausstellung von 1863 veröffentlichen liess, entschied sich Marcello, die düstersten Aspekte im Leben der Renaissancefürstin zu betonen, indem sie ihr zahlreiche Verbrechen zuschrieb. Sie verlieh damit ihrer Bianca einen sehr zweideutigen Charakter – als Allegorie der weiblichen Freiheit einerseits, als Emblem grosser moralischer Ruchlosigkeit andererseits – und schuf so ein beeindruckendes und immer noch faszinierendes Bildnis. SAAL XIII SAAL XIII «Italien wurde für mich zur Wahlheimat» Das Atelier von «Papa Giulio» Marcello hielt sich regelmässig in Italien auf, einem ihrer Lieblingsländer, wo auch ihre künstlerische Karriere begann. 1869 bezog sie ihr Römer Atelier von «Papa Giulio», in dem sie viele Monate verbrachte und wo sie ihre berühmtesten Meisterwerke schuf: die Pythia, die Charles Garnier für sein neues Opernhaus in Paris erwarb, und den Abessinischen Häuptling. In Rom träumte sie von einem Leben als Malerin, und hier vervollkommnete sie dank der Ratschläge von Ernest Hébert und Mariano Fortuny y Marsal ihre Mal- und Zeichenkenntnisse. Auf Streifzügen durch die römischen Strassen studierte sie mediterrane Menschentypen, die sie faszinierten, ebenso wie auch das Alltagsleben der Bevölkerung. Schliesslich konnte sie in Rom ihre Leidenschaft für die Musik mit dem Komponisten Charles Gounod teilen, der sie sehr bewunderte, und ebenso mit Franz Liszt, den sie hier kennengelernt und in einer kleinen Figur verewigt hatte. 1869 richtete Marcello ihr römisches Atelier an einem Ort ein, der «Papa Giulio» genannt wurde, weil das zwischen dem Tiber und den Monti Parioli gelegene Grundstück drei Jahrhunderte zuvor von Papst Julius III. (1550–55) gekauft worden war, der dort eine Villa bauen liess. Marcellos Wohnhaus war von der mächtigen Familie der Cesi ganz in der Nähe der Villa Giulia errichtet worden, mit beinahe päpstlichem Prunk, grossen Gärten, Nymphäen und Fresken. Zwischen 1800 und 1817 war die Villa Wohnsitz des Fürsten Stanislaus Poniatowski, der das gesamte Anwesen von Giuseppe Valadier umbauen liess. Diese Pracht war zu Marcellos Zeit bereits dahin, doch der Ort behielt sein Prestige aufgrund der Lage und seiner Faszination. Von der mitten im Grünen gelegenen Terrasse konnte die Künstlerin die Kuppel des Petersdoms bestaunen und ausserdem erreichte sie von dort in wenigen Minuten die Villa Medici, wo sie in einem Kreis junger französischer Künstler verkehrte. Und vor allem befand sich die Herzogin nur wenige Schritte von der Persönlichkeit entfernt, die sie zu jener Zeit vielleicht am meisten bewunderte, von Mariano Fortuny, dessen Atelier sich in den ehemaligen Stallungen der Villa befand. Marcello besass weitläufige Räume, wobei die nach Norden gelegenen am geeignetsten waren um Statuen auszustellen, denn sie hatten das beste, weil gleichmässigste Licht. Die Säle auf der Beletage waren mit ägyptischen und indischen Landschaftsmalereien hinter aufgemalten Fenstern geschmückt – eine exotische Kulisse, die Marcellos Lust auf den Orient und alles Orientalische befriedigte. Und es ist möglich, dass sie sich bei der Schaffung der Pythia von genau diesen Landschaftsmalereien inspirieren liess. Marcello benutzte auch die Grotte des Nymphäums zur Ausstellung der ersten Modelle dieser Statue und schuf so eine Kulisse, die die grosse Nische unter der monumentalen Ehrentreppe der Opéra Garnier vorwegnahm, in der die Skulptur letztendlich ihren Platz fand. Grégoire Extermann SAAL XIII SAAL XIII Marcello (1836–1879) Gorgo, nach 1879 Marcello (1836–1879) Müde Bacchantin, 1869 Marmor Museum für Kunst und Geschichte Freiburg Marmor Museum für Kunst und Geschichte Freiburg Im Jahr 1865 präsentierte Marcello beim Salon in Paris erfolgreich die Gorgo. Von dem Werk existieren mehrere Marmorversionen, darunter die hier ausgestellte postume Büste, sowie einige Bronzegüsse des Pariser Giessers Barbedienne. In dieser Ausstellung wird auch ein Entwurf in Wachs präsentiert, der eine Vorstufe des Werks zeigt. Genau wie die Rosina spiegelt auch diese Skulptur die Liebe Marcellos zum Belcanto wieder. In ihren Mémoires gibt sie an, die Idee, diese Skulptur zu schaffen, sei von der Arie der Gorgone in der musikalischen Tragödie Persée von Jean-Baptiste Lully (1632–1687) inspiriert worden, die sie in einer Interpretation durch Mary Judith Revirard erlebt hatte. Die Gorgone war ein geflügeltes Monster mit grossen Reisszähnen und Schlangenhaar, das jeden zu Stein erstarren liess, der ihm in die Augen sah. Sie wurde von Perseus getötet, der eine List anwandte und ihr den Kopf abschlug. Seit der Antike stellte diese Figur aus der Mythologie eine ständige Inspirationsquelle für Künstler dar. Im Verlauf der Jahrhunderte erfuhr ihr Bild dabei eine radikale Veränderung und wurde von der Maske eines Monsters zum schönen Angesicht einer Frau, das von Unruhe und innerem Aufruhr verzerrt wird. Marcellos Gorgo ist mit ihren klassischen Attributen – dem Schlangenhaar und den Flügeln am Kopf – dargestellt und zeigt in der Haltung und den Gesichtszügen Verweise auf Michelangelo. Ihr heldenhafter Charakter wird durch die Rüstung aus Schlangenhaut unterstrichen, die die Brust bedeckt, sowie durch das Löwenfell, ein Symbol des Herakles, auf ihrem Haupt. Marcello stellte die Gorgone in voller Kraft und ihrer ganzen stolzen Schönheit dar und hinterlässt uns somit ein Frauenbild von beeindruckender Prägnanz. Die Inschrift «Marcello, Roma 1869» auf dem Sockel liefert uns genaue Hinweise zur Entstehung dieses Werkes. Die Müde Bacchantin wurde Anfang des Jahres 1869 im römischen Atelier der Künstlerin vollendet und im Frühling desselben Jahres beim Salon in Paris vorgestellt. Grundsätzlich hatte das Werk Erfolg, es erhielt jedoch auch einige Kritik. Die Marmorbüste wurde vom Herzog von Bauffremont erstanden, dessen Sohn später dem letzten Willen Adèles folgte und sie 1891 dem Musée Marcello in Freiburg stiftete. Die Künstlerin schuf das Portrait einer Anhängerin des Bacchus, die gerade ein ihm gewidmetes Ritual gefeiert hat. Ihr Kopf ist gemäss der traditionellen Ikonografie mit Weinreben und Trauben bekränzt; nach dem frenetischen Tanz ist ihr Gewand in Unordnung geraten und eine Brust ist entblösst. Augen und Lippen der jungen Frau sind halb geschlossen und ihr Gesichtsausdruck zeugt von einer mit Traurigkeit gemischten Erschöpfung. Die leicht geneigte Haltung des Kopfes und die Sanftheit des Modells erinnern an den berühmten Bacchus Michelangelos. Das androgyne Aussehen der Figur kann zum Teil durch die Wahl der Modelle erklärt werden, denn laut den Überlieferungen der Familie soll der spanische Maler Eduardo Rosales Marcello bei der Darstellung der Gesichtszüge der Bacchantin als Vorbild gedient haben. In einem Brief an ihre Mutter vom Februar 1869 gibt Marcello jedoch an, für den Hals habe eine Amerikanerin Modell gesessen. SAAL XIII SAAL XIII Marcello (1836–1879) Bildnis Franz Liszt , 1869 Marcello (1836–1879) Rosina, 1869 Originalgips Freiburg, Fondation Marcello Terrakotta Museum für Kunst und Geschichte Freiburg Marcello schuf diese Skulptur im Sommer 1869 in Rom. Zu jener Zeit war sie mit der Arbeit an einem monumentalen Werk beschäftigt, der Pythia – ihrem Meisterwerk. Um sich von dieser anstrengenden Aufgabe abzulenken, schuf sie verschiedene kleinere Werke, darunter das Bildnis Franz Liszt und die Rosina. Franz Liszt lebte seit einigen Jahren zurückgezogen in der Ewigen Stadt, wo er seine Karriere als Virtuose und Komponist fortsetzte. In einem Brief an ihre Mutter gibt Marcello an, Liszt habe sein Abbild gefallen. Der Komponist ist mit gekreuzten Beinen und verschränkten Armen in einer nachdenklichen und konzentrierten Haltung dargestellt. Diese Pose und der unbekümmerte und informelle Ausdruck der Statue finden sich auch im Monument für einen Gelehrten der ägyptischen Antike (1857–58), den Vela mehr als ein Jahrzehnt zuvor schuf. In seinem Aufbau erinnert das Modell Velas wiederum an das meisterhafte Monument für Tommaso Grossi, das im Erdgeschoss des Museums ausgestellt ist. In der Wiedergabe der Physiognomie und in den Attributen jedoch unterscheiden sich die beiden Arbeiten. Die kleine Statue stellt die Schlüsselfigur aus der RossiniOper Der Barbier von Sevilla dar: Rosina, die schöne und reiche Waise, um deren Liebe zwei Rivalen kämpfen. Diese Opera buffa war seit ihrer Erstaufführung 1816 äusserst erfolgreich. Marcello, eine grosse Liebhaberin von Musik und besonders der Oper, war mit dem italienischen Komponisten befreundet. Rosina ist als Ganzfigur dargestellt, mit einem Kleid spanischen Stils; in der heute fehlenden rechten Hand hielt sie wahrscheinlich einen Fächer, in der Linken einen Brief an den Grafen d’Almaviva, ihren Liebhaber. Marcello erfasst das Wesen der Figur ganz genau und unterstreicht vor allem Rosinas Fähigkeiten als Verführerin, aber auch ihren Esprit und ihre moderne Entschlossenheit. Die Gesichtszüge Rosinas sind die der Isabel de Madrazo y Garreta, einer Schwägerin von Marcellos Malerfreund Mariano Fortuny, dessen römisches Atelier nur wenige Schritte von dem Marcellos entfernt war. Adèle bewunderte den katalanischen Künstler so sehr, dass einer ihrer Vorsätze war, «in der Bildhauerei das umzusetzen, was Fortuny in der Malerei macht». Und tatsächlich erinnert die Pose der Rosina an eine der Figuren der berühmten Spanischen Hochzeit, die Fortuny in eben jenen Jahren in Rom schuf. SAAL XIV SAAL XIV Die Spanienreise (1868) Marcello (1836–1879) Portrait des Generals Lorenzo Milans del Bosch y Mauri, 1868 rosa Gips Museum für Kunst und Geschichte Freiburg (Depositum der Fondation Marcello, Freiburg) Marcellos Spanienreise von 1868 war für sie ein Wendepunkt in ihrem Leben. So öffneten ihr Mérimées Empfehlungsschreiben die Türen zum Museo del Prado, wo sie die spanische Kunst bewundern und nach Belieben die Bilder von Velázquez kopieren konnte, die vor ihr bereits Édouard Manet fasziniert hatten. Zudem reiste sie in Begleitung ihrer Künstlerfreunde Regnault und Clairin, und das Trio erlebte gemeinsam bewegte Zeiten. In Madrid gerieten die drei in die Wirren eines politischen Aufstands und lernten den revolutionären General Milans del Bosch y Mauri kennen, dessen Bildnis sie modellierten und malten. Schliesslich berichtet Marcello ihrer Mutter aus Madrid, sie habe die entscheidende Inspiration zur Weiterentwicklung ihrer Kunst gefunden: «… ich wende mich augenblicklich bescheideneren Sujets zu. Ich werde mich kühn mit der Natur befassen, bevor ich mich an die Plastik der Zukunft wage. […] Niemand ausser den alten und modernen spanischen Meistern hat diese Gabe in so hohem Mass von der Natur erhalten, und ich sehe hier ganz deutlich, was es heisst, es gut zu machen.» Die Büste, die Marcello von Milans del Bosch schuf, steht dem Portraitgemälde des Generals gegenüber, das Regnault begann und nie fertigstellte. In diesem Saal ist noch ein weiteres Werk des französischen Malers ausgestellt, das dieser während seines Aufenthalts in Spanien schuf, nämlich der Spanische Maultiertreiber. Wahrscheinlich schenkte der Künstler das Bild Marcello als Erinnerung an die gemeinsame Reise. Marcello integrierte das Gemälde in ihren Nachlass an den Staat von Freiburg. Auch das Bild Spanisches Wachkorps (1869) von Georges Clairin war Teil der Privatsammlung Marcellos. Es zeigt, wie geschickt der Künstler das Sujet durch ein subtiles und raffiniertes Spiel mit Licht und Schatten darstellte. Auch dieses Werk entstand während der Spanienreise und zeigt die orientalisierenden Tendenzen Clairins. 1868 portraitierten Marcello, Henri Regnault und Georges Clairin während ihrer Spanienreise den General Lorenzo Milans del Bosch y Mauri. Dieser war ein Freund des Generals und Politikers Joan Prim und nahm an der Revolution von 1868 teil, im Zuge derer Isabella II. abdankte. Marcello war fasziniert vom lebhaften Temperament des Generals, den sie wie folgt beschrieb: «Geistreich, ein kleiner alter Soldat, der komischste und lustigste, den man finden kann […]. Er ist ein heldenhafter, spöttischer, freundlicher Mephisto, ein rares Exemplar! Der gestiefelte Kater, ein Condé, eine Kreuzung zwischen alter Schule und einem Söldnerführer aus dem Dreissigjährigen Krieg, ein wirklich bizarres Wesen.» Marcello erfasste die überschäumende Persönlichkeit des Generals genau, und so schuf sie ein gelungenes, inspiriertes Portrait. Seine Gesichtszüge gab sie mit besonderer Wirklichkeitstreue wieder: das eingefallene Antlitz, die von dichtem und unordentlichem Haar umkränzte Stirn; unter dem mächtigen Schnauz stehen die Lippen ganz leicht offen. Der Kopf ist nach rechts geneigt, und auch der Blick des Generals geht in diese Richtung. Die sensible und nervöse Plastizität verleiht, in Kombination mit der leichten Drehung, durch welche die Halsmuskeln hervortreten, der Komposition Dynamik und Lebendigkeit. SAAL XV SAAL XV «Orient, Orient! Dort könnte ich schöne Dinge schaffen» Marcello (1836–1879) Abessinischer Häuptling, 1869–70 Marcellos Faszination für den Orient folgt einer Hauptbewegung der Kunst des 19. Jahrhunderts, dem Orientalismus, der unter Malern, Musikern und Schriftstellern zahlreiche Anhänger hatte und von Reiseberichten über Ägypten und Marokko genährt wurde. Zwar hatte Marcello den Orient selber nie bereist, doch sie träumte immer wieder davon und suchte in Spanien oder Italien nach männlichen und weiblichen mediterranen Menschentypen, die sie zu orientalistischen Zeichnungen inspirierten. Als sie 1869 in Rom weilte, lernte sie einen geheimnisvollen «Araber» kennen; er wurde ihr Modell für den berühmten Abessinischen Häuptling, den sie im Salon von 1870 ausstellte. Zu jener Zeit begannen sich auch die Künstler für die Darstellung von farbigen Männern und Frauen zu interessieren. Man findet sie im Werk von Charles Cordier ebenso wie in dem von Jean-Baptiste Carpeaux und Marcello. Cordier, ein Meister der polychromen Skulptur, war im Verlauf seiner Reisen nach Afrika und in den Orient zur Überzeugung gekommen, jede Ethnie habe ihre eigene besondere Schönheit. Seine «ethnografischen» Büsten – darunter das hier ausgestellte Werk Neger in algerischem Gewand (ca. 1860) – sind gekennzeichnet von der stolzen Noblesse der Modelle und der meisterhaften Hervorhebung der verschiedenen Materialien. Auch der Sklavenhändler von Vincenzo Vela steht ganz im orientalisierenden Stil der Zeit, mit einem besonderen Verweis auf das Hayez’sche Schaffen zum Thema. Die Skulpturengruppe besticht durch die naturalistische Wiedergabe der Pose und der Details. Besonders die Ambivalenz zwischen dem melancholischen Ausdruck der jungen Sklavin und ihrer unschuldigen Sinnlichkeit ist zu erkennen und bringt das Werk, wenn auch nur in dieser Hinsicht, in Verbindung mit dem bekannteren Morgengebet (1846), das im Erdgeschoss des Museums ausgestellt ist. Marcello setzte ihr ausgeprägtes Interesse für den Orient als einen fernen Ort, von dem man träumen kann, in einer Reihe von Skulpturen und Bildern um, unter denen der Abessinische Häuptling hervorsticht. Die Büste schuf sie 1869 in ihrem römischen Atelier. In jener besonders fruchtbaren und an Begegnungen und Erfahrungen reichen Zeit vollendete sie auch die Pythia, ihr Meisterwerk. In der Ewigen Stadt, ihrer unerschöpflichen Inspirationsquelle, begegnete die Bildhauerin einem Mann, einem «mediterranen Typen», der angab, Araber zu sein. Von ihm zeichnete sie verschiedene Portraits und verewigte ihn dann in dieser majestätischen Büste. Dabei gab er ein schwieriges und recht streitbares Modell ab. Dann stellte sich heraus, dass es sich bei ihm in Wirklichkeit um einen römischen Briganten handelte. 1876 wurde der Mann erschossen. Sein Gesicht, das von einem geschickt gestalteten Faltenwurf von Stoffen umgeben und so hervorgehoben wird, besitzt starke Wangenknochen, einen dichten lockigen Bart und einen gleichzeitig stechenden und misstrauischen Blick. Die Haltung ist stolz, und den Mann umgibt eine geheimnisvolle Aura von einer gewissen Vornehmheit, was der Titel des Werks noch unterstreicht. Marcello stellte diese Büste mit grossem Erfolg beim Salon von 1870 aus. Die hier ausgestellte Marmorbüste wurde 1873 vom französischen Staat erstanden und gehört nun zu den Sammlungen des musée d’Orsay. Von dem Werk sind ausserdem verschiedene Versionen in Bronze bekannt, darunter die in diesem Saal ausgestellte, die im Besitz der Fondation Marcello in Freiburg ist. Marmor, mit einer Agraffe aus Bronze und Lapislazuli auf der Schulter Paris, musée d’Orsay SAAL XVI SAAL XVI Der Triumph der Pythia Marcello (1836–1879) Pythia, 1870 Bronze Paris, Palais Garnier, Opéra de Paris © Jean Pierre Delagarde (mit der freundlichen Genehmigung der Opéra national de Paris) Der Erwerb der Pythia durch Charles Garnier – er hatte die Statue in Marcellos römischem Atelier entdeckt – bedeutete für die Künstlerin eine krönende berufliche Bestätigung. In der Opéra Garnier befindet sich die Figur an einem eigens für sie geschaffenen Ort, der durch die beiden Arme der grossen Ehrentreppe, ein Muschelgewölbe und ein Wasserbecken begrenzt wird. Das Werk kündigt eine neue Wahrnehmung des Körpers an, mit dem die Bildhauerin in einer nie zuvor erreichten Ausdrucks- und Spannkraft umgeht. Sie liess sich von den damals neuesten Werken und Tendenzen, insbesondere von den Arbeiten ihres Freunds Carpeaux, inspirieren. Marcellos Pythia ist eine orientalistische Skulptur, eine Frau in Trance, deren sich windender Körper ihre innere Fiebrigkeit ausdrückt. In einem Brief an Carpeaux meint Marcello: «…eine Art Zigeunerin, erregt von ihrer verhängnisvollen Gabe. […] Vielleicht werde ich mich in Zukunft noch verbessern […], doch ich glaube nicht, ein kühneres und in seinem Impuls stärkeres Werk schaffen zu können. Ich wollte die Schutzherrin der Künstler darstellen, jener Künstler natürlich, die den Geist direkt beschwören.» Die 1869 in Rom entstandene und Anfang 1870 vollendete Pythia stellt ohne Zweifel Marcellos Meisterwerk dar, aufgrund dessen sie heute vornehmlich bekannt ist. In ihrer Endbearbeitung in Bronze, die hier in einer fotografischen Vergrösserung reproduziert ist, zeigt die Skulptur ihren monumentalen Charakter; ist sie doch beinahe drei Meter hoch. Die Pythia wurde 1870 vom Architekten Charles Garnier für das neue Pariser Operhaus gekauft, das sich damals noch im Bau befand, und erhielt später einen ganz besonderen Platz in einer Nische zu Füssen der grossen Ehrentreppe. Dieses Werk stellt in der künstlerischen Entwicklung Marcellos eine wichtige Etappe dar, da sie bis dahin vor allem Büsten geschaffen hatte. Die Pythia wurde 1870 im Salon von Paris ausgestellt und schied die Geister der Kritiker. Sie erhielt grosse Bewunderung, ebenso wie negative Kommentare wegen ihres antiklassischen und dramatischen Charakters. Für Marcello war es aber ein wahrer Triumph der Kritik, als 1875 die Oper eingeweiht wurde und die Pythia in der spektakulären von Charles Garnier geschaffenen Kulisse ein Leben begann, das Marcellos Namen verewigte. SAAL XVI SAAL XVI Marcello (1836–1879) Pythia, ca. 1880 Vom Ton zum Marmor: die Kunst der Plastik Verkleinerung in Bronze Museum für Kunst und Geschichte Freiburg Diese Skulptur wurde um 1880 nach dem testamentarischen Willen der Künstlerin geschaffen. Sie reproduziert die monumentale Version der Opéra Garnier in kleinerem Massstab und mit einigen minimen Änderungen. Im antiken Griechenland war die Pythia eine Priesterin des Apollokultes in Delphi. Sie kaute Lorbeerblätter und atmete Dämpfe ein, die im Heiligtum aus einem Spalt im Boden austraten, um sodann in Trance zu verfallen und in unzusammenhängenden Worten die Orakel des Gottes zu verkünden, die ein Priester interpretierte. Marcello stellt die Priesterin auf einem Dreifuss sitzend dar und folgt darin der Tradition. Dann aber gestaltet sie die Figur mit mehr Freiheit, verleiht ihr individuellen Charakter, eine starke, orientalisch angehauchte Sinnlichkeit und Gesichtszüge, die an eine Zigeunerin erinnern. Die Wahr sagerin wird im Trancezustand dargestellt. Ihre innere Spannung zeigt sich in einer stark dynamischen Drehung, die vom dichten und aufgewühlten Faltenwurf ihres Gewandes noch verstärkt wird. Die auf Michelangelo verweisende, fast schlangenförmige Körperhaltung wird noch unterstrichen durch die gewundenen Formen der tierartigen Figuren, die sich den Beinen des Untersatzes emporschlängeln – wahrscheinlich als Anspielung auf den Python, das von Apollo getötete Ungeheuer – und durch die Schlangen, die sich im dichten und wirren Haar der Priesterin winden. Die Künstlerin modellierte die Figur nach einem Gipsabguss ihres eigenen Oberkörpers, der in dieser Ausstellung gezeigt wird, sowie nach Abgüssen eines ihrer Füsse und eines Teils des Beins. Als Modell für die Gesichtszüge der Pythia diente wahrscheinlich Clémence de Reynold, eine Cousine von Marcello; in der Familie meint man jedoch, es bestehe Ähnlichkeit mit der Künstlerin selbst. Die Bildhauerei ist eine komplexe Kunst, die von der zündenden Idee des Künstlers bis hin zur endgültigen Realisation reicht. Sie umfasst mehrere Etappen und benötigt verschiedene ausführende Hände. Anhand der Büste der Baronin von Keffenbrinck lassen sich einige dieser Schritte nachvollziehen: Skizze, Gips, der die von der Künstlerin gewählte Form zeigt, und schliesslich die für die Auftraggeberin bestimmte Marmorbüste. Wie viele ihrer Kollegen war Marcello in erster Linie eine Modelliererin. Die Phasen des Skizzierens bewältigte sie alleine. Für die Modellierung grosser Kompositionen, die komplexe Armierungen benötigten, arbeitete sie mit Bildhauergehilfen zusammen, die auch die Punktierung und Rohbehauung des Marmors vornahmen, indem sie zuerst das definitive Modell punktierten und dann die Punkte auf den Steinblock übertrugen. Der Bildhauergehilfe gab der Skulptur auch den letzten Schliff gemäss den Anweisungen Marcellos, die offenbar nur äusserst selten den Meissel ergriff, um ein Werk fertigzustellen. SAAL XVI SAAL XVI «Diese bezaubernde Malerei» Marcello (1836–1879) Berthe Morisot, 1875 Öl auf Leinwand Museum für Kunst und Geschichte Freiburg In ihren Mémoires berichtet Marcello über ihre Leidenschaft für die Malerei, aber auch über ihre Schwierigkeit, diese voll auszuüben: «Seit jeher gefiel mir die Malerei besser als die Plastik. Warum also, wird man mich fragen, haben Sie sich zuerst der Letzteren zugewandt? Weil ich nicht über die Mittel verfügte, die Malerei gemäss der Schule, von der ich mich angezogen fühlte, zu studieren.» Dennoch wendet sie sich in den letzten Jahren ihres Lebens der Malerei zu, wobei sie von den Ratschlägen erfahrener Maler wie Alfred van Muyden oder Léon Bonnat profitieren kann. Ihre Inspirationsquellen sind vielfältig. Unter den alten Meistern nennt sie Velázquez, den sie 1868 während ihrer Spanienreise studierte. Zu erwähnen sind aber auch Rubens, Tizian und Veronese. Ihr zeitgenössischer Lehrer ist Delacroix, der die Freiheit des Pinselstrichs und die Bedeutung der Farbe verteidigt; er inspiriert sie zu Aquarellen und Ölbildern voller Stofflichkeit und Emotion. Was die Romantik betrifft, verweist sie auf ihre Kopien nach Géricault, dessen Ausdruckskraft sie schätzt. Zu den Genres der Malerei, in denen sich Marcello versuchte, gehörte das Portraitgemälde. Bei diesen Übungen verzichtete die Künstlerin meist darauf, die Details auszuarbeiten, und konzentrierte sich mehr auf eine psychologische Charakterisierung. Um das Modell noch stärker zu betonen, verwendete sie einen neutralen Hintergrund. Und was die Posen anging, liess sie sich manchmal von der Portraitfotografie inspirieren, denn sie besass eine umfangreiche Sammlung solcher Bilder. Dieses ist auch der Fall beim Bild von Berthe Morisot, das Marcello 1875 vollendete. Die Freundschaft der beiden Frauen hatte ein Jahrzehnt zuvor in Paris begonnen, im Hause des Portraitmalers Léon Riesener, der Marcello ein Zimmer vermietete. Die Malerin des Impressionismus, Schwägerin von Édouard Manet, ist in einem eleganten Abendkleid aus rosa Satin dargestellt. Sie sitzt auf einem Tanzsaal-Stuhl, den Arm auf die Rückenlehne gestützt, mit einem Fächer in der rechten Hand. Die Leuchtkraft des Gewands und der Haut der Portraitierten wird noch verstärkt durch einen Lichtschein um Kopf und Oberkörper. Im gesamten Aufbau entspricht das Bild den Regeln der traditionellen Portraitkunst. Und doch zeigt Marcello moderne Sensibilität in der Interpretation der Weiblichkeit und der Persönlichkeit der Morisot, wie diese in ihrer ungezwungenen Haltung dargestellt ist. Die Pose, die Wahl der Attribute, aber auch die Art, wie das Kleid wiedergegeben ist, zeigen ausserdem den Einfluss von Édouard Manet, der Berthe Morisot zuvor portraitiert hatte. SAAL XVII SAAL XVII Künstlerfreunde: ein professioneller Austausch Marcello (1836–1879) Portrait von Jean-Baptiste Carpeaux, 1875 Delacroix, Courbet, Hébert oder Carpeaux, alle kannten Marcello und trafen mit ihr zusammen. Jeder war von ihrer Persönlichkeit, ihrer Unabhängigkeit und ihrer Intelligenz fasziniert. Was aber erwartete sie selber von diesen Künstlern? In erster Linie einen Austausch unter Gleichgesinnten und kluge Ratschläge, da sie nie eine – damals den Frauen noch verwehrte – künstlerische Ausbildung genossen hatte. Eugène Delacroix, fast 40 Jahre älter als sie, war in allem, was die Malerei betraf, ihr unbedingter Lehrmeister. Sie bewunderte seine Werke, sammelte und kopierte sie. Jean-Baptiste Carpeaux, berühmter Bildhauer des Second Empire, war ihr Kollege und Freund. Er inspirierte sie in ihrer Bildhauerei, wie ein Dialog bezeugt, der bei mehreren ihrer zeitgleich entstandenen Skulpturen zu entdecken ist. Gustave Courbet schuf ihr Bildnis und war mit einem Landschaftsbild in ihrer persönlichen Sammlung vertreten. Ernest Hébert begleitete ihre Rückkehr zur Malerei und ihre regelmässige Zeichentätigkeit, insbesondere während ihres Romaufenthalts von 1869. Jean-Baptiste Carpeaux (1827–1875) war ein herausragender Protagonist der französischen Bildhauerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und gehörte zu den am Kaiserhof gerne gesehenen Künstlern. Sein Schaffen weicht vom klassizistischen und akademischen Ideal ab und bevorzugt malerische Effekte und das Spiel mit dem Clair-obscur. Er war Schüler von François Rude und wurde 1854 mit dem prestigeträchtigen Grand Prix de Rome ausgezeichnet. Carpeaux begegnete Marcello im Jahr 1861, während seines Aufenthaltes in der Villa Medici. Die Verehrung für Michelangelo und Delacroix war beiden gemein, und so begannen sie eine lange und fruchtbare Freundschaft, bis zum Tod Carpeaux‘ im Jahr 1875. In eben jenem Jahr entstand das Portrait von Jean-Baptiste Carpeaux. Das Gesicht des Bildhauers weist mit seinen schmalen Wangen Zeichen seiner Krankheit auf. Doch trotz des körperlichen Leidens ist sein Geist ungebrochen, und so blickt er in nachdenklicher Haltung in die Ferne. Die Büste, die zu den gelungensten Portraitarbeiten Marcellos gehört, zeichnet sich durch Ausdrucksstärke und introspektive Kraft aus. In diesem Saal ist als Beleg für die Freundschaft zwischen den beiden Künstlern auch das feinfühlige Portrait der Herzogin von Castiglione Colonna ausgestellt, das Carpeaux bei einem Aufenthalt in Givisiez im Sommer 1864 schuf. Ausserdem ist eine Fotografie der Marseillaise von François Rude, dem Meister Carpeaux’, zu sehen, die eine Widmung an Marcello trägt, als eine Art Augenzwinkern von Bildhauer zu Bildhauer und zugleich als Anspielung auf die gemeinsame künstlerische Herkunft der beiden. Gips Freiburg, Fondation Marcello SAAL XVII SAAL XVII Adelaide Maraini-Pandiani (1836–1917) Adelaide Maraini-Pandiani (1836–1917) Mater dolorosa, ca. 1900 Bronze Ligornetto, Museo Vincenzo Vela (Depositum der Schweizerischen Eidgenossenschaft) Adèle d’Affry und Adelaide Maraini-Pandiani kannten sich höchstwahrscheinlich nicht, doch ihre Biografien und beruflichen Werdegänge weisen einige Berührungspunkte auf. Die gleichaltrigen Künstlerinnen hatten beide eine hohe gesellschaftliche Stellung inne, wenn auch in verschiedenen Kontexten: beide besassen ein geistreiches Temperament und grosse intellektuelle Fähigkeiten, beiden gelang es, sich in einem traditionell männlichen Kunstbereich durchzusetzen. Die in Mailand in eine Künstlerfamilie geborene Adelaide Pandiani erhielt ihre Ausbildung im Atelier ihres Vater Giovanni, einem erfahrenen Bildhauer der Stadt; sie nahm auch an Kursen an der Accademia di Brera teil. 1862 heiratete sie Clemente Maraini, einen Ingenieur und Industriellen aus Lugano, der der radikalen Linken verbunden war. Sie zog mit ihrem Mann nach Rom und war dort Gastgeberin eines der lebhaftesten kulturellen Salons der Stadt, in dem unter anderem Carlo Dossi verkehrte. Sie wohnte auch regelmässig in ihrer prächtigen Luganeser Villa im neopompejanischen Stil, die leider abgerissen wurde. Ihre künstlerischen Qualitäten sind ausser Zweifel, wurden jedoch noch wenig untersucht. Vor allem zwischen 1870 und 1900 schuf sie literarisch, mythologisch und religiös inspirierte Werke, Grabdenkmäler und Portraits und nahm an bedeutenden Ausstellungen in Italien und der Schweiz teil. Genau wie Marcello und Vincenzo Vela beteiligte sie sich 1867 an der Pariser Weltausstellung. Die Bildhauerin aus Freiburg präsentierte dort acht Werke, darunter die Hekate, die Napoleon III. in Auftrag gegeben hatte. Vela hatte viel Erfolg mit seinem sterbenden Napoleon, der dann auf Befehl des Kaisers vom französischen Staat gekauft wurde und von dem im Erdgeschoss (Saal II) ein Gipsmodell ausgestellt ist. Adelaide Maraini dagegen stellte erfolgreich das Relief im Stil der Neorenaissance Engel des Gebets und Engel der Auferstehung aus. Später nahm ihre Arbeit spät romantische Züge, einen gewissen Naturalismus im Stil des 18. Jahrhunderts und symbolistische Akzente an. Der Ausdruck Mater dolorosa, der aus der Erzählung der Passion Christi nach Johannes und aus dem ersten Vers der Liturgie des Stabat Mater stammt, bezieht sich auf die schmerzerfüllte Gottesmutter, wie sie zu Füssen des Gekreuzigten steht. Im 19. Jahrhundert wurden im Zuge der Romantik die Menschlichkeit und die Gefühle Christi hervorgehoben und auch der Marienkult erhielt neue Impulse. Das Werk war als ex voto für die Königin Margherita nach der Ermordung von Umberto I. (1900) gedacht. Es folgt der ikonografischen Tradition der Schmerzensmutter, welche die Künstlerin mit äusserster Feinfühligkeit interpretiert. Die Bildhauerin verzichtet dabei auf die klassischen Marienattribute (die Dornenkrone, das von kleinen Schwertern durchstochene Herz) und richtet ihre Aufmerksamkeit ganz auf die Figur der Gottesmutter. Die Büste wird beherrscht von der gemessenen Würde der Madonna, in deren Antlitz tiefer Schmerz zu sehen ist. Nachdem die Bronzebüste erfolgreich auf der Genfer Landesausstellung von 1896 zu sehen war, wurde sie im selben Jahr von der Eidgenossenschaft erstanden. Adelaide Maraini-Pandiani stellte auch eine Marmorversion des Werkes her, die heute in der Galleria nazionale d’arte moderna in Rom ausgestellt ist. Die Skulptur besticht durch eine virtuose Bearbeitung des Materials und belegt erneut die Vielseitigkeit und technische Versiertheit der Künstlerin. Im Erdgeschoss des Museums, in Saal XX, ist das originale Gipsmodell der Addolorata zu sehen, die Vincenzo Vela für die Kapelle d’Adda in Arcore schuf. Velas Werk zeigt ein Bild der Muttergottes, das von intensiver Anmut und stiller Sanftheit gezeichnet ist, wie sie sich eng in ihren Mantel einhüllt und ganz in ihrem Schmerz versinkt. SAAL XVII SAAL XVII Adelaide Maraini-Pandiani (1836–1917) Portrait des César Thomson, 1884 Georges-Jules-Victor Clairin (1843–1919) Marcello in ihrem Atelier in Givisiez, 1871 braun bemalter Gips Collezione della Città di Lugano Öl auf Leinwand Museum für Kunst und Geschichte Freiburg Die bedeutende Gruppe an Arbeiten von Adelaide MarainiPandiani im Besitz der Collezione della Città di Lugano enthält auch das Gipsportrait des berühmten belgischen Geigers und Komponisten César Thomson (1857–1931) aus dem Jahr 1884. Von 1874 bis 1877 spielte Thomson die erste Geige im Privatorchester des Barons Paul von Derwies, einem vermögenden Mäzen, der in seiner als «Castello di Trevano» bekannten prachtvollen Luganeser Residenz einen Konzertsaal hatte einrichten lassen. Thomson heiratete die Luganeser Adelige Luisa Riva und begann, international tätig zu werden. Er behielt jedoch seine engen Kontakte zum Tessin bei, wo er auch starb. Als kultivierte Frau mit erlesener Bekanntschaft kannte Adelaide Maraini Thomson wahrscheinlich über den Kreis der Luganeser Salons. Die Bildhauerin hat die Züge des Musikers mit sicherer Hand dargestellt: den intensiven Blick, den Kinnbart, die hohe Stirn und das dichte Haar. Die Spontaneität der plastischen Wiedergabe und die technischen Fähigkeiten der Bildhauerin haben ein ausdrucksstarkes und eindrucksvolles Portrait Thomsons entstehen lassen, als dieser noch keine dreissig Jahre alt war. Der französische Maler Georges Clairin und Marcello waren beide mit dem Künstler Henri Regnault befreundet, und beide waren zutiefst betrübt über den frühen Tod ihres Freundes im Januar 1871. Wenig später besuchte Clairin Marcello in Givisiez, und in der Stille des Ortes fand er seine Unbeschwertheit wieder und schuf dieses Portrait seiner Freundin. Marcello ist in dem Atelier dargestellt, das sie sich im Familienwohnsitz hatte einrichten lassen. Man sieht sie als Ganzfigur im Profil, in einer entspannten Pose sitzend und zeichnend. Als sei sie einen Moment lang von ihrer Beschäftigung abgelenkt worden, richtet sie einen von stiller Melancholie durchzogenen Blick auf den Betrachter. Die Herzogin trägt ein schwarzes, schlicht geschnittenes Kleid; ihre gesellschaftliche Stellung wird aber von ihrer eleganten Figur und, in Kontrast dazu, von der Blässe ihres Gesichts und ihrer Hände hervorgehoben. Der weitläufige Atelierraum ist von einem Paravent und einigen Stoffen abgeteilt, die am Boden liegen oder aufgehängt sind und deren helle Farben zum Halbschatten im Hintergrund kontrastieren. Die Spontaneität der Pose, in der die Adelige wiedergegeben ist, und die scheinbare Achtlosigkeit der Einrichtung verleihen der Komposition Natürlichkeit, die durch die subtile Bohème-Atmosphäre des Ateliers noch verstärkt wird. Gemäss der testamentarischen Verfügungen der Künstlerin kam das Werk 1879 zur Schenkung der Künstlerin an den Staat Freiburg. SAAL XVIII SAAL XVIII Die 1870er-Jahre: Wendepunkt und letzte Skulpturen Gustave Courbet (1819–1877) Freundschaft – Fortschritt – Einheit, ca. 1875–77 Die 1870er-Jahre sind für Frankreich, aber auch in Marcellos Leben eine bewegte Zeit. Auf die Niederlage von Sedan (1870) folgen die Absetzung Napoleons III., der Sturz des Empire, der Aufstand der Kommune (1871) und die Ausrufung der Dritten Republik. Die Künstler, deren Karriere mit dem Second Empire verknüpft war, müssen sich neue Auftraggeber suchen. Auch das künstlerische Milieu erlebt einen Wandel. Die Impressionisten gewinnen an Einfluss, und immer mehr Ausstellungsorte machen dem allmächtigen Salon Konkurrenz. Marcellos Privatleben ist von ihrer Krankheit geprägt. Sie schafft ihre letzten Skulpturen, die in den Salons von 1875 und 1876 gezeigt werden, darunter ihre «verkleideten Büsten» wie die der Phoebe, welche die Züge von Mélanie de Pourtalès trägt, oder Die schöne Römerin, für die Olga de Tallenay Modell stand. Dennoch ist die Künstlerin weiterhin voller Hoffnung, zeichnet unermüdlich und entdeckt (erneut) die Malerei. Gustave Courbet, herausragender Vertreter des Realismus, ist vor allem für sein bemerkenswertes malerisches Schaffen bekannt. Er schuf jedoch auch einige Skulpturen, wie jene, die wir in diesem Saal sehen können. Sie entstand in La Tour-de-Peilz zur Zeit des Schweizer Exils des Künstlers. Aufgrund seiner politischen Einstellung und des Prozesses, den der französische Staat nach den Vorkommnissen der Pariser Kommune von 1871 gegen ihn angestrengt hatte, war Courbet 1873 in die Schweiz geflohen, wo er 1877 starb. 1875 stiftete Courbet der Gemeindeverwaltung von La Tour-de-Peilz eine Statue der Helvetia – später umbenannt in Freiheit – als Dank für die Gastfreundschaft der Ortschaft im Kanton Waadt. Später schuf er weitere verschiedene Versionen des Werks, darunter die hier ausgestellte Gipsbüste. Sie unterscheidet sich in einigen Details von den anderen Exemplaren, nämlich durch die Inschrift «Freundschaft – Fortschritt – Einheit» auf dem Sockel und durch das Medaillon mit den Buchstaben «JRS» in einer aufgehenden Sonne (wahrscheinlich ein Verweis auf eine Freimaurerloge). Wer Courbet für die Büste Modell stand, ist nicht geklärt. Es wurde die Hypothese aufgestellt, es könne sich um die Marquise Olga de Tallenay gehandelt haben, die Courbet 1874 über ihre gemeinsame Freundin Marcello kennenlernte. Die Adelige wurde von Marcello auf dem in diesem Saal ausgestellten Gemälde portraitiert, und sie stand auch für Die schöne Römerin Modell. patinierter Gips Bern, Bernisches Historisches Museum SAAL XVIII SAAL XVIII Marcello (1836–1879) Die schöne Römerin, nach 1879 Marcello (1836–1879) Frauenkopf, 1873–74 Marmor Museum für Kunst und Geschichte Freiburg Gips Freiburg, Fondation Marcello Im Verlauf ihrer Karriere gestaltete Marcello eine Reihe von Portraits mit den Gesichtszügen von ihr nahestehenden Menschen. Ab 1875 schuf sie die besten ihrer «verkleideten Portraits», bei denen sie die Züge ihrer Modelle mit der Ikonografie oder den Eigenschaften von Figuren aus Mythologie oder Literatur verschmolz. Die Büste der Schönen Römerin trägt die Züge von Olga de Tallenay, geborene Illyne (gestorben 1915). Marcello liess sich bei der Realisierung dieses Werks von der Freundin inspirieren, von der sie schon ein Portrait gemalt hatte. Das Bild, das in diesem Saal ausgestellt ist, zeigt die Marquise als Standbild, im Profil und elegant gekleidet. Im Fall der Marmorbüste trägt die Tallenay dagegen ein Gewand, das an die Frauen aus dem antiken Rom erinnert. Ihren Hals ziert ein schön gearbeitetes Collier, an dem das klassische, «cornicello» (kleines Horn) genannte Amulett in Form einer Chilischote und ein Medaillon mit feiner Gravierung hängen. Die beeindruckende Grösse der Skulptur und die stolze Haltung verleihen der Dame eine gebieterische Note. Wie die Künstlerin in ihrem Testament verfügt hatte, wurde die hier ausgestellte Büste nach ihrem Tod von dem für die Grobarbeit an ihren Skulpturen zuständigen Bildhauer Narcisse Jacques erstellt. Die schöne Römerin, die beim Salon 1875 ausgestellt wurde, ist heute im Besitz des musée d’Orsay. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Marcello ein Modell mit anderen Künstlern teilte, und so wurde die Hypothese aufgestellt, Olga de Tallenay habe nicht nur für die beiden Werke von Marcello, die in diesem Saal gezeigt werden, Modell gestanden, sondern auch für Courbets Büste mit dem Titel Freundschaft – Fortschritt – Einheit. Und in der Tat weist die Skulptur deutliche Ähnlichkeiten mit dem Portrait von Mme de Tallenay auf, das Marcello gemalt hatte, und mit ihrer Schönen Römerin, wie auch mit Portraitfotografien der Marquise. Die Annahme, Marcello und Courbet hätten dasselbe Modell gewählt, wird von den beiden Gipsskulpturen gestützt, welche die Marquise de Tallenay darstellen. Die eine schenkte ein Cousin Courbets 1916 dem musée d’Orsay, die andere ist im Besitz der Fondation Marcello in Freiburg. Beide Werke stammen wohl von derselben Gussform, die nach einem von Marcello geschaffenen Kopf hergestellt wurde, der wiederum wahrscheinlich ein lebensechter Abguss von Gesicht und Hals der Olga de Tallenay war. SAAL XIX SAAL XIX Das kaiserliche Paar Hof und mondänes Leben Im Jahr 1863 verschaffte sich Marcello mit ihrer ersten Teilnahme am Salon einen vielbeachteten Zutritt zum Hof. Das kaiserliche Paar lud sie nicht nur des Öfteren ein, sondern gab bei ihr auch Werke in Auftrag. Von 1863 bis 1867 waren die Herrscher und die kaiserliche Verwaltung ihre Hauptkunden. Sie schuf in diesem Zusammenhang eine Statue der Hekate für den Park von Compiègne und eine Büste der Kaiserin. Eugénie liebte Frauen mit Charakter und schätzte die Herzogin Colonna. Auch wenn Marcello darauf bedacht war, bei Hofe eine gute Erscheinung zu machen, fühlte sie sich kaum zur Kaiserin hingezogen und hielt diese für oberflächlich. Dagegen hegte sie grosse Bewunderung für Napoleon III., den «Patron». Nach dem Tod des Kaisers am 9. Januar 1873 im Exil in Chislehurst (England) kondolierte sie der Kaiserin und ihrem Sohn persönlich. Marcello selber starb 1879 ein paar Wochen nach dem tragischen Tod des kaiserlichen Prinzen. Als Eugénie von ihrem Ableben erfuhr, schickte sie der Gräfin d’Affry ein Telegramm mit den Worten: «Mein tiefer Schmerz versteht und teilt den Ihren.» Die Freundschaft, die ihr das kaiserliche Paar bezeugte, zwang Marcello, ihren gesellschaftlichen Pflichten nach zukommen: Bälle, Salons, Einladungen zu den Séries de Compiègne, in die Tuilerien oder nach Fontainebleau, Anlässe gab es zuhauf. Teilweise schätzte sie dieses Spiel des schönen Scheins und genoss die Faszination, die sie auf ihre Zeitgenossen ausübte. Allerdings enthalten ihre Schriften auch Passagen, in denen sie sich die Frivolität und Eitelkeit des mondänen Lebens eingesteht («eine gut geschneiderte Garderobe ist wichtiger für mich als eine schöne Büste»). Ihre Lage ist marginal: In gegensätzlichen Welten zu Hause, kann sie ihren Platz nicht so recht finden und wechselt zwischen der Einsamkeit des Ateliers und dem Glanz eines auf Repräsentation ausgerichteten Lebens hin und her. Sie selbst erklärt: «Diese zwei entgegengesetzten Naturen, die so atemberaubend und willkürlich in meiner Person vereint sind. Die eine voller Idealismus, Träumerei und glühendem Willen, die andere ohne Tiefe, an minderen Vergnügungen Gefallen findend, auf der Suche nach Lärm, ständiger Bewegung, einem aktiven, oberflächlichen Leben. Die eine wird die andere nicht vernichten. Es ist schon viel, wenn sie sie zwingt, ihr zu folgen.» SAAL XIX SAAL XIX Marcello (1836–1879) Bildnis I. M. Kaiserin Eugénie, 1866–67 Jean-Baptiste Carpeaux (1827–1875) Napoleon III., ca. 1872–73 Gips Freiburg, Fondation Marcello Marmor (unvollständig) musées nationaux du palais de Compiègne Die in Granada geborene Eugénie de Montijo de Guzmán (1826–1920) heiratete 1853 Kaiser Napoleon III. und ist für ihre Liebe zum Luxus bekannt, aber auch für die Leidenschaft, mit der sie ihr wichtige Anliegen verfolgte, nämlich Bedürftigen zu helfen und für die Ausbildung junger Frauen zu sorgen. Sie schätzte Marcello sehr und lud sie oft nach Compiègne und Fontainebleau ein. Marcello schuf mehrere Portraitskulpturen der Kaiserin und pflegte auch nach dem Fall des Kaiserreichs freundschaftliche Verbindungen zur kaiserlichen Familie. 1865 erhielt die Künstlerin den offiziellen Auftrag für ein Portrait der Kaiserin Eugénie, das den Thronsaal des Hôtel de Ville in Paris schmücken sollte. Von dieser Büste schuf sie verschiedene Versionen, darunter die beiden in diesem Saal gezeigten Bildnisse. Im ersten, in Wachs modellierten – die Künstlerin bevorzugte für ihre Entwürfe dieses Material – wird der hohe Rang der Portraitierten von einem Diadem mit dem kaiserlichen Adler hervorgehoben. Das zweite, in Gips, dokumentiert eine spätere Phase des Werkes. Beide Skulpturen zeichnen sich durch einen wohlwollenden Gesichtsausdruck aus, unterscheiden sich jedoch in der Frisur. Die Marmorbüste, die Marcello dann der Kommission vorlegte und die heute verschollen ist, wurde anfangs abgelehnt. Der Künstlerin gelang es aber Dank ihrer Beziehungen, das Werk doch genehmigen zu lassen. Der Neffe Napoleons I., Charles Louis Napoléon Bonaparte (1808–1873), verbrachte seine Jugend in der Schweiz, in Schloss Arenenberg. 1832 wurde ihm die Ehrenbürgerschaft von Salenstein verliehen, doch er behielt seine französische Nationalität. 1846 ernannte man ihn zum Präsidenten der französischen Republik, und sechs Jahre später führte er das Kaiserreich wieder ein, das er unter dem Namen Napoleon III. regierte. Marcello, seit 1863 Gast zu Hofe, hegte grosse Bewunderung für den Herrscher. Diese unvollendete Hermenbüste entspricht dem Portrait, das Carpeaux 1872 begann und nach dem Tod des Portraitierten im Januar 1873 vollendete. Das Werk drückt die gefasste Betrübnis des Kaisers nach der tragischen Niederlage von Sedan aus, welcher dann Exil und gesundheitliche Probleme folgten. Die meisterlich ausgeführte Skulptur zählt zu den gelungensten männlichen Portraits Carpeauxs. Der Kaiser scheint in Gedanken versunken, sein Gesichtsausdruck ist von subtiler Melancholie gezeichnet, und der beinahe abwesende Blick richtet sich in die Ferne. In einer geschickten Balance zwischen Wirklichkeitstreue und Introspektion schuf Carpeaux ein Portrait von beachtenswerter psychologischer Tiefe. Auch Vincenzo Vela pflegte gute Beziehungen zur Kaiserin der Franzosen. Eugénie erhielt von einigen Patriotinnen aus Mailand seine Skulpturengruppe Italien dankt Frankreich (1861–62) und gab nach diesem gerne angenommenen Geschenk Vela den Auftrag zu einem Monument für Christoph Kolumbus, das in Panama stehen sollte. Das Gipsmodell von Italien dankt Frankreich ist im Erdgeschoss des Museums ausgestellt, in Saal XXII. SAAL XIX SAAL XIX bis Albert-Ernest Carrier-Belleuse (1824–1887) Die Gräfin von Castiglione als Königin von Etrurien gekleidet, 1864 Der Gebrauch der Fotografie patinierter Gips musées nationaux du palais de Compiègne Albert-Ernest Carrier-Belleuse zählt zu den berühmtesten und schaffensfreudigsten Künstlern des Second Empire. Der vielseitig begabte und einfallsreiche Bildhauer und Maler schuf dekorative Arbeiten, Büsten und Skulpturengruppen. Von 1875 bis 1887 leitete er die künstlerische Abteilung der Porzellanmanufaktur von Sèvres und gab dieser neue Impulse. Virginia Oldoini Verasis (1837–1899), Gräfin von Castiglione, war eine Femme fatale der Renaissance und berühmt für ihre Schönheit. Auch auf Napoleon III. wirkte ihr Charme, und sie wurde seine Geliebte. Die Gräfin, die von ihrem eigenen Bild besessen war, posierte 1863, nachdem sie im Gewand der Königin von Etrurien an einem Kostümball in den Tuilerien teilgenommen hatte, für den Pariser Fotografen Pierson und für Carrier-Belleuse, um so die boshaften Anspielungen zum Schweigen zu bringen, die über ihre Bekleidung bei dem Ball kursierten. Die kleine Portrait statue wurde in mehreren Exemplaren hergestellt und an die Freunde der Gräfin verschenkt. Trotz ihrer geringen Grösse ist es eine Skulptur mit Monumentalcharakter, der durch die stolze Pose noch unterstrichen wird. Eine Fotografie Piersons half auch Vincenzo Vela, sein Portrait der Gräfin von Castiglione (1867) zu vollenden. Die Büste zeigt die Adelige im Glanz ihrer Jugend; besonders auffallend sind die mit Perlen und Rosen geschmückte Frisur und die berühmte fünfreihige Halskette aus 279 Perlen. Auch Marcello hatte am kaiserlichen Hof Kontakt zur Gräfin, was ein von ihr geschaffenes Portrait im Profil belegt, das 1864 entstand. Marcello spielte eine Vorreiterrolle in der Ausschöpfung der Möglichkeiten der Fotografie. Ihre Fotosammlung umfasst insbesondere eine Reihe von Portraitaufnahmen, angefertigt von verschiedenen Fotografen in unterschiedlichen Grössen (von der Visitkarte bis zum gerahmten Papierabzug). Man sieht sie darauf mal als reich geschmückte Herzogin und mal, eher bohemehaft, in einem bequemen Tagesmantel. Marcello nutzte zudem die Fotografie, um Werbung für ihre künstlerischen Arbeiten zu betreiben: Sie beauftragte die berühmtesten Fotografen, darunter Nadar, Papierabzüge ihrer Werke (Skulpturen, aber auch Gemälde und Zeichnungen) aus verschiedenen Blickwinkeln herzustellen, um sie einer zukünftigen Kundschaft vorteilhaft präsentieren zu können. Schliesslich sammelte die Künstlerin auf ihren Reisen und bei ihren Museumsbesuchen zahlreiche Fotografien, die zeigen, welche Bilder sie studierte, um sich von ihnen inspirieren zu lassen. Hier soll auch eine Fotografie präsentiert werden, die zum Bestand des Museo Vincenzo Vela gehört. Sie wurde 1856–57 von Pierre-Louis Pierson aufgenommen und zeigt Virginia Oldoini, Gräfin von Castiglione, in einem prächtigen Kleid. Die genaue Inszenierung und die Pose von hinten erinnern an das Portrait der Herzogin Colonna von Alphonse Maze, das nur einige Jahre später entstand. Marcello Adèle d’Affry (1836–1879) Herzogin von Castiglione Colonna 23. April–30. August 2015 Texte Caroline Schuster Cordone Anita Guglielmetti Museo Vincenzo Vela Largo Vela 5 CH-6853 Ligornetto Tel. +41 58 481 30 40/44 museo.vela@bak.admin.ch www.museo-vela.ch