Lustkiller Pille?

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Lustkiller Pille?
FORTBILDUNG + KONGRESS
HORMONALE KONTRAZEPTION
Lustkiller Pille?
Teil 1: Wie Hormone die Libido
beeinflussen
Teil 2: Einfluss verschiedener hormonaler Kontrazeptiva
auf die Libido
Hans-Joachim Ahrendt
Eine negative Beeinflussung der Libido durch hormonale Kontrazeptiva mindert stark die Lebensqualität von Frauen und ist
deshalb ein permanentes Thema in der gynäkologischen Praxis.
Im Einzelfall geht es um die Fragen, auf welche Art und in welchem Umfang ein Einfluss der in den Kontrazeptiva enthaltenen Hormone zu erwarten ist und welche anderen Faktoren
gleichzeitig zu berücksichtigen sind. Vor allem stellt sich bei
verminderter Libido auch immer die Frage, ob dies allein durch
die „Pille“ bedingt ist, da ja sexuelles Verhalten und Erleben
stets im Kontext mit anderen Einflussparametern zu sehen
sind: Psychosexuelle und partnerschaftliche Aspekte sowie die
Lebenssituation der Patientin sind stets zu berücksichtigen.
Zahlreiche Studien haben hinreichend belegt, dass ein Zusammenhang zwischen dem Menstruationszyklus und der weiblichen Sexualität, also eine Hormonabhängigkeit
besteht (3, 21, 25, 28). Es ist auch
nachgewiesen, dass sich unter Anwendung hormonaler Kontrazeptiva
das sexuelle Verhalten verändert.
Die hohe kontrazeptive Sicherheit
bedingt ein angstfreies Erleben der
Sexualität und ist damit libidofördernd (1). Andererseits bewirken
die in den hormonalen Kontrazeptiva enthaltenen Östrogene (Ethinylestradiol, Estradiol) und synthetischen Gestagene in unterschiedlichem Maße eine Erhöhung des
SHBG-Spiegels bis auf das Dreifache. Dadurch erfolgt eine Absenkung der Serum-Androgenspiegel –
Gesamt-Testosteron (T) und freies
Teil 2: Einfluss verschiedener
hormonaler Kontrazeptiva auf
die Libido
Testosteron (fT) – in Abhängigkeit
von der Art des Östrogens und des
Gestagens bzw. der Höhe ihrer Dosis
(2, 4, 7, 27).
Die Studie von Wallwiener et al. (26)
aus dem Jahr 2010 mit 1.086 Medizinstudentinnen hat allerdings gezeigt, dass keine Korrelationen zwischen der Höhe der Dosis an Ethinylestradiol (EE) sowie der Art des Gestagens (Gestagen mit andogener vs.
antiandrogener Partialwirkung) und
der sexuellen Appetenz bestehen
(s. Abb. 1).
In den zurückliegenden Jahren wurden in klinischen Studien verschiedene hormonale Kontrazeptiva mit
unterschiedlichen Dosierungen, unterschiedlichen Östrogenen und Gestagenen sowie Wirkstoffkombinationen und unterschiedlichen Applikationsformen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die weibliche Sexuali-
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15
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FSFI-Gesamtscore
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FSFI-Gesamtscore
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35
Einfluss der Kontrazeption auf die Libido
20 μg EE
30 μg EE
›30 μg EE
androgene Gestagene
antiandrogene Gestagene
Abb. 1: Wallwiener et al. (26) fanden keine Korrelationen zwischen EE-Dosis bzw. Art des Gestagens und der sexuellen Appetenz.
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Verlauf der sexuellen Appetenz unter unterschiedlich
zusammengesetzten Pillen
Einphasen- vs. DreiphasenKombinationspräparate
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Warner und Bancroft (27) verglichen
1988 den Einfluss von niedrig dosierten Einphasen-Kombinationspräparaten (≤ 30 µg) mit Dreiphasen-Kombinationspräparaten im Hinblick auf
deren Auswirkungen auf die Libido.
Dabei ergaben sich in keiner Phase
der Anwendung der Präparate signifikante Unterschiede bezüglich der
Libido. Unter beiden Präparateformen
war eine Häufung des sexuellen Interesses in der postmenstruellen Phase feststellbar. Eine geringere sexuelle Appetenz in der prämenstruellen
und menstruellen Phase ist auch
unter beiden OC-Kombinationen zu
beobachten. Sie verläuft aber wesentlich weniger deutlich aufgeprägt
als im nicht beeinflussten Zyklus
(s. Abb. 2).
30
Greco et al. verglichen 2007 bei 48
Studentinnen im Alter von durchschnittlich 20 Jahren zwei Dreiphasenpräparate mit unterschiedlicher
Dosierung an Ethinylestradiol (20 µg
vs. 35 µg) hinsichtlich ihrer Wirkung
auf die Androgenspiegel und deren
Auswirkungen auf Stimmung und Sexualität. Untersucht wurden folgende
Präparate:
− Norgestimat (NGM) 0,18 mg –
0,215 mg – 0,25 mg plus EE 25 µg
vs.
− NGM 0,18 mg – 0,215 mg –
0,25 mg plus EE 35 µg.
Die Bewertung nach 3 Monaten ergab
keine signifikante Verringerung des
Gesamt-Testosterons. Das freie Testosteron war dagegen in beiden Gruppen signifikant verringert:
− NGM/EE35: 41,3–4,4 pmol/l
(p < 0,01),
− NGM/EE25: 25,4–7,9 pmol/l
(p < 0,01).
In der Gruppe mit 35 µg EE war dies
stärker ausgeprägt: NGM/EE35:
(p = 0,05 und p = 0,0).
%
Einphasen-Präparat
Dreiphasen-Präparat
20
10
0
vor der
Menstruation
während der
Menstruation
nach der
Menstruation
Abb. 2: Vergleich einer niedrig dosierten (Ethinylestradiol) Kombinationspille mit einem
Dreiphasen-Kombinationspräparat hinsichtlich der sexuellen Appetenz (27)
Auch das DHEAS war in beiden Gruppen verringert, jedoch nur in der
Gruppe mit 35 µg EE signifikant:
− NGM/EE35: 7,26–5,22 mmol/l,
− NGM/EE25: 7,50–5,39 mmol/l.
Die Auswirkungen dieser Veränderungen auf die Stimmung (erhoben mit
dem Beck Depression Inventar, BDI)
und das sexuelle Erleben (erhoben
mit den Dyadischen und Solitären
Subskalen des Sexual Wunsch Inventars, SDI) waren jedoch sehr indifferent. Sowohl hinsichtlich der Verbesserung bzw. Verschlechterung der
allgemeinen Stimmung als auch der
sexuellen Appetenz gab es gleiche
Häufungen ohne Signifikanz.
DRSP 3 mg/EE 30 µg mit Einnahmerhythmus 21 + 7 Tage
Drospirenon (DRSP) ist ein synthetisches Gestagen, das sich vom Spironolacton ableitet. Es hat eine antiandrogene und antimineralokortikoide Wirkung. Auf den SHBG-Spiegel
wirkt es neutral. Drospirenon ist in
verschiedenen oralen Kombinationspräparaten enthalten. In verschiedenen Studien wurden deren Auswirkungen auf die weibliche Sexualität
untersucht.
Yasmin ist ein orales Kombinationspräparat (KOK), das DRSP 3 mg/EE
30 µg enthält und im Rhythmus von
21 Tagen mit 7-tägiger Pause eingenommen wird. Skrzypulec und Drosdzol (23) publizierten 2008 Daten einer
randomisierten Vergleichsstudie an 61
OC-Anwenderinnen mit 30 µg EE und
3 mg Drospirenon und 65 Frauen mit
verschiedenen anderen OC. Beurteilt
wurde die weibliche Sexualität mittels
des Female Sexual Function Index (FSFI). Dabei war bei den Pillenanwenderinnen keine Beeinträchtigung der
Sexualität festzustellen. Im Gegenteil
ergaben sich für alle Items (Lust, Erregung, Lubrikation, Orgasmus, Befriedigung, Schmerz) bessere Werte
für die OC-Anwenderinnen, die hinsichtlich der sexuellen Erregung des
Gesamt-Scores sogar signifikant waren
(s. Abb. 3 auf S. 360). Die Studie
kommt zu dem Schluss, dass ein Zusammenhang zwischen Libidoverlust
und OC-Anwendung nicht nachweisbar
ist.
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tät untersucht. Die Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt und
diskutiert.
DRSP 3 mg/EE 20 µg bei
Einnahme-Rhythmus
21 + 7 vs. 24 + 4 Tage
Caruso et al. (6) publizierten 2011
Ergebnisse einer prospektiven, rando-
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3 mg DRSP/30 µg EE
Kontrollgruppe
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6
Abb. 3: Vergleich von Frauen, die ein KOK mit 3 mg Drospirenon und 30 µg EE anwendeten
(n = 61), vs. Frauen mit anderen OCs (n = 65) (23)
misierten Studie, in der sie ein KOK
mit 3 mg Drospirenon und 20 µg Ethinylestradiol im herkömmlichen Einnahmerhythmus von 21 Tagen Einnahme und 7 Tagen Pause mit dem verlängerten Rhythmus von 24 + 4 Tagen
hinsichtlich der Auswirkungen auf die
Sexualität verglichen. Zu Beginn der
Studie sowie nach 3 und 6 Einnahmezyklen wurden die Daten mittels Fragebögen ermittelt. Verwendet wurden
die Kurzform-36 (SF 36) des validierten Fragebogens zur Lebensqualität
(QoL) und Experience Questionnaire
(SpeQ) zur Messung der Änderungen
des Sexualverhaltens.
Bei den 54 Frauen mit dem 21 + 7Rhythmus ergaben sich folgende Befunde:
− eine signifikante Verbesserung
der Lebensqualität während Blister 6 auf allen Skalen (p < 0,05),
− keine signifikante Verbesserung
von Lust und Erregung,
− Beseitigung von Dyspareunie
(falls bei Baseline vorhanden).
Bei den 61 Frauen mit dem 24 + 4Rhythmus lauteten die Befunde:
− Verbesserung der Lebensqualität
während Blister 3 und 6 (p < 0,05),
− signifikante Verbesserung von
Lust und Erregung, Orgasmus und
Zufriedenheit ab Blister 3,
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Function Index) litten. Die Frauen
mussten einen FSFI-Score von 18
Punkten oder weniger haben. Gewechselt wurde auf ein Präparat mit
E2V/DNG (Östrogen-step-down- und
Gestagen-step-up-Therapie) oder EE
0,03 mg/LNG 0,15 mg (monophasisch im 21/7-Schema) für 6 Zyklen.
191 Frauen beendeten diese Studie.
FSFI-Scores unter verschiedenen Pillen
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− Beseitigung von Dyspareunie
(falls bei Baseline vorhanden).
Die Studie kommt zu dem Schluss,
dass der Einnahmerhythmus 24 + 4
Tage bessere Effekte auf die weibliche Sexualität ausübt als der
21 + 7-Tage-Rhythmus.
DNG 2 mg/EE 20 µg vs.
LNG 0,15 mg/EE 30 µg
In einer doppelblinden randomisierten Studie wurde die Wirkung von
E2V/DNG und EE/LNG auf die Libido
und KOK-assoziierte Female Sexual
Dysfunction (FSD) untersucht. Der
Untersuchung liegt die Überlegung
zugrunde, dass die Kombination von
Estradiol und Dienogest eine geringere Erhöhung des SHBG-Spiegels und
damit eine geringe Reduktion der Androgene (T und DHEAS) bewirkt als
ein Kombinationspräparat mit Ethinylestradiol und Levonorgestrel.
Dienogest und Estradiol erhöhen
nicht das SHBG. Levonorgestrel senkt
das SHBG, während Ethinylestradiol
den SHBG-Spiegel anhebt.
In die Studie eingeschlossen wurden
gesunde KOK-Anwenderinnen (18–50
Jahre), die unter ihrem bisherigen
Kombinationspräparat an einer FSD
(ermittelt mit dem Female Sexual
Nappi et al. berichteten 2011 über
die Ergebnisse dieser Studie (31):
− In der Gruppe E2V/DNG betrug
der mittlere Anstieg des FSFI bezüglich Lust und Erregung 5,90
(Standardabweichung (SD): 5,45)
(last observation carried forward;
p < 0,0001).
− In der Gruppe EE/LNG betrug der
mittlere Anstieg des FSFI bezüglich Lust und Erregung 5,79 (SD:
6,17) (last observation carried
forward; p < 0,0001).
Damit bestand in beiden Gruppen die
gleiche Wirksamkeit hinsichtlich der
Verbesserung des FSFI-Scores für sexuelle Appetenz, sexuelle Erregung,
Lubrikation, Orgasmus und Zufriedenheit und zur Verringerung der
Schmerzen während oder nach der
vaginalen Penetration. Die Präparate
wiesen damit eine gleich gute Wirksamkeit auf zur Verbesserung der
Sexualität bei Frauen, die unter anderen OC eine FSD haben.
CMA 2 mg/EE 30 µg
Das Gestagen Chlormadinonacetat
(CMA) hat eine antiandrogene Partialwirkung und erhöht stark das
SHBG. Dies bewirkt zwangsläufig eine
Reduktion des freien Testosterons und
des DHEAS. Daher ist nicht auszuschließen, dass mit diesem Wirkstoff
eine Reduktion der Libido und der
sexuellen Erregung und Befriedigung
verbunden ist.
In einer Studie wurde mit dieser Medikation in der Anwendung von 3 Monaten bis zu 5 Jahren jedoch keine
Korrelation zwischen der Einnahme
(-dauer) und der Verminderung des
sexuellen Verlangens festgestellt.
Schramm und Steffens (20) fanden in
ihrer Studie 2002 altersspezifische
Unterschiede hinsichtlich der Häufigkeit einer Libidoabnahme unter einem OC mit 2 mg CMA und 0,03 EE,
die aber in keiner Gruppe größer ist
als 1 % (s. Abb. 4).
In der Studie von Zahradnik und
Hanjalic-Beck (30) aus dem Jahr
2008 mit der gleichen Medikation
und 781 Frauen, die bis über 45 Zyklen geführt wurde, gaben durchschnittlich nur 2 % der Teilnehmerinnen eine Beeinflussung ihrer Sexualität an. Die Abnahme der Libido
reichte von 4,4 % (Zyklus 7) bis zu
1,3 % (Zyklus 42). Fast gleich hohe
Zahlen wurden für eine Zunahme der
sexuellen Appetenz angegeben.
Worret et al. (29) stellten beim Vergleich von einem OC mit 2 mg CMA
und 0,03 EE vs. 0,03 mg EE + 0,15 mg
Levonorgestrel (LNG) bei 200 Frauen
ebenfalls in beiden Gruppen keine
Reduktion der Libido fest.
Kombinationspräparat mit CPA
Cyproteronacetat (CPA) hat als synthetisches Gestagen eine starke antiandrogene Partialwirkung. Es erhöht
stark das SHBG und unterdrückt da-
mit stark die Androgene. Aus diesem
Grund ist es indiziert bei Patientinnen mit einer Hyperandrogenämie.
Cyproteronacetat steht sowohl als
Kombinationspräparat mit Ethinylestradiol (EE 35 µg + CPA 2 mg) zur
Verfügung wie auch als Einzelsubstanz (ohne Indikation zur hormonalen Kontrazeption) in einer Dosierung von 10 mg und 50 mg.
In einer Studie, in denen Patientinnen wegen Hirsutismus und Akne
hohe Dosen von 100 mg CPA/Tag bzw.
300 mg CPA/Tag erhielten, berichteten Hammerstein et al. 1983 (9) von
einer Abnahme der sexuellen Appetenz bei diesen Patientinnen von 6 %
bzw. 10 %. Zur Kombination von 35
µg EE und 2 mg CPA liegen keine Studiendaten vor.
Depotinjektionen mit MPA
In einer ersten Studie von Nelson
(13) mit 2.138 Frauen zum Einfluss
von Depot-Medroxyprogesteronacetat
(MPA) auf die Libido berichteten
5,8 % der Teilnehmerinnen von einem
Verlust oder einer Verminderung der
sexuellen Appetenz und 11,6 % von
depressiven Verstimmungen. Die hohen Dosen an MPA unterdrücken oft
die Serum-Estradiolspiegel erheblich,
Altersspezifische Unterschiede hinsichtlich
der Häufigkeit der Libidoabnahme
1,0
%
Inzidenz
0,8
0,6
0,4
0,2
0
Gesamt
< 19
19–28
29–38
> 38
Jahre
Abb. 4: Inzidenz von vermindertem sexuellem Verlangen in unterschiedlichen Altersgruppen
bei Frauen unter 0,03 mg EE + 2 mg CMA für 12 Monate (29)
FORTBILDUNG + KONGRESS
sodass mangelnde Lubrikation, vaginale Trockenheit und Dyspareunie
ebenso die Folgen sein können.
Schaffir et al. (19) beurteilten den
Einfluss von Östrogen-Gestagen-Kombinationspräparaten versus Injektionen mit Depot-MP auf die Serumhormonspiegel und das Sexualverhalten.
Beurteilt wurde dies mit dem FSFIFragebogen. 50 Frauen wurden in
diese Studie einbezogen.
Die Studie ergab, dass die Hormonspiegel unter KOK und Depot-MPA
signifikant unterschiedlich sind, dass
sie aber keinen Einfluss auf das sexuelle Verhalten und Erleben haben:
− freies Testosteron: KOK-Anwenderinnen hatten ein niedrigeres Level
von fT als DMPA-Anwenderinnen
(0,2 vs. 0,6 pg/ml; p < 0,0001),
− Estradiol: KOK-Anwenderinnen
hatten ein höheres Level an E2
(75,8 vs. 62,8 pg/ml; p = 0,0057),
− FSFI: Die Scores von Erregung
(5,0 vs. 4,8; p =0,46) und der Total Score (30,1 vs. 28,8; p =0,28)
waren nicht different.
Die Studie von Ott et al. (15) aus dem
Jahr 2008 kam zu ebensolchen Ergebnissen. In dieser Studie wurde der
Einfluss hormonaler Kontrazeptiva auf
Stimmung und Sexualität bei 14- bis
17-jährigen Jugendlichen untersucht.
Verglichen wurden 328 Jugendliche
aus dem mittleren Westen der USA,
die Depot-MPA, orale Kontrazeptiva
oder keine hormonalen Kontrazeptiva
anwandten. Diese Längsschnittstudie
lief über 41 Monate. Die Daten wurden
mittels Tagebuchaufzeichnungen und
Face-to-face-Interviews quartalsweise
erhoben.
Folgende Ergebnisse wurden erzielt:
Kontinuierliche OC-Nutzerinnen:
− mehr positive Stimmung als bei
Nichtanwenderinnen, OC-Starterinnen, früheren OC-Nutzerinnen
und Depot-MPA-Nutzern,
− weniger negative Stimmung als
bei Nichtanwenderinnen, OC-Starterinnen, früheren OC-Nutzerinnen und Depot-MPA-Nutzerinnen.
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Depot-MPA-Nutzerinnen:
− signifikant häufiger negative
Stimmung gegenüber Nichtnutzerinnen.
Sexuelles Interesse:
− keine signifikanten Unterschiede
zwischen den einzelnen Gruppen
von Nutzerinnen und Nichtnutzerinnen.
Ein Einfluss auf die Libido und das
sexuelle Erleben war demnach nicht
festzustellen.
Subdermales Implantat
Implanon setzt täglich 68 µg Etonogestrel, den aktiven Metaboliten von
Desogestrel, frei. 2002 berichteten
Faundes et al., dass weltweit 2–5,4 %
der Anwenderinnen von Implantaten
(Norplant, Jardelle, Implanon) Störungen der sexuellen Appetenz haben
und dies in 0–0,8 % der Fälle zur Entfernung des Implantats führt.
Gezginc et al. (32) fanden, dass 5 %
der Implanon-Anwenderinnen über
eine Abnahme der Libido klagen.
2,5 % lassen sich aus diesem Grund
das Implantat vorzeitig entfernen.
LNG-freisetzendes IUS
Die Angaben zur Beeinflussung der
Libido durch das LNG-IntrauterinSystem (IUS) Mirena sind sehr unterschiedlich. Das IUS setzt täglich 20 µg
Levonorgestrel frei. Durch diese Dosierung erfolgt keine zentrale Hemmung der Ovulation, d. h. die zyklischen Rhythmen werden nicht unterdrückt.
In der Literatur werden folgende
Raten an Reduktion der sexuellen
Appetenz unter Mirena angegeben:
− 10 % Passini et al. (16),
− 12 % Matin-Loches et al. (11),
− 16 % Oddens et al. (14),
− 20 % Sarma et al. (18),
− 30 % Koster und Garde (10).
Die Daten von Sarma und Koster erscheinen sehr hoch und decken sich
nicht mit den eigenen klinischen Erfahrungen.
Skrzypulec und Drosdzol (22) geben
dagegen keine Abnahme der Libido
unter der Hormonspirale an, wie die
Studie im Vergleich mit den Anwenderinnen von Kupfer-IUD oder Nichtanwenderinnen gezeigt hat.
Auch Suhonen et al. (24) fanden in
ihren Studien keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Libido, der
sexuellen Erregung und Befriedigung
sowie der Dyspareunie zwischen Anwenderinnen von LNG-IUS und oralen
Kombinationspräparaten, und Li et
al. (33) fanden keine diesbezüglichen
Signifikanzen beim Vergleich von
LNG-IUS, Depot-MPA-Injektionen und
Kupfer-IUDs.
Untersuchungen zur
Androgen-Rezeptorsensivität
Viele der dargestellten Studien haben
ein uneinheitliches Bild über die Zusammenhänge zwischen Androgenen
und sexueller Appetenz und Befriedigung widergespiegelt. Obwohl Veränderungen der Serum-Hormonspiegel von T, fT, DHEAS und SHBG als
auch des FAI nachgewiesen sind,
führen diese nicht zwangsläufig zu
einer Verminderung der sexuellen Appetenz und Erregung.
Die Arbeitsgruppe um Elaut et al. (8)
suchte eine Erklärung dafür und ging
einen anderen Weg. Sie bestimmte
die Androgenrezeptorsensivität. In
ihrer Studie randomisierten die Forscher 55 Paare in 3 Gruppen, in der
jedes der Paare hintereinander und
in unterschiedlicher Reihenfolge jeweils über 3 Monate folgende hormonalen Kontrazeptiva benutzte:
− KOK 20 µg EE/150 µg DSG,
− POP 75 µg DSG,
− Vaginalring 15 µg EE/120 µg DSG.
Beide Partner hatten mehrfach Fragebögen auszufüllen, mit denen sexuelle Lust und sexuelles Tun (allein
oder mit Partner) ermittelt wurden.
Außerdem wurden Gesamt- und freies
Testosteron, SHBG und ein genetischer Marker der AndrogenrezeptorSensivität, der Cytosin-Adenin-
FORTBILDUNG + KONGRESS
Guanin(CAG)-Polymorphismus, gemessen.
Das Ergebnis dieser Studie: Das sexuelle Verlangen war höher bei Frauen
mit entweder kurzen oder langen
CAG-Trinukleotid-Polymorphismen
(solitäre: p = 0,004; dyadische:
p = 0,008). Die Libido-Werte waren
höher beim Vaginalring (einzeln:
p = 0,018; dyadische: p = 0,007). Dadurch war die sexuelle Lust während
der Anwendung des Vaginalringes am
größten, sowohl für Selbstbefriedigung als auch für partnerschaftlichen
Sex (dyadisches sexuelles Verlangen
(p < 001). Diese Skala wurde auch
stark mit dem Verlangen des männlichen (p <0, 001) assoziiert.
Schlussfolgerungen:
− Die Androgen-Empfindlichkeit ist
vermittelt durch eine Änderung
des Androgenrezeptor-Gens.
− Die CAG-Trinukleotid-Polymorphismen regeln die AndrogenSignalisierung in steroidsensitiven Zellen.
− Die CAG-Repeat-Länge ist entscheidend für eine Hemmung des
Testosterons.
Die aktuelle Studie fand Beweise für
eine Bedeutung von genetischen Voraussetzungen für die Reaktion auf
Schwankungen der Serum-Androgenspiegel. Die Bestimmung des CAGPolymorphismus als Marker der Androgenrezeptor-Empfindlichkeit kann
hierbei ein Anfang für eine neue
Sichtweise sein.
Schlussfolgerungen
Es kann gesagt werden, dass nur wenige Frauen eine negative Beeinflussung der sexuellen Appetenz, der
Erregung und Befriedigung durch
hormonale Kontrazeptiva erleben.
Diese Effekte scheinen im Zusammenhang zu stehen mit der Höhe des
SHBG-Spiegels, der durch die verschiedenen Östrogene und synthetischen Gestagene unterschiedlich
beeinflusst wird. Ob diese Beeinflussung letztlich spürbar wirksam wird,
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scheint von der genetisch individuell
unterschiedlichen Empfindlichkeit
des Androgenrezeptors abzuhängen.
− Option 5: EE 30 µg + CMA 2 mg,
− Option 6: Vaginalring: EE 15 µg +
120 µg Etonogestrel.
Da dies in der frauenärztlichen Praxis
zurzeit nicht gemessen werden kann,
ist ein pragmatisches Vorgehen entsprechend der Studienlage, etwa wie
folgt, zu empfehlen:
Schritt 3
Zur Objektivierung der Behandlungseffekte eignet sich der FSFI-Fragebogen (s. Rosen et al., 17).
Schritt 1
Da Sexualität neben den biologischen
Parametern auch immer im Kontext
mit den psychosexuellen und partnerschaftlichen Parametern zu sehen
ist, ist das Erheben einer angemessenen Sexualanamnese und ein diagnostisches Gespräch zum Ausschluss
anderer die Sexualität beeinflussender Faktoren (Partnerkonflikte,
Stress, Ängste, Krankheiten, Medikamente u. a.) unabdingbar. Dies wurde
mit Nachdruck auch durch die Studie
von Wallwiener et al. (26) nachgewiesen: Frauen mit negativem Stress
hatten geringere Appetenzwerte.
Frauen mit Partnerkonflikten hatten
einen niedrigen mittleren FSFI-Gesamtscore und eine geringere sexuelle Befriedigung. In der Arbeit von
Wallwiener et al. wurden ebenso positive Korrelationen gefunden zwischen einem hohen FSFI-GesamtScore und einer größeren sexuellen
Appetenz, einer höheren Frequenz an
Geschlechtsverkehr, einer höheren
sexuellen Erregung, einer höheren
Rate, den Orgasmus zu erreichen und
einer höheren Zufriedenheit.
Schritt 2
Entsprechend der Studienlage kann
für die Auswahl eines hormonalen
Kontrazeptivums bei Störungen der
sexuellen Appetenz empfohlen werden, als Östrogen bevorzugt E2 oder
niedrig dosiertes EE, als Gestagen
bevorzugt LNG einzusetzen und die
vaginale Applikation in Erwägung zu
ziehen. Daraus ergeben sich folgende
Optionen:
− Option 1: EE 20 µg + LNG 100 mg,
− Option 2: E2 3–2–1 mg (step
down) + DNG 2–3 mg (step up),
− Option 3: EE 20 µg + DRSP 3 mg
24+4-Regime.
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Autor
Prof. Dr. med.
Hans-Joachim Ahrendt
Praxis für Frauenheilkunde,
Klinische Forschung und
Weiterbildung
Lehrauftrag Sexualmedizin, UFK
Magdeburg
Leiter der AG Sexualmedizin des BVF
Halberstädter Str. 122
39112 Magdeburg
ahrendt@prof-ahrendt-frauenarzt.de