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Hausarbeit Übung im Öffentlichen Recht für Fortgeschrittene Wintersemester 2014/2015 Ergebnis 0 5 10 15 20 25 30 35 18 17 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Durchschnitt: 5,92 Punkte Durchfallquote: 27,6 % Gesamtzahl: 181 Arbeiten Lösungsskizze - Ausgangsfall A. Antrag gegen Abschlepper H Rechtsweg, § 40 I VwGO? (-), keine öff.-rechtl. Streitigkeit zwischen A und H, da H nur Verwaltungshelfer. B. Vorgehen gegen Stadt T I. § 40 VwGO (P) Abdränge Sonderzuweisung gem. § 40 II 1 VwGO? => Mit dem Abstellen auf dem Hof entsteht ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis zwischen A und T. => Herausgabeanspruch gem. § 695 BGB analog ist ein solcher vermögensrechtl‘ Anspruch. Aber: A hat auch Folgenbeseitigungsanspruch (FBA) auf Herausgabe. Dieser fällt nicht unter § 40 Abs. 2 VwGO. Es liegt ein sog. gemischtes Rechtsverhältnis vor. => In diesem Fall ist das zuerst angerufene Gericht insgesamt zuständig. => Also: Verwaltungsgericht (+) 3 I. Verwaltungsrechtsweg (+) II. Zulässigkeit 1. Statthafte Antragsart a) Abgrenzung § 80 V / § 123 VwGO § 80 V VwGO (-), da A sich nicht geg. belastenden VA wendet. Anweisung zur Herausgabe = Realakt begehrt. Damit ist § 123 VwGO statthaft. b) Antragsziel: T verpflichten, H anzuweisen, Auto an A herauszugeben = Regelungsanordnung. 2. Antragsbefugnis, § 42 II VwGO analog (+), da FBA möglich. 3. Rechtsschutzbedürfnis (+) A hat versucht, Auto von T zu erhalten 4. Antragsgegner: T als Rechtsträger 5. Beteiligten- und Prozessfähigkeit (+) 4 II. Begründetheit 1. Anordnungsanspruch aus FBA Hoheitlicher Eingriff in Art 14 GG liegt im staatlichen Besitzentzug des Autos. In der Vorenthaltung des Autos könnte ein andauernder rechtswidriger Zustand liegen, wenn Auto an A herauszugeben wäre. a) Sicherstellung als Behaltensgrund? (-), da sie nach § 32 IV PolG bei Herausgabeverlangen aufzuheben wäre. b) Kein wirksames ZBR, § 3 I 4 DVO PolG, da hier keine Kosten der Verwahrung c) Kein ZBR gem. § 19 III LGebG, da keine Kosten für Urkunden o.ä. 5 II. Begründetheit 1. Anordnungsanspruch aus FBA d) Wirksames ZBR gem. § 83a PolG? Zwei Fragen: Kann der private Abschlepper H das ZBR geltend machen und besteht ZBR schon vor Erlass eines Kostenbescheids 1. P: ZBR ausgeübt durch Privaten? (+) H nur Bote. 2. P: ZBR vor Erlass eines Kostenbescheids? Contra: Kostenhöhe und Kostenschuldner ergeben sich nicht unmittelbar aus Gesetz, sondern bedürfen zur Durchsetzung VA. Pro: Wortlaut von § 83a PolG („entstandenen Kosten“). Mit Erfüllung der tatbestandl‘ Voraussetzungen der Vollstreckungsmaßnahme ist Anspruch entstanden. Pro: Sinn und Zweck von § 83a PolG: Effektive Durchsetzung der Kostenforderung. Sonst müsste – bevor der Bescheid erlassen wurde – das Auto als Druckmittel des ZBR aus der Hand gegeben werden. => Damit (+). 6 Zwischenübersicht II. Begründetheit 1. Anordnungsanspruch aus FBA: Behalten des Autos rw? a) Sicherstellung als Behaltensgrund b) Kein wirksames ZBR, § 3 I 4 DVO PolG c) Kein ZBR, § 19 III LGebG d) Wirksames ZBR, § 83 a PolG als Behaltensgrund? (+), wenn e) Materielle Kostenpflichtigkeit des A und f) Geltendmachung ZBR nicht unverhältnismäßig 7 II. Begründetheit 1. Anordnungsanspruch aus FBA e) Materielle Kostenpflichtigkeit des A Nur für rechtmäßige Maßnahmen können Kosten verlangt werden. Rechtmäßigkeit des Abschleppens zu prüfen. aa) Rechtsnatur des Abschleppens Keine Sicherstellung oder Beschlagnahme, da es primär um Entfernung des Pkw ging. => Vielmehr: Ersatzvornahme (§ 25 LVwVG). bb) Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme aaa) Allg. Vollstreckungsvoraussetzungen, § 2 LVwVG iVm § 25 LVwVG (a) Rechtsnatur eines Halteverbotsschildes Keine RVO, sondern Allgemeinverfügung. (b) P: Schein-VA wegen der Aufstellung durch Nachbar N Keine Allgemeinverfügung, da nicht von „einer Behörde“ iSd § 35 LVwVfG. 8 bb) Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme aaa) Allg. Vollstreckungsvoraussetzungen (c) Anbringen des Zusatzschildes durch den Mitarbeiter der T - Keine Heilung durch Zustimmung der Behörde Arg.: Schild von N war von Beginn an nichtig. Da T nichts mit Aufstellen durch N zu tun hatte, ist auch keine nachträgliche Heilung möglich. - neuer VA durch das Anbringen des Hinweisschilds ?(+) Pro: Neue Regelung, zudem wollte T sowieso VA erlassen. Neues Schild wäre bloße Förmelei. Pro: Hinweisschild erklärt Verkehrsschild erst für nächsten Tag wirksam, also geregelt, dass nicht am 11.07. 9 bb) Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme aaa) Allg. Vollstreckungsvoraussetzungen (d) (P) Bekanntgabe des VA (str.) (aa) Früher: Differenzierung zwischen innerer und äußerer Wirksamkeit Äußere Wirksamkeit beginnt mit Bekanntgabe an irgendeinen Betroffenen. Die – für die Vollstreckung entscheidende – innere Wirksamkeit erst, wenn der Betroffene erstmalig im „Wirkungsbereich“ des Verkehrszeichens. Korrekturen nach Treu und Glauben, wenn lang nicht nach KfZ geschaut. (bb) Bekanntgabe durch Aufstellung - BVerwG 1996: Bekanntgabe erfolgt durch Aufstellung des Verkehrsschildes (§§ 39 I und a), 45 IV StVO. Wenn mit raschem und beiläufigen Blick wahrnehmbar, dann wirksam ggü. jedem von der Regelung Betroffenen. (sog. Sichtbarkeitsgrundsatz) Betroffener Verkehrsteilnehmer idS ist auch der Halter. - VGH Mannheim 2009: Mit Aufstellung ist es ggü. allen in Form einer öffentlichen Bekanntgabe bekannt gegeben. 10 (d) (P) Bekanntgabe des VA (cc) BVerwG (NJW 2011, 246) : differenzierende Lösung - Anfechtungsfrist beginnt erst in dem Moment, in dem sich der betreffende Verkehrsteilnehmer erstmals der Regelung des Verkehrszeichens „gegenübersieht“. Unklar, was „gegenübersieht“ bedeutet: Muss man das Schild visuell wahrnehmen können oder reicht es aus, dass das Auto sich im Geltungsbereich des Verkehrszeichens befindet? • Eine Deutungsmöglichkeit: Weiterhin Bekanntgabe durch Aufstellen, aber Beginn der Widerspruchs- und Anfechtungsfrist später. Pro: BVerwG behandelt Bekanntgabe und Anfechtungsfrist getrennt. Pro: Entscheidung betont, dass aus BVerwG 1996 nichts Gegenteiliges folge. An Halterbetroffenheit würde dann also festgehalten. • Andere Deutungsmöglichkeit: Bekanntgabe erst ab Wahrnehmung. Pro: Art. 19 IV GG: Erst wenn man Schild wahrnimmt, kann man sich dagegen wehren. Pro: Gem. § 70 I 1 und § 74 VwGO ist Beginn der W-Spruchs- und Anfechtungsfrist an Bekanntgabe geknüpft. Daher: Verkehrszeichen erst in dem Moment bekanntgegeben, indem sich Bürger ihm „gegenübersieht“. 11 (d) (P) Bekanntgabe des VA (dd) u.a. Schenke Keine Bekanntgabe, wenn Verkehrsteilnehmer von Schild keine Kenntnis hat. (ee) Stellungnahme • E.A.: Diff. zw. in. und äuß. Wirksamkeit, Schenke, zweite Deutung des BVerwGUrteil keine Bekanntgabe • a.A.: andere Deutung der Rspr des BVerwG und Rspr von 1996 • Hier vertretene Ansicht: sofortige Wirkung, (+) • Arg.: Erste Ansichten führen zu erheblicher Vollzugsunsicherheit, da nicht feststellbar, ob betroffene Schild schon wahrgenommen hat oder nicht. • Arg.: Art. 19 IV GG zwingt zu keinem anderen Ergebnis, da die Widerspruchsund Anfechtungsfrist getrennt beginnt und mit nachträglichen Anfechtung des Kostenbescheids und Amtshaftungsansprüchen verhindert wird, dass dem Bürger ein bleibender Nachteil entsteht. Bekanntgabe (+) (e) Zwischenergebnis: Bekanntgabe (+) 12 Zwischenübersicht: e) Materielle Kostenpflichtigkeit des A? aa) Rechtsnatur des Abschleppens bb) Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme? aaa) Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen (+) bbb) Formelle Rechtmäßigkeit der Vollstreckung? ccc) Materielle Rechtmäßigkeit der Vollstreckung? 13 bbb) Formelle Rechtmäßigkeit der Vollstreckung (+) (a) Zuständige Behörde T gem. § 4 I LVwVG iVm §§ 44 I 1, § 45 III StVO, § 1 StVOZuständigkeitsgesetz, §§ 15 I Nr. 1, 19 LVG (b) Verfahren Anhörung war gem. § 28 II Nr. 5 LVwVfG entbehrlich. Androhung gem. § 21 LVwVG entbehrlich, weil ein unverzügliches Einschreiten erforderlich ist. ccc) Materielle Rechtmäßigkeit der Vollstreckung (+) (a) VA sofort vollziehbar: (+), analog § 80 II 1 Nr. 2 VwGO. (b) Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden VA relevant: umstritten! Kann aber dahinstehen, da Schild rechtmäßig. (c) Verhältnismäßigkeit der Vollstreckung: (+), Auto blockierte Rettungsgasse 14 Zwischenübersicht II. Begründetheit 1. Anordnungsanspruch aus FBA a) b) c) Sicherstellung als Behaltensgrund Kein wirksames ZBR, § 3 I 4 DVO PolG Kein ZBR, § 19 III LGebG d) Wirksames ZBR, § 83 a PolG? e) Materielle Kostenpflichtigkeit des A? aa) Rechtsnatur des Abschleppens bb) Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme (+) cc) Ermessen bzgl. Kostenauferlegung 15 cc) Ermessen bzgl. der Kostenauferlegung aaa) Ermessen? (P) Kostenauferlegung im Ermessen der Behörde gem. § 31 Abs. 1 LVwVG? • Wortlaut: (-), „werden“. • Verfassungskonforme Auslegung (h.M.): Ermessen, um Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung tragen zu können. bbb) Ermessensreduzierung? Kostenbescheid noch nicht erlassen, Ermessen wurde noch nicht ausgeübt. Aber: Dann kein ZBR, wenn Ermessensreduzierung auf 0 dahin, dass die Behörde die Kosten dem A nicht auferlegen darf. 16 bbb) Ermessensreduzierung? (a) Dauer zwischen Aufstellen und Abschleppen Ermessensreduzierung auf Null, weil Schild unvorhersehbar ? Str. wie lange Schild aufgestellt sein muss, bis nicht mehr unvorhersehbar Rechtsprechung schwankt zwischen zwei und drei Tagen. Contra: - Auto stand schon längere Zeit auf öffentlicher Verkehrsfläche. - Für A war die Aufstellung vorhersehbar (jährlich) - Kann das Schild des N als ScheinVA das Vertrauen des A zerstören? - Wenn Abschleppen auch ohne Schild, also im Wege der unmittelbaren Ausführung rechtmäßig wäre und man A die Kosten auch ohne Schild auferlegen könnte, dann muss es nicht ermessensfehlerhaft sein, ihm die Kosten aufzuerlegen. (b) Relevanz der unmittelbaren Ausführung Inzidente Prüfung von Abschleppmaßnahme nach § 8 PolG und Kostenentscheidung nach § 8 Abs. 2 PolG: => Hier: Auch nach § 8 Abs. 2 PolG möglich, da sich Änderung der Verkehrslage abzeichnete, also nicht unvorhersehbar war. 17 bbb) Ermessensreduzierung? (-) Daher: nicht stets ermessensfehlerhaft, A die Kosten aufzuerlegen. => Ermessensreduzierung auf Null (-) dd) Zwischenergebnis: Materielle Kostenpflichtigkeit, (+) f) Ermessen der Behörde nach § 83a PolG hinsichtlich Ausübung ZBR Keine Ermessensfehler ersichtlich, insb. Wertdifferenz irrelevant, da dies Gesetzgeber für den typischen Fall im Blick hatte. 18 II. Begründetheit 1. Anordnungsanspruch aus FBA? 2. Herausgabeanspruch aus öff.-rechtl. Verwahrung gem. § 695 BGB analog a) Öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis (+), mit Abstellen auf Hof b) Rückgabeanspruch gem. § 695 BGB analog (+), Hinterleger kann jederzeit die Herausgabe verlangen. Aber: c) Zurückbehaltungsrecht, § 83a S. 1 PolG (+) (wie oben!) Gesamtergebnis: Der Antrag des A auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig, aber unbegründet. 19 Lösungsskizze - Abwandlung A. I. 1. 2. a) Vorgehen gegen die Vollstreckung: Einstweiliger Rechtsschutz Zulässigkeit § 40 VwGO (+) Statthafte Antragsart § 80 Abs. 5 VwGO? Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO? (-) Arg.: Kosten sind nicht in förmlichen Verwaltungsverfahren entstanden. Erweiterten Auslegung von § 80 II Nr. 1 VwGO, steht Ausnahmecharakter von § 80 II VwGO entgegen. Damit entfaltet die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung Entfall der aufschiebenden Wirkung wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit der Hauptsache? (-) 20 I. Zulässigkeit 2. Statthafte Antragsart a) § 80 Abs. 5 VwGO b) Faktischer Vollzug gleichwohl schutzwürdiges Interesse, aufschiebende Wirkung gerichtlich feststellen zu lassen, da T trotz fehlender Vollziehbarkeit den Bescheid vollstrecken will (sog. „faktischer Vollzug“). Strittig, ob Antrag nach § 123 I VwGO oder nach § 80 V VwGO analog statthaft - Contra Analogie: Wegen § 123 VwGO fehlt Regelungslücke. - Pro Analogie: Systematische Nähe. Bei § 80 Abs. 5 VwGO geht es um die (Wieder-)Herstellung der aufschiebenden Wirkung; hier um deren Feststellung. - Pro Analogie: Antragssteller darf nicht durch das rechtswidrige Verhalten der Behörde schlechter gestellt werden. Im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO obliegt dem Antragssteller die Beweislast für den Anordnungsanspruch und grund. 21 3. Übrige Zulässigkeitsvoraussetzungen, unproblematisch (+) II. Begründetheit 1. Antragsgegner ist T. 2. Klage entfaltet aufschiebende Wirkung Auf Erfolgsaussichten der Hauptsache kommt es nicht an. Ergebnis: Der Antrag ist zulässig und begründet. 22 B. Erfolgsaussichten der Klage I. § 40 II VwGO: (+) II. Zulässigkeit Nur problematisch: (P) Durchführung eines Vorverfahrens, § 68 VwGO. B hat Widerspruch eingelegt, dadurch wird nur das Widerspruchsverfahren eingeleitet (§ 69 VwGO). Vor Klageerhebung erging kein Widerspruchsbescheid, der das Widerspruchsverfahren abschließt. Aber § 75 VwGO? (P) B hat noch vor Ablauf der Sperrfrist (§ 75 S. 2 VwGO) von drei Monaten Klage erhoben. Damit Klage bei Erhebung unzulässig. Nach Fristablauf Anfang Juli hätte B zulässig Klage erheben können. Deshalb: Heilung des ursprünglichen Mangel mit Fristablauf. Die Klage ist nun zulässig geworden. 23 III. Begründetheit 1. Passivlegitimiert ist T, § 78 VwGO 2. Rechtswidrigkeit des Bescheids a) Ermächtigungsgrundlage: § 8 Abs. 2 PolG b) Formelle Rechtmäßigkeit (+), Anhörung geheilt durch Widerspruchsverfahren. Bescheid war auch begründet (auf Richtigkeit kommt es nicht an) c) Materielle Rechtmäßigkeit Es steht im Ermessen der T, ob sie gem. § 8 Abs. 2 PolG Kosten erhebt. Bei Störermehrheit besteht ein Auswahlermessen. Ermessenskriterien auf Sekundärebene: Gebot der gerechten Lastenverteilung. 24 c) Materielle Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids Ermessensentscheidung ist auf Ermessensfehler zu überprüfen, § 40 VwVfG. aa) Ursprünglicher Kostenbescheid: Ermessensausfall bb) Widerspruchsbescheid aaa) Widerspruchsbescheid überhaupt beachtlich, § 75 VwGO? (+) Arg.: § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO: Widerspruchsbescheid ist Gegenstand der Anfechtungsklage. Arg.: § 75 S. 4 VwGO: W-Bescheid hat Auswirkungen auf Hauptsache. 25 bb) Widerspruchsbescheid aaa) Widerspruchsbescheid beachtlich, § 75 VwGO? bbb) Überprüfung der Ermessensgründe im Widerspruchsbescheid? (a) Zuständigkeit des RP und Zweckmäßigkeitskontrolle Ermessenserwägungen des RP sind relevant, wenn das RP zuständige Widerspruchsbehörde ist und zur Zweckmäßigkeitskontrolle ist. (P): Erhebung von Gebühren/Kosten sind Selbstverwaltungsangelegenheit einer Gemeinde, wenn Geld bei ihr verbleibt (vgl. etwa VGH Mannheim BeckRS 2013, 59639). Dann wäre gem. § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO T selbst Widerspruchsbehörde. Selbstverwaltungsaufgaben = Aufgaben, die der Gemeinde in ihrem Gebiet allein und unter eigener Verantwortung auferlegt sind. VGH Mannheim (VBlBW 1986, 22): Heranziehung nach § 8 Abs. 2 PolG durch Bürgermeister keine Selbstverwaltungsangelegenheit. Arg.: § 8 II PolG räumt nicht Gemeinden, sondern der „Polizei“ einen Ersatzanspruch ein. Polizei = Polizeivollzugsdienst, allg. Polizeibehörden, nicht Gemeinde. Arg: Allg.Polizeibehörde = BM gem. §§ 64 IV PolG iVm § 44 III GemO unterliegt Weisungen keine Selbstverwaltungsaufgabe RP zur Fachaufsicht zuständige Widerspruchsbehörde (+) bbb) Überprüfung der Ermessensgründe im Widerspruchsbescheid (b) Überprüfung der Ermessensgründe RP: „Heranziehung von B wegen möglichem Gesamtschuldnerausgleich im Innenverhältnis.“ Erwägung ist dann nicht fehlerhaft, wenn B eine realistische Aussicht auf einen solchen Ausgleich hat. P: Gesamtschuldnerausgleich (str.) Aber: BGH in stRspr.: Kein Gesamtschuldnerausgleich, wenn nicht spezialgesetzlich angeordnet daher Erwägung ermessensfehlerhaft. 27 aa) Ursprünglicher Kostenbescheid bb) Widerspruchsbescheid d) Ermessensbegründung durch Prozessvertreter aa) Nachschieben von Gründen möglich? aaa) Zulässigkeit nach materiellem Recht? § 45 I Nr. 2, II LVwVfG betrifft nur die nach § 39 LVwVfG erforderliche formelle Begründung. Zulässig, aber unter folgenden Voraussetzungen: a) Nachgeschobene Gründe lagen schon bei Erlass des Widerspruchsbescheids vor. b) Ergänzung bewirkt keine Wesensveränderung des angefochtenen VA. c) Rechtsschutz des Bürgers wird nicht unzumutbar verkürzt, Art. 19 IV GG. d) P: Müssen Ausgangs- und Widerspruchsbehörde identisch sein? 28 d) Ermessensbegründung durch Prozessvertreter aa) Nachschieben von Gründen möglich? (a) Gründe schon bei Erlass vorliegend, (+) (b) Keine Wesensveränderung, (+) (c) Keine Beeinträchtigung der Rechtsverteidigung, (+) Es muss klar sein, welche Begründung jetzt von T vorgebracht wird. Zweifel und Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde. Subsumtion: Neue Begründung (Leistungsfähigkeit und Verhaltensverantwortlichkeit) drückt konkludent aus, dass andere nicht mehr aufrechterhalten wird. 29 aa) Nachschieben von Gründen möglich? (a) Gründe schon bei Erlass vorliegend (b) Keine Wesensveränderung (c) Keine Beeinträchtigung der Rechtsverteidigung (d) Identität zwischen Widerspruchs- und Ausgangsbehörde? E.A.: Ja. Arg.: § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO - die Ausgangs-behörde könne die Ermessenserwägungen der Widerspruchsbehörde, die nach § 79 I Nr. 1 VwGO maßgeblich sind, nicht nachbessern. H.M.: Mit Einführung von § 114 S. 2 VwGO wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass eine Identität nicht mehr erforderlich. => Aufgrund des erklärten Willens des Gesetzgebers und des daher eindeutigen Wortlauts von § 114 S. 2 VwGO keine Identität nötig. 30 d) Ermessensbegründung durch Prozessvertreter aa) Nachschieben von Gründen möglich? bbb) Zulässig im Prozess nachgeschoben? § 114 S. 2 VwGO erlaubt ein „ergänzen“ der Ermessenserwägungen. (a) Vollständige Nachholung? (-) Ermessenserwägung des RP waren nur fehlerhaft. Also kein vollständiges Nachholen. (b) Vollständige Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe ? VA wird nunmehr völlig anders begründet = „ergänzen“? Hier völliger Austausch von Gründen, da die Begründung einen neuen argumentativen Unterbau darstellt. => T stützt die Inanspruchnahme nicht mehr auf den Gesamtschuldnerausgleich. 31 3. Zwischenergebnis T hat diese Erwägungen nicht zulässig nachgeschoben. Der Verwaltungsakt bleibt daher rechtswidrig und die Klage ist begründet. C. Ergebnis Die Klage ist zulässig und begründet. 32 Hinweise zur Remonstration • Zur Remonstration wird nur zugelassen, wer an der Besprechung der Prüfungsarbeit teilgenommen hat, was durch den Stempel des Veranstalters auf der Arbeit nachzuweisen ist. • Die Remonstration muss zusammen mit dem Original der Prüfungsarbeit spätestens zwei Wochen nach der Rückgabe bis 12.00 Uhr s.t. am Lehrstuhl Prof. Dr. Seiler eingegangen sein. 33