Führerscheinkontrolle
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Führerscheinkontrolle
Coverstory 22 Führerscheinkontrolle SO GEHEN SIE AUF NUMMER SICHER Für Fuhrparkverantwortliche sind Führerscheinkontrollen in Unternehmen oftmals ein heikles Thema. J edem Autofahrer ist bekannt, dass sich derjenige, der einem anderen ohne Führerschein sein Fahrzeug überlässt, sogar strafbar machen kann. Im Idealfall lässt man sich vor Fahrtantritt den Führerschein zeigen. Was alle wissen, längst aber nicht alle praktizieren, wird spätestens dann in der Regel außer Acht gelassen, wenn ein guter Bekannter um die Fahrzeugschlüssel bittet. Und wie sieht die Praxis in Unternehmen mit Dienstwagen aus? Wer sich in der Werkstatt ein Fahrzeug ausleiht oder einen Mietwagen in Empfang nimmt, legt meist wie selbstverständlich seinen Führerschein vor. Dieselben Personen beschweren sich aber, wenn im eigenen Unternehmen vor der Übergabe eines neuen Fahrzeuges, im Idealfalle auch in regelmäßigen Abständen, die Vorlage des Führerscheins verlangt wird. Selbst die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen vom Chef muss mancher Fuhrparkbeauftragter als Antwort auf die Frage nach dem Führerschein befürchten. Autoflotte Rechtsexperte: Völlig zu Unrecht. Die Rechtsanwalt Frage nach dem FührerDr. Michael Ludovisy schein ist nicht ehrenrührig, sondern berechtigt und überdies pflichtbewusst. Nach § 21 Abs. 1 Ziffer 2 StVG drohen Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder Geldstrafe demjenigen, der als Halter eines Fahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder dem das Führen des Fahrzeugs wegen eines Fahrverbots zeitweise untersagt ist. Der „Halterverantwortliche“, besser der Fuhrparkleiter, ist verpflichtet, sich davon zu überzeugen, dass der jeweilige Fahrer des Firmenfahrzeugs die erforderliche Fahrerlaubnis besitzt. Diese Verantwortung folgt nicht nur die Vorlage des Dokuments bei einem vom FPL bestimmten Mitarbeiter. Dieser sollte die Kontrolle schriftlich festhalten. aus seinem Arbeitsvertrag und der innerbetrieblichen Aufgabenzuweisung. § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG besagt: Verantwortung des „Ist jemand von dem Inhaber eines BeFuhrparkleiters im Rahmen des triebs oder einem sonst dazu Befugten § 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG ausdrücklich beauftragt, in eigener VerDer Verantwortliche muss sich überantwortung Aufgaben wahrzunehmen, zeugen, dass der Mitarbeiter die zudie dem Inhaber des Betriebes oblietreffende Fahrerlaubnis hat. Ein strafgen, und handelt er aufgrund dieses bares Anordnen oder Zulassen des Auftrages, so ist ein Gesetz, nach dem Fahrens ohne Fahrerlaubnis liegt auch besondere persönliche Merkmale die vor, wenn der Mitarbeiter zwar die erMöglichkeit der Ahndung begründen, forderliche Fahrerlaubnis für das ihm auch auf den Beauftragten anzuwenüberlassene Fahrzeug besitzt, nicht den, ....“ aber für die z.B. angeordnete oder zuDer beauftragte Fuhrparkleiter gelassene Ankoppelung eines Anhängers übernimmt also insoweit die Verpflichvon mehr als 750 kg Gesamtmasse. Mit tungen neben oder sogar an Stelle dem Inkrafttreten der Fahrerlaubnisdes Fahrzeughalters. Die erforderliche Verordnung (FeV) zum 1.1.1999 wurden Kontrolle kann regelmäßig dadurch erdie Klassenumfänge geändert. Führerfolgen, dass der Halter oder sein von ihm scheinneulinge oder Fahrer mit beauftragter Fuhrparkleiter die Fühwieder erteilter Fahrerlaubnis haben rerscheine der Fahrer überprüft (vgl. gegenüber den sog. FührerscheinaltinBGH, VRS 34, 354; OLG Hamm, VM habern geänderte Klassenumfänge. Im 1994, 68). Derartige Kontrollen sind Bereich der (alten) Klassen 3 und 2 hat nur ausnahmsweise unter besonderen es gravierende Änderungen bei ErreiUmständen unzumutbar, wenn nämchen der dortigen Alterslich der Halter (FuhrparkDie Kontrollpflicht grenzen gegeben. leiter) bei sog. objektiv All diese Änderungen ausreichender Sorgfalt erstreckt sich auf alle von Anhaltspunkten aus- Firmenzugehörigen muss der Fuhrparkleiter bei der Überlassung eines gehen durfte, die das Vorgleichermaßen. Fahrzeugs beachten. Für handensein der Fahrereine mögliche Strafbarkeit genügt, dass laubnis beim Mitarbeiter nahe legen. der Verantwortliche das Fahren selbst Ein Unterschied zwischen Mitarbeiter durch schlüssiges Handeln (z.B. Fahrund Geschäftsleitung besteht in diesem zeugschlüssel kommentarlos übergeZusammenhang grundsätzlich nicht. ben) zugelassen hat. Die Kontrollpflicht erstreckt sich auf Seit der Neuregelung der Gültigkeit alle Firmenzugehörigen. ausländischer Fahrerlaubnisse in Der Halterverantwortliche kann Deutschland im Rahmen der FeV und sich in der Regel nicht darauf verlassen, der Verordnung über den Internatioder Fahrer werde einen etwaigen Entnalen Kraftfahrzeugverkehr besteht für zug der Fahrerlaubnis oder ein Fahrden Fuhrparkverantwortlichen auch verbot von sich aus mitteilen. Der „fühdie Verpflichtung, sich mit dieser komrerscheinlose“ Fahrer befindet sich in plexen Thematik auseinander zu seteinem Dilemma, entweder das Risiko zen. Er muss bei Vorlage eines ausländes Arbeitsplatzverlustes einzugehen dischen Dokuments den jeweiligen oder eine Straftat wegen Fahrens ohne Berechtigungsumfang prüfen, was weit Fahrerlaubnis zu begehen. Aus diesem reichende Detailkenntnisse erfordert. Grund verlangt die Rechtsprechung Mit einer (für ihn) unverständlichen einhellig Stichproben. fremdsprachigen Bescheinigung darf er Üblicherweise wird eine einmalige sich nicht begnügen. Der ausländische Prüfung der Fahrerlaubnis im Original Führerschein muss noch gültig sein. pro Jahr als ausreichend angesehen, Dass die abgelaufene ausländische zumindest unter strafrechtlichen GeFahrerlaubnis verlängerbar war, genügt sichtspunkten. Es genügt zum Beispiel Autoflotte 06/2003 Coverstory 23 Rechtsprechung zum „Fahren ohne Fahrerlaubnis“ 1. Kein Anscheinsbeweis für Unfallursächlichkeit bei fehlender Fahrerlaubnis Bei der Bemessung des jeweilige Verschuldens zweier Unfallbeteiligter dürfen nur unfallursächliche Umstände berücksichtigt werden. Dies gilt grundsätzlich auch für den Fall einer fehlenden Fahrerlaubnis. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass im Falle eines Verkehrsunfalls, bei dem einer der beiden Fahrer keinen gültigen Führerschein besitzt, sich dieses Fehlen der Fahrerlaubnis als unfallursächlich ausgewirkt hat, besteht nicht. Eine Haftung (oder Regress) der Versicherung des unfallbeteiligten Fahrers ohne gültige Fahrerlaubnis gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 21 StVG käme nur dann in Betracht, wenn sich der Unfall in einer Verkehrslage ereignet hätte , die ein Fahrer, der sich im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis befindet, gemeistert hätte. Ein derartiger Sachverhalt dürfte aber eher die Ausnahme sein. (Kammergericht Berlin, Aktenzeichen 12 U 7599/99, DAR 2002, 161) Autoflotte 06/2003 2. Fahren ohne Fahrerlaubnis bei Verwendung einer ausländischen Fahrerlaubnis nach vorheriger Entziehung der deutschen Fahrerlaubnis. Mit einer Grundsatzentscheidung hat der BGH die seit dem Inkrafttreten der Fahrerlaubnis-Verordnung aufgetretene Frage, ob sich ein Fahrzeugführer wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar macht, wenn er nach Ablauf seiner gerichtlichen Sperrfrist im Rahmen der Fahrerlaubnisentziehung mit einer ordnungsgemäß im Ausland erworbenen Fahrerlaubnis in Deutschland wieder am Straßenverkehr teilnimmt, abschließend beantwortet. Bis zum Inkrafttreten der Fahrerlaubnis-Verordnung zum 1.1.1999 konnte in derartigen Fällen mit der ausländischen Fahrerlaubnis in Deutschland ohne erneute Eignungsuntersuchung ein Fahrzeug geführt werden. Die Rechtslage sieht nun anders aus, was jedoch mangels klarer Formulierungen zunächst vom BGH entschieden werden musste. Der Inhaber einer in einem EU- oder EWRStaat erworbenen Fahrerlaubnis mit Wohnsitz im Inland, dem die deutsche Fahrerlaubnis entzogen worden war und der nach dem 31.12.1998 im Inland ein Kfz führt, macht sich gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 28 Abs. 4 Nr. FeV strafbar. Dies gilt selbst dann, wenn er mit dieser ausländischen Fahrerlaubnis vor dem 1.1.1999 im Inland (wieder, weil die Sperrfrist bereits abgelaufen war) ein Kfz führen durfte. Mit dieser Entscheidung ist nun klargestellt, dass im Ausland erworbene ausländische Fahrerlaubnisse in Deutschland (seit dem 1.1.1999) nicht (mehr) zum Fahren berechtigen, solange in Deutschland eine rechtskräftige Entziehung vorliegt und nach Ablauf der Sperrfrist das Gebrauchen der ausländischen Fahrerlaubnis nicht ausdrücklich, durch Eintrag im Dokument, gestattet ist. (BGH, Aktenzeichen 4 StR 371/01, DAR 2002, 419) Coverstory 24 nicht (BGH, VR 70, 613). Personalienprüfung ist in diesem Fall regelmäßig erforderlich (BGH, VR 70, 26). Das Überlassen des Fahrzeugs an eine Person, die gerade ein rechtskräftiges Fahrverbot gemäß § 44 StGB oder § 25 StVG verbüßt, ist auch grundsätzlich nach § 21 StVG strafbar. Fahrverbote bewirken zwar nicht den Verlust, sondern nur das Ruhen der Fahrerlaubnis. Dennoch wird das Fahren trotz Fahrverbot strafrechtlich dem Fahren ohne Fahrerlaubnis ausdrücklich gleichgestellt. Da die Anzahl der verhängten Fahrverbote jährlich zunimmt, sollte die Führerscheinkontrolle in Firmenfuhrparks ein fester Bestandteil des Fuhrparkmanagements werden. Beruhigend ist bei all dem aber, dass der Verantwortliche in der sicheren Überzeugung einer vorhandenen Fahrerlaubnis das Fahrzeug grundsätzlich ohne wiederholte Prüfungen herausgeben darf, solange er keine begründeten Zweifel am Vorliegen einer gültigen Eilnachrichten: neue Urteile BGH stärkt Rechte des Autofahrers bei Schadensberechnung auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten Bei der sog. fiktiven Abrechnung von Reparaturkosten drohte dem Geschädigten bisher nicht selten durch den gegnerischen Versicherer eine Kürzung seiner gutachterlich nachgewiesenen Reparaturkosten. Häufig wurden nicht die im Gutachten zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze der jeweiligen Fachwerkstatt erstattet. Vielmehr wurden von den Versicherern der Schadensberechnung die von der DEKRA ermittelten mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze zugrunde gelegt. Die Folge war eine nicht unerhebliche finanzielle Einbuße des fiktiv abrechnenden Geschädigten. Der BGH hat sich nun mit Urteil vom 29.04.2003, Aktenzeichen VI ZR 398/02, eindeutig gegen diese Praxis ausgesprochen. Das Gericht betont, dass der Geschädigte sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei ist. Dies gelte auch für fiktive Reparaturkosten. Der Geschädigte brauche sich nicht auf die bloß abstrakte Möglichkeit einer technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Auch bei fiktiver Abrechnung kann nicht ein abstrakter Mittelwert herangezogen werden; abzustellen ist auch hier auf das Verhalten eines wirtschaftlich vernünftig denkenden Geschädigten. Dazu gehört nach Ansicht des BGH auch die Entscheidung des Geschädigten, sein Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren zu lassen. Bei der fiktiven Abrechnung sind damit die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen. Anders ausgedrückt: Der Porschefahrer kann fiktiv auf Basis des „Porschestundenlohns“ abrechnen. Fahrerlaubnis hat. Besonders wichtig: Guter Glaube des Verantwortlichen genügt. Auch kann ein besonderes Vertrauensverhältnis mit berücksichtigt werden (Fahrer fährt z.B. seit einem halben Jahr mit diesem Fahrzeug). Anders als bei gewerblichen Vermietern, die bei jeder Fahrzeugübergabe die Fahrerlaubnis überprüfen müssen, genügt es für den Fuhrparkleiter daher, wenn eine jährliche Führerscheinkontrolle gewährleistet ist und zudem in den Überlassungsverträgen festgehalten wird, dass die Fahrer bei Fahrerlaubnisentziehung oder Fahrverbot zur Meldung verpflichtet sind. Verantwortung des FPL unter zivil- bzw. versicherungsrechtlichen Gesichtspunkten Bei Verletzung der Kontrollpflicht durch den Fuhrparkverantwortlichen drohen versicherungsrechtliche Konsequenzen. Die sog. Führerscheinklausel (§ 2b Abs. 1c Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung (AKB), § 5 Abs. 1 Nr. 4 Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung (KfzPflVV) soll den Versicherer gegen das erhöhte Risiko schützen, das von einem Fahrer ohne Fahrberechtigung ausgeht. Nach § 2b Abs. 1c AKB ist der (Kasko-)Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Fahrer nicht die erforderliche Fahrberechtigung besitzt. Ferner kann gegenüber dem Versicherungsnehmer Leistungsfreiheit eintreten, wenn er die Fahrt eines Fahrers, der keinen Führerschein besitzt, schuldhaft ermöglicht hat. Hierunter fallen Führerscheinbeschlagnahmen nach § 94 Abs. 3 StPO, etwa nach einer Trunkenheitsfahrt oder die vorläufige Entziehung gemäß § 111a StPO bzw. die endgültige Entziehung in einem Strafverfahren. Fahrverbote nach § 44 StGB oder § 25 StVG (z.B. wegen Rotlichtmissachtung) berühren die Fahrerlaubnis im Sinne der sog. versicherungsrechtlichen Führerscheinklausel dagegen nicht. Nach dem Kraftfahrt-Haftpflichtversicherungsrecht handelt es sich beim Fahren ohne Fahrerlaubnis, der Duldung oder Anordnung desselben um eine Obliegenheitsverletzung (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 KfzPflVV). Der Versicherungsnehmer, der Halter oder der Eigentümer dürfen die Fahrzeugbenutzung nicht zulassen, wenn die erforderliche Fahrerlaubnis fehlt. Durch das „benutzen lassen“ ist eine Verschuldensvermutung gegeben, die jedoch die Kenntnis des Versicherungsnehmers, Halters oder Eigentümers voraussetzt. Die Obliegenheit des Versicherungsnehmers umfasst die Verpflichtung zur Prüfung der bestehenden Fahrerlaubnis. Also trifft den Fuhrparkverantwortlichen auch hier wieder eine Prüfungspflicht. Verstöße führen dazu, dass die KfzHaftpflichtverletzung im Falle eines Unfalles zwar den Schaden dem Geschädigten ersetzen muss, aber anschließend beim Versicherungsnehmer für die Obliegenheitsverletzung Regress nehmen kann. Als Folge dieser Rechtslage besteht ferner die Verpflichtung, Kfz-Schlüssel so aufzubewahren, dass ein führerscheinloser Dritter nicht ohne weiteres die Fahrzeugschlüssel an sich nehmen und unberechtigt ein Kfz im öffentlichen Verkehr führen kann. Entweder müssen die Fahrzeugschlüssel versperrt oder anderweitig gesichert aufbewahrt werden, oder eine andere Person, z.B. der Pförtner, muss die Ausfahrt der Fahrzeuge genau kontrollieren. Wichtig ist in jedem Fall, dass der Fuhrparkverantwortliche im Zweifel ein schlüssiges Konzept vorlegen kann, mit dem ihm der Nachweis der Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten gelingt. Natürlich ist die Organisation der Führerscheinüberprüfungen abhängig von der Firmengröße, von der Anzahl der Fahrzeuge, von der Art der Fahrzeugbenutzung (täglich wechselnde Fahrer oder einem Fahrer fest zugewiesene Fahrzeuge). Eine Musterlösung für alle Konstellationen kann es daher nicht geben. Als grobe Faustregel sollte von einer jährlichen Führerscheinkontrolle ausgegangen werden, die auch bei dezentralen Fahrzeugstandorten organisierbar ist. D R . M I C H A E L LU D OV I S Y Af