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Kunstkontor Dr. Doris Möllers und Elmar Kahleis 48143 Münster Rosenplatz 8
Eugène Delacroix
(Charenton-Saint-Maurice 1798 - 1863 Paris)
Vorbereitende Entwurfszeichnung für die Wandmalereien in der Bibliothèque
de la chambre des députés (Assemblée nationale im Palais Bourbon, Paris).
Bleistift auf Bütten, mit Bleistift bezeichnet "Députés" sowie dem roten Nachlaß-Stempel
(Lugt 838), um 1838. 19,5 : 27,6 cm.
Verso umlaufend auf Büttenkarton montiert, in der Darstellung ein kleiner Fleck, verso
Marginalien von alter Hand bezüglich einer Rahmung.
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Provenienz: Privatsammlung New York.
Literatur: Johnson, Lee, The Paintings of Eugène Delacroix. A critical Catalogue (The Public Decorations and their Sketches) Volume V. Text. Oxford 1989. S. 33 ff
Rahmen: Wien 18. Jahrhundert
„Mit seinen Wandbildern krönte Delacroix seine Bemühungen als Maler; er bewies seine
Fähigkeit, einer sterbenden Kunstform neues Leben einzuhauchen. Zu seiner Zeit hatte
die Wandmalerei sich selbst überlebt, sie existierte nur noch als formelhaft erstarrte, verblühte Dekoration, die dem offiziellen Geschmack entsprach. Doch Delacroix‘ Wandbilder
sind, obwohl Schwierigkeiten, wie ungünstige Flächenaufteilung und störender Lichteinfall,
zu überwinden waren, herrliche Meisterwerke. Sie zählen zu den Prunkstücken französischer Kunst.
Delacroix ließ an diesen Werken erkennen, daß er in allen Epochen der Menschheitsgeschichte bewandert war. Obwohl er einige der klassizistischen Versuche, sich in den Geist
der Antike zu versetzen, ablehnte, empfand er seit langem eine Wesensverwandtschaft
mit jener Welt; jetzt, da die antiken und biblischen Allegorien des Salon du Roi und weitere
Vorhaben zu verwirklichen waren, ähnelte seine Beschäftigung mit der Vergangenheit
nicht einer Durchreise, sondern einer geistigen Heimkehr. Zugleich blieb er der Gegenwart
verhaftet und war offen und aufgeschlossen gegenüber den romantischen Ideen seines
Zeitalters. Darüber hinaus drang er in die Zukunft vor, nicht nur, was seine Technik und
Farbgebung betrifft, sondern durch seinen nachdrücklichen Hinweis auf die Bedeutung der
eigenen Schaukraft eines Künstlers. Indem er dafür plädierte, daß die Kunst nicht lediglich
darstelle, sondern deutliches Sehen mit unerklärlichem Fühlen vereine, daß sie mehr einem Liebesbrief als einer detaillierten Rechnung gleiche, bereite er den Boden vor für
die moderne Kunst und half ein Klima schaffen, das ihrem Heranwachsen gedeihlich sein
sollte.“1
1
Prideaux, Tom, Delacroix und seine Zeit. 1798-1863. O. O. 1975. S. 141
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Das Palais Bourbon wurde von 1722 bis 1728 von Lorenzo Giardini und Jules HardouinMansart für Louise Françoise de Bourbon, die Tochter Ludwig XIV, erbaut. Während der
Revolution wurde das Gebäude verstaatlicht. Ab 1798 diente es als Tagungsort des Rates
der Fünfhundert. Unter Napoleon wurde ein klassizistischer Portikus vorgesetzt. Nach
1815 wurde das Palais an die Abgeordnetenkammer vermietet und 1827 an diese verkauft. Es folgten umfangreiche Baumaßnahmen. Seit 1848 ist das Palais Bourbon Sitz der
Nationalversammlung.
1833 erhielt Delacroix den Auftrag den Salon du Roi im Palais Bourbon auszumalen.
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Die Bibliothek
„Als er 1838 - kurz nachdem die Wandbilder im Salon du Roi enthüllt worden waren - in
Valmont zu Besuch war, las er zufällig in einer Pariser Zeitung, daß er eine weitere Reihe
von Deckenbildern, ebenfalls im Palais Bourbon, für die Bibliothek der Deputiertenkammer, schaffen sollte. Dieser Auftrag hing seit einem Jahr in der Luft, und Delacroix hatte
alle Hoffnungen aufgegeben, ihn zu erhalten. Er war außer sich vor Freude: der Raum
stellte noch größere Anforderungen an seine Erfindungskraft als der Salon du Roi. Er war
nicht so breit, aber über dreimal so lang - rund 42 m insgesamt.
Hinzu kam, daß die Decke, die er nun zu bewältigen hatte, nicht eine Kuppel wie im Salon
du Roi, sondern deren fünf mit je vier Zwickeln mußten erfindungsreich und mannigfaltig
ausgemalt werden. Alles in allem war es eine gewaltige Aufgabe, der er allein nicht leisten
konnte. Delacroix stellte etwa 30 Gehilfen ein und richtete ein Atelier ein, wo er sie bei
vorbereitenden Arbeiten anleitete. Bei der Ausführung verließ er sich auf drei der Begabteren unter ihnen, die seine Vorzeichnungen auf die Leinwand übertrugen und 15 der Zwickel so weit ausmalten, daß er nur noch geringfügige Korrekturen anzubringen hatte. Die
Halbkuppeln und die übrigen Zwickel malte er selbst.“2
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Prideaux, Tom, Delacroix und seine Zeit. 1798-1863. O. O. 1975. S. 143
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Die Wandmalereien befassen sich mit Krieg und Frieden, mit Poesie, Religion, Gesetzgebung, Philosophie und Naturwissenschaften, gespeist aus Vorlagen aus der Bibel und der
griechischen bzw. römischen Mythologie.
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Bei den Darstellungen in der oberen Hälfte des Blattes handelt es sich um mythologische
Motive, die das Meer betreffen.
Ganz rechts kann es sich um Poseidon, dem Gott des Meeres, handeln, der oft mit Dreizack in einem Streitwagen dargestellt wird.
Die mittlere Szene könnte Amphitrite, die Beherrscherin der Meere zeigen. Poseidon
schickte ihr einen Delphin als Brautwerber, der ihr Herz erweichte.
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Der Delphin ist aber auch gleichzeitig ein Attribut der Aphrodite, der Göttin der Liebe. Die
„Meerschaumgeborene“ wurde nach griechischer Mythologie aus einer Muschel geboren,
die spätestens in Botticellis „Geburt der Venus“ aus dem Jahr 1486 eine Jakobsmuschel
zeigt.
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Eugène Delacroix: La Liberté guidant le peuble. Louvre, Paris
Die weibliche Kriegerin unten links erinnert unweigerlich an das 1830 entstandene Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“ von Delacroix. Sicher wird er sich bei der Planung der
Wandgestaltung der Julirevolution von 1830 erinnert haben, die just an diesem Ort ihren
Anfang nahm, da der reaktionäre König Charles X. die Abgeordnetenkammer auflöste und
Wahl- und Pressefreiheit stark einschränkte. Das führte zu einem dreitägigen blutigen Aufstand, der mit dem Sturz des Königs endete.
In dem Bild trägt die Anführerin der Aufständigen (die spätere Figur der Marianne) die
Freiheitsmütze der Jakobiner, ebenso auf der Zeichnung, hier allerdings nicht mit Tricolore, sondern mit einer Art Hellebarde und einem Schild.
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Bei der männlichen Figur rechts könnte es sich schließlich um den Kriegsgott Ares bzw.
Mars handeln, dessen Attribute u. a. die Lanze und der Helm sind. Der griechische Gott
Ares steht für Blutbad und Massaker.
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