Saul Leiter - Kunst Haus Wien
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Saul Leiter - Kunst Haus Wien
Saul Leiter 31. Jänner bis 26. Mai 2013 Das KUNST HAUS WIEN würdigt den 89-jährigen Fotografen und Maler Saul Leiter in einer großen Retrospektive, die in Zusammenarbeit mit dem Haus der Photographie / Deichtorhallen Hamburg entstand. Die Ausstellung vereint in einem großen Spannungsbogen frühe SchwarzWeiß- und Farbaufnahmen, Modefotografien, übermalte Aktfotos, seine Malerei sowie eine Auswahl seiner Skizzenbücher. Ein Kapitel der Ausstellung widmet sich den neuen Fotoarbeiten von Saul Leiter, die er immer noch auf den Straßen des New Yorker East Village aufnimmt. Saul Leiter erfährt erst seit wenigen Jahren die verdiente Würdigung als einer der führenden Pioniere der Farbfotografie. Schon ab 1946, weit vor den Vertretern der „New Color Photography“ der 1970er-Jahre wie William Eggleston und Stephen Shore, benutzte er als einer der Ersten die damals von Künstlern verachtete Farbfotografie für seine freien künstlerischen Aufnahmen. „Die älteren fotoästhetischen Ansichten zur Hegemonie von Schwarz-Weiß und die fotohistorischen Datierungen des künstlerischen Einsatzes von Farbfotografie erst ab den 1970er-Jahren sind wohl einer kritischen Revision zu unterziehen. Mit Saul Leiters Werk ist die Fotogeschichte bereits faktisch umgeschrieben“, so Kurator Ingo Taubhorn. Saul Leiter hat sich immer als Maler und Fotograf verstanden. Sowohl in seiner Malerei als auch in seinen Fotografien tendiert er deutlich zu Abstraktion und Flächigkeit. Oft findet man große, tiefschwarze, von Schatten hervorgerufene Flächen, die bis zu drei Viertel seiner Fotografien einnehmen. Passanten werden nicht als Individuen in das Bild gerückt, sondern als verschwommene Farbimpulse, überlagert von Scheiben oder eingekeilt zwischen Hauswänden und Verkehrszeichen. Die Übergänge zwischen Abstraktion und Figurativem in seinen Malereien und Fotografien sind nahezu nahtlos. Saul Leiters Straßenfotografie – damit ist er beispiellos in diesem Genre – ist eigentlich Fotografie gewordene Malerei. In Leiters Aufnahmen fließen die Genres der Street-, Porträt-, Still-Life-, Mode- und Architekturfotografie zusammen. Er findet seine Motive wie Schaufenster, Passanten, Autos, Schilder und immer wieder Regenschirme in der unmittelbaren Umgebung seiner New Yorker Wohnung, die er seit fast 60 Jahren bewohnt. Die Unschärfe im Detail, die Verwischung von Bewegung und die Minderung der Tiefenschärfe, der Ausgleich oder gewollte Entzug von notwendigem Licht und die Verfremdung durch Fensterdurchsichten und Spiegelungen − dies alles verschmilzt zur Farbsprache eines halb realen, halb abstrahierten urbanen Raums. Es sind Arbeiten eines fast noch unentdeckten modernen Meisters der Farbfotografie. Saul Leiter entdeckte schon früh seine Leidenschaft für die Kunst und begann bereits als Teenager Ende der 1940er-Jahre zu malen. Seine Familie unterstützte sein künstlerisches Interesse nicht, da der Vater, ein anerkannter talmudischer Rabbiner und Gelehrter, stets seine Hoffnungen darauf gesetzt hatte, dass sein Sohn Saul ihm eines Tages nachfolgen würde. Er war zwar Autodidakt, aber keinesfalls ungebildet. Er las und lernte viel über Kunst und sorgte damit für die notwendigen historischen Zusammenhänge für sein eigenes Denken und künstlerisches Schaffen. 1946, kurz nachdem er nach New York gezogen war, lernte Leiter Richard Poussette-Dart kennen, der ihn mit der Fotografie bekanntmachte, einem Medium, das ihm sehr lag und das er schnell lernte. Leiter entschied bald, Fotografie nicht nur als Mittel der Kunst zu nutzen, sondern sich damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er begann, Mode zu fotografieren und wurde dank seines guten Auges, seines spielerischen Sinns für Humor und seines ausgeprägten Sinns für Eleganz zu einem außergewöhnlichen Modefotografen. In den 1950er-Jahren wurden erste Schwarz-Weiß-Serien Saul Leiters im „Life“-Magazin veröffentlicht. Er nahm u.a. an der von Edward Steichen kuratierten Ausstellung „Always the Young Strangers“ (1953) im Museum of Modern Art teil. Von 1958 bis 1967 arbeitete Leiter für „Harper’s Bazaar“. Insgesamt sollte er rund 20 Jahre für verschiedene klassische und neuere Magazine fotografieren, nach „Esquire“ und „Harper’s“ waren dies „Show“, „Elle“, „British Vogue“, „Queen“ und „Nova“. Saul Leiter wurde 1923 in Pittsburgh geboren und lebt seit 1946 in New York. Die Ausstellung des Haus der Photographie / Deichtorhallen Hamburg im Jahr 2012 war die weltweit erste umfassende Retrospektive von Leiters Werk und entstand in enger Kooperation mit dem Künstler. Das KUNST HAUS WIEN ist nach Hamburg nun der zweite Schauplatz für diese von Publikum und Presse begeistert aufgenommene Ausstellung. KuratorInnen: Ingo Taubhorn und Brigitte Woischnik Ausstellungskatalog: „Saul Leiter“, Ingo Taubhorn & Brigitte Woischnik (Hg.), Kehrer Verlag, 2012 ISBN 978-3-86828-228-0, 296 Seiten, € 58 Veranstaltungen (Eintritt frei): 31. Jänner 2013, 19 Uhr: Kuratorenführung mit Ingo Taubhorn und Brigitte Woischnik 13. März 2013, 19 Uhr: Gesprächsführung zu Saul Leiters Modefotografie mit Kuratorin Brigitte Woischnik, Fotograf Andreas H. Bitesnich und „Der Standard“-Moderedakteur Stefan Hilpold 24. April 2013, 18.30 Uhr im Jüdischen Museum Wien: Aufführung der Filmdokumentation „In No Great Hurry – 13 Lessons in Life with Saul Leiter“ von Tomas Leach Eine Ausstellung des Haus der Photographie / Deichtorhallen Hamburg in Zusammenarbeit mit dem KUNST HAUS WIEN. Saul Leiter 31. Jänner bis 26. Mai 2013 KUNST HAUS WIEN 1030 Wien, Untere Weißgerberstraße 13 Täglich von 10 bis 19 Uhr Karten: EUR 10,- (KUNST HAUS WIEN-Jahreskarte: EUR 22,-) www.kunsthauswien.com Fotograf und Maler Als Howard Greenberg 1993 in seiner New Yorker Galerie die erste Ausstellung mit Schwarz-WeißFotografien von Saul Leiter ausrichtete, war es noch ein weiter Weg bis zur gebührenden Anerkennung des jüdisch-amerikanischen Fotografen als eine der herausragenden Figuren der internationalen Nachkriegsfotografie. Das änderte sich vor allem 1997 mit der phänomenalen Ausstellung seiner frühen Farbfotografien in der Howard Greenberg Gallery. Ihr folgte einige Jahre später, 2006, die Monografie Early Color, die die große künstlerische Ausstrahlungskraft dieses Pioniers der Farbfotografie auch der internationalen Kunstwelt bewusst machte. Saul Leiter war und ist einer der wenigen aufgeschlossenen und experimentierfreudigen Fotografen, die bereits sehr früh das Arbeiten mit Farbfotografie unbefangen annahmen und als Kunstform adaptierten. Im Vergleich zu den Möglichkeiten im heutigen digitalen Zeitalter stand die Technik damals noch in den Anfängen, was Anwendung und Entwicklung von Filmmaterial, Diapositiv und fragilem Print betrifft. Seine kreative Neugier mag insbesondere darin liegen, dass Leiter sich selbst zeitlebens in erster Linie als Maler und damit als eigenständiger Bildschöpfer und Bildgestalter verstand. 1923 in Pittsburgh (Pennsylvania) geboren und ab 1946 in New York ansässig, stellte Leiter seine Gemälde gelegentlich im Kontext des New Yorker East Village aus, jenem Viertel, in dem er gemeinsam mit Vertretern des abstrakten Expressionismus, der führenden amerikanischen Kunstströmung in der Dekade nach dem Zweiten Weltkrieg, lebte und arbeitete. Auch in seinen fotografischen Aufnahmen und besonders in seiner Farbfotografie bediente er sich malerischer Mittel und Kunstgriffen aus verschiedenen Epochen der Tradition und der Moderne. Die Beeinflussung durch die visuellen Sprachen verschiedener New Yorker Künstler zeigt sich beispielsweise in Anleihen bei Mark Rothkos Farbfeldmalerei oder bei Franz Klines kalligrafischen Kompositonen. Seine fotografischen Motive fand Leiter, wie Robert Frank oder Helen Levitt, auf den Straßen New Yorks. Aber Leiters Blick war von Anfang an nicht primär auf spektakuläre Momente der gegenständlichen Realität oder sozialer Situationen gerichtet, sondern auf scheinbar belanglose oder flüchtige Eindrücke des Alltags, die er in faszinierenden Aufnahmen atmosphärisch verdichtete. Mit seiner Bildauffassung negierte Leiter die üblichen Regeln einer dokumentarischen oder bildjournalistisch geprägten Fotografie und schaffte mit außergewöhnlichem Gespür für Spannung und Balance zwischen Kompositon und Farbe zeitlose Werke der urbanen Fotoästhetik. Die Ausstellung vereint Leiters frühe Schwarz-Weiß- und Farbaufnahmen in einem künstlerischen Werk, dem erstmals auch seine Modefotografien, übermalten Aktfotografien, sowie seine Malerei und seine einmaligen Skizzenbücher zur Seite gestellt werden. Damit würdigt das KUNST HAUS WIEN in dieser Überblicksschau einen großen amerikanischen Fotografen und Maler, dessen Werk durch seine Schönheit und Klarheit in außergewöhnlicher Weise begeistert. Ingo Taubhorn und Brigitte Woischnik KuratorInnen der Ausstellung Die Ausstellungskapitel Abstrakte Malerei Obwohl die Fotografie sein Bild als Künstler geprägt hat, empfindet sich Saul Leiter vor allem als Maler. Seinen künstlerischen Weg hatte er als Maler begonnen und neben seiner Arbeit als Fotograf hörte er niemals auf, zu malen und zu zeichnen. Leiters Leidenschaft für die Kunst begann bereits in seiner Kindheit, obwohl er von seiner Familie dabei keinerlei Unterstützung erhielt. Als Teenager verbrachte er viele Stunden in Bibliotheken und studierte Kunstbücher. Inspiration fand er bei Malern wie Vermeer, Bonnard, Vuillard und Picasso oder auch bei japanischer Druckgrafik. Als Autodidakt malte Leiter 1940 seine ersten Bilder. Die meisten waren lyrisch abstrakte Kompositionen, die seine Bewunderung für die neue amerikanische Avantgarde der abstrakten Künstler ausdrückten. Sein leidenschaftlicher Sinn für Farbe ist bereits in diesen frühen Malereien zu erkennen, ebenso seine lebenslange Vorliebe für Gouache und Aquarell auf kleinformatigen Papieren. Nach seinem Umzug nach New York 1946 präsentierte er seine Arbeiten auch gemeinsam mit Malern des abstrakten Expressionismus wie Willem de Kooning und Philip Guston. Sein Studio lag in der 10. Straße im East Village, damals ein Zentrum der Avantgarde-Künstler. Leiter teilte mit diesen Künstlern zwar das Interesse an Abstraktion, dem Gebrauch von Farbe, Gestik und dem Element des Zufalls, aber die Formate seiner Arbeiten wählte er radikal anders. Während viele seiner Zeitgenossen, wie Jasper Johns oder Franz Kline, wandgroße Bilder malten, die physisch das gesamte Sichtfeld des Betrachters füllten, arbeitete Leiter im intimen Kleinformat. Er stellte auch in der Tanager Gallery aus, der wichtigsten künstlergeleiteten Kooperative des East Village dieser Zeit. Nachdem er seinen Schwerpunkt in den späten 1940er-Jahren auf die Fotografie verlegt hatte, hörte Leiter jedoch auf, seine Malerei öffentlich auszustellen. Figurative Malerei Saul Leiters abstrakte Malerei vereint oft Qualitäten von Nähe, die etwas Persönliches oder Vertrautes suggerieren, gepaart mit einem Sinn für Raum, der an eine offene Landschaft erinnert. Gelegentlich macht er aber auch figurative Skizzen. Oft sind es nur Andeutungen eines Gesichtes oder eines Körpers, eine spitze Nase, Augen und Mund. Von den männlichen Figuren tragen einige Hüte, ähnlich den religiösen Bekleidungsstücken aus der Welt von Leiters Jugend. Die meisten dieser Arbeiten konzentrieren sich auf eine einzelne Figur, nur gelegentlich scharen sich ein Paar oder eine Gruppe von Figuren zusammen. Die Qualität der Linie und die raffinierte Andeutung von Figuren oder Köpfen in diesen Bildern erinnern an Gemälde von Édouard Vuillard und Pierre Bonnard, in denen Gesichtszüge durch Linien und feine Farbtöne eher angedeutet als durch sorgsames Modellieren definiert werden. Street Photography Als er 1947 eine Ausstellung mit Arbeiten des französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson sah, wurde Saul Leiter von dem kreativen Potenzial dieses Mediums überzeugt. Er kaufte sich günstig eine 35-mm-Leica-Kamera und begann, ohne jegliche Vorbildung, auf New Yorks Straßen zu fotografieren. Zunächst verwendete er nur Schwarz-Weiß-Film, ab 1948 kam auch der Farbfilm hinzu. Seine Schwarz-Weiß-Fotografien weisen Elemente der Dokumentarfotografie auf, sind aber von einem fotojournalistischen Stil weit entfernt. Vielmehr sind sie subjektive Beobachtungen, oft konzentriert auf ein einzelnes Individuum in der großen Stadt. Leiters komplexe, vielschichtige Arbeiten rufen Gefühle von Entfremdung, Melancholie und Anspannung hervor. Um diesen Eindruck noch zu betonen, experimentierte Leiter mit starken Kontrasten, Licht und Schatten sowie mit asymmetrischen Kompositionen mit großen Unschärfe-Bereichen. Thematisch und stilistisch finden sich große Ähnlichkeiten zwischen Leiters Werk und dem Werk anderer Vertreter der New Yorker Street Photography dieser Zeit, zum Beispiel Ted Croner, Leon Levinstein, Louis Faurer und später Robert Frank und William Klein, heute allgemein als „The New York School“ bezeichnet. Ihre radikal neue, subjektive Fotografie hatte eine psychologische Komponente, die eine ungewöhnliche Sensibilität gegenüber den sozialen Turbulenzen und der Verunsicherung vieler Amerikaner in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg verdeutlichte. Farbfotografie Bis in die 1970er-Jahre wurde Farbfotografie fast ausschließlich für Werbung und in Modezeitschriften benutzt. Die extrem gesättigten Farben betrachteten daher viele Fotografen als ungeeignet für einen künstlerischen Ausdruck. Überdies konnten sie ihre Farbfilme nicht selbst entwickeln, weshalb es ein sehr teures Verfahren war. Erst im Jahr 1976 widmete das Museum of Modern Art in New York der Farbfotografie mit der Präsentation „Photographs by William Eggleston“ eine Ausstellung. Saul Leiter war einer der wenigen Fotografen, die die Farbfotografie nicht ablehnten. Als Maler interessierte er sich besonders in der Street Photography für den experimentellen Umgang mit Farbe. Bereits 1948, zu Beginn seiner Karriere, kaufte er seine ersten Rollen von 35-mmKodachrome-Farbdiafilm, der seit 1936 auf dem Markt war. Um Geld zu sparen, benutzte er gerne Filmmaterial, dessen Haltbarkeitsdatum abgelaufen war. Besonders gefielen Leiter die daraus resultierenden Bilder mit zarten und gedämpften Farbtönen. Die unzähligen frühen Farbfotografien, die Leiter zwischen 1948 und 1960 machte, sind von einzigartiger malerischer und erzählerischer Qualität. Sie stehen im Gegensatz zu den Arbeiten anderer Fotografen, in denen Farbe häufig das definierende Element der Komposition ist. Diese Tatsache, gepaart mit seiner Tendenz zur Abstraktion, verbindet Leiters Fotografie mit seiner Malerei. Aber im Unterschied zu seiner Malerei (und zu seinen Schwarz-Weiß-Fotografien) zeigen seine Farbfotografien eine strenge Strukturierung. Es ist die unvergleichliche Schönheit dieser Arbeiten, die Leiter zu einem Meister der Fotografie des 20. Jahrhunderts werden ließ. Übermalte Aktfotografien Bei dieser Serie hat Saul Leiter Malerei und Fotografie miteinander kombiniert. Seine übermalten Akte folgen der Tradition der handkolorierten Fotografie, die auf die Anfänge der Fotografie zurückgeht. Über die Jahre hat er zahlreiche Akte fotografiert, meist Frauen aus dem Umfeld seines Freundeskreises. Viele dieser Schwarz-Weiß-Fotografien entstanden in einer intimen häuslichen Umgebung. Sie strahlen eine weiche, manchmal zärtliche Sinnlichkeit aus. Nur gelegentlich war Leiter bemüht, eine direkte erotische Atmosphäre zu schaffen. Er trug eine satte Palette von Farben auf die Fotografien auf, wobei er die fotografischen Abbilder mit der Malerei zu völlig neuartigen Kreationen vereinte. In den übermalten Fotografien stellt Leiter sein Thema – den weiblichen Akt – in die Gegenwart, umhüllt nur von der Sprache und der Poesie der Farbe, so Carrie Springer, Kuratorin im Whitney Museum in New York. Modefotografie In den späten 1950er-Jahren reüssierte Saul Leiter auch in der Welt der Modefotografie und der Werbung. Leiters Stil war von Beginn an unverkennbar. Seine Bilder waren vielschichtig und komplex, gekennzeichnet durch weiche impressionistische Züge und kubistische Veränderungen der Perspektive. Seinen ersten kommerziellen Auftrag erhielt er 1958 von Henry Wolf, dem damals neuen Art Director von Harper’s Bazaar, mit dem er sich auch freundschaftlich verstehen sollte. Harper’s Bazaar war eine der führenden amerikanischen Modezeitschriften mit bahnbrechenden Modestrecken von Fotografen wie beispielsweise Richard Avedon oder Lillian Bassman. Nachfolgend bekam Leiter mehr und mehr repräsentative Aufträge und über die Jahre wurde er fast völlig von der kommerziellen Arbeit in Anspruch genommen. Seine Mode- und Werbefotos erschienen neben Harper’s Bazaar in Elle und Show, in British Vogue und Queen sowie in Nova. Erstaunlich dabei ist, wie es Leiter in dieser Zeit gelang, seine eigene erzählerische, stilisierte Ästhetik beizubehalten, während andere Modefotografen eher einen spröden grafischen Stil bevorzugten. Auch aufgrund seines abnehmenden Interesses an kommerzieller Fotografie bekam Leiter in den 1970er-Jahren immer weniger Aufträge. 1981 gab er sein Studio in der Fifth Avenue auf und führte in den folgenden Jahren ein ruhiges Leben fernab der Öffentlichkeit. Neue Arbeiten Saul Leiter hat sein Stadtviertel für seine freien Farbaufnahmen kaum verlassen, seit 1953 wohnt er in derselben Wohnung. Diese selbst gewählte Beschränkung auf das New Yorker East Village ist eine Mischung aus Genügsamkeit und Überzeugung: „Ich nehme Fotografien in meiner Nachbarschaft auf. Ich glaube, dass wunderbare Dinge an bekannten Orten passieren. Wir müssen nicht immer ans andere Ende der Welt rennen“, sagt Saul Leiter. Für Leiter ist nicht der wiedererkennbare oder besondere Ort im urbanen Gefüge wichtig. Ampeln, Verkehrszeichen, Passanten mit Hüten oder Regenschirmen, spiegelnde Schaufenster, Busse, Lastwagen, Autos: Diese Vielfalt von alltäglichen Details der Straße ist der Stoff für seine Bilderfindungen. Ausgerüstet mit einer Digitalkamera fotografiert Saul Leiter noch heute in seinem Viertel. Saul Leiter – Zitate “I like it when one is not certain of what one sees. We don’t know why the photographer has taken such a picture. If we look and look, we begin to see and are still left with the pleasure of uncertainty.” („Ich mag die Ungewissheit, die man verspürt über das, was man sieht. Wir wissen nicht, warum der Fotograf dieses Bild aufgenommen hat. Wir schauen und schauen und beginnen zu sehen, und dennoch bleibt uns der Genuss der Ungewissheit.“) “The meaning of a photograph is not always apparent, but if you look and look, it will reveal itself. I have sometimes taken such photographs where doubt plays a part.” („Die Bedeutung einer Fotografie ist nicht immer offensichtlich, aber wenn du schaust und schaust, wird sie sich selbst offenbaren. Manchmal gelang es mir, solche Fotografien zu machen, in denen der Zweifel sichtbar wird.“) “Hidden in the ordinary are great beauties.” („Im Gewöhnlichen verbirgt sich große Schönheit.“) “After the age of 75 you should not be photographed. You should be painted by Rembrandt or Hals, but not by Caravaggio.” („Jenseits von 75 sollte man sich nicht fotografieren lassen. Man sollte sich von Rembrandt oder Hals malen lassen, nicht aber von Caravaggio.“) “A photographer’s gift to the viewer is sometimes beauty in the overlooked ordinary.” („Das Geschenk eines Fotografen an den Betrachter ist manchmal die Schönheit des übersehenen Gewöhnlichen.“) “It is not where it is or what it is that matters, but how you see it.” („Das Wo oder Was ist nicht das Wichtige, sondern wie du es siehst.“) “Life is full of unused opportunities or, as my friend Henry used to say, ‘Saul, you have a talent for avoiding opportunities’.” („Das Leben ist voller ungenutzter Gelegenheiten, oder, wie mein Freund Henry zu sagen pflegte, ‚Saul, du hast ein Talent dafür, Gelegenheiten an dir vorbeiziehen zu lassen‘.“) “Photographs are often treated as important moments, but really they are little fragments and souvenirs of an unfinished world.” („Fotografien werden häufig als wichtige Momente betrachtet, aber tatsächlich sind sie kleine Fragmente und Erinnerungen an eine unvollendete Welt.“) “The garbled incoherence inflicted on my remarks by the unfortunate interviewers is not my fault.” („Die entstellende Zusammenhanglosigkeit, die manchen meiner Anmerkungen von den bedauernswerten Interviewern zugefügt wird, ist nicht meine Schuld.“) Saul Leiter – Biografie 1923 geboren in Pittsburgh, Pennsylvania, als Sohn des Rabbiners Wolf Leiter und von Regine Leiter, geb. Goldberg, die zuvor aus Osteuropa in die Vereinigten Staaten emigriert waren. 1930er besucht die Talmudical Academy in New York City. ca. 1935 bekommt von seiner Mutter eine Detrola-Kamera geschenkt und beginnt, gelegentlich zu fotografieren. Frühe 1940er besucht das Telshe Yeshiva Rabbinical College in Cleveland. 1944–1945 Malereiausstellungen in Cleveland, Pittsburgh und San Francisco. 1946 verlässt das theologische Kolleg in Cleveland und zieht nach New York; lernt den Maler des abstrakten Expressionismus Richard Pousette-Dart kennen, der sein Interesse an der Fotografie beeinflusst. 1947 besucht die Henri Cartier-Bresson-Ausstellung im Museum of Modern Art, New York; eines seiner Gemälde wird in der Ausstellung Abstract and Surrealist American Art im Art Institute von Chicago ausgestellt; Malereiausstellung im Butler Institute of American Art, Youngstown, Ohio; freundet sich mit W. Eugene Smith an. ca. 1948 beginnt mit Farbdiafilm zu arbeiten; fotografiert vorwiegend mit drei Kameras, Argosy C3, Auto Graflex Junior und einer frühen Rolleiflex. 1951 LIFE publiziert in der Ausgabe vom 3. September seine Schwarz-Weiß-Serie The Wedding as a Funeral. Weitere Arbeiten erscheinen in der Ausgabe vom 26. November (Shoes of the Shoeshine Man). 1952 Umzug in die East 10th Street im Künstlerviertel East Village. Gründung der Kooperative Tanager Gallery, der wichtigsten künstlergeleiteten Kooperative des abstrakten Expressionismus. 1953 veröffentlicht Schwarz-Weiß-Fotografien in der Ausstellung Always the Young Strangers im Museum of Modern Art, New York, und in der Ausstellung Contemporary Photography im Tokio Museum. 1956 Einzelausstellung in der Tanager Gallery, New York. Späte 1950er hält einen Diavortrag über seine Farbarbeiten in „The Club“, einem Kunstraum im East Village; stellt Farbfotografien in der Kootz Gallery, New York, aus. 1957 Edward Steichen stellt 20 Farbfotografien von Leiter in seinem Diavortrag Experimental Photography in Color im Museum of Modern Art, New York, vor. Henry Wolf, Art Director des Esquire, veröffentlicht einige von Leiters Modefotografien. 1958 beginnt für Harper’s Bazaar zu fotografieren, nachdem Henry Wolf dort Art Director geworden war. 1959 reist nach Europa für einen Auftrag von Esquire und fotografiert Gina Lollobrigida während der Dreharbeiten zu Salomon and Sheba in Madrid. 1960–ca. 1980 setzt die Modefotografie und andere kommerzielle Aufträge fort; seine Modearbeiten werden in Harper’s Bazaar, Elle, Show, British Vogue, Queen und Nova veröffentlicht; Fotoarbeiten erscheinen ebenso in den Zeitschriften LIFE, U.S. Camera, Photography Annual und Infinity. 1981 schließt das gewerbliche Studio in der 156 Fifth Avenue. 1991 Modefotografien werden in der Ausstellung Appearances: Fashion Photography since 1945 im Victoria and Albert Museum, London, gezeigt, begleitend erscheint ein Katalog, herausgegeben von Martin Harrison. 1992 Arbeiten werden in dem Buch The New York School: Photographs 1936 –1963 von Jane Livingston gezeigt. 1993, 1994 Schwarz-Weiß-Fotografien werden in der Howard Greenberg Gallery, New York, ausgestellt. ca. 1994 erhält finanzielle Unterstützung von der Ilford Paper Company, um erstmals Farbabzüge als Cibachrom beim Laumont-Labor in New York vergrößern zu können. 1997, 2005 Ausstellungen mit Farbfotografien in der Howard Greenberg Gallery, New York. 2006 erste Monografie Early Color erscheint im Steidl Verlag, Göttingen; erste museale Einzelausstellung im Milwaukee Art Museum. Seit 2006 Einzelausstellungen in Galerien in Antwerpen, Bangor, Paris, London, Atlanta, Milano, München und Moskau sowie Beteiligung an zahlreichen Gruppenausstellungen. 2008 erste Museumsausstellung in Europa in der Fondation Henri Cartier-Bresson, Paris, begleitend erscheint ein Katalog. 2009 Erste Malereiausstellung nach über 30 Jahren in der Knoedler Gallery, New York. 2011 Einzelausstellung New York Reflections im Joods Historisch Museum, Amsterdam. 2012 Umfassende Retrospektive im Haus der Photographie in den Deichtorhallen, Hamburg. 2013 Retrospektive im KUNST HAUS WIEN. Saul Leiter lebt, fotografiert und malt in New York.