Materialmappe - Michael Miensopust

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Materialmappe - Michael Miensopust
PARZIVAL
Material- und Arbeitsheft
Die wichtigste Zeit im Leben
ist immer die Gegenwart.
Denn nur in der Gegenwart kann
der Mensch über sich selbst bestimmen.
Der wichtigste Mensch ist der,
mit dem du es gerade zu tun hast.
Das Wichtigste, was du in deinem Leben tun
kannst, ist,
diesen Menschen aus ganzem Herzen zu lieben.
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Inhalt:
o
Allgemeine Informationen zur Inszenierung
S. 4
o
Die Geschichte
S. 5
o
Wolfram von Eschenbach in seiner Zeit
Die Ritterzeit (1180 – 1300)
1. Das Erstarken des Ritterstandes
S. 8
2. Die Ideale des Ritterstandes
S. 9
3. Die Sprache
S. 10
4. Romanische und gotische Baukunst
S. 10
5. Die Dichtung
S. 11
6. Wolfram von Eschenbach
S. 11
o
Aufbau der Artuswelt
S. 13
o
Der Gral
S. 14
o
Namenskunde
S. 14
o
„Parzival“- Handschrift Cgm 19
S. 15
o
Auszug aus Parzival
S. 16
o
Pressestimmen
S. 17
o
3 Fragen an den Regisseur Michael Miensopust
S. 18
o
Der Dramaturg Oliver Binder zur
Parzival-Inszenierung
S. 19
Onkel, was fehlt dir? - Ein Gespräch mit
dem Schauspieler Harvey Keitel
S. 22
o
Anregungen für den Unterricht
S. 25
o
Literatur- und Bildnachweis
S. 26
o
3
Allgemeine Informationen zur Inszenierung
Parzival
Erzähltheater
frei nach Wolfram von Eschenbach
von und mit Michael Miensopust
Für Zuschauer ab 12 Jahren
Dauer: 90 min
keine Pause
Premiere: 13. Juli 2002
junges theater Heilbronn
Kontakt: Michael Miensopust
Tel. 0176 – 240 96 599
e-Mail: mmiensopust@web.de
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Die Geschichte
Nach dem Tod König Gandins von Anschouve erbt der ältere Sohn Galoes sein Land. Der
zweitgeborene Sohn, Gahmuret, beschließt in die Welt hinaus zu ziehen und ritterliche
Taten zu vollbringen. Ausgestattet mit ein paar Knappen, Rittern und Pferden sowie einer
Rüstung macht er sich ins ferne Arabien auf. Gahmuret kämpft erfolgreich für den Kalifen
und ist im Zweikampf bald so gefürchtet, dass niemand gegen ihn antreten will. Nach drei
Jahren tritt er die Schiffsreise heimwärts an, landet aber, als das Schiff im Sturm kentert,
in Hispanien bei der Sarazenenkönigin Belakane. Für sie zieht er in den Kampf und
nachdem er die Feinde in die Flucht geschlagen hat, vermählen sich die beiden und
Gahmuret wird König im Sarazenenreiche. Doch auf Dauer wird Gahmuret das Leben als
König zu langweilig und er verlässt seine Frau, die, was er nicht weiß, ein Kind von ihm
erwartet. Fünf Tage nach der Geburt ihres Sohnes Feirefiz stirbt Belakane.
Auf seiner Reise kommt Gahmuret nach Konvoleis, der Hauptstadt von Waleis, wo gerade
ein Turnier ausgetragen wird. Die Königin Herzeloide ist noch unvermählt und verheißt
dem Turniersieger als Preis ihre Hand und ihre beiden Reiche. Gahmuret gewinnt, heiratet
Herzeloide und wird König von Waleis und Norgals.
Es scheint, als ob Gahmuret sesshaft wird, doch als der Kalif von Bagdad seine Hilfe
benötigt und nach ihm schickt, verlässt Gahmuret Herzeloide und zieht in den Kampf ins
Morgenland. Dort hat er sich vor langer Zeit einen Feind gemacht, der ihn nun töten will.
Dieser Feind, sein Name ist Ipomidon, bekommt von einem Magier einen Zaubertrank, der
den Diamanten in Gahmurets Helm zerstört und ihn verwundbar macht. Im Zweikampf
wird Gahmuret getötet.
Was Gahmuret wiederum nicht wußte, Herzeloide war bei seiner Abreise schwanger. In
der Nacht, als Herzeloide von seinem Tod erfährt, wird ihr Sohn Parzival geboren.
Nachdem sie ihre beiden Reiche verloren hat, flieht Herzeloide mit ein paar Knechten und
Mägden in die Einöde von Soltane, damit Parzival, getreu dem Motto: „Was er nicht kennt,
kann ihn nicht locken.“ in Frieden und Sicherheit aufwachsen kann.
Parzival hat eine sehr behütete Kindheit, streift im Wald umher, erlegt Vögel und kann es
nicht begreifen, dass sie nicht mehr singen können. Von seiner Mutter oder ihren
Bediensteten erfährt er nichts über Ritter, Tod oder den Gral. Als er älter wird, sich Pfeil
und Bogen selbst basteln kann, schleicht er sich zum Jagen immer öfter allein in den
Wald. Eines Tages begegnet Parzival am Waldrand drei Rittern in schimmernden
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Rüstungen, einen von ihnen hält er für Gott. Sie belehren ihn, dass sie Ritter seien, und
dass König Artus diese Ritterschaft verleihe. Diese Erscheinung der Ritter verzaubert
Parzival so, dass er unbedingt auch ein Ritter werden will. Mit drei Ratschlägen seiner
Mutter bedacht, zieht Parzival hinaus in die Welt, sein Ziel: König Artus, der ihn zum Ritter
schlagen soll. Herzeloide hat ihren Sohn Parzival in ein Narrenkostüm gesteckt, in der
Hoffnung, ihr Sohn werde ausgelacht und angesichts des Spotts schnell zu ihr
zurückkehren, aber diese Hoffnung erweist sich als trügerisch.
Als Parzival nach langer Reise bei der Burg ankommt begegnet ihm am Eingang Ither,
der Rote Ritter. Im Zweikampf tötet Parzival Ither, Pferd und Rüstung des Roten Ritters
gehören nun ihm.
Die nächste Stufe seiner Erziehung erhält Parzival beim alten Ritter Gurnemanz, der sich
seiner annimmt und ihm die Grundbegriffe des Rittertums vermittelt.
Nach drei Jahren reitet Parzival nach Pelrapeire, befreit die Stadt von der Belagerung
König Clamides von Brandigan und heiratet die Königin Condwiramurs. Die beiden sind
sehr glücklich und das Land erholt sich von der Belagerung bis Parzival, von Unruhe
heimgesucht, seine Frau verlässt, um nach ritterlicher Manier das Abenteuer zu suchen
und Ruhm zu ernten.
Er kommt zur Gralsburg. Hier erlebt Parzival seltsame und bedrückende Dinge. Der
kranke Burgherr Amfortas ruht auf einem Lager, eine blutende Lanze wird an Parzival
vorbei getragen und eine Frau bringt feierlich den Gral, eine Schale oder einen Kelch, von
dem ein derartiger Glanz ausgeht, herein. Parzival weiß aber noch nicht, dass es sich bei
der Schale um den Gral handelt und ihm entgeht es, die von allen erwartete Frage, nach
der Art und dem Grund der Krankheit Amfortas zu stellen. Er wird aus der Burg verwiesen
und reitet unglücklichen Herzens weiter.
Die Blutstropfen einer Wildgans im Schnee stimmen Parzival auf seinem Weg
nachdenklich und erinnern ihn an seine Frau Condwiramurs. Nachdem er vor Artus und
seinen Rittern wegen seiner Erbarmungslosigkeit gegenüber Amfortas verflucht wird, zieht
Parzival weiter: verzweifelt und an der Existenz Gottes zweifelnd.
Um Orgeluse zur Frau zu bekommen, muss der Artusritter Gawan einige Prüfungen
bestehen. Er soll ihr den gestohlenen Lilienkranz vom Ritter Gramoflanz zurückholen, die
vierhundert Jungfrauen aus den Fängen des Zauberers Clingsor befreien und gegen einen
unbekannten Ritter kämpfen. Im unbekannten Ritter erkennt Gawan seinen Freund
Parzival. Auch ohne gegen Parzival zu kämpfen, nimmt Gawan Orgeluse zur Frau.
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Parzival und Condwiramurs sind vom Gral berufen. Als Parzival auf der Gralsburg den
kranken Amfortas auf seinem Ruhelager sieht, stellt er die erlösende Frage: „Oheim, was
wirret dir?“ Onkel, was fehlt dir? Die Wunden des Fischerkönigs werden wie von
Zauberhand geheilt und Amfortas ist erlöst. Parzival und Condwiramurs sind wieder
glücklich vereint und es findet eine große Feier statt, um Parzival als den neuen
Gralskönig zu feiern. Hierbei lernt er auch seinen Sohn Lohengrin und seinen Halbbruder
Feirefiz kennen. ... Und sie lebten glücklich und zufrieden auf der Gralsburg.
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Wolfram von Eschenbach in seiner Zeit
Die Ritterzeit (1180 – 1300)
Höhe der staufischen Macht. Zuspitzung des Kampfes mit dem Papsttum. Friedrich II
(1212 – 1250). Interregnum: im Hl. Röm. Reich v.a. für die Zeit zw. dem Tod Konrads IV.
und der Wahl Rudolfs I. (1254 – 1273).
Entwicklung der Städte. Aufkommen der Geldwirtschaft.
1. Das Erstarken des Ritterstandes
Der Stand der Ritter setzte sich zusammen aus den Angehörigen des niederen
Adels und den Ministerialen, d.h. ursprünglich Unfreien, die jedoch auf Grund ihrer
Verdienste von ihren Herren für frei erklärt worden waren. Beide Gruppen
verschmolzen zu einem einheitlichen Stand.
Dieser bewährte sich in den Kreuzzügen so sehr, dass er zum führenden Stand
des Reiches heranwuchs. Die Erstarkung war politischer und kultureller Art. Einmal
waren Kaiser und Fürsten bei ihren Kämpfen auf die Hilfe der schlagkräftigen
Rittertruppen angewiesen; deshalb wurden sie ihnen unentbehrlich im Kampf um
die politische Macht. Zum anderen lernten die Ritter auf den Kreuzzügen neue
Kulturen kennen und erweiterten dadurch ihre Bildung.
Die Welt des Orients und die verfeinerte Lebensart der französischen Ritter
beeinflussten sie stark. Im Süden machten sie Bekanntschaft mit ungeahnter Pracht
und Lebensfreude und mit der orientalischen Literatur, den Sagen und Märchen
einer verzauberten Welt. In der Begegnung mit den französischen Rittern, die schon
länger die höfische Kultur pflegten, erhielten sie die eigentlichen Anregungen für
ihre Dichtkunst. Die meisten Epen der deutschen Ritter gehen auf französische
Vorbilder zurück.
Fragt man sich also, wodurch die deutsche Ritterdichtung zu solch großer Blüte
gelangen konnte, so erkennt man insgesamt vier Einflüsse. Im Rittertum
verschmolzen Germanentum, Christentum, Antike und die neuen Eindrücke der
Kreuzzüge (Orient, französische Ritter). Die Folge war eine Aufgeschlossenheit für
die Schönheit der irdischen Dinge, vermischt mit tief gläubiger christlicher Haltung
und
germanischer
Eigenart.
All
diese
Elemente
sind
in
der
Dichtung
8
wiederzufinden. Sie waren die Ursache jener einzigartigen Blüte, die etwa 30 Jahre
(1190 – 1220) andauerte.
Mittelpunkt des kulturellen Lebens waren die Höfe der Lehnsherren, besonders die
der Welfen in Braunschweig, der Thüringer auf der Wartburg, der Hohenstaufen in
Schwaben und der Babenberger in Wien.
2. Die Ideale des Ritterstandes
Leben und Dichtung der Ritter wurden geformt von bestimmten Idealen. Aus ihnen
erkennt man am besten ihre Haltung und Lebenseinstellung:
êre (Ehre) war ihr vornehmstes Ideal. Sie verlangte Einsatz der ganzen Kraft und
des Lebens für Gott, den Lehnsherrn und die Gattin des Herrn.
saelde heißt soviel wie Seligkeit. Sie war das letzte, überirdische Ziel, das der Ritter
ersehnte. Diesem Ideal mussten sich alle anderen unterordnen.
minne bedeutete Frauenverehrung; ihr Ursprung war die Marienverehrung des
Frühmittelalters. In der Ritterdichtung bedeutete sie ritterliche Verehrung der Frau,
insbesondere der Gattin des Herrn, oftmals ohne dass der Ritter die Herrin kannte.
mâze und zuht bedeuten Maßhalten, Selbstbeherrschung.
staete (Stetigkeit) verlangte Beständigkeit zum Erreichen eines Ziels.
triuwe (Treue, Zuverlässigkeit) war eine typisch germanische Eigenschaft.
milte heißt Freigebigkeit, Gastfreundschaft. Auf diesen Charakterzug waren die
„fahrenden Ritter“ gegenseitig besonders angewiesen, wenn sie von Burg zu Burg
zogen und um Aufnahme baten.
Oberster Lehnsherr der Ritter war Gott. Deshalb waren sie in ihrem Streben nach
allen Idealen in erster Linie Christen.
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3. Die Sprache
Die Sprache der Ritterdichtung ist das Mittelhochdeutsche, das sich seit etwa 1100
aus dem Althochdeutschen entwickelt hatte. Im Laufe dieser Veränderung waren
viele der volltönenden Selbstlaute (a, i, o, u) zu tonlosem e abgeschwächt worden.
Aus taga wurde tage, hirte aus hirti, name aus namo oder erde aus erdu. Diese
Sprache war nun geschmeidiger. Da die Ritter weit durch die Lande zogen und
überall verstanden werden mussten, bildete sich eine fast einheitliche „Höfische
Gemeinsprache“ heraus. Sie zerfiel allerdings nach dem Untergang der ritterlichen
Kultur wieder in Dialekte. In der mittelhochdeutschen Dichtung setzte sich der
Endreim ganz durch.
4. Romanische und gotische Baukunst
Als sichtbarste Zeichen der ritterlichen Kulturepoche stehen in allen deutschen
Landen die Kirchen und Dome dieser Zeit. Man baute romanisch zu Beginn der
Ritterzeit und während der Blüte etwa von 1250 - 1500 war der Baustil gotisch.
Die romanische Kunst brachte in der Hauptsache Kirchen hervor, die gotische auch
weltliche Bauten (Profanbauten). Die typischen Unterscheidungsmerkmale im
Kirchenbau zeigt die folgende Gegenüberstellung:
romanisch
(etwa 800 – 1250)
gotisch
(etwa 1250 – 1500)
Rundbogen an Portalen und Fenstern
dickes, schweres Mauerwerk
festungsartig, wuchtig
große glatte Flächen
einfache Statuen (selten)
deutsch
Spitzbogen an Portalen und Fenstern
aufgelockertes Mauerwerk
himmelstrebend, locker
unterteilte Flächen
kunstvoll vollendete Statuen
französisch
außerdem:
Fensterrosen über Portalen
Strebepfeiler, die den Gewölbedruck auffangen,
da die Mauern dünn sind.
Zu den schönsten deutschen Baudenkmälern dieser Zeit gehören:
romanisch: Die Klosterkirche in Maria Laach, die Stiftskirche in Quedlinburg und
die Dome in Speyer, Worms und Limburg.
gotisch: Die Münster in Straßburg, Ulm und Freiburg i. Br. sowie die Marienkirchen
in Lübeck und Rostock; die Rathäuser in Münster (Westfalen), Stralsund und
Lübeck.
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5. Die Dichtung
Die Dichtung der Ritterzeit umfasst Epik und Lyrik.
Lyrik: Die Minnesänger waren meist fahrende Ritter, die sich als Gäste an den
Höfen aufhielten und die ihre Herren auf langen Fahrten begleiteten. Besonders
verdienen genannt zu werden: der Ritter von Kürenberg, Heinrich von Morungen
und, allen voran: Walther von der Vogelweide (etwa 1165 – 1230).
Epik: Bei der epischen Dichtung unterscheidet man Volksepen, die, häufig
verändert, im Volk von Mund zu Mund gingen, und Kunstepen, die die eigentliche
Standesdichtung der Ritter waren. Für die Epiker waren die Trouvères aus dem
Norden Frankreichs Vorbild, für die Lyriker die Troubadours aus dem Süden.
a. Die Volksepen
Sie entstanden aus den germanischen Heldenliedern. Ihre Dichter sind
unbekannt. Am bedeutendsten sind das Nibelungenlied und das Gudrunlied.
b. Die Kunstepen (Höfische Epen)
Zwar sind die Kunstepen der Ritterzeit fast alle nach französischen
Vorbildern entstanden, aber die deutschen Dichter vertieften und veredelten
sie zu ihrem erhabenen Gehalt. Zu den Dichtern gehörten Heinrich von
Veldeke (Leben unbekannt), Hartmann von Aue (etwa 1165 – 1220),
Gottfried von Straßburg (gest. nach 1210) und Wolfram von Eschenbach.
6. Wolfram von Eschenbach
Wolfram von Eschenbach wurde um 1170 /1175 im fränkischen Eschenbach in der
Nähe
von
Ansbach
geboren.
Er
entstammte
wohl
einem
verarmten
Ministerialengeschlecht und verdiente seinen Unterhalt als fahrender Sänger; als
einen „vinære wilder mære“ attackiert ihn Gottfried von Straßburg. Ob dieser
unorthodoxe Umgang mit den Normen der Schulrhetorik, mit der Sprache, mit
seinen Vorlagen und Quellen auf mangelnder Schulbildung beruht, ist in der
Forschung umstritten. Unsicher ist auch, in wessen Auftrag die etwa 25 000 Verse
des Parzival geschrieben wurden.
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Nachweisbar sind Beziehungen zu den Grafen Wertheim, zu Adelsgeschlechtern in
der Steiermark und zu den Freiherrn von Dürne auf der Wildenburg im Odenwald.
Sein größter Mäzen war Hermann von Thüringen, an dessen Hof er den Willehalm
schrieb und vielleicht auch mit Walter von der Vogelweide zusammengetroffen ist.
Nach Hermanns Tod 1217 gibt es von Wolfram kein Lebenszeichen mehr. Er dürfte
nach 1220 wahrscheinlich in Eschenbach gestorben sein und ist in der
Frauenkirche zu Eschenbach begraben.
Seine Werke:
o
Parzival: 24810 Verse aus der Vorlage „Conte du Graal" von Chrétien de
Troyes
o
Titurel : 170 Strophen über Seitenfragmente des Stoffs Parzival
o
Willehalm: 13988 Verse; Thema: Kampf von Christen gegen Heiden
o
Neun Minnelieder
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Aufbau der Artuswelt
Artus, sagenhafter britann. König, der mit den Rittern seiner Tafelrunde zum Mittelpunkt
eines ausgedehnten Sagenkreises wird.
Der historische Artus scheint ein britann. Heerführer gewesen zu sein, der um 500 sein
Volk gegen die Invasion der Angelsachsen verteidigte und 537 in der Schlacht am
Camlann gefallen sein soll.
In den Sagen ist König Artus die Inkarnation des hochhöfischen Rittertums, von dessen
Hof und Tafelrunde alle Taten des Artuskreises ausgehen und in den sie wieder
zurückmünden. Die Artusritter, die keine nationalen oder konfessionellen Schranken
kennen, fühlen sich ständisch mitverbunden und sitzen gleichrangig neben Artus an der
Tafelrunde. Königssitz ist zwar das nordfranzösische Nantes, aber sobald ein Artusritter
die Tafelrunde verlässt, verlieren Zeit und Raum ihre Gültigkeit, und die märchenhafte
„aventuire“ beginnt. Die konkrete historische Situation, in der diese Dichtung entstanden
ist, bleibt völlig ausgeblendet.
Sobald ein Artusritter heimkehrt und König Artus erscheint, breitet sich Feststimmung aus,
bis der Artuskreis durch einen erneut ausziehenden Ritter wieder aufgelöst wird.
Im Parzival Wolframs stoßen deutlich zwei Erzählschichten aufeinander, der Artuskreis
und die Gralssage. Während Parzival und Gawan am Artuskreis gleichermaßen teilhaben,
ist die Handlung der Gralssage ausschließlich Parzival vorbehalten.
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Der Gral
„Gral [altfrz. graal/greal, provenzal. grazal] der, in der mittelalterl. Dichtung ein
geheimnisvoller, heiliger Gegenstand, der seinem Besitzer irdisches und himml. Glück
verleiht, den aber nur der dazu Vorherbestimmte finden kann. Bereits die ältesten
erhaltenen Fassungen zeigen die Sage durch Verbindung mit dem Artus- und ParzivalKreis so umgestaltet, dass ihre Heimat und ihre urspr. Form sich nicht näher bestimmen
lassen. - Die ältesten frz. Fassungen finden sich bei Chrétien de Troyes (um 1190), Robert
de Boron (um 1200). Bei Chrétien ist der G. ein Gefäß zur Aufbewahrung der Hostie, bei
R. de Boron Christi Abendmahlsschlüssel und zugleich das Gefäß, in dem Joseph von
Arimathia Christi Blut auffing. In Wolfram von Eschenbachs ‘Parzival’ (um 1200-10) ist der
G. ein Stein mit wunderbaren Kräften, der auf einer einsamen Burg Munsalvaesche
aufbewahrt wird, die nur von Auserwählten gefunden wird. Er ist Mittelpunkt einer ritterl.
Gesellschaft von Templeisen (Tempelherren) und der Familie des G.-Königs. [...]“
aus: dtv Brockhaus Lexikon in 20 Bänden, Band 7: Gew-Hat, S. 131.
Namenskunde
Parzival:
altfranzösisch: „Per ce val“ - Durch-(dring) dieses Tal (Namensform als Imperativ)
Ein „Mittenhindurch“ ist er, der Parzival. Er schaut nicht links und schaut nicht rechts,
nimmt sich einfach, was er braucht. Macht keine Umwege. Zunächst...
Doch er ist auf dem Holzweg. Er muss erst durch das Tal, muss hinunter in den dunklen
Schatten, bis er wieder aufsteigen kann.
Richard Wagner hatte sich für „Parzifal“ entschieden, weil er ein arabisches „fal parsi“ im
Namen eingeschlossen glaubte, und das sollte „reiner Tor“ heißen.
Unterscheidung:
Parzival: ein höfischer Versroman mit einem unvergleichlich breiten Spektrum der
Artikulation – zwischen Pathos und Witz, zwischen Parlando und äußerster Verdichtung
der Sprachen.
Parsifal: ein von feierlichem Kunstwillen gestaltetes Libretto und eine höchst subtile
Komposition, die in einigen Passagen musikalische Entwicklungen vorwegnahm, mit
Klangfolgen wie von Debussy und Schönberg.
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„Parzival“-Handschrift Cgm 19
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Auszug aus Parzival
Mittelhochdeutsch
Feirefîz unt Parzivâl
trunken unde giengen dan
ze Anfortase dem trûrgen man.
ir habt wol ê vernomen daz
der lente, unt daz er selten saz,
unt wie sîn bette gehêret was.
dise zwêne enpfienc dô Anfortas
Vroelîche unt doch mit jâmers siten.
er sprach ’ich hân unsanfte erbiten,
wirde ich immer von iu vrô.
ir schiet nu jungest von mir sô,
pflegt ir helflîcher triuwe,
man siht iuch drumbe in riuwe.
wurde ie prîs von iu gesagt,
hie sî ritter oder magt,
werbet mir dâ ze in den tôt
und lât sich enden mîne nôt.
sît ir genant Parzivâl,
sô wert mîn sehen an den grâl
siben naht und aht tage:
dâ mite ist wendec al mîn clage.
ine getar iuch anders warnen niht:
wol iu, ob man iu helfe giht.
iuwer geselle ist hie ein vremder man:
sîns stêns ich im vor mir niht gan.
wan lât ir in varn an sîn gemach?’
alweinde Parzivâl dô sprach
’saget mir wâ der grâl hie lige.
ob diu gotes güete an mir gesige,
des wirt wol innen disiu schar.’
sîn venje er viel des endes dar
drîstunt ze êrn der Trinitât:
er warp daz müese werden rât
des trûrgen mannes herzesêr.
er rihte sich ûf und sprach dô mêr
’oeheim, waz wirret dir?’
Neuhochdeutsch
Feirefiz und Parzival tranken und gingen
dann zu dem schwergeprüften Anfortas.
Ihr habt schon an andrer Stelle davon
gehört, dass er nicht aufrecht, sondern nur
zurückgelehnt sitzen konnte und dass sein
Bett verschwenderisch ausgestattet war.
Anfortas empfing sie mit allen Zeichen der
Freude,
doch
von
Schmerzensqualen
gezeichnet. Er sprach: „In Schmerzen habe
ich darauf gewartet, mit Eurer Hilfe wieder
ein glücklicher Mensch zu werden, wenn
das überhaupt noch möglich ist. Als Ihr nach
Eurem letzten Besuch fortrittet, habt Ihr mich
in einem Zustand zurückgelassen, über den
ihr ehrlich bekümmert sein müsstet, wenn
Ihr ein hilfsbereiter und mitleidiger Mensch
seid. Sollten Ruhm und Ansehen Euren
Worten genügend Gewicht verleihen, so
setzt es bitte bei der Gemeinschaft dieser
Burg durch, dass man mir den Tod gönnt
und damit meiner Qual ein Ende bereitet.
Seid ihr Parzival, dann verhindert nur sieben
Nächte und acht Tage lang, dass man mir
den Gral vor Augen hält, dann ist all mein
Elend vorbei. Auf anderes wage ich gar
nicht zu hoffen. Welches Glück für Euch,
wenn man Euch für diese Tat als
hilfsbereiten Ritter preisen wird. Euer
Gefährte ist uns unbekannt. Ich kann nicht
dulden, dass er vor mir steht. Warum lasst
Ihr ihn nicht niedersetzen?“
Unter Tränen erwiderte Parzival: „Sagt mir,
wo ist der Gral? Seine Gemeinschaft wird
dann erfahren, ob Gott gewillt ist, durch
mich seine Güte zu offenbaren.“
Dreimal warf er sich zu Ehren der Heiligen
Dreieinigkeit vor dem Gral auf die Knie und
betete um Hilfe für die Herzensnot des
schwergeprüften Mannes. Dann richtete er
sich auf und sprach laut und feierlich die
Worte: „Oheim, was fehlt dir?“
Aus: Wolfram von Eschenbach, Parzival, 11. Buch
16
Pressestimmen
Minimale Mittel mit maximaler Wirkung: Eine Perücke, ein Schal oder ein weißes Kleid
genügen, um die begehrte Herzensdame aufblühen zu lassen. ... Nicht nur Regisseur und
Schauspieler, sondern auch genialer Improvisator, lässt Miensopust das gesamte
Personal des Epos aufleben. ... Dem Leiter des Jungen Theaters Heilbronn gelingt mit
seinem "Parzival" eine Übertragung des mittelalterlichen Stoffes ins Hier und Heute. Sein
Elan und seine Verwandlungskunst treffen mitten ins kindlich verspielte Herz aller
Altersklassen. ... Aus Weltliteratur hat Miensopust Welttheater im Kammerspielformat
gemacht. Ein großer Wurf.
Heilbronner Stimme, 15. Juli 2002
Das Programm rund um die Nibelungen–Festspiele brachte gleich zum Auftakt eine
Produktion des Jungen Theaters Heilbronn auf die Bühne. Michael Miensopust spielte
Wolfram von Eschenbachs „Parzival“, und wenn sicher auch nicht alle Tiefen dieses
Riesenwerks ausgelotet wurden, so erhielt das Publikum im Kleinen Theater in der
Würdtweinstraße doch wesentliche Denkanstöße, vielleicht auch den Impuls, sich intensiv
mit dem Epos zu beschäftigen, auf jeden Fall aber wurde es gut anderthalb Stunden
hervorragend unterhalten. Selbst die ganz Kleinen gingen begeistert mit.
Was hier mit wenigen Requisiten, viel Phantasie und schauspielerischer
Ausdrucksfähigkeit gestaltet wurde, war schlichtweg erstaunlich. Miensopust schlüpfte in
die Rolle Parzivals und seines Vaters Gachmuret, ließ die gesamte Tafelrunde aufleben,
kommentierte Turniere als rasender Reporter und jagte den Zuschauern als Kundrie eine
Gänsehaut über den Rücken.
Drei Blechschränke stellten je nach Bedarf Ritter, Berge, Throne dar, aber auch den
Fundus und diverse Nebenzimmer, daneben spielten eine Krawatte und ein Kleiderbügel
eine tragende Rolle, und die Damen der Geschichte gaben sich als Schal, Kleid, Perücke
und rotes Dessous mit schwarzen Spitzen zu erkennen, zum Leben erweckt durch einen
sensitiven Partner, der ihre mütterlichen, herrschsüchtigen und erotischen Instinkte zu
wecken vermochte.
Wormser Zeitung, 19. August 2003
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3 Fragen an den Regisseur und Schauspieler
Michael Miensopust
Zur Person:
Michael Miensopust wurde 1962 in Kiel geboren. Neben seiner Arbeit im „Abendspielplan“, stand
für ihn bisher durch seine Mitarbeit am Theater im Marienbad in Freiburg, am Kinder- und
Jugendtheater am Landestheater in Tübingen, sowie als künstlerischer Leiter des jungen theaters
Heilbronn anspruchvolles, lebendiges und spannendes Theater für Kinder und Jugendliche im
Mittelpunkt seines künstlerischen Schaffens.
Stückentwicklungen und Textbearbeitungen für die Bühne gehörten bisher ebenso zu seiner
praktischen Arbeit, wie die Weiterentwicklung des Erzähltheaters und die Arbeit mit
Figurenspielern.
Außerdem führte er Regie bei den zwei Spielfilmen „Norden“ und „Alleingang zu zweit“ für das
Fernsehen und drehte den Dokumentarfilm „Heilbronx - Jugendliche in Heilbronn“.
♦ Warum Parzival? – Was gefällt Ihnen an der Figur Parzival?
Parzival begleitet mich schon lange. Ich habe ihn zum ersten Mal in meiner Jugend
gelesen. Diese Figur hat mich damals schon sehr beeindruckt, weil er ein „Held mit
Ecken und Kanten“ ist und nicht ein Superman oder Tausendsassa, sondern einer, der
durchs Verlieren gewinnt.
♦ Wieso haben Sie eine Inszenierung für nur einen Schauspieler gewählt und sich
für ein sehr spartanisches Bühnenbild und eine reduzierte Ausstattung
entschieden?
Wir haben uns entschlossen Parzival als Erzähltheater zu inszenieren. Und gerade das
war die Herausforderung. Einen Ausstattungsepos mit einfachen Mitteln auf die Bühne
zu bringen, zurück zu der Basis des Theaters. Die Idee zu dem Bühnenbild entstand
dann während der Probe eher zufällig, als am Rand der Probebühne Metallspinte
herumstanden. Ich habe sie intuitiv ins Spiel mit eingebaut und es war schnell klar,
dass sie als Bühnenbild genau richtig sind.
Die Ausstattung haben wir versucht bis auf die Symbolebene zu reduzieren, z.B. wird
Parzivals Mutter mit dem langen weißen Kleid dargestellt. Der Fantasie der Zuschauer
soll freien Lauf gelassen werden. Es symbolisiert das Reine, das Mütterliche oder wird
von den Zuschauern oft als altes Hochzeitskleid interpretiert.
♦ Wieso gehört ein ritterlicher Epos heute noch auf die Bühne? - Was haben
Jugendliche 2003 davon?
Gute Geschichten sind immer zeitlos! Parzival ist die Geschichte vom Erwachsen
werden, das hat immer Aktualität und nicht nur für Jugendliche.
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Der Dramaturg Oliver Binder zur Parzival-Inszenierung
Zur Person:
Oliver Binder wurde 1970 in Salzburg geboren. Nach dem Studium der Germanistik,
Musikwissenschaft und Geschichte an der Universität Salzburg arbeitete er zwischen 1995 und
2000 als Schauspiel- und Musikdramaturg am Salzburger Landestheater und wechselte danach
als Schauspiel- und Musikdramaturg ans Theater Heilbronn. Hier betreute er das Stück „Parzival“
dramaturgisch. Seit September 2002 arbeitet er als Musikdramaturg am Theater Dortmund.
Parzival mit „v“ oder mit „f“?
Vom Ausbrüten, Durchhalten und Weiterentwickeln
Irgendwann im Herbst 2000, da hatte ich Michael Miensopust gerade erst einmal
kennengelernt, fiel zwischen uns plötzlich das Stichwort „Parzival“. Michael war
frischgebackener Leiter des neugegründeten „jungen theaters“ am Theater Heilbronn,
mich hatte es dorthin als Dramaturg verschlagen. Das „junge theater“ begann sich
hoffnungsfroh als experimentierfreudiges Labor für qualitätsvolles und spannendes Kinderund Jungendtheater zu etablieren. Wollte nicht einfach nur Feigenblatt für zusätzliche
Subventionsvergabe sein. Dafür galt es Formen zu finden, die hohen Anspruch und
lustvolles Theater miteinander verbinden. Aufführungen sollten entstehen, die keine
schnell aufgekochten Instant-Märchen waren. Keine Tütensuppen, sondern meinetwegen
langwierig Selbstgekochtes. Schmeckt einfach besser, ist gehaltvoller und auch gesünder.
Mit der Uraufführung von Karin Epplers „Das Kofferkind“ konnten wir beweisen, dass
solches möglich ist und vom Publikum erfreut angenommen wird.
Es fiel also das Stichwort „Parzival“. Irgendwo im Treppenhaus oder in der Kantine. Jeden
von uns hatte diese Geschichte bisher auf unterschiedliche Weise begleitet. Mich
spätestens seit frühesten Studienzeiten: Wolfram von Eschenbachs mittelhochdeutsches
Epos habe ich mehrfach im Original gelesen. Richard Wagners „Parsifal“ ist mir nicht
minder vertraut. Und Tankred Dorsts Parzival-Episoden in seinem „Merlin oder Das wüste
Land“ zählen für mich zu den schönsten Neugestaltungen des Stoffes. Michael hatte Teile
der Geschichte bereits einmal improvisierend zum Besten gegeben. Jeder trug seit
längerem den Gedanken mit sich herum, diesen „Parzival“ sehr spielerisch und jenseits
des literaturgeschichtlichen Staubes auf die Bühne zu bringen. Wer den Namen „Parzival“
zuerst fallen ließ, damals im Treppenhaus oder in der Kantine, weiß ich nicht mehr. Auf
jeden Fall war die Antwort sofort ein „Ja, genau!“ „Parzival“, dieses rund 12.000 Verse
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umfassende mittelalterliche Epos, sollte ein Erzähltheaterstück für einen einzigen
Schauspieler werden.
„Parzival“: Die Geschichte vom Jungen, der unwissend erst einmal alles kurz und klein
hackt, um schließlich doch zu begreifen, dass Leben eigentlich nur miteinander möglich
ist. Indem er das Mit-Leiden entdeckt, entdeckt er die Möglichkeit, das Leben sinnvoll zu
gestalten. „œheim, waz wirret dier?“, fragt Wolframs Parzival am Ende den todkranken
Anfortas, „Onkel, was fehlt Dir?“ („Ich sehe dich an und erkenne mich“, lässt Tankred
Dorst seinen Parzival sagen.) Zum Gral – was immer das letztlich sein mag – gelangt man
nur über den Anderen, das Du. Dafür müssen aber auch erst alle Panzer, alle Rüstungen
abgelegt werden. Vor allem die Rüstung, die Parzival dem Roten Ritter abgenommen hat.
Um dieser Rüstung willen hat Parzival Ither erschlagen, um fortan selbst als Roter Ritter
durch die Welt zu ziehen. Ither, so steht es bei Wolfram von Eschenbach, ist ein
weitschichtiger Verwandter Parzivals: „du hâst dîn eigen verch erslagn“, erfährt er später –
und das meint Zweierlei: Einmal „Du hast dein eigen Fleisch und Blut erschlagen“. Im
übertragenen Sinne aber auch „Du hast Dich selbst erschlagen“. All das kann man
theoretisch ausführen oder ethisch-moralische Abhandlungen darüber verfassen. Man
kann aber auch einfach die Geschichte erzählen. Sinn zu Sinnlichkeit werden lassen.
Bilder finden. Theater spielen.
Gut eineinhalb Jahre haben wir Ideen gesammelt, Notizen gemacht, herumgesponnen,
verworfen und neugedacht. Erzählen wir nur die Geschichte des Haupthelden? Oder
bedienen wir uns mehr aus dem reichhaltigen Personenfundus der Erzählung? Einerseits
war klar, dass wir stark reduzieren müssen, wenn wir dieses umfangreiche Epos in
eineinhalb Stunden darstellen wollen. Andererseits wäre es schade, wenn wir Wolfram von
Eschenbachs einzigartige Erzählform nicht bedenken würden. Der Dichter selber gibt in
seinem Prolog das Bild eines hakenschlagenden, flüchtenden Hasens. Er veweigert also
eine stringent-simpel erzählte Entwicklung. Dem wollten wir treu bleiben, wollten den
Farbenreichtum beibehalten. So haben wir zum Beispiel die Vorgeschichte mit den
Erlebnissen von Parzivals Vater Gahmuret ebenso mit hinein genommen wie die
Abenteuer des Ritters Gawan. Die sogenannten Gawan-Partien nehmen auch bei Wolfram
einen erheblichen Teil der Geschichte ein. Sie sind eine wichtiger Kontrast, um Parzival
eine größere Plastizität zu geben. Nicht zuletzt erlauben die Abenteuer Gawans eine
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humorvollere Spielweise. Was nicht heißt, dass nicht auch die Erlebnisse des
Haupthelden durchaus mit Ironie versetzt werden können ...
Ab dem Frühjahr 2002 wurde es dann „ernst“. Der Premierentermin stand fest, aus dem
unverbindlichen Herumdenken an dieser oder jener Variante traten wir in die Phase der
konkreten Erarbeitung der Aufführung. Die Stationen, die erzählt werden sollten, wurden
festgelegt; der Text von Michael zum Teil bei Wolfram entnommen, zum Teil frei neu
formuliert; vieles zunächst offen gelassen, um es erst einmal improvisierend zu erfahren.
Die Fülle der ursprünglichen Erzählung galt es beizubehalten, die Mittel aber mussten auf
das Notwendigste und Einfachste reduziert werden. Drei rostige Spinde und was man
darin finden konnte: das sollten die einzigen Bühnenelemente sein. Der Text wurde immer
mehr verknappt. Vieles erzählt sich im stummen Spiel oder in einem Theater-Bild, ohne
viele Worte darüber zu verlieren. Dann die Diskussionen im Hause, ob denn diese
Aufführung für Jugendliche ab 12 Jahren geeignet sei. Ob die denn alles verstehen
würden. Wovon Michael und ich überzeugt waren (und es hat sich bisher bestätigt): Jeder
sucht sich die Geschichte heraus, die er versteht. Das ist bei Kindern und Jugendlichen oft
mehr, als Erwachsene ahnen. Vielfältiger und tiefer oft, als die „Großen“ die Dinge
begreifen. Vielleicht ist nicht immer alles beschreibbar. Doch das bleibe ohnehin der
Wissenschaft vorbehalten. In der Reichhaltigkeit der auf dem Theater erzählten Ereignisse
findet jeder, gleich welchen Alters, seine eigene Geschichte.
Die Premiere fand am 13. Juli 2002 statt. Noch in der 2. Hauptprobe wurde geändert und
umgestellt. Und „Parzival“ hat sich bis heute immer wieder verändert. Es bleibt ein „work in
progress“, weil Michael im Spiel und in der immer neuen Konfrontation mit dem Publikum
jedes Mal spannende Varianten entdeckt. Keine Aufführung ist exakt wie die andere. Denn
ein einziger Schauspieler hat auf der Bühne vielfältige Möglichkeiten, improvisierend nur
für das Publikum zu erzählen, das jetzt und heute im Zuschauerraum sitzt. Darin liegt das
Vergnügen, mit Michael einen Theaterabend neu zu erarbeiten. Das nächste gemeinsame
Projekt haben wir beim „Zungenlupfer“ bereits vorbesprochen: Eine Reise durch das
Leben des Haudegens, Dichters und Sängers Oswald von Wolkenstein. Vielleicht schon
im nächsten Jahr, vielleicht aber auch erst in drei oder fünf Jahren. Gut Ding braucht eben
Weile. Man muss nur fest genug dran glauben. Wie bei „Parzival.“
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Onkel, was fehlt dir?
Ein Gespräch mit dem Schauspieler Harvey Keitel
über seine Zeit bei den Marines, seinen neuen Film
„Taking Sides“ und die Fragen, die man sich selbst
stellen muss.
Das Gespräch führte Tobias Kniebe für die Süddeutsche
Zeitung vom 8. März 2002.
SZ: In Ihrem neuen Film stellen Sie, als amerikanischer Entnazifizierungs-Offizier, eine Frage, die
auch Sie selbst betreffen muss: Sind Künstler nichts wert, wenn sie nicht auch moralische
Menschen sind?
Keitel: Es geht nicht nur um den Fall Furtwängler. Es geht nicht nur um Künstler. Dieser Film stellt
Fragen, universale, sehr primitive Fragen, die wir uns nicht gerne stellen, zumindest nicht jeden
Tag: Sind wir als Feiglinge geboren? Werden wir genügend Mut aufbringen, wenn es wirklich nötig
ist? Können wir lernen, tolerant zu sein? Angesichts von Grausamkeiten, die an unschuldigen
Menschen verübt werden – haben wir die Kraft, dem Einhalt zu gebieten? Diese Fragen gelten für
Metzger, Bäcker, Diebe – und am Ende auch für Künstler.
SZ: Den unpolitischen Künstler, der Furtwängler sein wollte, kann es also nicht geben.
Keitel: Genauso wenig wie den unpolitischen Metzger, Bäcker, Dieb! Und nicht nur in Nazizeiten.
Die Grausamkeiten gehen weiter, jeden Tag. Im Balkan, in Afrika, bei uns. Obwohl mein Land
Schuld auf sich geladen hat – und das hat es –, erlebe ich das amerikanische Volk als eine
menschliche, offene Kultur. Und doch glauben andere, sie müssten Flugzeuge in unsere
Hochhäuser stürzen und unsere Kinder, Mütter, Väter töten. Das ist ihre Antwort auf das, was die
amerikanische Politik ihrer Meinung nach getan hat. Wird es unsere Antwort sein, auf alles, was wir
nicht mögen, Flugzeuge zu hetzen? Während ich hier rede, sehe ich immer klarer, worum es in
„Taking Sides“ geht. Jeder von uns muss diese Fragen beantworten, Tobias.
SZ: Der Filmemacher, der für zwei Stunden unterhalten will, um von den schweren Fragen
abzulenken – hat er nicht auch seine Berechtigung?
Keitel: Nein, nein, nein. Es gibt diese Haltung – aber niemand, den ich kenne, würde sie
vertreten. Niemand sollte sie vertreten, wenn Sie mich fragen.
SZ: Noch so eine Frage, die der Film stellt: Wie bewahrt man, in schweren Zeiten, seine Integrität?
Keitel: In leichten Zeiten kann jeder seine Integrität bewahren. Die Wahrheit beginnt, wenn es
hart auf hart geht. Und trotzdem ist es ein ständiger Kampf. Sogar in diesem Moment. Werde ich
am Ende dieses Interviews wie ein Idiot aussehen, oder werde ich ein Gefühl von mir selbst
bewahrt haben? Werde ich Ihnen die Wahrheit sagen – oder werde ich nur versuchen, Sie zu
beeindrucken, mich selbst dabei aber aufgeben? Könnte ich mich am Ende sogar selbst
beeindrucken, mit meinem Wissen und meiner Dummheit – oder sagen wir, um nicht so hart zu
sein, meinem Unwissen? Kann ich mein Unwissen eingestehen? Ich sitze hier, suchend. Auch Sie
sind ein Suchender. .. das meine ich zu spüren.
SZ: Ja.
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Keitel: Nun, das bedeutet Anstrengung. Wie sucht man? Das könnte ich Sie auch fragen! Meine
Antwort wäre: Erfahrung. Sich selbst nach draußen stoßen, über die Grenze des eigenen Wissens
hinaus. Ins Unbekannte hinein. Wie tut man das? Ganz einfach: Man tut es.
SZ: So wie Sie, als junger Mann aus jüdisch-orthodoxen Verhältnissen in Brooklyn, etwas getan
haben, was junge Männer aus diesem Umfeld niemals taten: Zu den Marines gehen. Was haben
Sie da gelernt?
Keitel: Es war ein Moment der Transformation. Wo ich Mut zeigen und Angst überwinden musste,
wo Opfer von mir verlangt wurden und ich mich entschied, diese Opfer zu bringen. Das hat mein
Leben verändert. An einen Moment erinnere ich mich wie heute: Ich war siebzehn Jahre alt, ich
hatte die Grundausbildung auf Parris Island hinter mir und befand mich im sogenannten „Night
Combat Course“. Wir waren draußen in den Sümpfen, Hunderte von jungen Marines. Es war
stockdunkel, man konnte die eigene Hand nicht vor Augen sehen. Unser Ausbilder stand vor uns,
eine schmale Silhouette gegen den Nachthimmel. Ich habe seine Worte nie vergessen: „Ihr
fürchtet euch vor der Dunkelheit“, sagte er. „Wir alle fürchten uns vor dem, was wir nicht kennen.
Deshalb sage ich, zu jedem von euch: Kenne die Dunkelheit. Und lerne, darin zu leben.“ Und das
taten wir.
SZ: Als Sie dann Schauspieler wurden – haben Sie Menschen, die auf einer ähnlichen Suche
waren, sofort erkannt?
Keitel: Sicher. In meinem Metier sind die meisten Leute – nicht alle – auf einem Weg, sich selbst
zu entdecken. Ich sage nicht, dass alle auf demselben Level dieser Reise sind. Und es gibt auch
die, die nur berühmt werden wollen. Aber es gibt doch Fragen, die uns verbinden.
SZ: Wie war das zum Beispiel, als Sie Martin Scorsese trafen? Wussten Sie sofort: Dieser Mann
wird mich zehn Schritte weiterbringen?
Keitel: Wir haben uns gegenseitig zehn Schritte weitergebracht, würde ich sagen. Aber ja, das war
sofort zu spüren. Ich sah mich selbst in den Mustern seines Studentenfilms. Da gibt es diese
Kirchensequenz, die Marty auf der ganzen Länge zu dem Popsong „Who’s that knocking at my
door?“ geschnitten hat. So hieß der Film dann auch. Und als ich das gesehen habe, wusste ich: Der
ist was Besonderes.
SZ: Das Gefühl von Wut und Schuld in diesem Film hat Sie offenbar verbunden.
Keitel: Ja doch, ja! Ich sage es ja: Du gehst auf eine Party, du schaust herum, in der hintersten
Ecke siehst du dieses Mädchen, und du musst sie haben. So war es mit Marty und mir. Wir kamen
in diesen Raum, wir sahen uns, wir mussten einander haben ... Wir konnten uns nur nicht einigen,
wer die Frau sein würde!
SZ: Und, wie ist es ausgegangen?
Keitel: Die Frage ist immer noch offen!
SZ: Ein anderes Thema: Wenn man ins Unbekannte hineingeht – geht man da nicht auch in die
Irre?
Keitel: Aber sicher. Der einzige Weg ist ... Sehen Sie, wer ist es am Ende, der das Wesen des
Heiligen Grals entdeckt? Parzival, der reine Tor, der Narr. Das ist es... ich habe als Narr begonnen,
und hoffentlich habe ich etwas gelernt... auf dem Weg.
SZ: Aber muss man nicht, um weiter zu lernen, sich selbst immer wieder zum Narren machen?
Keitel: Natürlich. Haben Sie Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ gelesen? Ich empfehle dieses
Buch. Allen Deutschen, allen Bürgern der Welt. Und es beantwortet Ihre Frage viel poetischer, als
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ich es je könnte. Die Antwort ist: Ja und nochmals ja! Man muss in jeder Sekunde bereit sein, sich
zum Narren zu machen. Wissen Sie, nach der ganzen endlosen Reise, was ist die Antwort, die
Parzival findet? Wie kann er den König heilen? Die ganze endlose Reise läuft auf einen Satz, eine
Frage hinaus (Keitel verwendet die altenglische Übersetzung): „Oeheim, waz wirret dier? – Onkel,
was fehlt dir?“ Jeder versucht, diese Frage auf andere Weise zu beantworten, Heilmittel zu finden.
Aber der Imperativ, den Wolfram von Eschenbach gibt, ist folgender: Du musst nur die Frage
stellen – die Antworten kommen von allein.
SZ: Und Parzival irrte jahrelang durch die Wildnis, weil er die Frage lange nicht gestellt hat. Waren
Sie jahrelang in der Wildnis?
Keitel: Ja. Ja. Wolfram wusste, wovon er sprach. Und sehen Sie – diese Einfachheit! Sie war das
Ergebnis der Reise. Onkel, was fehlt dir? Wenn du den Mut hast, diese Frage zu stellen, geh die
Straße herab, wende dich nach links, überquere die Brücke, das Symbol für die Schwelle ins
Unbewusste... Onkel, was fehlt dir? Das konnte ich mich selbst schließlich fragen: Harvey, was
fehlt dir? Und die Antworten ergeben sich, jeden Tag.
Wissen Sie was?
Wolfram von Eschenbach hätte ich gerne kennen gelernt.
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Anregungen für den Unterricht
Nicht nur als Lektüre für den Deutschunterricht, sondern als Aufhänger zur Erarbeitung
des Mittelalters als historischen Hintergrund bietet sich Eschenbachs ’Parzival’ für ein
fächerübergreifendes Projekt (in den Fächern Geschichte, Deutsch, Religion, Musik und
Bildende Kunst) an.
Folgende Themen wurden z.B. von Schülerinnen und Schülern aus Lüneburg im
projektorientierten Unterricht erarbeitet, die Parzival als Lektüre für den Deutschunterricht
gewählt hatten:
-
Zusammenleben zweier Religionen im Mittelalter - Islam und Christentum
Ritter im Mittelalter
Mittelalterliche Waffen
Bauern im Mittelalter
Geistlichkeit im Mittelalter
Die Familie derer von Anschouwe
Für Schüler gut verständlich und deshalb zu empfehlen ist die Jugendbuchversion:
Lechner, Auguste: Parzival. Auf der Suche nach der Gralsburg. 6. Auflage.
Würzburg: Arena 1988.
Einen ironischen Umgang mit dem legendären König Artus und seiner nicht weniger
berühmten Tafelrunde lieferte die englische Komikertruppe Monthy Python mit ihrer ganz
unheldenhaften Adaption des Stoffes in Die Ritter der Kokusnuß.
Mögliche Fragen und Arbeitsanweisungen zur Lektüre, bzw. zum Stück:
§
Welches sind die drei Entwicklungsstufen Parzivals?
§
Was bedeutet es für einen Ritter, Gralskönig zu werden?
§
Worin besteht Parzivals Schuld?
§
Ist es nur sein Verdienst, wenn er dann doch Gralskönig wird?
§
Welche Ritterideale führt uns das Epos vor Augen?
§
Vergleicht die Figur ’Parzival’ mit der Figur von ’Lara Croft’ (Tomb Raider).
Untersucht beide Figuren im Hinblick auf:
-
ihre biografische Entwicklung (Herkunft: Kindheit, Jugend...).
ihre Ziele (Was möchten sie persönlich erreichen?).
ihre Wertvorstellung (Wofür kämpfen sie?).
den Begriff des ’Helden’.
Welche Eigenschaften machen für euch einen Helden aus?
25
Literatur- und Bildnachweis
§
Eschenbach, Wolfram von: Parzival. Mittelhochdeutscher Text nach der Ausgabe von
Karl Lachmann, Übersetzung und Nachwort vom Wolfgang Spiewok. Stuttgart: Philipp
Reclam Jun.1981. Band 2, S. 616ff.
§
Haerkötter, Heinrich: Deutsche Literaturgeschichte. 21. Auflage. Darmstadt: Winklers
Verlag 1964. S.12 – 20.
§
Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Von Wolfgang
Beutin u.a. 5., überarbeitete Auflage. Stuttgart, Weimar: Metzler 1994.
§
Kühn, Dieter: Der Parzival des Wolfram von Eschenbach. Frankfurt a.M.: Insel 1986.
§
Onkel, was fehlt dir?:
http://www3.sueddeutsche.de/index.php?url=/kultur/kino/leinwand/38476&datei=index.
php
§
http://www.fh-lueneburg.de/u1/gym03/homepage/faecher/deutsch/parzival.htm
§
http://deuserv.unimuenster.de/StudentischesDiskussionsforum/Seminare/artuseptik/weggarb.htm
Abbildungen:
§
Deckblatt: Der Wolfram von Eschenbach. Miniatur aus der Manessischen LiederHandschrift C.
§
„Parzival“ - Handschrift Cgm 19:
http://gutenberg.spiegel.de/eschenba/parzival/parzival.gif
§
Tafelrunde:
http://www.goetter-und-mythen.de/kb16.jpg
26
© Simone Jörg 2003