Erasmus Erfahrungsbericht 2009/2010 – University of - BOKU

Transcription

Erasmus Erfahrungsbericht 2009/2010 – University of - BOKU
Erasmus Erfahrungsbericht 2009/2010 – University of Nottingham
Thomas Kriechbaumer
(Email: t.kriechbaumer@gmail.com)
Studienrichtung: Umwelt- und Bioressourcenmanagement, Bakk.
Gastuniversität:
University of Nottingham, UK
Aufenthaltsdauer: 21. September 2009 – 23. Jänner 2010
Wer sich entscheidet nach Nottingham zu gehen, entscheidet sich für eine sehr gute Universität, an
der einem in akademischer Hinsicht viele Möglichkeiten offen stehen. Daher berichte ich zuerst über
die Uni.
Nottingham University, das Kursangebot und besuchte Kurse
Obwohl meine offizielle Gastschule die „School of Biosciences“ war, stand es mir frei, an allen
„Schulen“ (Departements) der Universität Kurse zu besuchen. Meine sechs Kurse absolvierte ich
damit an insgesamt vier verschiedenen Schulen, was zwar eher ungewöhnlich, aber dennoch möglich
war. Damit eignet sich die Nottingham University sehr stark für UBRM-Studierende, die
Lehrveranstaltungen aus unterschiedlichen Disziplinen zu absolvieren haben. Sowohl das Niveau der
Lehre als auch der Schwierigkeitsgrad der Kurse sind an den verschiedenen Schulen recht
unterschiedlich. Ganz stark empfehlen kann ich die School of Geography, an der sogar ein eigenes
Masterprogramm „Environmental Management“ angeboten wird. Aus diesem Masterprogramm
konnte ich die für mich wohl prägendste und wichtigste LVA besuchen - „Landscape Ecology and
Environmental Management 1“ bei Roy-Haines Young. Die LVA kann ich – auch wenn sich die Prüfung
als nicht einfach herausstellen sollte – jedem UBRM-Studierenden sehr stark empfehlen, da hier viel
Wissen aus dem UBRM-Bakk. zusammengeführt wird und man so erkennt, was Management
natürlicher Ressourcen tatsächlich bedeuten kann. Die restlichen von mir absolvierten Kurse sind in
nachfolgender Tabelle aufgelistet.
LVA-Titel
Waste and Waste Water
Treatment
Energy and the Environment
Schule/Departement
Vortragende/r
ECTS
Nadal Hilal
5
Martin Waller
5
Paul Wilson
5
School of Biosciences
Barry Lomax &
Sofie Sjogersten
5
Introduction to Marketing A
Business School
Sally McKechnie
5
Landscape Ecology and
Environmental Management 1
School of Geography
Roy-Haines Young
5
Department of Chemical and
Environmental Engineering
Management Science: Food
Climate Change Science
Interessant zu beobachten war auch, dass die unterschiedlichen LVAs von verschiedenen Ethnizitäten
„dominiert“ waren – womöglich ein für Mittelengland typisches Phänomen. Während z.B.
Introduction to Marketing (Business School) hauptsächlich von Briten und anderen Europäern
besucht wird, war ich in Waste and Waste Water Treatment als Europäer in der Minderheit - die LVA
war vor allem von Afrikanern und Asiaten besucht.
Wichtig zu erwähnen: Die Uni hat vier Standorte. Die Kurse der School of Biosciences werden fast zu
100% am etwa 10 Meilen vom Hauptcampus entfernten Sutton Bonington Campus abgehalten. Es
gibt zwar eine recht gute Verbindung mit dem Hopper Bus, jedoch gibt es in Sutton Bonington außer
dem Campus kaum etwas. Für mich war es daher sehr positiv, nicht in einem der Studentenheime in
Sutton B. zu wohnen – möglich ist dies allerdings, und die Heime sind dort auch moderner und
größer. Ausgehen in Nottingham ist dann ohne Übernachtungsmöglichkeit in Nottingham und ohne
Auto nur bis ca. Mitternacht möglich. Die Business School befindet sich am Jubilee Campus, und die
restlichen Schulen am Hauptcampus „University Park“. Dieser ist für österreichische Verhältnisse
riesengroß, hat einen eigenen großen See, eine riesige Turnhalle mit Hallenbad und eignet sich sehr
gut zum Joggen. Eindrucksvoll ist auch, dass es am Hauptcampus verschiedene Bibliotheken für alle
möglichen Fachbereiche gibt, wobei die meisten einen sehr großen Studierraum mit Computern
haben. Es ist auch möglich, sich ein Notebook bei der Bibliothek auszuborgen oder für
Gruppenarbeiten einen eigenen Raum zu buchen. Mit dem Nottingham-Account hat man außerdem
uneingeschränkten Zugang zu allen wichtigen wissenschaftlichen Datenbanken, was sowohl für
Seminararbeiten als auch für die Prüfungsvorbereitung wichtig ist, womit wir auch beim Thema
Prüfungen wären.
Prüfungen und Benotung
Die Prüfungssituation ist ungewohnt, macht äußerst nervös und hat doch etwas sehr Positives – man
ist absolut ungestört, hat viel Platz und alles läuft zu 100% fair ab. Die Prüfungen finden am Ende des
Semesters innerhalb von zwei Wochen statt. Dabei kann es passieren, dass man in einer riesigen
Turnhalle mit 500 anderen Studierenden eine Prüfung schreibt. Nachdem man den Prüfungsraum
betreten hat, geht man zu dem zugeteilten Tisch, auf dem bereits der Prüfungsbogen mit dem
eigenen Namen steht. Nachdem man dann dreimal seine Unterschrift abgegeben hat, wird auf die
Sekunde genau das Kommando zum Start gegeben. Spätestens nach dem dritten Mal ist man darin
aber recht routiniert und genießt die perfekt geplante und durchdachte Situation. Außer den
Prüfungen am Dep. of Chemical and Environmental Engineering bestanden alle Prüfungen aus Essays.
Man muss dabei innerhalb von eineinhalb Stunden zwei oder drei Fragen in Form eines
strukturierten Aufsatzes beantworten. Dabei kann man aber meistens zwischen fünf oder sechs
verschiedenen Themen auswählen. In den meisten LVAs wird für jede Einheit eine Reading List
ausgegeben. Je nach Schwierigkeitsgrad des Kurses wird gefordert, dass man die Fragen mit Hilfe der
Literatur (inklusive Zitate !!!) beantwortet. Es stellte sich aber heraus, dass dies lediglich nötig ist,
wenn die LVA Teil eines Masterprogrammes ist oder man unbedingt über 70 % erreichen möchte,
was in England einem „Sehr gut“ entspricht. Ein „Sehr gut“ zu schaffen ist damit sehr schwierig,
durchzukommen (über 40 %) schafft aber so gut wie jeder.
Betreuung für ERASMUS Studierende
Die Erasmus-Koordinatorinnen waren äußerst um uns bemüht und in der ersten Woche gab es
zahlreiche Veranstaltungen. Meine Fachkoordinatorin – Sofie Sjogersten – war ebenfalls sehr
hilfreich, vor allem was die Ermöglichung meiner „bunten“ Auswahl an LVAs betraf.
Für die Auswahl der Kurse gibt es zuerst ein ausgiebiges Gespräch mit dem Fachkoordinator/der
Fachkoordinatorin der Gastschule. Wenn man auch Kurse an anderen Schulen besuchen möchte, gibt
es in der ersten Studienwoche die Möglichkeit, die jeweiligen Fachkoordinatoren dieser Schulen zu
besuchen und das Vorhaben mit ihnen zu besprechen. Man kann natürlich innerhalb der ersten
Woche(n), wenn nötig, auch noch Kurse wechseln. Ein wichtiger praktischer Hinweis: Level 1 Kurse
des Departments of Chemical and Environmental Engineering konnten von Erasmus-Studierenden
prinzipiell nicht besucht werden.
Die Betreuung seitens der Lehrenden ist hervorragend. Das Verhältnis zu den Studierenden ist
freundschaftlich und kollegial.
Stadt, Land und Leute, soziale Integration
Ich erlebte England als sehr multikulturelles und weltoffenes Land. Vorurteile, die man aus dem
Englischunterricht der Mittelschule kennt, wie die Reserviertheit der Engländer oder die
übertriebene Höflichkeit, haben sich keineswegs bestätigt. Hingegen geben sich die Engländer sehr
locker, jederzeit hilfsbereit, gesprächig und offen. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass man von
Verkäuferinnen im Supermarkt als „Darling“ oder „my Love“ verabschiedet und von den meisten
Busfahrern beim Ein- und Aussteigen mit „Hi mate“ oder „Cheers mate“ begrüßt und verabschiedet
wird. Bei Subways erfährt man dann relativ rasch die halbe Lebensgeschichte der Bedienung und
diese nimmt sich auch gerne einige Minuten Zeit, um einem die Vokabeln für alle Sandwich-Zutaten
beizubringen. Auch das Autofahren war trotz Linksverkehr kein Problem, da sich die Engländer als
recht entspannte Autolenker herausstellten. Das heißt, man kann sich für Ausflüge in die umliegende
Natur ruhig ein Mietauto nehmen, den Linksverkehr ist man schnell gewöhnt.
Nottingham ist eine für englische Verhältnisse kleine Stadt mit ca. 270.000 Einwohnern. Das
Stadtzentrum wirkt kompakt und kann zu Fuß in etwa 20 Minuten durchquert werden. Zählt man
jedoch die Siedlungen außerhalb des River Trents, an dem Nottingham liegt, mit, dann kommt man
auf etwa eine Million Einwohner. Und genau diese Rechenspielerei ist auch „Schuld“ daran, dass
Nottingham bei diversen Rankings als die gefährlichste Stadt Englands abschneidet. Zählt man bei der
Rate „Verbrechen pro Einwohner“ nämlich die Einwohner in den zahlreichen Vororten der Stadt mit,
dann wird Nottingham – statistisch gesehen - plötzlich zu einer recht sicheren englischen Stadt. Als
Besucher merkt man, dass die Stadtadministration sehr darum bemüht ist, das Image von
Nottingham aufzubessern und eine sichere und touristenfreundliche Stimmung zu schaffen.
Touristisch gesehen gibt es das Nottingham Castle (welches seit langem kein „Castle“ mehr ist,
sondern ein Museum) mit der Robin Hood Statue, ein angenehmes Stadtzentrum mit zahlreichen,
sehr schönen Fußgängerzonen, den Sherwood Forest etwas außerhalb der Stadt, beinahe 1000 Jahre
alte Pubs und die Nottingham Caves, die für mich das touristische Highlight der Stadt darstellen.
Bezüglich der Landschaft ist festzuhalten, dass Nottingham zwar inmitten des dicht bevölkerten
Englands liegt, jedoch befinden sich nicht weit außerhalb zahlreiche Naturschutzgebiete und wenn
man etwas weiter nordwestlich fährt erreicht man den wunderschönen Lake-District, den viele für
das schönste Landschaftsgebiet Englands halten. Ich persönlich bevorzuge die englische Südküste.
Diese ist von Nottingham zwar doch etwas weit entfernt, bietet sich aber hervorragend für einen einoder zweiwöchigen Urlaub vor oder nach dem großen Erasmus-Abenteuer.
Unterkunft
Für die Unterkunft kann man sich entweder bereits (lange) vor der Anreise für ein Studentenheim
bewerben oder man sucht sich innerhalb der ersten Wochen eigenständig eine Unterkunft. Wer ein
Studentenheim wählt, sollte darauf achten, ein Heim in der Nähe des richtigen Campus zu haben. Die
meisten Studentenheime sind um oder am University Park (Hauptcampus). Die Heime direkt am
Parkgelände sind meist „catered halls“, d.h. man bekommt Frühstück und Abendessen. Jedoch
müssen diese Heime in den Ferien oft geräumt werden. Wer alle oder fast alle Kurse an der School of
Biosciences macht, wird wahrscheinlich meist am Sutton Bonington Campus sein. Hier würde ich
auch ein Heim an diesem Campus vorschlagen. Diese sind auch moderner und geräumiger als die
meisten Heime am University Park. Allerdings gibt es in Sutton Bonington so gut wie kein Nachtleben
außerhalb des Campus und nach Mitternacht fährt kein Bus mehr von Nottingham Zentrum nach
Sutton Bonington. Ich habe in Beeston (westlich des University Parks) im Albion House gewohnt. Ich
kann dieses Studentenheim – vor allem wegen der unfreundlichen Art einiger Mitarbeiter/innen von
Broadgate Park (das Betreiberunternehmen) nicht weiterempfehlen! Die Siebener-WG – mit
Mitbewohnern aus Canada, Holland, Frankreich, Deutschland, Malawi und China – hat aber super
funktioniert und war ein großer Spaß. Ich empfehle generell die Heime östlich vom University Park in
Lenton. Auch wer die zweite Möglichkeit wählt und sich selbst eine Unterbringung unabhängig von
Studentenheimen sucht, sollte sich vor allem in Lenton umsehen.
Kosten
Die Unterbringung war zwar vergleichsweise teuer, jedoch konnten meine Mehrkosten (für
Unterbringung und Verpflegung, klarerweise aber nicht für Reisen) tatsächlich durch das ErasmusStipendium abgedeckt werden. Wegen der Kosten sollte sich daher niemand gegen Großbritannien
entscheiden.
Sonstiges
Sehr zu empfehlen ist der Beitritt zu einer oder mehreren Student Societies. Diese sind wie kleine
Vereine mit wöchentlichen Aktivitäten. Ich war Mitglied der Nature Conservation Society (Aktivitäten
umfassten Sträucher-Schwenden, Hecken-Legen, Säuberungen von Naturschutzgebieten) und der
Skydive-Society (In Langar gibt es einen Flugplatz - etwa 40 Minuten entfernt von Nottingham. Um
175 Pfund kann man einen Anfängerkurs mit zwei Solo-Sprüngen aus gut 1 km Höhe machen. Es ist
unvergesslich – ich kann es jedem als i-Tüpfchen auf dem Erasmus-Erlebnis empfehlen!).
Die Students‘ Union bzw. verschiedene Student Societies bieten mehrmals Ausflüge zu anderen
britischen Städten (London, York, Birmingham, …) an. Das hat immer gut funktioniert, kann ich daher
weiterempfehlen.
Bars, Clubs, etc. gibt es in Nottingham jede Menge. Wer sich also hier ausleben möchte, hat viele
Möglichkeiten dazu. Sehr zu empfehlen ist das berühmte Pub Ye Old Trip to Jerusalem nahe dem
Stadtzentrum, aber auch das Victoria Hotel als Geheimtipp in Beeston.
Man sollte die University of Nottingham nicht mit der Nottingham Trent University verwechseln.
Beide Unis sind in Nottingham, haben aber nichts miteinander zu tun.
Resümee
Ich habe die University of Nottingham als sehr niveauvoll, professionell und fair wahrgenommen.
Man merkt, dass an den englischen Unis der Lehre ein recht hoher Stellenwert beigemessen wird und
sich die Vortragenden entsprechend viel Zeit zur Betreuung der Studierenden nehmen. Sowohl in
akademischer Hinsicht als auch in Bezug auf Spaß, (Kultur-)Erlebnis und Ausgehen lässt Nottingham
kaum Wünsche offen!