Kiel Policy Brief - Institut für Weltwirtschaft
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Kiel Policy Brief Fracking, globale Energiemärkte und die zukünftige Klimapolitik Ruth Delzeit, Gernot Klepper und Mareike Lange Nr. 64│August 2013 Institut für Weltwirtschaft Kiel Kiel Institute for the World Economy ISSN 2195–7525 Kiel Policy Brief 64 1 / 16 Fracking, globale Energiemärkte und die zukünftige Klimapolitik Ruth Delzeit, Gernot Klepper und Mareike Lange* 1. Einleitung Chancen und Risiken der Gewinnung von Erdgas oder -öl aus unkonventionellen Lagerstätten und das dabei zum Einsatz kommende Verfahren des Hydraulic Fracturing („Fracking“, deutsch: aufbrechen) werden derzeit in der Politik und Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Als „unkonventionelle Erdgasvorkommen“ bezeichnet man schwerer zugängliche Vorkommen, deren Gas durch technische Maßnahmen in den Lagerstätten erst mobilisiert werden muss. Dafür wird mit sehr hohem Druck chemisch behandelte Flüssigkeit (Frack-Fluide) in dichte Gesteinsschichten gepresst, um die Schiefergasvorkommen zu fördern (NRW 2012). Im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stehen der Zielkonflikt zwischen möglichen energiewirtschaftlichen und -politischen Vorteilen und den Risiken für Mensch und Umwelt. In den USA wird bereits seit einigen Jahren unkonventionelles Erdgas durch Fracking gefördert. Somit gibt es erste Erfahrungen über dessen Vor- und Nachteile. Befürworter der Nutzung der Fracking-Technologie weisen auf stark gesunkene Energiepreise in den USA hin und begründen damit die Reindustrialisierung der US-amerikanischen Industrie (SRU 2013). Ein weiterer Vorteil wird in der Verbesserung der Versorgungssicherheit durch heimische Energiequellen gesehen. Gegner der Nutzung der Fracking-Technologie warnen vor möglichen Risiken und lokalen Umweltauswirkungen. Zudem stellen sie die Langfristigkeit der Preissenkungen in Frage und warnen vor negativen Auswirkungen auf die Ziele der Klimapolitik sowie den Ausbau erneuerbarer Energien. Mit diesem Policy Brief tragen wir zu dieser Diskussion bei, indem wir Erdgas aus unkonventionellen Quellen anderen fossilen Energieträgern sowie erneuerbaren Energieträgern gegenüberstellen und hinsichtlich ihres Beitrags zur Energiewende, klimapolitischen Zielen und lokalen Umwelteffekten analysieren. Die Analyse baut auf einer Übersicht über globale, europäische und deutsche Potenziale und über die aktuelle Förderung auf. 2. Globale Potenziale von Erdgas durch Fracking Die Internationale Energieagentur (IEA) schreibt Schiefergas große Potenziale zu. In einer im Juni 2013 aktualisierten Studie beziffert die US-amerikanische Energieagentur (EIA 2013a) die Gesamtmenge der globalen technisch entnehmbaren Schiefergasressourcen * Wir danken Toninho Dingl für seine Mithilfe. Kiel Policy Brief 64 2 / 16 (TES)1 mit 204 Bill. m3. Diese wurden zuvor auf 220 Bill. m3 geschätzt (EIA 2011). Über die größten TES verfügen China (31 Bill. m3), Argentinien (22 Mill. m3) und Algerien (20 Bill. m3). Europas TES werden auf rund 13 Bill. m3 geschätzt (ca. 6 % der globalen TES), wovon Polen und Frankreich zu ungefähr gleichen Teilen rund 60 % ausmachen (EIA 2013a). Das Volumen der TES ist global mit geschätzten nachgewiesen Erdgasreserven (GNS) vergleichbar (Tabelle 1). Regional sind die TES jedoch anders verteilt als GNS: Während beispielsweise in China die TES um ein Neunfaches über GNS liegen, sind die TES in der ehemaligen UdSSR, einem großen Erdgasproduzenten mit hohen Reserven, deutlich geringer. Das zeigt, dass es bei einer Ausschöpfung der TES zu globalen Verschiebungen der Energiemärkte kommen würde. Schätzungen aus dem Jahr 2011 (EIA 2011) sind in der aktuellen Studie für Polen um 20 % und für die USA um 50 % nach unten korrigiert worden (Tabelle 1). Unternehmen wie ExxonMobile ziehen sich aus Polen zurück (Kenarov 2013). Tabelle 1: Technisch entnehmbare Schiefergasreserven und nachgewiesene Erdgasreserven (Bill. m3) Technisch entnehmbare Schiefergasreserven 2011a 2013b Welt China Argentinien Algerien USA Ehem. UdSSRc Europa Polen Frankreich Deutschland 220,7 36,1 21,9 6,5 32,9 10,5 5,3 5,1 0,2 203,9 31,6 22,7 20,0 16,1 11,8 13,3 4,2 3,9 0,5 Geschätzte nachgewiesene konventionelle Erdgasreservenb 193,7 3,5 0,3 4,5 9,0 61,7 4,1 0,1 0,0 0,1 aEIA 2011. — bEIA 2013. — cRussland, Ukraine, Litauen. Quelle: aEIA 2011, bEIA 2013a. Für Deutschland werden die TES von der EIA auf 0,48 Bill. m3 geschätzt, während die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR 2012) die Menge auf 0,7–2,3 Bill. m3 schätzt. Letztere Prognose schließt Flächen in Wasser- und Naturschutzgebieten mit ein. Zwar wird in beiden Studien der gleiche Ansatz verwandt, doch sind Berechnungsmethode und Datengrundlage vermutlich unterschiedlich (BGR 2012). Vergleicht man die jährliche maximale Extraktionsrate der Barnett-Schiefergasvorkommen2 von 2,5 % in den USA, könnten selbst unter Einsatz aller Bohrkapazitäten jedes Jahr nur 2 bis 5 % der tatsächlich verfügbaren Gasmenge mobilisiert werden (Lechtenböhmer et al. 2011). 1 Technisch entnehmbare Ressourcen sind die Gasvolumen, die mit aktueller Technologie produziert werden könnten, unabhängig von Gaspreisen und Produktionskosten (EIA 2013a: 10). 2 Das Barnett-Schiefer liegt im Nordwesten von Texas. Es ist das erste Schiefergasgebiet, in dem in großem Maßstab durch Fracking Erdgas gewonnen wurde. Kiel Policy Brief 64 3 / 16 Wichtig ist es, zwischen dem technischen und dem ökonomischen Potenzial zu unterscheiden. So wurden unter Berücksichtigung der Förderkosten im letzten Jahr die Prognosen für Schiefergaspotenziale in den USA deutlich nach unten korrigiert (Rogers 2013). Die unkonventionelle Gasförderung gehe schon nach dem ersten Jahr der Bohrung um 60–90 % zurück. Um die Fördermenge einigermaßen zu stabilisieren, müssten ständig neue, kostenintensive Bohrplätze gesetzt werden (King, Murray 2012). 3. Auswirkungen der Schiefergasproduktion in den USA auf die globalen Energiemärke Die USA weisen bisher die größten Produktionskapazitäten auf. Schon seit mehreren Jahrzehnten wird durch Fracking unkonventionelles Gas abgebaut. Seit Anfang der 2000er Jahre wird die Gewinnung von unkonventionellem Gas verstärkt betrieben. Von 2007 bis 2011 vervierfachte sich die Schiefergasproduktion auf 0,24 Bill. m3 (EIA 2013b). Nach Einschätzung der EIA (2012b: 61) wird sich die Produktion im Jahre 2035 weiter verdoppelt haben. Unkonventionelles Gas werde damit 2035 ca. 50 % der Gasproduktion in den USA ausmachen. Damit könnten die USA ab 2020 zum Nettoexporteur von Gas werden (EIA 2012a). Das stark gestiegene Angebot an Gas auf dem US-Markt hat in den USA zu stark sinkenden Gaspreisen geführt. So fielen US-amerikanische Gaspreise von 8,74 US-Dollar im Jahr 2005 auf 2,66 US-Dollar pro tausend Kubikfuß3 im Jahre 2012 (BP 2012; EIA 2013c). Abbildung 1 zeigt, dass ab 2005 die US-amerikanischen (und kanadischen) Preise sich deutlich von der internationalen Preisentwicklung abkoppeln (BP 2012). Insbesondere vom Anstieg der Gaspreise ab 2009 waren die USA und Kanada nicht betroffen. Einige Analysten stellen in Frage, ob die niedrigen Gaspreise von Dauer sein werden (Le Monde diplomatique 2013). Neue Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Potenziale in den USA weit überschätzt werden und die aktuellen Gaspreise langfristig keine profitable Produktion erlauben (King, Murray 2012; Ernst & Young 2011; Rogers 2013). So belaufen sich die Produktionskosten pro 1 000 Kubikfuß nach Einschätzung der IEA (2013) auf 3 bis 7 US-Dollar, andere Quellen sprechen von 7,50 bis 8,50 US-Dollar (Dizard 2010). Beide Annahmen liegen deutlich über den Gaspreisen ab Bohrloch von 2,66 US-Dollar pro 1 000 Kubikfuß im Jahr 2012 (EIA 2013c). Die Vermutung einer nicht wirtschaftlichen Schiefergasproduktion bestätigen auch die Abschreibungen in Milliardenhöhe in der Schiefergasindustrie (Rogers 2013). Es wird daher vermutet, dass sich die heutigen Preiseffekte auf Dauer nicht halten werden, weil die Schiefergasproduktion zu diesen Preisen langfristig nicht kostendeckend möglich ist (Le Monde Diplomatique 2013; SRU 2013). Vermutlich werden die Gaspreise in den USA wieder ansteigen, wenn auch nicht auf das Niveau vor dem Frackingboom. 3 1 Kubikfuß = 0,0283 m3 Kiel Policy Brief 64 4 / 16 Abbildung 1: Preisentwicklung von Erdgas für ausgewählte Länder US-Dollar pro Mill. Btu* 20,00 18,00 16,00 14,00 12,00 10,00 8,00 6,00 4,00 2,00 0,00 2003 2004 Deutschland 2005 England 2006 2007 USA 2008 Kanada 2009 OECD Rohölpreis 2010 2011 Japan *Btu: British thermal units. Quelle: BP 2012. Die Auswirkungen der amerikanischen Schiefergasförderung auf die internationalen Gasmärkte werden von vielfältigen anderen Marktentwicklungen begleitet. Als Folge der Finanzkrise 2008 kam es zu einem weltweiten Rückgang der Gasnachfrage (IEA 2013). Gleichzeitig drängte Katar mit einem großen Angebot auf dem Markt. Diese Entwicklungen führten zu einem globalen Gasüberschuss. Die USA verstärkten diesen Gasüberschuss, indem sie einen steigenden Anteil der konsumierten Gasmenge durch eigene Produktion deckten und somit weniger Gas importierten (EIA 2012a). Ein Gasüberschuss auf dem Weltmarkt führt nicht zwangsläufig zu sinkenden Preisen, da sich der internationale Gaspreis nur zu einem Teil über Angebot und Nachfrage bestimmt (Nick, Thoenes 2013). In vielen Regionen ist der Gaspreis über Verträge und Handelswege an den Ölpreis gebunden. Vergleicht man allerdings das Verhältnis zwischen Öl- und Gaspreisen wie in Abbildung 2 dargestellt, so wird ab 2005 Gas relativ günstiger als Öl. Für die USA und Kanada kann man eine deutliche Abkoppelung des Gaspreises vom Ölpreis erkennen. In abgeschwächter Form ist diese Entkoppelung ab 2005 aber auch für Deutschland, Japan und England erkennbar. Wir können nicht eindeutig nachweisen, dass die Entkoppelung von der amerikanischen Gasproduktion ausgelöst wurde. Deutlich ist jedoch, dass eine stärkere Entkoppelung des Gaspreises vom Ölpreis auch eine stärkere Reaktion auf geringere Gasimporte in die USA hervorrufen kann. Gleiches gilt für zukünftige Gasexporte aus den USA. Ein Ausbau der Logistikkapazitäten zum LNG Transport befördert diese Entwicklung zusätzlich (Ernst & Young 2011). Kiel Policy Brief 64 5 / 16 Abbildung 2: Verhältnis zwischen Gaspreis und Rohölpreis Ratio 1,40 1,20 1,00 0,80 0,60 0,40 0,20 0,00 2000 2001 Kanada 2002 2003 USA 2004 2005 2006 England 2007 2008 Deutschland 2009 2010 2011 Japan Quelle: Eigene Berechnung auf der Basis von BP 2012; bei 1 ist Gaspreis = Ölpreis. Neben direkten Effekten auf den Gaspreis sind durch eine steigende Schiefergasproduktion in den USA auch indirekte Effekte auf andere fossile Energieträger zu erwarten. In den USA wird das neu verfügbare und billige Erdgas überwiegend zur Stromproduktion eingesetzt (EIA 2013d). Dies geschieht hauptsächlich auf Kosten des Kohleeinsatzes in der Stromerzeugung. So wurde im Jahr 1992 Strom noch zu 53 % aus Kohle- und zu 13 % aus Gasvorkommen erzeugt. 2012 wurden nur noch 37 % des Stroms aus Kohle erzeugt, wohingegen der Anteil der Stromproduktion aus Gas auf 30 % anstieg (EIA 2011). 2040 soll sich der Anteil der US-amerikanischen Stromproduktion auf 35 % aus Kohle und 30 % aus Gas einpendeln (EIA 2013a). Der Kohleverbrauch in den USA ist bis 2008 angestiegen, sinkt seitdem jedoch stärker als die Kohleproduktion. Als Resultat steigen die Netto-Kohleexporte seit 2008 (siehe Abbildung 3). Hauptimporteur von US-amerikanischer Steinkohle mit rund der Hälfte der gesamten Exportmengen ist Europa (EIA 2012b: Tabelle 7.5). Lag der Importanteil von Steinkohle aus den USA nach Deutschland im Jahr 2006 bei 5 %, so stieg er auf 25 % im Jahr 2012 an (Destatis 2013). Der Braunkohleanteil am deutschen Strommix stieg 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 2,3 %, der Steinkohleanteil um 0,5 %. Kohle hat somit zusammen mit Wind- und Wasserkraft (+2,5 %) den sinkenden Beitrag von Kernenergie (–5,3 %) ausgeglichen (BMWi 2013). Kiel Policy Brief 64 6 / 16 Abbildung 3: Entwicklung der Kohleproduktion, des Kohleverbrauchs und der Nettoexporte in den USA in 1 000 metrischen Tonnen 10 000 1 000 100 10 1 2000 2001 2002 2003 Produktion 2004 2005 2006 Verbrauch 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Netto Exporte Quelle: Daten aus EIA 2012b. Insgesamt ist eine Tendenz zu erkennen, nach der die Schiefergasförderung der USA im Zusammenspiel mit anderen Markteffekten auf den Gasmärkten auch die Märkte für Erdöl und Kohle beeinflusst. Während in den USA eine Verschiebung der relativen Preise zwischen Gas und Kohle bzw. Erdöl zu erkennen ist, sind die weltweiten Preiseffekte noch nicht deutlich erkennbar. Man sieht allerdings schon eine Verschiebung der Handelsströme. 4. Schiefergasproduktion in der EU-27 Die gesamte Gasproduktion in der EU-27 ist rückläufig. So sank die Primärerzeugung in der EU-27 von 2006–2011 um 22 % (Eurostat 2013). Im gleichen Zeitraum stiegen die Einfuhren um 6 % an (ibid.). Es wird erwartet, dass der Erdgasverbrauch um 0,6 % pro Jahr steigt, was bedeutet, dass die Menge von 0,537 Bill. m3 in 2010 im Jahr 2035 auf 0,618 Bill. m3 ansteigen würde (IEA 2012b). Bei einer Bewertung, ob und in welchem Maße die Gasgewinnung durch Fracking einen Beitrag zur Energiesicherheit leisten kann, dürfen nicht die technisch verfügbaren Reserven (für die EU 13 Bill. m3, vergleiche Kapitel 2), sondern die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten profitabel förderbaren Gasmengen betrachtet werden. Eine vom Europäischen Parlament (EP) in Auftrag gegebene Studie kommt aufgrund der praktischen Erfahrungen in den USA zu dem Schluss, „dass in den kommenden Jahrzehnten mit hoher Wahrscheinlichkeit letztlich deutlich weniger als 10 % des vorhandenen Gesamtgasvolumens gefördert werden können“ (Lechtenböhmer et al. 2011: 67). Die Autoren halten in einer Hochrechnung für die Kiel Policy Brief 64 7 / 16 kommenden Jahrzehnte lediglich einen technisch machbaren Ausbau der nicht-konventionellen Gasförderung in der Größenordnung von 2–3 % des europäischen Gasbedarfs für möglich. Vor allem die Verfügbarkeit an Bohranlagen wird als Restriktion genannt, da viele regelmäßige Einzelbohrungen notwendig sind, um das Förderniveau konstant zu halten oder gar zu steigern. Hinzu kommen vermutlich Umweltauflagen, die den Ausbau zusätzlich verteuern und verlangsamen. Laut der Hochrechnung von Lechtenböhmer et al. (2011) wird daher der Importanteil weiter steigen, da die Förderung unkonventioneller Gasreserven nicht ausreichen werde, den Rückgang der Binnenförderung konventioneller Gasreserven auszugleichen. Es ist daher davon auszugehen, dass bei steigendem Gasbedarf durch das Erschließen der europäischen, nicht-konventionellen Gasreserven die Energiesicherheit in Europa nicht gesteigert werden kann. Das Gutachten des EP geht sogar davon aus, dass ein negativer Einfluss auf die Energiesicherheit zu erwarten ist. Es sei nicht auszuschließen, dass durch eine sinkende Primärförderung in Russland und einen steigenden Bedarf in anderen Regionen die Erdgaseinfuhren den prognostizierten Bedarf nicht vollständig bedienen könnten. Es sei daher eigentlich erforderlich, durch entsprechende Anreize den Gesamtgasbedarf zu senken. Eine Erschließung der internen nicht-konventionellen Gasreserven könne zumindest kurzfristig die erwarteten Engpässe in der Gasversorgung mildern (Lechtenböhmer et al. 2011). Dies bedeutet auch, dass aufgrund der geringen Fördermengen und dem steigenden Gasbedarf in Europa auch nicht mit einem Preisverfall wie in den USA zu rechnen ist (Deutsche Bank 2011; Ernst & Young 2011; ZEW 2013). 5. Umwelt- und klimapolitische Aspekte der Produktion von Schiefergas Der Frackingboom hat in den USA besonders den Einsatz von Kohle als Energieträger zur Stromerzeugung zurückgedrängt. Aufgrund des höheren Kohlestoffanteils in der chemischen Zusammensetzung entstehen bei der Verbrennung von Kohle im Vergleich zu Gas mehr Treibhausgasemissionen. Berücksichtigt man ausschließlich das Klimagas CO2, so sind in den USA zum ersten Mal seit vielen Jahren die Emissionen gesunken. Teilweise geschah dies in Folge der Wirtschaftskrise, doch auch die Substitution von Kohle durch Gas und erneuerbare Energien spielte dabei eine wichtige Rolle (SRU 2013). Das Schiefergas könne also einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wird gefolgert (EIA 2012a; Burnham et al. 2011). Die Klimafreundlichkeit von Schiefergas im Vergleich zu Kohle wird in einigen Studien angezweifelt (Wigley 2011; Hultman et al. 2011; Howarth et al. 2011). Es wird insbesondere auf die Methangasemissionen verwiesen, die bei der Förderung auftreten und die Klimabilanz von Schiefergas schlechter darstellen als die von konventionellem Erdgas. Die Studien kommen dabei zu teilweise recht unterschiedlichen Ergebnissen, die zumeist auf unterschiedlichen Annahmen zu den Methangasemissionen in der Produktion und dem Zeithorizont für den Vergleich des Treibhauspotenzials beruhen. Letzteres ist ausschlaggebend, weil die Emissionen aus der Schiefergasproduktion zumeist aus Methan bestehen, während bei Kiel Policy Brief 64 8 / 16 Kohle hauptsächlich CO2-Emissionen auftreten. Auf eine 20-Jahresperiode gerechnet, hat Methan ein 72-mal höheres Treibhauspotenzial als CO2, auf der Basis einer 100-jährigen Periode ist es nur noch 25-mal höher. Dennoch ist eine Betrachtung einer Periode von 20 Jahren nicht sinnvoll aufgrund der langen Halbwertzeiten beider Gase in der Atmosphäre. Die kurze Frist bezieht sich eher auf die kurzfristig notwendigen politischen Maßnahmen zum Klimaschutz als auf eine kurzfristige Reduzierung der THG-Emissionen in der Atmosphäre. Andererseits werden typischerweise 2–3 % Methanemissionen als Anteil der gesamten Gasausbeute angenommen, welches zu einer besseren Emissionsbilanz von Schiefergas im Vergleich zu Kohle führt (Peduzzi, Harding 2013). In der Praxis werden aber eher Methanemissionen von 3,6–7,9 % beobachtet (Howarth et al. 2011). Methan in Kohleflözen weist dabei besonders hohe Emissionen auf, da es aufgrund der niedrigen Tiefe der Vorkommen zumeist vertikal durch mehr Bohrungen abgebaut wird und mehr Methan entweichen kann. Unter diesen Annahmen ist die Treibhauswirkung von Schiefergas deutlich höher als die von Kohle (IEA 2012a). Es scheint daher eine Frage der Sorgfalt in der Produktion und den lokalen geologischen Bedingungen zu sein, ob unkonventionelles Gas eine bessere Klimabilanz aufweist als Kohle. Im Vergleich zu der Klimabilanz von erneuerbaren Energien schneidet Schiefergas deutlich schlechter ab. Die Lebenszyklusemissionen von Schiefergas liegen bei ca. 500 g CO2 pro KWh im Vergleich zu 30 g CO2 pro kWh von beispielsweise Windenergie (McCubbin, Sovacool 2001; Peduzzi, Harding 2013). Flächenverbrauch Ein anderer Aspekt der Schiefergasförderung betrifft den Flächenverbrauch. Fruchtbares Land ist eine der wichtigsten, wenn nicht gar die wichtigste knappe und nicht vermehrbare Ressource. Bereits heute besteht ein starker Konkurrenzdruck auf die verfügbaren Flächen durch eine Vielzahl von Nutzungen, hauptsächlich für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion. Der Bedarf an Nahrungs- und Futtermitteln wird in den nächsten Jahren durch eine steigende Weltbevölkerung und veränderte, landintensivere Ernährungsgewohnheiten weiter steigen. Darüber hinaus wird fruchtbares Land aber auch zunehmend zur Produktion von Biomasse für die Energiegewinnung und für die stoffliche Nutzung gebraucht. Hinzu kommen der Verlust von fruchtbarem Land durch Versiegelungen für Siedlungen, Industrie und Infrastruktur. Darüber hinaus stellen natürliche Flächen eine Reihe von ökosystemaren Dienstleistungen bereit. Zu nennen sind hier zum Beispiel die Speicherung von Kohlenstoff in Biomasse und Boden, die Erhaltung von Biodiversität und funktionalen Ökosystemen, Wasserspeicherung oder der Erosionsschutz. Die Vielzahl dieser Bedürfnisse macht deutlich, dass eine effiziente Nutzung der knappen Ressource Land hohe Priorität haben sollte. In Bezug auf den Klimaschutz stellt sich die Frage, wie viel Energie auf der Fläche erzeugt werden kann. Ein wichtiger Indikator dafür ist der Energieertrag pro Flächeneinheit. Nach diesem Kriterium kann Schiefergas mit anderen erneuerbaren Energien verglichen werden. Kiel Policy Brief 64 9 / 16 Die Ausbeute pro Bohrloch schwankt für die meisten Lagerstätten zwischen 35 bis 55 Mill. m3 (Lechtenböhmer et al. 2011). Über den CO2-Gehalt im abgebauten Gas gibt es unterschiedliche Angaben. Howarth et al. (2011, S. 683) geben den CO2-Gehalt nicht direkt an, sondern nehmen einen Methangehalt von 78,8 % an. Somit gehen sie implizit von einem CO2-Anteil kleiner als 22,2 % aus. Goodmann und Maness (2008) halten einen höheren Anteil von 30 % für möglich. Die benötigte Größe für einen Bohrplatz unterscheidet sich in Abhängigkeit von der Anzahl der Bohrungen, der Bohranlage und möglichen Auflagen der Aufsichtsbehörden. Ein Gutachten des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen geht davon aus, dass Clusterbohrplätze mit bis zu 20 Bohrungen einen Platzbedarf von 7 000 bis 10 000 m² und 1 000 bis 2 000 m² für Nebenanlagen aufweisen. Bohrplätze für einzelne Explorationsbohrungen mit kleinen oder mobilen Bohranlagen haben einen Platzbedarf von ca. 3 000 m², im Falle von stationären Anlagen von ca. 6 000 m² (NRW 2012: 19). Andere Studien gehen von einem Flächenbedarf von 10 000–30 000 m² aus (Belvalkar, Oyewole 2010). Im Rahmen der Bohr- und Frack-Arbeiten werden auf dem Bohrplatz und in der Bohrung bislang Flüssigkeiten eingesetzt, die als wassergefährdend eingestuft sind. Der Bohrplatz muss daher vollständig versiegelt werden, um zu gewährleisten, dass keine wassergefährdenden Flüssigkeiten mit dem Boden in Kontakt kommen können (NRW 2012: 19). Nimmt man einen Flächenbedarf pro Bohrloch von 1–2 ha an (Peduzzi, Harding 2013), dann erhält man eine Energieausbeute von 122–432 Mill. kWh/ha. Für den Vergleich mit erneuerbaren Energien müssen allerdings weitere Annahmen getroffen werden. Die Ausbeutung eines Bohrloches ist ein einmaliger, kurzfristiger Vorgang, wohingegen erneuerbare Energien über einen langen Zeitraum auf einer Fläche Energie liefern können. Bei dem Vergleich des Energieertrags je Hektar stellt auch der SRU (2013) fest, dass dabei zu bedenken ist, wie lange und oft eine Fläche einen definierten Energieertrag erbringen kann. Bei der Vergleichsperiode ist zudem zu bedenken, nach welchem Zeitraum eine Fläche für eine andere Nutzung verfügbar ist. Da keine Informationen über den Zeitraum einer Regenerierung einer durch Fracking in Anspruch genommenen Fläche vorliegen, zeigen wir exemplarisch Berechnungen und Vergleich für eine Vergleichsperiode von 20 und 100 Jahren. Teilt man die Energieausbeute eines Bohrloches also durch 20, erhält man eine Ausbeute von 6–22 Mill. kWh/ha/Jahr. Bei einer Vergleichsperiode von 100 Jahren sind es 1,2–4,3 Mill. kWh/ha/Jahr. Die Werte für die 20-jährige Vergleichsperiode sind mit Wind- und Solarenergie vergleichbar, welche bei 10–26 Mill. kWh/ha/Jahr für Wind bzw. 14–22 Mill. kWh/ha/Jahr liegen (NREL 2012). Die Energieherstellung je Flächeneinheit ist für die Biogasproduktion, die in Deutschland hauptsächlich auf nachwachsenden Rohstoffen besteht, bedeutend geringer. Nach Berechnungen von Delzeit et al. (2011) können je nach Substrateinsatz zwischen ca. 34 000–85 000 kWh/ha/Jahr produziert werden. Kiel Policy Brief 64 10 / 16 Wasserverbrauch bei Fracking und Folgen für die Wasserqualität Einer der Hauptkritikpunkte der Frackinggegner ist der hohe Wasserverbrauch bei der Förderung von Schiefergas. In Deutschland wurden beim Einsatz von Frackfluiden bei drei Fracks rund 12 000 m³ Wasser eingesetzt (NRW 2012). Dieser Verbrauch ist im Vergleich zu den gesamten in Deutschland verfügbaren Wasserressourcen sehr gering. Da es aber lokal zu einem großen Wasserbedarf kommen kann, sollten an jedem Standort die Folgen der Wasserentnahme geprüft werden (SRU 2013). Hohe lokale Wasserentnahmen können erhebliche Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung in ländlichen Räumen und die Landwirtschaft haben. Hinzu kommen mögliche Auswirkungen auf Vegetation und Biodiversität, insbesondere in Regionen, in denen Wasser bereits ein knappes Gut darstellt. Durch die hohe Wasserentnahme wird in einigen Regionen zudem ein erhöhter Gehalt von gelösten Salzen und anderen Mineralien im Wasser festgestellt (IEA 2012a). Direkt mit dem hohen Wasserverbrauch verbunden ist die Diskussion über den Einsatz von Chemikalien in der verpressten Frackingflüssigkeit. Die Studie des NRW (2012) weist darauf hin, dass auch die seit dem Jahr 2000 zum Einsatz kommenden verpressten Frackfluide besorgniserregende Eigenschaften aufweisen (NRW 2012: 24). Die Kontaminierung des Grundwassers durch die Chemikalien der Frackingflüssigkeit ist möglich, wenn die Auffangbecken oder Rohrsysteme Lecks aufweisen. Dies ist in der Vergangenheit in den USA bereits vorgekommen (Myers 2011). Weitere Leckagen können sich beim Transport, Umfüllen und Einlagern der Frackingflüssigkeit ergeben. Diese Probleme sind nicht allein Probleme des Fracking, sondern können bei jeglichen kontaminierten Flüssigkeiten auftreten. Durch die zugesetzten Chemikalien und ein mögliches starkes Ansteigen der Bohrungen könnten diese Vorkommnisse von Grundwasserverschmutzung aber deutlich zunehmen. Wird die Frackingflüssigkeit zudem in offenen Behältern und Teichen vorgehalten, so kann es durch die Verdunstung der Chemikalien zu Luftverschmutzungen kommen (Madsen et al. 2011). Zusätzlich wird beim Frackingverfahren zum Teil auch Wasser „produziert“. Beim Erschließen von Erdgas, insbesondere aus Kohleflözen, muss zumeist erst Wasser abgepumpt werden (Peduzzi, Harding 2013). Das produzierte Wasser muss entsprechend behandelt werden, bevor es in die Vorfluter abgegeben werden kann, da es für die Natur und Landwirtschaft schädliche Konzentrationen an Sodium, Kalzium und Magnesium enthalten kann (Peduzzi, Harding 2013). Bezüglich Risiken im Bereich des Wassers weist auch der SRU (2013) darauf hin, dass es wesentliche offene Fragen im Bereich des Trinkwasserschutzes, der Entsorgung der unterschiedlichen Abwasser sowie langfristiger hydrologischer Folgen gibt, die noch nicht befriedigend erforscht sind. Andere lokale Umwelteffekte Methangaslecks können nicht nur zu einer deutlich negativeren CO2-Bilanz von Schiefergas führen, sondern auch eine Gefahr für die lokale Bevölkerung darstellen, wenn das Methan in Kiel Policy Brief 64 11 / 16 das Grundwasser gelangt. In den USA wurden teilweise große Konzentrationen von Methangas im Trinkwasser in der Nähe von Fracking-Gebieten nachgewiesen (siehe z.B. Osborn et al. 2012). Ein weiteres mögliches Risiko ist das Auslösen von Erdbeben durch das Aufbrechen der Gesteinsschichten. Bezüglich des Zusammenhangs von seismischen Ereignissen und Fracking besteht anscheinend noch Forschungsbedarf. Laut SRU (2013) bedarf es einer Klärung von Unfallrisiken, insbesondere auch von kleinen Erdbeben, die durch Bohrvorgänge oder das Verpressen des Flowbacks ausgelöst werden könnten. Hinzu kommen weitere Unfallrisiken durch Transport-, Umfüll-, Reinigungs- und Lagervorgänge, welche zu einer Kontaminierung der lokalen Umwelt führen können (Peduzzi, Harding 2013). 6. Fracking und zukünftige klimapolitische Optionen Die Förderung von Schiefergas und in Zukunft wahrscheinlich auch vermehrt von Schieferöl wird zu Veränderungen auf den Märkten für alle fossilen Energieträger führen. Die Substitution von Kohle durch zunächst Erdgas und vermehrt auch Schieferöl ist dabei nur ein Phänomen. Die erneuerbaren Energieträger werden ebenfalls in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Und schließlich werden diese Effekte zusammen die zukünftige Klimapolitik verändern, d.h. letztendlich schwieriger machen. Die Verbreitung der Frackingtechnologie verursachte zunächst in den USA eine Ausweitung des heimischen Angebots und führte zu fallenden Preisen für fossile Energieträger. Dies wird sich in der Tendenz auch weltweit durchsetzen, insbesondere wenn die neu gefundenen Lagerstätten in Asien und Südamerika ausgebeutet werden. Fallende Preise für Energie gehen mit einer steigenden Nachfrage nach Energie einher, was tendenziell zu höheren Emissionen von CO2 führt. Dieser Effekt wird dadurch abgemildert, dass Erdgas einen sehr viel geringeren Emissionskoeffizienten als Erdöl oder Kohle enthält. Selbst wenn andere Treibhausgase wie Methanemissionen berücksichtigt werden, könnten die Klimagasemissionen fallen. Die CO2-Emissionen (nicht die gesamten THGEmissionen) der USA sind auch aufgrund des Fracking gesunken. Allerdings sind damit nicht die weltweiten Emissionen verringert worden. Vielmehr ist die Kohleförderung in den USA nur leicht gesunken, wobei der inländische Überschuss exportiert wurde und damit im Ausland die CO2-Emissionen erhöht hat. Wenn die unkonventionellen Erdgas- und Erdölvorkommen weltweit zunehmend ausgebeutet werden, wird sich die erwartete Verknappung der Vorräte, wie von Vertretern der Peak-Oil-These seit langem vorgetragen wird, erst mit einigen Jahrzehnten Verzögerung einstellen. Dies bedeutet aber, dass sich die Preise für fossile Energieträger anders entwickeln werden als bisher erwartet. Bislang war man von einem kontinuierlichen Anstieg der Preise fossiler Energieträger ausgegangen, durch den sich zumindest teilweise eine klimaschützende Wirkung einstellen würde. Dieser Effekt wird wahrscheinlich in der beschriebenen Form kurzfristig nicht auftreten. Der langfristige Effekt ist unklar. Kiel Policy Brief 64 12 / 16 Klimaschutz erfordert hohe Preise für fossile Energieträger, um einerseits Unternehmen und Haushalte zu einem sorgsamen Umgang mit Energie zu veranlassen. Andererseits schaffen hohe Energiepreise auch Anreize für Innovationen bei den erneuerbaren Energien und bei der Energieeinsparung. Diese Effekte werden durch den Frackingboom von den Energiemärkten selbst wahrscheinlich in absehbarer Zeit nicht mehr in Gang gesetzt werden. Die Klimapolitik muss also hier nachsteuern. Konkret bedeutet dies, dass z.B. im europäischen Emissionshandelssystem die Preise für Emissionsrechte in dem Maße stärker ansteigen müssen, in dem sich der Anstieg der Marktpreise für fossile Energieträger verringert. Dieses würde bei Beibehaltung der Emissionsziele der EU automatisch erfolgen, hätte aber bedeutsame gesamtwirtschaftliche Nebeneffekte. Spürbare und steigende CO2-Preise – sei es durch Steuern oder durch ein Emissionshandelssystem – werden weltweit kaum eingesetzt und sind nicht harmonisiert, wie es eine effiziente Klimapolitik eigentlich erfordern würde. Dies bedeutet, dass die europäische Klimapolitik bei höheren Preisen im Emissionshandelssystem die Schere zwischen den Energiepreisen in der EU gegenüber dem Ausland weiter vergrößern wird. Dies hat schon jetzt dazu geführt, dass die Debatte um Verluste an Wettbewerbsfähigkeit der europäischen energieintensiven Industrie wieder verstärkt geführt wird. Die Diskussion um niedrige Energiepreise hat die Diskussion um den Klimaschutz in den Hintergrund rücken lassen. Unabhängig davon, ob durch große Unterschiede in den Energiepreisen Unternehmen und Kapital tatsächlich in Länder mit niedrigen Energiepreisen abwandern, ist es wahrscheinlich, dass der sogenannte „Carbon-Leakage“ auftritt. „Carbon-Leakage“ bezeichnet den Effekt, dass durch unterschiedlich hohe Energiepreise die Produktion von energie-intensiv hergestellten Gütern in Ländern mit niedrigen Energiepreisen wächst. Umgekehrt schrumpft sie in Ländern mit hohen Energiepreisen. Dieses Phänomen ist schon heute zu beobachten. China exportiert sehr energie-intensive Güter, während zum Beispiel Deutschland sie hauptsächlich importiert. So werden in China nahezu 30 % der CO2-Emissionen durch die Produktion von Exportgütern verursacht. Dieser Effekt würde sich durch den Frackingboom weiter verstärken. Diese Effekte werden die Klimaverhandlungen weiter erschweren, denn die gesamtwirtschaftlichen Kosten von unilateralen Klimaschutzpolitiken, wie sie die EU als Vorbild in die Klimaverhandlungen einbringt, werden steigen und gleichzeitig wird der Anreiz für viele Länder zunehmen, einem Klimaschutzabkommen nicht beizutreten und vom „Carbon Leakage“ zu profitieren. Das schon jetzt zu beobachtende Trittbrettfahrerproblem beim Klimaschutz wird sich also weiter verstärken. Wie bei einer weiteren Verbreitung des Fracking auf all den Flächen mit großen Schiefergasvorkommen ein internationales Klimaregime ausgehandelt werden kann, stellt eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre dar. Dabei kommt noch ein weiterer Effekt zum Tragen. Die neuen Funde an unkonventionellen fossilen Reserven, gepaart mit der Technologie, diese auch profitabel fördern zu können, führen dazu, dass nicht alle fossilen Brennstoffe, die der Menschheit zur Verfügung stehen, auch gefördert und genutzt werden können, wenn die Klimaschutzziele der UN-Klimarahmenkonvention erreicht werden sollen. Es wird also bald eine Diskussion darüber beginnen Kiel Policy Brief 64 13 / 16 müssen, welche fossilen Energieträger noch gefördert werden sollen und auf welche die Weltgemeinschaft verzichten will und soll. In dieser Diskussion sollten Kriterien entwickelt werden, welche fossilen Energieträger in der Erde verbleiben sollten und welche genutzt werden. Die Treibhausgasemissionen bei der Nutzung der fossilen Energieträger sollten dabei genauso eine Rolle spielen wie die Umwelteffekte ihrer Förderung. Ob dazu die Schiefergas- oder Schieferölvorkommen zählen werden, ist eine offene Frage. Eine genaue Analyse der gesamten Umwelteffekte unterschiedlicher fossiler Energieträger wäre dafür vonnöten. 7. Schlussfolgerungen In Europa sind Potenziale zur Schiefergasförderung vorhanden, diese wurden aber zuletzt nach unten korrigiert und werden nicht ausreichen, den Produktionsrückgang an konventionellem Gas auszugleichen. Eine Verbesserung der Unabhängigkeit der europäischen Energieversorgung und direkt sinkende Energiepreise sind aufgrund eines Ausbaus der Schiefergasförderung in Europa daher beim jetzigen Wissensstand nicht zu erwarten. Einen Beitrag zum Klimaschutz durch die Substitution von Kohle wird nur erreicht, wenn strikte und damit kostenintensive Standards bei der Förderung eingehalten werden und wenn der Rückgang des Kohleverbrauchs und der Kohlepreise in anderen Ländern nicht zu einem vermehrten Einsatz von Kohle führen. „Carbon Leakage“ müsste verhindert werden, was gleichbedeutend ist mit einem internationalen Abkommen über die Begrenzung der Kohleförderung oder einem globalen Emissionshandelssystem, das alle THG-Emissionen einschließt. Die lokalen Umweltrisiken des Frackings könnten durch entsprechende Regulierungen in Grenzen gehalten werden, wobei langfristige hydrologische Folgen bislang nicht ausreichend erforscht sind. Der unvermeidliche Flächenverbrauch ist mit dem von Solar- und Windenergieanlagen vergleichbar. Stellt man daher den vergleichsweise geringen Vorteilen von Schiefergas die zusätzlichen lokalen Umweltrisiken gegenüber, ist ein Abbau von Schiefergas in Deutschland und Europa fragwürdig. Die Frackingtechnologie bringt für den internationalen Klimaschutz neue Herausforderungen. „Carbon Leakage“ wird verstärkt und damit vermehren sich die Anreize für viele Länder, sich keinem Klimaschutzabkommen anzuschließen. Eine international koordinierte Klimapolitik wird also zunehmend schwieriger, da sich die Vorteile eines nicht-kooperativen Verhaltens verstärken. Bisher wollten nur wenige darüber sprechen, aber mit der kommerziellen Nutzung der unkonventionellen Erdgas- und Erdölvorkommen wird verstärkt die Debatte darum geführt werden müssen, welche fossilen Vorkommen in den nächsten Jahrzehnten gefördert werden und welche unter der Erde bleiben sollen. Kiel Policy Brief 64 14 / 16 Literaturverzeichnis Belvalkar, R., und S. Oyewole (2010). Development of Marcellus Shale in Pennsylvania. 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