Sehfunktionen im Alter

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Sehfunktionen im Alter
AKTUELL
Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. (FH) Hans-Jürgen Grein
Sehfunktionen im Alter
Das Alter ist der Hauptrisikofaktor
für viele degenerative Erkrankungen
und funktionelle Veränderungen am
Auge. Der folgende Artikel stellt eine
Kurzzusammenfassung eines Vortrages des 7. Fielmann-Kolloquiums dar.
Altersveränderungen an den Augenlidern
sind besonders auffällig. Beim Ektropium erschlafft das Lidgewebe und die untere Lidkante verliert den Kontakt zur Augenoberfläche. Austrocknung der Bindehaut und Tränenlaufen können die Folge sein. Erschlafft
die Lidhaut des Oberlides, kann es zu einem
schürzenartigen Überhängen der Lidhaut
über die Lidkante kommen. Man spricht von
einer Dermatochalasis. Bei der senilen Ptosis verliert die Sehne des Lidhebers den
Kontakt zum „Lidknorpel“. Die obere Lidkante steht zu tief und kann die Pupille verdecken. Durch chirurgische Eingriffe lassen
sich diese Altersveränderungen korrigieren.
Weitere Beispiele für Altersdegenrationen
sind der Lidspaltfleck der Bindehaut oder der
Greisenbogen in der Hornhaut. Beide Veränderungen sind jedoch harmlos. Funktionell
beeinträchtigend kann die senile Miosis sein,
also die ständige Engstellung der Pupille. Die
Pupille ist dann oft nur noch 2-3 Millimeter
weit, auch in schlechter Beleuchtung. Durch
die reduzierte Beleuchtungsstärke der Netzhaut kommt es zu Einbußen bei Visus und
Kontrastempfindlichkeit. Andererseits steigt
dadurch die Schärfentiefe der Abbildung
und die Auswirkungen der Presbyopie werden etwas abgemildert.
Die Augenlinse färbt sich im Laufe des
Lebens gelb-bräunlich ein. Weniger blaues
Licht erreicht die Netzhaut. Die Rezeptoren
werden vor kurzwelligem Licht, das schädi-
Abb. 1+ 2: Die Veränderung der
Wahrnehmung bei grauem Star
am Beispiel der japanischen Brücke
von Monet. Das rechte Bild wurde
1899 gemalt, das obere 1918, als Monet
an einem fortgeschrittenen Katarakt litt.
DOZ 12-2009
tung Myopie. Durch nachlassenden Liddruck ändert sich die Hornhautform. Der
Gesamtastigmatismus wandelt sich von einem Rectus hin zu einem Inversus. Für den
Sehalltag wichtig ist die Kontrastempfindlichkeit des Auges, also die Fähigkeit auch bei
schlechten Kontrasten noch Objektdetails zu
erkennen. Bereits ab dem 40. Lebensjahr
nimmt diese Fähigkeit ab. Ältere Menschen
benötigen auch bei sonst gesunden Augen
bis zu dreimal mehr Kontrast für die gleiche
Sehaufgabe, wie ein 20-Jähriger.
Abb. 3: Abhängigkeit der mittleren
Pupillenweite vom Alter.
gende Wirkung haben kann, geschützt.
Der Übergang der physiologischen Eintrübung der Augenlinse in einen grauen Star ist
fließend.
Die Eiweiße im Glaskörper verklumpen im
Alter zunehmend und es kommt zu einer
Verflüssigung. Der Glaskörper schrumpft
und kann sich von der Netzhaut ablösen.
Verwachsungen der Glaskörpergrenzmembran mit der Netzhaut bergen die Gefahr
von Zug an der Netzhaut. Die Betroffenen
nehmen Blitze wahr und es kann zur Netzhautablösung kommen.
Typische Alterserkrankungen des Auges
sind Glaukom und altersbedingte Makuladegeneration, die beide erhebliche Gesichtsfeldausfälle erzeugen können, bis hin
zur Erblindung im Sinne des Gesetzes.
Die Refraktion des Auges verändert sich
im Laufe des Lebens wellenartig. Der Emmetropisierung der meist hyperopen Kinder
folgt ab dem mittleren Lebensalter eine
Hyperopisierung. Im hohen Alter hingegen
verändert sich die Refraktion wieder in Rich-
Abb. 4: Veränderung der Refraktion im Laufe
des Lebens nach unterschiedlichen Autoren
(aus Diepes: Refraktionsbestimmung).
Besonders der nächtliche Straßenverkehr
kann im Alter zu einer Herausforderung
für das Sehsystem werden. Trübungen der
Hornhaut und der Augenlinse führen oft zu
erhöhter Blendempfindlichkeit durch Streulicht auf der Netzhaut. Die Kontrastempfindlichkeit sinkt deutlich. Dazu kommt eine
stark verlängerte Readaptationszeit nach
einer Blendung. Im Gegenverkehr fahren die
Betroffenen oft sekundenlang blind. Insgesamt muss berücksichtigt werden, dass
Altersveränderungen am Auge zu einem
deutlich erhöhten Lichtbedarf führen. Je
nach Art und Richtung der Beleuchtung kann
es aber auch zu Blendungen kommen.
Interessanterweise bleibt der Visus lange
Zeit des Lebens weitgehend konstant. Erst
jenseits des 60. Lebensjahres treten spürbare Verschlechterungen auf. Allerdings
spielen auch sozioökonomische Einflüsse
eine Rolle bei der Sehtüchtigkeit älterer
Menschen. Geringere Mobilität, geringere
Erwartungen an die Sehfähigkeit und eventuell auch geringere finanzielle Möglichkeiten erschweren den Zugang zu Augenarzt
und Augenoptiker.
Anschrift des Autors:
Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. (FH)
Hans-Jürgen Grein
Leiter Wissenschaft und Lehre
Fielmann Akademie
Schloss
24306 Plön
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