MIT HARTER HAND UND GROSSEM HERZ MIT - floh
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MIT HARTER HAND UND GROSSEM HERZ MIT - floh
01_Titel_Monteverdi 02.11.2008 Nr. 20-4 | 2008/2009 Dezember | Januar | Februar 12:15 Uhr Seite 1 www.swissclassics.com info@swissclassics.com Schweiz CHF 9.– | Österreich EUR 7.20 Deutschland EUR 7.– | USA $ 9.– SwissClassics REVUE DAS OLDTIMERMAGAZIN DER SCHWEIZ SMVC-Clubnachrichten Special – Reisschüsseln mit Klassiker-Ambitionen Rallye unter der Lupe – Südtirol Classic 2008 Graham – Kompressormotor und Haifischnase SwissClassics REVUE Nr. 20-4 | 2008/2009 • Dezember | Januar | Februar Condor & Motosacoche – Das ideale Motorrad MIT HARTER HAND UND GROSSEM HERZ Das Leben und Wirken des Peter Monteverdi SPECIAL | OBA-VERGASER OBA Passfoto Otto Baumgartner. Foto Baumgartner Von den Vierziger- bis in die Achtzigerjahre des letzten Jahrhunderts wurden in Solothurn spezielle Vergaser gebaut, über die man auch heuText: Hanspeter Bröhl te noch überall Lob hört. Patentierte Vergaser aus dem Solothurnischen Im Jahre 1898 erblickte in Oensingen SO ein neuer Erdenbürger das Licht der Welt: Otto Baumgartner. Otto hatte neun Geschwister. Die Primarschule besuchte er in seinem Geburtsort, in Balsthal die Bezirks- und gewerbliche Fortbildungsschule. Er ergriff den Beruf des Mechanikers, mit Bravour schloss er seine Lehre in der Von Roll AG Klus ab. Danach zog es ihn fort von zuhause, und er ging in der Fremde auf Lehr- und Wanderschaft, wie das damals üblich war. Dabei wurde fremdes Brot gegessen, man wurde selbstständiger und erwachsener, heute ist dies alles nicht mehr so selbstverständlich. 118 SwissClassics 118-123_OBA-Vergaser.indd Abs1:118 Otto Baumgartner spezialisierte sich zum Automechaniker. Nach seinen Lehr- und Wanderjahren machte er sich – zurück in der Heimat – selbstständig, eröffnete eigene Automobilwerkstätten in Birsfelden BL, später in Neuenkirch LU und Willisau LU, bis er mit seiner Familie Mitte der 1930er Jahre in Bern-Bümpliz landete. 1921 hatte Otto Baumgartner in Birsfelden seine Braut Emma Bieri geheiratet. Drei Töchter und zwei Söhne wurden ihnen geboren. Otto Baumgartner in seinem Monoposto, spätere 1930er Jahre. Foto Baumgartner Nr. 20 | 04.2008/2009 03.11.2008 14:37:09 Uhr PATENTIERTE VERGASER AUS DEM SOLOTHURNISCHEN US-Patentschrift, 1937. Fotos Hp. Bröhl www.swissclassics.com 118-123_OBA-Vergaser.indd Abs1:119 SwissClassics 119 03.11.2008 14:37:15 Uhr SPECIAL | OBA-VERGASER Peugeot Darl‘mat ca. 1946/47 vor dem Haus in Oensingen. Foto Baumgartner 120 In all der Zeit beschäftigte sich Otto zunehmend mit Vergasern, welche dem Tüftler schliesslich ans Herz wuchsen. Ab 1936 stellte Otto Baumgartner eigene OBA-Metro-Vergaser her. An der Stöckackerstrasse 62 in Bümpliz schuf er auch eigene Patente. Er meldete diese in ganz Europa bis nach «the United States of America» mit den Nummern 2 068 787 und 2 075 692. Hier, in dem kleinen Berner Vorort, fand er ausserdem die Zeit, sich aus verschiedenen Teilen einen Monoposto Renn-Sportwagen zu bauen. Diese Vergaser konnten überall eingesetzt werden: bei Stationärmotoren, Stromerzeugern, Motorrädern, Automobilen. Es ist nicht verwunderlich, dass diese hervorragenden Vergaser in die Welt hinaus zu über 30 Firmen in mehr als 20 Ländern verkauft wurden. In der Schweiz zeigte auch das Militär Interesse an Ottos Vergaser. So konnte Otto Baumgartner während und nach dem Zweiten Weltkrieg seine OBA-Metro-Vergaser unter anderem ans Eidgenössische Militärdepartement EMD liefern. 1942 zügelte Familie Baumgartner zurück nach Oensingen. In diesem Jahr hatte der Vergaser-Hersteller ein schönes Haus mit Werkstatt an der Kantonsstrasse 23 bauen lassen. Und hier wurden bis 1985 mit bis zu vier Angestellten die Vergaser zusammengebaut, es wurde geprobt und getüftelt. Insgesamt stellte man Vergaser mit 18 verschieden grossen Düsen her. Der ältere Sohn Kurt half schon bald in der Vergaserherstellung und deren Entwicklung tatkräftig mit. Automobile gab es natürlich auch bei Baumgartners. Neben dem bereits erwähnten Monoposto-Eigenbau kam für die Familie eine Peugeot-402-Limousine,Sohn Kurt pilotierte ab etwa 1946/ 47 einen offenen, sportlichen zweiplätzigen 402 DSE Darl‘mat Spezial aus dem Jahre 1938 mit Cotalgetriebe, angeblich wurden 49 solcher Fahrgestelle gebaut. Das kleine Cotal-Hebelchen zum Schalten beim Lenkrad wurde zwischen die Armaturen eingebaut. Heute an der Stöckackerstrasse 62 in Bern-Bümpliz. Foto Hp. Bröhl Familienwappen Bieri-Baumgartner am Haus in Oensingen mit Jahreszahl 1942. Foto Hp. Bröhl SwissClassics 118-123_OBA-Vergaser.indd Abs1:120 Nr. 20 | 04.2008/2009 03.11.2008 14:37:25 Uhr PATENTIERTE VERGASER AUS DEM SOLOTHURNISCHEN Peugeot Darl‘mat als Coupé in Ferrarirot ca. 1949. Fotos aus Film Baumgartner Kleiner Exkurs: Emile Darl‘mat (1892–1970) war seit 1923 Peugeot-Vertreter in Paris und arbeitete seit 1928, von den Typen 177M und 14cv SS bis hin zum Peugeot 403 Coupé in den 1950er Jahren, für den Automobilhersteller. Er hauchte den Motoren etwas mehr PS ein. Für die Formgebung der Carrosserien, welche bei Pourtout gebaut wurden, war bis 1939 der Dentist Georges Paulin verantwortlich. Die Familien Peugeot und Baumgartner waren sehr gut befreundet. Es versteht sich fast von selbst, dass den eigenen Autos die eigenen Vergaser verpasst wurden. «Der Darl‘mat fuhr mit dem Doppelvergaser schneller und erst noch sparsamer», erklärte Kurt Baumgartner einmal. Der Familien-Peugeot der Baumgartners wurde 1948 oder 1949 durch eine amerikanische Limousine, einen Studebaker Commander, ersetzt. Sohn Kurt machte militärische Karriere; er bewegte sich meist in seinem 402 Darl‘mat. Der war zügig – aber bei Regen hatte er kein Dach über dem Kopf, und dem beschloss Kurt abzuhelfen. So machte er ein paar Skizzen für ein geschlossenes Coupé und liess es 1949 von der Carrosseriefirma Hauser in Wiedlisbach elegant und in Ferrarirot einkleiden. Dies war übrigens einer der ersten, wenn nicht sogar der erste der Aufträge für den noch jungen Carrosseriebauer. Danach jedoch wurde der sportliche Franzose trotz des Daches nicht mehr so oft ausgefahren. Bei Peugeot wurden inzwischen eigene Darl`matCoupés gebaut, die sahen aber mit dem abgesetzten Hinterteil und den «Brezelfenster» lange nicht so elegant und sportlich aus wie das Modell von Kurt Baumgartner. Der nächste Sportliche war ein Porsche 356. Kurt Baumgartner muss die Entwicklung von Porsche genau verfolgt haben, denn er hatte sich einen aus den ersten 500 Exemplaren ausgelesen, mit doppelter Frontscheibe und schwarzem Fensterrahmen. Ja, das war etwas, das den jungen Leuten zusagte, so ein sportlicher Porsche, mit dem man um die Strassenecken sau- www.swissclassics.com 118-123_OBA-Vergaser.indd Abs1:121 sen konnte – und es machte mächtig Eindruck bei den Bräuten. Da war der alte Peugeot schon etwas schwerfälliger. Vater Otto Baumgartner mahnte seinen Sohn oft, den Peugeot zu verkaufen oder weiterhin zu fahren. Alles Mahnen nutzte jedoch nichts. So schritt der Vater eines Tages zur Tat und brachte das seltene Coupé nach Olten in die Garage Felber. Dort stand er nun in der ersten Reihe im Verkaufsraum, ja, er war wirklich etwas Besonderes. Und etwas Besonderes braucht meist nicht lange, bis es einen neuen Besitzer hat. So war es auch diesmal: Der elegant Sportliche bewegte sich bald in Basel und deren Region. Acht verschiedene Besitzer waren Peugeot Darl‘mat in Hinterhofgarage im Kleinbasel, Ende 1950er Jahre. Foto Archiv Hp. Bröhl SwissClassics 121 03.11.2008 14:37:38 Uhr SPECIAL | OBA-VERGASER Peugeot Darl‘mat nach der Restaurierung 1992. Die «Pfannendeckel» kommen besser zur Geltung. Fotos Hp. Bröhl Die Darl‘mat-Armaturen: schwarzer Knopf in der Mitte mit Cotal-Schalthebelchen. Foto Hp. Bröhl Der Darl‘mat mit dem neuen Besitzer am Klausenrennen 2006. Foto Dr. Georges W. Pollak in Fahrzeugausweisen vermerkt, alle dem Schreibenden bekannt, aber nur zwei davon sind damit gefahren. Die andern sechs hatten sich das Fahrzeug nur wegen der aufregenden Form zugelegt und sich daran gefreut. Nachdem der Sportwagen heruntergewirtschaftet und nicht mehr fahrtüchtig war, wurde er rund 20 Jahre restauriert, und der neue Besitzer aus Neuenegg fuhr 2006 damit das Klausenrennen. Nach dem Porsche bevorzugte Kurt Baumgartner GM-Produkte, weil Opel als «der Zuverlässige» angepriesen wurde. Vom sportlichen GT über Kapitäne, Rekord und die 6-Zylinder-Commodore bis hin zum Tigra wurde praktisch alles gefahren, was aus Rüsselsheim kam. Die Ausnahme kam englisch-amerikanisch daher – in der Form eines Jensen Intercepter. Die OBA-Metro-Vergaser wurden laufend verbessert. Dazu brauchte es natürlich verschiedene Test. Die Frau von Kurt Baumgartner erinnert sich: «Früher ging ja die Autobahn nur bis Oensingen, und um in Richtung Basel oder in den Jura zu gelangen, musste man über den Hauenstein oder Passwang fahren. Das weitere Autobahnstück war zwar schon fertig gebaut, aber noch lange nicht dem öffentlichen Verkehr übergeben. Da fuhren mein Mann und ich auf der nicht befahrenen Strecke, meist ich am Steuer, das Auto mit Messgeräten, Schläuchlein und Vergaser geladen. Mein Mann dirigierte mich – ‹Mehr Gas, nun weniger und jetzt Vollgas›, und so weiter. Ja, und so wurden nebst anderem die Verbesserungen geschaffen.» Die Werkstatt, aus der die OBA-Metro-Vergaser hinaus in die Welt gingen, war jedem Oensinger bestens bekannt. Otto Baumgartner war im Dorf sehr beliebt und geachtet, er war auch überall dabei, beim Turnverein, beim Musikverein, dem VeloMoto-Klub. Auch in der Politik machte er bei den Freisinnigen mit. Im Alter von 78 Jahren verstarb Otto Baumgartner 1976 an einem Herzversagen in Oensingen. Bis 1985 wurden weiterhin Vergaser zusammengebaut, dann wurde die Produktion eingestellt. Das Baumgartner-Haus steht heute noch an der selben Adresse, und im Mittelstock der Werkstatt sieht es aus, wie wenn Otto und Kurt Baumgartner vor 5 Minuten Feiera- Porsche 356, ca. 1950, mit OBA-Vergaser. Fotos Baumgartner 122 SwissClassics 118-123_OBA-Vergaser.indd Abs1:122 Nr. 20 | 04.2008/2009 03.11.2008 14:37:43 Uhr PATENTIERTE VERGASER AUS DEM SOLOTHURNISCHEN Schachtel mit OBA-2-Vergaser für VW Ghia-Karmann. Foto Hp. Bröhl bend gemacht hätten: Da stehen Vergaser in verschiedenen Arbeitsstadien auf einem Werktisch, eine kleine Drehmaschine steht da unter dem Fenster. Verschiedene Blechschachteln mit Schrauben und Düsen lagern in Gestellen. In einer Schublade befinden sich Anleitungshefte für Vergaser und Motoren, vor allem über Condor, Motosacoche und, man lese und staune, Zürcher Motoren, Saint Aubin 1952. Es ist zu hoffen, dass diese kleine Werkstatt so erhalten bleibt. Dies versprechen jedenfalls Otto Baumgartners Enkel – und das ist auch gut so. Leider sind aus der jeweiligen Zeit – bis auf ganz wenige Fotos – praktisch keine weiteren fotografisch festgehaltenen Dokumente mehr. Heute sind die OBA gesuchte Vergaser, vor allem im in Deutschland und der Schweiz. Da es in unserem Nachbarland viele Landwirtschaftsgeräte gab, welche mit dem Schweizer Vergaser bestückt wurden, gab es viele Basteleien, welche nicht so richtig funktionierten. Demzufolge wurde noch tiefer gebastelt und andere Vergaser montiert, mit wechselhaftem Erfolg. Es werden nun neue OBA-Vergaser 22er &26er hergestellt, vorerst jedoch ohne Gussgehäuse. Werkstatt im Herbst 2007. Foto Hp. Bröhl www.swissclassics.com 118-123_OBA-Vergaser.indd Abs1:123 SwissClassics 123 03.11.2008 14:37:51 Uhr