Deine Lakaien
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Deine Lakaien
Dark Wave Special Deine Lakaien Zeit für modulare Zeiten? Wir erreichen Ernst Horn bei einem Videodreh in der Nähe von München. Er hat das Projekt einer jungen Sängerin abgemischt, ist „eher so der Papa” und steht diesmal selbst nicht im Rampenlicht. Am 8. August erschien das neue Album von Deine Lakaien, das zehnte, um genau zu sein. Seinen Meilenstein feiert das Duo Alexander Veljanov und Ernst Horn mit einem Meilenstein: Crystal Palace. Die neue LP kommt erstmals seit 1996 ohne Gast-Instrumentalisten aus und verzichtet auf akustische Instrumente. Die minimalistische Retro-LakaienElectronic erscheint vielschichtig und atmosphärisch wie zu besten Zeiten. 48 Im Interview outet sich Ernst Horn als treuer Leser des SynMag, seitdem wir ihn vor vielen Jahren schon einmal interviewt hatten: „Das ist ein Heft für die Freaks wie mich.“ Beim letzten Mal sprachen wir im Rahmen der Orchestertour noch über Notationsprogramme, doch Ernst Horn ist froh, dass diese diesmal ausgeschaltet blieben. Stattdessen redet der Klangmeister von seinen alten Synthie-Schätzchen und gesteht, noch niemals ein Modularsystem besessen zu haben. Ernst, parallel zum neuen Album Crystal Palace legt ihr das Akustik-Album Acoustic II in den Handel, das vor ein paar Jahren via Pledgemusic finanziert wurde. Wie bewertest du heute dieses Crowdfunding-Experiment mit ein bisschen Abstand? Bereits am ersten Tag hattet ihr ja die nötige Summe zusammen, am Ende sogar ein Vielfaches der anvisierten Summe. Sagen wir so: Auf der einen Seite kann ich im positiven Sinne verstehen, dass man so etwas macht, weil es Deine Lakaien heutzutage für Musiker schwierig geworden ist. Das Notenschreiben für die Musiker hat Spaß gemacht bei dem Projekt, war aber auch eine schwierige Aufgabe. Ich hatte das Gefühl, dass sich etwas Nettes tut. Persönlich habe ich es aber nicht so mit dem Internet und all diesen Sachen. So eine Aktion ist vielleicht auch allgemein ein Eingeständnis, dass man als Musiker heutzutage wieder in frühere Zeiten zurückversetzt wird in Sachen Arbeit und Lohn. Ich würde jetzt nicht sagen, dass man durch so etwas ein Bettler ist. Schon Richard Wagner hat quasi Crowdfunding betrieben, da muss man sich nur die Unterstützernamen auf den Rückseiten der Opernprospekte von damals anschauen. Für Crowdfunding sind jetzt viele Portale online. Die Erträge gehen deshalb auch runter. In unserem Fall war es eine berechtigte Frage, das alles mal durchzurechnen ohne großen Promoaufwand. Wir hätten es aber auch ganz normal über mein Label laufen lassen können. Realisiert worden wäre das Projekt so oder so. Erstmals seit Winter Fish Testosterone habt ihr ein Album ohne Gastmusiker beziehungsweise AkustikInstrumentalisten aufgenommen. War das eine bewusste Entscheidung? Es war nicht das Bedürfnis, zurück zu den Wurzeln zu gehen. Ich habe nun mal mein Studio seit Jahren, meine Instrumente. Im Grunde ist mein Studio ein Instrument geworden. Ich hatte das Gefühl, dass es gut tut, die Geschichten, die da sind, auszureizen und mich auf das zu beschränken, was ich habe. Keine Noten schreiben, keine Arrangements für andere. Crystal Palace klingt dadurch wieder mehr nach Retro-Lakaien. Hat das nur mit dem Verzicht auf akustische Instrumente zu tun? Oder mit den Jahrgängen deines Gears? Ich glaube nicht, dass es am Alter der Instrumente liegt, sondern an meinen Sounds und Vorlieben, das setzt sich im Alter schon fest. Ich entdecke, wenn ich neue Samples mache und sie mir anhöre, dass es dann meist so ähnlich wie das klingt, was ich früher schon immer gesammelt habe – nur mit anderem Ausgangsmaterial. Der Geschmack bleibt halt doch derselbe, auch oder gerade im Alter. Eigentlich wollte ich das Album noch elektronischer machen. Es klingt akustischer als gedacht. Richtig, das Album klingt nicht nur synthetisch. Mit welchen Geräten hast du die „Natur“-Instrumente nachempfunden? Meist ist das Gesampeltes, in erster Linie Zupf- oder Saiteninstrumente. Auch eine Folk-Sitar-Sample-CD hat sich sicher in die Soundbank verirrt. Ich versuche auch immer im Haushalt alles aufzunehmen, auch mein präpariertes Klavier abzusampeln. Mein Ansatz ist, dass ich versuche, geräuschhaftes Ausgangsmaterial musikalisch flexibel zu machen, wie ein akustisches Instrument eben. Ich gebe ihm Anschlagdynamik, füge beispielsweise Ringmodulation hinzu, sorge für Dynamik. Von daher klingen einige Sounds so wie akustische Instrumente. Mit welchen Samplern arbeitest du? Früher hatte ich vor allem Akai. Die Bänke hatte ich mühevoll importiert in Mach5. Damit arbeite ich jetzt einige Jahre, habe aber die neue Version noch nicht. Inzwischen habe ich auch Kontakt mehr benutzt. Grundsätzlich ist es wegen der Bibliotheksverwaltung angenehmer, mit Software zu arbeiten. Aber mit den Akai-Geräten konnte ich auch relativ zügig arbeiten, das ging. Ich habe mich da aber noch nicht so ganz entschieden, was die ideale Lösung wäre. Auch beim Mach5 gibt es Macken oder das System hakt. Öfters gibt es auch böse Abstürze. Ansonsten ist Mach5 wunderbar, hat vor allem eine ganz übersichtliche Oberfläche. Aber ich werde mich mehr in Kontakt reinfuchsen. Es dauert halt nur immer wieder so lang, wenn ich eine alte Klangbibliothek aufgenommen habe, daraus einzelne Fragmente herauszufiltern. Gibt es ansonsten noch weitere Software-Klangquellen, mit denen du arbeitest? Sculpture Sounds nehme ich noch von Native Instruments in Logic. Früher hatte ich mich mal näher mit der ganzen Software-Frage beschäftigt, als ich einen Kurs in Karlsruhe belegt hatte. Dave Smith hatte damals den ersten Softsynth gemacht und ich hatte große Hoffnungen, was das Speichern von Klangverläufen angeht. Aber ich habe hier die vielen analogen Geräte und bin eigentlich nicht unzufrieden mit meinem Setup, im Gegenteil. Ich würde mir eher noch ein Modularsystem dazuholen. Das steht seit vielen Jahren auf dem Zettel. Aber da müsste ich mich mal reinknien. Als mein Juno 106 – mein ultimativer Bass-Synthesizer! – in Reparatur war, habe ich zeitweise mal einen Softsynth benutzt, der so ähnlich aufgebaut war. Der klang dann aber arg tot. Aber möglicherweise bilde ich mir das auch nur ein. Ernst Horn hat noch nie ein Modularsystem besessen? Ich hatte noch nie ein Modularsystem! Dabei hatte ich mir schon immer eins gewünscht! Ich habe so ein kleines Doepfer 404. Das hat zwar nur einen Oszillator, aber das Teil geht dermaßen los! Analoge Frequenzmodulation finde ich eine ganz tolle Geschichte. Da sollte ich mal weiterkommen in dem 49